Studium - Verwaltung

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Studium - Verwaltung
Niklas Gröhl _ Ecole Nationale Supérieure d‘Architecture de Marseille _ Frankreich
WS 12/13
Erfahrungsbericht
Wahl der Hochschule und Vorbereitung
Nachdem der Wunsch der Partnerhochschule für mich feststand, begann ich im Januar 2012 mir der aktiven Vorbereitung meines Auslandssemesters in Frankreich. Die Entscheidung für die ENSA Marseille
ergab sich im Vorfeld hauptsächlich durch viele Gespräche mit ehemaligen Outgoings unserer Fakultät
und mehreren Gaststudenten verschiedener Länder, deren Bekanntschaft ich im Hochschulalltag machen
konnte. Zusätzlich spielten natürlich auch die Sprache, die Attraktivität des Landes und das Angebot der
Hochschule eine ausschlaggebende Rolle. Das interne Bewerbungsverfahren an der Fakultät 05 der FH
Köln endete mit einem Auswahlgespräch im April, woraufhin meine Nominierung direkt an die Gasthochschule in Marseille weitergeleitet wurde. Nach langem Warten auf eine definitive Bestätigung seitens der
Gasthochschule und mehreren unbeantworteten e-mails, bekam ich dann im Sommer schließlich doch
noch eine Zusage. Die Verspätung wurde dadurch erklärt, dass meine Bewerbungsmappe vorort verloren
gegangen war und ich deshalb vergessen wurde.
Studium und Hochschule
Die Hochschule liegt nicht direkt in Marseille. Sie befindet sich auf einem großen Campus-Gelände in Luminy außerhalb Marseilles in den Bergen. Sie ist mit Bus oder Auto zu erreichen. Die Fahrzeit von Marseille
Zentrum bis zur Hochschule beträgt mit dem Bus eine gute halbe Stunde.
Die Atmosphäre an der Fakultät für Architektur habe ich von Anfang an als sehr angenehm und harmonisch
empfunden. Gleich während der ersten Tage kam ich mit vielen Studenten in Kontakt, die alle sehr offen,
freundlich und hilfsbereit mir gegenüber waren. Dadurch fiel es mir leicht mich schnell in der Hochschule
zu orientieren und Anschluss zu finden. Besonders gut gefiel mir die Atmosphäre rund um das kleine Café
der Fakultät. Dort treffen sich Studenten und Professoren zum Mittag oder auch um draußen im Innenhof
ein wenig zu plaudern und Kaffee zu trinken. Rund herum um diesen Hof angeordnet befinden sich die
vielen Ateliers, die ausreichend Platz zum Arbeiten bieten. Das Inventar wie Tische und Stühle zeigt zwar
schon reichlich Verschleißspuren, erfüllt aber dennoch seinen Zweck. Die kleine Modellbauwerkstatt ist
von der Ausstattung der Maschinen her mit der an der FH Köln zu vergleichen. Bandsäge, Tellerschleifer
und kleinere Werkzeuge sind vorhanden. Auch das Arbeiten im Computerraum und Plotraum funktioniert
gut. Maschinen wie Schneideplotter, CNC-Fräse oder Laser gibt es leider nicht.
In den Kernfächern, die ich gewählt hatte (2e cycle; LAB 43), waren wir immer ca. 20 bis 30 Studenten, die
von 2 Professoren betreut wurden. Ab und zu haben unsere Professoren auch noch andere Professoren,
Architekten oder Ingenieure als Experten eingeladen, die zu bestimmten Themen referierten oder in Korrekturen die Studenten bei speziellen Themen und Fragestellungen (Thermik, Statik, ...) beraten konnten.
Durch regelmäßige Zwischenabgaben (alle 2-3 Wochen) war das Arbeitspensum über das gesamte Semester relativ konstant und ausgeglichen. Die Intensität der Ausarbeitung des Entwurfs war verglichen
mit den mir aus Köln bekannten Anforderungen recht oberflächlich. Der Schwerpunkt lag hier eher auf
Recherche-Arbeiten und einer atmosphärischen Darstellung des Projektes.
Unterkunft
Bereits von Deutschland aus hatte ich versucht ein WG-Zimmer in Marseille zu finden. Dies hat sich jedoch
nach zahlreichen Versuchen als recht schwierig herausgestellt, da meistens Mitbewohner für einen längeren Zeitraum gesucht wurden, die Wohnungen nicht im Zentrum lagen oder einfach zu teuer waren. Von
der Fakultät für Architektur wird für Austauschstudenten jedes Semester ein bestimmtes Kontingent an
Zimmern in den Wohnheimen in Luminy reserviert. Dort habe auch ich ein Zimmer gefunden. Ein kleines
Zimmer mit Bad und WC für 240 € im Monat in einem renovierten Wohnheim. Die renovierten Wohnheime
sind schlicht und einfach mit spartansichen Gemeinschaftsküchen, die über zwei Herdplatten und eine
Spüle verfügen. Die Sauberkeit hängt von den Flurbewohnern ab. Von einem Zimmer in den nicht renovierten Wohnheimen würde ich auf jeden Fall abraten, da es dort noch gemeinschaftliche Duschen und
Toiletten (dreckig mit Schimmel) gibt und auch in den Zimmern Probleme mit kaputten Möbeln, Kakerlaken und undichten Fenstern keine Seltenheit sind. Die Vergabe und Verwaltung der Zimmer läuft über die
CROUS (Studentenwerk) und war per e-mail und vor Ort recht unkompliziert. (Gut zu wissen: In Frankreich
bekommen auch ausländische Studenten finanzielle Unterstützung. Die Organisation CAF bezahlt einen
Teil der Mietkosten.) Schlecht an der Wohnsituation in Luminy war definitv die weite Entfernung von Marseille. Auf dem Campus gibt es auch keine Bar oder Café und am Wochenende ist es ziemlich verlassen. Zu
der nächsten Einkaufsmöglichkeit (großer Supermarkt) fährt man mit dem Bus ca. 10 Minuten, bis ins Zentrum von Marseille gut 30 Minuten. Positiv waren die ersten gemeinschaftlichen Kochabende unter den
Erasmus-Studenten, da eigentlich alle Austauschstudenten in den Wohnheimen untergebracht sind. Zu
Fuß ist man auch in einer halben Stunde am Meer, das über kleine Wanderwege durch den angrenzenden
Wald zu erreichen ist. Die Entfernung zur Hochschule beträgt etwa 10 Minuten zu Fuß.
Marseille
Marseille ist in meinen Augen eine sehr aufregende aber raue Stadt. Die Menschen sind offen und recht
erzählfreudig. Das Stadtbild wird durch kutlurelle Vielfalt und den Einfluss der verschiedenen Immigranten
geprägt. Durch die Ernennung zur Kulturhauptstadt 2013 hat sich während meiner Aufenthaltszeit viel
verändert. Die Stadt ist in Aufbruchstimmung, wodurch das bisher recht überschaubare kulturelle Angebot stetig wächst und erweitert wird. Am Wochenende ist besonders im Viertel Cours Julien einiges los. In
den kleinen Gassen gibt es zahlreiche Kneipen, die vor allem Studenten und junge Leute anziehen. Trotz
des positiven Wandels, ist der Norden der Stadt eher von Armut gezeichnet. Dort ist der nach wie vor anhaltende Drogenkrieg ein großes Thema. Auf Empfehlung meiner französischen Mitstudenten habe ich
diesen Teil der Stadt weitestgehend gemieden.
Alltag und Freizeit
Marseille bietet viele Möglichkeiten sich die Zeit zu vertreiben. Es lohnt sich definitiv neben den großen
Sehenswürdigkeiten, wie dem Alten Hafen, der Cité Radieuse oder Notre Dame de la Garde, auch die einzelnen Stadtviertel zu erkunden, da diese alle über einen unterschiedlichen Charakter verfügen. Zum Beispiel der modernisierte Hafen mit zwei neuen großen Museen oder die ehemalige Tabakfabrik „Friche de la
Belle de Mai“, in der sich viel Künstler einquartiert haben und auch oft Theater- oder Konzertveranstaltungen stattfinden. Kneipen und Bars findet man besonders in den Vierteln Cours Julien und am Alten Hafen,
wobei die unter der Woche auch oft geschlossen sind. Besonders bekannt bei Studenten ist das Petit Nice.
Diskotheken zum Tanzen gibt es eher weniger. Oft werden aber von der Hochschule oder von einzelnen
Fakultäten Mottoparties organisiert, die in der Regel sehr gut besucht sind. Auf dem Campus in Luminy
befinden sich zwei große Sporthallen mit einem vielfältigen Angebot an Sportarten (Fußball, Badminton,
Fechten, Karate, ...). Die Kurse werden von der Hochschule organisiert. Zum Wandern oder Mountainbike
fahren starten viele Routen in Luminy. Besonders zu empfehlen sind die kurzen Tagestouren zu den Badebuchten in den Calanques. Von Marseille erreicht man mit Auto, Bus oder Bahn auch schnell viele schöne
Orte in Südfrankreich. Ausflüge in die Provence oder an die Cote d‘Azur sollte man für seinen Auslandsaufenthalt auf jeden Fall fest einplanen.
Fazit
Am Ende meines Auslandsaufenthaltes kann ich auf eine spannende und aufregende Zeit zurückblicken.
Was das Studium angeht, war es interessant neue Arbeitsweisen kennenzulernen und Aufgaben einmal
mit einem anderen Ansatz anzugehen. Auch wenn mich hierbei nicht immer alles überzeugt hat, war es
dennoch gut neue Dinge auszuprobieren und die für mich nützlichen Erfahrungen daraus mitzunehmen.
Durchweg positiv waren die Erlebnisse und Erfahrungen mit der französischen Kultur sowie zahlreiche Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen, aus denen zunächst Bekanntschaften und schließlich auch
einige Freundschaften entstanden sind.