30 Jahre - Anger Machining

Transcrição

30 Jahre - Anger Machining
THECUTTINGEDGE
2012
30 Jahre
erzählt von
30 Zeitzeugen.
30 Jahre
erzählt von 30 Zeitzeugen.
Seit Ende Oktober sind es nun sieben Jahre, die Klaus Dirnberger und Dietmar Bahn – Letzterer kam
Klaus Dirnberger
Prof. Dr. Ing. Eberhard Abele, Roland Andersson, Norbert Anger, Werner Bramhas, Fritz Buchenroth. Heinz Bürgstein, Karl Dorn,
Joachim Eisenhut, Hans Gattringer, Roland Haas, Klaus Haberzettl*, Brian Harlow, Johannes Hartlieb, Ing. Herbert Haslinger,
Ewald Kowanda, Harald Kugler, Bernd Lechner*, Judith Lindtner-Fontano, Jürgen Malburg, Dr. Norbert Nagele, Dr. Josef Pühringer,
Wolfgang Ratzesberger, Bernhard Sagmeister, Anneliese und Arnold Schmied, Eberhard Schmid, Dr. Andreas Szigmund, Hadi Taam,
Johannn Toth, Dirk Weihrauch, Ernst Weinheimer, Hans Wiesinger, Prof Dr. Ing. Michael Zäh, Hermann Zauner*, Ernst Zemsauer
(Und sollten Sie Ihrem Zählzwang folgen, so sind es mehr als dreißig Namen. Im Falle der Familie Schmied oder bei den Investoren
geht es um ein Ereignis, aber es sind eben manchmal zwei oder drei Personen, die an einem Strang zogen.)
* ohne Abbildung
Dietmar Bahn
etwas später – das Unternehmen führen. Biblische Jahre könnte man sie nennen – aber nicht sieben
magere Jahre, auf die sieben fette folgen, sondern beides zugleich. So empfindet es Klaus Dirnberger:
„Diese Jahre waren mager und fett! Mager, weil ANGER MACHINING durch tiefe Krisentäler musste. Zeiten des
Sparens liegen hinter uns, die aber auch Zeiten des Aufbaus waren. Fett, weil ANGER MACHINING seit dem ersten
vollen Jahr nach unserem Einstieg eine knappe Versiebenfachung der Betriebsleistung geschafft hat und nun seit
Jahren Geld verdient. Und die Zahl der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hat sich verdoppelt!“
„Maschinen, Technologie, Innovation, Perfektion,“ ergänzt Dietmar Bahn, „das alles hat auch ein Gesicht - oder
besser: Es hat viele Gesichter. Es stehen Menschen hinter jedem der Ereignisse, Menschen, die mit ihrem
persönlichen Einsatz die positive Entwicklung des Unternehmens beeinflussen und mitgestalten!“
Das ist die Idee hinter diesem historischen Rückblick: 30 Jahre erzählt von 30 Zeitzeugen. „Die erfolgreiche
Entwicklung unseres Unternehmens hat ihren Ursprung in der Veränderung. Es ist Tradition bei ANGER MACHINING,
neue Wege zu gehen, neue technische Lösungen zu suchen, um die industrielle Fertigungsproduktivität immer wieder
ein Stück voranzubringen!“ Diese Aussage unterschreiben beide –
Dietmar Bahn und Klaus Dirnberger.
THECUTTINGEDGE
Michael Jackson präsentierte „Thriller“ und ahnte wohl
noch nicht, dass es sich bald um das meistverkaufte
Album der Musikgeschichte handeln würde. Und alles
andere als ein Thriller wurde das Qualifikationsspiel
zwischen Deutschland und Österreich für die FußballWM in Spanien. Österreich verlor 0 : 1 und qualifizierte
sich. Das Spiel erhielt sogar einen Namen, der je nach
Standpunkt „Nichtangriffspakt von Gijon“ heißt, oder
eben „Schande von Gijon“.
Erwähnen sollte ich noch, dass ich mit 30 Personen
sprach. Es handelt sich um jene 30 Menschen, die in
den letzten 30 Jahren den größten Einfluss auf die
Entwicklung des Unternehmens hatten. Einer davon ist
der Landesvater, Dr. Josef Pühringer, Oberösterreichs
Landeshauptmann. Er ist gebürtiger Trauner und kann in
der Geschichte weiter zurückgehen. Er kannte Wilhelm
Anger, den Vater von Anton. Wilhelm und sein Vater
waren gute Freunde. Der Landeshauptmann erinnert sich
an die Anfänge, an den Aufbruch: „Viennaline – die
Brillen – das war bereits eine ganz große Sache!“ Und
natürlich hat Josef Pühringer als Trauner die großen
Veränderungen und auch den Aufstieg von Anger nicht
nur miterlebt, sondern auch ständig verfolgt.
1982
2012
4
„Der alte Wotan, der mit
einem Stab durch die Welt
geht – das ist für mich
Anton Anger ...“
„ ... wie der Wotan durch 1000 Verträge gebunden!
Wotan, der im Staatengefüge nach jenem sucht, der frei
ist – Siegfried eben – das ist die Person Anton Anger!“
Das sagt Dr. Norbert Nagele, ein wohl sehr bedeutender
Rechtsanwalt in oberösterreichischen Landen. Sie sind
alte Weggefährten. „Trotz seiner verschlossenen und
mitunter leicht zynischen Art war er mir von Anfang
an sympathisch – aus bestem sudetendeutschen Holz
geschnitzt!“
Dieser Anfang, das war der Bau einer Brillenfabrik in der Sowjetunion. So hieß das noch vor 30
Jahren. Auch schon Geschichte. Es war eine Kooperation
mit der VOEST Alpine, damals übrigens noch unter der
Die Geschichte
beginnt 20 Jahre vor der Entdeckung Amerikas.
Dabei feiert ANGER MACHINING
gerade das 30. Jahr seit der Gründung.
Und Gründungen beginnen mit
einer Anschrift: Zaunermühlstrasse.
„Seit 1472 wurde hier bereits eine
alte Bauernlohnmühle betrieben,“
erzählt Hermann Zauner, „und seit
1876 trägt die Mühle unseren
Namen!“ Das Jahr zuvor wurde
| Die Zauners |
sie in eine Handelsmühle umgewandelt, eine Landwirtschaft
Jahrzehnte gute
kam dazu und es entstand der
klassische Vierkanthof. Was
Nachbarschaft
kaum jemand weiß: In unmittelbarer Nachbarschaft von
ANGER MACHINING befindet sich ein Naturparadies.
Abgeschottet von einem Fichtenwald, von einem
Mühlbach begrenzt, mit einem Teich und altem
Baumbestand. Rehe leben hier und auf den Wiesen
blühen Pflanzen, wie sie einmal typisch waren in der
Umgebung von Traun. ANGER MACHINING war eines
der ersten Unternehmen hier am Stadtrand. Und direkt
neben dem neuen, erst 2012 erweiterten und modernisierten Bau des Werks Traun von ANGER MACHINING
steht jener kleine Fichtenwald. Und dahinter steht eine
alte Mühle. Und unweit davon entfernt ziehen Rehe im
Frühjahr ihre Kitze auf.
„Wenn mich jemand fragt, was ich bin, dann
sage ich: Verbesserer!“ beschreibt Anton Anger sich
selbst, „wann immer ich mir Bearbeitungslösungen
angesehen habe, stellte ich mir zuerst die Frage:
Was kann man verbessern? Immer wieder wurde
mir bewusst, was in den Prozessen sehr umständlich
abläuft. Nach dem Motto: Man sieht den Wald vor lauter Bäumen nicht! Und das habe ich eben immer verbessert!“ „Mag schon sein, dass er sich so sieht,“ sagt
Heinz Bürgstein dazu. Er ist seit 29 Jahren bei ANGER
MACHINING. „Verbesserer? Nein – da ist er schon
sehr bescheiden. Er hat mehr als nur verbessert. Und
was mich am meisten beeindruckt: Er war immer bereit,
sich selbst zu verbessern. Ich habe erlebt, wie ein nicht
mehr ganz junger Mann, der ein langes Leben lang am
Zeichenbrett gearbeitet hat, konstruiert hat, wie dieser
Mann lernte, mit CAD zu arbeiten. Dieser Umstieg ist
eine ganz besonders große Leistung!“
Anton Anger gründete das Unternehmen in dem
Jahr, als sich ABBA auflöste. Und als Argentinien die
Falklandinseln besetzte, die zu Großbritannien gehören.
Erklärung: „Das sind die Menschen, die gut ausgebildet
sind, strebsam, fleißig – und dann mit dem, was sie am
Leibe trugen in der Fremde ankamen, aber trotzdem nicht
verzweifelten und sich nicht aufgaben!“ Das meint Dr.
Nagele mit dem „Holz“, das er auch schon bei anderen
Klienten gesehen und schätzen gelernt hat.
Dr. Lux sollte hier noch erwähnt werden, der mit den
beiden Söhnen Angers in die Schule ging und nun seit
Jahren das Unternehmen betreut.
Ach ja – und dann dieser Hinweis auf Richard Wagner:
„In diesem Genre fühlt er sich wohl!“ Natürlich war Anger
schon in Bayreuth – was für eine Frage! – und man
kann ihn wohl als „Wagnerianer“ bezeichnen. Manchmal
tauschten sie sich aus, der Anton Anger und der Norbert
Nagele, wobei der Rechtsanwalt sich als Liebhaber sieht,
nicht als Experte. Wie ist das jetzt, mit dem sudetendeutschen Holz?
„Die Familie lebte im böhmischen Erzgebirge“,
erzählt Anneliese Schmied zum Thema, „Wilhelm und
Elisabeth Anger und ihre sechs Kinder!“ Anneliese
Schmied ist die Schwester von Anton. Zusammen mit
ihrem Mann Arnold baute sie Silhouette auf, die weltbekannte Brillenmarke. „Wir wohnten nahe dem bekannten
Kurort Karlsbad. Mein Bruder Anton betätigte sich
schon im Kindesalter mit allerlei technischen Dingen.
Mit Vorliebe hielt er sich in der Garage bei unserem
Chauffeur, einem vorbildlichen Techniker, auf. Es war
daher kein Wunder, dass er schon mit zwölf Jahren einen
LKW aus der Firma unseres Großvaters lenken konnte.
Gegen Ende der Pflichtschulzeit entschloss sich Anton, die
Staatsgewerbeschule Abteilung Maschinenbau in Komotau
zu besuchen, schon nach kurzer Zeit war er einer der
fähigsten Studenten!“ 1946 mussten die Angers – wie viele andere –
ihre Heimat verlassen. „Nach kurzer Aufenthaltszeit in
Ostdeutschland gelang es uns nach Bayern auszureisen“,
erinnert sich Anneliese Schmied, „in
Donauwörth war es möglich, Fuß zu
fassen. Anton hatte Glück und bekam
eine Lehrstelle im Maschinenbau
der dortigen Maschinenfabrik. Seine
Studienzeit in Komotau wurde ihm
angerechnet. Mit sehr gutem Erfolg
legte er seine Gehilfenprüfung ab.
Anschließend arbeitete er in einem
blechverarbeitenden Betrieb!“
Im August 1948 rief ihn sein älterer
Bruder Wilhelm Anger schließlich
nach Österreich. Willy, wie er in der
Familie hieß, hatte in Bad Hall einen
kleinen technischen Betrieb aufgebaut. Anneliese und Arnold Schmied
arbeiteten bereits dort. „Anton
war inzwischen ein anerkannter
Techniker geworden. Er baute neue,
erstklassige Spezialmaschinen und
erntete viel Lob und Anerkennung.
In unserer Firma „Silhouette“ werden
auch heute noch Spezialmaschinen
von Anton eingesetzt!“
ANGER MACHINING war 1989
eines der ersten Unternehmen
hier am Stadtrand
„Ich bin froh, dass aus dem ehemaligen Brillenerzeuger
nun ein Unternehmen gewachsen ist, das in der weltweiten Automobilindustrie eine so bedeutende Rolle
spielt.“ Wir plaudern dann noch über die Automobilindustrie, die Bedeutung Oberösterreichs als Heimat
vieler bedeutender Zulieferer. Und auch über die Details,
wie etwa die enorme Bearbeitungspräzision zum Beispiel
in der Getriebeherstellung. Der Landeshauptmann kennt
sich aus in diesem Metier.
Leitung des legendären Heribert Apfalter. Dr. Nagele
war ein junger Anwalt, der das Projekt begleitete
und Berater von Anton Anger wurde. Es ging um die
Finanzierung, eine ganz große Sache für Anger, ein
mehrfacher Jahresumsatz damals. „Und es ist auch gut
über die Bühne gegangen!“, wie sich Dr. Nagele erinnert.
Und dann sagt er, was ich schon öfter hörte: „Kaufmann
ist er keiner!“ Nein, das ist er wohl nicht. Und das mit
dem sudetendeutschen Holz, das bedarf auch noch einer
„Die Maschinen mussten so
konstruiert werden, dass sie
nicht breiter als etwa 2,20 m
waren, damit sie auch durch
die Haustür passen!“
| Heinz Bürgstein |
„Die Firma war eigentlich noch keine
Fabrik, sondern ein Wohnhaus. Verwaltung
oben, Produktion in Erdgeschoss und Keller,
„Kann schon sein, dass der
Lager unter dem Dachboden“, erinnert sich
Anton zur einen Seite geschaut
Ernst Weinheimer. Er war gerade 20, als
hat und nicht zur anderen.
er zu Anton Anger kam. Vor 23 Jahren.
Und –
„Die Maschinen mussten so konstruiert
rumms – hat ihn
werden, dass sie nicht breiter als etwa
Gott überfahren!“
2,20 m waren, damit sie auch durch die
Haustür passen!“ Damals waren sie zwölf
Mitarbeiter und die Atmosphäre war sehr
familiär. Wobei Anton Anger ein Chef alter
Schule war, der klare Hierarchien vertrat – außer am
Heinz Bürgstein erinnert sich
Wochenende, da machte er immer eine Wendung um
schmunzelnd an ein Ereignis Ende der
180 Grad und wurde zum Kollegen, mit dem man über
1980er Jahre.
alles reden konnte. „Da erzählte er schon mal, wo es
in Linz den besten Würstelstand gibt!“ Diesen Tipp
Anton Anger war in München
gibt er nicht preis, aber gut erinnern kann sich Ernst
unterwegs, als es zu dem VerkehrsWeinheimer noch an das Jahr 1990 und die Mailänder
unfall kam. Karel Gott saß am Steuer
Brillenmesse.
des Autos, das ihn anfuhr. „Geflucht
Damals gab es Maschinen, die zum Beispiel in einem
hat der Anton“, erinnert sich Heinz
Arbeitsgang die Fassungen für die Gläser ausfrästen.
Bürgstein, „er lag wohl auch einige Zeit
Und in einem zweiten die äußere Form. Anton Anger
im Krankenhaus. Er hatte vor allem
sah eine Chance darin, beide Prozesse miteinander zu
verbinden. Mehr oder weniger über Nacht konstruierte er
eine Fußverletzung, am Fersenbein –
die Maschine um. Wir konnten beide Prozesse realisieren,
da musste er lange Zeit auf Krücken
das Innen- und Außenfräsen. Und damit gingen wir zur
gehen. Aber im Krankenhaus hat
Mailänder Brillenmesse!”
er wohl über das Leben an sich
Ernst Weinheimer ist seit 23 Jahren bei ANGER
nachgedacht und ging die Dinge dann
MACHINING, Heinz Bürgstein seit 29 Jahren und Karl
gelassener an.“
Dorn seit 41. Durchaus eine erwähnenswerte Leistung
zum 30. Geburtstag des Unternehmens. Karl Dorn ist
Weggefährte von Anton Anger. Er begann mit Atelier
Brillen – der Anton Anger GesmbH. „Es gab ja gleich
mehrere Brillenhersteller, die aus der Anger Dynastie
kamen”, erinnert sich Karl Dorn, „wie die Wilhelm Anger
OHG, aus der Optyl wurde, und natürlich Silhouette!“
Es waren Werkzeuge, die Roland Andersson zu Anger
Das Spannen der Werkstücke und in der Folge deren
brachten. Mehrspindelköpfe von Hellmerich, die in den
Bewegung zu den feststehenden Spindeln im Prozess,
Maschinen bei Volvo in Schweden schon lang im Einsatz
„das wurde schon 1984 das erste Mal angedacht.
sind. Bei einer Präsentation wurde als Referenz auch
Und auch realisiert, um die Prozesse zu beschleunigen!“
das Anger System gezeigt. Roland Andersson war sehr
Die Geschichte von der Blüte,
die zur Biene kommt.
1984. Georg Orwell sah wohl nicht voraus, dass man
eines Tages das Werkstück bewegen würde! An diesem Datum kann man die Idee von nun an festmachen. Eine historische Idee, sozusagen, von der zum
Beispiel der Darmstädter Universitätsprofessor Prof. Dr.
Ing. Eberhard Abele sagt: „Das ist mit Sicherheit die
Zukunft. Man darf aber nicht übersehen, dass der klassische Maschinenbau und damit auch der klassische
Produktionsplaner eine relativ konservative Haltung
vertreten. Etwa 80 Jahre lang wurden in der Industrie
immer nur die Werkzeuge gehandhabt und nie das
Werkstück. Jetzt kommt jemand, der plötzlich auch das
Werkstück handhabt.“ Der Wissenschaftler ist Leiter des
Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und
Werkzeugmaschinen (PTW) der TU Darmstadt. Für Roland
Andersson, derzeit bei Volvo in China, war es genau dieses Prinzip, das ihn ANGER MACHINING entdecken ließ.
In Kürze werden erstmals sogar Motorblöcke bearbeitet.
„Das Anger Prinzip faszinierte mich“, erzählt Roland
Andersson. Dieses System ermöglicht einen kürzeren
Prozess, es ist zwar nicht ganz so flexibel wie ein BAZ,
aber eben wesentlich produktiver – eine Anforderung, die
bei einigen Teilen erforderlich ist – wie zum Beispiel bei
Kurbelgehäusen oder Zylinderköpfen!“
überrascht, denn er erinnert sich, das er diesen Ansatz
bereits bei einem schwedischen Maschinenbauer sah, der
„dieses äußerst interessante Prinzip aber letztlich nicht
in den Griff bekam, weil sich die Spannvorrichtung als
nicht ausreichend stabil erwies.“ „Eine Maschine, die
den komplexen Prozess in nur einer Aufspannung erledigen kann!” das interessierte auch Herbert Haslinger
von EVVA-Sicherheitstechnologie. Noch heute hütet er
die Brille bzw. das Gestell, das vor seinen Augen gefräst
wurde. „Ich war damals mit einem unserer Techniker auf
dem Rückweg von einem anderen Termin in Ried und
wir fuhren bei Anger vorbei – Na gut, dann schauen wir
uns die Maschine halt einmal an!“ Sie sahen also die
Maschine, ein Kunststoffstück wurde eingespannt und
in 40 Sekunden war das Brillengestell mit Fassung und
Nasenstück gefräst. „Ein sehr verblüffender Eindruck! Wir
wollten bereits Maschinen in Italien bestellen, aber zogen
die Bestellung sofort zurück. Meine größte Sorge war nur,
dass die gesamte Schlossindustrie nun zugreift und der
Markt überschwemmt wird, weil die Maschinen einen so
wichtigen Schritt nach vorn bedeuteten – für EVVA! Aber
glücklicherweise kam es nicht dazu!“ ...
„Da staunt der Laie und
der Fachmann wundert sich!“
Anton Anger erinnert sich an die
Reaktionen des Publikums, als
er auf der Hannover Messe 1986
eine neue Maschinengeneration
vorstellte.
1984
AFA – Außenfräsautomat
1. Reihenmaschine
1986-1988
AFA - Außenfräsautomat
1986 – 1988
IFA - Innenfräsautomat
BJ: 1986 – 1988
BFA - Bügelfräsautomat
1988/1989
AFA –Außenfräsautomat
1991/92
1. Sondermaschine
1994
HCH
THECUTTINGEDGE
Und dann war da noch
die Geschichte mit der
Extruder-Schnecke ...
denke, wir waren die Ersten, die an Anger glaubten!“
Der Weg war nicht ganz einfach, aber die beiden
Männer verstanden sich. „Fast alles, was wir machten,
beruhte auf Handschlag. Da war viel Pionierarbeit,
wenn es aber um den Einkauf für ein börsennotiertes
Unternehmen geht, dann kollidieren diese beiden Welten
schon einmal.”
„Die Autoindustrie war aus meiner Sicht eine sehr
logische Ausrichtung“, ist Norbert Anger heute noch
überzeugt. „Mein Vater hatte Maschinen entwickelt,
die sehr präzise Teile
in hohen Stückzahlen
fertigen können. In der
Autoindustrie gibt es
diese Serienfertigung und
ebenso den Anspruch an
hohe Präzision. Es war
nur logisch, den wertvollsten Sektor zu nehmen
und dort weiter zu entwickeln!“ So ergab sich
die Autoindustrie als die
logische Kernzielgruppe für
Damals gab es Maschinen, die die Maschinen von Anger.
zum Beispiel in einem Arbeitsgang die
Und das klappte schon
zu Beginn sehr erfolgFassungen für die Gläser ausfrästen.
reich – im Volkswagen
Und in einem zweiten die äußere Form.
Getriebewerk in Kassel
oder bei Daimler beim
Mehr oder weniger über Nacht
NAG 1 Fünfganggetriebe.
konstruierte Anton Anger die Maschine
um. Wir konnten beide Prozesse
realisieren.
Auch eine Entwicklung von Anton Anger. In der
Werbung eines Maschinenherstellers hieß das
damals: „Das ist nicht
komisch. Sondern konisch!“
Hans Gattringer weiß
davon zu berichten. Der
Wirtschaftstreuhänder gehört
auch zum Kreis jener, die
schon länger in Kontakt sind
mit dem Namen Anger als
„nur“ 30 Jahre. Schon als
1982
2012
6
Lehrling in einer Beratungskanzlei hat Hans Gattringer
Bilanzen für Anton Anger erstellt. Ab 1982 war er dann
dabei – bis heute. Dieser Neuanfang 1982 „war eher
bescheiden“ – wie schon von anderer Seite vernommen. Einmal hörte Hans Gattringer, wie jemand über
Anton Anger sagte: „Er ist eine Forschungseinrichtung
mit angeschlossener Werkstatt!“ Für ihn stand die technische Entwicklung immer im Vordergrund – was nicht
ganz einfach ist für einen Wirtschaftstreuhänder, der
ständig feststellen muss, dass „die wirtschaftliche Seite
bestenfalls aus den Augenwinkeln heraus betrachtet
wird!“ Und dann kam es zu dem kleinen Erlebnis Mitte
der 1990er Jahre. Hans Gattringer war im Auftrag eines
US-amerikanischen Unternehmens in Kanada, um eine
Due Diligence durchzuführen. Sein Klient wollte ein
Unternehmen in der Kunststoffindustrie kaufen. Im fernen Kanada hörte Gattringer dann, dass die Keimzelle
der Extruder-Technologie auf Traun in Österreich
zurückgeht. Es beeindruckte ihn sehr, dass die Kanadier
so genau wussten, woher die Technologie ursprünglich
stammte – die konische Extruderschnecke.
Die Söhne übernehmen.
Norbert und Gerhard, die beiden Söhne von Anton
Anger übernahmen 1998. „Plötzlich gab es statt
12.000 Beschäftigten in der deutschen Brillenindustrie
nur noch 1000!“ erinnert sich Norbert Anger.
In Deutschland und Österreich schrumpfte die
Brillenindustrie. „Entscheidend für den Wechsel von
Kunststoff zu Metall war vor allem ein Auftrag der
Unitech,“ erzählt er dann, „nach den Maschinen für
die Festplattengehäuse für Ericsson folgten die für das
Kirchdorfer Unternehmen. Mit dieser Referenz führte
der Weg zu Bosch – und hier nicht zu Werkzeugen,
sondern mit Einspritzdüsen in den AutomotiveBereich.“ Daran erinnert sich auch Ernst Zemsauer,
der heute Unternehmensberater ist. Damals war er für
Produktion, Organisation und Materialbeschaffung bei
der Unitech zuständig. Ihn faszinierte die Technologie
zur Hochgeschwindigkeitsbearbeitung, wie sie Anton
Anger für die Kunststoffbearbeitung entwickelt hatte.
Er fragte sich, ob das nicht auch für die Aluminiumund Magnesiumbearbeitung möglich sei. Anton Anger
dachte wohl schon an diese Option und Ernst Zemsauers
Überlegungen wurden nun ein weiterer Auslöser. „Ich
„Eine neue, bessere Maschine
kann man nur bauen, wenn man mit
den besten Komponenten beginnt,
auf denen man aufbaut!“
Eine der wichtigsten Erfahrungen
von Anton Anger ist, dass in der
Industrie immer wieder Versuche mit
mäßigem Material und unbefriedigenden
Teilen unternommen werden.
So hat er einmal an einer Präsentation
an der TU Wien teilgenommen und
sich nur noch gewundert, wie armselig
die Teile waren.
Ach, Österreich! Es war so mancher Kampf, den das kleine Unternehmen führen musste, der oft einem Abenteuer
glich. Es ist nicht ganz so einfach, als österreichisches
Unternehmen in der deutschen Autoindustrie anerkannt
zu werden. Hier war wohl auch ein wenig Schmäh notwendig. „Eine großartige Zeit“, erzählen die Söhne, „und
es war oft auch ein riesiger Spaß mit den Mitarbeitern!“
Man hört ja immer wieder von Anlaufproblemen, wenn
es um so völlig neue Maschinen geht, Herr Malburg?
„Ach was! Ich kenne keine komplexe Maschine, die
sofort losläuft – aufstellen, einschalten und los geht’s –
das gibt’s nicht! Es müssen immer Optimierungsschleifen
gefahren werden – das liegt ja nicht nur an den
Maschinen, sondern auch an eigenen Problemen. Wenn
spezielle Werkzeuge eingesetzt
Das bewegte Werkstück.
An Jürgen Malburg erinnert sich auch
Ernst Weinheimer: „1996 und 1997 waren schwere
Jahre. Es kamen die ersten Aufträge von der
Automobilindustrie, das Volkswagen Getriebewerk
in Kassel fragte an. Mit so einem Großauftrag
macht man interessante Erfahrungen – soll heißen:
Natürlich muss man sich an die Erwartungen
anpassen. Hier gibt es Pflichtenhefte, an die man
sich halten muss. „Herr Malburg nahm damals
unsere ersten Maschinen ab. Das habe ich als Erfolg
in Erinnerung.
Die Maschinen waren noch nicht ganz fertig, aber
sie funktionierten auf Anhieb. Was fehlte, waren
die Schutzeinrichtungen, auch die Türen. Aber das
Programm lief, während des Testlaufs gingen alle auf
einen Kaffee. Und Herr Malburg sagte, bei Anger sieht
er das erste Mal eine sofort funktionierende Maschine.
Das ist ihm zuvor nie passiert. Anger lief im dritten
Prozess – in beiden zuvor gab es Probleme, aber die
Anger Maschinen liefen sofort problemlos an. 1998
folgte dann eine Schwestermaschine und wir waren top
vorbereitet. Da hieß es nur ‚Maschine ein‘ und alles
lief sofort und problemlos an!“
„Wir suchten eine
elegante Lösung ...“
„Damals in den Neunzigerjahren ging es um ein neues
Getriebe – ein Automatik-Getriebe“, erinnert sich Jürgen
Malburg von Volkswagen in Kassel, „wir brauchten eine
eher kleine, sehr flexible Maschine für eine komplexe
Bearbeitung. Wegen des Automatikgetriebes mussten
wir gratfrei arbeiten – die Grate entfernen – was
eigentlich sehr anspruchsvoll ist. Wir hatten damals
verschiedene Lösungen mit BAZs auf dem Tisch, aber
die Dinger waren viel zu groß, brauchten viel zu viel
Energie. Wir suchten eine elegante Lösung. Ein Kollege
gab mir den Tipp, doch mal bei Anger anzufragen. Ich
kannte die Firma gar nicht! Anger hätte hochflexible
Fräsmaschinen. Das interessierte mich – wir waren echt
in der Bredouille –, die Maschinen, die wir geprüft hatten, waren Riesenkisten! Anton Anger und beide Söhne
waren bei uns. Das Maschinenkonzept war sehr interessant, die Lösung gefiel uns – das einzige Problem war
die Steuerung. Wir haben bei VW natürlich Vorschriften,
und die elektrische Steuerung der Anger Maschine war
von Franuc – bei VW war aber nur Siemens zugelassen.
Das ging dann ein bisschen hin und her, aber dann
dachte ich mir: Vorschrift hin, Vorschrift her – ich kann
ja von Anger nicht verlangen, dass die eine Maschine
konstruieren mit der von VW genehmigten elektrischen
Anlage – und wir dann eventuell Einschränkungen bei
der Funktionalität bzw. Performance der Anlage hinnehmen müssten. Und so haben wir die Anger Maschine
durchgesetzt – mit einer Sondergenehmigung.“
arbeitenden Maschinen abgestimmt werden – was eine
echte Herausforderung darstellte. Und zum Vergleich:
Heute produzieren 3 HCX Maschinen in Kassel ebenso
viele Teile wie mehr als 20 Maschinen in anderen Werken.
Ja, die HCX war ein großer Schritt nach vorn!
Und dann kommt Roland Haas der inzwischen
gebräuchliche Begriff für die Maschine in den Sinn:
Transferzentrum. „Es waren die Leute von Volkswagen
in Kassel! Sie prägten das Wort!“ Die Legende sagt, dass
die Kombination der Eigenschaften einer Transferstraße
mit wichtigen Eigenschaften des BAZs zu dem Begriff
„Transferzentrum“ führte, der inzwischen in der
gesamten Industrie verwendet wird. Aber geprägt wurde
er von Volkswagen in Kassel.
werden und andere Anforderungen erfüllt werden müssen, geht das nicht anders. Optimierungsschleifen sind
immer notwendig!“ Später zog Jürgen Malburg von
Kassel ins Motorenwerk nach Chemnitz. „Dort habe ich
auch drei Maschinen bestellt. Das waren bereits HCP.
Hier hatten wir zu Anfang wirklich massive Probleme –
das gehört eben manchmal dazu. Ständig kam Besuch
aus Traun. Aber die Jungs bekamen die Probleme
nicht in den Griff. Bis Anger dann einen genialen
Prozessmenschen schickte, der die Taktzeiten optimieren
sollte. Er hieß Leutgebweger. Ich erinnere mich noch
gut, wie ich ihm die Maschinen zeigte und dann kurz
darauf zurückkam und er sagte: „Ha! Ich hab’ schon 30
Sekunden geholt!“ Der hat die Taktzeiten optimiert und
dann lief es.
Volkswagen in Kassel. Mit 3 Millionen Getrieben pro
Jahr eines der größten Werke seiner Art. Hier kreuzten
sich die Wege von Roland Haas und Dirk Weihrauch.
Frühjahr 2005: Dirk Weihrauch und sein Kollege KlausDieter Bommhardt – inzwischen im Ruhestand – suchten
eine Lösung zur Produktion des Ober- und Unterkastens
für das Mechatronik-Gehäuse eines vollautomatischen
Getriebes. Es ging um das revolutionäre 7-Gang
Doppelkupplungsgetriebe DQ200. „Das MechatronikGehäuse ist sozusagen der Arm des Fahrers, der für ihn
das Schalten übernimmt“, erläutert Roland Haas. „Die
beiden VW-Techniker prüften verschiedene Anbieter
und stießen dabei auf uns. Aber die HCP jener Jahre
war einfach zu klein, sie würde die bei VW geplanten
Kapazitäten nicht schaffen. Oder es wären einfach zu
viele Maschinen notwendig gewesen. Zu dieser Zeit entwickelten wir eine Maschine, die viel höhere Kapazitäten
schaffen sollte: die HCX. Es existierte allerdings nur ein
Prototyp. Volkswagen entschloss sich, Early Adopter zu
werden. So wurden in Kassel schließlich die ersten drei
HCX in Betrieb genommen – mit 84 bzw. 86 Spindeln,
3 Teile, die parallel bearbeitet wurden!“
Ein Meilenstein für ANGER MACHINING, ein neuer
Maschinentyp, der hier in den Produktionsprozess
integriert wurde. Drei Teile mussten mit den parallel
Fritz Buchenroth, „Mahle wollte Anger Maschinen
für immer verbannen und Anger verstand die Welt nicht
mehr!“ Fritz Buchenroth erhielt von einem vorausschauenden Vorgesetzten den Auftrag, sich die Situation anzusehen und wieder auf eine sachliche Ebene zu bringen.
Und das gelang. Fritz Buchenroth spielte Feuerwehr,
um „den verfahrenen Karren wieder aus dem Dreck zu
ziehen“. Lachend erwähnt er, dass er sich in dieser Zeit
selbst als „Projektleiter der Firma Anger“ bezeichnete, er
wurde ein freischaffender Entwicklungsingenieur. Heute
stehen bei Mahle 7 komplexe Anlagen mit insgesamt
16 Maschinen – im Dezember 2012 folgt eine weitere.
Der Aufbau der Geschäftsbeziehung und die Lösung des
Problems, dass 2003 die Beziehung belastete, war mit
Sicherheit ein bedeutender Schritt. In Folge wurde Mahle
einer der wichtigsten Kunden von ANGER MACHINING
und vor allem ein Kunde, der auch in wirtschaftlich nicht
so guten Zeiten zu seinen Lieferanten steht. Eine Aussage,
die ich nicht nur von Mahle
hörte, sondern auch von ZF. Ein
Unternehmen kann stolz darauf
sein, solche Kunden zu haben.
Gar nix lief 20 Jahre später bei Magna Powertrain
in Lannach bei Graz. Eine Chronik der letzten
30 Jahre ohne die eine oder andere kritische
Anmerkung, die kann doch einfach nur
geschönt sein. Johannes Hartlieb von Magna
Powertrain ist derjenige, der dafür sorgt, dass
unsere Geschichte objektiv bleibt. „Das war ein
steiniger Weg!“ ist die Metapher, die er mehrmals bemüht, als er von der ersten HCXchange
erzählt, die Magna bestellte. Eigentlich zwei,
um genau zu sein, Zwillingsmaschinen. Anger
Von der Brille
und Magna betraten gemeinsam Neuland.
zur High-End-Bearbeitung
„Monate dauerte es, bis man endlich dort war,
von Autoteilen
wo man sein wollte!“ Johannes Hartlieb seufzt.
„Aber jetzt – rückblickend – hat sich die Mühe
dann doch gelohnt. Die Maschinen liefern die
Teile in der Qualität, wie wir sie haben wollen,
einfach schneller als jede andere Maschine.
Aber manchmal dachten wir uns: „Das funktioniert nie!
Das war’s jetzt!“ Viele Leute von Magna und Anger
waren dreischichtig unterwegs. Auch samstags und
sonntags. „Wir bei Magna hatten ja keine Alternative
mehr. Die Entscheidung für die HCXchange war gefallen.
Nun mussten wir eben gemeinsam schauen, dass wir
Hans Wiesinger kann diesem Teil der Geschichte eine
umsetzen, was gefordert ist. Wir konnten die Probleme
Erfahrung aus der Zeit der Kunststoff-Bearbeitung hinaber letztlich auf eine sachliche Ebene bringen. So kommt zufügen: „Ich hatte einmal fünf oder sechs Wochen
man sich auch menschlich näher und man wird zu einem
in den USA zu tun, Ende der 1980er Jahre, bei der
Team. Als es am Ende dann doch funktionierte, wussten
Firma Titmus in Virginia – einem Brillenhersteller.
wir, dass wir es gemeinsam geschafft haben. Wir haben
Bearbeitungsmaschinen wurden in Betrieb genommen.
viel gelernt bei diesem Projekt – ANGER MACHINING,
Fünf Wochen Stress war das für mich, weil ich auch
aber auch Magna!”
Arbeiten machte, die ich nie gelernt hatte – zum Beispiel
Hier – im Sinne eines objektiven Gesamtbilds – soll auch
im Bereich der elektrischen Installation. Es war Learning
noch Fritz Buchenroth zu Wort kommen. Für ihn fällt eine by Doing! Anton Anger hat immer nach eigenen, besseren
ganz entscheidende Zeit in die Jahre zwischen 2001 und
Lösungen gesucht, kleiner, schneller, präziser ...“
2003. „Bei der Mahle Kleinmotoren-Komponenten GmbH
Das klappte natürlich nicht immer. Und so bekam Hans
stand 2001 das erste Maschinenprojekt an. 2003 sollte die
Wiesinger bei seinem Job in Virginia Teile aus Traun,
zweite Maschine dazukommen. Hier tauchten plötzlich
die nicht wirklich eine ideale Lösung darstellten. Die
Probleme im KSS auf – im Kühlschmierstoff- Kreislauf.
Probleme, die daraus entstanden, wurden so dramatisch,
Die Kühlschmierstoffe wurden unterschätzt – sowohl von
dass er schließlich drohte, nach Hause zu fahren, wenn er
Anger als auch von Mahle. „Die Situation geriet schnell in nicht die notwendigen Normteile bekäme, die man prosehr unangenehme Fahrwasser“, erinnert sich
blemlos verwenden kann.
Im heimischen Traun schimpfte Anton Anger: „Jetzt dreht
der Wiesinger völlig durch!“Aber letztlich akzeptierte der
Anton die Einwände und ließ seinen Mann an der Front
mit verlässlichen Normteilen versorgen.
„Wir haben an Mahle
verkauft. Jetzt haben wir
unser Ziel erreicht“
Das sagte Norbert Anger zu seinem Vater, nachdem dieser
große Tier1-Zulieferer-Maschinen bei Anger bestellte.
Weitere Maschinen gingen zu LUK für ein stufenloses
Automatikgetriebe – hier zeichnete sich schon die
Bedeutung in der Getriebeherstellung ab – und an Daimler
für das NAG1. Und wenig später gelang der Schritt
über den großen Teich – nach Batavia nahe Cincinnati,
wo ZF ein Joint Venture mit Ford betrieb.
An dieser Stelle könnte gleich der Satz folgen: „Wir
haben an ZF verkauft!” Daran erinnert sich auch Joachim
Eisenhut. Heute ist er Leiter der Fertigungsplanung PKWAntriebstechnik bei ZF in Saarbrücken. Damals war er in
den USA. „Wir wickelten in den USA mit der Firma Anger
ein relativ großes Geschäft ab“, erinnert sich Joachim
Eisenhut, „das war noch die Vorgänger-Generation der
HCP. Für uns war das ein wichtiger Schritt nach den
Transferstraßen und BAZs hin zum Transferzentrum.
Wir sahen uns nach Konzepten um, die uns die geforderten Volumina liefern, aber auch eine gewisse
Flexibilität bieten!“ Joachim Eisenhut berichtet, dass die
HCPs jetzt schon weit über zehn Jahre in der Produktion
sind und tagtäglich die entsprechenden Volumina
liefern. In Saarbrücken stehen inzwischen über 20 HCX.
„Diese Maschine zielt genau auf diese Marktlücke, auf den
Bedarf nach Maschinen mit hoher Ausbringung und einer
gewissen Flexibilität. Wir bei ZF gehörten zu den ersten,
die Ende 2008 eine HCX bestellten.
| Prof. Abele |
„Etwa 80 Jahre lang wurden
in der Industrie immer nur die
Werkzeuge gehandhabt und nie
das Werkstück. Jetzt kommt
jemand, der plötzlich auch das
Werkstück handhabt.“
1995/1996
HCS
1999
HCL
1999
HC
1999
HCS – Schlüsselfräsmaschine
2000
HCP201
2001
HCH
THECUTTINGEDGE
1982
2012
8
Für uns war das sicherlich noch mal ein bestimmtes
Risiko zu sagen: Ja, wir gehen von unseren Konzepten
ab – ob das jetzt die Transferstraßen sind oder die
flexiblen Bearbeitungszentren – und kaufen bei Anger
die HCX Maschinen ...“ Es war eine Anlage mit sechs
Maschinen. „ ... Zum damaligen Zeitpunkt war sie –
glaube ich – nur ein-, zweimal in Betrieb. Wir waren
aber bereit, ein gewisses Risiko einzugehen, und ich
hatte schon manchmal ein paar Bauchschmerzen. Aber
dann lieferte die Maschine die ersten Teile und es war
abzusehen, dass wir sie in den Griff kriegen. Es war bei
der ersten Einrichtung sicherlich nicht so, dass das wie
ein Fingerschnippen umzusetzen war, aber gemeinschaftlich haben wir schon von Anfang an und relativ früh
erkannt: Ja, wir schaffen das! Bei uns geht es um größte
Anforderungen, was die Präzision und die Toleranzen
betrifft. Wir reden hier über Mikrometer, über 1000stel
Millimeter! Es geht dabei ja nicht nur um Vertrauen
in die technologische Performance der Einrichtungen,
sondern auch umVertrauen in die Mannschaft, die
dahintersteht. Das ist sehr wichtig!“ „Sagen Sie, Herr
Eisenhut, ZF ist zweifellos weltweiter Technologieführer
in der Getriebeentwicklung. Sind Sie sich bewusst, was
der Name ZF für ANGER MACHINING bedeutet?“ Man
hört ihn lächeln, den Herrn Eisenhut: „Wir wissen schon,
dass wir der Firma Anger die eine oder die andere Tür
geöffnet haben! Wir stellen eine Referenz dar – auch
in der Automobil-Industrie, auch bei anderen GetriebeHerstellern. Das ist mir bewusst!“
„ZF arbeitete bis dato mit einspindeligen Bearbeitungszentren und erkannte in der HCX-Technologie vor allem
die Chance, wesentlich größere Fertigungskapazitäten
„Ich habe sehr, sehr gut gegessen! Allerdings weiß ich
nicht mehr, was es war. Aber es schmeckte hervorragend. Und der Wein war sehr gut!“ In Traun traf Brian
Harlow die beiden Söhne Norbert und Gerhard Anger –
und er war sehr beeindruckt von den beiden. „Die halfen
uns, die Dinge zum Laufen zu bringen. Da habe ich viel
gelernt, wie diese Leute die Sache angehen.“ Damals
wurde die Produktion eines Mercedes-Getriebes vorbereitet, in Kokomo, Indiana. Eine Folge der kurzen DaimlerChrysler-Hochzeit, die nun Geschichte ist. Brian Harlow
wurde übrigens in Indiana geboren und wuchs dort auf
– deshalb ist ihm die Stadt Kokomo besonders nahe. Er
arbeitete 22 Jahre in der Kokomo Transmission Plant
und kann sich gut vorstellen, was die Entscheidung
von 2009 für die kleine Stadt bedeutete, als das Werk
geschlossen wurde. Die Erleichterung ist deshalb jetzt
besonders groß. KTP ist wieder auferstanden. Erst am
Abend vor unserem Gespräch unterhielt er sich mit dem
Bürgermeister der kleinen Stadt. „Die Leute sind heute
viel engagierter, sie wissen was die Entscheidung zu
bedeuten hat, die sie Fiat und damit Sergio Marchionne
zu verdanken haben. 5000 Mitarbeiter werden bald
in Kokomo beschäftigt sein. Nach all den Problemen,
die Brian Harlow gern als „near death experience“
bezeichnet, freut er sich auf die Zukunft in den USA
und im Rest der Welt. Der große Chrysler 300, den ich
vom ersten Tag an mochte, der heißt in Europa jetzt
Lancia Thema. Und sie verkaufen die Fiat 500 in den
USA. Tja – und dann wird gelacht am Telefon. Es gibt
ja jetzt eine neue, erfolgreiche TV-Serie in den USA.
Anger Management, die Serie mit Charly Sheen. „Der
Name Anger hört sich schon eher lustig an in unserem
Sprachraum. Und jetzt kommt auch noch Anger
Management!”
In den USA gibt es übrigens noch „The Anton Anger
Machine“. Kurz: Taam. Hadi Taam arbeitete Mitte der
Neunzigerjahre für ein deutsches Unternehmen in
den USA, mit dem ANGER MACHINING eine mögliche Kooperation diskutierte. Aus dem geplanten
Joint Venture wurde nichts, aber Hadi Taam stieß auf
ANGER MACHINING. „Im August 1996 besuchte ich
zum ersten Mal ANGER MACHINING in Österreich,“
erinnert sich Hadi Taam an seine persönliche Wende,
„Heinz Bürgstein zeigte mir die Maschine.
Als sie anlief, wurde meine Zukunft komplett umgedreht. In der Autoindustrie
sah ich sofort ein Potenzial – diese Art
der Bearbeitung war eine völlig neue
| Hadi Taam |
Philosophie. So begann das mit mir und
Anger! Das mit der Autoindustrie klappte
auf der vorhandenen
– hier mit seiner Frau Cathy
nicht sofort. Wir waren zuerst in der
Produktionsfläche zu ermögbei einem Ausflug in der
optischen Industrie unterwegs, wir
lichen!“ So sieht Werner
Wiener Straßenbahn –
probierten es in der Computer- und mediBramhas die große Chance,
entdeckte schnell seine Liebe
zinischen Industrie – sogar in der Aircraft
die sich 2008 bei ZF ergab.
zu Österreich.
Industry. Aber Ziel war die Autoindustrie,
Konkret war es die dreifache
die mit ihren Stückzahlen für das Konzept
Kapazität auf derselben
Anger am besten geeignet ist!“ Der erste
Fläche. Das war wohl der
große Erfolg wurde schließlich das Joint
entscheidende Grund für den
Venture von Ford und ZF in Batavia, Ohio. Kauf der Maschinen.
„14 Maschinen wurden geliefert und wir waren endlich
2012 wurde bereits die dreißigste Maschine für die
dort, wo wir sein wollten: in der Autoindustrie!” erzählt
Fertigung von Ventilsteuergeräten des 8HP
Hadi Taam, „es folgten Chrysler und Linamar und nach
Automatikgetriebes bestellt. Und die ersten beiden
der Krise läuft es seit 2010 wieder mit Chrysler!“
Maschinen für das 9HP. Die Auftragslage ist gut.
Der Markt für ANGER MACHINING wächst –
Erinnern Sie sich noch an den Namen Lopez? Nein, nicht
die Nachfrage nach neuen Maschinen wird auch weiter
die Jennifer! Es war ein Empfang in Wien, den Norbert
wachsen und die Profitabilität wird sich ständig
Anger in unserem Gespräch erwähnt, und er erinnert
verbessern!“ZF spielt nicht nur als Referenz eine große
sich an die Begegnung mit jenem Mann, der einmal
Rolle, sondern entspricht in geradezu idealer Weise dem
für sehr viel Atemlosigkeit in der Zulieferer-Industrie
Berufsmotto von Werner Bramhas: „Mach’ Kunden zu
sorgte. Die österreichischen Zulieferer waren eingeladen,
Freunden!“
Ignazio Lopez kennenzulernen, der mit seinen „Warriors”
und der Uhr am rechten Handgelenk Anfang der 1990er
Jahre den Einkauf des Volkswagen-Konzerns neu ordnete. So gesehen stellt der Spanier gleichzeitig auch
einen Meilenstein in der Entwicklung dar. Heute nahezu
vergessen – aber von historischer Bedeutung.
Eine Meinung, die auch Ernst Weinheimer vertritt:
„Mich haben die Chefeinkäufer immer beeindruckt, weil
sie klare Forderungen stellen. Sie fordern einfach ein,
was der Kunde bestellt hat. Das finde ich richtig und
Zum Thema USA und Joachim Eisenhut gehört noch ein
mich haben die klaren Ansagen immer beeindruckt.
weiterer Name: Brian Harlow.
Die Erfahrung, die ich damit gemacht habe, lautet:
Er ist heute Vicepresident Powertrain bei der Chrysler
Schlampig ist nicht! Wenn wir Maschinen fertig hatten
Group in Detroit – genau genommen in Auburn Hills bei und unser Geld erwarteten, gab es oft diese finanziellen
Detroit und in Kokomo, Indiana. 2001 besuchte er Traun. Lücken. Zum Beispiel fehlende Dokumentationen der
Woran erinnern Sie sich, Mister Harlow?
Maschinen, Darstellungen der Schaltkreise.
Anger Management,
so to speak.
2003
HCP 202
2004
HCK
2006
HCP 203
„Natürlich sind Zahlen
sehr wichtig, aber
man muss auch an
eine Sache glauben!“
„Der Name ,Anger‘ bedeutet
in unserer Sprache ‚Zorn‘ oder
auch ‚Ärger’.
Und jetzt gibt es auch
noch diese neue TV-Comedy
‚Anger Management‘ ...“,
freut sich Brian Harlow.
| Brian Harlow |
Leiter der
Produktionsplanung
Powertrain
bei Chrysler
Wir haben viel Lehrgeld gezahlt, verstanden dann aber,
dass eine Lieferung komplett vorhanden sein muss, wie
es das Pflichtenheft vorsieht. Dann klappt’s auch mit der
Bezahlung!“
Das liebe Geld.
Das alles war ja nicht immer ganz einfach. „Nein, wirklich nicht“, erzählt Dr. Andreas Szigmund, Vorstand
in der Invest Unternehmensbeteiligungs AG. „Klaus
Dirnberger kannte ich schon lange, schon seit Ende der
1990er Jahre, als ich noch bei der Raiffeisen Landesbank
OÖ war. Er war Berater und sehr kompetent, wenn
es um Klein- und Mittelbetriebe ging. Zu dieser Zeit
hatte ich auch Kontakt zu den beiden Söhnen von
Anton Anger. Sie hatten die – aus meiner Sicht, schon
ersten wichtigen Schritte eingeleitet – wie etwa den
Umstieg von der Brillen- auf die Metallbearbeitung. Es
gab auch bereits Kontakte zur Autoindustrie. Mit der
Invest AG waren wir in dieser Startphase dabei. Die
neue Ausrichtung des Unternehmens und das zu erwartende Wachstum musste finanziert werden – aber das
Unternehmen geriet 2003 in eine Phase der Stagnation.
Wir hatten das Gefühl, das Produkt stimmt, auch die
Richtung stimmt – jetzt aber brauchte man die richtigen
Leute. Vor allem zu einem Zeitpunkt, als Gerhard Anger
beschlossen hatte, seinem Leben eine andere Richtung
zu geben. Diese richtigen Leute waren für mich Klaus
Dirnberger, den ich kannte, und Dietmar Bahn, den
Dirnberger empfahl. Wir hatten von Anfang an das
Gefühl, das sind die richtigen!
Gleichzeitig war aber auch ein Zyklus abgeschlossen –
eine Zeit, in der wir das Unternehmen finanziert hatten.
Für einen neuen Zyklus wollten wir nicht die Bremse
für die weitere Entwicklung sein und haben ANGER
MACHINING geholfen, einen weiteren Partner zu finden.
Das war dann die EK Fin!“
2009
HCX 1400
eine sehr besonnen ist, der andere
aber sehr impulsiv. Das war dann
schon auf Messers Schneide, wenn
einer einfach aufspringt und brüllt,
er braucht das Geld, wir aber noch
nicht so weit sind!“
Zwei weitere Persönlichkeiten aus
der Welt des Geldes sind Judith
Lindtner-Fontano und Ewald
Kowanda von der Oberbank AG.
„Es ist nicht immer ganz
„Die Zeiten, in denen wir leben,
einfach, wenn man an
jene letzten Jahre seit 2009, sie
eine Sache herangeht,
haben es verursacht, dass man lieder – aus der Sicht einer
| Judith Lindtner-Fontano |
ber wieder Bankier wäre als Banker!“ sagt Ewald
Bank – ein nicht so guter
Kowanda gleich zu Beginn. Und sehr viel später:
Ruf vorauseilt!“ Aber
... versteht mehr von Chow„Wenn ich in einer Maschinenfabrik bin, und ich
Judith Lindtner-Fontano,
Chows als von Maschinen.
komme in meinem Beruf in viele Firmen und die
die bei der Oberbank
Dennoch fand sie das
unterschiedlichsten Branchen, dann glauben die
im Risiko-Management
Konzept von ANGER gleich
dort, ich könnte möglicherweise Betriebsspionage
eben dieses beurteilen
faszinierend.
betreiben!“ Er kennt sich aus, der Bankier Ewald
muss, sah die Dinge mit
Kowanda, ganz einfach, weil ihn Technik interesAussicht: „Mir hat das
siert, weil er Oldtimer restauriert, wie zum Beispiel
Betriebsklima gefallen
das Aero Cabriolet Baujahr 1931 eines Freundes.
und wie das Management
Und dann vielleicht noch ein wichtiger Satz: „Ich bin aus
an die Aufgaben heranging!“ sagt sie. Und: „Natürlich
Steyr!“ Das muss man als Statement verstehen. Man versind Zahlen sehr wichtig, aber man muss auch an eine
steht es, wenn man in der Technik zu Hause ist. So eine
Sache glauben!“ Die Bankerin versteht nichts von großen
Aussage erklärt vieles: Ich bin aus Steyr.
Maschinen, von Zerspanungstechnologie im GetriebeDie beiden Dinge, der Bankier und der Steyrer, erklären
oder Motorenbau. „Aber es hat mich fasziniert. Ich glauvielleicht am besten, warum die Oberbank 2006 die
be, man muss auch die Gesamtaufgabe begreifen, um die
Hausbank von ANGER MACHINING wurde. Der Mann von Planzahlen zu
der Bank verstand sofort, worum es ging bei der neuen
verstehen.“
HCX, der Maschine, die den entscheidenden Schritt in
ANGER MACHINING hatte in Folge Judith Lindtnerdie Zukunft bedeuten sollte. Und eine Bank, die versteht,
Fontano und Ewald Kowanda auf ihrer Seite. „Wichtig
was Reihentechnologie ist, warum man das Werkstück
war auch Vorstandsdirektor Dr. Andorfer bei der
bewegen will und nicht nur das Werkzeug, warum die
Oberbank, der letztlich der Beurteilung zustimmte!“
Maschine wesentlich größer ist als ihre Vorgänger und
ergänzt Judith Lindtner-Fontano.
auch mehr Geld notwendig ist, um sie marktreif zu entwi- Teilt Kollege Ewald Kowanda mit Klaus Dirnberger
ckeln, um sie zu bauen, na ja, so eine Bank zu finden, ist
die Liebe zum Fliegenfischen, so ist es im Falle der
kaum vorstellbar. Eigentlich.
Familien Dirnberger und Lindtner die klassische Musik,
Kammermusik zum Beispiel, Musik vom Barock bis ins
frühe 20. Jahrhundert. Man trifft sich auch bei einem
Chorkonzert oder der Musica Sacra, zur Kirchenmusik
in Linz.
„Es stimmt nicht nur die
Verpackung. Es stimmt vor
allem auch der Inhalt!“
EK Mittelstandsfinanzierungs AG, das sind dann gleich
drei in einer Person: Klaus Haberzettl, Johann Toth und
Bernd Lechner. „Bei Anger hat man immer einen klaren
Plan!“ sagt Johann Toth, „natürlich wird der dann wieder geändert – das ist das Wesen eines Plans –, aber es
gab eine klare Vision, was mich sehr beeindruckte. Meine
Devise war deshalb immer: Es lohnt sich zu investieren.
Und wenn man sich das heute anschaut, die neue Fabrik
in Traun, da weiß man, das Gefühl war richtig. Früher
war der optische Eindruck der einer Quetschn. Jetzt
ist es ein fundiertes mittelständisches Unternehmen
geworden. Anger ist hervorragend aufgestellt.
Ich meine das auch im übertragenen Sinn.
Es stimmt nicht nur die Verpackung, es
stimmt vor allem auch der Inhalt!“
Klaus Haberzettl, der bereits
40 Jahre im Bankgeschäft
war, bevor er die EK Fin aufbaute, kommentiert ähnlich:
„ANGER MACHINING war 2008
in einer guten Entwicklung,
von Banken finanziert, aber
es gab eine Innovation,
deren Realisierung das
Unternehmen an finanzielle Grenzen stoßen
ließ. Das musste beurteilt werden – wie das
Private Equity Fonds eben
so machen. Innovationen
haben es an sich, dass sie
nicht immer gleich und
sofort funktionieren! Es ist
nicht immer ganz einfach,
wenn einer sagt „Ich habe
da eine Idee!“ Um die Sache
beurteilen zu können, muss
man auch abschätzen, ob der
Business-Plan eher pessimistisch, realistisch oder – wie in
vielen Fällen – zu optimistisch
gerechnet ist. Wir haben dann
einige wichtige Kunden angerufen und uns ein wenig beraten
lassen. Schließlich sah die Sache
für uns sehr gut aus. Natürlich
gibt es bei solchen Gesprächen
nicht nur lange Nächte, sondern
manchmal auch sehr impulsive
Situationen, wenn man es mit zwei
Inhabern zu tun hat, von denen der
2008
HCX 2000
| Roland Haas |
... auf seinem Steyr T80.
Was das mit Forschung und
MMS zu tun hat, erfahren
Sie auf den nächsten
Seiten.
„Stellen Sie sich Bleistifte vor, die
auf einer vibrierenden Fläche liegen,“
erklärt Roland Haas besonders
bildhaft, „die beginnen zu wandern.
Das ist das Prinzip!“
2011
HCXchange
2012
HCX 2000, Motorblockbearbeitung Volvo
THECUTTINGEDGE
1982
2012
10
Und dann gibt es noch den Chow-Chow im Leben
der Judith Lindtner-Fontano, der dritte bereits.
„Aufgeplusteter Löwenhund“ heißt die Rasse mit chinesischem Namen – oder auch Hek she, was so viel wie
„blaue Zunge“ bedeutet.
„Es ist auch gut, dass
es uns gibt!“
Und die Dritten im Bunde sind zwei Herren vom Austria
Wirtschaftsservice (AWS). „Eine Institution wie der
Austria Wirtschaftsservice hat den besonderen Auftrag,
KMUs zu unterstützen,“ erläutert Bernhard Sagmeister,
„die Wirtschaft zu fördern, im Auftrag der Republik
dort zur Verfügung zu stehen, wo es Aussicht auf
Erfolg gibt, wo Nachhaltigkeit geschaffen wird und
wertvolle Arbeitsplätze gesichert werden können. Die
Entscheidungen sind nicht immer ganz einfach. Aber
gerade ANGER MACHINING ist für uns ein schönes
Beispiel dafür, wie wir unserem Auftrag gerecht werden.
Deshalb zeigen wir dieses Beispiel auch gern her!“ „Ein
solches Zweiergespann sieht man eigentlich sehr selten,“
ergänzt Harald Kugler, „ein Gespann aus zwei gleich
starken Persönlichkeiten! Klaus Dirnberger und Dietmar
Bahn!“ Das war für ihn entscheidend bei der Beurteilung
des Unternehmens. Es gab das Engagement der beiden
Personen, eine aussichtsreiche technische Innovation, für
die es seitens der Industrie bereits Interesse gab und es
fehlte das Kapital, entscheidende Schritte auch durchzuführen. „Es war ein Scherbenhaufen!“ drückt sich Harald
Kugler durchaus salopp aus. „Aber es gab eine Vision.
Und die hat uns überzeugt!“ „Genau das ist das Schöne
an dieser Story,“ schließt Bernhard Sagmeister ab, „es
ist eine Erfolgsstory, die wir begleiten konnten. Und sie
sagt uns: Es ist auch gut, dass es uns gibt!“
Vom Geld zur Forschung. „Anton Anger ist Techniker
von ganzem Herzen!“ erklärt Wolfgang Ratzesberger.
„Ein extrem kreativer, motivierter, technischer Geist –
immer auf der Suche nach der optimalen technischen
Lösung!“ sagt Heinz Bürgstein über den Mann, der
ihn 1983 einstellte. Und Eberhard Schmid erwähnt
dann etwas, das hier zuvor noch nicht zur Sprache
kam: „Gerhard Anger war nicht allein für die Finanzen
zuständig, sondern arbeitete auch in der technischen
Entwicklung – und hier eng mit seinem Vater zusammen!“ Eberhard Schmid hat zumindest das Gefühl, dass
„der Gerhard intensiv an der technischen Entwicklung
mitgewirkt hat – er war vielleicht im Hintergrund tätig,
aber ich hatte immer das Gefühl, dass Gerhard die Dinge
mit gewissem Fortschritt vorangetrieben hat!“ Es gibt
einen Wandel in unserer Gesellschaft, den zu betonen
ein Anliegen ist von Eberhard Schmid. Er lebt in
Stuttgart, in Baden Württemberg, jenem Bundesland,
das für seine Vielfalt im Maschinenbau bekannt ist, dem
Maschinenbau, der immer eine der tragenden Säulen der
deutschen Exportwirtschaft war. Herr Schmid – lange
Jahre Eigentümer der Otto BALZ Industrievertretungen
– erinnert sich an die späten 1980er Jahre: „Wie üblich
sah ich mich auf Messen um, auf der Suche
nach interessanten Entwicklungen und
neuen Technologien im Maschinenbau.
So stieß ich auf ANGER MACHINING!“
Die Maschinen von Anger fielen Eberhard
Schmid auf, weil sie ideal waren für
kleinere und vor allem mittlere Betriebe,
die komplizierte Werkstücke herstellten.
„Wir haben immer gut mit ANGER
MACHINING zusammen gearbeitet! Es war
eine Familienfirma. Und in den meisten
Fällen wird man von den Familien viel
enger eingebunden in die Entwicklungen
und in den Informationsfluss. Genau das
hat bei Anger immer exzellent funktioniert.“
aber unsere Berechnungen haben gezeigt, dass die Werte
passen. Natürlich ist das ein mutiger Schritt, nicht
das Werkzeug zu bewegen, sondern das Werkstück.
Eigentlich war es fraglich, ob die Vorrichtung, auf der
das Werkstück eingespannt ist, die Belastungen aushält
und nicht nachgibt. Aber die Berechnungen haben dann
gestimmt.“
Roland Haas bringt an dieser Stelle ein weiteres Kapitel
des technischen Fortschritts ins Spiel: die MMS, die
Mindermengenschmierung. Bei VW in Salzgitter schon
lange im Einsatz, denn auch hier war Volkswagen der
Erste, der den Trend erkannte, über den sich Prof. Abele
gern mit etwas Vorbehalt äußert. „Toll für die Zukunft,
aber ob sich das bei den Präzisionsteilen durchsetzt?“
Die Ölwanne, die in Salzgitter bearbeitet wird, ist auch
groß. Aber beim Motorblock sind die Bearbeitungskräfte
eben noch größer. Roland Haas sieht in der MMS einen
wichtigen Schritt in die Zukunft. „Und wo geht es
hin?“ fragte er in unserem Gespräch. Wenn nur ein
paar Tropfen Schmiermittel im Spiel sind, entstehen
ganz andere Temperaturen, also wesentlich mehr
Atmung der Teile. Okay – man kann vorhalten, wie
ein alter Jäger mit seinem
Gewehr. Aber die Kühlmittel
spülen auch gleichzeitig
den Dreck weg, die Späne,
die anfallen, den Staub. Das
macht man zur Zeit noch mit
Druckluft. Die Späne werden
weggeblasen und der Rest
ist Schwerkraft. Sie fallen
zu Boden. Man sucht aber
auch hier nach besseren,
nach effizienteren Lösungen.
Aufbruch in eine neue Ära.
Blechverkleidungen,
Zwischen 2008 und 2012
die vibrieren, die in
wurden in 3 Ausbaustufen
Schwingungen gesetzt
über 8 Mio. Euro in die
werden. „Stellen Sie sich
Betriebsliegenschaft investiert.
Bleistifte vor, die auf einer
vibrierenden Fläche liegen,“
erklärt Roland Haas besonders
bildhaft, „die beginnen zu
wandern.“
Dann lacht er. „Wenn ich
ein paar Arbeitshandschuhe
auf die Motorhaube meines
Steyr T80 lege und darunter
der Ein-Zylinder arbeitet,
kann man zusehen, wie die
Handschuhe zu wandern
beginnen und schließlich
zu Boden fallen!“ Das ist
das Prinzip und der Traktor
ist das Hobby des Roland
Haas. Ein 15er Traktor von
Steyr. Mit dem fährt er zum
Mostbauern mit seiner Frau
auf dem Schwiegermuttersitz
– hoch oben auf dem
Kotflügel. Mit 15 km/h über Land.
| 2012 |
... auch von außen ist das
Wachstum der letzten
Jahre erkennbar
Wo geht es hin?
Und heute? Wer treibt jetzt die Entwicklung
voran? ANGER MACHINING setzt auf die
universitäre Zusammenarbeit. „Wir konnten
Beiträge leisten zur Entwicklung neuer
Maschinen!“ gibt sich Prof. Michael Zäh
bescheiden. Neben Darmstadt, Wien oder
Stuttgart erhält auch das Institut für
Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften der TU München Forschungsaufträge von ANGER MACHINING. „Wir haben schlicht
eine Begleitung der Prozesse gemacht, um so die
Anforderungen zu erfüllen, wie sie das Pflichtenheft
stellt. Wir haben vor allem Finite-ElementeBerechnungen durchgeführt und wissenschaftlich abgebildet, was die Optimierung der Prozesse ermöglichte.
Die Spezifikationen waren vorgegeben, die Summe aus
den Lastenheften der einzelnen Hersteller.“ Und dann
sagt Prof Zäh noch: „Mich hat übrigens immer die
Professionalität der Manager bei ANGER MACHINING
beeindruckt, auch der Mut, mit dem sie an neue
Lösungen herangegangen sind. Auf unserer Seite war
zu Beginn eine gewisse Skepsis vorhanden –
Und ein weiteres, großes Projekt von Roland Haas kreuzt
sich mit einem Gesprächspartner: Roland Andersson bei
Volvo Cars in China. Roland trifft Roland sozusagen.
Volvo ist der Schritt in die Königsklasse – hörte ich
schon oft. Warum sprechen eigentlich alle von „der
Königsklasse“, wenn es um Motoren geht? Getriebe sind
doch auch toll! „Nein, das ist nicht der Grund, Motoren
sind nicht wichtiger. Aber sie sind größer und schwerer.
Die Teile, die hier bearbeitet werden, Blockgehäuse zum
Beispiel, sind einfach wuchtiger als ein Ventilschieber.
Auch die Bohrungen sind größer und damit sind ganz
andere Anforderungen zu erfüllen, wesentlich größere
Bearbeitungskräfte treten auf und sind zu bewältigen.
Das erfordert ganz andere Spannvorrichtungen. Denn
gearbeitet wird hier auch in mµ, im Mikron-Bereich –
also 1000stel Millimeter – aber trotzdem gibt es dicke
Bohrungen!“
Noch einmal zurück zu Roland Haas: „Der Prototyp ist
fertig!“ versprach Norbert zu einer Zeit, als man bei
VW in Kassel zweifelte, ob die HCP die erforderlichen
Kapazitäten bewältigen würde. Es war der Prototyp des
Roland Haas. Die HCX kam in Kassel zum ersten Mal
zum Einsatz. Dann folgten AUDI in Györ und VW in
Salzgitter. Daimler – inzwischen ohne Chrysler –
plante die neuen Linien in Hedelfingen für die 7- und
9-Gänger und bestellt die Maschinen 2011 bei Anger.
Hier werden Hydraulikschieber, wie es bei Daimler
heisst, ebenso wie die Antriebswellen gefertigt, mit der
vermutlich für diesen Bauteil produktivsten Maschine
der Welt.
Die Zukunft könnte in
China beginnen.
Zum Schluss noch das, was man gemeinhin als Ausblick
bezeichnet. Hier kommt noch einmal Roland Andersson zu
Wort: „Natürlich ist mir sehr bewusst, dass der Schritt in
den Motorenbau ein wichtiger ist, und ich bin auch davon
überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit Volvo eine wichtige Erfahrung für Anger ist. Wir können eine wichtige
Expertise einbringen – wovon Anger sicher profitiert. Und
Volvo ist auch eine Erfahrung wert, weil wir anders sind
als andere Autohersteller!”
Warum ist Volvo anders, Herr Andersson?
„Unsere Lastenhefte sind ein wenig freier als bei anderen.
Volvo schreibt nicht so detailliert vor, welche Fremdteile
ein Lieferant zu verwenden hat, wir lassen mehr Freiraum
und sind offen für neue Vorschläge, die wir gern diskutieren. Aber wir machen keine Kompromisse, wenn es um
die Funktion und die Qualität geht. Beides muss stimmen,
bevor eine Maschine die Hallen des Lieferanten verlässt!“
Gerade erst wurden Maschinen von Anger nach Volvo
Skövde geliefert, wo sie 2013 die Produktion aufnehmen. Volvo hat sehr hohe Erwartungen, was ANGER
MACHINING betrifft. Aber Roland Andersson ist sicher,
sie werden auch erfüllt.
30 Persönlichkeiten, die in den letzten 30 Jahren
den wohl größten Einfluss auf die Entwicklung
des Unternehmens hatten. Nominiert von ANGER
MACHINING. Also sollte die letzte Frage an die Inhaber
gerichtet sein: „Sind es nicht eigentlich 32, Herr
Dirnberger?“ Nein, sie können sich doch bitte nicht selbst
nominieren, die Herren Klaus Dirnberger und Dietmar
Bahn. Aber sie haben in den letzten Jahren aus ANGER
MACHINING das gemacht, was Johann Toth zuvor als
„ein fundiertes mittelständisches Unternehmen“
bezeichnete.
| 1989 |
... noch eher bescheiden,
das Anger-Gebäude in seiner ersten Ausbaustufe.
THECUTTINGEDGE
1982
2012
12
Was kommt?
TC1, das Transfer Concept.
Neben der ständigen Optimierung und Weiterentwicklung der schlüsselfertigen, hoch produktiven Anger
Bearbeitungssysteme investiert das Unternehmen in eine
neue Generation von Maschinen. Was mit dem flexibleren Maschinentyp HCXchange bereits vor 3 Jahren
begann, wird nun durch ein neu formiertes Expertenteam vorangetrieben, die Entwicklung eines Maschinenkonzepts mit höherem Standardisierungsgrad,
Anger goes LEAN sozusagen.
Diese neuen Maschinentypen sind modular
aufgebaut und werden standardisierte MechatronikKomponenten beinhalten. Das umfasst standardisierte
Spindelbaugruppen, Spann- und Beladungssysteme
und die elektronische Architektur inkl. Steuerung.
Das strategische Ziel ist, die Vorteile der Anger
Transfertechnologie für die Zulieferindustrie noch breiter zum Einsatz zu bringen und das wird durch schnelle
Umrüstbarkeit auf neue Werkstücke, schnelle Lieferzeiten
von unter acht Monaten und einfachere Bedienbarkeit
erzielt. Eine intelligente Weiterentwicklung also.
Mit dem Standardisierungskonzept will Anger
einerseits die Produktionsanforderungen der Wachstumsmärkte wie Mexiko, Brasilien und China besser abdecken,
als auch 1-2 Ebenen tiefer in die Automobil Supply
Chain gehen. Darüber hinaus werden damit auch neue
Anwendungen der Technologie in Non-AutomotiveIndustrien möglich, wie in der Freizeitfahrzeugindustrie,
der Kompressoren-, sowie der
Pneumatik- und Hydraulikindustrie.
Überall dort also, wo Kunden höhere
Flexibilitätsanforderungen haben,
mehrere unterschiedliche Teile
bearbeiten und öfters rüsten, aber
nach einer entscheidenden Steigerung ihrer Produktivität suchen,
nach einem sinnvollen Ersatz für
ihre herkömmlichen BAZs.
Denn die BAZs sind in der Regel an
die Grenzen ihrer ProduktivitätsLeistungsfähigkeit gestoßen.
Die TC1 ist eine interessante
Alternative zu Bearbeitungszentren.
Doppelte Produktivität bei gleich
bleibendem Raumbedarf.
TC1.
Modulare Mechatronik,
schnelle Umrüstbarkeit auf
andere Werkstücke.
Doppelte Ausbringung
wie ein BAZ und innerhalb von
maximal 8 Monaten geliefert.
„Sniff The Future of
Machining.” – TC1,
das Transfer Concept.
| IMTS 2012 |
Mit diesem ungewöhnlichen Konzept hat
ANGER MACHINING
die Zukunft auf der IMTS
2012 eingeläutet.
IMPRESSUM.
„1982“ ist ein Supplement zu „2012“ – einem periodischen Druckwerk von ANGER MACHINING, erstmals erschienen 2011.
Alle abgebildeten Personen haben ihre Fotos zur Verfügung gestellt. Alle persönlichen Bildrechte liegen bei den abgebildeten Personen.
Weitere Fotografen: Bernhard Angerer / Manfred Weis; Werksfotos: Nik Fleischmann und Anger-Archiv / Fotolia
Gestaltung: schierholzsaxer ssx. Art-Director: Hanns-Georg Saxer. Interviews und Text: Patrick Schierholz.
Gedruckt bei Holzhausen Druck GmbH/A-1140 Wien.

Documentos relacionados