Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung Dollys

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Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung Dollys
-1Dollys Dackelgeschichten
sie seine beste Hundeführerin. Wir Hunde konn-
Ein Hund erzählt aus seinem Leben.
ten uns nun amüsieren wie GEWANDT die Men-
Eberhard Kamprad
schen das Hindernis bewältigten. Das war für uns
ein besonderer Anreiz, es eleganter zu machen.
11. Der Experte
Dann ging es zum WEGSCHICKEN. Das ist
Uff Freunde, war das wieder eine Aufregung.
jene Übung, die in unserer Gruppe am wenigsten
Potz Blitz und Wackeldackel! Gestern war nämlich
klappt. Als Familienhunde hängen wir eben alle
neben unserer Ausbilderin der bekannte Hunde-
an unseren Menschen und können uns schlecht
experte Herr Hase-Wolf beim Training für die Be-
von ihnen trennen. Herr Hase-Wolf sagt in der
gleithundeprüfung dabei. Er wollte sehen, was wir
Fachsprache: Der Hund KLEBT am Hundeführer.
schon können. Richtige Schauergeschichten sind
Er muss sich aber bei dieser Übung 30 bis 50 m
über seine Strenge im Umlauf. Es kann einem
von diesem entfernen und dann auf Zuruf zurück-
angst und bange werden, wenn man den Men-
kommen. Bei uns kleinen Hunden kommt noch ein
schen zuhört. Zum Glück nehmen wir Hunde nur
weiterer Störfaktor dazu. Der Hundeführer muss
die Gefühle der Menschen auf und verstehen die
sich erst zu uns herunterbeugen und an uns her-
Details nicht; aber auch das reicht schon.
umfummeln muss, um die Leine abzumachen.
Zuerst liefen wir wie gewohnt im Kreis mit
Und so richten wir unsere Aufmerksamkeit von
STEH und SITZ und er beobachtete uns. Einige
der Bewegung wieder auf den Menschen, von
Menschen meinten, dass er einen finsteren Ge-
dem wir uns aber gerade lösen sollen.
sichtsausdruck habe und dass das nichts Gutes
Experte
Hase-Wolf
sah
sich
bei
jedem
bedeute. Dann ging es über das Hindernis. Laut
Mensch-Hund-Gespann die mehr oder weniger
Prüfungsordnung muss es GEWANDT überwun-
glücklichen Versuche an, uns wegzuschicken und
den werden. Einer bekam von seinem Herrchen
gab dann spezielle Hinweise oder machte es vor.
Unterstützung durch Anheben des Hinterteils. Das
Die Menschen bekamen den Trick gezeigt, am
war zwar nicht gewandt, aber wenigstens lustig,
Halsband statt der Leine eine Schnur durch die
sodass sich die finstere Miene von Herrn Hase-
Öse zu ziehen und die beiden Enden in der Hand
Wolf aufhellte. Dann gab es praktische Tipps.
zu halten. Bei LAUF WEG braucht der Hundefüh-
Hase-Wolf erklärte, dass es nicht verboten ist,
rer dann nur das eine Ende loszulassen und wir
wenn der Hundeführer selbst mit über das Hin-
können aus der Bewegung heraus loslaufen. Eine
dernis steigt. Das ist auch für den Hund einleuch-
tolle Idee. Herr Hase-Wolf erklärte auch, dass mit
tender. Läuft der Hundeführer um das Hindernis
uns Dackeln die Ausbildung sowieso schwieriger
herum, sieht der Hund nicht ein, warum es sich es
ist, als mit großen Hunden. Zum einen haben wir
nicht auch so bequem machen soll. Natürlich ge-
vom Zuchtziel her als Einzelkämpfer unseren
hört dazu passende Kleidung - vor allem - der
eigenen Kopf und dann können die Menschen mit
HundeführerINNEN. Hase-Wolf lockerte die Aus-
uns auch keinen Körperkontakt halten, weil wir am
bildung durch die Story auf, dass einmal eine
Boden herum wieseln. Bei einem Schäferhund hat
Hundeführerin wie eine DAME im zugeknöpften
man Kniekontakt, sodass der Hund auch schneller
Rock kam. Seinen Hinweis darauf ignorierte sie.
spürt, wenn sein Hundeführer die Richtung wech-
Nach dem ersten Sturz machte sie einen Knopf
seln will. Damit sind wir schon beim nächsten
auf und so fort, so dass sie dann nach mehreren
Problem, dem FUSS-Laufen mit Richtungsände-
Stürzen hundepraktisch angezogen war und auch
rung. Die meisten von uns können ganz gut gera-
mit über das Hindernis steigen konnte. Heute ist
deaus FUSS laufen, wenn die Richtung mit unse-
Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung
-2rer Meinung übereinstimmt. Bei Kreuzungen DIS-
Das nächstemal ist unsere Ausbilderin verreist
KUTIEREN wir aber häufig mit unseren Men-
und Herr Hase-Wolf wird sie vertreten und gleich
schen, in welche Richtung gelaufen werden soll.
eine Art Probeprüfung machen. Na, da muss mein
Häufig gucken wir auch in der Gegend herum,
Herrchen mit mir aber noch tüchtig üben, vor al-
statt auf den Hundeführer zu achten oder be-
lem das Fuß-Laufen mit Richtungsänderung und
schnüffeln etwas Interessantes am Boden. Da-
das Wegschicken, damit ich eine gute Figur ma-
durch merken wir nicht, wenn die Richtung ge-
che. Die meisten Menschen hatten auch von
wechselt wird. Das aber ist gerade die Prüfung
Herrn Hase-Wolf eine bessere Meinung gewon-
des Gehorsams.
nen, als zu Anfang und waren für die praktischen
Auch mein Herrchen musste sich sagen lassen, dass er mich an zu kurzer Leine praktisch
Hinweise dankbar. Ihr könnt inzwischen schon auf
den Bericht von der Prüfung gespannt sein.
mitschleift und ich keinen FREUDIGEN Gehorsam
zeige, wie es verlangt wird. Potz Blitz und Wa-
© by Eberhard Kamprad, Leipzig, 2002, überarb.
ckeldackel! Da sehe ich noch eine Menge Übun-
Mai 2010
gen auf mich zukommen. Es gab auch den Tipp,
ohne Leine zu üben, weil sich da der Hund wirk-
12. Die Prüfung
lich konzentrieren muss. Das stimmt natürlich.
Hurra, hurra! Es ist geschafft. Ich habe die Be-
Deswegen laufe ich lieber mit Leine, da kann ich
gleithundeprüfung bestanden und nicht einmal als
während des Laufens vor mich hin dösen und
Schlechteste. Doch alles der Reihe nach. Ich hat-
gehe nicht verloren; ohne Leine muss ich ja wirk-
te nämlich noch mit besonderen Schwierigkeiten
lich darauf achten, wie mein Mensch läuft. Natür-
zu kämpfen, da meine nächste „Hitze“ unmittelbar
lich darf man sich dann nicht vom Ordnungsamt
bevorstand und mir schon bei den Spaziergängen
erwischen lassen, denn eigentlich ist ja Leinen-
die Rüden ständig am Hinterteil hingen.
zwang. Aber vielleicht treffen wir auch einmal auf
Meine Menschen hatten mit mir gebangt, ob
einen hundefreundlichen Mitarbeiter, der einsieht,
ich es bis über die Prüfungszeit hinaus schaffen
dass ein FUSS übender Hund keine Gefahr für
werde, mit der HITZE zu warten. Aber am Prü-
die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.
fungstag waren die Anzeichen zu hervortretend,
Zum Schluss übten wir noch einmal das Able-
im wahrsten Sinne des Wortes (nämlich meine
gen. Da war ich zu Anfang die Schlechteste und
angeschwollene Vagina), dass es mein Vater
konnte es nicht ertragen von meinem Vater ge-
melden musste. Es hätte sonst die Gefahr der
trennt zu sein. Immer wieder rückte ich ihm beim
Disqualifikation
Entfernen meterweise nach. Auch Schimpfen half
Testrüde geschnuppert hatte, entschieden die
nicht. Geschafft habe ich es beim Üben in der
Richterin und die Prüfungsleiterin, dass ich sepa-
Wohnung. Inmitten all meiner Spielsachen ruhig
riert werden sollte und als letzte d‘rankäme. Da-
liegenzubleiben und erst auf Kommando aufzu-
durch sollte verhindert werden, dass ich die Rü-
stehen, ist schon eine gewaltige Anstrengung. Da
den durcheinander bringe. So trug mich mein
ist das Entfernen meines Vaters beim Üben im
Herrchen in das durch einen Maschendrahtzahn
Freien ein Klacks dagegen. So gehöre ich jetzt
abgesperrte ehemalige Fuchsbaugelände und
beim Ablegen zu den Besten. Mein Vater legt
tröstete mich. Ich betrachtete mir nun das Treiben
mich jetzt sogar bei den Wartezeiten der Ausbil-
meiner Mitprüflinge durch den Zaun. Acht Hunde
dung ab. So habe ich eine Aufgabe und hampele
mit ihren Menschen waren gekommen; von ur-
nicht an der Leine herum.
sprünglich dreizehn, die die Ausbildung begonnen
bestanden.
Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung
Nachdem
ein
-3hatten. Als letzte d‘rankommen: - Ich dachte
So musste er besonders aufpassen, dass dieser
schon, dass ich ganz allein der Richterin alles
nicht von mir „Wind bekam“.
Gelernte vorführen musste. Da hätte mir aber der
Ausgerechnet der Rüde aber stand auf und
Ansporn durch die Gruppe sehr gefehlt. Es war
rannte an mir vorbei. Ich musste all meine Hun-
dann aber so, dass ich mit den anderen ging, aber
denerven ganz fest zusammennehmen, um nicht
etwas getrennt und bei den einzelnen Übungen
mitzulaufen; aber es gelang mir. Nun wurden wir
immer als letzte.
abgeholt und ausgiebig gelobt. Nummer Sieben
Zu Beginn wurde die Reihenfolge ausgelost.
Wer die Nummer Acht gezogen hatte, musste
durfte den Prüfungsteil wiederholen. Das ist zulässig.
diese mit meinem Vater tauschen. Dann ging es
Beim STERN wurden wir wieder an der Seite
zur Übung „Straßenverkehr“. Ich konnte mir ja nun
abgelegt, denn die Hundeführer mussten ja die
in Ruhe betrachten, wie es die anderen machten
Menschen spielen, die rundum auf den zu prüfen-
und mein Vater schoss ein paar Fotos. Die Warte-
den Hund zugingen. Als ich dran kam, war ich ein
rei ging mir aber auf die Nerven; ich weiß, dass
bisschen zappelig, aber ich schaffte es, sitzenzu-
das nicht meine Stärke ist. Endlich kam ich d‘ran.
bleiben. So wäre also auch das überstanden.
Die klingelnde Radfahrerin machte mir nichts aus,
Jetzt kam eine lange Wartezeit. Mein Vater tele-
obwohl wir das kaum hatten üben können. Die
fonierte während der Pause mit meinem Frau-
meisten Radfahrer, die wir beim Spaziergang
chen, dass sie sich auf den Weg machen solle.
baten testweise zu klingeln, hatten (verkehrswid-
Sie brachte den Salat für die anschließende Grill-
rig) keine Klingel am Rad. Ich brauchte aber eine
party mit; natürlich für die Menschen, nicht für die
ganze Weile, um mich an den Rhythmus des Bei-
Hunde.
Fuß-Gehens zu gewöhnen. Nach dem Überque-
Endlich kam die Reihe an mich. BEI FUSS ist
ren der Straße klappte es dann besser. Ich konnte
diejenige Übung, die mir am schwersten fällt: Fuß
es mir gerade noch verkneifen los zu rennen.
laufen geradeaus, Hindernis GEWANDT überwin-
Nach dem Zurück-Überqueren wurde ich dann
den, neben meinen Vater um gekennzeichnete
von der Ausbilderin gelobt. Ganz so schlecht
Bäume herumlaufen. Hierbei macht mir immer
schien ich also doch nicht gewesen zu sein. Auch
mein Hundeverstand zu schaffen, weil ich die
Herr Hase-Wolf, der als Berater dabei war, be-
sinnlosen Kurven nicht einsehe, aber ich schaffte
grüßte mich. Ich reckte meinen Schwanz gleich
es einigermaßen und war am Ende richtig stolz,
noch ein Stückchen höher und ging wieder zu den
was die Richterin auch an meiner Schwanzhal-
anderen.
tung bemerkte.
Die erste Gruppe war schon bei den Vorberei-
Nun waren wir schon beim fünften Prüfungs-
tungen zum ABLEGEN. Zur Wartezeit legte mich
teil, dem WEGSCHICKEN. Ich hatte ja schon über
mein Vater auch gleich ab, weil ich dann ruhiger
die damit verbunden Probleme berichtet, denn im
bin und nicht so herum hample, wie an der Leine.
allgemeinen sind die Menschen ja froh, wenn wir
Man muss wissen, dass der Richter sich während
bei ihnen bleiben. Das LÖSEN von meinem Vater
der ganzen Prüfungsdauer ein Bild von den Hun-
klappte ganz gut, ich folgte ihm auch über die
den macht und nicht nur von den paar Minuten
Wiesen in das hohe Gras, aber als er zurückging,
der Vorführung des betreffenden Hundes.
hatte ich eine interessante Spur gefunden und
Dann war unsere Gruppe dran. Mein Herrchen
musste die erst gewissenhaft auswerten. Dabei
legte mich ganz an die Seite, ein Stück von den
vergaß ich ganz die Prüfung und hörte nichts
anderen weg, denn mein Nachbar war ein Rüde.
mehr. Als ich zufällig einmal aufsah, bemerkte ich,
Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung
-4dass mein Vater heftig winkte. Ach ja, ich sollte
wichtiger. Zum Glück wurde das nicht mehr ge-
zurückkommen. So setzte ich mich in Bewegung,
wertet. Ich hatte im Umweltverhalten einen 1.
aber unterwegs war wieder etwas Interessantes
Preis und im Gehorsam einen 3. Preis bekom-
zu schnüffeln. Gerade noch bestanden. Man
men; nun ja, damit konnte ich zufrieden sein und
schob es auf meine beginnende Läufigkeit, aber
es entsprach auch meinen Leistungen. Trotzdem
das ist ja keine Entschuldigung; bei der Prüfung
war ich mächtig stolz, dass ich die Prüfung be-
wird bewertet, was gezeigt wird. Ich ließ den
standen und nun einen Begleithundepass hatte.
Schwanz etwas hängen und schaute meinen Va-
Den Prüfungsteil zur Wasserfreude verkniff ich
ter mit unschuldsvollem Dackelblick an. Mir war
mir. Es reichte auch so schon für meine Nerven.
nun doch etwas bange.
Nun nahte die letzte Übung in Gestalt von
Herrn Hase-Wolf mit Klangeisen und Hammer in
© by Eberhard Kamprad, Leipzig, 2001, überarb.
April 2010
der Hand. Wir sollten beweisen, dass wir vor Geräuschen keine Angst hatten. Das klappte auch
13. Erster Auftritt
bei allen. Nur als er zu mir kam und extra vor
Ich hatte schon immer die anderen Hunde be-
meinen Ohren einmal Ding-dong-dung machte,
neidet, wenn ich mitbekam, dass sie zu Vorfüh-
musste ich ihn anbellen. Schimpfen ist aber er-
rungen bei Sommerfesten oder anderen Veran-
laubt.
staltungen eingeladen wurden. Nachdem ich nun
Nun waren alle Übungsteile geschafft und es
die Begleithundeprüfung bestanden hatte, musste
ging zurück auf den Platz. Bald bruzzelten die
ich doch auch einmal d’ran sein – und richtig. Eine
Steaks und Bratwürste, aber die waren für die
Tages kam ein Brief: Herr Hase-Wolf lud uns ein,
Menschen, wenn uns Hunden auch das Wasser
an einer Vorführung zum Tag der Vereine in ei-
im Maul zusammenlief. Jetzt durfte ich auch mit
nem Einkaufszentrum teilzunehmen. Für Nicht-
den anderen herumlaufen. Die Rüden, die ich
Autobesitzer wurden Mitnahmemöglichkeiten an-
magisch anzog, gingen mir mächtig auf den Geist.
geboten. Das war für mich wichtig, denn ihr wisst
So schlug ich den Schwanz ein und setzte mich
ja, dass ich in Verkehrsmitteln nicht die Gedul-
darauf. Da war erst einmal alles etwas versteckt.
digste bin. Da ich am besten gehorche, wenn ich
Auf die Minute genau zum Essensbeginn ka-
mit meinem Vater allein bin, wurde beschlossen,
men der Salat und mein Frauchen. Nun war das
dass Frauchen zu Hause bleibt; auch wollte sich
Rudel wieder komplett und die Welt in Ordnung.
mein Vater nicht vor Herrn Hase-Wolf blamieren,
Nach den überstandenen Anstrengungen stärkten
der sich bereit erklärt hatte, uns im Auto mitzu-
sich die Menschen mit Kaffee, Sekt und Bier; wir
nehmen. Hoffentlich wird das Wetter mitspielen,
Hunde mit Wasser. Unserer Ausbilderin wurde für
denn es war inzwischen Herbst geworden und ich
ihre Mühen mit uns gedankt. Nach dem Essen,
hatte keine Lust, mir mein schönes Fell im Regen
bei dem ich gewohnterweise von Frauchen mei-
zu verderben.
nen Teil erhielt, kam die SIEGEREHRUNG. Der
Am genannten Tag trafen wir uns früh mit noch
beste Hund bekam einen Pokal. Mir war klar, dass
einer anderen Dackelfreundin und ihrem Hund bei
ich das nicht war. In der Mitte wurde ich aufgeru-
Herrn Hase-Wolf. Ich schaute ihn kurz an und
fen. Da ich wusste, dass hinter mir meine Mama
wusste sofort, dass das ja der ist, bei dem man
stand, drehte ich der Richterin während ihrer An-
als Hund am besten gehorcht, um keine Probleme
sprache den Rücken zu und war auch nicht zu
zu bekommen. So gab ich auch im Auto keinen
bewegen, mich umzudrehen. Frauchen war mir
Ton von mir und genoss als vernünftiger Hund die
Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung
-5vorbeisausende Landschaft; besonders, wenn ich
Vorführung heran und ich wurde langsam aufge-
mir vorstellte, dass ich sie mit meinen kurzen Pfo-
regt.
ten durchmessen müsste. Die andere Dackel-
Eine kleine Bühne war aufgebaut, mit einer
freundin, die mich mit meiner Aufgeregtheit in
Freifläche davor. Vor uns traten Artisten auf dem
Verkehrsmitteln kannte, staunte nicht schlecht
kleinsten Motorrad der Welt auf und machten eine
und fragte scherzhaft, ob ich nicht etwa ein ande-
Höllenlärm. Na, das war ja gerade das Richtige
rer Hund sei. Potz Blitz und Wackeldackel!
für aufgeregte Hunde und ihre empfindlichen Oh-
Am Ziel angekommen, suchten wir erst einmal
ren – aber ich überstand es ganz gut.
den uns zugeteilten Verkaufsstand. Endlich fan-
Inzwischen waren nach und nach auch meine
den wir ihn. Er sah wie eine große Hundehütte
Kollegen mit ihren Menschen eingetroffen. Doch
aus; eine Seite konnte man aufklappen. Zwei
es gab wieder eine Verzögerung; irgendwelche
Vereinsmitglieder standen schon hilflos davor,
Menschenprobleme. Endlich war es soweit. Wir
weil er nämlich verschlossen und kein Verantwort-
kletterten auf die Bühne und stellten uns mit unse-
licher zu finden war. Herr Hase-Wolf machte sich
ren Hundeführern in einer Reihe auf. In seiner
auf die Suche. Das war in dem Gewühl nicht ein-
humorvollen Art erläuterte Herr Hase-Wolf den
fach. Er sprach aber einfach einen jungen Mann
Zuschauern, was wir für Lebewesen sind und
im Outfit eines Versicherungsvertreters mit einer
welche Eigentümlichkeiten wir haben. Dann wur-
Mappe unter dem Arm an, was auf Kompetenz
den die einzelnen Schläge und Haararten vorge-
hindeutete. Er hatte sich nicht getäuscht. Über
stellt. Ich weiß schon, dass ich zur größten Grup-
sein Handy rief der Mann die Zuständige herbei,
pe: Rauhaar, Normalschlag gehöre. Nur Herr
die unsere Hütte aufschloss. Nun galt es erst
Hase-Wolf kann sich wegen meiner zierlichen
einmal sich wohnlich einzurichten. Eine grüne
Figur nie recht merken, ob ich nun kleiner Nor-
Decke mit Jagdmotiven wurde auf dem Verkaufs-
malschlag oder großer Zwerg bin. Dann sagte
tisch ausgebreitet; verschiedenes Dackelzubehör
Herr Hase-Wolf, dass wir Teckel keine Kläffer
und Poster an den Wänden aufgehängt. Dann
seien. Daraufhin musste ich natürlich Wuff, Wau,
wurden die anzubietenden Souvenirs ausgepackt
Wuff machen. Doch zum Glück ist er nie um eine
und das Ganze dackelmäßig eingerichtet. Mein
Antwort verlegen und meinte, dass Ausnahmen
Vater setzte mich mit auf den Verkaufstisch und
die Regel bestätigen. Mein Nachbar legte sich
so konnte ich mir bequem die Vorübergehenden
plötzlich auf den Rücken, machte die Augen zu,
betrachten. Ich wurde die Attraktion des Standes;
streckte die Pfoten in die Luft und begann zu
na ja – schließlich bin ich das schönste Dackel-
schnarchen. So konnte Herr Hase-Wolf das Publi-
mädchen der Welt. Viele kamen näher, als sie
kum darauf hinweisen, dass Teckel ruhig und
mich sahen und fragten, ob sie mich streicheln
gelassen sind. „Einer schläft schon.“ Nun begann
dürften. Ich ließ es mir sogar gefallen, obwohl das
die praktische Vorführung, die beweisen sollte,
sonst nicht meine Welt ist. Aufgrund des großen
dass auch wir Dackel – entgegen unserem Ruf –
Erfolgs meines Auftritts sagte Herr Hase-Wolf
zu gehorsamen Hunden erzogen werden können.
scherzhaft: „Einmal Hund streicheln 50 Pfennig!“
Bei Fuß, um die Stangen herum laufen, über den
Da es heutzutage kaum noch etwas gibt, wofür
Kasten springen, die Schrägsprungwand über-
man nicht bezahlen muss, nahmen das manche
winden, Ablegen– alles vertraute Sachen und ich
ernst. Herr Hase-Wolf überredete sie dann aber,
kam trotz der Enge und der Zuschauer gut zu-
ein Souvenir zu kaufen. So kam die Zeit unserer
recht. Am Nachmittag noch einmal dasselbe. Nun
wurde es mir aber langsam zu viel; noch dazu da
Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung
-6mein Vater in der Zwischenzeit keinen gemütli-
Gegenstände bereit. Na, das war nun etwas, das
chen Platz gefunden hatte, wo ich mich in Ruhe
ich gar nicht wollte. Beide Schwestern mussten
hätte entleeren können. Wir Hunde sind dabei nun
gerufen werden und zu Dritt musste ich festgehal-
einmal sehr eigen und uns gefällt nicht jedes
ten werden, damit der Arzt in der rechten Vorder-
Fleckchen, was dem Menschen praktisch er-
pfote die Vene suchen konnte. „Die liegt bei Da-
scheint. Manchmal müssen wir erst die halbe
ckeln sowieso nicht besonders günstig“, meinte
Wiese abschnuppern und wir finden trotzdem
er. Endlich hatte er sie gefunden und es machte
nichts Geeignetes.
Piek! Da knurrte ich nun aber drohend. Das war
So war es ein aufregender, aber auch schöner
ich nicht gewillt, mir weiter gefallen zu lassen.
Tag und ich hoffe, dass Herr Hase-Wolf mich bald
Doch es gab kein Entkommen. Mein Blut tropfte in
wieder einmal einlädt.
ein kleines Röhrchen. Dann wurde Klebeband um
meine Pfote gewickelt, weil die Flexüle gleich für
© by Eberhard Kamprad, Leipzig, 2001, überarb.
die Narkose steckenbleiben sollte und ich konnte
Sept. 2010
mit meinem Vater wieder ins Wartezimmer. Er
sollte aber aufpassen, dass ich mir die Flexüle
14. Der Eingriff
Also Freunde – heute wurde an mir ein EIN-
nicht wieder herausziehe., Na, da war er ja vollauf
beschäftigt.
GRIFF durchgeführt; das heißt: Unter Narkose die
Während wir auf die Blutanalyse warteten und
Warze an meinem rechten Auge entfernt. Ich
meine umwickelte Pfote in der Luft baumelte, kam
spürte schon den ganzen Vormittag, dass etwas
ein großer Schäferhund mit seinem Menschen
in der Luft lag; wusste, es war wieder einmal so-
herein. Na, dem sagte ich aber lautstark meine
weit; denn Aktionen außer der Reihe haben bisher
Meinung, dass ich jetzt d’ran bin. So machte er
noch nie etwas hundlich Angenehmes gebracht.
mit seinem Menschen gleich wieder kehrt. Das
Dann blieb auch noch mein Hundenapf leer. Zum
wäre ja noch schöner! Dann wurden wir wieder
Zeitpunkt meines Mittagessens ging es dann los.
hereingerufen. Die Blutwerte waren in Ordnung;
Als ich mit meinem Vater zum Bus ging, kam noch
nur der Glukosewert war etwas zu hoch. Der Arzt
einmal Hoffnung in mir auf. Vielleicht ging es doch
schob das auf die Aufregung, aber mein Vater will
zum Waldspaziergang? Doch als wir ausgestie-
trotzdem die Zutaten der Hundeleckerlis überprü-
gen und ein paar Meter gegangen waren, wusste
fen und mir die nicht mehr geben, die extra Zu-
ich: Es geht wieder zum Tierarzt.
cker enthalten. Dann wurde auf die Flexüle eine
Im Wartezimmer war es ganz leer, weil ich
Spritze aufgesetzt und mein Vater nahm mich auf
meinen eigenen Operationstermin hatte, wie mir
den Arm. Auf einmal wurde es in meinem Körper
mein Vater sagte. So konnte ich in Ruhe herum-
schön warm und weich; er löste sich auf und ich
laufen, in allen Ecken schnüffeln und erkunden,
versank in eine große Tiefe. - - - - Im Halbschlaf
wer alles schon dagewesen war. Dann wurden wir
hörte ich ungewohnte Geräusche. Mit Mühe öffne-
aufgerufen. Ich lief noch einmal zur Ausgangstür,
te ich die schweren Augenlider. Wo war ich denn?
um mit erhobener rechter Vorderpfote meinen
Ich lag in meiner Hundetasche. Na, das war ja
Willen kundzutun, lieber wieder wegzugehen;
schon etwas Vertrautes. Vorsichtig guckte ich
doch es half alles nichts. Ich musste ins Behand-
über den Rand. Stimmt, ich war ja noch beim
lungszimmer hinein. Zuerst sollte mir Blut abge-
Tierarzt. Aber, wo war mein Vater? Potz Blitz und
nommen werden, um festzustellen, ob ich die
Wackeldackel! Ich hatte ihm doch gesagt, er solle
Narkose gut vertrage. Dazu lagen schon spitze
da sein, wenn ich aufwache. Na, da musste ich
Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung
-7ihn durch lautes Bellen erst einmal herbeirufen.
ausraste und Fahrgäste, die zu nahe an mir vorü-
Doch statt ihm, kamen die Schwestern des Tier-
bergehen oder sich aus meiner Hundesicht unge-
arztes gelaufen und versuchten, mich zu beruhi-
wöhnlich verhalten, lautstark verbelle. Auch später
gen. Aber das ließ ich mir nicht gefallen. Wütend
Einsteigende gefallen mir häufig nicht. Meine kräf-
kletterte ich aus meiner Tasche und schnüffelte in
tige Stimme, die darauf eingestellt ist, dass ich
allen Ecken, ob ich eine Spur von meinem Vater
auch noch aus dem Fuchsbau unter der Erde
entdecken könnte. Na, der konnte was erleben.
gehört werde, hallt in dem engen Raum mächtig.
Endlich meldete mir mein sechster Sinn, dass
Häufig erschrecken die sensibleren Fahrgäste.
er über den Hof kam. Das musste ich gleich durch
Meine Menschen hatten schon mächtigen Ärger
ein lautet Wuff kundtun. Trotz des Ärgers, den er
deswegen. Die Verbellten fühlten sich von mir
mir bereitet hatte, begrüßte ich ihn durch kräftiges
angegriffen und schon FAST gebissen. Nun hat ja
Ablecken. Man will ja nicht so sein. Er sagte mir,
der Hundehalter juristisch immer unrecht, da er
dass man von dem Eingriff überhaupt nichts sähe
selbst das angebliche Gefahrenpotenzial, wie das
und ich nun wieder das schönste Dackelmädchen
die Juristen nennen, also mich, geschaffen hat;
der Welt sei. Na, das hört man gern. Er bekam
dadurch dass ich bei ihm meine Heimat habe. Es
noch eine Salbe mit, um Infektionen der Wunde
ist keine Rede davon, welches Gefahrenpotenzial
vorzubeugen und dann durfte er bezahlen. So
manche Menschen darstellen. Mein Vater greift
hatten wir auch diese Episode meines Hundele-
zwar sofort ein, beutelt mich, sagt: „Aus!“ und hält
bens zu einem guten Ende gebracht.
mir die Schnauze zu, aber das hilft dann auch
nicht mehr viel, um die Situation zu entschärfen.
15. Der Maulkorb
Die Beförderungsbestimmungen sind nun wieder ein Problem für sich: Der Hund ist an der Lei-
Ja, Dackelfreunde, ich habe ein Problem. Ich
ne zu führen und muss einen Maulkorb tragen.
kann mein Maul nicht halten, wenn es nötig wäre
Nun werde ich nicht geführt, sondern getragen
und so muss ich jetzt in den öffentlichen Ver-
und sitze auf dem Schoß meines Vaters. Deshalb
kehrsmitteln einen Soft-Maulkorb tragen; eine
hatten meine Eltern diese Bestimmung bis jetzt
sogenannte Tüte. Abgesehen davon, dass es
ignoriert. Sie versuchten auch, sich so zu setzen,
meiner Schönheit Abbruch tut und ich wie eine
dass mein Kopf nicht an der Gangseite ist und ich
Witzfigur aussehe, behindert es mich auch beim
mich dadurch nicht so schnell erschrecke. Doch
Hecheln. Deswegen muss die Anwendung auf
wenn das Verkehrsmittel so voll ist, dass mein
das unbedingt Notwendige beschränkt bleiben.
Vater stehen muss – mich unter dem Arm ge-
Wenn das ganze Rudel (Ich, Herrchen, Frau-
klemmt - oder beim Ein- und Aussteigen, ist doch
chen) zusammen weggeht, habe ich sowieso
immer wieder die Gefahr sehr groß, dass ich er-
Probleme, meine Freude und Aufregung zu zü-
schrecke und Leute anbelle. So muss ich nun zur
geln, und das wird in der Enge in Straßenbahn
Beruhigung dieser Spezies Mensch einen Maul-
oder Bus natürlich nicht besser. Im letzten Jahr
korb tragen. Wenn wir dann eine ruhige Ecke
schrie und jaulte ich während der ganzen Fahrt.
gefunden haben, wo ich aus dem Fenster sehen
Heute ist es nicht mehr so schlimm, aber immer
kann und niemand an mir vorbeigeht, können mir
noch problematisch. Eine Weile sitze ich still und
meine Eltern den Maulkorb während der Fahrt
brav da, aber plötzlich packt es mich.
heimlich und unauffällig wieder abnehmen.
Selbst, wenn ich mit meinem Vater allein fahre,
Ich wäre ja so gern ein ruhiger, nervenstarker
kann es sein, dass ich plötzlich ohne Vorwarnung
Hund, der alles gelassen über sich ergehen lässt,
Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung
-8aber tu einer was gegen das geheimnisvolle Et-
cken, ein paar Mal an der Kurbel drehen, saubere
was, das in einem ist und die Hundepersönlichkeit
Pfote auf dem daneben befindlichen Trocken-
ausmacht. Potz Blitz und Wackel-Dackel!
schwamm aufdrücken, fertig. Das Ganze natürlich
NACHTRAG: Soeben wurde der Maulkorb ge-
vier Mal, da wir bekanntlich so viel Pfoten haben.
liefert. Mein Vater hat ihn eine Nummer größer
Dann Maschine auseinander bauen, reinigen und
genommen, damit ich besser atmen kann. Nach-
wieder zusammen bauen.
dem ich beim ersten Versuch gar nichts mehr
Igittigitt, wenn ich daran denke, dass ich ein
sehen konnte, haben wir nun gemeinsam heraus-
„rotierendes Bürstensystem“ an meine empfindli-
gefunden, wie er angelegt werden muss. Natürlich
chen Pfoten lassen soll. Aber zum Glück wird das
versuche ich zunächst, den Maulkorb mit der Pfo-
Gerät nur für Hunde ab einer Schulterhöhe von 40
te wieder abzustreifen. Meinem Vater steht nun
cm empfohlen. Da ziehe ich meine zweibeinige
das Geduldsspiel bevor, mich mit Hilfe von Beloh-
Pfotenreinigungsmaschine
nungen daran zu gewöhnen. Dafür bekomme ich
Frauchen: Pfote hinhalten, mit Altpapier den gro-
wenigstens öfter einmal mein Lieblingsspielzeug.
ben Dreck entfernen, mit einem feuchten Wasch-
vor;
nämlich
mein
Einige Tage später! Nach mehreren Fahrten
lappen abwischen und mit einem Handtuch ab-
mit Maulkorb stellt sich entgegen den Befürchtun-
trocknen; Feintrocknung dann an den Hosen von
gen heraus, dass es MIT bedeutend besser geht
Frauchen. Das Reinigen der Maschine entfällt, da
als OHNE. Von ein paar ganz kleinen Ausrut-
sich
schern abgesehen, bin ich nun ein vorbildlicher
Pfotenreinigungsmaschine selbst sauber hält.
Hund in Bahn und Bus. Mein Hundegemüt be-
Überhaupt vermute ich, dass das Auseinander-
schäftigt sich pausenlos mit dem Maulkorb und so
bauen, Reinigen und Zusammenbauen der Ma-
vergesse ich ganz, aufgeregt zu sein und auszu-
schine länger dauern wird, als die eigentliche
rasten. Hoffentlich bleibt es so. Ich wünsche es
Reinigung.
mir und meinen Eltern.
meine
zweibeinige
Fehlt nur noch der elektrische Antrieb. Aber
der wird als Nächstes kommen. Dann wird die
© by Eberhard Kamprad, 2002, überarb. März
2010
Maschine wohl 100 Euro kosten. So, da habt ihr
meine
Meinung
als
Hund
zur
Pfotenreinigungsmaschine und wem sie nicht
16. Pfotenreinigungsmaschine
gefällt, der soll’s mir sagen. Frauchen scheint
übrigens meine Meinung zu teilen: Denn womit
Mein Herrchen kam vom Briefkasten und
brachte den Prospekt einer Hundebedarfsfirma
mit. Da musste ich doch gleich d’rin ’rumschnüffeln
-
und
was
sehe
ich:
wurde mir neulich der grobe Dreck entfernt? - Mit
dem Prospekt der Pfotenreinigungsmaschine aus
dem Altpapier.
eine
Pfotenreinigungsmaschine für 75 Euro. Nein, was
© by Eberhard Kamprad, Leipzig, Febr. 2005
sich die Menschen nur alles einfallen lassen, um
den Hundefreunden das Geld aus der Tasche zu
ziehen.
17. Das wars!
Hallo Freunde meiner Geschichten. Aus dieser
Als neugieriger Dackel spitze ich natürlich die
etwas resignierenden Überschrift erseht ihr schon,
Ohren, als mein Herrchen die Gebrauchsanwei-
dass etwas Unwiderrufliches passiert ist: Ich wur-
sung
de kastriert und das kam so.
laut
las
:
Wasser
und
Spezial-
Pfotenreinigungs-Gel einfüllen, Pfote hineinsteEberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung
-9Neulich, als mein Vater mir wieder einmal den
Bauch kraulte,
bemerkte er eine dicke Knulle
Sterilisation ist nur Unfruchtbarmachen, wobei der
Sexualtrieb erhalten bleibt.
unter meiner linken Pfote. Da ich schon einmal
Am vereinbarten Tag waren meine Eltern
Lymphdrüsen-Schwellung hatte, vermutete er ein
schon früh ganz aufgeregt und ich bekam nichts
erneutes Auftreten und ging gleich am nächsten
zu fressen. Auf dem Weg zum Tierarzt erleichterte
Tag
aber
ich mich noch. Dort war es ungewöhnlich leer,
Gesäugeschwellung. Mein Vater hatte nicht ge-
weil heute ich die Hauptperson war. Ein Blutbild
wusst, dass die Gesäugeleiste so weit hinauf-
erübrigte sich. Das war erst vor kurzem bei der
reicht und auch die unteren Zitzen waren ange-
Entfernung einer Warze am Auge gemacht wor-
schwollen.
den, wobei ich auch eine Narkose erhalten habe.
Nun hatte mein Vater schon vor meiner Anschaf-
Mein Vater setzte mich auf den Behandlungstisch
fung das Hündinnenproblem mit dem Tierarzt
und dann wurde eine Flexüle in meine Pfote ge-
besprochen und sich seiner Meinung angeschlos-
stochen. Au, das tat weh! Als ich mein Blut tropfen
sen, dass eine Kastration nur aus medizinischen
sah, wurde mir fast übel. Nun setzte der Arzt die
Gründen zu vertreten ist. „Nun ist es soweit“, sag-
Spritze an die Flexüle und mir wurde so weich
te der Tierarzt, „denn eine Gesäugeschwellung ist
und weit, ich flog davon in weite, weite Ferne ...
mit
mir
zum
Tierarzt.
Es
war
häufig der Ausgangspunkt für Tumore.“ Er rech-
Als ich erwachte, lag ich in einer kleinen Box.
nete noch den günstigsten Zeitpunkt von der
Zuerst wusste ich nicht, wo ich war, dann fiel es
Hormonlage her aus und der Termin wurde ver-
mir wieder ein. Richtig, ich war ja beim Tierarzt.
einbart. Der war aber erst in zwei Monaten, also
Ich schüttelte mich, um die Schwere aus meinen
genügend Zeit alles gründlich zu überdenken.
Körper zu bekommen. In meinem Bauch ziepte
Dann bekam ich noch Medizin gegen die
es. Ich rollte mich zusammen und schaute an mir
Gesäugeschwellung, die auch gut geholfen hat.
herunter. Potz Blitz und Wackeldackel! Mein
Ich selbst bin über diese Entscheidung nicht so
schönes Fell war am Bauch abrasiert und das
ganz traurig. Schließlich muss ich mich nicht mehr
nicht etwa mit einer ordentlichen Kante, sondern
mit den lästigen Rüden während meiner HITZE
mit mehr oder tiefen Absätzen. Man merkte, dass
herumärgern und für meine Menschen wird es
die Assistentin nicht oft einen Rasierapparat ge-
auch einfacher mit der Sauberkeit, obwohl ich
brauchte. In der Mitte der kahlen Stelle ein zehn
ganz ordentlich war. Ich habe immer alles abge-
Zentimeter langer Schnitt in meinem schönen
leckt und musste nur nachts das alberne Höschen
Bauch, mit großen Stichen und Knoten zusam-
tragen. Gegen die lästigen Rüden hatte ich auch
mengenäht. Mir wurde schon vom Hingucken
einen Ausweg gefunden. Ich schlug einfach mei-
schlecht.
nen Schwanz ein und setzte mich darauf. Da war
Langsam kehrte mein Tatendrang wieder. Da die
alles Interessante weg und die Rüden konnten um
Box offen war, kletterte ich heraus. Ich war im
mich
wollten.
Nebenraum des Behandlungszimmers und erkun-
Nun muss ich erst noch in die Theorie abschwei-
dete schnuppernd die Umgebung. Bald kamen die
fen. Viele Menschen wenden nämlich die Begriffe
Schwestern und staunten, dass ich schon wieder
Kastration und Sterilisation falsch an. Kastration
auf den Beinen war. Aber so schnell lasse ich
ist die Entfernung der Keimdrüsen, wodurch auch
mich nicht unterkriegen. Dann kam mein Vater,
der Sexualtrieb mit seinen Auswirkungen ver-
um mich abzuholen. Er hatte die Hundetasche
schwindet, was ja bei mir erreicht werden soll.
mitgebracht und setzte mich hinein. Insgeheim
herumspringen
soviel
sie
war ich doch ganz froh, nicht mehr die Tapfere
Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung
- 10 spielen zu müssen. Als ich lag, schlief ich auch
gern lief. Sie schleppten mich zum Tierarzt, er ließ
wieder ein und erwachte erst wieder zu Hause in
mich kurz laufen, nickte und das Röntgenbild
meinem Korb. Mein Vater hatte eine dieser gräss-
brachte es endgültig an den Tag: Dackellähme.
lichen Tüten mitbekommen, die er mir um den
Zwischen dem neunten und dem zehnten Hals-
Kopf machen sollte, wenn ich anfinge, die Wunde
wirbel war ein großer Entzündungsherd. Beim
zu lecken. Schlau, wie ich bin, ersparte ich mir
Abtasten ließ sich die Wärmeabstrahlung sogar
diese Prozedur. Aber mein Bauch tat so weh, ich
fühlen.
mochte nicht fressen. Am nächsten Morgen lag
Vierzehn Tage "Bettruhe" (Das bedeutet, der
ich immer noch apathisch in meinem Körbchen
Hund soll wirklich liegen und nur zum Lösen hin-
und fraß nicht. Mein Vater rief beim Tierarzt an
ausgetragen werden. Diese Zeit braucht der Kör-
und der war sehr besorgt und wollte mich sehen,
per, um das tote Gewebe an der Zerstörungsstelle
weil er eine Operationskomplikation befürchtete.
hinweg zu schaffen und den Neuaufbau einzulei-
Bei der Ankunft sagte er: „Na, wenn die wilde
ten.) und die konventionelle Behandlung; Entzün-
Dolly getragen wird, dann muss es ihr wirklich
dungshemmer und Vitamin B. Alles schlug sehr
nicht gut gehen.“ Ich wurde untersucht, es war
gut an, so dass ich bald wieder fast beschwerde-
nichts. Der Tierarzt meinte, dass ich wahrschein-
frei war; nur springen durfte ich nicht mehr und
lich sehr schmerzempfindlich sei und gab mir
nach "nasskalten" Spaziergängen bekam ich das
noch eine Spritze gegen die Schmerzen. Auf dem
Heizkissen.
Heimweg wurde mir schon wohler und zu Hause
Zu Hause richteten meine Menschen ein Hun-
stürzte ich mich gleich auf meinen Napf. Nun
debett zu ebener Erde ein, denn Couch und Ses-
musste mein Vater aufpassen, dass ich nicht zu
sel waren fortan tabu. An die große Rudelschlaf-
wild umhersprang, solange die Wunde noch nicht
kiste (Die Menschen sagen Bett.) hat mein Herr-
verheilt war. Nach einer Woche ging es noch ein-
chen eine Rampe gebaut, damit ich meinen Rü-
mal zum Fädenziehen, aber das war nur ein kur-
cken schonen kann und nicht springen muss.
zer
Ruck,
den
ich
kaum
gemerkt
habe.
Schmerzmittel hatten wir für den Notfall mitbe-
Inzwischen sieht man schon fast gar nichts mehr
kommen, die aber erst nach telefonischer Rück-
von dem Schnitt und das Fell beginnt auch nach-
sprache mit dem Tierarzt angewendet werden
zuwachsen. Am Temperament und Eigensinn
sollten. Der Schmerz ist ein natürliches Mittel, um
habe ich nichts eingebüßt und für meine Eltern bin
den Körper zu Ruhe zu veranlassen und sollte
ich weiter ein Hund, mit dem es nie langweilig
deshalb nicht leichtfertig ausgeschaltet werden.
wird, weil ich immer wieder etwas neues Eigensinniges in meinem Hundegemüt hervorbringe.
Ich war
dankbar, dass mir geholfen wurde.
Beim Hinaustragen gab ich mir Mühe, mein "Ge© by Eberhard Kamprad, Leipzig, 2001, überarb.
schäft" schnell zu erledigen und ließ mich ohne
weiteres wieder in die Hundetasche setzen. Als es
18. Und zum Schluss: Dackellähme
mir nach einigen Tagen besser ging, wurde es für
meine Menschen schwieriger, die "Bettruhe"
Ja, so geht es im Leben. Man denkt, das Unangenehme, trifft immer nur die Anderen, bis es
einem selbst erwischt.
durchzusetzen.
Beim vorerst letzten Tierarztbesuch, konnte
dann die "Bettruhe" aufgehoben werden, zum
Eines Tages fiel meinen Eltern auf, dass ich
Muskelaufbau wurden ruhige Spaziergänge ver-
ausnehmend lieb und still war und nur sehr un-
ordnet. Springen, Purzelbäume und Ähnliches
Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung
- 11 waren tabu. Auch erhielt ich jetzt nach nasskalten
Spaziergängen Wärmeanwendungen, indem mir
das Heizkissen über den Rücken gelegt wurde.
Ein Dackel hat gerade die richtige Größe, dass
dadurch ein Wärmetunnel entsteht. Beides tut mir
sichtlich gut.
Inzwischen geht es mal auf, mal ab; gute
Phasen wechseln mit welchen, wo ich mich nur
mit Mühe fortbewege. In der kalten Jahreszeit
wärmen mich meine Menschen nach den Spaziergängen mit dem Heizkissen auf.
Durch den
frühzeitigen Behandlungsbeginn
wurde wahrscheinlich Schlimmeres verhindert. Ich
führe wieder ein normales Hundeleben, mit den
genannten Einschränkungen. Bei einer "dummen
Bewegung" quieke ich manchmal auf. Für Frauchen und Herrchen ein Zeichen, das Ganze nicht
auf die leichte Schulter zu nehmen. Nach längeren Spaziergängen bestehen sie jetzt darauf, dass
ich mich erst einmal ausruhe. Es funktioniert wie
beim Menschen. Auf die erzwungene körperliche
Ruhe folgt bald die seelische und ich schlafe ein.
Das waren nun die wichtigsten Ereignisse zu
Beginn meines Hundelebens. Ich habe mich in
mein Rudel eingelebt und hoffentlich gibt es keine
großen Veränderungen; so wie es jetzt ist, kann
es nun noch viele Jahre weiter gehen. Potz Blitz
und Wackeldackel! Eure Dolly
© by Eberhard Kamprad, Leipzig, März 2011
Eberhard Kamprad: Dackelgeschichten, Fortsetzung