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Jahrbuch 2008/2009 | Fehrmann, Henning; Aulbert, Carsten | Gravitationsw ellensuche mit einem der w eltw eit
größten Supercomputer
Gravitationswellensuche mit einem der weltweit größten
Supercomputer
Searching gravitational waves with one of the world's fastest super
computers
Fehrmann, Henning; Aulbert, Carsten
Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, Teilinstitut Hannover, Hannover
Korrespondierender Autor
E-Mail: [email protected]
Zusammenfassung
„Atlas“
w urde
im
Mai
2008
am
Albert-Einstein-Institut
Hannover
eröffnet
und
steht
nun
der
Gravitationsw ellengemeinschaft als ihr größter Rechnercluster zur Verfügung. Er w ird in den nächsten Jahren
eine w esentliche Rolle beim ersten direkten Nachw eis von Gravitationsw ellen spielen. In der offiziellen
Computer-Top-500-Liste vom Juni 2008 erreichte Atlas Platz 58 der schnellsten Supercomputer und w ar
aufgrund des sehr effizienten Netzw erks w eltw eit der schnellste Cluster, der auf Gigabit-Ethernet-Technologie
aufbaut.
Summary
In May 2008, the cluster „Atlas“ w as inaugurated at the Albert Einstein Institute in Hannover and is now by far
the largest computing cluster for the gravitational w ave community. It w ill play a major role in the first
detection of gravitational w aves in the near future. It made its first appearance in the Top 500 list of
supercomputers on rank 58 and w as – due to the efficient netw ork setup – the fastest cluster that is based
on Gigabit ethernet w orldw ide.
Die von Albert Einstein formulierte allgemeine Relativitätstheorie beschreibt das Universum geometrisch und
sagt
die
Existenz
von
Gravitationsw ellen
voraus. Diese
Störungen
der
Raumzeit
breiten
sich
mit
Lichtgeschw indigkeit aus und sind nur mit extrem empfindlichen Messinstrumenten direkt nachw eisbar. Der
indirekte Nachw eis an dem Pulsar 1913+16 w urde zw ar schon vor drei Jahrzehnten erbracht – die
amerikanischen Astronomen Hulse und Taylor w urden dafür mit dem Nobelpreis für Physik 1993 geehrt. Der
direkte Nachw eis steht jedoch noch aus.
Gravitationsw ellen entstehen überall dort, w o Massen beschleunigt w erden, allerdings bedarf es sehr großer
und möglichst kompakter Materieansammlungen, damit Gravitationsw ellen in einer Stärke entstehen, die mit
heutiger Technologie nachw eisbar ist. Typische Kandidaten für solche Quellen sind „kompakte Binärsysteme“,
darunter verstehen Astrophysiker Paare mit Weißen Zw ergsternen, Neutronensternen oder Schw arzen
Löchern
als
Komponenten.
Eine
w eitere
mögliche
Quelle
sind
nahe
gelegene,
schnell
rotierende
Neutronensterne mit einer Unw ucht oder Supernovaexplosionen, bei denen der Massenausw urf nicht
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symmetrisch erfolgt.
Atla s – e in Tita n de r grie chische n Mythologie – wurde von
Ze us da zu ve rda m m t, die Him m e lssphä re a uf se ine n
Schulte rn zu tra ge n. Die se Sta tue a us de r Fa rne se -Sa m m lung
ste ht im Muse o Arche ologico Na ziona le in Ne a pe l. Sie gilt a ls
ä lte ste noch vorha nde ne Da rste llung de r vor zwe i
Ja hrta use nde n ge brä uchliche n Ste rnbilde r.
© Ga brie l Se a h
Innerhalb der letzten Jahrzehnte sind immer empfindlichere Detektoren entw orfen und gebaut w orden,
sodass der direkte Nachw eis inzw ischen im Bereich des Möglichen und sogar Wahrscheinlichen liegt. Die
aktuelle Generation der aktiven Gravitationsw ellendetektoren bilden einen Verbund aus insgesamt fünf
Michelson-Laserinterferometern. Von ihnen stehen drei in den USA (LIGO, mit Armlängen von zw ei und vier
Kilometern), einer in Italien (VIRGO, drei Kilometer) und einer in Deutschland (GEO600 mit einer Armlänge von
je 600 Metern). Diese Observatorien erzeugen eine tägliche Datenmenge von etw a eintausend Gigabyte, die
w eltw eit zur w eiteren Analyse verteilt w ird. Mithilfe geeigneter, speziell entw ickelter Algorithmen w ird diese
Datenflut von großen Rechnerverbänden erfasst und ausgew ertet. Die beteiligten W issenschaftler hoffen,
dass die Analysen bald den ersten direkten Nachw eis erbringen können. Näheres über die Detektoren und die
Suchalgorithmen lesen Sie in früheren Tätigkeitsberichten des Instituts (siehe [1] und w eitere Referenzen
dort).
Im Laufe der letzten Jahre w urde immer deutlicher, dass größere und leistungsfähigere Computersysteme zur
Ausw ertung erforderlich sind. Daher w erden an den Detektoren selbst Rechencluster mit einigen Dutzend
Computern betrieben, die die anfallenden Daten für den w eiteren Gebrauch aufbereiten, erste zeitnahe
Analysen durchführen und sie dann zu den sogenannten Tier-1 Sites kopieren. Dort w erden die Daten für
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längere Zeiträume – typischerw eise Wochen und Monate – vorgehalten, damit Tier-2 Sites die Daten auf lokale
Festplattensysteme übertragen, w o lokale Computer sie bearbeiten.
Verteiltes Rechnen und Computercluster
In
den
letzten
Jahren
w ar das
Albert-Einstein-Institut (AEI) mit zw ei Beiträgen
zur Datenanalyse
richtungw eisend. Einerseits hat die Abteilung von AEI-Direktor Bernard Schutz schon seit dem Jahr 2000 in
Potsdam-Golm mehrere Computercluster im Einsatz, um Daten der bisherigen Beobachtungsläufe der
Detektoren auszuw erten. Andererseits w urde Einstein@Home entscheidend mitentw ickelt – ein Projekt, das
momentan w eltw eit mehr als 200.000 Teilnehmer hat, die verfügbare Rechenkapazität ihrer PCs der Suche
nach Gravitationsw ellen zur Verfügung stellen [2]. Der „Client“ kann dabei so eingestellt w erden, dass er nur
als Bildschirmschoner läuft (Abb. 2), w enn der Nutzer den Rechner gerade nicht verw endet, oder er arbeitet
mit einer gew issen Prozessorauslastung unbemerkt im Hintergrund.
De r Bildschirm schone r von Einste in@Hom e ze igt e ine
P roje k tion de r Ste rnbilde r a uf die Him m e lsk uge l. Ne be n de n
Konste lla tione n sind P ulsa re und Supe rnova übe rre ste
ve rze ichne t (viole tte und rote P unk te ). Be i die se n O bje k te n
ha nde lt e s sich um m utm a ßliche Q ue lle n von
Gra vita tionswe lle n.
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Mithilfe von Einstein@Home lassen sich – w eltw eit verteilt – viel versprechende Suchalgorithmen anw enden,
und das nahezu unschlagbar preisgünstig. Die aktuelle Gesamtleistung von Einstein@Home (Stand: Dezember
2008) liegt bei über einhundert Teraflops pro Sekunde, w obei ein Teraflop einer Billion (1.000.000.000.000)
Fließkommaberechnungen entspricht. Allerdings ist dieses System nicht flexibel genug, um Fortschritte bei den
verw endeten Algorithmen schnell in verbesserte Softw areversionen einfließen zu lassen, da meist erst nach
mehreren Monaten alle Teilnehmer mit der neuesten Fassung ausgestattet sind. Außerdem verfügen ihre
Computer in der Regel nur über eine relativ langsame Internetverbindung, w as die Übertragung von
Datenpaketen größer als 25 Megabyte unhandlich macht.
Viele Algorithmen können jedoch nur mit einer größeren Datenbasis sinnvoll arbeiten. Außerdem w ird
w esentlich mehr Flexibilität in der Entw icklung, Programmierung und Evaluation der Suchen benötigt. Die neue
Arbeitsgruppe um Professor Bruce Allen, die zw eite Abteilung am AEI-Standort Hannover (Abb. 3+5), trieb
daher gleich nach ihrer Gründung die Anschaffung eines Supercomputers voran. Durch die große Zahl von
Aufgaben, die
dieser
nach
Bedarf
bew ältigen
kann, w ird
letztendlich
die
Gesamtproduktivität
der
Datenausw ertung gesteigert.
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Die Dra htzie he r: Bruce Alle n, He nning Fe hrm a nn und C a rste n
Aulbe rt (von unte n im Uhrze ige rsinn) m usste n im
R e chne rra um rund se chs Kilom e te r Ethe rne tk a be l ve rle ge n.
© Albe rt-Einste in-Institut / Micha lk e
Ein Titan der Supercomputer: Atlas
Bei der Planung eines solchen Supercomputers muss sichergestellt w erden, dass ausreichend dimensionierte
Räumlichkeiten und genügend elektrische Leistung vorhanden sind. Des Weiteren ist ein zuverlässiges
Konzept des W ärmeabtransportes unabdingbar. Im Fall von Atlas ( Abb. 4) w urde dazu auf institutsnahe
Räume
des
Kooperationspartners
der
Leibniz
Universität
Hannover
zurückgegriffen.
Größere
Umbaumaßnahmen bereiteten das Kellergeschoss von Mai 2007 bis Februar 2008 für die Installierung des
Supercomputers vor. Dazu w urden drei Außenkühler mit jew eils etw a 220 Kilow att Kühlleistung aufgestellt.
W ärmetauscher und Pumpen im Innern des Gebäudes sorgen für die Kaltw asserversorgung, damit die
Computer mit einer ausreichenden Menge w assergekühlter Luft versorgt w erden. Daneben w urde eine Anlage
zur Sicherstellung einer unterbrechungsfreien Stromversorgung mit einer Nennleistung von 800 Kilovoltampere
angeschafft, die den Cluster nach einem Netzausfall für ungefähr fünf Minuten w eiterlaufen lassen kann. Diese
Zeitspanne reicht aus, um die Rechner fehlerfrei herunterzufahren und ein rudimentäres Grundgerüst des
Clusters für eine w esentlich längere Zeit in Betrieb zu halten. Insgesamt w urden 48 aktiv gekühlte Racks für
jew eils 42 Rechner und zusätzlich 7 offene Racks für Netzw erkkomponenten w ie beispielsw eise den speziellen
Coreswitch verbaut.
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Mit Ethe rne tz und doppe lte m Bode n: Die ge schlosse ne n
R e chne rschrä nk e we rde n durch die da runte r lie ge nde Kühlung
a uf k onsta nt 20ºC ge ha lte n. Da ge ge n lie ge n die
C om pute rk a be l in Ga le rie n unte r de r De ck e de s
Ke lle rge schosse s.
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Nach einer EU-w eiten Ausschreibung w urden Anfang 2008 die Computer und die Netzw erkkomponenten in
einem Gesamtvolumen von rund 1,75 Millionen Euro beschafft und im Verlauf des Jahres noch einmal um etw a
ein Viertel aufgestockt. Ende 2008 liefen somit 1680 Rechnerknoten mit jew eils vier CPU-Kernen, 32
Datenknoten a 10 Terabyte und 13 mit jew eils 18 Terabyte Festplattenplatz. Insgesamt hat der im Mai 2008
eingew eihte Cluster damit 13,5 Terabyte Hauptspeicher, 1,4 Petabyte (1 Petabyte = 1.000 Terabyte)
Festplattenkapazität und eine extrapolierte effektive Leistung von etw a 40 Teraflops pro Sekunde. Die
einzelnen Komponenten sind mit insgesamt rund sechs Kilometer handelsüblicher Ethernet-Kabel verbunden.
Aufgrund des speziellen, hoch effizienten Gigabit-Netzw erks ist die gemessene Effizienz (Verhältnis von
gemessener und theoretischer Maximalleistung) mit etw a 64% sehr hoch und in der Liste der Top-500 vom
Juni 2008 w ar Atlas der w eltschnellste Gigabit-Ethernet-basierte Cluster [3].
W o a lle s zusa m m e n k om m t: Bruce Alle n inspizie rt de n
C ore switch, a n de n a lle R e chne r von Atla s a nge schlosse n sind.
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Innerhalb der Gravitationsw ellengemeinschaft ist Atlas der bei w eitem größte Rechencluster. Momentan ist
seine Gesamtleistung größer als die Summe aller anderen Cluster innerhalb der LIGO Scientific Collaboration
Gruppe [4,5] und w ird es auch in den nächsten Jahren bleiben. Aufgrund der Größe und potenziellen
Leistungsfähigkeit rechnen momentan zw anzig bis dreißig Anw ender zeitgleich auf dem System. Die Anzahl der
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aktiven Benutzer steigt kontinuierlich auf momentan w eit über einhundert. Administriert w ird Atlas
hauptamtlich von den Autoren dieses Beitrags, unterstützt von einem halben Dutzend w issenschaftlicher
Hilfskräfte.
Da Atlas ein flexibles Grundgerüst für verschiedenste Suchalgorithmen und -strategien darstellt sow ie eine
große Datenmenge vorhalten und den laufenden Programmen schnell anbieten kann, w ird er eine w esentliche
Rolle im künftigen W irken der Gravitationsw ellenastronomen spielen. Vermutlich gelingt mit seiner Hilfe der
erste direkte Nachw eis eines solchen Signals, das nicht w eniger als eine neue Ära der Astronomie begründet.
Originalveröffentlichungen
Nach
Erw eiterungen
suchenAbsatzBilderw eiterungChanneltickerDateilisteHTML-
Erw eiterungJobtickerKalendererw eiterungLinkerw eiterungMPG.PuRe-ReferenzMitarbeiter
Editor)Personenerw eiterungPublikationserw eiterungTeaser
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mit
BildTextblockerw eiterungVeranstaltungstickererw eiterungVideoerw eiterungVideolistenerw eiterungYouTubeErw eiterung
[1] J.T. Whelan:
Auf der Suche nach Gravitationswellen mit den empfindlichsten Detektoren aller Zeiten.
Tätigkeitsbericht der Max-Planck-Gesellschaft, 2007.
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