Die roboterassistierte radikale Prostatektomie
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Die roboterassistierte radikale Prostatektomie
Persönliche PDF-Datei für Christian Gilfrich, Sabine Brookman-May, Matthias May, Steffen Lebentrau www.thieme.de Mit den besten Grüßen vom Georg Thieme Verlag Die roboterassistierte radikale Prostatektomie DOI 10.1055/s-0034-1365809 Urologie Scan 2014; 1: 49–68 Nur für den persönlichen Gebrauch bestimmt. Keine kommerzielle Nutzung, keine Einstellung in Repositorien. Verlag und Copyright: © 2014 by Georg Thieme Verlag KG Rüdigerstraße 14 70469 Stuttgart ISSN 2198-9109 Nachdruck nur mit Genehmigung des Verlags Fortbildung Die roboterassistierte radikale Prostatektomie Literaturreview zum onkologischen und funktionellen Outcome Christian Gilfrich, Sabine Brookman-May, Matthias May, Steffen Lebentrau Übersicht Zusammenfassung Einleitung Operationstechnische Besonderheiten der RARP Indikationsspektrum der RARP Kontraindikationen für eine RARP und Faktoren, die mit einem erhöhten Schwierigkeitsgrad einer RARP einhergehen Überblick über operationstaktische Weiterentwicklungen in mehr als einem Jahrzehnt RARP und Ausblick auf künftige Entwicklungen Perioperative Überlegungen Zukünftige Entwicklungen der RARP Onkologische und funktionelle Ergebnisse der RARP Erwartungen von Patienten an die funktionellen Ergebnisse Literaturreview zu den onkologischen und funktionellen Ergebnissen der RARP Bewertung der Lernkurve der RARP 49 Im Jahr 2000 erfolgte in Frankfurt am Main die weltweit erste roboterassistierte radikale Pro- 50 52 statektomie (RARP) in der Therapie des Prostatakarzinoms (PCA). Es fand seitdem eine schnelle Verbreitung dieser innovativen Operationsmethode statt. In den USA ist die RARP bereits die am häufigsten durchgeführte Therapieform des lokal begrenzten PCAs, obwohl die Vorteile die- 53 ser minimalinvasiven Prozedur gegenüber anderen Verfahren bislang nicht anhand prospektiver, randomisierter Studien untersucht wurden. Vor dem Hintergrund der auch in Deutschland zu verzeichnenden raschen Zunahme der RARP als 54 56 56 primäre Therapie des lokalisierten PCAs soll der vorliegende Artikel einen kritischen Überblick über bisher in der internationalen Literatur publizierte onkologische und funktionelle Ergebnisse 57 59 der RARP bieten. Die Arbeit orientiert sich hierbei an den Pentafecta-Outcome-Kriterien (kein PSARezidiv, vollständige Erlangung der Harninkontinenz und Erektionsfähigkeit, negativer chirurgischer Schnittrand und keine postoperativen Komplikationen), die 2011 von Patel et al. erst- 61 62 Einleitung malig beschrieben wurden. Technik“) fand dieses Verfahren international eine rasche Verbreitung, sodass in den USA die RARP als der Die radikale Prostatektomie (RP) ist die am häufigsten neue Standard in der operativen Therapie des lokal durchgeführte therapeutische Intervention bei Patien- begrenzten PCAs angesehen werden darf [3, 4]. Die ten mit einem lokal begrenzten Prostatakarzinom somit erst seit etwas mehr als einem Jahrzehnt verfüg- (PCA) und einer verbleibenden Lebenserwartung von bare RARP ist eine sehr „junge“ Operationsmethode mehr als 10 Jahren [1]. Die roboterassistierte laparo- und hinsichtlich mehrerer technischer Aspekte mit der skopische Prostatektomie (RARP) mit dem da Vinci laparoskopischen Operation vergleichbar, wobei sie Surgical System (Intuitive Surgical, Inc., Sunnyvale, CA, jedoch die operativen Probleme komplexer laparosko- USA) wurde erstmals im Jahr 2000 durch J. Binder in pischer Prozeduren reduziert. Die Roboterassistenz Frankfurt am Main durchgeführt [2]. Nach Standardi- verfügt über viele technische Möglichkeiten und ein sierung des Eingriffs durch Menon et al. („Vattikuti- hohes Entwicklungspotential, welches in den kom- Urologie Scan 1 ê 2014 ê DOI http://dx.doi.org/10.1055/s-0034-1365809 ê VNR 2760512014144210027 49 50 Die roboterassistierte radikale Prostatektomie Ausgangszustand des Patienten, Effektivität der post- verkaufte da Vinci-Systeme operativen Rehabilitation und die Art der zur Erfolgs- 14 kontrolle durchgeführten Evaluation. All diese Ein- Summe: 74 derzeit aktiv: 64 12 flussfaktoren wurden in den vorliegenden Studien, die die verschiedenen OP-Methoden vergleichen, nur 10 unzureichend kontrolliert. Nichtsdestotrotz kann 8 zusammenfassend geschlussfolgert werden, dass die 6 RARP eine innovative OP-Technik darstellt, die eine 4 hohe onkologische und funktionelle Sicherheit für den Patienten mit lokal begrenztem PCA ermöglicht, wenn 2 0 2 20 01 3 20 02 1 20 03 0 20 04 2 1 20 05 20 06 5 20 07 7 20 08 13 20 09 13 20 10 13 20 11 4 20 12 10 20 13 Abb. 1 Verkauf von da Vinci-Systemen in Deutschland im Zeitraum 2001–2013 (Angaben durch Intuitive Surgical, Inc.). sie durch einen erfahrenen Operateur erfolgt [13]. Vor dem Hintergrund der auch in Deutschland zu verzeichnenden raschen Zunahme der RARP als primäre Therapie des PCA soll der vorliegende Übersichtsartikel kritisch prüfen, welche onkologischen und funktionellen Ergebnisse durch die RARP in der internationalen menden Jahren zu einer kontinuierlichen weiteren Literatur bisher publiziert wurden [14]. Die Arbeit Zunahme von da Vinci-Zentren in Deutschland führen orientiert sich hierbei an den Pentafecta-Outcome- dürfte (Abb. 1). Kriterien (kein PSA-Rezidiv, vollständige Erlangung der Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Harninkontinenz und Erektionsfähigkeit, negativer Die dreidimensionale und vergrößerte Sicht, die Tre- chirurgischer Schnittrand und keine postoperativen morreduktion und die Bewegungsmöglichkeiten der Komplikationen), die 2011 von Patel et al. erstmalig handgelenkartigen Instrumente in 7 Freiheitsgraden beschrieben wurden [11]. (gegenüber 4 Freiheitsgraden bei der konventionellen Laparoskopie und 6 Freiheitsgraden bei der offenen Operation) stellen erhebliche Erleichterungen der Operationstechnik dar [2 – 5]. Operationstechnische Besonderheiten der RARP Ergebnisse großer internationaler Patientenserien zeigen die RARP hinsichtlich der onkologischen (chirurgi- Genau wie bei anderen Zugangswegen der RP gibt es scher Schnittrand, PSA-freies Überleben) und funktio- auch bei der RARP eine Vielzahl möglicher Variationen, nellen Ergebnisse (Kontinenz, Potenz) als ein sicheres die in der individuellen Entscheidung des Operateurs Verfahren [6 – 9]. In systematischen Review-Artikeln liegen (Ausmaß der pelvinen Lymphadenektomie wurden für die RARP im Vergleich zur offenen Prostat- [pLND] und Nerverhalt, Durchführung einer Blasen- ektomie (RP) als Vorteile das perioperative Outcome halsplastik bzw. einer vorderen oder hinteren Rekon- (insbesondere Blutverlust und Rate der Bluttransfusio- struktion etc.). Die RARP kann, genau wie die laparo- nen) und die Zeit zur Wiedererlangung von Harnkonti- skopische RP, extra- oder transperitoneal durchgeführt nenz und Erektionsfähigkeit beschrieben [10 – 12]. werden. Die meisten da Vinci-Operateure bevorzugen Trotz aller ermutigenden Ergebnisse in früher und den transperitonealen Zugang. Vorteile sind hier der mittlerer Nachbeobachtung von Patienten nach RARP für die Instrumentenplatzierung sowie das intraopera- sollte jedoch berücksichtigt werden, dass der Mangel tive Handling größere Raum und eine in der Regel an prospektiven, randomisierten Studien, die die ver- schnellere Porteinlage. Nachteile können sich aus schiedenen OP-Methoden miteinander vergleichen, intraperitonealen Verwachsungen nach Voroperatio- belastbare Schlussfolgerungen mit hoher Evidenz ver- nen ergeben, die eine (teilweise langwierige) Adhäsio- hindert. Das Pasadena-Consensus-Panel schlussfolger- lyse erforderlich machen können. In sehr wenigen te in einem Konsensusartikel aus dem Jahr 2012, dass Fällen ist eine Konversion der geplanten transperito- insbesondere die Wiedererlangung von Harninkonti- nealen Operation erforderlich, sodass dann auf den nenz und Erektionsfähigkeit eher von der chirurgi- extraperitonealen Zugang (RARP oder offene RP) schen Expertise des einzelnen Operateurs und der Zahl umgestiegen werden muss. der in einem Zentrum jährlich insgesamt durchgeführten Prostatektomien als von der spezifischen OPMethode abhängig ist [13]. Hinzu kommen dann noch Urologie Scan 1 ê 2014 Fortbildung 51 Anhand des eigenen Patientenkollektivs konnte die Erfahrung gemacht werden, dass eine präoperative Einschätzung der zu erwartenden Verwachsungen anhand Anzahl und Ausdehnung der Voroperationen, des Zeitabstands zu den Voroperationen, der Informationen aus der präoperativen Bildgebung oder der präoperativ vorliegenden Symptome des Patienten nahezu unmöglich ist. Aus diesem Grund werden in unserer Klinik keine Kontraindikationen der RARP auf der Grundlage von Voroperationen gestellt (eine Konversion des transperitonealen Zugangs war bei den letzten 200 Patienten nur einmal erforderlich). Ein weiterer Nachteil des transperitonealen Zugangs kann in der erforderlichen maximalen Trendelenburglagerung (25° – 35°) gesehen werden, die vor allem bei langer Operationszeit (Operation während der initialen Verhältnissen) eine Herausforderung für die Anästhesie (Beatmung, Ödembildung, etc.) darstellt und zudem das Risiko für Lagerungsschäden erhöht. Eine sorgsame Lagerung mit besonderer Aufmerksamkeit im Bereich Abb. 2 Patient mit Hochrisikokarzinom und extendierter LND rechts bis zur Überkreuzungsstelle der Communisgefäße durch den rechten Ureter. Topografie: Der Ureter verläuft vor den Communis-Gefäße im unteren Bildabschnitt; lateral im Bild Darstellung der komplett von Lymphknoten befreiten A. und V. iliaca externa, medial davon der N. obturatorius und das obturatorische Gefäß freiliegend in der ausgeräumten Fossa obturatoria. der Schultern und Beine ist bei dieser Extremlagerung essenziell, die Wahrscheinlichkeit eines Kompartmentsyndroms als schwerwiegendster Lagerungskomplikation kann so minimiert werden. Zudem sollte auch beachtet werden, dass der Patientenkontakt mit dem OP-Roboter zu Verletzungen führen kann. In den meisten Zentren hat sich der Einsatz einer Vakuummatratze etabliert. Die naheliegende Annahme, dass sich das Risiko einer postoperativen Lymphozelenbildung nach Lymphadenektomie (LND) beim transperitonealen Eingriff durch das weit eröffnete Peritoneum deutlich reduziert, lässt sich anhand der vorliegenden Literaturangaben tendenziell bestätigen. Es werden für die transperitoneale Technik bis zu 8 % symptomatische Lymphozelen beschrieben, bei der extraperitonealen Technik sind es bis zu 16 % [15]. Die Lymphknotenausräumung im Rahmen der RARP kann durch erfahrene Operateure ohne Einschränkungen als extendierte LND Abb. 3 Harnröhren-Blasenhals-Anastomose mit fortlaufender Naht. Topografie: Die Blasenhinterwand ist hier bereits fertiggestellt, der Sauger im unteren Bildabschnitt hält zur Veranschaulichung den Blasenhals auf. erfolgen, so, wie es für Patienten mit intermediärem und hohem Risiko durch die europäische Leitlinie gefordert wird (Abb. 2) [1, 15]. Obwohl mittlerweile die 4. Generation des da VinciSystems (Standard, da Vinci S, da Vinci Si, da Vinci Xi) Bei der RARP wird im Gegensatz zur offenen RP die vorliegt, haben sich hierdurch keine wesentlichen Harnröhren-Blasen-Anastomose mit einer fortlaufen- Änderungen in der Operationstechnik ergeben. Die den Naht angelegt. In den meisten Zentren hat sich hier wesentlichen Entwicklungen bei den OP-Robotern der die von van Velthoven beschriebene Technik durchge- neuen Generationen sind optische Verbesserungen setzt (meist mit individuellen Modifikationen, Abb. 3) (HD-Technik seit da Vinci S) und der Einsatz längerer [16]. Instrumente mit größerem Wirkungsradius, wodurch das Operationsgebiet erweitert wird. Die neuen Robo- Urologie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Lernkurve oder bei sehr schwierigen anatomischen 52 Die roboterassistierte radikale Prostatektomie ter-Systeme werden grundsätzlich mit vier Armen aus- Entfernung der Prostata gestattet (ab da Vinci Si), zuvor waren die Geräte dreiarmig. Die Entscheidung, wie viele Arme (drei oder Die Indikationen für die RARP entsprechen denen der vier) der neuen Roboter-Systeme bei der RARP einge- offenen und laparoskopischen RP. Gemäß der im Jahr setzt werden, ist individuell und kann nach Opera- 2014 aktualisierten europäischen Leitlinie Prostata- tionstaktik und Kostenaspekten (Instrumentenkosten) karzinom (EAU-Guideline) besteht eine Indikation zur modifiziert werden. Die Auswahl an Instrumenten hat Durchführung einer RP (bzw. RARP) [1]: sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Während █ Bei Patienten mit lokalisiertem PCA und niedrigem bzw. intermediärem Risiko (cT1a – T2b und Gleason- in den Anfangszeiten zum monopolaren Koagulieren und Schneiden nur der „Haken“ (Hook) zur Verfügung Score (GS) ≤ 7 und einem Serum-PSA-Wert ≤ 20 ng/ml) stand, gibt es mittlerweile eine Vielzahl weiterer sowie einer Lebenserwartung von mehr als 10 Jahren Instrumente, die individuell eingesetzt werden können. [Evidenzlevel der Empfehlung: 1b; Empfehlungsgrad A]. Mit dem da Vinci Si-System wurde in die robotisch █ rig-volumigem PCA und hohem Risiko (cT3a oder GS implementiert, die im Rahmen der RARP eingesetzt 8 – 10 oder PSA > 20 ng/ml) [Evidenzlevel der Empfeh- werden kann [17]. Da hier bezüglich der Instrumen- lung: 2b; Empfehlungsgrad B]; es besteht hier eine tenbeweglichkeit Abstriche jedoch noch gemacht wer- hohe Wahrscheinlichkeit für die Notwendigkeit den müssen, ist der Einsatz dieser Technik gegenwärtig nachfolgender Therapien im Sinne eines multimoda- noch nicht weit verbreitet. len Therapieansatzes. █ Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Bei selektionierten Patienten mit lokalisiertem nied- unterstützte Chirurgie auch die Single-Port-Technik Indikationsspektrum der RARP Optional bei extrem selektionierten Patienten mit einem Hochrisiko-PCA (cT3b – T4 N0 oder jedes T N1) [Evidenzlevel der Empfehlung: 3; Empfehlungsgrad C]; es muss hier immer ein multimodaler Therapie- Zum gegenwärtigen Zeitpunkt bildet die RP den Thera- ansatz geplant werden. piestandard für das lokalisierte PCA mit karzinomspezifischen Überlebensraten nach 15 Jahren von 93 % [18]. In der EAU-Leitlinie besteht lediglich für Patienten Die RP umfasst die Entfernung der Prostata mit beiden mit einer Lebenserwartung > 10 Jahre und lokali- Samenblasen und einem ausreichenden Saum peripro- siertem PCA mit niedrigem und intermediärem statischen Gewebes zum Erreichen eines negativen Risiko ein Empfehlungsgrad A für die operative chirurgischen Schnittrandes. Häufig inkludiert der Ein- Therapie. griff eine beidseitige extendierte pLND, da neben dem Erkenntnisgewinn hinsichtlich einer daraus ableitbaren exakten Staging-Information auch nachgewiesen Entfernung der regionalen Lymphknoten wurde, dass die Anzahl der entfernten Lymphknoten mit dem postoperativen rezidivfreien Überleben kor- Die Indikation zur regionalen pLND hängt ebenfalls reliert [19]. In der Mehrzahl der Fälle kann, bedingt nicht von der operativen Methode ab, sondern orien- auch durch die in den letzten Jahren nachweisbare tiert sich am Risikoprofil des Patienten. Eine pLND, die Verschiebung der Tumorstadien hin zu mehr organbe- sich lediglich auf die Fossa obturatoria und die Exter- grenzten Tumoren, eine nerverhaltende OP-Technik nusgruppe beschränkt, liefert eine nur unzureichende durchgeführt werden. Sicherheit hinsichtlich des Stagings. Lymphknotenmetastasen treten in 19 – 35 % außerhalb dieser Regionen In der Indikationsstellung zur Entfernung der auf, sodass bei indizierter Durchführung einer pLND Prostata, zur pLND und zum neuroprotektiven Vor- eine extendierte Ausräumung auch der intrapelvinen gehen unterscheidet sich die RARP nicht von den Lymphknoten-Bassins durchgeführt werden sollte anderen operativen Optionen in der Therapie des (Erweiterung der Regionen der Fossa obturatoria und lokalisierten PCA. Externus-Gruppe um Internus- und Communis-Gruppe bis zum Harnleiterübertritt) [21]. Die aktuelle Leit- Grundsätzlich ist die RP die einzige interventionelle linie der EAU empfiehlt die Durchführung einer pLND Therapieform des lokalisierten PCA, für die ein Über- in folgenden Situationen: lebensvorteil gegenüber einem konservativen Management durch eine prospektive, randomisierte Studie belegt werden konnte [20]. Urologie Scan 1 ê 2014 Fortbildung █ Bei PCA-Patienten mit niedrigem Risiko besteht keine Indikation zur pLND [Evidenzlevel der Empfehlung: 2b, Empfehlungsgrad A]. █ Bei PCA-Patienten mit intermediärem Risiko und einer Wahrscheinlichkeit > 5 % (anhand der Partin- 53 Kontraindikationen für eine RARP und Faktoren, die mit einem erhöhten Schwierigkeitsgrad einer RARP einhergehen Tabellen [22]) sollte eine extendierte pLND durch- █ geführt werden [Evidenzlevel der Empfehlung: 2b, Die RARP kann ohne Unterbrechung einer laufenden Empfehlungsgrad A]. Thrombozytenaggregationshemmung (z. B. mit Acetyl- Bei allen PCA-Patienten mit hohem Risiko sollte salicylsäure) sicher durchgeführt werden. Bei der standardisiert die extendierte pLND durchgeführt Unfähigkeit des Patienten zur Abduktion im Hüftgelenk werden [Evidenzlevel der Empfehlung: 2b, Empfeh- besteht die Möglichkeit des lateralen Ankoppelns des lungsgrad A]. OP-Roboters. Es gibt andererseits organische Kontraindikationen für eine RARP, die aufgrund der diskreten In der EAU-Guideline wird klar aufgeführt, dass Zunahme von Hirndruck oder Augeninnendruck infolge unabhängig vom Risikoprofils keine Indikation zur der Trendelenburg-Lagerung (25°–35°) bestehen eingeschränkten pLND besteht [Evidenzlevel der können. Empfehlung: 2a, Empfehlungsgrad A]. Das Pasadena-Consensus-Panel hat im Jahr 2012 Faktoren definiert, die eine Durchführung der RARP durch Erhalt der neurovaskulären Bündel erfahrene bzw. sehr erfahrene Operateure erfordern Da in zunehmendem Maße PCA-Patienten zum Zeit- █ Adipositas (BMI > 30) [erfahrener Operateur] punkt der Primärdiagnose der Niedrigrisikogruppe █ großes Prostatavolumen > 70g[erfahrener Operateur] angehören, bestehen häufig auch die Indikation und █ vorangegangene transurethrale Resektion der Pros- der Wunsch des Patienten zum Nerverhalt. Beidseitiger tata (TURP) oder andere Prostataoperation [erfahre- Nerverhalt in intrafaszialer Präparation und Protektion ner Operateur] der Faszie in der gesamten Zirkumferenz (Score von 12 █ großer Prostatamittellappen [erfahrener Operateur] gemäß van der Poel) bieten die höchste Wahrschein- █ Hochrisikopatient mit der Notwendigkeit einer lichkeit einer postoperativen kohabitationsfähigen Erektion [23]. Eine klare Kontraindikation zum Nerver- extendierten pLND [erfahrener Operateur] █ halt besteht bei einer hohen Wahrscheinlichkeit für ein organüberschreitendes Tumorwachstum (cT2c oder vorangegangene abdominal- und beckenchirurgische Eingriffe [erfahrener Operateur] █ Salvage-RARP nach Bestrahlung, Kryotherapie oder cT3, GS 8 – 10 oder mehr als eine Prostatastanze mit Therapie mit hochintensivem fokussiertem Ultra- einem GS ≥ 7 ipsilateral). Zudem wird ein positiver Ein- schall (HIFU) [sehr erfahrener Operateur] fluss des Nerverhalts auch auf die postoperative Harnkontinenz postuliert, welcher jedoch nicht durch eine Hinweis: Das Pasadena Consensus Panel konnte sich in sich konsistente Datenlage belegt ist. Eine Indikation nicht im Konsens einigen, welchen Ausbildungsgrad zum Erhalt der neurovaskulären Bündel besteht unter ein erfahrener bzw. ein sehr erfahrener RARP-Opera- folgender Voraussetzung: teur vorzuweisen hat. Als Richtlinie hierfür wurde fol- █ Bei Patienten mit niedrigem Risiko für ein organü- gende (jedoch dissente) Empfehlung gegeben: Ein berschreitendes PCA-Wachstum (T1c, GS < 7 und PSA erfahrener RARP-Operateur sollte die Lernkurve der < 10 ng/ml oder Beurteilung anhand der Partin-Tabel- Operation bereits hinter sich haben, wofür bis zu 100 len) und mit präoperativ bestehender erektiler Funk- RARPs notwendig sind (siehe Kapitel: Bewertung der tion [Evidenzlevel der Empfehlung: 2b, Empfehlungs- Lernkurve der RARP).Hingegen sollte ein sehr erfahre- grad B] ner Operateur ebenfalls jenseits der Lernkurve agieren In der präoperativen Planung einer nerverhalten- weisen[13]. und eine jährliche Fallzahl von ≥ 40 Prozeduren aufden Operationstechnik bei PCA-Patienten mit mittlerem und hohem Risiko kann das multiparametri- Eine fortlaufende perioperative Thrombozyten- sche MRT sinnvolle Informationen liefern [Evidenz- aggregationshemmung führt nicht zu einer level der Empfehlung: 2b, Empfehlungsgrad B]. Erhöhung der Komplikationsrate der RARP. Urologie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung [13]: 54 Die roboterassistierte radikale Prostatektomie Überblick über operationstaktische Weiterentwicklungen in mehr als einem Jahrzehnt RARP und Ausblick auf künftige Entwicklungen Bereits im Jahr 2008 wurden in den USA annähernd 80 % aller RPs als RARP durchgeführt [24]. Seit Erstbeschreibung dieser Methode durch Binder et al. im Jahr 2000 und der festen Etablierung der operationstechnischen Aspekte in der Mitte des letzten Jahrzehnts (siehe 2) erfolgte weiterhin eine kontinuierliche Fortentwicklung der einzelnen OP-Schritte und der chirurgisch-technischen Besonderheiten. Nachfolgend soll ein Überblick der Fortschritte in der Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Abb. 4 Funktioneller Blasenhals mit angedeuteter intraprostatischer Präparation. Topografie: Die Maryland-Zange hat von links kommend den Blasenhals unterfahren, oberhalb davon ist die in diesem Fall onkologisch unbedenkliche angedeutete intraprostatische Präparation zu erkennen (Schnellschnitt: negativer chirurgischer Schnittrand am Blasenhals). operativen Technik der RARP und im perioperativen Management innerhalb der letzten Jahre gegeben werden. Es sollen hier auch Pionierarbeiten zu operativen Techniken diskutiert werden, die primär Entwicklungen für die offene RP darstellten und nachfolgend in das intraoperative Armamentarium der RARP integriert wurden. Der Fokus richtet sich hierbei auf die Schwerpunkte █ Harnkontinenz und vesikourethrale Anastomose █ Nerverhalt █ Drainage der Harnblase bzw. des Abdomens und perioperative Kriterien wie Patientenposition, Wahl der Inzisionen sowie thrombembolische Prophylaxe. Abschließend wird kurz dargestellt, welche Weiterentwicklungen sich in der nächsten Zeit im Ablauf einer RARP etablieren dürften. Harnkontinenz und vesikourethrale Anastomose In Tab. 1 werden wichtige Modifikationen zur VerbesAbb. 5 Präparation des apikalen Absetzungsrands am “Notch”. Topografie: Die MarylandZange (linke Bildhälfte) zeigt auf die Prostata, die monopolare Schere hat das apikale Prostatasegment unterfahren. Die Harnröhre wurde vor Transsektion noch einige Millimeter nach intraprostatisch präpariert (Schnellschnitt: negativer chirurgischer Schnittrand am Harnröhrenabsetzungsrand). serung der Harnkontinenz und Verkürzung der Ausheilung der vesikourethralen Anastomose dargestellt. Da die überwiegende Mehrheit der operierten Patienten mit PCA nicht am Malignom verstirbt, sollten Aspekte der Lebensqualität klar im Fokus stehen. Neben dem Erhalt der erektilen Funktion nimmt vor allem die frühzeitige Wiedererlangung der Harnkontinenz ohne Leakage und/oder die Notwendigkeit von Vorlagen, die von verschiedenen Faktoren abhängig ist, eine zentrale Rolle ein. Urologie Scan 1 ê 2014 Fortbildung 55 Tabelle 1 Modifikation Erstautor, Jahr Ergebnisse Erhalt des Blasenhalses Deliveliotis, 2002 Wiedererlangung der Harnkontinenz erfolgte bei Erhalt des Blasenhalses schneller als bei Erhalt der puboprostatischen Ligamente (ohne Einfluss auf die Langzeitergebnisse). Selli, 2004 Schnellere Wiedererlangung der Harnkontinenz durch Blasenhalsplastik ohne Einfluss auf die Langzeitergebnisse. von Bodman, 2012 Anatomische Variablen wie membranöse Harnröhrenlänge und -volumen (präoperativ im endorektalen MRT bestimmt) sind unabhängige Faktoren für die schnelle Wiedererlangung der Harnkontinenz nach RP. Intraoperatives Cooling Finley, 2009 Regionales intrapelvines Cooling verkürzt die Zeit bis zur Wiedererlangung der Harnkontinenz; ausgeprägtes Cooling verbessert auch die Gesamtkontinenzraten. Erhalt des pubovesikalen Komplexes Asimakopoulos, 2011 Im Vergleich zwischen RARP und laparoskopischer RP bestanden keine Unterschiede in der Harnkontinenz und im onkologischen Outcome unter Anwendung dieser Technik, jedoch war der Anteil der Patienten mit erektiler Funktionsfähigkeit nach 12 Monaten in der RARP-Gruppe höher. Anteriore Rekonstruktion Campenni, 2002 Verkürzung der Zeit bis zur Wiedererlangung der Harnkontinenz. Patel, 2009 Anteriore Suspensionsnähte bei der RARP resultierten in einer besseren Harnkontinenz 3 Monate nach OP. Rocco, 2006 Verkürzung der Zeit bis zur Wiedererlangung der Harnkontinenz. Coelho, 2011 Posteriore Rekonstruktion bei der RARP verkürzte die Zeit bis zur Wiederherstellung der Harnkontinenz und verringerte die Rate von Anastomoseninsuffizienzen. van Velthoven, 2003 Fortlaufende Anastomosennaht bei laparoskopischer RP und RARP führte zu kompletter Anastomosenkompetenz und Verhinderung einer Blasenhalskontraktur Sammon, 2011 Anastomosenfaden mit Widerhäkchen (v-lock) führte zu einer Verkürzung der OP-Zeit ohne Änderung hinsichtlich des postoperativen Outcomes. Menon, 2008 Kein Einfluss auf die Harnkontinenz. Sammon, 2010 Kein Einfluss auf die Harnkontinenz nach 2 Jahren. Hurtes, 2012 Verkürzung der Zeit bis zur Wiedererlangung der Harnkontinenz. Posteriore Rekonstruktion Anastomosennaht Anastomose mit kompletter (anteriorer und posteriorer) periurethraler Rekonstruktion Eine kompetente Anastomose und der maximale Erhalt selektiven Patienten unter Absicherung durch eine der funktionellen Harnröhre tragen nach unseren Schnellschnitthistologie die Harnröhre vor Transsek- Erfahrungen maßgeblich zur Erlangung einer guten tion sowohl am Blasenhals als auch apikal einige Milli- Frühkontinenz bei (mutmaßlich sogar mehr als die meter in Richtung Prostata präpariert werden kann anteriore oder posteriore Rekonstruktion), sodass bei (Abb. 4 und Abb. 5). Urologie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Modifikationen zur Verbesserung der Kontinenz. 56 Die roboterassistierte radikale Prostatektomie Tabelle 2 Modifikationen zur besseren Schonung der neurovaskulären Bündel (NVB). Modifikation Erstautor, Jahr Ergebnisse „Veil of Aphrodite“-Technik zur NVB-Protektion (Technik mit Erhalt der lateralen prostatischen Faszie) Menon, 2007 Intrafasziale Präparation resultiert in vergleichbarem Outcome wie die traditionelle RARP. Menon, 2009 Intrafasziale Präparation verbessert die Potenz im Vergleich zur traditionellen RARP. Chien, 2005 Verkürzung der Zeit bis zur Wiedererlangung der erektilen Funktion. Ahlering, 2008 Verkürzung der Zeit bis zur Wiedererlangung der erektilen Funktion. Tewari, 2011 Verkürzung der Zeit bis zur Wiedererlangung der erektilen Funktion. Mattei, 2007 Lateraler Zugang zum NVB ist zugfrei und athermisch. Kowalczyk, 2011 Verhinderung von Zug- und Scherkräften führt zu einer Verkürzung der Zeit bis zur Wiedererlangung der erektilen Funktion. Galfano, 2010 Vorstellung der ersten 5 Patienten (alle R0), von denen ein Patient eine Erektion einen Tag nach Katheterentfernung aufwies, ein anderer Patient konnte Pad-frei aus dem Krankenhaus entlassen werden. Athermische Präparation der NVB Zug- und druckfreie Präparation der NVB Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Bocciardi-Technik, rein intrafasziale Präparation unter Aussparung des Retzius-Raums Nervschonung Perioperative Komplikationen können häufig verhindert werden, indem man jedem Detail der RARP In Tab. 2 sind wichtige Modifikationen zur Protektion eine erhöhte Aufmerksamkeit zuwendet. Sorgfälti- der neurovaskulären Bündel dargestellt. ge Patientenlagerung, kurze OP-Zeiten, die risikoadaptierte Umsetzung einer Thromboseprophylaxe Der interfasziale und vollumfassende Erhalt der und eine klare Strategie beim Umgang mit Draina- neurovaskulären Bündel mit Minimierung von Zug-, gen und Kathetern tragen dazu bei, die Raten von Druck- und Scherkräften sowie thermischen Schä- vermeidbaren Komplikationen signifikant abzu- den am neurovaskulären Bündel schafft die besten senken. Voraussetzungen zur Wiedererlangung einer kohabitationsfähigen erektilen Funktion und sollte bei gut selektierten Patienten Anwendung finden. Perioperative Überlegungen Zukünftige Entwicklungen der RARP Zukünftige Systemverbesserungen der RARP sind jetzt Bei großen operativen Eingriffen wie der RARP können bereits abzusehen und werden zur weiteren Verbrei- postoperative Komplikationen bereits durch die konse- tung dieser Technologie beitragen. Aktuell werden in- quente Umsetzung einiger grundsätzlicher periopera- traoperative diagnostische Navigationsverfahren mit- tiver Überlegungen reduziert bzw. verhindert werden. tels Fluoreszenz-sensitiver Kameras getestet (Real Im Rahmen der RARP kommen hierbei der Verhinde- time), die eine exakte Lokalisation und somit Exzision rung einer venösen Phlebothrombose, der Patienten- von Karzinomgewebe unter Schonung wichtiger funk- lagerung und der Trokarpositionierung eine entschei- tioneller Strukturen ermöglichen (Functional intra- dende Bedeutung zu. In Tab. 3 sind wichtige periopera- operative imaging) [25]. Die neuen da Vinci-Systeme tive Modifikationen dargestellt. sind bereits mit Fluoreszenz-fähigen Kamerasystemen ausgestattet, die Etablierung dieser Technik und auch der Möglichkeiten intraoperativer Fusionsbildgebungen stehen unmittelbar bevor. Urologie Scan 1 ê 2014 Fortbildung 57 Tabelle 3 Modifikationen zur Verbesserung der perioperativen Ergebnisse. Perioperative Modifikationen zur Reduktion Erstautor, Jahr Ergebnisse Secin, 2008 Die Rate an symptomatischen venösen Phlebothrombosen nach RARP liegt bei ca. 0,5 %. Forrest, 2009 Intermittierende pneumatische Kompression und die Medikation von Antikoagulanzien bei Risikopatienten verhindert signifikant die Häufigkeit des Auftretens von Phlebothrombosen. Schmitges, 2012 Die jährliche operative Fallzahl des Operateurs korreliert invers mit dem Auftreten einer Phlebothrombose. Cestari, 2010 Sicherheitsabstand (Distanz) zwischen Roboter und dem Patienten ist der entscheidende Punkt zur Verhinderung eines postoperativen Kompartmentsyndroms. Koc, 2012 Die Rate von Neuropathien der unteren Extremitäten liegt bei 1,3 %, wobei einer kurzen OP-Zeit der entscheidende protektive Einfluss zukommt. Abdominaldrainage Sharma, 2007 Selektive Abdominaldrainage ist mit Einlage nur in jenen Fällen möglich, in denen die Integrität der Anastomose zweifelhaft ist. Harnblasendrainage Tewari, 2008 Dauerkatheter-freie Harnableitung mittels Zystofix ist sicher und erhöht den Patientenkomfort. Port-Site-Hernien Beck, 2011 Die Hernieninzidenz liegt zwischen 3,3 % und 16,7 % und kann durch die transverse Inzision des Kameraports signifikant verringert werden. Risiko venöser Phlebothrombosen Patientenlagerung Die RARP bietet sich ebenfalls für die Implementierung der Single-Site-Laparoskopie (LESS) an, da eine unge- Onkologische und funktionelle Ergebnisse der RARP wollte Überkreuzung der Instrumente computergesteuert wieder ausgeglichen werden könnte. In einer Einleitende Überlegungen Analyse ihrer ersten 20 Fälle einer LESS-RARP von White et al. benötigten zwei der operierten Patienten Wesentlicher Gradmesser der Qualität onkologischer zusätzliche Ports; bei einem weiteren Patienten war die Eingriffe, so auch der RARP, ist der postoperative onko- Konversion zur traditionellen RARP erforderlich [17]. logische Verlauf. Hierbei kommen für das PCA im Wesentlichen drei Endpunkte in Betracht: Von allen operativen Therapien des PCA stellt die █ das biochemisch-rezidivfreie (oder auch PSA-freie) Überleben RARP jene Methode dar, die auch in der Zukunft das größte Potenzial für innovative technische Weiter- █ das karzinomspezifische Überleben entwicklungen bietet. █ das Gesamtüberleben. Diese Endpunkte können in Häufigkeit und zeitlichem Verlauf intra- und interindividuell erheblich voneinander differieren. Das einfach zu erhebende und für vergleichende Untersuchungen gut geeignete PSA-freie Überleben wird hierbei häufig noch mit dem gewählten Betrachtungszeitraum, z. B. 1, 5 oder 10 Jahre, kombiniert. Bei der Betrachtung dieses onkologischen Verlaufsparameters ist jedoch zu beachten, dass er nicht Urologie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung intra- und postoperativer Komplikationen 58 Die roboterassistierte radikale Prostatektomie Tabelle 4 SCP-System nach Ficarra et al. (IIEF = International Index of Erectile Function). Konzepte zur Erfassung der Behandlungsqualität █ Survival (S) Trifecta und SCP (Survival Continence Potency) PSA-freies Überleben, die Wiedererlangung der KontiSx Patienten unter adjuvanter Therapie S0 PSA < 0,2 µg/l S1 PSA > 0,2 µg/l nenz und der erektilen Funktion, die die Kohabitation ermöglicht, werden als Trifecta-Kriterien zusammengefasst [29, 30]. Checkliste Continence (C) Cx präoperativ inkontinente Patienten C0 keine Vorlage C1 maximal eine Sicherheitsvorlage C2 mehr als eine Vorlage Trifecta-Kriterien █ PSA-freies Überleben █ Wiedererlangung der Kontinenz █ Wiedererlangung der erektilen Funktion Bei genauerer Betrachtung ist dieses Konzept nur auf präoperativ kontinente Patienten mit präoperativ Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Potency (P) gegebener erektiler Funktion anwendbar, die beidseitig Px präoperativ impotente Patienten oder Operation ohne Nerverhalt oder ohne Interesse an Erektion P0 IIEF > 17 ohne Hilfsmittel P1 IIEF > 17 mit PDE-5-Inhibitoren P2 IIEF < 17 bzw. Erektionen, die nicht für die Kohabitation ausreichen nerverhaltend operiert wurden. Zudem ist die vergleichende Anwendbarkeit dieser Kriterien durch unterschiedliche Definitionen von Kontinenz (keine Vorlage, Sicherheitsvorlage) und erektiler Funktion (mit und ohne PDE-5-Hemmer, Kohabitation möglich, Erektion in 50 % ausreichend für eine Kohabitation) erschwert. Auch Zeitpunkt, Art der Erhebung und Funktion des Interviewers (Fragebögen oder Interview, Operateur oder externer Interviewer) haben maßgeblichen Ein- die Heilungsrate beschreibt, sondern allenfalls als fluss auf die Trifecta-Rate. deren Surrogat gelten darf. Aus diesen Gründen wurden die Trifecta-Kriterien Das PCA ist eine prognostisch sehr heterogene Tumo- durch Ficarra et al. im SCP-System (Survival, Conti- rentität [26]. Bei der Entscheidung, wie welches PCA zu nence, Potency) kategorisiert (Tab. 4) [31]. behandeln ist, sind zwei Aspekte zu berücksichtigen: Zum einen kann die Therapie – im interessierenden Mit zusätzlicher Angabe des Erhebungszeitpunkts Kontext die Operation (RARP) – Komplikationen nach (z. B. SCP-12 für das einjährige Follow-Up) sind die Tri- sich ziehen. Zum anderen kennen wir neben aggressi- fecta-Kriterien so besser gewichtet und vergleichbar ven und therapeutisch kaum zu beeinflussenden Ver- geworden. laufsformen des PCA auch solche, die je nach Ausgangsbefund, Alter und Zustand des Patienten auch Die Anwendung der drei Trifecta- bzw. SCP-Kriterien ohne jedwede Therapie die Prognose des Patienten gibt somit vor allem Auskunft hinsichtlich des kurz- bis nicht beeinflussen [27]. Nicht zuletzt gibt es ernsthafte mittelfristigen Verlaufs nach RP unter Berücksichtigung Überlegungen, eine prostatische Neubildung mit einem wichtiger onkologischer und funktioneller Ergebnisse. GS 3 + 3 = 6 nicht länger als Karzinom zu betrachten [28]. Gerade im Hinblick auf wenig aggressive Tumore, █ Pentafecta die zudem im Zeitalter PSA-gestützter Vorsorge immer Im Zuge der Verbreitung der RARP wurden zwei häufiger diagnostiziert werden, ergeben sich also zusätzliche Parameter, die Komplikationsdichte und höchste Ansprüche hinsichtlich einer nebenwirkungs- der chirurgische Schnittrand des Prostatektomie-Prä- armen Therapie, wobei das größte, auch öffentliche, parates zusätzlich zu den Trifecta-Kriterien – nunmehr Interesse der Kontinenz und der erektilen Funktion gilt. als Pentafecta-Konzept – in die Betrachtung integriert Urologie Scan 1 ê 2014 Fortbildung Checkliste 59 Tabelle 5 Klassifikation chirurgischer Komplikationen nach Dindo und Clavien Pentafecta-Outcome-Kriterien █ kein PSA-Rezidiv █ vollständige Erlangung der Harninkontinenz █ Erektionsfähigkeit █ negativer chirurgischer Schnittrand █ keine postoperativen Komplikationen [32]. Grad Beschreibung I █ █ █ Jede Abweichung vom normalen postoperativen Verlauf ohne Notwendigkeit einer pharmazeutischen Behandlung oder chirurgischer, endoskopischer oder radiologischer Intervention Erlaubt sind Antiemetika, Antipyretika, Analgetika, Diuretika, Elektrolytlösungen und Physiotherapie. Bedside-Eröffnung von Wundheilungsstörungen [11]. Der tumorfreie chirurgische Schnittrand repräsentiert hierbei am ehesten die technischen Möglich- II keiten, die Komplikationsdichte den minimalinvasiven █ Charakter der roboterassistierten Operation. Neben dem tumorfreien chirurgischen Schnittrand muss der █ Notwendigkeit von Medikamenten, die über die bei Grad I genannten hinausgehen Bluttransfusion oder totale parenterale Ernährung notwendig III Erfordernis chirurgischer, endoskopischer oder radiologischer Interventionen IV Lebensbedrohliche Komplikationen (inklusive ZNS-Komplikationen), deren Behandlung Intermediate-Care oder Intensivtherapie erfordert V Tod des Patienten Serum-PSA-Wert postoperativ unter 0,2 µg/l abfallen lagen benötigt werden, und als potent wird gewertet, wenn mit oder ohne PDE-5-Inhibitoren ein IIEF (International Index of Erectile Function) von ≥ 16 und in mehr als der Hälfte der Versuche eine kohabitationsfähige Erektion erreicht werden. Etwaige Komplikationen werden nach Dindo und Clavien klassifiziert (Tab. 5), wobei jegliche Komplikation in einem (n = 97) und retropubischer RP (n = 74) therapiert wur- 90-Tages-Zeitraum als Verletzung der Pentafecta- den. Die Gruppen glichen sich in Alter, Einkommen und Kriterien gilt [32]. Ausgangs-PSA-Wert, unterschieden sich jedoch hinsichtlich des klinischen Stadiums und des GS. Nach Hinsichtlich der Eingangskriterien Harnkontinenz und multivariater Adjustierung erwarteten die roboter- erektile Funktion sowie der Notwendigkeit einer beid- assistiert operierten Patienten eine kürzere postopera- seitig nerverhaltenden Operation ergeben sich die tive Verweildauer (p < 0,001) und eine frühere Rück- gleichen Limitierungen wie bei den Trifecta-Kriterien. kehr zu körperlicher Aktivität (p = 0,005). Die Wahl der RARP als operative Methode (p = 0,012), ein geringeres Ein wesentliches Verdienst der Inauguratoren von Patientenalter (p = 0,001) und ein präoperativ höherer Trifecta-, SCP- und Pentafecta-Kriterien besteht im IIEF waren unabhängig mit der Erwartung der Patien- Bemühen um reproduzierbare Messinstrumente, die ten hinsichtlich früher wiederkehrender postoperati- eine vergleichende und transparente Beurteilung der ver erektiler Funktion verknüpft; dieselben Faktoren Behandlungsqualität ermöglichen, sei es zwischen hatten jedoch keinen Einfluss auf die Erwartungshal- verschiedenen Operationsmethoden oder verschiede- tung bzgl. der Wiedererlangung der Harnkontinenz. nen Institutionen. In einer weiteren Arbeit wurde die präoperative Erwartung der Patienten hinsichtlich Kontinenz und Erwartungen von Patienten an die funktionellen Ergebnisse erektiler Funktion mit den tatsächlichen postoperativen Ergebnissen nach einem Jahr verglichen [34]. Die Ergebnisse für Kontinenz und erektile Funktion blieben bei 47 % bzw. 44 % der Patienten hinter ihren präopera- Deutlich weniger als die Ergebnisqualität werden in tiven Erwartungen zurück, wobei 12 % bzw. 17 % der Publikationen zum Thema die Erwartungshaltungen Patienten postoperativ sogar eine bessere Funktionali- der Patienten berücksichtigt. Schroeck et al. widmen tät als präoperativ gegeben erwartet hätten. sich in einer rezenten Arbeit dieser interessanten Fragestellung [33]. In einer prospektiven Erhebung wurden in einem Dreijahreszeitraum die Erwartungshaltungen von Patienten verglichen, die mittels RARP Urologie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung und bleiben. Kontinenz besteht, wenn keinerlei Vor- ê 2014 Porres [35] Bouchier-Hayes [36] Carlucci [37] Asimakopoulos [38] Patel [11] PubMed-Suche 1 1 2 2 Jahr 2011 2013 2009 2012 2012 332 136 700 125 58,6 60 59 58,9 63,0 1955 Patienten [n] 76,0 Mittleres Alter [Jahre] 45 0 0 0 85,8 94,2 96,3 0 1 94 90,4 1 89 1 92,7 1 1 83,2 79 1 0 0 Anzahl zulässiger Pads [n] 72,9 92,8 86,9 Erfassungszeitpunkt Kontinenz 12 6 3 18 12 6 3 6 3 1 12 12 Potent [%] 89,7 86,1 68 66,2 83 70 56 72 66,2 39,6 präop. gegebene EF und ns2, +/– PDE5I Erektion in 50 % für GV ausreichend, wenn präop. gegebene EF und ns2 GV +/– PDE5I möglich oder IIEF > 21, wenn präop. gegebene EF und ns2 GV +/– PDE5I möglich, wenn präop. gegebene EF, ns2 und Alter < 65 Jahre GV + – PDE5I möglich, wenn präop. gegebene EF und ns2 Erfassungszeitpunkt Potenz 12 6 3 18 12 6 3 12 12 12 6,3 14,7 3,3 12,8 12,7 17,7 Komplikationen [%] [Monate postoperativ] [Monate postoperativ] GV = Geschlechtsverkehr; PDE5I = PDE-5-Inhibitoren; EF = erektile Funktion; ns2 = beidseitiger Nerverhalt; PSM = Positive surgical margin; k. A. = keine Angabe Autor Urologie Scan 1 1 Kontinent [%] Zusammenfassende Darstellung des Literaturreviews. Tabelle 6 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Definition Potenz PSM [%[ 9,3 15,4 11,9 11,3 8,9 11,1 PSA-freies Überleben [%] 96,4 95,6 98,3 92,4 k. A. 95,5 [Monate postoperativ] Erfassungszeitpunkt PSA-freies Überleben 12 18 3 12 k. A. 17,2 Trifecta erreicht [%] 83,1 58,1 k. A. k. A. k. A. k. A. Pentafecta erreicht [%] 70,8 45,6 k. A. k. A. k. A. k. A. Geschätzter Blutverlust [ml] 120 k. A. 69 378 160 131 Verweildauer [Tage] k. A. k. A. 1 3 k. A. k. A. Postoperative Katheterliegezeit [Tage] k. A. k. A. 7 8 5,5 6,1 60 Die roboterassistierte radikale Prostatektomie Fortbildung Literaturreview zu den onkologischen und funktionellen Ergebnissen der RARP 61 Tabelle 7 Vergleich des eigenen Reviews mit RARP-Ergebnissen an High-VolumeZentren. Parameter Eigener Review Review High-Volume- Mit dem Ziel der Darstellung der onkologischen und Zentren funktionellen Ergebnisse rezenter RARP-Serien anhand Kontinenz 3 Monate [%] 79 – 85,8 79,1 Kontinenz 6 Monate [%] 89 – 94,2 87,9 Kontinenz 12 Monate [%] 86,9 – 96,3 91,8 Potenz 3 Monate [%] 56 – 68,0 38,8 Potenz 6 Monate [%] 70 – 86,1 65,5 Potenz 12 Monate [%] 39,6 – 89,7 73,9 PSA-freies Überleben [%] 92,4 – 95,5 1 95 – 96 2 PSM [%] 8,9 – 15,4 14,75 Komplikationen [%] 3,3 – 17,7 10,2 Blutverlust [ml] 69 – 378 185 Katheterliegezeit [d] 5,5 – 8 5,7 erfasst. Verweildauer postoperativ [d] 1–3 1,6 Die Ergebnisse der fünf relevanten Arbeiten werden in Trifecta [%] 58,1 – 83,1 44 – 86 2 Pentafecta [%] 45,6 – 70,8 70,82 der Pentafecta-Kriterien erfolgten zwei PubMedSuchen. Die erste Suche verband die Suchbegriffe „robot“, „radical“, „prostatectomy continen*“, „poten*“, „recurren*“, „margin“ und „complicat*“ jeweils mit dem Boole-Operator AND (jeweils alle Suchfelder, keine Begrenzung). Hier fanden sich fünf Arbeiten, von denen zwei thematisch unpassend waren und ausgeschlossen wurden. Die zweite Suche beinhaltete den Suchbegriff „pentafecta“ (jeweils alle Suchfelder, keine Begrenzung). Hier unpassend waren und ausgeschlossen wurden. Neben den Angaben zu den Trifecta- bzw. PentafectaKriterien wurden auch die weichen Indikatoren Blutverlust, Katheterliegezeit und stationäre Verweildauer (Tab. 6) dargestellt. Die Ergebnisse des Reviews ordnen sich deskriptiv gut in den Vergleich mit einem Review zu den onkologischen und funktionellen Ergebnissen nach RARP an PSM = positive surgical margin 1 = 3 – 18 Monate 2 = 12 Monate High-Volume-Zentren ein (Tab. 7) [39]. Anhand dieser Daten lässt sich die RARP mit exzellen- Bereits die Trifecta-Kriterien stellen einen hohen ten perioperativen (niedrige Komplikationsrate, gerin- Maßstab für die Beurteilung der operativen Qualität ger Blutverlust), funktionellen (Kontinenz und erektile dar. Die noch höher gesteckten Ziele der Pentafecta- Funktion) sowie onkologischen Ergebnissen (negativer Kriterien werden zumeist aufgrund einer postoperati- Schnittrand, PSA-freies Überleben) durchführen. Um ven erektilen Dysfunktion (35 %) und eines positiven diese Exzellenz zu erreichen, bedarf es einer relevanten Schnittrands (31,9 %) verfehlt [39]. Lernkurve (siehe 20). Insofern führt die zunehmende Verbreitung der RARP gemeinsam mit der anhaltenden Für die meisten Arbeiten zur Ergebnisqualität der RARP Zertifizierungswelle der Prostatakarzinomzentren stehen in der Bewertung der onkologischen Verläufe möglicherweise zu einer Fokussierung der Diskussion entsprechende Langzeitdaten aus. Dies erklärt sich aus um Mindestmengen erforderlicher operativer Eingriffe. dem noch jungen, im Jahr 2000 erstmals angewendeten Operationsverfahren. Menon et al. zeigten PSA- Die in den hier zitierten Arbeiten auffällig kurze post- freie Überlebensraten nach 1, 3, 5 und 7 Jahren von operative Verweildauer ist zumindest derzeit eher 95,1 %, 90,6 %, 86,6 % und 81 % [40]. schwer auf deutsche Verhältnisse übertragbar; in einer größeren hier zitierten deutschen Arbeit fehlen diesbezügliche Angaben [35]. Urologie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung fanden sich sechs Arbeiten, von denen vier thematisch 62 Die roboterassistierte radikale Prostatektomie Insofern wird sich wahre Meisterschaft dann zeigen, vergleichbare Ergebnisse wie nach offener RP nach 182 wenn in den Pentafecta-Kriterien der allenfalls als Sur- RARPs erreicht, ein signifikant besseres Plateau zeigte rogatmarker fungierende kurzfristige Endpunkt des sich nach 700 – 800 RARPs. Die Rate von positiven PSA-freien Überlebens dem Gesamtüberleben als här- Schnitträndern (R1) im Tumorstadium pT2 war initial testem aller Verlaufsparameter weichen wird. bei RARP erhöht und glich sich der bei offener RP erreichten Rate nach 108 RARPs an (um 55 % bessere R1-Rate nach 866 RARPs). Die R1-Rate im Tumorstadi- Bewertung der Lernkurve der RARP um pT3 /4 war bei der RARP in der Lernkurve höher, erreichte dann jedoch nach 200 – 300 Patienten ein Plateau, welches der R1-Rate der offenen RP vergleichbar war. Eine multi-institutionale Arbeit mit 3794 Ein im Fokus stehendes und kontrovers diskutiertes RARPs von Sooriakumaran et al. zeigte sogar erst nach Thema ist die Bewertung der Lernkurve der RARP. Aus über 1000 Operationen ein stabiles Plateau in der R1- einer langen Lernkurve würden in der initialen Phase Rate bei pT3-Tumoren [42]. In dieser Studie war erst vergleichsweise längere Operationszeiten, ein erhöhtes nach 750 RARPs eine stabil niedrige Operationszeit Risiko für Komplikationen sowie schlechtere funktio- erreichbar. nelle und onkologische Ergebnisse resultieren. Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Zusammenfassend zeigen die methodisch besseren Insgesamt wird von einer im Vergleich zur offenen Studien eine lange Lernkurve für die RARP, sodass die retropubischen und laparoskopischen RP kürzeren Frage gestellt werden muss, ob sich das Erlernen dieser Lernkurve in der Technik der RARP berichtet. Die der- Technik auch für Urologen im letzten Abschnitt ihrer zeit vorliegenden Studien mit besserer Methodik zei- chirurgischen Laufbahn bzw. für Urologen mit niedri- gen hierzu aber diametrale Ergebnisse. Aktuell wurden ger jährlicher Fallzahl anbietet. Andererseits zeigt Ergebnisse einer prospektiven Studie an 1552 konse- gerade die Studie von Thompson et al., dass auch kutiven Patienten eines Chirurgen publiziert, der mehr erfahrene Operateure nach Durchlaufen ihrer RARP- als 3.000 offene RPs zum Beginn der RARP-Lernkurve Lernkurve onkologische und funktionelle Ergebnisse aufwies [41]. Der Studienbeginn wurde nach etwa 50 erreichen, die oberhalb der Qualität der OP-Ergebnisse RARP-Fällen gewählt, die er unter Anleitung eines liegen, die sie mittels offener RP erzielen konnten [41]. erfahrenen Proctors absolvierte. Da er zu den RARPs parallel noch offene RPs durchführte, konnte die Die Lernkurve einer RARP ist lang und bringt initial Anzahl der RARPs bestimmt werden, die notwendig ein schlechteres Outcome für die Patienten mit war, damit sich die Qualität der RARP jener Qualität der sich. Nach etwa 100 Operationen sind die Ergeb- offenen RP anglich. Die erektile Funktion der Patienten nisse hinsichtlich erektiler Funktion, Kontinenz und war nach 99 RARPs mit jener der offenen RP vergleich- R1-Rate denen der offenen RP vergleichbar und bar und erreichte nach 600 – 700 RARPs ein stabiles können dann auf einem signifikant besseren Niveau Niveau signifikant oberhalb der Funktionsfähigkeit bei stabil sein. offener RP. Hinsichtlich der Harnkontinenz wurden Kernaussagen █ █ Die RARP stellt nach nunmehr 14-jähri- █ griffen auch, von der Expertise des Die Studienlage belegt Vorteile für die Operateurs abhängig. Die technologischen Vorteile des da ger Evolution ein fest etabliertes chirurgisches Verfahren in der Therapie des RARP in der Zeitdauer bis zur Wiedererlangung der Harnkontinenz und in lokalisierten PCA dar. diversen weichen Indikatoren (Blutver- Vinci-Systems führen zu einer hohen Auch in Abwesenheit von Level-1-Evi- lust, Zeit bis zur Entlassung aus dem chirurgischen Präzision, wobei sich denz zeigt die vorhandene Datenlage Krankenhaus, Zeit bis zur Katheterent- zukünftige Systemverbesserungen die RARP im Vergleich mit den anderen fernung, Zeit bis zur Wiederkehr der operativen Strategien als ein hinsichtlich vollständigen körperlichen Leistungs- der onkologischen und funktionellen fähigkeit, kosmetisches Ergebnis). tierung der RARP besteht in den hohen Auch für die RARP existiert eine nicht zu vernachlässigende Lernkurve, die Ergeb- Anschaffungs- und Instandhaltungskosten des da Vinci-Systems. Sicherheit zumindest äquivalentes Verfahren zu offen operativen und nicht roboterassistierten laparoskopischen Verfahren. Urologie Scan 1 ê 2014 █ nisse sind somit, wie bei anderen Ein- █ heute bereits abzeichnen. █ Die wesentliche noch zu lösende Limi- Fortbildung Interessenkonflikt: Der korrespondierende Autor gibt 63 Matthias May an, dass für keinen der Autoren ein Interessenkonflikt Dr. med., Studium in Leipzig und Ber- besteht, der die Erstellung des Artikels beeinflusste. lin. Facharztausbildung in Berlin und Cottbus, Facharztprüfung 2001. Leitender Oberarzt in Cottbus und seit Über die Autoren 2008 in der Urologischen Klinik des Klinikums St. Elisabeth Straubing. Als klinisches Betätigungsfeld gilt die Christian Gilfrich Mainz. Facharztausbildung an der Urologischen Universitätsklinik Mainz (Prof. R. Hohenfellner und Prof. J. Thüroff). Seit 2003 Geschäftsführender Oberarzt an der Urologischen Klinik des Universitätsklinikums Heidel- nischen uroonkologischen Forschung. Verheiratet, zwei Töchter, private Interessen sind Sport und klassische Musik. Steffen Lebentrau berg (Prof. M. Hohenfellner) und seit Dr. med., Studium in Greifswald und 2008 Chefarzt der Urologischen Klinik Berlin. Facharztausbildung in Berlin des St.-Elisabeth-Klinikums in Straubing. Klinischer und Neuruppin, Facharztprüfung Schwerpunkt ist die minimalinvasive, und hier insbeson- 2003. Chefarzt der Klinik für Urologie dere die robotische, Chirurgie, die seit über 10 Jahren und Kinderurologie der Ruppiner Kliniken Neuruppin seit 2010. Als klini- nach einer Hospitation bei M. Menon am Henry Ford Hos- sches Betätigungsfeld gilt die opera- pital Detroit selbstständig durchgeführt wird. Verheiratet, vier Töchter. tive Uroonkologie, das wissenschaftliche Interesse besteht in uro-(onko)- Sabine Brookman-May logischer Versorgungsforschung. Verheiratet, eine Tochter, private Interessen sind Garten und Kochen. Priv.-Doz. Dr. med., Studium an der Bayerischen Julius-Maximilians-Universität in Würzburg. Facharztausbil- Korrespondenzadresse dung an der Universität Regensburg (Klinik für Kinderurologie, St Hedwig Dr. med. Matthias May Urologische Klinik und Klinik für Urologie im Caritas- Klinikum St. Elisabeth Straubing Krankenhaus St. Josef) und in den Kli- St. Elisabeth Str. 23 niken Nordoberpfalz (Weiden/Oberpfalz). Facharztprüfung und Prüfung 94315 Straubing Tel. +49 9421/7101701 zum FEBU (Fellow of the European Board of Urology) Fax: 49 9421/7101717 2011. Derzeit externe Dozentin an der LMU München E-Mail: [email protected] (Campus Großhadern; Klinik für Urologie) und Direktorin (Regional Therapeutic Area Expert; Europe, Middle East, Africa) im Bereich Research-Development Onkologie bei Janssen-Cilag. Außerdem Boardmember der Young Academic Urologists Working Party (YAU) der EAU und Chair der Renal Cancer Group der YAU. Wissenschaftliche Aktivität insbesondere im Bereich der uroonkologischen Forschung. Verheiratet, ein Sohn, eine Tochter; private Interessen sind Sport (Rennrad, Mountainbike) und Literatur. Urologie Scan 1 ê 2014 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Dr. med., Studium in Berlin und robotische Chirurgie, das wissenschaftliche Interesse liegt bei der kli- 64 Die roboterassistierte radikale Prostatektomie Literatur 17 White MA, Haber GP, Autorino R et al. Robotic laparoendoscopic single-site radical prostatectomy: technique and early 1 Heidenreich A, Bastian PJ, Bellmunt J et al. EAU guidelines on prostate cancer. part 1: screening, diagnosis, and local treatment with curative intent-update 2013. Eur Urol 2014; 65: 124 – 137 2 Binder J, Kramer W. Robotically-assisted laparoscopic radical prostatectomy. BJU Int 2001; 87: 408 – 410 3 Menon M, Shrivastava A, Tewari A et al. 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Superior quality of life statectomy performed in Ireland's first robotic radical prosta- and improved surgical margins are achievable with robotic tectomy centre. Ir J Med Sci 2012; 181: 21 – 25 radical prostatectomy after a long learning curve: a pro- 37 Carlucci JR, Nabizada-Pace F, Samadi DB. Robot-assisted laparoscopic radical prostatectomy: technique and outcomes of 700 cases. Int J Biomed Sci 2009; 5: 201 – 208 38 Asimakopoulos AD, Miano R, Di Lorenzo N et al. Laparoscopic 65 spective single-surgeon study of 1552 consecutive cases. Eur Urol 2014; 65: 521 – 531 42 Sooriakumaran P, John M, Wiklund P et al. Learning curve for robotic assisted laparoscopic prostatectomy: a multi-institu- versus robot-assisted bilateral nerve-sparing radical prosta- tional study of 3794 patients. Minerva Urol Nefrol 2011; 63: tectomy: comparison of pentafecta rates for a single surgeon. 191 – 198 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Surg Endosc 2013; 27: 4297 – 4304 Urologie Scan 1 ê 2014 66 Die roboterassistierte radikale Prostatektomie . CME thieme.de CME-Fragen CME-Teilnahme " Viel Erfolg bei Ihrer CME-Teilnahme unter http://cme.thieme.de " Bitte informieren Sie sich über die genaue Gültigkeitsdauer unter http://cme.thieme.de. " Sollten Sie Fragen zur Online-Teilnahme haben, unter http://cme.thieme.de/hilfe finden Sie eine ausführliche Anleitung. █ 1 Wo wurde im Jahr 2000 die erste roboterassistierte laparoskopische Prostatektomie (RARP) durchgeführt? A Frankreich B Deutschland C USA D Großbritannien E Angola █ 2 Wie viele Freiheitsgrade der Bewegung weisen die handgelenksartigen Instrumente der RARP auf? A 2 B 4 C 6 D 7 Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung E 9 █ 3 Welche Aussage zur pelvinen Lymphadenektomie (pLND) im Rahmen der RARP trifft zu? A Im Rahmen der RARP sollte eine pLND unterbleiben. B Die extendierte pLND, die gemäß der europäischen Leitlinie bei allen Hochrisikopatienten und einem Großteil der Patienten mit intermediärem Risiko notwendig ist, kann im Rahmen der RARP von einem erfahrenen Operateur ohne Probleme durchgeführt werden. C Grundsätzlich muss bei allen Patienten mit lokalbegrenztem PCA unabhängig von der Risikogruppe eine extendierte pLND durchgeführt werden. D Die pLND im Rahmen der operativen Therapie des PCAs hat eine reine Staging-Funktion und stellt somit keine sinnvolle Option dar. E Eine extendierte pLND ohne Nachweis von positiven Lymphknoten in der Fossa obturatoria ist wertlos, da dort stets die Sentinel-Lymphknoten des PCAs sitzen. █ 4 Welche sich bei der RARP fest etablierte Technik beschrieben van Velthoven et al. im Jahr 2003? A fortlaufende Anastomosennaht B anteriore Rekonstruktion C posteriore Rekonstruktion D Aussparung des Retzius-Raums E Harnröhrenkatheter-freie RARP █ 5 Welches Kriterium wird nicht als Pentafecta-Outcome angegeben? A Harnkontinenz B negativer chirurgischer Schnittrand C erektile Funktionsfähigkeit D Fehlen von Komplikationen E ausgezeichnete Lebensqualität CME Fortbildung CME-Fragen 67 Die roboterassistierte radikale Prostatektomie Literaturreview zum onkologischen und funktionellen Outcome █ 6 Welche Aussagen zu den PentafectaOutcome-Kriterien der RARP lassen sich für die kurze und mittlere Nachbeobachtung formulieren? A Es gibt keine Analyse der Pentafecta-Kriterien für Patienten mit RARP. B Die Lebensqualität nach RARP ist bislang nur unzureichend evaluiert. C Bei der RARP mit beidseitiger Nerverhaltung entsprechen die postoperativen Ergebnisse der erektilen Funktion stets dem präoperativen Ausgangszustand. D Bei der RARP sind die insgesamt erhöhten Komplikationsraten zu beachten. E Patienten mit RARP zeigen im Vergleich mit den anderen operativen Therapien zumindest gleichwertige funktionelle und onkologische Ergebnisse. █ 7 A reduzierter Blutverlust und kürzere Dauer des postoperativ einliegenden Harnblasenkatheters B Erreichen einer für die Kohabitation ausreichenden Erektionshärte 30 Tage nach Operation C Reisefreudigkeit des Patienten im ersten postoperativen Jahr D besseres PSA-freies Überleben 6, 12 und 24 Monate nach der Operation E besseres Ansprechen auf eine Salvage-Radiotherapie bei Auftreten eines PSA-Rezidivs █ 8 Welche Aussagen zur Lernkurve einer RARP sind korrekt? A Es gibt keine Lernkurve der RARP für Operateure mit ausgewiesener Erfahrung in der offenen Prostatektomie. B Die RARP ist nur für Operateure mit laparoskopischer Vorerfahrung erlernbar – dann allerdings beträgt die Lernkurve weniger als 10 Patienten. C Auch die RARP verfügt über eine Lernkurve; je nach zu beurteilendem Kriterium umfasst die Lernkurve etwa 100 Operationen. D Die funktionellen Ergebnisse einer RARP werden immer denen der offenen Prostatektomie eines erfahrenen Operateurs zurückstehen, sodass niemals von der erfolgreichen Absolvierung einer Lernkurve ausgegangen werden kann. E Für die onkologische Sicherheit ist die Lernkurve der RARP nach drei Eingriffen, für die funktionelle Sicherheit nach sieben Eingriffen abgeschlossen. █ 9 Welche zukünftigen Weiterentwicklungen der RARP sind bereits in der Erprobung? A Integration von Kaffeeautomaten für den Konsolenchirurgen B Single-Port-(Single-Site-)RARP C Integration einer Strahlenquelle zur intraoperativen früh-adjuvanten Bestrahlung bei Hochrisikopatienten D siebenarmiger OP-Roboter E Anastomosenstapler CME Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung Welche Vorteile hinsichtlich der sogenannten weichen Indikatoren werden in der Literatur einheitlich der RARP im Vergleich zur offenen Prostatektomie zugesprochen? 68 Die roboterassistierte radikale Prostatektomie CME-Fragen Die roboterassistierte radikale Prostatektomie Literaturreview zum onkologischen und funktionellen Outcome █ 10 Welche Zukunft kann der RARP in Deutschland attestiert werden? A Die RARP wird sich weiterentwickeln und zukünftig eine noch stärkere Verbreitung finden (siehe USA), sofern die hohen Anschaffungs- und Instandhaltungskosten verringert bzw. besser durch eine höhere Erstattung amortisiert werden können. B Es wird in 5 Jahren beim lokalisierten PCA nicht mehr operiert, sodass die RARP eine operative Prozedur ohne Perspektive in bereits naher Zukunft darstellt. C Ab 2015 wird nur noch die RARP als operative Standardtherapie des lokalisierten PCAs anerkannt. Elektronischer Sonderdruck zur persönlichen Verwendung D Die jetzige Datenlage zeigt bereits, dass die offene Prostatektomie in den vergleichenden Studien mit mittlerer Beobachtung der RARP überlegen ist, sodass die RARP in Deutschland keine Zukunft haben dürfte. E Die RARP kann nur dann auch in Zukunft Anerkennung finden, sofern die dieser Methode immanenten Schwierigkeiten der Durchführung einer extendierten Lymphadenektomie suffizient zu lösen sind.