Olé, Mesut! - MedIALINe.de

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Olé, Mesut! - MedIALINe.de
SPEZIAL MÄNNER MODE STIL
Oktober 2010
HERBST-TRENDS
BRANDON FLOWERS
GENTLEMAN-GUIDE
TOM JONES
Olé,
Mesut!
Mesut Özil, Deutschlands
Fußball-Export Nr. 1,
spricht exklusiv über sein
neues Leben in Madrid
ZUM HERAUSNEHMEN
MÄNNER BUSINESS
NO GO
ist das Toupet
Jungmanager Jan-Henrik
Scheper-Stuke trimmt mit seiner PRShow die Berliner Krawattenmanufaktur
Edsor Kronen auf trendy
Der Geck tritt in die Pedale eines Fahrrads der Marke
Gazelle und überrollt Zigarettenkippen, Müll und ölig schimmernde Pfützen. Bemüht, Gruppen von Jugendlichen mit
Baseballjacken, die auf den Bürgersteigen herumlungern,
Hunden und deren Herrchen auszuweichen. Was, um Himmels
willen, führt den jungen Mann, gewandet in einen tiefblauen
Anzug aus feinstem Kaschmir, rote Fliege, handgenähte
rehbraune Wildlederschuhe, in diesen verratzten Teil Kreuzbergs unweit des Kottbusser Tors?
Der Gentleman bremst bei einem türkischen Imbiss, schiebt
sein Zweirad in einen düsteren Hinterhof und betritt einen
unsanierten Altbau, dem nicht ein einziger Sonnenstrahl zuteil
wird. Drei Etagen hoch geht es durch ein fast schon schäbiges
Treppenhaus, bis er die Tür öffnet.
Die Tür zu einer anderen Welt.
Jan-Henrik Scheper-Stuke wirkt jetzt nicht mehr länger, als
wäre er vom Berliner Himmel gefallen, sondern bewegt sich in
seinem natürlichen Habitat: der Krawattenmanufaktur Edsor
Kronen. Mit einer theatralischen Geste, die den Blick auf eine
Manschette, bestickt mit den Initialen JHSS freigibt, lädt der
Hausherr in den Show-Room ein. Nein. Show-Room wäre ein bei
Weitem zu vulgärer Begriff für diese Räumlichkeit. In einem
Salon befindet man sich. Noch bevor der Besucher seinen Blick
auf einem der musealen Stücke ruhen lassen kann, setzt der
28-Jährige, der, wenn er spricht, fast noch jünger wirkt, an:
„Der schwarz lackierte Schrank, Art déco aus Frankreich,
dreißiger Jahre. Aus dem 18. Jahrhundert die Seidenmalerei.
China. Tiffany, die Vasen. Antik die gerahmten Paisleystoffe
aus Schottland. Die Porzellanskulptur von Bildhauer Adolph
Amberg, für die Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin. Kaffee
für Sie?“ Scheper-Stuke blickt durch seine Harry-Potter-Brille
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und schmunzelt. „Entschuldigen Sie, aber ich mache die
Edsor-Show bestimmt zum tausendsten Mal.“
Die Edsor-Show, wie der schlaksige Dandy es nennt, ist die
Modernisierung einer in die Jahre gekommenen Krawattenmanufaktur. Deren Inhaber, Günther Stelly, 60, hat seinen Patensohn Jan-Henrik Scheper-Stuke mit der Mission betraut, aus
einem renommierten, aber wenig bekannten Traditionsbetrieb
eine international bekannte und trendige Marke zu machen.
Dabei hat das Label, wie man in der Modebranche sagt,
durchaus etwas zu bieten. Langjährige Geschichte beispielsweise. Gegründet wurde Edsor Kronen (der Name soll von
„Edle Sorte“ abgeleitet sein) 1909 in Berlin.
Und auch heute noch liefert Edsor Kronen jährlich 120 000
Einzelteile (die Mehrzahl davon Krawatten, aber auch Schleifen,
Schals, Einstecktücher, Hausmäntel und Kummerbunde) an
Geschäfte wie etwa das KaDeWe. 3200 verschiedene Dessins
entwirft Günther Stelly dafür jährlich – und das seit mehr als
30 Jahren. Seine Ideen verweben italienische Seidenfabriken zu edlen Stoffen, aus denen wiederum hierzulande
die Hände von 25 Heimarbeiterinnen hochwertige Unikate
schneidern. „Nur zum Vergleich“, deklamiert Scheper-Stuke,
„90 Sekunden dauert die industrielle Fertigung einer Krawatte
eines deutschen Markenartiklers, unsere Damen nähen jeden
Stich von Hand und nehmen sich 23 Minuten Zeit.“
Edsor Kronen ist, was Marketingmenschen eine „Heritage
Brand“ nennen, eine Marke mit einer eigenen Geschichte, die
eine Art emotionalen Mehrwert bieten soll, auf den der Kunde
anspricht. Bislang kannte nur kaum jemand die Historie von
Edsor Kronen.
Doch das sollte sich mit der Berufung von Scheper-Stuke
zum Geschäftsführer vor einem Jahr ändern. Der gelernte
Bankbetriebswirt aus der Nähe von Oldenburg suchte zielgerichtet den Kontakt zu den angesagten Berliner Designern –
Michael Michalsky, Kilian Kerner, LaLa Berlin oder Wunderkind
(der Firma von Wolfgang Joop). „Einige Modemacher habe
ich in Restaurants oder auf Partys angesprochen und dann die
Edsor-Show gegeben“, erklärt Scheper-Stuke. Augenscheinlich
kamen seine Auftritte an, denn die oben genannten Designer
wollten mit der Traditionsmarke kooperieren.
Foto: Götz Schleser/F OCUS -Magazin
Binnen kurzer Zeit kannte jeder Partygänger
in der Hauptstadt den exzentrischen
„Krawattenmann“, der sich während einer
Boss-Modenschau schon mal das Gesicht
mit einem Dachshaarpinsel kühlt.
Und der zu Modenschauen in den In-Club „Cookies“ lädt.
Zudem ist der Selbstdarsteller als Stil-Experte gefragt. („Ein
absolutes No Go ist das Toupet.“) Unzählige Berichte in
Lifestyle-Postillen folgten, Edsor-Kronen-Kreationen liegen heute
im schicken Berliner „Departmentstore Quartier 206“ gleich
neben Balmain, Prada und Lanvin. Das Facelift der gealterten
Marke kann man wohl als gelungen bezeichnen, ihr wurde das
Gesicht von Jan-Henrik Scheper-Stuke transplantiert, der nun
von Katalogen und Etiketten sehr ernst und sehr staatstragend
blickt. Bewegt von seiner eigenen Erzählung, legt der PR-Profi
den neuesten Werbeprospekt aus der Hand. „Manchmal kann
ich gar nicht glauben, was ich in dem einen Jahr erlebt habe.“
Ob er denn einem ebenso flamboyanten Lebensstil fröne, wie es
sein Outfit vermuten lässt? „Aber nein“, winkt er ab. „Ich fahre
mit der U-Bahn und wohne auf 65 Quadratmetern, erst müssen
wir die Firma flottkriegen, dann komme ich.“ Elke Hartmann-Wolff
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MÄNNER TRENDS
Hart, aber zart
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Salon-Rebellen
kombinieren Leder und
Nieten zum Doppelreiher
1. Sakko, Jil Sander, 990 Euro.
2. Uhr, Salvatore Ferragamo,
990 Euro. 3. Hemd, Loden-Frey,
129 Euro. 4. Sonnenbrille,
Maison Martin Margiela, 398
Euro. 5. Strickpullover, Hugo,
160 Euro. 6. Lederjacke, Hugo,
599 Euro. 7. Lederhandschuhe,
Lagerfeld, 119 Euro.
8. Gürtel, Levi’s, 50 Euro.
9. Hose, Firetrap, 130 Euro.
10. Stiefelette, 560 Euro, und
Sporen, 150 Euro, beides
Prada. 11. Sneaker, Alexander
McQueen, 195 Euro
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F OCUS -SPEZIAL 2010
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Foto: Retna/Corbis
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Gentleman, Schlossbesitzer
und Ex von Madonna:
Der englische Regisseur
Guy Ritchie (42) inszeniert
sich im Stil des
exzentrischen Landadligen
1. Trenchcoat, Daks,
640 Euro. 2. Hemd, Olymp,
40 Euro. 3. Sakko, Hackett
London, 690 Euro.
4. Einstecktücher, Roda,
je 40 Euro. 5. Aktentasche,
Aigner, 649 Euro.
6. Sonnenbrille, Tom Ford,
340 Euro. 7. Hemd, Olymp,
40 Euro. 8. Krawatte,
Hackett London, 100 Euro.
9. Hemd, Giampaolo,
169 Euro. 10. Gürtel, Kreis
Ledermanufaktur, 129 Euro.
11. Hose, PT01, 229 Euro.
12. Armkette, Elf Craft,
1329 Euro. 13. Budapester,
Geox, 120 Euro.
14. Stiefelette, Geox,
160 Euro. 15. Hose,
Strellson, 100 Euro.
16. Gürtel, Santacroce,
159 Euro
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Die können wir gut
riechen – neue Düfte
für Charakterköpfe
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1. Boadicea, The VictoriousComplex, 148 Euro.
2. Creed, Aventus, 155 Euro.
3. Marc Jacobs, BANG,
ab 50 Euro. 4. Yves Saint
Laurent, La Nuit de l’Homme,
59 Euro. 5. Jacques Zolty,
86 Euro. 6. Zegna, Forte,
68 Euro. 7. Hermès, Iris
Ukiyoé, 170 Euro. 8. James
Heeley, Oranges and Lemons
say the Bells of St. Clement’s,
98 Euro. 9. Bulgari Man,
75 Euro. 10. Michalsky for
men, ab 32 Euro. 11. Ralph
Lauren, Big Pony Collection,
58 Euro. 12. Van Cleef &
Arpels, Midnight in Paris,
ab 39 Euro
MÄNNER GESUNDHEIT
Kur ohne
Schatten
Raumschiff-Design: Medizin-Spa „Lanserhof“
Im alpenländischen Spa-Hotel
„Lanserhof“ kuren Milliardärinnen,
Macher und Manager. Als lukrative Marktlücke hat die Nobelherberge jetzt die
„Männermedizin der Zukunft“ entdeckt
Schon zur Frühstückszeit offenbaren sich die Unterschiede
zwischen Nationen und Mentalitäten. Ein norddeutscher Gast
sitzt diszipliniert, aber leidend im Speiseraum, kaut 30-mal
zähen, leinöl-beträufelten Vollkorntoast und spült ihn tapfer mit
Entschlackungstrinksalz hinunter. Der heitere Wiener Anwalt
am Nebentisch schäumt über vor Energie und macht sich nach
dem Malzkaffee hurtig auf zum „Brain Walking“ ins
Gebirge. Der moppelige Russe dagegen, der im Zimmer mit
dem schönen Namen „Männertreu“ wohnt, liegt schon entspannt im knappen Versace-Badeslip auf der Pool-Terrasse –
und schmaucht um neun Uhr früh eine dicke Zigarre.
Das Ärzteteam im „Lanserhof“ registriert es wohl, unlustig
gestimmt, aber gelassen. Das Haus bei Innsbruck, Mischung
aus Gesundheitszentrum und 4-Sterne-Hotel, will schließlich vor
allem eines: den Patienten, der hier bewusst „Gast“ heißt, leben lassen. „Wer extrem gesund lebt, stirbt sieben Jahre
früher“, bekundet trocken Hausherr Andreas Wieser, und: „Wir
wollen niemanden zur Askese hinzüchten.“ Wieser, früher mal
Hotelmanager bei der Robinson-Club-Kette, hat das „LansMed-Konzept“ als weltweit führenden Gesundheitshotel-Tempel
mit Lifestylefaktor vor 25 Jahren erfunden.
Aufsehen gab es um die Kurherberge de luxe zuletzt wegen
der skandalösen Amoure zwischen VIP-Hausgast Susanne
Klatten, der BMW-Milliardenerbin, und jenem Gigolo, der sie am
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Kamin der Kräuterteebar bezirzte. Noch mehr Auftrieb beschert
dem „Lanserhof“ sein prominentester Fan, der russische
Milliardär Roman Abramowitsch, der sich mindestens drei Wochen per annum hier vom Geldverdienen erholt. Eine Million
Euro, wusste das Moskauer Blatt „Iswestija“ zu berichten, habe
ihn der letztjährige Aufenthalt für sich samt Entourage gekostet.
Etwa 500 Euro pro Tag berappt der Durchschnittskurende.
Vor der Auffahrt parken Starnberger Bentleys und mächtige BMW-Jeeps aus Hamburg. Führende deutsche Manager
sind ihre Besitzer, bekannte TV-Moderatoren, gestresste Millionärswitwen oder auch hannoversche Theaterintendantinnen
im Kreativ-Tief. Mit Detox-Massagen, Algensprudelbädern und
Leberwickeln wird ihren Zipperlein zu Leibe gerückt. Das Fachärzteteam sieht aus wie in einer Modelagentur gecastet. Spartanisch-hölzerner Alpenraum-Chic und futuristisches Raumschiff-Design sollen die Sinne beruhigen.
65 Prozent der Gäste sind weiblich, doch Chef Wieser setzt
jetzt mit seinem „Menergy“-Programm verstärkt auf das starke Geschlecht auf Suche nach Balance. Themen wie Burn-out
und Entschleunigung, sagt er, würden all die Macher umtreiben, die großteils als Stammgäste einmal im Jahr in der NobelHotelklinik einchecken und sich dort die Frage erlauben: „Ist
es normal, Existenzangst zu haben?“ Immer häufiger käme die
Power-Kundschaft aus Sorge um ihre sexuelle Potenz. Der „Lanserhof“ antwortet mit Pilates, Prostatacheck und psychosmatischem Einzelgespräch. Mentales Coaching ist neben all den
Darmwäschen (145 Euro für 50 Minuten), Detox-Bädern (110
Euro) und Sauerstoff-Eigenblut-Infusionen (127 Euro) für Wieser
der Schlüssel des hauseigenen Konzepts. Man wolle vermitteln, gesund, aber „beschwingt durchs Leben zu tanzen“, sagt
Wieser. Die Botschaft interpretiert jeder freilich nach
seiner Fasson.
So sitzen nach Sonnenuntergang die einen in fluffigem weißem Bademantel und Schlappen in der Susanne-Klatten-Gigolo-Bar und träumen laut, aber unschuldig bei Kamillentee von
Hirschbraten und Bier. Das Grüppchen Moskauer Millionäre
ist derweil längst heimlich hinter eine Gartenhecke geflohen –
Marika Schaertl
samt Wodka und Zigaretten.
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MÄNNER PORTRÄT
Master of the Universe
Markenmilliardär FrançoisHenri Pinault vor der GucciBoutique auf der feinen
Fifth Avenue in New York
DIE FASHION-MARKE
DIE FLORENTINER GUCCI-GRUPPE
STELLA MCCARTNEY,
SETZTE 2008 3,4 MILLIARDEN
DESIGNT VON SIR PAULS
EURO FÜR DAS MUTTERHAUS PPR
KREATIVER TOCHTER,
UM. MEHR ALS DIE HÄLFTE DAVON
ZÄHLT ZUM PPR-KONZERN
BRINGT DAS MODE-LABEL GUCCI
EIN, DER REST VERTEILT SICH
AUF TOCHTERFIRMEN WIE YSL
UND BOTTEGA VENETA
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Kaschmirstrickjacke,
Polo Ralph Lauren,
1195 Euro
Fellstiefel, Ugg Australia, 359 Euro
MÄNNER MODE
FrostSchutz
Fotos: A. Achmann/FOCUS-Magazin (7), Thierry Muggler
Kühler Kopf
Mit Kuschelmütze und
samtweichem Cord
will der Pariser Designer
Thierry Mugler winterlichen Zeiten widerstehen
Hose, Burberry London, 270 Euro. Handschuhe, Strellson, 50 Euro
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MÄNNER MODE
Samtwesten, Sieger,
je 490 Euro.
Loafer, Gucci, 425 Euro
Eine Prise Humor
kennzeichnet den
Stil von Paul Smith:
Man muss nicht
unbedingt Engländer
sein, um den Mix zu
wagen
Fotos: A. Achmann/FOCUS-Magazin (7), Paul Smith
Perfekter
Job
„Star Wars“-USB-Sticks, 4 GB, Mimobot by Mimoco, je 55 Euro
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