Lebenstipps vom Weltverbesserer

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Lebenstipps vom Weltverbesserer
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LEBEN
Costa Blanca Rundschau Nr. 28/Woche 31/2005
Lebenstipps vom „Weltverbesserer“
Frustriert? Schmeißen Sie ihren Fernseher weg – Oliver Fritsch zeigt in seinem Buch „Alles anders“, wie man
Zufriedenheit steigern kann – Er selbst musste mit 40 Jahren sein komplettes Leben umkrempeln
Von Thomas Zapp
musst du wissen was du willst, was
du kannst und was du suchst. Dann
musst du mit den richtigen Leuten
sprechen. Nach Hilfe zu fragen gilt in
Deutschland als uncool, die Schwaben sagen: Es hat ein Geschmäckle.
Das ist die falsche Einstellung. Viele Leute helfen gerne, wenn man sie
bittet, einen weiterzuvermitteln. Sie
müssen ja nicht selbst aktiv werden,
sondern eventuell nur einen kennen,
der einen kennt …
D
er Coach und Personaltrainer Oliver
Fritsch,
Jahrgang
1962, lebt mit seiner
Familie seit sieben
Jahren in Idaho/USA. Im Jahr 2001
wurde er von einem Tag auf den
anderen arbeitslos. Der studierte
Ökonom war Marketingchef bei einem Start-Up-Unternehmen in den
USA. Mit seinem Buch „Alles anders“ will er nicht nur Menschen
helfen, die ihre Arbeit verloren haben, sondern auch denjenigen, die
mit ihrer aktuellen Arbeit und ihrem
Leben unzufrieden sind. Fritschs
Eltern machen seit 20 Jahren Urlaub in Guardamar. Der Rundschau gab er bei einem Besuch in
Torrevieja ein Interview.
Herr Fritsch, können Sie sich
noch an den Moment erinnern, als Sie Ihren Job verloren haben?
Mein Chef sagte mir, dass Ende
der Woche mein letzter Arbeitstag
sei. Danach gab‘s für drei Monate
200 Dollar pro Woche vom Staat.
Ich bin mit 40 auf dem Höhepunkt
meiner Karriere aus dem Job geflogen. Es hat zwei Monate gedauert, bis ich diesen Schock verdaut habe. Der 11. September kam
auch noch dazu, keine Firma in den
USA hat einen eingestellt.
Ist ihr Buch nur für Arbeitslose geeignet?
Es geht um Menschen, die Angst
haben oder unzufrieden sind. „Wirst
du gelebt oder lebst du schon?“ –
das ist die zentrale Frage des Buches. Es geht darum, sich aus jeglicher Fremdbestimmtheit zu lösen.
Ich muss mich fragen, wo ich abhängig bin, finanziell und persönlich. Wie flexibel bin ich wirklich?
Wichtig ist, eine Vision zu entwickeln und ein klares Ziel zu haben.
Oliver Fritsch entwirft Übungen wie die des Balance-Rads
(unten). Es soll eine Standortbestimmung in Sachen Lebenszufriedenheit ermöglichen (Erläuterungen im darunter stehenden Kasten). FOTO: T.Z.
Leider bin ich doch entlassen
worden, was kann ich jetzt tun?
Das schwierigste ist, die Isolation
zu durchbrechen. Dazu dienen unsere Seminare oder die Internetplattform, bei der man sich anmelden
kann. Die Leute merken, sie sind
nicht alleine. Sich zurückzuziehen
ist falsch. Am besten schmeißt man
seinen Fernseher weg. Dann ist es
wichtig, zu telefonieren, Netzwerke
zu bilden.
Was haben Sie dann getan?
Wenn dir das Wasser ökonomisch
bis zum Hals steht, kannst du eine
einfache Rechnung aufstellen: Wir
hatten eine bestimmte Geldverbrennungsrate pro Monat, für Haus, Auto und so weiter. Ich habe ausgerechnet, dass wir in sieben Monaten
auf Null stehen. Dann habe ich mich
auf meine Stärken besonnen und mit
zwei Partnern eine Marketing-Firma aus der Taufe gehoben. Parallel
dazu ist das Buch entstanden.
Auf ihrer Karte steht „Denkzeuge“, in ihrem Briefkopf
„Weltverbesserer“...
„Denkzeuge“ sind Werkzeuge für Wissensarbeiter, leicht verständlich, problemorientiert
und schnell anzuwenden
– wie das Buch. Den „Weltverbesserer“ habe ich eher nebenbei
in mir entdeckt. Ab einem gewissen Alter willst Du auch etwas Gutes für andere tun, nicht
nur ein Produkt entwickeln.
Was wollen Sie Ihren Lesern
mitteilen?
Ich versuche, ihnen zu sagen: Leute, ihr müsst aktiv werden, wartet
nicht, was die Politiker machen,
was der Arbeitgeber für euch entscheidet oder euch das Amt zuweist. Das kann man von den Amerikanern lernen: Die sind flexibel
und übernehmen mehr Selbstverantwortung. Ich will die Leute aus
der Mühle des Abwartens herausbringen. In Amerika gibt es keinen
Kündigungsschutz, dadurch sind
die Arbeitnehmer automatisch ein
bisschen wacher, überlegen ständig, was sie tun können, um ihren
Arbeitsplatz zu behalten, wie sie
für Unternehmen interessant bleiben können.
Was sind die häufigsten Fehler
bei der Jobsuche?
Viele verlassen sich zu sehr auf
das Internet und ihre Bewerbungsunterlagen. Du musst aber rausgehen und Kontakte knüpfen. Es gibt
ständig tausende Stellen, die nie
ausgeschrieben werden. Dein Job
muss es sein, diese Stellen zu finden. Jedes Jahr wechseln sieben
Millionen Menschen ihren Arbeitsplatz, das heißt, sieben Millionen Stellen werden frei, sieben
Millionen werden neu besetzt.
Um dich effektiv zu bewerben,
S TA N D O R T B E S T I M M U N G
DAS RAD DES LEBENS – EINE ÜBUNG
In „Alles anders“ beschreibt und
erklärt Oliver Fritsch Übungen
wie die des oben abgebildeten
„Balance-Rads“. Es soll helfen,
einen Überblick über das eigene
Leben zu verschaffen.
Erläuterung:
Zeichnen Sie das Balance-Rad ab
und bewerten Sie auf einer Skala
von 0 bis 100 Prozent die einzelnen
dort genannten Bereiche. 0 Prozent
ist im Zentrum und steht für einen
niedrigen Befriedigungsgrad, 100
Prozent ist nahe am Ende der Speichen und steht für hohe Befriedigung. Denken Sie ein paar Minuten
über jeden Bereich nach. Dann setzen Sie jeweils an jener Stelle der
Speiche einen Punkt, an dem Sie
glauben, dass er ihren gegenwärtigen Befriedigungsgrad am besten
repräsentiert. Nach Bewertung aller
Bereiche verbinden Sie die Punkte
mit einer Linie. Sie verfügen nun
über ein Abbild Ihrer Selbstreflexion. Stellen Sie sich nun dieses
Rad als Einrad vor. Wäre dies eine
holprige oder eine ruhige Fahrt?
Wenn Ihr Rad über einige robuste Speichen verfügt, in anderen
Bereichen jedoch eher mager aussieht, können Sie versuchen, diese
mageren Abschnitte aufzupolstern.
Markieren Sie jene zwei bis drei
Bereiche, die Sie am liebsten verbessern würden. Schreiben sie sich
das Datum der Übung auf, und malen Sie an jedem Geburtsag ein
neues Balance-Rad.
Was macht „Alles anders“ denn
wirklich anders im Vergleich
zu den üblichen Ratgebern?
Viele Bücher sagen mir, wie ich ein
Ziel erreiche, aber nicht, wie ich herausfinde, was ich will. Das ist aber für
mich das wichtigere Buch. Alles was
ich in meinem Buch mache ist, 15 unbequeme Fragen zu stellen. Aber das
Beantworten erfordert richtige Arbeit. Ich kann das Buch nicht einfach
durchlesen und ein anderer Mensch
werden. Außerdem gibt es bei uns eine Internetplattform, die von derzeit
500 Leuten genutzt wird. Der individuelle Zugangs-Code steht hinten in
jedem Buch. Ich bin ebenfalls ständig erreichbar für jeden aus der Gemeinschaft. Wichtig ist erstens, das
Ergebnis aufzuschreiben und zweitens, es der Comunity mitzuteilen.
Dann kann ich mich nicht zurücklehnen, sondern erfahre einen positiven
Handlungsdruck durch andere.
Wie finde ich heraus, was ich
will?
Nehmen Sie das Rad (siehe Abbildung und Kasten). Es ist ein Analysewerkzeug, das mir im Wesentlichen zeigt, wie glücklich ich in
jedem dieser Lebensbereiche bin.
Ich zeichne das ein, verbinde die
Linien und erzeuge ein Diagramm.
Das Rad muss aber nicht rund sein.
Wichtig ist die Zufriedenheit. Ein
Schuhhersteller aus Thailand hat damit zum Beispiel herausbekommen,
dass er genau das macht, was er will.
Aber jetzt weiß er es sicher und dafür hat er sich bei mir bedankt.
Helfen Sie, positiv zu denken?
Nein, das positive Denken alleine
ist nett, aber Quatsch. Das Problem
entsteht dann, wenn die Leute überzogene Ansprüche haben, die sie nie
erreichen. Das macht auf Dauer klinisch depressiv. Mir geht es darum,
den inneren Schweinehund des Abwartens zu überwinden. Für mich
zählen Taten, neues Wissen und besseres Networking. Mein Buch zeigt,
wie das geht.
Das Buch „Alles Anders“ von Oliver Fritsch ist im MVG-Verlag,
Frankfurt am Main, erschienen
und kostet 15,80 Euro. (ISBN-Nr.
3-478-73170-4). Infos im Internet:
www.alles-anders.com.