Gottesdienst zum Wechsel im Amt der Vorstandsoberin

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Gottesdienst zum Wechsel im Amt der Vorstandsoberin
Gottesdienst zum Wechsel im Amt der Vorstandsoberin
Von: Pfarrer Horst Leckner
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater und unserem Herrn Jesus Christus. Amen
Liebe Frau Oberin Muxfeldt, liebe Frau Oberin Schlecht, liebe Oberinnen, liebe Schwestern, liebe
Festgemeinde,
ein Wechsel im Amt einer Oberin ist etwas Besonderes und zugleich etwas, das einiges an
Veränderungen mit sich bringt. Ein Wechsel im Amt der Vorstandsoberin betrifft alle im Diakonieverein
und hat Auswirkungen auf die Beziehungen zu den Vertragspartnern sowie zu allen, die mit dem
Diakonieverein zu tun haben. Da ist - ganz im Sinne Friedrich Zimmers - die Anpassung an die
zeitbedingten Verhältnisse genauso gefragt, wie die Wahrung der Kontinuität, die Stabilität und
Sicherheit gibt. Ein Wechsel meint also nicht, dass sich damit alles prinzipiell verändert und anders
wird. Vielmehr gilt es nachzusehen, was sich bewährt hat, was unverzichtbar und nötig ist; und was
der Anpassung bedarf. Das klingt recht einfach und plausibel. Aber woran entscheidet sich, was
unverzichtbar ist und was angepasst werden sollte? Welche Maßstäbe, welche Kriterien legen wir an?
Die Antwort wird davon abhängig sein, von welcher Warte aus wir auf diese Fragen blicken. Im
Diakonieverein ist die Blickrichtung von unserem Glauben her geprägt. Darum sind die Oberinnen der
Botschaft des Evangeliums verpflichtet. Von daher ergeben sich die Kriterien für Gelingen und
Misslingen quasi von selbst: sie stehen in der Bibel. Zwei Texte aus ihr haben wir vorhin gehört:
Ausschnitte aus Psalm 37 und aus dem Johannesevangelium aus dem 15. Kapitel. So unterschiedlich
beide auch sein mögen, sie bieten doch gute Anhaltspunkte für das Leben und Arbeiten im Auftrag
Gottes. Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird´s wohl machen. Das ist ein großes
Anliegen, das hier zum Ausdruck kommt. Wir sind es so sehr gewohnt, nach Abschlüssen und
Qualifikationen zu fragen, dass wir oft aus den Augen verlieren, wovon der Psalm hier spricht:
Nämlich, dass wir von unseren Fähigkeiten und unserem Können einmal absehen, und zunächst
danach fragen, was Gott für Wege und Pfade für uns vorgesehen hat. Die Antwort Gottes kann unter
Umständen ganz merkwürdige Formen annehmen.
Ich erinner mich, was Sie, liebe Frau Oberin Muxfeldt, erzählt haben: Dass Sie eines Tages, als
junge Frau, vor Ihrer damaligen Oberin standen und diese Ihnen gesagt hat, was Gottes Wille mit
Ihnen sei. Schlagfertig, wie Sie sind, haben Sie geantwortet: „Das finde ich komisch. Ich bete und
frage Gott, was er mit mir vorhat und Ihnen antwortet er.“ Aber wer weiß, vielleicht hören wir
tatsächlich die wesentlichen Dinge aus dem Munde der Anderen? Vielleicht wissen sie wirklich
besser, wohin unsere Reise geht, als wir selbst es tun. Ich denke da auch an die vielen Überlegungen
und Abwägungen, die es braucht, um sich zur Wahl zur Vorstandsoberin zu stellen. Da sind es in
erster Linie auch die Anderen, die einem dieses Amt mit all seinen Lasten und Bürden zutrauen.
Gottes Berufung kann eine innere Klarheit, ein tiefes innere Wissen sein. Sie kann aber auch in den
Worten der Mitmenschen zu uns kommen. So oder so ist es gut, all unsere Belange, allzumal wenn
sie auch andere Menschen betreffen, in die Hände Gottes zu legen, und auf ihn zu hoffen. Das ist
eine deutliche Absage an den Machbarkeitswahn vieler in unserer Gesellschaft. Anders als sie und
ihre Entscheidungen ist Gott unberechenbar. Deshalb kann man sein Eingreifen auch nur im
Vertrauen darauf ertragen, dass er es wohl machen wird. Nur, wie kann man unterscheiden? Wie
können wir sicher sein, dass die Stimme, die zu uns dringt, verlässlich und recht ist? Hier bietet uns
der Johannestext Hilfe. Er spricht davon, in der Liebe Jesu zu bleiben. Ich glaube, dass anders die
Aufgaben einer Oberin auch nicht zu bewerkstelligen sind. Die Liebe ist die Brille, durch die wir unsere
Mitmenschen wahrnehmen. Ich meine nicht die rosarote. Auch nicht die, die alles in einen Schleier
hüllt, so dass man keine Konturen mehr erkennen kann. Im Gegenteil, durch die Brille Jesu sieht man
klar und scharf. Die Sorgen und Nöte, die Ängste und Bedürfnisse der Menschen liegen sichtbar vor
denen, die durch die Augen Jesu sehen. Die Liebe schlägt daraus kein Kapital. Sie nutzt dieses
Wissen nicht aus. Vielmehr geht sie auf die Menschen zu und geht auf sie ein. Es ist die Art der
Begegnung, die Art des aufeinander Zugehens, die den Unterschied macht zwischen dem in der Liebe
bleiben und dem Nutzen des eigenen Vorteils. Jesu Aufruf zur Liebe macht uns also weder blind für
die Realitäten des Lebens, noch lässt sie zu, dass wir unser Wissen und unsere Fähigkeiten für
eigensüchtige und egoistische Machenschaften einsetzen. Nicht, dass wir die Nöte und Bedürfnisse
der Anderen erkennen, ist das Entscheidende. Obwohl wir auch das können müssen. Vielmehr kommt
es darauf an, wie wir mit unserem Wissen umgehen.
Sie, liebe Oberinnen, können ein Lied davon singen, wie sich das Wissen über Menschen auf die
eine oder andere Weise gebrauchen lässt. In Ihren bisherigen Bereichen haben Sie diesbezüglich
schon einiges erlebt. Für uns Christen bedeutet die Aufforderung Jesu, in der Liebe zu bleiben, dass
die Mitschwestern und Brüder, anders als es in einem hierarchisch strukturierten Betrieb der Fall ist,
Freundinnen und Freunde, sind. Sie sind nicht Untergebene und Befehlsempfängerinnen bzw.
Befehlsempfänger. Das zu leben, das umzusetzen, wird für eine Oberin immer wieder eine
Herausforderung bleiben. Eine Herausforderung, die manchmal zu überfordern scheint. Dafür gibt uns
der Psalm auch einen guten Hinweis, wie wir die geforderte Nächstenliebe umsetzen können: Bleibe
fromm und halte dich recht; denn einem solchen wird es zuletzt gut gehen. Wohlgemerkt, hier steht
nicht: halte den Mund und lass dir alles gefallen. Bleibe fromm und halte dich recht meint vielmehr,
dass wir uns an die Vorgaben Gottes erinnern sollen um sie dann einzuhalten. Kurz Innehalten, mal
Luft holen, zur Besinnung kommen und überlegen, was mit der christlichen Botschaft vereinbar ist, ja,
welches Verhalten meinem Glauben entspricht. Das meint fromm sein. Daraus erwächst die rechte
Tat. So zu handeln ist eine große Kunst. Denn bei den Anforderungen des immer schneller
werdenden Alltags ist kaum noch Zeit zur Besinnung und zum Luft holen und Innehalten. Da muss
man auf Knopfdruck funktionieren. Vielleicht kann der Evangelische Diakonieverein aufgrund der ihn
tragenden Botschaft andere Zeichen setzen. Vielleicht ist es gerade der Umgang miteinander, der
unseren diakonischen Auftrag spürbar werden lässt. Auch für andere spürbar werden lässt.
In dem Zusammenhang nimmt die Position der Oberin eine ganz besondere Stellung ein. In allen
Organisationen ist das Verhalten und der Umgang der Leitung ausschlaggebend für das sog.
Betriebsklima. Wer da von Schwesternschaft spricht, muss auch Schwesternschaft leben. Wer von
einem christlichen Umgang miteinander redet, die oder der muss ihn in der täglichen Arbeit umsetzen.
Damit werden Zeichen und Standards gesetzt. Hinein in den Diakonieverein und hinein in die Häuser
der Kooperationspartner. Wem das zu groß erscheint, der höre aufmerksam auf die Worte Jesu: Nicht
ihr habt mich erwählt, sondern ich habe euch erwählt und euch dazu bestimmt, dass ihr hingeht und
Frucht tragt und eure Frucht bleibt, so dass euch gegeben wird, um was ihr Gott in meinem Namen
bitten werdet. Deshalb bleibt nicht alles an Ihnen hängen, liebe Oberinnen. Sie können, ja, Sie sollen
sogar abgeben. Sie sollen im Namen Jesu Gott bitten. Dazu muss man aber wissen, was man bitten
soll. Dessen bedarf es reiflicher Überlegung und intensiver Meditation. Deshalb ist Rückzug und
Einkehr und Gebet kein Luxus für eine Oberin, sondern wesentlicher Bestandteil ihrer Arbeit, so sie
denn in Verantwortung vor den Menschen und Gott wahrgenommen wird. Diese Phasen gehören zu
ihrem Dienst, wie die Besprechungen, Konferenzen und die Schreibtischarbeit. Wer als Oberin etwas
für die Schwestern und Pfleger tun will, um ihnen den Dienst auf Station oder in der Leitung und
Schule zu erleichtern, die muss auch hier Zeichen setzen. Gott ruft Sie, liebe Oberinnen, Gott ruft uns
alle in den Dienst. Wohin wir gestellt sind, sollen wir nach bestem Wissen und Gewissen unsere
Aufgabe erfüllen. Sei es im Vorstand des Evangelischen Diakonievereins, sei es im Ruhestand in
Indien oder Nepal, sei es im Berufsstand am Krankenbett oder anderenorts. Für uns alle zusammen
gilt: Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird´s wohl machen.
So wünsche ich Ihnen, liebe Frau Oberin Muxfeldt, liebe Frau Oberin Schlecht, dass Sie im
Vertrauen auf diese göttliche Wegbegleitung frohgemut und sicher in die vor Ihnen liegende Zukunft
gehen werden. Und der Friede Gottes, welcher höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und
Sinne in Christus Jesus, unserem Herrn. Amen