Zimmermann-Bremsscheiben (gelocht) vorn einbauen

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Zimmermann-Bremsscheiben (gelocht) vorn einbauen
Da dieser Beitrag von Arbeiten an einer sicherheitsrelevanten Baugruppe handelt und keine Haftung bei Nachahmung
übernommen werden kann, ist der Inhalt dieses Dokumentes als „Erlebnisbericht“ aufzufassen und nicht zur
Verwendung als verbindliche Arbeitsanleitung vorgesehen!
1. Hintergrund
Schon seit einiger Zeit, genauer seit vier Wochen, leuchtete von Zeit zu Zeit die Bremsbelagverschleiß-anzeige
auf; im Stand und immer öfter auch beim Bremsen während der Fahrt. Es gibt ja ein gewisses Maß an Reserve,
nämlich die Dicke der Verschleißanzeige; und da die alten Klötze nun seit Mai 2002 oder fast 2 Jahre mit einer
Laufleistung von etwas über 50 tkm drinnen waren, war meiner Meinung nach noch kein unmittelbares Risiko
vorhanden.
Aber diese hässliche, gelbe Kontrollleuchte wollte ich nicht mehr sehen:
Da beim Blick durch die Alu-Felgen nicht nur die Beläge zu wechseln waren, sondern offensichtlich auch die
Bremsscheiben immer dünner wurden und zudem einen Rand aufwiesen, musste alles raus.
Mit der Gesamt-Bremsleistung meines E280T Baujahr 4/94 FG Nr. 320309 (Durchmesser der Scheiben 284 mm,
Dicke 22 mm) war ich allerdings unzufrieden, doch der im Forum propagierte Wechsel auf die Vierkolbenanlage des 320er (Durchmesser 295 mm; Dicke 25 mm) ist, auch ohne Eintragung in die Papiere, nur mit
erheblichem Aufwand verbunden, vgl. den Erfahrungsbericht zum Umbau unter
http://w124archiv.de/texte/werkzeugkiste/fahrwerk/Bremsenumbau.html
Dann schwärmte aber ein Forumsmitglied von Zimmermann-Sportbremsscheiben. Ich erkundigte mich direkt
im Web und wurde zwecks Angebot an Nordmann Bremsen hier im Norden verwiesen (04103 – 4274,
[email protected]), die die folgende Rechnung aufstellten (die ersten drei Zeilen, der Rest sind DCund Zubehörpreise):
Artikel Nr.
Einzelpreis
Anzahl
Gesamt
inkl. MwSt.
Bremsscheibe, gelocht, VDS 1405
400.1405.50
61,27
2
122,53
142,14
Bremsklotzsatz, EBC Kevlar Standard
20941 19.40
40,73
1
40,73
47,25
1
5,17
6,00
2
8,20
9,51
Versand
Verschleißgeber
A 201 540 0317
4,10
Bremssattelschrauben
A 124 421 0471
1,51
4
6,04
7,01
Sicherungsschrauben
A 201 421 0171
0,72
2
1,44
1,67
ATE Plastilube, Zub.
5,09
1
5,09
5,90
Bremsenreiniger, Zub.
3,02
1
3,02
3,50
Schraubensicherung Loctite
5,99
1
5,99
6,95
198,21
229,93
Gesamt
Bei DC hätte die Rechnung für Original Bremsklötze und –scheiben wie folgt ausgesehen:
Artikel Nr.
Einzelpreis
Anzahl
Gesamt
inkl. MwSt.
Bremsscheibe belüftet
A 124 421 1612
43,96
2
87,92
101,99
Bremsklotzsatz
A 000 420 9920
43,96
1
43,96
50,99
Verschleißgeber
A 201 540 0317
4,10
2
8,20
9,51
Bremssattelschrauben
A 124 421 0471
1,51
4
6,04
7,01
Sicherungsschrauben
A 201 421 0171
0,72
2
1,44
1,67
5,09
1
5,09
5,90
152,65
177,07
ATE Plastilube, Zub.
Gesamt
Fairerweise muss gesagt werden, dass ein Bremsenreiniger bei Verwendung von Originalersatzteilen
normalerweise nicht erforderlich ist, da der Korrosionsschutz auf den DC Bremsscheiben nicht fettet und
während der Fahrt abgebremst werden kann.Sobald aber zum Lösen von Schrauben Kriechmittel verwendet
wird, sollte (lies: muß!) auch hier entfettet werden. Und die Schraubensicherung von Loctite sollte man eh’
parat haben, falls eine Schraube wiederverwendet werden muss.
Damit sollen die Zimmermann-Sportbremsscheiben rund 50 mehr kosten als die Originale. Ein
verschmerzbarer Aufwand, den ich mit der Option auf eine deutlich bessere Bremswirkung gerne eingegangen
bin.
Also Bestellung raus (Vorkasse oder Nachnahme) und nach zwei Tagen hatte ich folgendes Sortiment auf dem
Küchentisch parat:
Man kann hier sehr deutlich die Lochung der Scheibe erkennen. Diese Löcher sind mit einer Fase ver-sehen,
durch die die Mindestdicke angezeigt wird. Ist sie weg, dann müssen neue Scheiben her. Sehr praktisch,
dadurch wird das langes Nachmessen mit der Schieblehre überflüssig gemacht.
Die Bremsscheiben für meinen Typ 088 kamen mit eine ABE für die Baureihe 124, z.B. E081/1. Sie können aber
auch im W201 2.3L mit der ABE C750 1-3 verbaut werden.
2. Der Wechsel, 21. Februar 2004
Bevor ich mit der Beschreibung selbst beginne, muss folgender Sicherheitshinweis gegeben werden:
Das Arbeiten an sicherheitsrelevanten Bauteilen wie Bremsanlagen darf nur von entsprechend ausgebildetem Personal
vorgenommen werden!
Am Samstag morgen, 21. Februar 2004, war es dann soweit. Ein klarer, trockener Tag, nur frostig kalt.
Zuerst gestaltete es sich wie geplant. Wagen links vorne hochbocken, sichern und Rad herunter. Dann die
Verschleißanzeige herausschrauben, die Befestigungsschrauben des Schwimmsattels heraus-drehen, und den
Bremssattel nach oben wegklappen. Dann liegen die Bremsklötze frei, und sie können herausgenommen
werden. Sie waren in der Tat am Ende.
Dann ein erster Versuch mit dem 19er Schlüssel, um die Befestigungen der Bremszange zu lösen. Klappte aber
nicht. Erst viele Versuche später und nach der Verwendung eines Kriechmittels (WD-40) sowie ausreichend
dimensionierter Verlängerungen gaben die Schrauben nach und ließen sich herausdrehen.
Die Bremsscheibe selbst war mit einer Paß-Schraube (Inbus) sowie zwei Paß-Stiften, die sich mit einem Dorn
herausschlagen lassen, auf der Nabe fixiert. Doch dann - fast der GAU. Die Scheibe saß fest, bombenfest auf
der Nabe und bewegte sich nicht einen Millimeter:
Also wieder WD-40 an alle erreichbaren Stellen eingebracht, ein paar Minuten gewartet und dann nach-einander
mit dem Plastikhammer – der splitterte leider wegen der Kälte weg, - einem 400 g Hammer und einem 1,5 kg
Fäustel die Scheibe bearbeitet: Null-Wirkung. Da war denn bei mir guter Rat teuer.
Schließlich nahm ich (einen Schweißbrenner habe ich nicht) Zuflucht bei meinem Heißluftfön, mit dem ich
einen Viertelstunde lang die Bremsscheibe erwärmte. Sie wurde zwar außen nur knapp handwarm, aber es
reichte: Zwei weitere Überzeugungsschläge mit dem Fäustel – und ab war sie!
Danach klappte alles wie am Schnürchen: Die neue Bremsscheibe entfettet, den Bremssattel und die
Bremszange mit der Drahtbürste vorsichtig gereinigt, den Bremskolben zurückgedrückt (dabei immer auf
Parallelität achten oder eine spezielle Zange verwenden), sparsam Plastilube auf den Gleitflächen eingesetzt,
die EBC Kevlar Standard-Bremsbeläge an den oberen und unteren Reibflächenkanten mit der Feile gebrochen,
um etwaiges Quietschen im Ansatz zu vermeiden sowie ebenfalls sparsam auf der Rückseite und an den
Gleitflächen mit Plastilube gefettet.
Achtung: Die Reibflächen müssen immer fettfrei und trocken bleiben, niemals fetten oder mit Fettfingern
berühren!
Nach diesen Vorbereitungen wurde die neue Bremsscheibe – entfettet - auf die Nabe gesetzt, die neue InbusPaßschraube eingedreht, die gereinigten beiden Paß-Stifte eingeschlagen – und die neue Scheibe saß fest.
Jetzt konnte die Bremszange mit neuen Schrauben und dem vorgeschriebenen Moment (115Nm lt. WIS)
festgeschraubt werden. Schließlich wird in den inneren Bremsklotz der neue Verschleißanzeiger eingeklipst
und alles zusammen auf die Zange, an die Scheibe gesetzt. Vom Schwimmsattel wird erst die obere 8mm
Schraube (neue Schraube oder immer neues Schraubensicherungsmittel verwenden!) eingeschraubt, dabei
wird die Innenmutter mit dem 15er Schlüssel gegengehalten. Danach die Untere. Der Verschleißanzeiger wird in
den Verbindungsstecker eingesteckt und dieser mit dem Bremssattel verschraubt. Noch eine Kontrolle der
Bremsscheibe innen wie außen auf Schmutz, Öl und Fett.
Fertig!
Bislang sind drei Stunden vergangen, also deutlich mehr als ich ursprünglich veranschlagt hatte. Aber so ist
es immer: Planung ist der Ersatz des Versuchs durch den Irrtum!
Jetzt konnte ich also wieder den Reifen aufsetzen, vorsichtig das Bremspedal betätigen, bis der Druck
vollständig aufgebaut wurde und mir danach das rechte Rad vornehmen.
Alles wie gehabt: Hochbocken, Rad ab, Wagen sichern, Bremssattel ab, Bremszange ab – alles ging auch
schon etwas schneller, wohl, weil ich alle Verlängerungen parat hatte. Dann kam aber die größte Überraschung: Zwei, drei kräftige Schläge mit dem Fäustel – und die Bremsscheibe löste sich. Auch ohne
Erwärmen:
Der Rest ging dann auch viel leichter von der Hand, und schon bald sah die rechte Radaufhängung so aus:
3. Freude
Nachdem alles wieder zusammengeschraubt war, sorgfältig überprüft und gegen Lösen gesichert und auch
keine Kleinteile übrig geblieben waren, ließ ich meinen Wagen wieder herunter, zog alle Radmuttern mit 110 Nm
fest und machte den Probelauf. Keine gelbe Kontroll-Leuchte störte mehr das Auge:
Insgesamt hat die Reparatur etwa vier Stunden gedauert, zum Glück war es trocken und klar. Nur die
Temperatur stieg nur wenig an, von minus 2 Grad C am Morgen auf jetzt plus 0,5 Grad C – wahrlich keine
richtige angenehmen Arbeitsbedingungen. Aber immer noch besser als Regen oder Schnee.
Bei der Probefahrt stellte ich ein deutlich härteres Pedalgefühl fest, der Pedalweg ist kürzer; sehr positiv.
Dieses ist eventuell auf das Fehlen der Absätze an den alten Bremsscheiben zurückzuführen.
Die neuen Beläge und Scheiben werde ich jetzt auf den nächsten 300 km vorsichtig einbremsen. Schon jetzt
bremsen sie besser aus höherer Geschwindigkeit als die Alten – das ist aber wohl auch kein Wunder. Es ist
allerdings ein minimales Schaben zu spüren, eher zu hören, was sich hoffentlich nach dem Einfahren legen
wird.
Ich bin auf die Langzeiterfahrung gespannt, insbesondere, wie es sich mit dem Bremsstaub und der Haltbarkeit
der Scheiben und Klötze entwickelt.
© Christian E280T [WL] + lutzedd61