meldeverfahren - BKK Gildemeister Seidensticker
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AUSGABE 3 | 2012 MELDEVERFAHREN Die neuen regelungen bEwERbuNgsMANAgEMENt unD Datenschutz AktuELLE bFH-REcHtspREcHuNg oNLiNEpoRtAL psygA ist ein voller erfolg EDITORIAL Liebe Leserin, lieber Leser! Im April dieses Jahres haben wir unseren Mitgliedern dank unserer soliden Finanzlage eine Prämie in Höhe von mindestens 50 Euro für 2011 in Aussicht gestellt. Jetzt geben wir den Startschuss für die Auszahlung: Im Oktober erhalten Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren persönlichen Prämien-Verrechnungsscheck – mit bis zu 60 Euro pro Mitglied! Doch wir gehen noch einen Schritt weiter: Seit dem 1. Juni 2012 gehören osteopathische Behandlungen ebenso zu den Extraleistungen der BKK GILDEMEISTER SEIDENSTICKER wie die Kostenerstattung für alternative Arzneimittel. Frank Jessen, Vorstand Und noch eine Neuerung in Sachen Pflegereform: Die Bundesregierung hat sich auf einen Kompromiss in der Finanzierung der geplanten Pflegezusatzversicherung geeinigt. Demnach soll jeder, der eine private Zusatzversicherung abschließt, ab 2013 einen Zuschuss von 5 Euro monatlich erhalten. Eine angenehme und informative Lektüre wünscht Ihnen Ihr KURZ UND KNAPP 3 Aktuelles 11 Vom Werkstudenten zum High Potential – versicherungsrechtliche Beurteilung BETRIEBLICHES GESUNDHEITSMANAGEMENT 20 Onlineportal psyGA ist ein voller Erfolg SCHWERPUNKT ARBEITSRECHT 4 13 Aktuelle Urteile SCHLUSSPUNKT 14 Bewerbungsmanagement und Datenschutz 22 In letzter Minute, Buchtipp Meldeverfahren – die neuen Regelungen SOZIALVERSICHERUNG 8 2 Jugend- und Bundes freiwilligendienst – sv-rechtliche Regelungen BKK Service 3/2012 STEUERRECHT 18 Aktuelle BFH-Rechtsprechung zum Lohnsteuerrecht 23 Impressum KURZ UND KNAPP Optimiertes Meldeverfahren in der Sozialversicherung (OMS) Elektronische Lohnsteuerkarte Unter dem Titel „Optimiertes Meldeverfahren in der Sozialversicherung“ (OMS) läuft derzeit ein bundesweites Projekt zur Vereinfachung der Meldeverfahren in der Sozialversicherung. Dabei sollen die Erfahrungen aus dem abgesetzten ELENA-Verfahren berücksichtigt werden. Weitere Informationen finden Sie unter www.project-oms.de Als Verfahrensstart für die elektronische Lohnsteuerkarte ist nun der Januar 2013 geplant. Details hierzu lesen Sie in der Dezemberausgabe des BKK Service. Bescheinigungen elektronisch annehmen (BEA) ++ Zu wenig Wertschätzung macht Mitarbeiter unzufrieden Parallel zu OMS geht ein weiteres Projekt bei der Bundesagentur für Arbeit an den Start: Bescheinigungen elektronisch annehmen (BEA). Dabei geht es um die Datenübermittlung für Arbeitsbescheinigungen und Nebeneinkünfte und um die optionale Möglichkeit, auf Anforderung von Arbeitnehmern Bescheinigun- gen elektronisch zu erstellen und direkt an die Bundesagentur für Arbeit zu übermitteln. BEA soll nach dem Willen des Gesetzgebers voraussichtlich im Januar 2014 an den Start gehen. Bis dahin müssen jedoch die gesetzlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden. Zu seltene Mitarbeitergespräche, geringe Anerkennung von Leistungen, fehlende Perspektiven – die deutschen Arbeitnehmer stellen ihren Vorgesetzten kein gutes Zeugnis aus. Die schwachen Kommunikationsleistungen werden meist als mangelnde Wertschätzung interpretiert. Das führt besonders bei Leistungsträgern zu Loyalitätsabbau und innerer Kündigung. Dies ergab eine Studie der Personalberatung Rochus Mummert. Soziale Netzwerke als Karriereturbo? Mitarbeiter, die soziale Netzwerke und Tools nutzen, sind beruflich erfolgreicher. Das ergab eine im Auftrag von Google erstellte Studie des Marktforschungsinstituts Mill ward Brown unter 2.700 Arbeitnehmern aus sieben europäischen Ländern, darunter 520 aus Deutschland. 42 Prozent der deutschen Studienteilnehmer gaben an, durch soziale Netzwerke Informationen und Personen schneller finden zu können. 27 Prozent helfen die Tools, Umfang und Menge ihrer E-Mails zu reduzieren. Leitende Angestellte nutzen die neuen Kommunikationsmöglich- keiten mit 78 Prozent intensiver als Nachwuchskräfte, bei denen die Quote nur 49 Prozent beträgt. Auch die Karriere scheint von der Vernetzung zu profitieren. 79 Prozent der Social Networker in Deutschland wurden nach eigenen Angaben erst kürzlich befördert. Von den Mitarbeitern, die auf solche Tools verzichten, waren es nur 54 Prozent. Zudem würden 62 Prozent jener, die am Arbeitsplatz soziale Netzwerke nutzen dürfen, ihren Arbeitgeber sehr wahrscheinlich weiterempfehlen – ist die Nutzung untersagt, sinkt die Quote auf 47 Prozent. BKK Service 3/2012 3 4 BKK Service 3/2012 SCHWERPUNKT Meldeverfahren – die neuen Regelungen Neue Meldegründe und Personengruppenschlüssel – ein Überblick Betriebsdatenpflege – neue Meldegründe seit 1. Juni 2012 Der Betriebsnummern-Service der Bundesagentur für Arbeit stellt nach wie vor eine hohe Zahl fehlerhafter Änderungsmeldungen zu den Betriebsdaten fest. Neue Meldegründe sollen Abhilfe schaffen. Beim Antrag auf Vergabe der Betriebsnummer für den Betrieb bei der zuständigen Servicestelle der Bundesagentur für Arbeit werden die Betriebsdaten des Unternehmens erhoben. Änderungen dieser Betriebsdaten sind vom Arbeitgeber unverzüglich zu melden. Um diese Fristvorgabe zu erfüllen, genügt es, wenn die Übermittlung jeweils mit den Beitragsnachweisen erfolgt. Elektronische Übermittlung als Option Im automatisierten Meldeverfahren der Sozialversicherung ist es dem Arbeitgeber möglich, unter Nutzung des Datensatzes DSBD alle relevanten Änderungen im Rahmen des eingesetzten systemgeprüften Entgeltabrechnungsprogramms oder der systemgeprüften Ausfüllhilfe zu übermitteln. Das soll der Arbeitserleichterung für diejenigen Unternehmen dienen, die Übersicht der zulässigen Meldegründe 11 Änderung der Betriebsbezeichnung 12 Änderung der Anschrift 13 Änderung des Status-/Ruhend-Kennzeichens 14 Änderung des Ansprechpartners 15 Änderung der abweichenden Korrespondenzadresse (zurzeit noch nicht möglich) 16 Änderung der meldenden Stelle 17 Kombinationen aus „12“–„16“ 18 Kombinationen aus Meldegrund „11“ mit mindestens einem weiteren Meldegrund aus „12“–„16“ der Mitteilung von Änderungen auf diesem Wege ohne Aufwand und ohne Medienbruch nachkommen. Alternativ nimmt die Servicestelle aber auch weiterhin Mitteilungen online, telefonisch, per Post oder per E-Mail entgegen. Eine Besonderheit gibt es allerdings zu beachten: Wurde eine von der Betriebsanschrift abweichende Korrespondenzanschrift hinterlegt und soll diese gelöscht werden, funktioniert das elektronische Verfahren nicht. In diesem Fall ist zwingend eine manuelle Mitteilung auf herkömmlichem Weg erforderlich. Zusätzliche Angabe des Abgabe grundes Da bei der Bundesagentur für Arbeit eine hohe Zahl unbrauchbarer Meldungen eingeht, soll die Qualität der von den Arbeitgebern abgesetzten Daten verbessert werden. Dazu wurde die Aufnahme von Abgabegründen im Datensatz DSBD zum 1. Juni 2012 beschlossen. Bei einer Veränderung der Betriebsdaten ist zusätzlich ein Meldegrund anzugeben (siehe Tabelle). Übermittlung an eine Datenannahmestelle Es darf nur ein Datensatz mit einer Änderung übermittelt werden, wenn tatsächliche Änderungen bezüglich Firmenbezeichnung, Adresse, Kontaktdaten, abweichender Korrespondenzadresse und/oder Betriebsaufgabe vorliegen. Die mehrfache Übermittlung einer Änderungsmeldung ist nicht gewollt. Die Meldung soll nur an eine (beliebige) Krankenkasse bzw. die jeweils zugehörige Annahmestelle übermittelt werden. Die Daten stehen nach der Verarbeitung sämtlichen anderen Sozialversicherungsträgern (Krankenkassen, Deutsche Rentenversicherung und Bundesagentur für Arbeit) zur Verfügung. BKK Service 3/2012 5 SCHWERPUNKT UV-Grund 6 Datenbaustein Unfallversicherung – neue Meldegründe seit 1. Juni 2012 Neue Staatsangehörigkeitsschlüssel für Sudan und Südsudan Im Jahr 2014 entfällt für die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung der Lohnnachweis in Papierform als bisherige Beitragsgrundlage. Er wird durch einen von der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung aus den einzelnen Entgeltmeldungen der Arbeitnehmer erstellten maschinellen Lohnnachweis ersetzt. Um die Fehlerquote der Angaben der Arbeitgeber in den Entgeltmeldungen bis zur Einführung des maschinellen Lohnnachweises entscheidend zu senken, müssen Betriebe seit dem 1. Juni 2012 die Meldung eines unfallversicherungspflichtigen Entgeltes von 0 EUR begründen. Dazu muss ein zulässiger „UV-Grund“ geschlüsselt werden (siehe Tabelle). Die zum 1. Juni 2012 eingeführte Erweiterung wird keiner systemseitigen Überprüfung unterzogen. Die fehlende Angabe eines UV-Grundes bei einem zu meldenden unfallversicherungspflichtigen Entgelt von 0 EUR führt erst ab dem 1. Dezember 2012 zu einer Abweisung der Meldung. Infolge der am 9. Juli 2011 erklärten Unabhängigkeit der Republik Südsudan von der Republik Sudan ist eine Anpassung des Staatsangehörigkeitsschlüssels beider Staaten vorzunehmen. Die Republik Südsudan erhält die Schlüsselnummer „278“ sowie das Länderkennzeichen SSD. Die Republik Sudan erhält die Schlüsselnummer „277“ sowie das Länderkennzeichen SDN. Die bisherige Schlüsselnummer „276“ sowie das Länderkennzeichen SUD für die Republik Sudan ist für Meldungen zur Vergabe einer Versicherungsnummer, bei Anmeldungen sowie für Meldungen von Änderungen der Staatsangehörigkeit nicht mehr zulässig, kann aber in den Beständen der Sozialversicherungsträger noch enthalten sein. Sie darf für Abmeldungen und Stornierungen weiterhin verwendet werden. Erläuterung B04 Erreichen des Höchstjahresarbeitsentgeltes in einer vorangegangenen Entgeltmeldung B05 Entgelt wird in einer weiteren Meldung mit Abgabegrund „91“ gemeldet B06 UV-Entgelt wird in einer anderen Gefahrtarifstelle dieser Entgeltmeldung angegeben B09 Sonstige Sachverhalte, die kein UV-Entgelt in der Entgeltmeldung erfordern BKK Service 3/2012 Neuer Personengruppenschlüssel für Heimarbeiter ab 1. Januar 2013 Heimarbeiter haben im Krankheitsfall grundsätzlich keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen. Als Ausgleich erhalten diese Arbeitnehmer einen Zuschlag zum Arbeitsentgelt (§ 10 Absatz 1 EFZG). Hieraus ergibt sich für Heimarbeiter ein sofortiger Krankengeldanspruch ab dem Tag, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgt. Zur Feststellung des sofortigen Krankengeldanspruches benötigen die Krankenkassen die Information über die Beschäftigung als Heimarbeiter. Ferner wird die Information für das Erstattungsverfahren nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) benötigt, um auszuschließen, dass eine Erstattung im U1Verfahren an den Arbeitgeber erfolgt. Die Abgabe von Meldungen mit dem Personengruppenschlüssel „124“ ist ab dem 1. Januar 2013 verpflichtend, es wird jedoch nicht beanstandet, wenn Heimarbeiter mit dem neuen Personengruppenschlüssel (PGR) „124“ bereits ab 1. Juni 2012 gemeldet werden. Besonderheiten: Der neue PGR „124“ für Heimarbeiter gilt nicht, soweit Heimarbeiter aufgrund einer tarifvertraglichen Regelung anstatt des genannten Zuschlags zum Arbeitsentgelt den originären Anspruch auf Entgeltfortzahlung erhalten. Diese Heimarbeiter sind nicht mit dem neuen PGR „124“, sondern mit einem der übrigen PGR zu melden. Heimarbeiter, die geringfügig beschäftigt sind, werden mit dem PGR „109“ an die Minijob-Zentrale gemeldet. Erweiterung des Abgabegrundes „53“ (Unterbrechungsmeldung wegen gesetzlicher Dienstpflicht) Seit dem 1. Juli 2011 ist die Verpflichtung zum Grundwehrdienst ausgesetzt. Mit dem „Gesetz zur Änderung wehrrechtlicher Vorschriften 2011“ (Wehrrechtsänderungsgesetz 2011 – WehrRÄndG 2011) vom 28. April 2011 ist anstelle des verpflichtenden Grundwehrdienstes der freiwillige Wehrdienst getreten (§ 56 Wehrpflichtgesetz). Die Regelungen zur Ableistung des Grundwehrdienstes in anderen Gesetzen gelten für den freiwilligen Wehrdienst analog. Arbeitgeber haben insoweit bei der Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung aufgrund der Ausübung eines freiwilligen Wehrdienstes eine Unterbrechungsmeldung mit dem Abgabegrund „53“ abzugeben. Personengruppenschlüssel für Praktikanten Für Personen, die ein vorgeschriebenes Praktikum absolvieren, gelten seit dem 1. Januar 2012 folgende PGR-Besonderheiten (siehe Tabelle 1 oben). Personengruppenschlüssel für Teilnehmer an dualen Studiengängen Teilnehmer an allen Formen von dualen Studiengängen gelten seit dem 1. Janu- Praktikum (Tabelle 1) PGR Praktikum gegen monatliches Entgelt, die Geringverdienergrenze (325 EUR) wird nicht überschritten 121 Praktikum gegen monatliches Entgelt, die Geringverdienergrenze (325 EUR) wird überschritten 105 Praktikum ohne Arbeitsentgelt 105 Duales Studium (Tabelle 2) PGR Teilnehmer an allen Formen von dualen Studiengängen gelten seit dem 1. Januar 2012 als zur Berufsausbildung Beschäftigte 102 monatliches Entgelt übersteigt die Geringverdienergrenze (325 EUR) nicht 121 Studienphasen ohne Arbeitsentgelt 102 ar 2012 als zur Berufsausbildung Beschäftigte und unterliegen grundsätzlich der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Somit sind diese Personen den versicherungspflichtig beschäftigten Auszubildenden zuzuordnen und seit dem 1. Januar 2012 mit dem PGR „102“ (Auszubildende ohne besondere Merkmale) zu melden. Übersteigt das Arbeitsentgelt die Geringverdienergrenze von 325 EUR monatlich nicht, sind Teilnehmer an dualen Studiengängen mit dem PGR „121“ zu melden. Sofern in einzelnen Phasen des Studiums kein Arbeitsentgelt gewährt wird, besteht die Versicherungspflicht der Studienteilnehmer als zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte in der Renten- und Arbeitslosenversicherung durchgehend fort. In den Zeiten ohne Entgeltzahlung wird der Beitragsbemessung eine fiktive Einnahme in Höhe von einem Prozent der montlichen Bezugsgröße zugrunde gelegt. In der Krankenund Pflegeversicherung besteht in diesen Zeiten grundsätzlich eine Versicherungspflicht als zur Berufsausbildung Beschäftigter. Liegen die Voraussetzungen einer Familienversicherung vor, ist diese vorrangig einzuräumen. In diesen Phasen scheidet daher die Anwendung der Geringverdienergrenze in der Krankenversicherung aus. Daher sind Teilnehmer an dualen Studiengängen in Zeiten, in denen sie kein Arbeitsentgelt erzielen, mit dem PGR „102“ als versicherungspflichtig zur Berufsausbildung Beschäftigte in der Renten- und Arbeitslosenversicherung zu melden (siehe Tabelle 2 oben). ■ Lesen Sie ausführliche Informationen zum Meldeverfahren im BKK Extra 4 „Melde- und Beitragsverfahren zur Sozialversicherung“, www.bkk.de/ extra4 BKK Service 3/2012 7 SOZIALVERSICHERUNG Jugend- und Bundesfreiwilligendienst – sv-rechtliche Regelungen Wie sind freiwillig Dienstleistende sv-rechtlich ein zuschätzen? Rechtliche Grundlagen des Frei willigendienstes: § 8 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 bis 7 BFDG 8 BKK Service 3/2012 A m 1. Juli 2011 ist der Zivildienst ebenso wie der Grundwehrdienst ausgesetzt worden. Um die entstehende Personallücke in sozialen Einrichtungen zumindest teilweise zu schließen, wurde stattdessen der Bundesfreiwilligendienst eingeführt. Im Juni 2012 waren etwa 35.000 Personen im Bundesfreiwilligendienst eingesetzt. Seit Januar 2011 gibt es zudem den Internationalen Jugendfreiwilligendienst. Den Freiwilligendienst können alle Personen leisten, die ihre Pflichtschulzeit erfüllt haben. Sie schließen mit dem Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben mit Sitz in Köln – vormals Bundesamt für den Zivildienst – vor Beginn des Dienstes eine schriftliche Vereinbarung ab. Für Personen, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, muss der zeitliche Umfang des Dienstes dem einer Vollbeschäftigung entsprechen. Personen, die das 27. Lebensjahr bereits vollendet haben, können den Dienst auch als Teilzeitbeschäftigung mit mindestens 20 Stunden je Woche absolvieren. Die Freiwilligen dürfen nur unentgeltliche Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung oder eine entsprechende Geldersatzleistung sowie ein angemessenes Taschengeld erhalten. Als angemessen gilt ein Taschengeld dann, wenn es sechs Prozent der in der allgemeinen Rentenversicherung geltenden Beitragsbemessungsgrenze nicht übersteigt. Es wird bei einer Teilzeitbeschäftigung anteilig gekürzt. Für Freiwillige unter 25 Jahren ohne einen Anspruch auf Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag im Sinne des § 32 Absatz 6 EStG ist auch ein höheres Taschengeld angemessen. Die Regeldauer des Dienstes beträgt zwölf zusammenhängende Monate, mindestens sechs, aber höchstens 18 Mona- te. Ausnahmsweise kann der Dienst bis zu einer Dauer von 24 Monaten verlängert oder in Abschnitten von jeweils drei Monaten geleistet werden. Freiwillige, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, können in Abständen von fünf Jahren Bundesfreiwilligendienst in den zeitlich zulässigen Grenzen leisten. Ein geleisteter Jugendfreiwilligendienst wird auf die jeweilige Gesamtdauer angerechnet. Für Teilnehmer am internationalen Jugendfreiwilligendienst oder am Bundesfreiwilligendienst unter 25 Jahre besteht ein Anspruch auf Kindergeld beziehungsweise Kinderfreibeträge. Nach § 13 Absatz 1 BFDG sind die Arbeitsschutzbestimmungen, das Jugendarbeitsschutzgesetz und das Bundesurlaubsgesetz entsprechend anzuwenden. Nach § 13 Absatz 2 BFDG finden die sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, die für die Jugendfreiwilligendienste gelten, entsprechende Anwendung soweit keine ausdrückliche sozialversicherungsrechtliche Regelung vorhanden ist. Teilnehmer an diesen Diensten unterliegen als arbeitnehmerähnliche Personen in allen Zweigen der Sozialversicherung der Versicherungspflicht. Dies gilt auch für Personen, die den Bundesfreiwilligendienst ableisten. Voraussetzung für die Sozialversicherungspflicht ist die Zahlung von Arbeitsentgelt. Das hier gezahlte Taschengeld und der Wert der Sachbezüge sind dem Arbeitsentgelt gleichgestellt. Geringfügige Beschäftigungen Für Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst kommt Sozialversicherungsfreiheit wegen geringfügiger Entlohnung (Minijob) nicht in Betracht. Kurzfristige Beschäftigungen zwischen Schulentlassung und Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes werden im- mer berufsmäßig ausgeübt und sind daher versicherungspflichtig. Dies gilt auch, wenn nach der Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes voraussichtlich ein Studium aufgenommen wird. Beitragsrechtliche Beurteilung Die Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung werden für die Zeit des Dienstes nach der Höhe des Taschengeldes und dem Wert der Sachbezüge beziehungsweise der dafür geleisteten Geldersatzleistung bemessen. Das Taschengeld beträgt sechs Prozent der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung. Es beläuft sich 2012 im Rechtskreis West damit auf 336 EUR beziehungswei se im Rechtskreis Ost auf 288 EUR monatlich. Diese Berechnungsgrundlage gilt grundsätzlich auch für die Arbeitslosenversicherung. BKK Service 3/2012 9 SOZIALVERSICHERUNG Besonderheit in der Arbeitslosen versicherung Für die Arbeitslosenversicherung gelten besondere beitragsrechtliche Regelungen, wenn sich der Bundesfreiwilligendienst unmittelbar an eine versicherungspflichtige Beschäftigung anschließt. In diesem Fall werden die Beiträge von der Bezugsgröße berechnet (2012: 2.625 EUR/West und 2.240 EUR/Ost monatlich). Beträgt der Zeitraum zwischen dem Ende der Beschäftigung und dem Beginn des Bundesfreiwilligendienstes nicht mehr als einen Monat, gilt dies ebenfalls als unmittelbarer Anschluss an eine versicherungspflichtige Beschäf tigung. Beiträge während des Dienstes Die Sozialversicherungsbeiträge für die Dienstleistenden trägt der Arbeitgeber alleine. Dies gilt auch für den eventuell zu zahlenden Beitragszuschlag zur sozialen Pflegeversicherung von 0,25 Prozent. Die besonderen beitragsrechtlichen Regelungen der Gleitzone gelten für Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst nicht. Umlageverfahren U1 und U2 Neuregelung zum Stichtag 1. Juli 2012 Mehr Informationen finden Sie unter www.bafza.de oder www.bundes freiwilligendienst.de 10 BKK Service 3/2012 Die Spitzenorganisationen der Sozialversicherung sind übereingekommen, die Teilnehmer an einem Freiwilligendienst nach dem BFDG oder dem JFDG vom 1. Juli 2012 an in das Verfahren zum Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen bei Mutterschaft (U2-Verfahren) einzubeziehen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Frauen, die einen der vorgenannten Freiwilligendienste leisten, hinsichtlich der arbeitsund arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen den Arbeitnehmerinnen im engeren Sinne gleichgestellt sind und Anspruch auf Arbeitsentgelt bei Beschäftigungsverboten nach § 11 MuSchG oder Anspruch auf einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 MuSchG haben. Diese Aufwendungen des Trägers oder der Einsatzstelle sind im U2Verfahren erstattungsfähig. Mit der Einbeziehung ins Erstattungsverfahren entsteht die Verpflichtung, für die Teilnehmer an dem Freiwilligendienst nach dem BFDG oder JFDG Umlagen zu zahlen. Die Teilnehmer an einem Freiwilligendienst sind jedoch keine Arbeitnehmer, die einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall auf der Grundlage des Entgeltfortzahlungsgesetzes haben. Sie sind daher vom U1-Verfahren ausgeschlossen. Insolvenzgeldumlage Die Insolvenzgeldumlage muss für diesen Personenkreis entrichtet werden. Dafür ist das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt (Taschengeld und Sachbezüge) zu berücksichtigen. Die Insolvenzgeldumlage fällt nicht an, sofern der Arbeitgeber zu den generell von der Zahlung befreiten Arbeitgebern gehört. Besonderheiten im Meldeverfahren Grundsätzlich gelten für Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst die Regelungen des DEÜV-Meldeverfahrens. Da die Teilnehmer von der Zahlung eines Zusatzbeitrages ausgenommen und deshalb von anderen Beschäftigten abzugrenzen sind, ist dieser Personenkreis seit dem 1. Januar 2012 mit dem Personengruppenschlüssel „123“ zu melden. Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung Personen, die den Bundesfreiwilligendienst oder den Jugendfreiwilligendienst absolvieren, stehen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Entschädigungspflichtig ist der Unfallversicherungsträger, der für die Beschäftigten der Einsatzstelle zuständig ist. Beispielsweise könnte die Einsatzstelle die Arbeiterwohlfahrt sein. Dann ist bei einem Arbeitsunfall die Zuständigkeit der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege gegeben. Kindergeld im Bundesfreiwilligendienst wird gezahlt Nach der geltenden Regelung erhalten Eltern volljähriger Kinder, die am Bundesfreiwilligendienst oder am internationalen Jugendfreiwilligendienst teilnehmen, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Kindes Kindergeld. Absetzbarer Betrag für Personen, die Bundesfreiwilligendienst oder Jugendfreiwilligendienst leisten und Arbeitslosengeld II beziehen Personen, die an einem Bundesfreiwilligendienst oder einem Jugendfreiwilligendienst teilnehmen und ergänzend Arbeitslosengeld II beziehen, erhalten von ihrem Taschengeld einen pauschalierten Abzug von 175 EUR monatlich, ohne ihre Ausgaben (für Versicherungen und Werbungskosten) nachweisen zu müssen. Dieser Betrag wird nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet. ■ Vom Werkstudenten zum High Potential – versicherungsrechtliche Beurteilung Krankenversicherungsfreiheit im Anschluss an eine während des Studiums ausgeübte Beschäftigung beim selben Arbeitgeber A rbeitnehmer sind nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 SGB V krankenversicherungsfrei, wenn ihr regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt (2012 = 50.850 EUR). Die Versicherungsfreiheit besteht nach der seit dem 31. Dezember 2010 geltenden Rechtslage von Beginn der Beschäftigung an, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt aus der zu beurteilenden Beschäftigung bei vorausschauender Betrachtungsweise (auf der Grundlage der gegenwärtigen und bei normalem Verlauf für ein Zeitjahr zu erwartenden Einkommensverhältnisse) die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt. Besteht hingegen in einem Beschäftigungsverhältnis zunächst Versicherungspflicht, weil die Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschritten ist, endet die Versicherungspflicht bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze mit Ablauf des Kalenderjahres des Überschreitens. Voraussetzung ist, dass das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt auch die vom Beginn des nächsten Kalenderjahres an geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt. Das Gesetz schiebt den Zeitpunkt, zu dem eine bestehende Versicherungspflicht als Arbeitnehmer wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze enden kann, damit generell auf das Kalenderjahresende hinaus. Die Anwendung der Überschreitensregelung des § 6 Absatz 4 SGB V unterscheidet nicht danach, aus welchem Grund die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten wird. Es ist daher unbedeutend, ob innerhalb eines Beschäftigungsverhältnisses das Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze auf eine reine Entgelterhöhung zurückgeht oder diese mit einem beruflichen Aufstieg oder der Übernahme neuer Aufgaben verbunden ist. Auch der mit einer Entgelterhöhung einhergehende Statuswechsel vom Auszubildenden zum Arbeitnehmer (beim gleichen Arbeitgeber) führt frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres zum Ende der Versicherungspflicht. BKK Service 3/2012 11 SOZIALVERSICHERUNG Übt ein Arbeitnehmer hingegen im unmittelbaren Anschluss an eine während des Studiums ausgeübte Beschäftigung, für die Versicherungsfreiheit nach dem sogenannte „Werkstudentenprivileg“ bestand, beim gleichen Arbeitgeber eine Beschäftigung mit einem regelmäßigen Jahresarbeitsentgelt oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze aus, kommt die Überschreitensregelung nicht zur Anwendung. Grund hierfür ist, dass aufgrund der Beschäftigung (während des Studiums) keine Versicherungspflicht als Arbeitnehmer besteht, die bis zum Kalenderjahresende fortzuführen wäre. In diesen Fällen besteht Versicherungsfreiheit in der Krankenversicherung nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 SGB V mit Beginn der Beschäftigung, aus der heraus das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze erzielt wird. ■ Lesen Sie weitere wichtige Informationen zur Beschäftigung von Studenten im BKK Extra 5 „Studenten – Versicherung und Beschäftigung“, www.bkk.de/extra5 BEISPIEL Sachverhalt: Rüdiger Oldenburg arbeitet seit Jahren als sogenannter Werkstudent in der EDV-Abteilung bei der Fa. Allfinanz AG. Sein monatliches Entgelt beträgt 1.000 EUR und seine wöchentliche Arbeitszeit 20 Stunden. Am 15. August 2012 beendet er sein Studium mit der Master-Prüfung. Ab dem 16. August 2012 wird Herr Oldenburg von seinem Arbeitgeber in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis als Entwicklungsprogrammierer eingestellt. Sein monatliches Entgelt beträgt 4.500 EUR. Beurteilung: Ab dem 16. August 2012 besteht für Herrn Rüdiger Oldenburg Krankenversicherungsfreiheit wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Sein Jahresarbeitsentgelt beträgt 54.000 EUR (4.500 EUR x 12). In der unmittelbar vorher bis zum 15. August 2012 ausgeübten Beschäftigung während des Studiums besteht Krankenversicherungsfreiheit im Rahmen des sogenannten Werkstudentenprivilegs, da die wöchentliche Arbeitszeit nicht mehr als 20 Stunden beträgt. 12 BKK Service 3/2012 ARBEITSRECHT Aktuelle Urteile Frage nach Behinderung zulässig Im bestehenden Arbeitsverhältnis ist spätestens nach dem Erwerb des Sonderkündigungsschutzes für behinderte Menschen nach sechs Monaten die Frage des Arbeitgebers nach der Schwerbehinderung zulässig. Am 8. Januar 2009 wurden für das Unternehmen des Arbeitnehmers in Vorbereitung eines Insolvenzeröffnungsverfahrens per Datenkontrollbogen unter anderem Angaben zum Vorliegen einer Schwerbehinderung/Gleichstellung erfragt. Der Arbeitnehmer verneinte eine Schwerbehinderung. Die Kündigung vom 26. Mai 2009 hielt er für unwirksam, weil das Integrationsamt ihr nicht zugestimmt habe. Er teilte in der Klage- schrift vom 9. Juni 2009 seine Schwerbehinderung mit. Das BAG entschied, der Arbeitnehmer könne sich nicht auf den Kündigungsschutz für Schwerbehinderte berufen, weil er die Frage nach der Schwerbehinderung wahrheitswidrig verneint habe. Diese Frage solle es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich nach § 1 Absatz 3 Kündigungsschutzgesetz (Sozialauswahl) und § 85 SGB IX rechtstreu zu verhalten. Sie stelle weder eine Diskriminierung noch ein datenschutzrechtliches Problem dar und sei zulässig. BAG vom 16.2.2012 – 6 AZR 553/10 Kürzung von Arbeitszeit guthaben ▼ Ignoriert ein Arbeitnehmer den deutlichen Wunsch einer Arbeitskollegin, privat nicht mit ihm in Kontakt treten zu wollen, kann dies eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen – unter Umständen auch ohne Abmahnung. Im vorliegenden Fall hatte ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer gekündigt, der einer Kollegin gegen deren ausdrücklichen Willen zahlreiche E-Mails geschickt und sie ohne dienstlichen Anlass in ihrem Büro angerufen oder dort aufgesucht hatte. Außerdem habe er sich wiederholt und zunehmend aufdringlich in ihr Privatleben eingemischt. Das BAG stellt in seinem Urteil klar, dass ein schwerwiegender Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine vertragliche Nebenpflicht, die Privatsphäre und den deutlichen Wunsch einer Arbeitskollegin zu respektieren, außerdienstliche Kontaktaufnahmen mit ihr zu unterlassen, grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne. BAG vom 19.4.2012 – 2 AZR 258/11 ▼ ▼ Stalking kann außerordentliche Kündigung rechtfertigen Das auf einem Arbeitszeitkonto ausgewiesene Zeitguthaben des Arbeitnehmers darf der Arbeitgeber nur mit Minusstunden verrechnen, wenn die der Führung des Arbeitszeitkontos zugrunde liegende Vereinbarung (Arbeits-/Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) dies zulässt. Im verhandelten Fall billigt der Tarifvertrag den Arbeitnehmern innerhalb der Arbeitszeit Erholungszeiten zu, die in den Dienstplänen zu bezahlten Kurzpausen zusammengefasst sind. Über den Dienstplan hinaus geleistete Überstunden und deren Ausgleich durch Freizeit werden in einem Arbeitszeitkonto festgehalten. Am 1. April 2008 trat ein neuer Tarifvertrag in Kraft, welcher die Erholungszeiten kürzte. Diese Kürzung konnte erst zum 1. Juli 2008 in den neuen Dienstplänen umgesetzt werden. Der Arbeitgeber strich deshalb 7,20 Stunden aus dem Arbeitszeitkonto der Klägerin mit der Begründung, die Arbeitnehmerin habe im Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2008 die geschuldete Arbeitszeit nicht vollständig erbracht. Zu Unrecht, wie das BAG entschied. Weder Tarifvertrag noch Betriebsvereinbarung erlaubten es, das Arbeitszeitkonto mit Minusstunden zu belasten, die sich aus der Nichtausschöpfung der tarifvertraglichen Wochenarbeitszeit in den Dienstplänen ergeben. BAG vom 21.3.2012 – 5 AZR 676/11 BKK Service 3/2012 13 ARBEITSRECHT Bewerbungsmanagement und Datenschutz Bereits im Bewerbungs verfahren ist der Datenschutz zu beachten. 14 BKK Service 3/2012 D atenschutz und Schutz der Privatsphäre genießen hierzulande – unter anderem aus historischen Gründen – einen hohen Stellenwert. Das gilt auch im Verhältnis von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Daher kommt es immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen darüber, an welcher Stelle Daten erhoben, verarbeitet oder weitergegeben werden dürfen oder auch nicht. Die Schwierigkeiten beginnen bereits im Bewerbungsverfahren, denn der Umgang mit Daten von (zukünftigen) Beschäftigten ist in Deutschland nicht so eindeutig und abschließend geregelt, wie man meinen könnte. Kernbestimmung ist in diesem Zusammenhang der seit 2009 geltende § 32 Ab- satz 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Darin heißt es: „ Personenbezogene Daten eines Beschäftigten dürfen für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn dies für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach Begründung des Beschäftigungsverhältnisses für dessen Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. “ Als personenbezogene Daten gelten dabei laut § 3 Absatz 1 BDSG „Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person (Betroffener)“. Für Bewerbungsverfahren bedeutet dies zweierlei: Einerseits stellt der Gesetzgeber – was allein aus praktischen Gesichtspunkten einleuchtet – damit klar, dass persönliche Angaben auch von Bewerbern erhoben, verarbeitet und genutzt werden dürfen; andererseits gilt dies jedoch nur für solche Daten, die auch „erforderlich“ sind. Was damit gemeint ist, entzieht sich jedoch einer allgemeinverbindlichen Definition. Einen gewichtigen Fingerzeig, worauf es im Einzelfall ankommt, bieten zwei allgemeine Maximen des Datenschutzrechtes – nämlich der Grundsatz der Datenvermeidung und der der Datensparsamkeit (§ 3a BDSG). Damit ist gemeint, dass in der Regel nur die Angaben erhoben werden sollen, die im direkten Zusammenhang mit der ausgeschriebenen Stelle stehen und die absolut notwendig sind, um eine personalwirtschaftlich vernünftige Entscheidung über die Einladung beziehungsweise spätere Einstellung vorzubereiten und abzusichern. Was mit einmal erhobenen Daten von potenziellen Mitarbeitern nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens passiert, richtet sich danach, ob jemand eingestellt wird oder nicht: a) Die Daten erfolgreicher Bewerber gehen normalerweise in die Personalakte ein, wobei auch nach der Einstellung nur die Angaben erhoben, gespeichert und verarbeitet werden dürfen, die unbedingt zur reibungslosen Umsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendig sind, also zum Beispiel Name, Geburtstag, Anschrift, Bankverbindung, Steuerklasse, Kranken- und Sozialversicherungsdetails. b) Für abgelehnte Bewerber ist hier nach wie vor ein Urteil einschlägig, welches das Bundesarbeitsgericht (BAG) bereits in den Achtzigerjahren gefällt hat. Demnach ist die dauerhafte Aufbewahrung von personenbezogenen Daten unzulässig, da sie einen „objektiv rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht“ des Bewerbers darstellt (BAG, 6.6.1984 – 5 AZR 286/81). Gemäß §§ 6 und 34 BDSG können Teilnehmer an Bewerbungsverfahren überdies beantragen, dass ihnen unentgeltlich und schriftlich mitgeteilt wird, welche personenbezogenen Daten von ihnen gespeichert wurden. Wie lange Unternehmen Bewerberdaten konkret aufbewahren sollten und dürfen, ist umstritten. Grund dafür ist, dass es auch hier keine verbindliche gesetzliche Frist gibt. § 35 Absatz 2 Satz 3 BDSG legt lediglich fest, dass personenbezogene Daten zu löschen sind, „sobald ihre Kenntnis für die Erfüllung des Zwecks der Speicherung nicht mehr erforderlich ist“. Somit müssten Arbeitgeber eigentlich unmittelbar nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens die Daten der Bewerber löschen, die im Rennen um den begehrten Job leer ausgegangen sind. Allerdings besteht für Unternehmen das Risiko von Klagen abgelehnter Bewerber. Nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) muss ein Arbeitgeber im Streitfall nachweisen, dass einem Interessenten allein aus fachlichen Gründen, aber nicht „aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“ abgesagt wurde. Der Zweck der Datenspeicherung im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis besteht also. Ansprüche wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Diskriminierung müssen allerdings nach § 21 Absatz 5 AGG spätestens nach zwei Monaten geltend gemacht werden. Bis zur Zustellung einer möglichen Kla- Eine aktuelle Kienbaum-Studie und eine Checkliste zum Datenschutz in Personalabteilungen finden Sie unter www.hr-und-datenschutz.de. PRAXISHINWEIS Um sicherzugehen, dass persönliche Daten einzelner Bewerber auch nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens weiterhin gespeichert werden dürfen – etwa, weil in absehbarer Zeit eine ähnliche Stelle zu besetzen sein wird –, sollten Unternehmen das vorherige Einverständnis des Betroffenen einholen. Besonders bei Kandidaten, die nur knapp nicht eingestellt wurden, kann damit zweierlei erreicht werden: a) Ihr Unternehmen präsentiert sich als seriös und mitarbeiterorientiert und b) Sie bleiben in Kontakt mit einem potenziellen neuen Mitarbeiter. Firmen, die auf ihrer Webseite mit standardisierten Online-Bewerbungsformularen arbeiten und Teile des Einstellungsverfahrens mithilfe von Schwester-/Tochterunternehmen umsetzen, wird von Experten außerdem empfohlen, mit einem „Opt-in“-Button (Bestätigungs-Button) zu arbeiten, den Bewerber aktiv anklicken müssen. Eine mögliche Musterformulierung wäre: „Ja, ich bin damit einverstanden, dass meine Daten von der Firma XY während der Anbahnung des Arbeitsverhältnisses gespeichert werden. Zudem stimme ich zu, dass die Angaben gegebenenfalls innerhalb des XYKonzerns (unter Umständen auch ins Ausland) weitergegeben und bearbeitet werden, ansonsten aber nicht Dritten zugänglich gemacht werden.“ BKK Service 3/2012 15 ARBEITSRECHT Datensparsamkeit und Praxisnähe versus absolute Sicherheit Manche Juristen sind der Auffassung, Bewerberdaten sollten aus Sicherheitsgründen für die Dauer der allgemeinen Verjährungsfrist (§ 195 BGB), also drei Jahre, aufbewahrt werden. Ob jemand allerdings tatsächlich noch drei Jahren nach seiner Ablehnung zivilrechtlich gegen eine Firma vorgeht, ist in der Praxis fraglich. ge an das Unternehmen kann zudem noch etwas Zeit vergehen. Unter Arbeitsrechtlern gilt eine verbreitete Faustformel, die besagt: Wer etwa ein halbes Jahr nach Abschluss des Bewerbungsverfahrens keine Einwände erhalten hat, kann die erhobenen Daten getrost löschen. Kommt es allerdings zum Prozess, sollte das Datenmaterial unbedingt bis zu dessen Abschluss aufbewahrt werden. Daten(-schutz) und Bewerbungs gespräche Nach einer Vorauswahl anhand schriftlicher Unterlagen steht in den meisten Fällen als nächster Schritt ein Vorstellungsgespräch mit infrage kommenden Bewerbern an. Dabei hat der Arbeitgeber ein Fragerecht, dem sogenannte Offenbarungspflichten des Kandidaten gegenüberstehen. Allerdings gelten auch hier arbeits- und datenschutzrechtliche Beschränkungen. So gerne Personalchefs möglichst viel über potenzielle Neuzugänge erfahren möchten: Nicht alle Fragen sind erlaubt! Grundsätzlich haben Arbeitgeber zunächst nur Anspruch auf Kontaktdaten (Name, Anschrift, Telefonnummer, E-MailAdresse, nicht immer: Geburtsdatum) sowie Angaben, die benötigt werden, um die Eignung des Bewerbers für eine bestimmte Tätigkeit festzustellen (siehe Beispiel). Arbeitgeber müssen also ein berechtigtes Interesse an der Beantwortung einer Frage im Vorstellungsgespräch haben (vergleiche unter anderem BAG, 7.6.1984 – 2 AZR 270/83). Ist dies nicht der Fall, müssen Bewerber nicht antworten und dürfen unter Umständen sogar zur Notlüge greifen, etwa bei Fragen nach Schwangerschaft, Religion, Partei- und Gewerkschaftszugehörigkeit, sexueller Orientierung. Eine der wenigen Ausnahmen betrifft sogenannte Tendenzbetriebe: So darf ein katholischer Kinderhort oder ein evangelisches Krankenhaus durchaus nach der konfessionellen Zugehörigkeit von Bewerbern fragen. BEISPIEL Katja Berger bewirbt sich bei einem europaweit tätigen Dienstleister auf eine Schnittstelle für ein internationales Vertriebsteam. Hier kann sich das Unternehmen zweifelsfrei nach ihren Sprachkenntnissen und Auslandserfahrungen erkundigen. Fragen nach den persönlichen Verhältnissen, der privaten Zukunftsplanung oder gar einem etwaigen Kinderwunsch sind hingegen tabu. 16 BKK Service 3/2012 PRAXISHINWEIS Daten zur Gesundheit des Bewerbers dürfen nur erhoben werden, wenn sie unverzichtbar für eine Beurteilung der Eignung für die ausgeschriebene Stelle sind. Ärztliche Untersuchungen etwa können zum Beispiel für medizinisches Personal oder Mitarbeiter, die mit Gefahrstoffen in Berührung kommen könnten, rechtens sein. Bei einer Sachbearbeiterin in der Buchhaltung wäre die Erhebung von Gesundheitsdaten hingegen auf jeden Fall unzulässig. Umgekehrt ist es erlaubt, einen potenziellen Kurierfahrer zu fragen, ob er nachtblind ist oder schon einmal einen epileptischen Anfall hatte. Wer bekommt Zugriff auf Bewerberdaten? Bewerbungsunterlagen sind grundsätzlich für das Unternehmen bestimmt, das die Stelle ausgeschrieben hat. Entsprechend dürfen die Daten nicht an Dritte weitergegeben werden; es sei denn, ein Bewerber wünscht dies explizit oder stimmt einer Weitergabe ausdrücklich zu. Intern sind die Daten von Bewerbern in der Regel ausschließlich den zuständigen Mitarbeitern der Personalabteilung sowie maßgeblichen Entscheidungsträgern aus der betroffenen Fachabteilung zugänglich zu machen. Ansonsten könnten auch hier Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Sicherheitshalber sollten Arbeitgeber von ihren Mitarbeitern eine Verpflichtungserklärung zur Verschwiegenheit und zur Diskretion im Umgang mit Daten verlangen. Eine Ausnahme von dieser Regel gilt nur für Beteiligungsrechte des Personal- oder Betriebsrats oder einer Schwerbehindertenvertretung. Laut § 99 Absatz 1 Betriebsverfassungsgesetz müssen Unternehmen mit in der Regel über 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern den Betriebsrat vor jeder Einstellung unterrichten und dabei neben Bewerbungsunterlagen ggf. auch Auswahlmatrizes oder Personalfragebögen mitsamt Kriterien und Ergebnis vorlegen (vergleiche BAG, 28.6.2005 – 1 ABR 26/04). Bei Bewerbungen schwerbehinderter Menschen ist die Schwerbehindertenvertretung gemäß §§ 81, 95 SGB IX analog zu beteiligen. ■ BKK Service 3/2012 17 STEUERRECHT Aktuelle BFH-Rechtsprechung zum Lohnsteuerrecht Im ersten Halbjahr 2012 sind verschiedene wichtige Entscheidungen des BFH gefallen – ein Überblick Reisekosten: Mehraufwendungen für Verpflegung Der Bundesfinanzhof (BFH) entschied in einem aktuellen Urteil vom 19. Januar 2012 (VI R 36/11), dass ein Rettungsassistent, der neben seinem regelmäßigen Einsatz bei zwei Rettungswachen auch auf einem Not einsatzfahrzeug Bereitschaftsdienst leistete, nicht mehrere regelmäßige Arbeitsstätten haben kann. In seiner Einkommensteuererklärung machte der Arbeitnehmer Pauschbeträge für Verpflegungsmehraufwendungen für Einsatzwechseltätigkeit geltend. Das Finanzamt befand hingegen, dass sowohl die beiden Rettungswachen als auch der Notarztwagen regelmäßige Arbeitsstätten des Arbeitnehmers darstellten. Das sah der BFH anders und begründete dies damit, dass die regelmäßige Arbeitsstätte eines Arbeitnehmers nur an einem Ort liegen kann. Der Rettungsassistent führte somit beruflich veranlasste Auswärtstätigkeiten aus, für die der Arbeitgeber steuerfreien Reisekostenersatz (etwa Verpflegungsmehraufwendungen) leisten oder für die der Arbeitnehmer im Rahmen seiner persönlichen Einkommensteuererklärung Werbungskosten geltend machen kann. Lohnsteuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit Keine Ausdehnung der Steuerbefreiung auf Gefahrenzulagen Der BFH hat mit Urteil vom 15. September 2011 (VI R 6/09) eine Ausdehnung der Steuerfreiheit von Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit nach § 3b EStG auf andere Zulagen, wie zum Beispiel auf Gefahrenzuschläge für die Tätigkeit im Bombenentschärf- und Kampfmittelräumdienst, abgelehnt. Gewährung von pauschalen Zuschlägen Der BFH hat mit Urteil vom 8. Dezember 2011 (VI R 18/11) entschieden, dass pauschale Zuschläge, die ein Arbeitgeber ohne Rücksicht auf die Höhe der tatsächlich erbrachten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit zahlt, nur dann steuerfrei nach § 3b EStG sind, wenn sie als Abschlagszahlungen oder Vorschuss auf eine spätere Einzelabrechnung geleistet werden. Der BFH hat klargestellt, dass pauschale Zuschläge nur dann steuerfrei bleiben können, wenn sie der tatsächlichen geleiste- 18 BKK Service 3/2012 ten Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit des Mitarbeiters konkret zugeordnet werden können. Dafür müssen die Zuschläge vor der Erstellung der Lohnsteuerbescheinigung und somit spätestens bis zum Ende des Kalenderjahres beziehungsweise beim Ausscheiden des Arbeitnehmers anhand entsprechender Einzelaufzeichnungen abschließend errechnet und den Pauschalzahlungen gegenübergestellt werden. Mindestanforderungen an ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch Der BFH hat mit Urteil vom 1. März 2012 (VI R 33/10) entschieden, dass in einem steuerlich anzuerkennenden Fahrtenbuch insbesondere Datum und Ziel der jeweiligen Fahrten ausgewiesen sein müssen. Diese Anforderungen sind nicht gegeben, wenn als Fahrtziele jeweils nur Straßen- oder Ortsnamen angegeben sind, auch wenn diese Angaben anhand nachträglich erstellter Auflistungen (Zweck der Fahrt, besuchter Kunde) präzisiert werden. Im Streitfall wiesen die von einem Geschäftsführer geführten Fahrtenbücher neben dem jeweiligen Datum zumeist nur Ortsangaben auf und nur gelegentlich auch die Namen der aufgesuchten Kunden oder Angaben zum Zweck der Fahrt. Aufgezeichnet wurden außerdem der Kilometerstand nach Beendigung der Fahrt und die jeweils gefahrenen Tageskilometer. Diese Angaben ergänzte der Arbeitnehmer nachträglich durch eine zusätzliche Auflistung. Diese in Form einer Computerdatei geführte Auflistung enthielt Datum, Standort und Kilometerstand des Fahrzeugs zu Beginn der Fahrt sowie den Grund und das Ziel der Fahrt. Der BFH beurteilte das Fahrtenbuch als nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 8 Absatz 2 Satz 4 EStG. Die Kombination aus handschriftlich in einem geschlossenen Buch eingetragenen Daten und der zusätzlichen per Computerdatei erstellten erläuternden Auflistung genügt den steuerlichen Anforderungen nicht. In dem geführten Fahrtenbuch waren nicht alle Fahrten vollständig aufgezeichnet. In dem vorliegenden Fahrtenbuch fehlten in den meisten Fällen die genaue Zieladresse und der konkret aufgesuchte Kunde oder Geschäftspartner. Nach Ansicht des BFH ist bei dieser Art der Aufzeichnung weder Vollständigkeit noch Richtigkeit der Eintragungen gewährleistet. Es reicht zudem nicht aus, die im Fahrtenbuch fehlenden Angaben durch eine nachträgliche Auflistung nachzuholen. ■ BKK Service 3/2012 19 BETRIEBLICHES GESUNDHEITSMANAGEMENT Onlineportal psyGA ist ein voller Erfolg BKK Portal zur psychischen Gesundheit verzeichnet 50.000 Klicks in nur zwei Monaten. D ie Resonanz auf das neue Onlineportal zur psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt (psyGA) des BKK Bundesverbands ist überwältigend. Knapp 15.000 Besucher riefen allein in den ersten beiden Monaten 50.000 Seiten auf. Besonders beliebt: Der Selbsttest für Führungskräfte („Wie belastet bin ich?“) und der Wissensbereich zum Thema „Modethema oder Wirklichkeit – Daten und Fakten“. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unterstützt das Projekt im Rahmen der Initiative INQA und hat die Förderung bis Ende 2012 noch einmal aufgestockt. BKK Service: Herr Dr. Sochert, nicht nur die Nutzerzahlen des Onlineportals „Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ sind hoch, sondern Sie erreichen nach aktuellen Auswertungen auch die angestrebte Zielgruppe. An wen richtet sich psyGA-transfer in erster Linie? Dr. Reinhold Sochert: psyGA-transfer richtet sich neben Beschäftigten und Führungskräften in Unternehmen auch an überbetriebliche Entscheider und Experten (Stakeholder). Die wollen wir gewinnen, sich mit dem Thema psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu beschäftigen. 20 BKK Service 3/2012 Wie vermittelt man ein komplexes Thema wie psychische Gesundheit über ein Onlineportal? Wir nutzen bewusst die neuen Medien. Es gibt kostenlose Downloads von Informationsmaterialien, Präsentationen oder Selbsttests, die sich auch gut im unternehmenseigenen Intranet einbauen lassen. Oder es gibt ein Hörbuch zum Thema Burnout. Wir wollen keine wissenschaftliche Kost verbreiten, sondern konkrete Handlungshilfen und praxisorientierte Instrumente bieten. Es geht darum, auf das Thema aufmerksam zu machen, sodass Verantwortliche in ihrem Unternehmen Betriebliche Gesundheitsmaßnahmen im Bereich psychische Gesundheit starten, oder – wenn sie schon aktiv sind – weitere Tipps und weitergehende Hinweise zu geben, wie sie ihre Arbeit effektiver gestalten können. Wie erreichen Sie die Unternehmen? Wir erreichen die Unternehmen über unser psyGA-transfer Netzwerk. Das besteht derzeit aus 16 Kooperationspartnern, die ihrerseits über ihre E-Mail-Verteiler und Websites angebundene Unternehmen informieren. Dies sind zum Beispiel die Bertelsmann Stiftung, die große Unternehmensnetzwerke betreibt, oder aber das Aktionsbündnis Seelische Gesundheit, ein Zusammenschluss aus über 70 Organisationen, das auch Krankenhäuser, psychiatrische Kliniken, eigentlich den gesamten Gesundheitssektor erreicht. Zusätzlich informieren wir unsererseits per Newsletter alle Betriebskrankenkassen und sind an das Deutsche Netzwerk für Betriebliche Gesundheitsförderung angeschlossen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), in Person die Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Frau Ursula von der Leyen, befasst sich inzwischen ebenfalls verstärkt mit den psychischen Belastungen am Arbeitsplatz. Wie unterstützt die Ministerin Ihre Arbeit? Gleich in zweierlei Hinsicht: Das Ministerium hat die finanzielle Förderung für psyGAtransfer aufgestockt, sodass wir drei weitere Praxishilfen in Angriff nehmen konnten, die von der Bundesarbeitsministerin persönlich auf einer Roadshow präsentiert werden. Eine der etwa dreistündigen Veranstaltungen fand Mitte Juli statt, die zweite ist für Ende des Jahres geplant. Dr. Reinhold Sochert, studierter Sozialwissenschaftler, arbeitet seit über 20 Jahren für den BKK Bundesverband. Seit 1. März 2012 betreut er im Rahmen seines jüngsten Projekts „Förderung der psychischen Gesundheit in der Arbeitswelt – psyGA-transfer“ das Internetportal www.psyGA-transfer.de, das Unternehmen – mit kostenlosen Praxishilfen – dabei unterstützt, sich stärker mit den psychischen Erkrankungen ihrer Mitarbeiter und dem Schutz vor psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zu befassen. Kontakt: [email protected], Telefon: 0201 179 1279 Welche Praxishilfen kommen neu hinzu? Wir haben einen psyGA-Baukasten mit Lösungsbausteinen für die betriebliche Praxis erarbeitet, der mehr als 100 Seiten umfasst und die bereits vorliegende Führungskräftebroschüre „Kein Stress mit dem Stress“ ausdifferenziert und konkretisiert. Er ist seit Mitte Juli online abrufbar. Außerdem ist eine Handlungshilfe für Betriebs- und Personalräte (analog zu den Handlungshilfen für Führungskräfte und für Beschäftigte) geplant sowie ein E-Learning-Tool zur Schulung von Vorgesetzten, das sowohl als DVD als auch als kostenloser Download etwa ab Jahresende zur Verfügung stehen wird. Der Erfolg des Portals ist für Sie und Ihr Team sicher motivierend. Dennoch: Vor allem mittelständische und kleine Betriebe befassen sich noch immer zu selten mit der psychischen Gesundheit ihrer Belegschaft. Wie gehen Sie damit um? Wir können das als Krankenkasse ja nicht erzwingen, sondern nur mit an diesem gemeinsamen kulturellen Wandel mitarbeiten. Wer sich um eine gute Unternehmenskultur bemüht, dazu gehört unter anderem eine offene und transparente Kommunikation, der hat auch eine zufriedenere und damit effektivere Belegschaft. Dieses Wissen setzt sich langsam durch, und wir bemühen uns, zu diesem Wandel im Großen einen kleinen Teil beizutragen. ■ BKK Service 3/2012 21 SCHLUSSPUNKT Gründungszuschuss: Finanzielle Hilfen für Existenzgründer Arbeitslose, die sich selbständig machen wollen, können zur Förderung der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit den sogenannten Gründungszuschuss erhalten, wenn sie bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III hatten. Bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit muss noch ein Restanspruch auf Arbeitslosengeld I von mindestens 150 Tagen bestehen; die Dauer des Anspruchs darf nicht allein auf § 147 Absatz 3 SGB III (Anspruch aus kurzen Beschäftigungen) beruhen. Der Anspruch auf Arbeitslosengeld mindert sich in den ersten sechs Monaten während des Bezugs des Gründungszuschusses. Außerdem müssen Existenzgründer die notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlegen. Die Agentur für Arbeit kann bei begründeten Zweifeln am Vorhandensein dieser Kenntnisse und Fähig- keiten die Teilnahme an Maßnahmen zur Feststellung der Eignung oder zur Vorbereitung einer Existenzgründung verlangen. Zudem muss die Tragfähigkeit der Existenzgründung bestätigt werden, etwa durch die Handwerks-, Industrie- und Handelskammer oder einen Fachverband. Der Gründungszuschuss wird in zwei Phasen geleistet. Für die erste Phase werden ein Zuschuss in Höhe des zuletzt bezogenen Arbeitslosengeldes I zur Sicherung des Lebensunterhalts und 300 EUR zur sozialen Absicherung für sechs Monate erbracht. Für weitere neun Monate kann der Zuschuss gezahlt werden, wenn eine intensive Geschäftstätigkeit und hauptberufliche unternehmerische Aktivitäten dargelegt werden können. ++ Mitarbeiter wünschen sich mehr Flexibilität Buchtipp Laut einer Studie des Marktforschungsinstituts Ipsos können nur 37 Prozent der Mitarbeiter kleiner und mittlerer Unternehmen bereits die Vorteile flexibler Arbeit und moderner Kommunikationsmittel nutzen und im Homeoffice arbeiten – obwohl dies 62 Prozent für möglich hielten. Die Vorteile des Homeoffice aus Sicht der Mitarbeiter: 48 Prozent würden es begrüßen, keinen Urlaubstag mehr für persönliche Termine nehmen zu müssen, 47 Prozent könnten Berufs- und Privatleben besser verbinden und 35 Prozent konzentrierter arbeiten. +++ Im Trend: Mobile Arbeitsmittel Starre Arbeitszeiten und Anwesenheitspflicht im Büro sind längst „out“. Nach einer Studie des Online-Dienstes Mozy stellen knapp 75 Prozent der Arbeitgeber ihren Mitarbeitern mobile Geräte wie Smartphones und Tablets zur Verfügung. Nachteilig: Der Arbeitstag wird von beiden Seiten zunehmend ausgedehnt, durchschnittlich dauerte er von 7:42 Uhr bis 19:19 Uhr. Die komplette Studie finden Sie unter http://mozy.de/9-5/. 22 BKK Service 3/2012 Nähere Auskünfte erteilt die zuständige Agentur für Arbeit im Internet unter www.arbeitsagentur.de Zeitbombe Arbeitsstress Die Zeitbombe Arbeitsstress tickt. Jeder zweite Beschäftigte leidet heute unter starkem Zeit- und Termindruck. Chronische Erschöpfung, Burnout & Co. treten häufiger bei den Arbeitnehmern auf. Depressionen und andere psychische Erkrankungen haben dramatisch zugenommen. Auch das „Doping“ am Arbeitsplatz gehört dazu, um den Anforderungen des Arbeitsalltags standzuhalten. Der heutige Arbeitnehmer soll in erster Linie viel leisten und möglichst wenig Kosten erzeugen. Allerdings geht diese Rechnung häufig nicht auf. Gute Arbeit bleibt deshalb wichtig. Vor allem die psychische Gesundheit der Beschäftigten zu erhalten und zu schützen wird zu einer zentralen Aufgabe humaner Arbeitsgestaltung. Nicht nur auf der betrieblichen Ebene, auch die Politik ist gefordert. Denn gute Arbeit braucht klare Regeln und eine Praxis, die alle staatlichen, betrieblichen und außerbetrieblichen Akteure einbezieht. Die aktuelle Ausgabe dieses Buches versammelt dazu wissenschaftliche Expertisen, neue Strategieansätze und betriebliche Praxisbeispiele sowie informative Daten, Schwerpunkte und Trends zur Arbeitswelt von heute im Anhang. Hg. Lothar Schröder, Hans-Jürgen Urban Bund-Verlag Zeitbombe Arbeitsstress – Befunde, Strategien, Regelungsbedarf 4. Auflage 2012, 496 Seiten ISBN: 978-3-7663-6107-3 Preis: 39,90 EUR Geplante Änderungen bei Mini- und Midijobs Im geplanten Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügig entlohnten Beschäftigung ist die Erhöhung der Minijob-Grenze auf 450 EUR (bisher: 400 EUR) und der Midijob-Grenze auf 850 EUR (bisher: 800 EUR) zum 1. Januar 2013 vorgesehen. Für geringfügig entlohnte Beschäftigte, die am 31. Dezember 2012 eine Tätigkeit im Bereich von 400–450 EUR ausüben, soll es aber übergangsweise für zwei Jahre beim geltenden Recht (sozialversicherungsrechtliche Behandlung als Midijobber) bleiben. Für Personen, die am 31. Dezember 2012 eine Tätigkeit im Bereich von 800–850 EUR ausüben, gilt grundsätzlich die „normale“ Sozialversicherungs- pflicht mit der Möglichkeit, innerhalb von zwei Jahren die Gleitzonenregelung zu wählen. Geplant ist eine generelle Rentenversicherungspflicht für geringfügig entlohnte Beschäftigte (Stichtagsregelung, gilt nur für Beschäftigungsverhältnisse, die ab dem 1. Januar 2013 geschlossen werden). Angedacht ist aber eine generelle Option, sich von der Rentenversicherungspflicht – ohne Einschränkung auf einen bestimmten Personenkreis – befreien zu lassen. Für geringfügig entlohnte Beschäftigte, die am 31. Dezember 2012 einen Minijob ausüben, soll es dauerhaft bei der bisherigen Versicherungsfreiheit in der Rentenversicherung bleiben. Impressum Herausgeber: BKK Bundesverband Kronprinzenstr. 6, 45128 Essen E-Mail: [email protected] © 2012 BKK Bundesverband Alle Rechte vorbehalten, Nachdruck und Vervielfältigung nur mit Genehmigung des Herausgebers. BKK ® und das BKK Logo sind registrierte Schutzmarken des BKK Bundesverbandes. Verantwortlicher Redakteur: Stefan Allary Leserfragen an die Redaktion Redaktion: Axel-Friedrich Foerster, Ines Kaplan, Sigrun Knoche, Dirk Lenzing, Inken Roeder, Frank Strankmann in Kooperation mit Optimum Medien & Service, München Im Artikel „Geschenke an Mitarbeiter“ in der letzten Ausgabe schreiben Sie, dass Geschenke an Mitarbeiter über 40 EUR steuer- und sozialversicherungspflichtig sind. Nach meinen Kenntnissen liegt die Grenze jedoch bei 44 EUR? Mit freundlichen Grüßen, G. Boye Layout: Nina Schmidt Antwort der Redaktion: Sehr geehrter Herr Boye, das ist ein bekanntes, aber leider bisher nach unserer Kenntnis noch nicht bundeseinheitlich gelöstes Prob lem. Der Beitrag enthält das Beispiel mit einem Geschenk „anlässlich eines persönlichen Ereignisses“ (Geburtstag) der Mitarbeiterin. In diesem Fall sieht R.19.6 LStR vor: Aufmerksamkeiten sind Sachzuwendungen bis zu einem Wert von 40 EUR, zum Beispiel Blumen, Genussmittel, ein Buch oder ein Tonträger, die dem Arbeitnehmer oder seinen Angehörigen aus Anlass eines besonderen persönlichen Ereignisses zugewendet werden. Wenn das Geschenk also ausdrücklich anlässlich eines „besonderen per- sönlichen Ereignisses“ vom Arbeitgeber hingegeben wird (wie im Beispiel), hat die Bewertung nach R 19.6 LStR zu erfolgen. Das hat zum einen die Folge, dass die Grenze von 40 EUR (nicht 44 EUR) gilt. Zum anderen kann neben dem Geburtstagsgeschenk ein Warengutschein (bis maximal 44 EUR) abgegeben werden, weil die Bewertung des Geburtstagsgeschenks ausdrücklich nach R 19.6 LStR und unabhängig vom Warengutschein erfolgt. Andererseits kann ein Geschenk (als Sachzuwendung) bis zu 44 EUR monatlich aber auch ohne persönliches Ereignis beim Mitarbeiter steuerfrei hingegeben werden, weil es dann nicht unter die besondere Bewertungsvorschrift von R 19.6 LStR fällt. Grundsätzlich gilt, dass Geschenke ohne persönlichen Anlass beim Mitarbeiter einen Wert von maximal 44 EUR im Monat haben dürfen. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte der Wert eines Geschenks, das ausdrücklich für ein persönliches Ereignis des Mitarbeiters hingegeben wird, den Betrag von 40 EUR nicht überschreiten. Redaktionsschluss: 20.08.2012 Mitarbeiter der BKK GILDEMEISTER SEIDENSTICKER an dieser Ausgabe: Melanie Steffen, Cornelia Moss Bezug dieser Arbeitgeber-Information über: BKK GILDEMEISTER SEIDENSTICKER Winterstraße 49, 33649 Bielefeld Verlag: © Wolters Kluwer Deutschland Information Services GmbH Feldstiege 100, 48161 Münster Druck: Fromm GmbH & Co. KG, Osnabrück ISSN 2192-788X Bestellung der Zeitschrift: Wolters Kluwer Deutschland Information Services GmbH Feldstiege 100, 48161 Münster Dirk Hüsken Telefon: 02533/9300-796 Telefax: 02533/9300-55796 E-Mail: [email protected] Bildnachweise: Titel: © Lava/beyond – Corbis S. 3, 9, 16/17, 22: © iStockphoto – Thinkstock.de S. 4: © Christian Schwier – Fotolia.com S. 6: © Stauke – Fotolia.com S. 11: © luna – Fotolia.com S. 12: © chagin – Fotolia.com S. 13: © SVLuma – Fotolia.com S. 14: © Picture-Factory – Fotolia.com S. 17 Like: © Schulz-Design – Fotolia.com S. 18: © Zoonar – Thinkstock.de S. 19: © Angelika Möthrath – Fotolia.com S. 21: © Dr. R. Sochert Aus Gründen der Lesbarkeit werden im BKK Service durchgehend die männlichen Wortformen verwendet, auch wenn geschlechtsneutrale Aussagen getroffen werden sollen. BKK Service 3/2012 23 ISSN 2192-788X Gesundheit ist: eine gute nachricht! GARAntieRt Kein ZusAtZbeitRAG bis ende 2013 BKK gildemeister seidensticKer | www.einfachgutfüralle.de | servicetelefon: 0800 0 255 255 (kostenlos)