Multimedia aus pädagogischer Sicht
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Multimedia aus pädagogischer Sicht
23 Günter Dörr, Peter Strittmatter Multimedia aus pädagogischer Sicht Jede mediale Neuentwicklung weckte in der Vergangenheit bei Pädagogen sowohl große Erwartungen als auch ebenso große Befürchtungen. So glaubten z.B. in den USA in den zwanziger Jahren einige Pädagogen, der (damals noch junge) Film würde mittelfristig die Bücher in den Schulen ersetzen (vgl. Saettler, 1968). Heimann (1965) erhoffte sich durch das Fernsehen einen erheblichen innovativen Schub für die Unterrichtspraxis und auch für die Unterrichtstheorie. Auf der anderen Seite befürchteten Medienkritiker, dass das Kino die Menschen nur verwirre und verderbe (vgl. z.B. Schweinitz, 1992) oder das Fernsehen führe sogar zum Verschwinden der Kindheit (Postman, 1983). Deshalb müsse es aus den Wohnzimmern (und aus den Schulen) verbannt werden (Winn, 1984). Diese Beschreibung lässt sich fortsetzen bis in die Gegenwart. Papert (1998) beispielsweise glaubt, dass Computer und Multimedia Unterricht und Lernen revolutionieren werden, während von Hentig (1993) den Standpunkt vertritt, Computer könnten der Schule pädagogisch überhaupt nicht weiterhelfen und sollten deshalb in Schulen auch nicht eingesetzt werden.. 1. Multimedia in pädagogischen Kontexten Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien werden zukünftig in der sog. Informationsgesellschaft eine herausragende Stellung einnehmen. Bereits heute ist 23 absehbar, dass sämtliche Lebensbereiche davon betroffen sein werden: das Berufsleben wurde und wird in vielen Bereichen durch die Informations- und Kommunikationsmedien vollständig umgestaltet (z.B. Druckindustrie, Bürobereich, Telearbeit), für immer mehr Alltagsaufgaben stehen computerbasierte Dienstleistungen zur Verfügung (z.B. ECommerce, Homebanking), auch der Freizeitbereich wird immer stärker durch neue Technologien bestimmt. Da der digitale Kapitalismus (Glotz, 1999) sämtliche Gesellschaftsbereiche durchdringen wird, sollten Menschen bereits möglichst frühzeitig mit der zugrunde liegenden Computertechnologie vertraut gemacht werden. Diese Überlegungen liegen auch der Erklärung der KMK-Konferenz (1995) sowie dem Orientierungsrahmen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (1995) zugrunde. Schule soll dazu beitragen, dass „Schülerinnen und Schüler zu einem sachgerechten, selbstbestimmten und sozial verantwortlichen Ungang mit den Medien” befähigt werden (KMK-Erklärung, 1995, S. 11). Unter dem Bildungsziel Medienkompetenz sollen Schülerinnen und Schüler ⌧ sich in der Medienwelt zurechtfinden können, ⌧ die durch Medien vermittelten Informationen, Erfahrungen und Handlungsmuster kritisch einordnen können, ⌧ sich innerhalb einer von Medien bestimmten Welt selbstbewusst, eigenverantwortlich und produktiv verhalten können. Diese Ziele können in Schule und Unterricht auf verschiedenen Wegen angezielt werden, einmal indem Medien zum Unterrichtsthema gemacht werden (Medienerziehung) und 23 indem Medien im Unterricht eingesetzt werden um Lehr-Lernprozesse zu optimieren (Mediendidaktik). In diesem Beitrag werden v.a. mediendidaktische Fragen für alle Bildungsbereiche behandelt werden, während medienerzieherische und mediendidaktische Fragen für den Schulbereich im Beitrag von Schulz-Zander & Tulodziecki thematisiert werden. Dabei beschränkt sich die Diskussion nicht auf bestimmte Formen multimedialer Anwendungen, sondern versucht, das gesamte Spektrum der sich gegenwärtig anbietenden Formen zu berücksichtigen, wie z.B. das Lernen mit CD-ROMs, netzbasiertes Lernen oder Telelernen. Deshalb werden wir auch im weiteren den Begriff „multimediale Lernumgebung” verwenden (vgl. Dörr & Seel, 1997) um deutlich zu machen, dass nicht ein bestimmtes Medium im Zentrum des Interesses steht, sondern dass es darauf ankommt, Medien so in didaktische Kontexte in Form von Lernumgebungen zu integrieren, dass ein didaktischer Mehrwert entsteht (zu Beispielen s.u.). 2. Multimediale Lernumgebungen 2.1 Der Begriff der Lernumgebung Lernen umfasst verschiedene Faktoren „innerer” und „äußerer” Lernbedingungen. Der Begriff der Lernumgebung zielt in erster Linie auf die äußeren Bedingungen ab. Im besonderen geht es um Lernmaterialien und Lernaufgaben sowie um deren Gestaltung, wodurch erwünschte Lernprozesse ausgelöst werden sollen. Die Lernmaterialien und die 23 Lernaufgaben sind so zu gestalten, dass sie die folgenden didaktischen Funktionen einer Lernumgebung erfüllen können (vgl. Seel & Dörr, 1997): ⌧ Lernumgebungen sollen die Lernenden motivieren, indem sie Erwartungen provozieren, die Lernen auslösen. ⌧ Lernumgebungen sollen durch eine angemessene methodische Aufbereitung des Lehrstoffes und durch besondere Lehrmaßnahmen die angezielten Lernprozesse erleichtern. ⌧ Die Lernumgebung soll den Lernenden Rückmeldung über den jeweiligen Lernerfolg geben. ⌧ Lernumgebungen sollen selbstgesteuertes Lernen unterstützen. ⌧ Lernumgebungen sollen im Hinblick auf verschiedene Formen kooperativen Lernens jene Prozesse unterstützen, die zur Entwicklung von Kooperationsfähigkeit beitragen und die Kommunikation in Kleingruppen begünstigen. Neuerdings werden im Rahmen der konstruktivistischen Lehr-Lern-Philosophie weitergehende Anforderungen an Lernumgebungen gestellt, sie sich insbesondere auf eine größere Situationsbezogenheit beziehen (vgl. Jonassen, 1993): ⌧ Lernumgebungen sollen Lernende mit authentischen Lernaufgaben konfrontieren. D.h. sie sollen erfahrungsbegründet sein und die zu lernenden Sachverhalte in Alltagskontexte einbetten. 23 ⌧ Sie sollen das Identifizieren, Definieren und Lösen von Problemen erleichtern. ⌧ Sie sollen nicht in erster Linie die Reproduktion, sondern die Konstruktion von Wissen anzielen. ⌧ Lernumgebungen sollen verschiedene Perspektiven desselben Sachverhalts bieten, um so die kognitive Flexibilität der Lernenden zu fördern. ⌧ Sie sollen alternative Möglichkeiten zur Problemlösung unterstützen, um auch individuellen Auffassungen Raum zu bieten. 2.2 Lernen durch Instruktion oder durch Problemlösen Die Idee, Medien einzusetzen, um Lernprozesse zu unterstützen, ist bereits sehr alt und hat mittlerweile erhebliche Forschungsanstrengungen bewirkt. Mit sämtlichen neu erfundenen Medien (z.B. Film, Radio, Fernsehen, programmierte Unterweisung, computerunterstützter Unterricht) zeigte sich immer das gleiche Bild: zunächst war man von dem jeweiligen neuen Medium und seinen didaktischen Möglichkeiten begeistert und glaubte, dass sie Lehren und Lernen wesentlich verbessern könnten. In der Folge wurden dann meist Vergleichsuntersuchungen zwischen herkömmlichem Lernen (lehrergesteuerter Unterricht) und mediengestütztem Lernen oder globale Vergleiche zwischen verschiedenen Medien durchgeführt, welche die Überlegenheit des neuen Mediums zeigen sollten. Die weitaus meisten Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass sich zwischen herkömmlichem und mediengestütztem Unterricht oder zwischen verschiedenen Medien 23 kein statistisch signifikanter Unterschied zeigen liess, was die Euphorie der Protagonisten deutlich dämpfte, und dazu führte, dass das jeweilige Medium wieder aus der Mode kam (vgl. dazu Saettler, 1968, Clark, 1994). Allerdings wiederholt sich dieser Forschungszyklus bis in die Gegenwart jeweils mit dem Aufkommen eines neuen Mediums. Den wesentlichen Grund dafür, dass die didaktische Überlegenheit eines neue Medium nicht bewiesen werden kann, sieht Clark (1983, 1994), darin dass in solchen Untersuchungen Medium und Lehrmethode miteinander konfundiert sind, d.h. dass nicht mehr unterschieden werden kann, welche Wirkung die Methode und welche Wirkung das Medium hatte. Clark veranschaulicht das am Beispiel einer Analogie. Für ihn sind Medien bloße Fahrzeuge, die Instruktionen zwar transportieren, aber auf das Lernen von Schülern sowenig Einfluss haben, wie der LKW, der unsere Nahrung liefert, Veränderungen in unseren Ernährungsgewohnheiten bewirkt. Kozma (1991, 1994) interpretiert diese Situation anders. Für ihn werden Medien und Technologien in solchen Untersuchungen nur gemäß Oberflächenmerkmalen klassifiziert und der Erfolg ausschließlich über Testergebnisse erfasst. Das Verhaftetbleiben z.B. im behavioristischen Ansatz und die Nicht-Berücksichtigung der kognitiven, affektiven und sozialen Prozesse auf Seiten der Lernenden führen dazu, dass Medien nicht die erwarteten Lerneffekte zeigten. Auch vermisst er eine Beschreibung und Klassifikation der den Medien zugrunde liegenden Strukturen und Funktionen (vgl. dazu Weidenmann in diesem Band), die Lernprozesse beeinflussen können. Für Kozma ist es also v.a. die Theorielosigkeit der Medienforschung sowie die Globalität der Fragestellungen, die dazu führte, dass sie bisher kaum anwendungsrelevante Ergebnisse erbrachte. Er schlägt vor, Fragestellung zu untersuchen, 23 wie einzelne Medienmerkmale dazu beitragen können, das Lernen unter Berücksichtigung von individuellen Lernvoraussetzungen, Aufgabenstellungen sowie situativen Bedingungen zu verbessern. Die Basis für solche Untersuchungen bietet ihm die konstruktivistische Lehr-Lern-Philosophie wonach Lernen einen aktiven, konstruktiven, kognitiven und sozialen Prozess darstellt bei dem die Lernenden ihre verfügbaren kognitiven, affektiven, physischen und sozialen Ressourcen dazu verwenden, neues Wissen zu konstruieren, indem sie mit den Informationen in ihrer Umgebung sowie dem bereits gespeicherten Wissen interagieren. (vgl. Shuell, 1988). Hier wird bereits deutlich, dass auch nicht mehr die Rede davon sein kann, dass Medien aus sich selbst Lernprozesse initiieren können und so mitteloder langfristig Lehrer ersetzen können. Medien können nur im Rahmen einer Lernumgebung zusammen mit bestimmten Lernaufgaben in einem didaktischen Kontext wirksam werden. Dies soll am Beispiel der Jasper-Woodbury-Serie veranschaulicht werden (Cognition & Technology Group at Vanderbilt, 1997; vgl. auch den Beitrag von Mandl, Gruber & Renkl in diesem Band). Ausgangspunkt für die Cognition & Technology Group at Vanderbilt (CTGV) war der empirisch gut belegte Sachverhalt, dass Schüler häufig Schwierigkeiten dabei haben, ihr schulisch erworbenes Wissen in konkreten Problemen anwenden zu können. Um den Transfer schulischen Lernens auf konkrete Probleme zu erleichtern, entwickelte die CTGV eine Serie bildplattenbasierter Problemsituationen für den Mathematikunterricht. Diese Problemsituationen enthalten komplexe mathematische Probleme, die in einem sehr anschaulichen Kontext, nämlich Videofilmen, dargestellt sind. 23 Die Videos zeigen diese Problemsituationen und enthalten neben einigen irrelevantem Informationen auch alle Daten, die benötigt werden, um das Problem zu lösen. In einer der Geschichten fährt beispielsweise der Protagonist Jasper Woodbury mit seinem Boot in einen weiter entfernt liegenden Hafen, um sich ein neues Boot anzuschauen, das er kaufen will. Das Problem besteht darin, ob er mit dem neuen Boot noch seinen Heimathafen erreichen kann. Dies muss vor Sonnenuntergang erfolgen, da die Positionsleuchten des Bootes defekt sind und er deshalb bei Dunkelheit nicht mehr fahren kann. Dieses Problem müssen die Schüler mit Hilfe der Informationen, die in dem Video enthalten sind, lösen. Dabei gibt es mehrere Hauptfragen, die Jaspers Entscheidung beeinflussen: Hat er genügend Zeit, um vor Sonnenuntergang den Heimathafen zu erreichen? Ist genügend Benzin für die Rückfahrt im Tank? Wenn nicht, hat er genügend Geld um unterwegs aufzutanken? usw. Van Hanenghan et al. (1992) untersuchten die didaktische Wirksamkeit der JasperWoodbury-Serie in Abhängigkeit von ihrer didaktischen Einbettung. Sämtliche Schüler ihrer Untersuchung sahen zu Beginn den Videofilm mit der Problemaufgabe. Anschließend arbeitete eine Schülergruppe (Versuchsgruppe) während drei Unterrichtsstunden in Kleingruppen unter Anleitung eines Lehrers. Der Lehrer ermutigt die Schüler, das Gesamtproblem in Teilprobleme zu zerlegen und die notwendigen Informationen zur Lösung der Teilprobleme zu suchen. Dazu schauten sich die Schüler immer wieder Teile des Videos an und trennten dabei relevante Informationen von irrelevanten. Die Lösung der Teilprobleme führt dann schließlich zur Lösung des Gesamtproblems. 23 Die zweite Gruppe sah auch das Video. Aber statt einer Anleitung, das konkrete Problem mit Hilfe der Informationen im Video zu lösen, wurde hier während drei Unterrichtsstunden das Problemlösen von solchen Aufgaben gelehrt und geübt, die Jasper auch lösen muss (Entfernungs-Zeit-Aufgaben, Benzinverbrauchsaufgaben usw.). Die Aufgaben lagen als Textaufgaben vor, die keinen direkten Bezug zur Jasper-Geschichte hatten. Zusätzlich wurde diesen Schülern das allgemeine Problemlösemodell von Polya (1957) vermittelt, und sie dazu ermutigt, es beim eigenen Lösen von mathematischen Problemen zu verwenden. Während also beide Schülergruppen mit situationsorientierten Problemaufgaben in Form von Videofilmen konfrontiert wurden und Problemlösemethoden lernten, war nur in der ersten Gruppe das Problemlösen explizit mit dem Kontext verknüpft, oder anders formuliert, nur in dieser Gruppe wurde das Medium Bildplatte explizit didaktisch in eine Lernumgebung eingebettet. Nach den drei Unterrichtsstunden unterschieden sich die beiden Gruppen in einem Nachtest nicht in ihrer Leistung bei Textaufgaben, wie sie die Kontrollgruppe während des Unterrichts bearbeitet hatte. Ein Vortest-Nachtest-Vergleich zeigte dagegen, dass die Schüler der Versuchsgruppe nach dem Unterricht signifikant besser relevante von nicht relevanten Informationen in der Jasper-Geschichte unterscheiden konnten. Der interessanteste Befund ergab sich bei einer Transferaufgabe. Diese Problemaufgabe wurde 23 den Schüler auch als Videofilm gezeigt. Dabei zeigte die Versuchgruppe durchschnittlich 58% richtiger Problemformulierungen, während die Kontrollgruppe nur 29% richtiger Problemformulierungen zeigte. Lernwirkungen von Medien sind also in hohem Maße abhängig von der speziellen Lernsituation. 2.3 Medienkompetenz als Bildungsziel für Lehrende und Lernende Wie die Studie von van Hanenghan et al. (1992) zeigt, lässt sich durchaus ein didaktischer Mehrwert durch Medien erreichen, aber nur dann, wenn die Medien sinnvoll in einen didaktischen Kontext eingebettet sind. Dazu ist es allerdings notwendig, dass Lehrer und Dozenten flächendeckend medienkompetent werden und die didaktischen Möglichkeiten der neuen Medien auch ausschöpfen können. Hier ist mit Medienkompetenz nicht in erster Linie die technische Bedienungskompetenz gemeint, sondern vor allem die didaktische Kompetenz, die neuen vielfältigen Angebote in ein sinnvolles didaktisches Konzept einzubinden. Diese Kompetenz ist derzeit weder bei den Lehrern und Dozenten noch bei der zukünftigen Lehrergeneration vorhanden, die sich gegenwärtig in der Ausbildung befindet. Für Lehramtstudierende belegt dies eine Befragung von Baacke, Hugger & Schweins (2000) an sieben deutschen Hochschulen. Danach fühlen sich beispielsweise drei Viertel der Lehramtsstudenten noch nicht optimal vorbereitet, um neue Medien im Unterricht einsetzen zu können. Ohne diese Kompetenz wird es nicht gelingen, die neuen Medien so in den Unterricht zu integrieren, dass ein didaktischer Mehrwert entsteht, d.h. dass der didaktische Ertrag beim Einsatz neuer Medien größer ist als ohne Medieneinsatz. 23 Wenn dieser didaktische Mehrwert mittelfristig nicht erzielt werden kann, werden die neuen Medien auch zukünftig nur ein Schattendasein in öffentlichen Bildungseinrichtungen führen (vergleichbar den Sprachlaboren, die in den 70er Jahren eingerichtet wurden). Statt dessen werden private Schulen oder außerschulische Anbieter dieses Feld einer stärker technologie-gestützten Ausbildung besetzen. Diese Tendenz ist im Bereich der betrieblichen Weiterbildung bereits zu beobachten. Dadurch wird die Gefahr sich vergrößern, dass die bereits jetzt sich abzeichnende Wissenskluft zwischen Besitzern und Nutzern der digitalen Technologien sowie zwischen den Nicht-Besitzern und NichtNutzern noch größer wird als sie jetzt schon ist (vgl. Mathews, 2000; Zehr, 2000). Dies würde mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass Eltern, die es sich leisten können, für ihre Kinder in verstärktem Maße Privatschulen wählen, die gerade die neuen Medien verstärkt einsetzen. So kostet z.B. der Besuch der Cincinnati Country Day-School in den USA, die Informations- und Kommunikationstechnologien sehr stark im Unterricht einsetzt, jährlich 12 000 Dollar (vgl. Roth, 1999). Es zeichnet sich hier die Gefahr eines Zweiklassen-Bildungssystems ab, was sowohl politisch als auch pädagogisch nicht erstrebenswert ist. Um diese Situation zu vermeiden ist es unerlässlich, dass sowohl Lehrer und Dozenten als auch Schüler Medienkompetenz erwerben. Wie oben bereits angedeutet meint Medienkompetenz für Lehrer und Dozenten insbesondere die didaktische Kompetenz, die neuen vielfältigen medialen Angebote in ein sinnvolles didaktisches Konzept einzubinden. Dazu ist es zukünftig notwendig, medienpädagogische Fragen in der universitären 23 Lehrerausbildung ein größeres Gewicht als bisher beizumessen (vgl. Spanhel, 1999; Tulodziecki, 1999) und auch zusätzliche Ausbildungsangebote, wie z.B. die „Zusatzqualifikation Medien und Informationstechnologien in Erziehung, Unterricht und Bildung” (PLAZ, 2000) für Studierende und Lehrer zu entwickeln (vgl. auch den Beitrag von Schulz-Zander & Tulodziecki in diesem Band). Aber auch in der Lehrer- und Dozentenweiterbildung sind zusätzliche Angebote notwendig, um LehrerInnen in den Schulen die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln. Einen Überblick über die in einigen Bundesländern durchaus beachtlichen Angebote in diesem Bereich findet sich in Busch, Ballier & Pacher (2000). 2.3 Alte und neue Medien im Bildungsbereich Neue Medien mussten sich zu allen Zeiten ihre eigenen spezifischen Formate entwickeln. So wurde der elektrische Telegraf zunächst nur zum Absenden von Mitteilungen in Analogie zum optischen Telegrafen verwendet, das Telefon sollte zur Übertragung von Opern verwendet werden, die ersten Filme zeigten eine Bühne auf Zelluloid usw. (vgl. Flichy, 1994). Erst allmählich entwickelten sich die je spezifischen Medienanwendungen. Ähnlich bei den Bildungsmedien. Bildungsfernsehen begann damit, dass Experten beim Vortrag gefilmt wurden und dies einem größeren Publikum zugänglich gemacht wurde. Die ersten Anwendungen des Telelearnings bestanden darin, Vorlesungen in andere Räume bzw. in andere Hochschulen zu übertragen. Es werden also zunächst alte (didaktisch nicht unbedingt optimierte) Inhalte und Methoden über neue Medien vermittelt. So auch beim Einsatz des Computers zum Lernen. Bei nicht wenigen Programmen hat man den Eindruck, 23 dass Buchinhalte bloß auf eine CD-ROM übertragen wurden, oder Lernprogramme im Sinne von Karteikarten eingesetzt werden. Erst allmählich entwickeln sich Softwareformen, welche die spezifischen Möglichkeiten des Computers nutzen. Hier ist der didaktische Mehrwert häufig nicht zu erkennen. So auch beim Internet. Da das Internet nicht aus einer pädagogischen Zielsetzung heraus entwickelt wurde, müssen pädagogischdidaktische Hilfestellungen angeboten werden, um dieses Medium für didaktische Aufgaben nutzbar zu machen. Im „Lehrer-Kursbuch Internet” von Wimmers (2000) beispielsweise findet man bloß eine begrifflich-technische Einführung und dann eine riesige Liste kommentierter Internetadressen ohne Hinweise darauf, wie diese Informationen didaktisch sinnvoll ungesetzt werden können. Statt solcher technischen Hilfen erscheint es notwendig, das didaktische Design multimedialer Lernumgebungen zu entwickeln, d.h. zu klären auf Grund welcher Überlegungen verschiedene Medien bzw. Medienbausteine zusammengesetzt werden können, damit sie ein Optimum an Lernwirksamkeit erreichen (vgl. Seel & Dörr, 1997). Ausgangspunkt und Grundlage für diese Klärung ist die Annahme, dass das menschliche Lernen als ein aktiver, konstruktiver Prozess verstanden wird, vermittels dessen der Lernende in planvoller und strategischer Weise verfügbare Informationen so organisiert und strukturiert, dass er neues Wissen erzeugen oder besser mit vorhandenem Wissen umgehen kann, um Probleme zu lösen. Dabei soll die Technologie nicht die Rolle des Lehrenden übernehmen - wie dies von einigen Vertretern der Programmierten Unterweisung in den 60er Jahren vorgesehen war - sondern die Technologie soll für Lehrende und Lernende ein Werkzeug sein, das sie beim Lehren und Lernen unterstützt 23 (vgl. Brunner & Tally, 1999). Dabei können die neuen Medien Lehren und Lernen in drei Bereichen fördern: ⌧ Werkzeug zum selbstgesteuerten Lernen: Sowohl das Internet als auch CDROMs bieten eine Fülle von Informationen, die zur Bearbeitung unterschiedlichster Fragestellungen geeignet sind. Lernende können mit entsprechender Software gemäß Ihren Interessen Fragestellungen untersuchen, verschiedene Quellen studieren, eigenen Hypothesen nachgehen usw. Aber in diesem Prozess brauchen Lernende Unterstützung, damit sie sich nicht in der Vielfalt der Informationen verlieren. Insbesondere können neue Medien hier komplexe Fallbeispiele anbieten die Schüler motivieren und zu Fragen einladen, ihnen Zugriff auf reichhaltige und aktuelle Materialiensammlungen geben, die Möglichkeit anbieten, reale Daten zu messen und aufzuzeichnen und Lernende bei der Analyse und Interpretation ihrer Ergebnisse zu unterstützen. Beispiele für Medienanwendungen, welche die obigen Angebote unterstützen sind die CD-ROMs „Die Alpen” (FWU, 1999), „Winnies Welt” (1997) oder das Internetangebot von Globe-Germany (http://www.globe-germany.de). Ein Beispiel aus dem Bereich der betrieblichen Weiterbildung wird unter 3.2 beschrieben. Gerade bei diesen Werkzeugen wird deutlich, wie wichtig aber auch wie verändert die neue Rolle des Lehrenden ist. Er besitzt nicht mehr ein Wissensmonopol, sondern alle Lerneden haben in gleichem Ausmaß Zugriff auf Informationen. Wie diese Informationen jedoch abgerufen werden, wie sie mit anderen Informationen und bereits vorhandenem Vorwissen verknüpft werden, 23 wie die gefundenen Informationen aufbereitet werden können, um auch für andere Lernende nutzbringend verwendet werden zu können, sind Probleme, die Lernende meist nicht selbst lösen können. Hier brauchen sie Unterstützung, Beratung, Hilfestellung. ⌧ Produktionswerkzeug: Neue Medien können Lernende dabei unterstützen, ihre Erfahrungen in verschiedenen Symbolsystemen und Formen auszudrücken und diese so auch anderen Lernenden wieder zugänglich machen. Dabei sind diese Arbeiten nicht an den Unterrichtsraum oder an die Schule oder Hochschule gebunden, sondern können sehr leicht auch anderen Einrichtungen und anderen Lernenden zugänglich gemacht werden. Ein Beispiel dafür sind virtuelle oder teilvirtuelle Hochschulveranstaltungen, wo Studierenden mit Hilfe einer Plattform ihre Arbeiten erstellen und ablegen können. Dabei spielt es auch keine Rolle ob die Studierenden an einem Ort oder räumlich getrennt arbeiten (vgl. Dörr, i.Dr). Multimedia- und Hypertext-Werkzeuge zum Erstellen und Kommentieren von Berichten, Zeitungen oder nichtlinearen Texten, digitale Kameras, Camcorder und Videoeditoren, die es mittlerweile erlauben sehr einfach Bilder und Filmausschnitte in Präsentationen einzubeziehen, Grafikund Animationsprogramme um Bilder, Grafiken und sogar Filmausschnitte in Präsentationen zu verändern oder zu bearbeiten. Alle diese Medien haben ihre besonderen formalen Merkmale oder Sprache, bestimmte Stärken aber auch Schwächen, die ausgelotet werden können, indem sie in konkreten Projekten eingesetzt werden. 23 ⌧ Kommunikationswerkzeug: Durch Intra- und Internet-Vernetzung können Lernende untereinander bzw. mit externen Experten außerhalb der jeweiligen Einrichtung kommunizieren. Didaktisch eingebettet können so z. B. authentische Sprechsituationen mit ausländischen Schülern gestaltet werden, oder auch Kontakte mit anderen Gruppen gepflegt werden (vgl. Donath, 1999). Es können auch Studierende aus verschiedenen Hochschulen, bzw. Trainer und Mitarbeiter im Rahmen der betrieblichen Weiterbildung, die sich an verschiedenen Orten befinden, miteinander kommunizieren. Die derzeit vorhandenen Technologien bieten vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten sowohl synchroner (Chat), als auch asynchroner Art (Email, Newsgroups). Allerdings ist die damit verbundene Öffnung der Schulen auch mit erheblichen Problemen verbunden: Die Ermöglichung freier Kommunikation in Schulen, indem man beispielsweise Schülern eigene Email-Nummern gibt, bzw. ihnen freien Zugriff auf das Internetangebot gibt, ist auch mit der Gefahr des Missbrauchs verbunden. Die damit angesprochene Frage der Internetverantwortung in Schulen ist für Deutschland noch relativ neu, es liegen jedoch erste Empfehlungen vor, wie Schulen mit diesem Problem umgehen können und Internetverantwortung sicher stellen können (vgl. Waltermann & Machill, 2000). Damit sich die Informations- und Kommunikationstechnologien zu Bildungszwecken in den oben beschriebenen Bereichen durchsetzen können, muss das didaktische Design multimedialer Lernumgebungen wesentlich weiter entwickelt werden. Einmal müssen 23 benutzerfreundliche computerbasierte Plattformen bzw. Oberflächen entwickelt werden, die das Arbeiten in derartigen Lernumgebungen sowie die Kommunikation mit Lehrenden und Lernenden erleichtern (vgl. Schulz-Zander, 1999). Diese Plattformen sind jedoch nur notwendige und nicht hinreichende Voraussetzungen für gelingendes Lernen. Es müssen Lehrziele und Lernangebote entwickelt werden, die sowohl inhaltlichen als auch didaktischen Anforderungen Rechnung tragen. Des weiteren müssen Anwendungen entwickelt werden, die den didaktischen Mehrwert des neuen Mediums deutlich machen, wie z.B. die Geometriesoftware CABRI (http://www-cabri.imag.fr). Es müssen auch Programme bzw. Lernumgebungen entwickelt werden, die nicht nur auf Wissenserwerb zielen, sondern beispielsweise auch auf Problemlösen ausgerichtet sind, wie z.B. die Jasper-Woodbury-Serie der Cognition and Technology Group at Vanderbilt (1997). Schließlich brauchen Lehrer und Dozenten Hinweise dazu, wie die neuen Informationsund Kommunikationstechnologien im Unterricht didaktisch sinnvoll in verschiedenen Fächern und Kursen (vgl. Brunner & Tally, 1999; Dörr, 1999; Engel & Klein, 1999; Dönhoff, 1999; Fuest & Kruse, 1999). 2.5 Neue Medien als Katalysatoren für Innovationen im Bildungsbereich Die derzeit gängige Unterrichtspraxis erleichtert das Arbeiten mit den neuen Informationsund Kommunikationstechniken nicht gerade. So zeigten Hage et al. (1985), dass fast 80 % des gesamten Unterrichts als Frontalunterricht mit darbietendem, demonstrierenden und Frage-Antwort-Unterricht bestritten wurden. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der betrieblichen Weiterbildung (vgl. Dörr, 1999). Zwar lassen sich neue Medien sicher auch 23 im Frontalunterricht sinnvoll einsetzen, ihre eigentliche Stärke können sie jedoch erst bei stärker handlungsorientierten Unterrichtsformen beweisen. Der 45-Minutentakt, die Tatsache, dass Computer meist in Computerräumen unter Verschluss sind oder auch nachmittags von Schülern nicht genutzt werden können sowie häufig fehlende Absprachen und gemeinsame Planungen verschiedener Fachlehrer erschweren sowohl handlungsorientiertere Lernformen als auch das sinnvolle Lernen mit neuen Medien. Brunner & Tally (1999) zeigen an zwei Szenarien auf, wie neue Medien im Unterricht eingesetzt werden können. Im Instruktionsmodell (instructional delivery model) dienen die Medien zur direkten Instruktion, ob im Frontalunterricht oder im Einzelunterricht. Schüler arbeiten v.a. allein mit didaktischer Software, LehrerInnen fungieren als Moderatoren. Lernen wird insbesondere als Erwerb von Faktenwissen verstanden. In diesem Modell können die Medien in die bisherige Schulstruktur integriert werden, ohne gravierende organisatorische Änderungen vornehmen zu müssen. Im Projektmodell (inquiry model) wird Lernen wesentlich allgemeiner verstanden als die Fähigkeit, komplexe, offene Probleme gemeinsam mit anderen Schülern lösen zu können. Medien nehmen neben anderen Werkzeugen eine nur begrenzt Rolle ein, Schüler lernen im Unterricht daneben den Gebrauch vieler verschiedener Hilfsquellen (Bücher, Büchereien, Museen, Videos, erwachsene Experten innerhalb und außerhalb der Schule). Sie arbeiten häufig kooperativ in Lernteams. Die Aufgabe des Lehrers besteht insbesondere in der Auswahl der Ziele und der Inhalte. Für die Schüler fungieren sie v.a. als Lernberater. Selbstgesteuertes Lernen nimmt hier einen großen Stellenwert ein. Die neuen Technologien dienen dabei im wesentlichen als Werkzeuge zur Unterstützung des selbstgesteuerten Lernens, zur 23 Darstellung der Ergebnisse und als Kommunikationswerkzeug (s.o.). Brunner & Tally (1999) sind der Überzeugung, dass insbesondere das Projektmodell dazu geeignet ist, einen didaktischen Mehrwert der Informations- und Kommunikationstechnologien in der Schule zu realisieren. Ähnlich sind Lindau-Bank & Magenheim (1998) davon überzeugt, dass neue Medien Impulse zur Schulentwicklung geben können. Sie zeigen, dass „durch ein integratives schulisches Konzept zur Medienbildung selbstorganisierte Lernformen an Bedeutung gewinnen. Projektunterricht mit und über Neue Medien sowie überfachliches Lernen können sinnvoll mit Konzeptionen zur Medienbildung verbunden werden. Die Einbeziehung von Medien kann auch eine ‘Öffnung von Schule’ bewirken sowohl als Abkehr von starren Stundentafeln und Zeitrhythmen als auch zum lokalen Umfeld hin” (Lindau-Bank & Magenheim, 1998, S. 4). 3. Beispiele Abschließend soll an zwei Beispielen gezeigt werden, wie neue Medien in der Schule sowie der betrieblichen Weiterbildung eingesetzt werden können, und dadurch ein didaktischer Mehrwert erzielt werden kann. Ein Beispiel aus der Hochschullehre findet sich bei Dörr (i.Dr.). 3.1 CD-ROM „Die Alpen” Die vom FWU (1999) produziert CD-ROM „die Alpen” versucht, das Thema „Alpen” unter verschiedenen Gesichtspunkten aufzuarbeiten. Die CD-ROM bietet eine umfangreiche Materialsammlung, die Texte, Tabellen, Standbilder, Video- und 23 Audiosequenzen, Grafiken, Karten, Animationen und Simulationen zum Thema anbietet. Obwohl der Schwerpunkt im Bereich Geografie liegt, bietet das Programm auch Anknüpfungsmöglichkeiten für andere Fächer wie Deutsch, Biologie, Kunsterziehung, Musik, Hauswirtschaft, Geschichte und Latein an, so dass fächerverbindendes Unterrichten mit dieser Software sehr gut möglich ist. Dadurch, dass die Software kein klassisches Lernprogramm ist, bietet sie dem Lehrer die Chance, es gemäß seinen intendierten Zielen und Inhalten einzusetzen. Dazu bietet das Programm wiederum verschiedene Zugangsmöglichkeiten, die untereinander durch zahlreiche Links verbunden sind: # In zwei Untermenüs „Ausflug im Sommer” und „Ausflug im Winter” können in sich abgeschlossene Lehreinheiten bearbeit werden, wobei der Lernweg selbst gewählt werden kann. Diese Menüs enthalten auch Lehrzielkontrollen. # Das Untermenü „Wissen im Detail” liefert alle Informationen systematisch nach Sachgebieten gegliedert. Es ist in neun Kapitel eingeteilt, die selbst wieder untergliedert sein können und Informationen in den verschieden Symbolsystemen anbieten (s.o.). # Im Untermenü „Mediensuche” kann über eine Schlagwortsuche auf sämtliche Inhalte der CD-ROM zugergriffen werden. # Im Untermenü „Mehr Info” werden zusätzliche Informationen zum Thema „Alpen” angeboten. Es werden zusätzliche Literatur, wichtige Adressen, Internetadressen (die unmittelbar angewählt werden können) sowie weitere Medien hier aufgelistet. 23 Ein wesentlicher Vorteil dieses Programms ist weiterhin, dass es nicht nur auf Wissenserwerb abzielt, sondern auch Probleme in Form von Planspielen enthält, welche die Lernenden mit Hilfe der Informationen, die im Programm enthalten sind, lösen müssen. So muss beispielsweise im Planspiel „Stausee” eine konkrete Problemstellung, nämlich der Bau eines Stausees und eines Wasserkraftwerkes, gelöst werden. Dies besteht darin, dass ein Standort für einen Stausee gesucht wird, der zur Energieversorgung benötigt wird, dies aber sowohl ökologischen Interessen aber auch den touristischen Interessen der Anwohner widerspricht. Das Programm selbst bietet keine Lösungen an, erlaubt aber durch Simulationen die Ergebnisse bestimmter Entscheidungen zu überprüfen. Die Schüler haben die Aufgabe, verschiedene Lösungswege zu diskutieren, sowie die Vor- und Nachteile der verschiedenen Entscheidungen gegeneinander abzuwägen. Dabei kann das Hilfsmittel „Sammelkasten” behilflich sein. Hier können Lernende selbst Medien aus dem Programm ablegen und anschließend weiterverarbeiten, um z.B. eine individuelle MultimediaPräsentation zu erstellen. Abgerundet wird das Programm durch eine Fülle von Vorschlägen zum unterrichtlichen Einsatz. Die CD-ROM „Die Alpen” kann sowohl das selbstgesteuerte Lernen unterstützen, als auch als Produktionswerkzeug dienen und - allerdings in eingeschränkter Weise - als Kommunikationswerkzeug dienen. Dadurch dass es problemorientiertes Arbeiten ermöglicht und Lehrende nicht nur einen methodisch-didaktischen Weg vorgibt, stellt es eine relativ offene Lernumgebung dar, die für den schulischen Einsatz in besonderer Weise geeignet erscheint. 23 3.2 Fernqualifizierung in der betrieblichen Weiterbildung Im Rahmen eines Kooperationsprojektes zwischen der Pädagogischen Hochschule Weingarten und der Deutschen Telekom wurden zwischen 1996 bis 1998 Prototypen von multimedialen Weiterbildungsveranstaltungen konstruiert und evaluiert. Ziel war es, die dem gesteigerten Weiterbildungsbedarf der Deutschen Telekom Rechnung tragen. Dazu sollten die Weiterbildungsveranstaltungen nicht wie bisher in sog. Bildungszentren durchgeführt werden, wodurch ganz erhebliche Reise- und Übernachtungskosten anfallen. Statt dessen sollte die Veranstaltung in den jeweiligen Niederlassungen stattfinden. Die didaktische Betreuung der Lernenden erfolgte durch einen Ferntrainer, der über verschiedene telekommunikative Medien mit den Lernenden in Kontakt treten konnte. Ziel der Telekom war es, Veranstaltungen zu entwickeln, die vergleichbare Lernergebnisse wie traditionelle Weiterbildungsveranstaltungen erbrachten. Zunächst führten wir eine Teilnehmer- bzw. Lerngruppenanalyse durch. Dazu beobachteten wir verschiedene Seminare. Die wesentlichen Ergebnisse der Lerngruppenanalyse waren: ⌧ Bezüglich des Vorwissens waren die Teilnehmer extrem heterogen, d.h. es war notwendig, differenzierte Lehrinhalte anzubieten ⌧ Die Seminare wurden während 3 aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt. Vor- und Nachbereitungsphasen waren nicht vorgesehen, wodurch der Lehrerfolg wesentlich eingeschränkt werden dürfte. In den modifizierten Seminaren sollten Vor- und Nachbereitungsphasen berücksichtigt werden. ⌧ Es sollte nicht nur Wissen, sondern auch Lernstrategien vermittelt werden, die es den Lernenden den Transfer auf neue Inhaltsbereiche erleichtern sollten. 23 ⌧ Wissen sollte nicht isoliert, sondern in situationsorientierten Kontexten vermittelt werden. Auf der Basis dieser Ziele wurden nun Lernumgebungen entwickelt, die sowohl Arbeitsmaterialien, Arbeitsaufgaben, didaktischen Hinweise für den Ferntrainer als auch die technische Infrastruktur berücksichtigten. Diese Lernumgebungen umfassten - je nach behandeltem Inhalt - verschiedene multimediale Komponenten wie Business-TV, CBTLektionen, Videokonferenzen sowie Telefonkonferenzen, die über ein Intranet zur Verfügung gestellt wurden (vgl. Dörr, 1999). In der Evaluation zeigte sich für die neuentwickelten Seminare ein vergleichbarer Lernerfolg sowie eine vergleichbare Akzeptanz der TeilnehmerInnen im Vergleich zu herkömmlichen Seminaren. Ein interessanter Punkt im Rahmen der Evaluation sollte betont werden. Während die herkömmlichen Seminare im wesentlichen frontal und undifferenziert durchgeführt wurden - ein Trainer zeigte oder erklärte etwas, die TeilnehmerInnen übten das anschließend - war dieses Vorgehen im Rahmen der Fernqualifizierung unmöglich. Dadurch dass Lernen in wesentlich stärkerem Maße selbstgesteuert war, gingen die Lernenden eigene Lernwege, arbeiteten unterschiedlich schnell, benötigten unterschiedliche Hilfen usw. Diese Situation überforderte die Ferntrainer wesentlich. Das Ergebnis war, dass als Folge davon ein Weiterbildungsseminar für Ferntrainer entwickelt wurde, das ihnen die notwendigen Kompetenzen vermitteln sollte. 23 3. Schluss Insbesondere das letzte Beispiel zeigt sehr deutlich: Medien sind keine Allheilmittel. Nicht bereits dadurch, dass man in Schule, Hochschule oder Weiterbildung Multimedia einsetzt, wird die Ausbildung qualitativ besser. Didaktischer Mehrwert resultiert nicht bereits aus den Medien sondern kann nur im Rahmen eines sorgfältigen didaktischen Design entstehen, das neben den Merkmalen und Besonderheiten der verschiedenen Medienkomponenten auch die Merkmale und Besonderheiten der Lernenden sowie der verschiedenen Inhaltsbereiche und auch die angestrebten Lehrziele berücksichtigt. Unter diesen Voraussetzungen können Multimedia und vernetzte Technologien allerdings Lernen in erheblichen Maße optimieren und auch Innovationen in Schule, Hochschule und betrieblicher Weiterbildung anstossen.