Multimedia aus pädagogischer Sicht

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Multimedia aus pädagogischer Sicht
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Günter Dörr, Peter Strittmatter
Multimedia aus pädagogischer Sicht
Jede mediale Neuentwicklung weckte in der Vergangenheit bei Pädagogen sowohl große
Erwartungen als auch ebenso große Befürchtungen. So glaubten z.B. in den USA in den
zwanziger Jahren einige Pädagogen, der (damals noch junge) Film würde mittelfristig die
Bücher in den Schulen ersetzen (vgl. Saettler, 1968). Heimann (1965) erhoffte sich durch
das Fernsehen einen erheblichen innovativen Schub für die Unterrichtspraxis und auch für
die Unterrichtstheorie. Auf der anderen Seite befürchteten Medienkritiker, dass das Kino
die Menschen nur verwirre und verderbe (vgl. z.B. Schweinitz, 1992) oder das Fernsehen
führe sogar zum Verschwinden der Kindheit (Postman, 1983). Deshalb müsse es aus den
Wohnzimmern (und aus den Schulen) verbannt werden (Winn, 1984). Diese Beschreibung
lässt sich fortsetzen bis in die Gegenwart. Papert (1998) beispielsweise glaubt, dass
Computer und Multimedia Unterricht und Lernen revolutionieren werden, während von
Hentig (1993) den Standpunkt vertritt, Computer könnten der Schule pädagogisch
überhaupt nicht weiterhelfen und sollten deshalb in Schulen auch nicht eingesetzt werden..
1. Multimedia in pädagogischen Kontexten
Die neuen Informations- und Kommunikationstechnologien werden zukünftig in der sog.
Informationsgesellschaft eine herausragende Stellung einnehmen. Bereits heute ist
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absehbar, dass sämtliche Lebensbereiche davon betroffen sein werden: das Berufsleben
wurde und wird in vielen Bereichen durch die Informations- und Kommunikationsmedien
vollständig umgestaltet (z.B. Druckindustrie, Bürobereich, Telearbeit), für immer mehr
Alltagsaufgaben stehen computerbasierte Dienstleistungen zur Verfügung (z.B. ECommerce, Homebanking), auch der Freizeitbereich wird immer stärker durch neue
Technologien bestimmt. Da der digitale Kapitalismus (Glotz, 1999) sämtliche
Gesellschaftsbereiche durchdringen wird, sollten Menschen bereits möglichst frühzeitig mit
der zugrunde liegenden Computertechnologie vertraut gemacht werden. Diese
Überlegungen liegen auch der Erklärung der KMK-Konferenz (1995) sowie dem
Orientierungsrahmen der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und
Forschungsförderung (1995) zugrunde. Schule soll dazu beitragen, dass „Schülerinnen und
Schüler zu einem sachgerechten, selbstbestimmten und sozial verantwortlichen Ungang mit
den Medien” befähigt werden (KMK-Erklärung, 1995, S. 11). Unter dem Bildungsziel
Medienkompetenz sollen Schülerinnen und Schüler
⌧ sich in der Medienwelt zurechtfinden können,
⌧ die durch Medien vermittelten Informationen, Erfahrungen und Handlungsmuster
kritisch einordnen können,
⌧ sich innerhalb einer von Medien bestimmten Welt selbstbewusst, eigenverantwortlich
und produktiv verhalten können.
Diese Ziele können in Schule und Unterricht auf verschiedenen Wegen angezielt werden,
einmal indem Medien zum Unterrichtsthema gemacht werden (Medienerziehung) und
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indem Medien im Unterricht eingesetzt werden um Lehr-Lernprozesse zu optimieren
(Mediendidaktik). In diesem Beitrag werden v.a. mediendidaktische Fragen für alle
Bildungsbereiche behandelt werden, während medienerzieherische und mediendidaktische
Fragen für den Schulbereich im Beitrag von Schulz-Zander & Tulodziecki thematisiert
werden. Dabei beschränkt sich die Diskussion nicht auf bestimmte Formen multimedialer
Anwendungen, sondern versucht, das gesamte Spektrum der sich gegenwärtig anbietenden
Formen zu berücksichtigen, wie z.B. das Lernen mit CD-ROMs, netzbasiertes Lernen oder
Telelernen. Deshalb werden wir auch im weiteren den Begriff „multimediale
Lernumgebung” verwenden (vgl. Dörr & Seel, 1997) um deutlich zu machen, dass nicht ein
bestimmtes Medium im Zentrum des Interesses steht, sondern dass es darauf ankommt,
Medien so in didaktische Kontexte in Form von Lernumgebungen zu integrieren, dass ein
didaktischer Mehrwert entsteht (zu Beispielen s.u.).
2. Multimediale Lernumgebungen
2.1 Der Begriff der Lernumgebung
Lernen umfasst verschiedene Faktoren „innerer” und „äußerer” Lernbedingungen. Der
Begriff der Lernumgebung zielt in erster Linie auf die äußeren Bedingungen ab. Im
besonderen geht es um Lernmaterialien und Lernaufgaben sowie um deren Gestaltung,
wodurch erwünschte Lernprozesse ausgelöst werden sollen. Die Lernmaterialien und die
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Lernaufgaben sind so zu gestalten, dass sie die folgenden didaktischen Funktionen einer
Lernumgebung erfüllen können (vgl. Seel & Dörr, 1997):
⌧ Lernumgebungen sollen die Lernenden motivieren, indem sie Erwartungen
provozieren, die Lernen auslösen.
⌧ Lernumgebungen sollen durch eine angemessene methodische Aufbereitung des
Lehrstoffes und durch besondere Lehrmaßnahmen die angezielten Lernprozesse
erleichtern.
⌧ Die Lernumgebung soll den Lernenden Rückmeldung über den jeweiligen Lernerfolg
geben.
⌧ Lernumgebungen sollen selbstgesteuertes Lernen unterstützen.
⌧ Lernumgebungen sollen im Hinblick auf verschiedene Formen kooperativen Lernens
jene Prozesse unterstützen, die zur Entwicklung von Kooperationsfähigkeit beitragen und
die Kommunikation in Kleingruppen begünstigen.
Neuerdings werden im Rahmen der konstruktivistischen Lehr-Lern-Philosophie
weitergehende Anforderungen an Lernumgebungen gestellt, sie sich insbesondere auf eine
größere Situationsbezogenheit beziehen (vgl. Jonassen, 1993):
⌧ Lernumgebungen sollen Lernende mit authentischen Lernaufgaben konfrontieren. D.h.
sie sollen erfahrungsbegründet sein und die zu lernenden Sachverhalte in Alltagskontexte
einbetten.
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⌧ Sie sollen das Identifizieren, Definieren und Lösen von Problemen erleichtern.
⌧ Sie sollen nicht in erster Linie die Reproduktion, sondern die Konstruktion von Wissen
anzielen.
⌧ Lernumgebungen sollen verschiedene Perspektiven desselben Sachverhalts bieten, um
so die kognitive Flexibilität der Lernenden zu fördern.
⌧ Sie sollen alternative Möglichkeiten zur Problemlösung unterstützen, um auch
individuellen Auffassungen Raum zu bieten.
2.2 Lernen durch Instruktion oder durch Problemlösen
Die Idee, Medien einzusetzen, um Lernprozesse zu unterstützen, ist bereits sehr alt und hat
mittlerweile erhebliche Forschungsanstrengungen bewirkt. Mit sämtlichen neu erfundenen
Medien (z.B. Film, Radio, Fernsehen, programmierte Unterweisung, computerunterstützter
Unterricht) zeigte sich immer das gleiche Bild: zunächst war man von dem jeweiligen
neuen Medium und seinen didaktischen Möglichkeiten begeistert und glaubte, dass sie
Lehren und Lernen wesentlich verbessern könnten. In der Folge wurden dann meist
Vergleichsuntersuchungen zwischen herkömmlichem Lernen (lehrergesteuerter Unterricht)
und mediengestütztem Lernen oder globale Vergleiche zwischen verschiedenen Medien
durchgeführt, welche die Überlegenheit des neuen Mediums zeigen sollten.
Die weitaus meisten Untersuchungen kamen zu dem Ergebnis, dass sich zwischen
herkömmlichem und mediengestütztem Unterricht oder zwischen verschiedenen Medien
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kein statistisch signifikanter Unterschied zeigen liess, was die Euphorie der Protagonisten
deutlich dämpfte, und dazu führte, dass das jeweilige Medium wieder aus der Mode kam
(vgl. dazu Saettler, 1968, Clark, 1994). Allerdings wiederholt sich dieser Forschungszyklus
bis in die Gegenwart jeweils mit dem Aufkommen eines neuen Mediums. Den
wesentlichen Grund dafür, dass die didaktische Überlegenheit eines neue Medium nicht
bewiesen werden kann, sieht Clark (1983, 1994), darin dass in solchen Untersuchungen
Medium und Lehrmethode miteinander konfundiert sind, d.h. dass nicht mehr
unterschieden werden kann, welche Wirkung die Methode und welche Wirkung das
Medium hatte. Clark veranschaulicht das am Beispiel einer Analogie. Für ihn sind Medien
bloße Fahrzeuge, die Instruktionen zwar transportieren, aber auf das Lernen von Schülern
sowenig Einfluss haben, wie der LKW, der unsere Nahrung liefert, Veränderungen in
unseren Ernährungsgewohnheiten bewirkt. Kozma (1991, 1994) interpretiert diese
Situation anders. Für ihn werden Medien und Technologien in solchen Untersuchungen nur
gemäß Oberflächenmerkmalen klassifiziert und der Erfolg ausschließlich über
Testergebnisse erfasst. Das Verhaftetbleiben z.B. im behavioristischen Ansatz und die
Nicht-Berücksichtigung der kognitiven, affektiven und sozialen Prozesse auf Seiten der
Lernenden führen dazu, dass Medien nicht die erwarteten Lerneffekte zeigten. Auch
vermisst er eine Beschreibung und Klassifikation der den Medien zugrunde liegenden
Strukturen und Funktionen (vgl. dazu Weidenmann in diesem Band), die Lernprozesse
beeinflussen können. Für Kozma ist es also v.a. die Theorielosigkeit der Medienforschung
sowie die Globalität der Fragestellungen, die dazu führte, dass sie bisher kaum
anwendungsrelevante Ergebnisse erbrachte. Er schlägt vor, Fragestellung zu untersuchen,
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wie einzelne Medienmerkmale dazu beitragen können, das Lernen unter Berücksichtigung
von individuellen Lernvoraussetzungen, Aufgabenstellungen sowie situativen Bedingungen
zu verbessern. Die Basis für solche Untersuchungen bietet ihm die konstruktivistische
Lehr-Lern-Philosophie wonach Lernen einen aktiven, konstruktiven, kognitiven und
sozialen Prozess darstellt bei dem die Lernenden ihre verfügbaren kognitiven, affektiven,
physischen und sozialen Ressourcen dazu verwenden, neues Wissen zu konstruieren, indem
sie mit den Informationen in ihrer Umgebung sowie dem bereits gespeicherten Wissen
interagieren. (vgl. Shuell, 1988). Hier wird bereits deutlich, dass auch nicht mehr die Rede
davon sein kann, dass Medien aus sich selbst Lernprozesse initiieren können und so mitteloder langfristig Lehrer ersetzen können. Medien können nur im Rahmen einer
Lernumgebung zusammen mit bestimmten Lernaufgaben in einem didaktischen Kontext
wirksam werden.
Dies soll am Beispiel der Jasper-Woodbury-Serie veranschaulicht werden (Cognition &
Technology Group at Vanderbilt, 1997; vgl. auch den Beitrag von Mandl, Gruber & Renkl
in diesem Band). Ausgangspunkt für die Cognition & Technology Group at Vanderbilt
(CTGV) war der empirisch gut belegte Sachverhalt, dass Schüler häufig Schwierigkeiten
dabei haben, ihr schulisch erworbenes Wissen in konkreten Problemen anwenden zu
können. Um den Transfer schulischen Lernens auf konkrete Probleme zu erleichtern,
entwickelte die CTGV eine Serie bildplattenbasierter Problemsituationen für den
Mathematikunterricht. Diese Problemsituationen enthalten komplexe mathematische
Probleme, die in einem sehr anschaulichen Kontext, nämlich Videofilmen, dargestellt sind.
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Die Videos zeigen diese Problemsituationen und enthalten neben einigen irrelevantem
Informationen auch alle Daten, die benötigt werden, um das Problem zu lösen. In einer der
Geschichten fährt beispielsweise der Protagonist Jasper Woodbury mit seinem Boot in
einen weiter entfernt liegenden Hafen, um sich ein neues Boot anzuschauen, das er kaufen
will. Das Problem besteht darin, ob er mit dem neuen Boot noch seinen Heimathafen
erreichen kann. Dies muss vor Sonnenuntergang erfolgen, da die Positionsleuchten des
Bootes defekt sind und er deshalb bei Dunkelheit nicht mehr fahren kann. Dieses Problem
müssen die Schüler mit Hilfe der Informationen, die in dem Video enthalten sind, lösen.
Dabei gibt es mehrere Hauptfragen, die Jaspers Entscheidung beeinflussen: Hat er
genügend Zeit, um vor Sonnenuntergang den Heimathafen zu erreichen? Ist genügend
Benzin für die Rückfahrt im Tank? Wenn nicht, hat er genügend Geld um unterwegs
aufzutanken? usw.
Van Hanenghan et al. (1992) untersuchten die didaktische Wirksamkeit der JasperWoodbury-Serie in Abhängigkeit von ihrer didaktischen Einbettung. Sämtliche Schüler
ihrer Untersuchung sahen zu Beginn den Videofilm mit der Problemaufgabe. Anschließend
arbeitete eine Schülergruppe (Versuchsgruppe) während drei Unterrichtsstunden in
Kleingruppen unter Anleitung eines Lehrers. Der Lehrer ermutigt die Schüler, das
Gesamtproblem in Teilprobleme zu zerlegen und die notwendigen Informationen zur
Lösung der Teilprobleme zu suchen. Dazu schauten sich die Schüler immer wieder Teile
des Videos an und trennten dabei relevante Informationen von irrelevanten. Die Lösung der
Teilprobleme führt dann schließlich zur Lösung des Gesamtproblems.
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Die zweite Gruppe sah auch das Video. Aber statt einer Anleitung, das konkrete Problem
mit Hilfe der Informationen im Video zu lösen, wurde hier während drei
Unterrichtsstunden das Problemlösen von solchen Aufgaben gelehrt und geübt, die Jasper
auch lösen muss (Entfernungs-Zeit-Aufgaben, Benzinverbrauchsaufgaben usw.). Die
Aufgaben lagen als Textaufgaben vor, die keinen direkten Bezug zur Jasper-Geschichte
hatten. Zusätzlich wurde diesen Schülern das allgemeine Problemlösemodell von Polya
(1957) vermittelt, und sie dazu ermutigt, es beim eigenen Lösen von mathematischen
Problemen zu verwenden.
Während also beide Schülergruppen mit situationsorientierten Problemaufgaben in Form
von Videofilmen konfrontiert wurden und Problemlösemethoden lernten, war nur in der
ersten Gruppe das Problemlösen explizit mit dem Kontext verknüpft, oder anders
formuliert, nur in dieser Gruppe wurde das Medium Bildplatte explizit didaktisch in eine
Lernumgebung eingebettet.
Nach den drei Unterrichtsstunden unterschieden sich die beiden Gruppen in einem Nachtest
nicht in ihrer Leistung bei Textaufgaben, wie sie die Kontrollgruppe während des
Unterrichts bearbeitet hatte. Ein Vortest-Nachtest-Vergleich zeigte dagegen, dass die
Schüler der Versuchsgruppe nach dem Unterricht signifikant besser relevante von nicht
relevanten Informationen in der Jasper-Geschichte unterscheiden konnten. Der
interessanteste Befund ergab sich bei einer Transferaufgabe. Diese Problemaufgabe wurde
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den Schüler auch als Videofilm gezeigt. Dabei zeigte die Versuchgruppe durchschnittlich
58% richtiger Problemformulierungen, während die Kontrollgruppe nur 29% richtiger
Problemformulierungen zeigte. Lernwirkungen von Medien sind also in hohem Maße
abhängig von der speziellen Lernsituation.
2.3 Medienkompetenz als Bildungsziel für Lehrende und Lernende
Wie die Studie von van Hanenghan et al. (1992) zeigt, lässt sich durchaus ein didaktischer
Mehrwert durch Medien erreichen, aber nur dann, wenn die Medien sinnvoll in einen
didaktischen Kontext eingebettet sind. Dazu ist es allerdings notwendig, dass Lehrer und
Dozenten flächendeckend medienkompetent werden und die didaktischen Möglichkeiten
der neuen Medien auch ausschöpfen können. Hier ist mit Medienkompetenz nicht in erster
Linie die technische Bedienungskompetenz gemeint, sondern vor allem die didaktische
Kompetenz, die neuen vielfältigen Angebote in ein sinnvolles didaktisches Konzept
einzubinden. Diese Kompetenz ist derzeit weder bei den Lehrern und Dozenten noch bei
der zukünftigen Lehrergeneration vorhanden, die sich gegenwärtig in der Ausbildung
befindet. Für Lehramtstudierende belegt dies eine Befragung von Baacke, Hugger &
Schweins (2000) an sieben deutschen Hochschulen. Danach fühlen sich beispielsweise
drei Viertel der Lehramtsstudenten noch nicht optimal vorbereitet, um neue Medien im
Unterricht einsetzen zu können. Ohne diese Kompetenz wird es nicht gelingen, die neuen
Medien so in den Unterricht zu integrieren, dass ein didaktischer Mehrwert entsteht, d.h.
dass der didaktische Ertrag beim Einsatz neuer Medien größer ist als ohne Medieneinsatz.
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Wenn dieser didaktische Mehrwert mittelfristig nicht erzielt werden kann, werden die
neuen Medien auch zukünftig nur ein Schattendasein in öffentlichen Bildungseinrichtungen
führen (vergleichbar den Sprachlaboren, die in den 70er Jahren eingerichtet wurden). Statt
dessen werden private Schulen oder außerschulische Anbieter dieses Feld einer stärker
technologie-gestützten Ausbildung besetzen. Diese Tendenz ist im Bereich der
betrieblichen Weiterbildung bereits zu beobachten. Dadurch wird die Gefahr sich
vergrößern, dass die bereits jetzt sich abzeichnende Wissenskluft zwischen Besitzern und
Nutzern der digitalen Technologien sowie zwischen den Nicht-Besitzern und NichtNutzern noch größer wird als sie jetzt schon ist (vgl. Mathews, 2000; Zehr, 2000). Dies
würde mit großer Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass Eltern, die es sich leisten können,
für ihre Kinder in verstärktem Maße Privatschulen wählen, die gerade die neuen Medien
verstärkt einsetzen. So kostet z.B. der Besuch der Cincinnati Country Day-School in den
USA, die Informations- und Kommunikationstechnologien sehr stark im Unterricht
einsetzt, jährlich 12 000 Dollar (vgl. Roth, 1999). Es zeichnet sich hier die Gefahr eines
Zweiklassen-Bildungssystems ab, was sowohl politisch als auch pädagogisch nicht
erstrebenswert ist.
Um diese Situation zu vermeiden ist es unerlässlich, dass sowohl Lehrer und Dozenten als
auch Schüler Medienkompetenz erwerben. Wie oben bereits angedeutet meint
Medienkompetenz für Lehrer und Dozenten insbesondere die didaktische Kompetenz, die
neuen vielfältigen medialen Angebote in ein sinnvolles didaktisches Konzept einzubinden.
Dazu ist es zukünftig notwendig, medienpädagogische Fragen in der universitären
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Lehrerausbildung ein größeres Gewicht als bisher beizumessen (vgl. Spanhel, 1999;
Tulodziecki, 1999) und auch zusätzliche Ausbildungsangebote, wie z.B. die
„Zusatzqualifikation Medien und Informationstechnologien in Erziehung, Unterricht und
Bildung” (PLAZ, 2000) für Studierende und Lehrer zu entwickeln (vgl. auch den Beitrag
von Schulz-Zander & Tulodziecki in diesem Band). Aber auch in der Lehrer- und
Dozentenweiterbildung sind zusätzliche Angebote notwendig, um LehrerInnen in den
Schulen die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln. Einen Überblick über die in einigen
Bundesländern durchaus beachtlichen Angebote in diesem Bereich findet sich in Busch,
Ballier & Pacher (2000).
2.3 Alte und neue Medien im Bildungsbereich
Neue Medien mussten sich zu allen Zeiten ihre eigenen spezifischen Formate entwickeln.
So wurde der elektrische Telegraf zunächst nur zum Absenden von Mitteilungen in
Analogie zum optischen Telegrafen verwendet, das Telefon sollte zur Übertragung von
Opern verwendet werden, die ersten Filme zeigten eine Bühne auf Zelluloid usw. (vgl.
Flichy, 1994). Erst allmählich entwickelten sich die je spezifischen Medienanwendungen.
Ähnlich bei den Bildungsmedien. Bildungsfernsehen begann damit, dass Experten beim
Vortrag gefilmt wurden und dies einem größeren Publikum zugänglich gemacht wurde. Die
ersten Anwendungen des Telelearnings bestanden darin, Vorlesungen in andere Räume
bzw. in andere Hochschulen zu übertragen. Es werden also zunächst alte (didaktisch nicht
unbedingt optimierte) Inhalte und Methoden über neue Medien vermittelt. So auch beim
Einsatz des Computers zum Lernen. Bei nicht wenigen Programmen hat man den Eindruck,
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dass Buchinhalte bloß auf eine CD-ROM übertragen wurden, oder Lernprogramme im
Sinne von Karteikarten eingesetzt werden. Erst allmählich entwickeln sich
Softwareformen, welche die spezifischen Möglichkeiten des Computers nutzen. Hier ist der
didaktische Mehrwert häufig nicht zu erkennen. So auch beim Internet. Da das Internet
nicht aus einer pädagogischen Zielsetzung heraus entwickelt wurde, müssen pädagogischdidaktische Hilfestellungen angeboten werden, um dieses Medium für didaktische
Aufgaben nutzbar zu machen. Im „Lehrer-Kursbuch Internet” von Wimmers (2000)
beispielsweise findet man bloß eine begrifflich-technische Einführung und dann eine
riesige Liste kommentierter Internetadressen ohne Hinweise darauf, wie diese
Informationen didaktisch sinnvoll ungesetzt werden können. Statt solcher technischen
Hilfen erscheint es notwendig, das didaktische Design multimedialer Lernumgebungen zu
entwickeln, d.h. zu klären auf Grund welcher Überlegungen verschiedene Medien bzw.
Medienbausteine zusammengesetzt werden können, damit sie ein Optimum an
Lernwirksamkeit erreichen (vgl. Seel & Dörr, 1997).
Ausgangspunkt und Grundlage für diese Klärung ist die Annahme, dass das menschliche
Lernen als ein aktiver, konstruktiver Prozess verstanden wird, vermittels dessen der
Lernende in planvoller und strategischer Weise verfügbare Informationen so organisiert
und strukturiert, dass er neues Wissen erzeugen oder besser mit vorhandenem Wissen
umgehen kann, um Probleme zu lösen. Dabei soll die Technologie nicht die Rolle des
Lehrenden übernehmen - wie dies von einigen Vertretern der Programmierten
Unterweisung in den 60er Jahren vorgesehen war - sondern die Technologie soll für
Lehrende und Lernende ein Werkzeug sein, das sie beim Lehren und Lernen unterstützt
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(vgl. Brunner & Tally, 1999). Dabei können die neuen Medien Lehren und Lernen in drei
Bereichen fördern:
⌧
Werkzeug zum selbstgesteuerten Lernen: Sowohl das Internet als auch CDROMs bieten eine Fülle von Informationen, die zur Bearbeitung
unterschiedlichster Fragestellungen geeignet sind. Lernende können mit
entsprechender Software gemäß Ihren Interessen Fragestellungen untersuchen,
verschiedene Quellen studieren, eigenen Hypothesen nachgehen usw. Aber in
diesem Prozess brauchen Lernende Unterstützung, damit sie sich nicht in der
Vielfalt der Informationen verlieren. Insbesondere können neue Medien hier
komplexe Fallbeispiele anbieten die Schüler motivieren und zu Fragen
einladen, ihnen Zugriff auf reichhaltige und aktuelle Materialiensammlungen
geben, die Möglichkeit anbieten, reale Daten zu messen und aufzuzeichnen und
Lernende bei der Analyse und Interpretation ihrer Ergebnisse zu unterstützen.
Beispiele für Medienanwendungen, welche die obigen Angebote unterstützen
sind die CD-ROMs „Die Alpen” (FWU, 1999), „Winnies Welt” (1997) oder
das Internetangebot von Globe-Germany (http://www.globe-germany.de). Ein
Beispiel aus dem Bereich der betrieblichen Weiterbildung wird unter 3.2
beschrieben. Gerade bei diesen Werkzeugen wird deutlich, wie wichtig aber
auch wie verändert die neue Rolle des Lehrenden ist. Er besitzt nicht mehr ein
Wissensmonopol, sondern alle Lerneden haben in gleichem Ausmaß Zugriff auf
Informationen. Wie diese Informationen jedoch abgerufen werden, wie sie mit
anderen Informationen und bereits vorhandenem Vorwissen verknüpft werden,
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wie die gefundenen Informationen aufbereitet werden können, um auch für
andere Lernende nutzbringend verwendet werden zu können, sind Probleme,
die Lernende meist nicht selbst lösen können. Hier brauchen sie Unterstützung,
Beratung, Hilfestellung.
⌧
Produktionswerkzeug: Neue Medien können Lernende dabei unterstützen, ihre
Erfahrungen in verschiedenen Symbolsystemen und Formen auszudrücken und
diese so auch anderen Lernenden wieder zugänglich machen. Dabei sind diese
Arbeiten nicht an den Unterrichtsraum oder an die Schule oder Hochschule
gebunden, sondern können sehr leicht auch anderen Einrichtungen und anderen
Lernenden zugänglich gemacht werden. Ein Beispiel dafür sind virtuelle oder
teilvirtuelle Hochschulveranstaltungen, wo Studierenden mit Hilfe einer
Plattform ihre Arbeiten erstellen und ablegen können. Dabei spielt es auch
keine Rolle ob die Studierenden an einem Ort oder räumlich getrennt arbeiten
(vgl. Dörr, i.Dr). Multimedia- und Hypertext-Werkzeuge zum Erstellen und
Kommentieren von Berichten, Zeitungen oder nichtlinearen Texten, digitale
Kameras, Camcorder und Videoeditoren, die es mittlerweile erlauben sehr
einfach Bilder und Filmausschnitte in Präsentationen einzubeziehen, Grafikund Animationsprogramme um Bilder, Grafiken und sogar Filmausschnitte in
Präsentationen zu verändern oder zu bearbeiten. Alle diese Medien haben ihre
besonderen formalen Merkmale oder Sprache, bestimmte Stärken aber auch
Schwächen, die ausgelotet werden können, indem sie in konkreten Projekten
eingesetzt werden.
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⌧
Kommunikationswerkzeug: Durch Intra- und Internet-Vernetzung können
Lernende untereinander bzw. mit externen Experten außerhalb der jeweiligen
Einrichtung kommunizieren. Didaktisch eingebettet können so z. B.
authentische Sprechsituationen mit ausländischen Schülern gestaltet werden,
oder auch Kontakte mit anderen Gruppen gepflegt werden (vgl. Donath, 1999).
Es können auch Studierende aus verschiedenen Hochschulen, bzw. Trainer und
Mitarbeiter im Rahmen der betrieblichen Weiterbildung, die sich an
verschiedenen Orten befinden, miteinander kommunizieren. Die derzeit
vorhandenen Technologien bieten vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten
sowohl synchroner (Chat), als auch asynchroner Art (Email, Newsgroups).
Allerdings ist die damit verbundene Öffnung der Schulen auch mit erheblichen
Problemen verbunden: Die Ermöglichung freier Kommunikation in Schulen,
indem man beispielsweise Schülern eigene Email-Nummern gibt, bzw. ihnen
freien Zugriff auf das Internetangebot gibt, ist auch mit der Gefahr des
Missbrauchs verbunden. Die damit angesprochene Frage der
Internetverantwortung in Schulen ist für Deutschland noch relativ neu, es liegen
jedoch erste Empfehlungen vor, wie Schulen mit diesem Problem umgehen
können und Internetverantwortung sicher stellen können (vgl. Waltermann &
Machill, 2000).
Damit sich die Informations- und Kommunikationstechnologien zu Bildungszwecken in
den oben beschriebenen Bereichen durchsetzen können, muss das didaktische Design
multimedialer Lernumgebungen wesentlich weiter entwickelt werden. Einmal müssen
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benutzerfreundliche computerbasierte Plattformen bzw. Oberflächen entwickelt werden,
die das Arbeiten in derartigen Lernumgebungen sowie die Kommunikation mit Lehrenden
und Lernenden erleichtern (vgl. Schulz-Zander, 1999). Diese Plattformen sind jedoch nur
notwendige und nicht hinreichende Voraussetzungen für gelingendes Lernen. Es müssen
Lehrziele und Lernangebote entwickelt werden, die sowohl inhaltlichen als auch
didaktischen Anforderungen Rechnung tragen. Des weiteren müssen Anwendungen
entwickelt werden, die den didaktischen Mehrwert des neuen Mediums deutlich machen,
wie z.B. die Geometriesoftware CABRI (http://www-cabri.imag.fr). Es müssen auch
Programme bzw. Lernumgebungen entwickelt werden, die nicht nur auf Wissenserwerb
zielen, sondern beispielsweise auch auf Problemlösen ausgerichtet sind, wie z.B. die
Jasper-Woodbury-Serie der Cognition and Technology Group at Vanderbilt (1997).
Schließlich brauchen Lehrer und Dozenten Hinweise dazu, wie die neuen Informationsund Kommunikationstechnologien im Unterricht didaktisch sinnvoll in verschiedenen
Fächern und Kursen (vgl. Brunner & Tally, 1999; Dörr, 1999; Engel & Klein, 1999;
Dönhoff, 1999; Fuest & Kruse, 1999).
2.5 Neue Medien als Katalysatoren für Innovationen im Bildungsbereich
Die derzeit gängige Unterrichtspraxis erleichtert das Arbeiten mit den neuen Informationsund Kommunikationstechniken nicht gerade. So zeigten Hage et al. (1985), dass fast 80 %
des gesamten Unterrichts als Frontalunterricht mit darbietendem, demonstrierenden und
Frage-Antwort-Unterricht bestritten wurden. Ein ähnliches Bild zeigt sich in der
betrieblichen Weiterbildung (vgl. Dörr, 1999). Zwar lassen sich neue Medien sicher auch
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im Frontalunterricht sinnvoll einsetzen, ihre eigentliche Stärke können sie jedoch erst bei
stärker handlungsorientierten Unterrichtsformen beweisen. Der 45-Minutentakt, die
Tatsache, dass Computer meist in Computerräumen unter Verschluss sind oder auch
nachmittags von Schülern nicht genutzt werden können sowie häufig fehlende Absprachen
und gemeinsame Planungen verschiedener Fachlehrer erschweren sowohl
handlungsorientiertere Lernformen als auch das sinnvolle Lernen mit neuen Medien.
Brunner & Tally (1999) zeigen an zwei Szenarien auf, wie neue Medien im Unterricht
eingesetzt werden können. Im Instruktionsmodell (instructional delivery model) dienen die
Medien zur direkten Instruktion, ob im Frontalunterricht oder im Einzelunterricht. Schüler
arbeiten v.a. allein mit didaktischer Software, LehrerInnen fungieren als Moderatoren.
Lernen wird insbesondere als Erwerb von Faktenwissen verstanden. In diesem Modell
können die Medien in die bisherige Schulstruktur integriert werden, ohne gravierende
organisatorische Änderungen vornehmen zu müssen. Im Projektmodell (inquiry model)
wird Lernen wesentlich allgemeiner verstanden als die Fähigkeit, komplexe, offene
Probleme gemeinsam mit anderen Schülern lösen zu können. Medien nehmen neben
anderen Werkzeugen eine nur begrenzt Rolle ein, Schüler lernen im Unterricht daneben
den Gebrauch vieler verschiedener Hilfsquellen (Bücher, Büchereien, Museen, Videos,
erwachsene Experten innerhalb und außerhalb der Schule). Sie arbeiten häufig kooperativ
in Lernteams. Die Aufgabe des Lehrers besteht insbesondere in der Auswahl der Ziele und
der Inhalte. Für die Schüler fungieren sie v.a. als Lernberater. Selbstgesteuertes Lernen
nimmt hier einen großen Stellenwert ein. Die neuen Technologien dienen dabei im
wesentlichen als Werkzeuge zur Unterstützung des selbstgesteuerten Lernens, zur
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Darstellung der Ergebnisse und als Kommunikationswerkzeug (s.o.). Brunner & Tally
(1999) sind der Überzeugung, dass insbesondere das Projektmodell dazu geeignet ist, einen
didaktischen Mehrwert der Informations- und Kommunikationstechnologien in der Schule
zu realisieren. Ähnlich sind Lindau-Bank & Magenheim (1998) davon überzeugt, dass neue
Medien Impulse zur Schulentwicklung geben können. Sie zeigen, dass „durch ein
integratives schulisches Konzept zur Medienbildung selbstorganisierte Lernformen an
Bedeutung gewinnen. Projektunterricht mit und über Neue Medien sowie überfachliches
Lernen können sinnvoll mit Konzeptionen zur Medienbildung verbunden werden. Die
Einbeziehung von Medien kann auch eine ‘Öffnung von Schule’ bewirken sowohl als
Abkehr von starren Stundentafeln und Zeitrhythmen als auch zum lokalen Umfeld hin”
(Lindau-Bank & Magenheim, 1998, S. 4).
3. Beispiele
Abschließend soll an zwei Beispielen gezeigt werden, wie neue Medien in der Schule
sowie der betrieblichen Weiterbildung eingesetzt werden können, und dadurch ein
didaktischer Mehrwert erzielt werden kann. Ein Beispiel aus der Hochschullehre findet sich
bei Dörr (i.Dr.).
3.1 CD-ROM „Die Alpen”
Die vom FWU (1999) produziert CD-ROM „die Alpen” versucht, das Thema „Alpen”
unter verschiedenen Gesichtspunkten aufzuarbeiten. Die CD-ROM bietet eine
umfangreiche Materialsammlung, die Texte, Tabellen, Standbilder, Video- und
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Audiosequenzen, Grafiken, Karten, Animationen und Simulationen zum Thema anbietet.
Obwohl der Schwerpunkt im Bereich Geografie liegt, bietet das Programm auch
Anknüpfungsmöglichkeiten für andere Fächer wie Deutsch, Biologie, Kunsterziehung,
Musik, Hauswirtschaft, Geschichte und Latein an, so dass fächerverbindendes Unterrichten
mit dieser Software sehr gut möglich ist. Dadurch, dass die Software kein klassisches
Lernprogramm ist, bietet sie dem Lehrer die Chance, es gemäß seinen intendierten Zielen
und Inhalten einzusetzen. Dazu bietet das Programm wiederum verschiedene
Zugangsmöglichkeiten, die untereinander durch zahlreiche Links verbunden sind:
#
In zwei Untermenüs „Ausflug im Sommer” und „Ausflug im Winter” können in
sich abgeschlossene Lehreinheiten bearbeit werden, wobei der Lernweg selbst
gewählt werden kann. Diese Menüs enthalten auch Lehrzielkontrollen.
#
Das Untermenü „Wissen im Detail” liefert alle Informationen systematisch
nach Sachgebieten gegliedert. Es ist in neun Kapitel eingeteilt, die selbst wieder
untergliedert sein können und Informationen in den verschieden
Symbolsystemen anbieten (s.o.).
#
Im Untermenü „Mediensuche” kann über eine Schlagwortsuche auf sämtliche
Inhalte der CD-ROM zugergriffen werden.
#
Im Untermenü „Mehr Info” werden zusätzliche Informationen zum Thema
„Alpen” angeboten. Es werden zusätzliche Literatur, wichtige Adressen,
Internetadressen (die unmittelbar angewählt werden können) sowie weitere
Medien hier aufgelistet.
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Ein wesentlicher Vorteil dieses Programms ist weiterhin, dass es nicht nur auf
Wissenserwerb abzielt, sondern auch Probleme in Form von Planspielen enthält, welche die
Lernenden mit Hilfe der Informationen, die im Programm enthalten sind, lösen müssen. So
muss beispielsweise im Planspiel „Stausee” eine konkrete Problemstellung, nämlich der
Bau eines Stausees und eines Wasserkraftwerkes, gelöst werden. Dies besteht darin, dass
ein Standort für einen Stausee gesucht wird, der zur Energieversorgung benötigt wird, dies
aber sowohl ökologischen Interessen aber auch den touristischen Interessen der Anwohner
widerspricht. Das Programm selbst bietet keine Lösungen an, erlaubt aber durch
Simulationen die Ergebnisse bestimmter Entscheidungen zu überprüfen. Die Schüler haben
die Aufgabe, verschiedene Lösungswege zu diskutieren, sowie die Vor- und Nachteile der
verschiedenen Entscheidungen gegeneinander abzuwägen. Dabei kann das Hilfsmittel
„Sammelkasten” behilflich sein. Hier können Lernende selbst Medien aus dem Programm
ablegen und anschließend weiterverarbeiten, um z.B. eine individuelle MultimediaPräsentation zu erstellen. Abgerundet wird das Programm durch eine Fülle von
Vorschlägen zum unterrichtlichen Einsatz.
Die CD-ROM „Die Alpen” kann sowohl das selbstgesteuerte Lernen unterstützen, als auch
als Produktionswerkzeug dienen und - allerdings in eingeschränkter Weise - als
Kommunikationswerkzeug dienen. Dadurch dass es problemorientiertes Arbeiten
ermöglicht und Lehrende nicht nur einen methodisch-didaktischen Weg vorgibt, stellt es
eine relativ offene Lernumgebung dar, die für den schulischen Einsatz in besonderer Weise
geeignet erscheint.
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3.2 Fernqualifizierung in der betrieblichen Weiterbildung
Im Rahmen eines Kooperationsprojektes zwischen der Pädagogischen Hochschule
Weingarten und der Deutschen Telekom wurden zwischen 1996 bis 1998 Prototypen von
multimedialen Weiterbildungsveranstaltungen konstruiert und evaluiert. Ziel war es, die
dem gesteigerten Weiterbildungsbedarf der Deutschen Telekom Rechnung tragen. Dazu
sollten die Weiterbildungsveranstaltungen nicht wie bisher in sog. Bildungszentren
durchgeführt werden, wodurch ganz erhebliche Reise- und Übernachtungskosten anfallen.
Statt dessen sollte die Veranstaltung in den jeweiligen Niederlassungen stattfinden. Die
didaktische Betreuung der Lernenden erfolgte durch einen Ferntrainer, der über
verschiedene telekommunikative Medien mit den Lernenden in Kontakt treten konnte. Ziel
der Telekom war es, Veranstaltungen zu entwickeln, die vergleichbare Lernergebnisse wie
traditionelle Weiterbildungsveranstaltungen erbrachten. Zunächst führten wir eine
Teilnehmer- bzw. Lerngruppenanalyse durch. Dazu beobachteten wir verschiedene
Seminare. Die wesentlichen Ergebnisse der Lerngruppenanalyse waren:
⌧ Bezüglich des Vorwissens waren die Teilnehmer extrem heterogen, d.h. es war
notwendig, differenzierte Lehrinhalte anzubieten
⌧ Die Seminare wurden während 3 aufeinanderfolgenden Tagen durchgeführt. Vor- und
Nachbereitungsphasen waren nicht vorgesehen, wodurch der Lehrerfolg wesentlich
eingeschränkt werden dürfte. In den modifizierten Seminaren sollten Vor- und
Nachbereitungsphasen berücksichtigt werden.
⌧ Es sollte nicht nur Wissen, sondern auch Lernstrategien vermittelt werden, die es den
Lernenden den Transfer auf neue Inhaltsbereiche erleichtern sollten.
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⌧ Wissen sollte nicht isoliert, sondern in situationsorientierten Kontexten vermittelt
werden.
Auf der Basis dieser Ziele wurden nun Lernumgebungen entwickelt, die sowohl
Arbeitsmaterialien, Arbeitsaufgaben, didaktischen Hinweise für den Ferntrainer als auch
die technische Infrastruktur berücksichtigten. Diese Lernumgebungen umfassten - je nach
behandeltem Inhalt - verschiedene multimediale Komponenten wie Business-TV, CBTLektionen, Videokonferenzen sowie Telefonkonferenzen, die über ein Intranet zur
Verfügung gestellt wurden (vgl. Dörr, 1999).
In der Evaluation zeigte sich für die neuentwickelten Seminare ein vergleichbarer
Lernerfolg sowie eine vergleichbare Akzeptanz der TeilnehmerInnen im Vergleich zu
herkömmlichen Seminaren. Ein interessanter Punkt im Rahmen der Evaluation sollte betont
werden. Während die herkömmlichen Seminare im wesentlichen frontal und undifferenziert
durchgeführt wurden - ein Trainer zeigte oder erklärte etwas, die TeilnehmerInnen übten
das anschließend - war dieses Vorgehen im Rahmen der Fernqualifizierung unmöglich.
Dadurch dass Lernen in wesentlich stärkerem Maße selbstgesteuert war, gingen die
Lernenden eigene Lernwege, arbeiteten unterschiedlich schnell, benötigten
unterschiedliche Hilfen usw. Diese Situation überforderte die Ferntrainer wesentlich. Das
Ergebnis war, dass als Folge davon ein Weiterbildungsseminar für Ferntrainer entwickelt
wurde, das ihnen die notwendigen Kompetenzen vermitteln sollte.
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3. Schluss
Insbesondere das letzte Beispiel zeigt sehr deutlich: Medien sind keine Allheilmittel. Nicht
bereits dadurch, dass man in Schule, Hochschule oder Weiterbildung Multimedia einsetzt,
wird die Ausbildung qualitativ besser. Didaktischer Mehrwert resultiert nicht bereits aus
den Medien sondern kann nur im Rahmen eines sorgfältigen didaktischen Design
entstehen, das neben den Merkmalen und Besonderheiten der verschiedenen
Medienkomponenten auch die Merkmale und Besonderheiten der Lernenden sowie der
verschiedenen Inhaltsbereiche und auch die angestrebten Lehrziele berücksichtigt. Unter
diesen Voraussetzungen können Multimedia und vernetzte Technologien allerdings Lernen
in erheblichen Maße optimieren und auch Innovationen in Schule, Hochschule und
betrieblicher Weiterbildung anstossen.