rügen, verb. beschuldigen, tadeln. goth. wrohjan, ags. wrźgan, altfr
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rügen, verb. beschuldigen, tadeln. goth. wrohjan, ags. wrźgan, altfr
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Online-Version vom 20.01.2017. rügen, verb. beschuldigen, tadeln. goth. wrohjan, ags. wrêgan, altfr. wrogia, alts. wrôgian, ahd. ruagen, ruogen, alle in der bedeutung 'anklagen, vor gericht anzeigen', mnl. wroeghen, mnd. wrogen, wrugen, mhd. rüegen, md. rûgen, wrûgen: accusare .. bergen .. vrowen (l. wrogen) .. nd. wrugen, wrogen Diefenb. gloss. 8c. die friesischen und die ihnen benachbarten niederd. mundarten haben das w bewahrt, vgl. ten Doornkaat Koolman 3, 577a, der auch zahlreiche beispiele aus den neueren friesischen mundarten hat. brem. wb. 5, 294. Schambach 306a. in den hd. mundarten erscheint schon in den ältesten belegen kein w mehr (s. Graff 2, 432 f.), ebenso im nordischen: altn. rgja, schwed. röja. die neueren mundarten des binnenlandes haben das wort meist nicht mehr, nur lusernisch rüge Zingerle 48a (vgl. auch rügetag und rügezettel). der grammatische wechsel im stammauslaut, goth. h gegenüber westgermanischem g beweist, dasz ihm ein indogermanisches k zu grunde liegt, doch sind verwandte wörter in andern indogermanischen sprachen nicht bekannt (s. Kluge 251b). 1) als grundbedeutung wird durch die übereinstimmung aller altgermanischen dialekte erwiesen 'etwas vor gericht zur anzeige bringen'. sie ist auch im älteren nhd. die herrschende. rugen, denunciare, accusare Schottel 1389. die fügung ist eine doppelte. a) ein vergehen rügen, anzeigen: süsgedane ding sal man aver to den godingen wrgen. Sachsensp. 3, 91, 1 Homeyer; wat di werlike richter richtet, dat en derf man vor den geistliken richter nicht wrgen. quelle bei Schiller - Lübben 5, 783a; und swer auch daʒ sihet oder deʒ inne wirt, daʒ der gebote kaines zerbrochen wirt, er sei der geswornen oder nicht, der schol es dem frager rügen. Nürnb. polizeiordn. 59; und das sollen die meister alle dem pfenter rügen bei iren aiden, ob es iemant breche. Tucher baumeisterb. 272, 34; dasz iedermann melde und rüeg auf sein gewissen, was er wisze, da dem gotshaus schaden von komen müg. bei Schmeller 2, 77; etwas von einem rügen: ob ein sun sogetan ding von dem vater rüeget, di dem vater an den leip gent. rechtb. von 1332 ebenda; der rüegt des andern missetât, der selbe hundert grœʒer hât. Freidank 34, 5; dâ (am jüngsten gericht) wirt vür wâr vergeʒʒen niht, man rüege dâ, swaʒ alhie des lîbes leben ie begie. Rud. v. Ems Barl. u. Josaph. 222, 5 Pfeiffer. b) gewöhnlicher ist einen (um ein vergehen) rügen: ni curet uuânen, thaʒ ih ruoge iuuih mit temo fater; ist der iuuih ruogti Moyses. Tatian 88, 13; inti ruogtun inan thiê furiston bisgoffâ in managên. 198, 4; 'hwar quam thit Judeôno folk', quað he, 'thîne wiðer-sakon,thea thi her wrôgdun te mi?' Heliand 3886; worton tho ginuagenbigondon sie nan ruegen, thingon filu hebigenjoh sunton filu managen. Otfrid 4, 20, 15; des mac in rüegen der kinde muter oder base ... Schwabenspiegel 55, 1; swa man kezzere innen wirt, die sol man rüegen dem geistlichen gerihte. 261, 1; an dem urteil (dem jüngsten gericht) ist der mensche ein materia der schlde und ist der tvil der in da rgit. Schönbach altd. pred. 1, 291, 31; de Romere wrogeden do van hate Narsetem patricium, de was en gt man. deutsche chron. 2, 136, 1; in den selven tiden en bischop van Hyspania, geheten Mauricius .. de wart gewroget van nigromancien unde vorwunnen. 192, 4; do ward oc gewrocht to Rome bischop Otto van Halverstat umme symonien. 205, 27; welicher sich aber abstele und abgieng on erlaubung ee es zeit were, den sullen die andern rugen. Tucher baumeisterb. 62, 31; dann ob er gern schwig, so schweigen [Bd. 14, Sp. 1413] sein gesellen nit, die rugen ie einer den andern. 67, 24; einen dem richter rüegen. Schmeller 2, 77; die zwêne die Susannen ruogten ze unreht heten daʒ sie suochten. Thomasin v. Zirclaria 11993; dem bischove er gerüeget wart. zeitschr. für d. alterth. 8, 291, 549; gleich wie deine genossen gewohnet, arme leute mit bannzeddeln umbzutreiben, und zu schinden, auch ehliche weiber unschüldiglich zu rügen. Luther 1, 219b; Joseph aber jr man war from, und wolt sie nicht rügen (beim priester anzeigen, s. 4 Mos. 5, griech. παραδειγματίζεν). Matth. 1, 19; vgl. dazu die anm. bei Frisch 1, 133a und Adelung; ir pauren, hewt ist rüeg, wist ir wol, das ainr den andern rüegen sol umb epruech oder hüererey und andre laster, was das sey. H. Sachs fastn. sp. 6, 36, 238 neudruck; so wais ich auch kainen für mich, 247. beides verbunden: dar unde in iewelkem vogetdinge sal iewelk burmester wrügen alle de to dinge nicht enkomet ... unde dat rücht unde minschen bludende wunden .. anderes ne darf he nicht wrügen. Sachsensp. 1, 2, 4 Homeyer. 2) von da aus ist der begriff des rügens ausgedehnt auf die weitere gerichtliche verfolgung eines vergehens. so bedeutet es a) ein vergehen untersuchen und darüber ein urtheil fällen: up solken bevel des richters so eschet de ordelsman des heren gesworen gudemanne to sik und tredt mit en af, wroget mit en de sake, unde wes se dar to rechte vinden, dat bringet de ordelsman wedder in. quelle bei Schiller-Lübben 5, 783b. b) ein vergehen strafen, besonders wenn es sich um leichtere strafen handelt: rugen ... punire, mettre à l'amende. Schottel 1389; nu ob in einer stat offenlichen wucherer sint, wer ist da schuldic an? ... der rihter, ob er si niht rüeget, als er sol. Schwabensp. 140, 4; man sol niht über si rihten als umb ander frowen. man sol si niht offenlichen rüegen, si suln ouch niht offenlichen büezen. 308. so von der thätigkeit einer polizeibehörde, die die beobachtung der gesetze zu überwachen und vergehen gegen dieselben mit geldstrafen zu ahnden hatte (vgl.rüger), s. Schiller - Lübben 5, 783a: twe prestere weren dar to gesat, dat se alle lude wrogen scholden, de ouer dat echte treden. ebenda. 3) daneben geht schon mhd. eine allgemeinere verwendung, indem die ursprüngliche beziehung auf das gerichtliche verfahren abgeblaszt ist und das wort den sinn bekommen hat 'einen eines vergehens beschuldigen, ihm etwas vorwerfen, ihn tadeln, schmähen' u. s. w. a) beschuldigen: nieman sol ouch einen andern der umb ain lastr zu rüegen wer. rugen binamen umme sine snde in der bicht. Leyser deutsche pred. 34, 3; sun verlihe dem tufel dines mutes nichtes nicht; swen er dich betrubet, so ruge in vor mir, das vertribet in; wan dem selben tufel tut aller wirst, das man sine anvechtunge dicke sait. veter buoch 50, 27 Palm; Joseph wrogede sine brodere to sinem vader umme de allerergesten missedaet (accusavit crimine pessimo. vulg.). 1 Mos. 37, 2 bei Schiller-Lübben 5, 783a; die alt comoedi weret so lang, bis ein geben gesetz verbot, niemand mit namen zu rügen. S. Franck moriae encom. vorr. b) ein vergehen bekannt machen: ich wolde, daʒ den argen hienge ein schelle vor an der nasen, diu dâ klünge helle, dâ man sie bî erkente, seht, daʒ wære ir reht. sît des niht ist, sô wil ich ûf sie singen, mit irer missetât wil ich sie twingen, ich rüege ir werk; sus diene ich in unt bin ir kneht. minnes. 3, 90a Hagen; doch bald rügten die götter es unter den menschen. (ἄφαρ Voss Od. 11, 274 ἀνάπυστα θεοὶ θέσαν δ' ἀνθρώποισιν). oft mit unpersönlichem subject, 'offenbar machen, an den tag bringen': denn es ist ein eiveropffer und rügeopffer, das missethat rüget. 4 Mos. 5, 15; der warhaftig wein verrät sein hertz, .. der fuchs msz hinder den orn herfür, und alle unzucht wirt da geögt und gerügt. S. Franck laster d. trunkenh. (1531) G 2a. c) besonders seine sünden bekennen, in der beichte: wanne ruget der mensche sine snde von innenclichem herzen in der bicht, und gibt er sich schuldich, so leget in got ʒ der schult. Leyser deutsche pred. 33, 14; ein igelich sol sines selbes snde rgen und sine missetat. 34, 5; [Bd. 14, Sp. 1414] unde alle di ir sunde hant gerugit in der werlde di wile si lebeten. litanei 1260 Maszmann. häufig reflexiv sich rügen, beichten, auch sich seiner sünden rügen: swenne so unser herre dem menschen sinen heiligen geist gibit, daʒ er sich bekennet siner snden und der zu bichte cmet und sich selben rgit. Leyser deutsche pred. 70, 40; ir ... sult uch rügen vor uwerm pristere aller uwere snden. Schönbach altd. pred. 1, 234, 22. im nhd. ist dieser gebrauch ausgestorben. d) etwas tadeln, schelten, etwas an jemand auszusetzen haben: er (hauptpastor Göze) würde sich sehr freuen, wenn ich eine solche lumperey zu rügen im stande wäre. Lessing 11, 527; kein selbstsüchtiger hypochondrist würde so scharf und scheelsüchtig den verfall der gebäude, die vernachlässigung der mauern .. gerügt und gescholten haben. Göthe 22, 146; soll ein fremder das nicht rügen? 57, 234; wer will eine tollheit rügen! 236; doch soll nicht zagen, welcher schalkheit rüget, und rein ist, und gott vertrauet! Stolberg 2, 146; nicht mir rüge die gaben der goldenen Aphrodite! Voss Ilias 3, 64; wenn du denn jetzt Odysseus der Ithaker heimgekehrt bist, o, dann rügst du mit fug, was alles verübt die Achaier! Odyssee 22, 46; an deiner sprache rüge du schärfer nichts, denn lüge. Uhland ged. 75. das particip rügend ohne object: doch anstatt hier ernsthafte, ja rügende betrachtungen einzumischen. Göthe 24, 110. so auch einen rügen, tadeln, und weiterhin schelten, schmähen: wollt ir all an ainander rügen? fastn. sp. 651, 9. aber auch 'in wohlmeinender absicht jemand auf einen fehler aufmerksam machen': und daʒ er vriuntlîche an mir rüege, ob ich der kunst enbir. Rud. v. Ems d. gute Gerhard 6854; swer mîn unkunst rüeget sô daʒ sîn rât ist sô vriuntlich 6858; du hast meine fehler .. lächerlich .. gemacht, und da es deine freundschaftspflicht gewesen wäre, mir in liebe und kälte solche zu rügen, mir verhehlt, hast mir sie nur im zorne vorgeworfen. Schiller 1, 57. sehr beliebt ist in der älteren sprache die wendung mein gewissen rügt mich, klagt mich an, macht mir vorwürfe, verdammt mich: mîn conscientie (samwitticheit) wroget mi, s. Schiller-Lübben 5, 783a; daʒ er an witzen beʒʒert mich. werden auch wol meine reimen alle für die jungfern tügen? die als jungfern mehr verstehen, die wird jhr gewissen rügen. Logau 2, 175, 92. ähnlich auch: die wurme bezeichent die bosen ingehenede (injehende einflüsterung) die da kmende ist von den snden, die den sndere rget unde tmet. Schönbach altd. pred. 1, 37, 4. e) endlich geht rügen auch hier geradezu in die bedeutung 'strafen' über, namentlich auch vom strafgericht gottes: (gott) der mit rügender flamme die hölle, den tod mit allmacht und mit gericht bewaffnet! Klopstock Mess. 5, 338; so hatte gott ihr (der hölle) geboten, ihrer bewohner neue verbrechen, durch wildere flammen, durch geschärftere pfeile des ewigen todes, zu rügen! 9, 743; durch laster wird die lasterthat gerügt. Göthe 11, 320. im nd. heiszt es sogar ganz allgemein quälen, ängstigen Adelung: dat wröget mi, das quälet mir das herz. brem. wb. 5, 295, ebenso niederl. wroeghen urgere, torquere, angere. Kilian. f) im nd. auch reflexiv 'sich zanken': dat wy uns dan wrôgden um den kôr (die wahl), ik hed angst, it en queme nergen vôr. Theophi- lus 142 Hoffmann. 4) noch abgeblaszter ist die bedeutung des wortes, wenn es in dem sinne 'bekannt machen, öffentlich nennen, erwähnen' steht, ohne dasz dabei der nebenbegriff des tadelns zur geltung kommt. so besonders im mhd. und älteren nhd. etwas rügen, bekannt machen, melden, angeben: dô wart Lanzelet vil geil und bat im schiere rüegen, waʒ wâfens sie trüegen. Ulr. v. Zatzikhoven Lanzelet 6289; wie hât sich daʒ gefüeget daz iuwer nôt gerüeget mac keinem menschen werden? Reinfrid v. Braunschweig 4618; [Bd. 14, Sp. 1415] daʒ buch genzelichen ruget wie Paulus, daʒ erwelte vaʒ, leides harte vil besaʒ. pass. 183, 89 Hahn; als ich mit warheit ruoge. Hugo v. Langenstein Martina 253, 44 Keller. öffentlich verlesen: dise ordnung und satzung sol alle jâr ainst geruegt und verlesen werden. bei Lexer mhd. wb. 3, 527. anzeigen, beweisen, zu verstehen geben: er hat uns mengen sunder rat in dem waʒʒir gefüeget daʒ sin milte rüeget. Hugo v. Langenstein Martina 2, 54 Keller; sin unbefunden schonheit ruoget uns allhie der sunnen prehen, den nieman rehte mac gesehen. mhd. wb. 2, 786b. 251, 44, vgl. ähnlich auch: warzuo sol herren muot, warzuo sol herren name, wil er sich schamen der tât, diu herren vüeget, lop mit prîse rüeget? Frauenlob 67, 10. 5) andere verwendungen der gerichts- und verwaltungssprache sind auf das ältere deutsch beschränkt. a) gemäsze und gewichte auf die richtigkeit ihrer eichung prüfen, s. Schiller-Lübben 5, 783b: wanner ein vesting (vestding bezirksgericht) is, so sal men wrogen scheppel, beker, kannen und alle gewichte. weisth. 3, 35. vgl. rüger. b) verordnen, als veraltet bei Adelung und danach bei Campe. vgl. rüge.