Rasmus, bläh` die Backen!
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Rasmus, bläh` die Backen!
62 B AUERN Z EITUNG D en weißen Rock, der Volkes Stimme zufolge zu einem Müller gehört, ihn gleichwohl noch lange nicht ausmacht, den trägt er. Nun ja, in Schürzenfasson. Und einen langen Zopf trägt er auch. Unsere Vermutung: Das Anfangsstadium dieser haarigen Zierde liegt wohl in jenem Abschnitt Lebenszeit, in dem Detlef Preuß auf der Suche nach seiner individuellen Wagenspur ein wenig umhergeirrt sein dürfte. Mag sie nach wie vor als Zeichen ausgeprägter Persönlichkeit dienen oder schlicht Schmuck geblieben sein – von diesem Thema, liebe Leute, soll hier weniger die Rede sein, mehr jedoch von dem, was der Windmüller im Laufe der Jahre fand. Nennen wir es die Lust, auszutesten, wie weit eigene Stärken gehen und was sich eigentlich jenseits dieser Grenzen befindet. Schluß, handfeste Tatsachen sollen her: REPORTAGE Rasmus, bläh’ die Backen! Nirgendwo außer in Altkalen wird in MecklenburgVorpommern Mehl mit reiner Windkraft produziert. Die Holländermühle nahe Teterow ist seit 1896 in Familienbesitz und DETLEF PREUSS ihr Müller in der vierten Generation. Er versucht sich an dem schwierigen Spagat zwischen traditionellem Handwerk und neuzeitlicher touristischer Vermarktung. Ein Handwerk ist nicht von Schaden Detlef Preuß hat – Schmied gelernt. Erst mal. Die Tatsache, daß die Windmühle in Altkalen, wo er aufwuchs, bereits seit 1896 im Besitz der Familie ist, seine Vorfahren sämtlich Müller waren, fiel zunächst noch nicht mal ein (Mehl-)Stäubchen schwer ins Gewicht. Ein Handwerk ist nie von Schaden, nicht mehr sei ihm damals durch den Kopf gegangen, ein geflügeltes Wort, das sich später in einem ganz besonderen Sinne bewahrheiten sollte. Zunächst aber arbeitet er fünf Jahre lang in dem Beruf, für den Amboß und Hammer als Insignien stehen. 1987 stirbt sein Vater. Ein Einschnitt im Leben der Familie, nicht nur der mentalen Art. Was sollte aus der Mühle werden, in der Preuß senior bis dato das Mischfutter für die örtliche LPG geschrotet hatte? Verkaufen? Zu eng, so spürt man vielleicht erst jetzt, ist die Geschichte von Generationen, sind 39.W OCHE 2005 volle, mit persönlichem Freud und Leid, Erfolgen und Niederlagen, Mißgunst und Anerkennung verbundene Historie fortzusetzen, aus der wir nur ein paar dürftige Tatsachen nennen: Alles begann damit, daß der Sohn des Mühlenbauers Andreas Preuß den „Erdholländer“ 1896 für 15 000 Reichsmark vom Hofbesitzer Holz erwarb. 1913 brannte sie ab, worauf eine nur drei Jahre zuvor in Wittenförde bei Schwerin errichtete „Schwester“ auf Abbruch gekauft und in Altkalen wiederaufgebaut wurde. Bejahrt also und recht rar in ihrer Art, hatte man sie bereits zu DDR-Zeiten unter Denkmalschutz gestellt. Was, wie wir wissen, nicht allzuviel heißen mußte. Ihr Zustand war, wir reden nun vom Jahr 1990, alles anderes als glänzend. Beide Flügel ließen sich mit Fug und Recht Ruinen nennen, während die Windrose gar nicht mehr vorhanden war. Allein die Technik, obwohl die jüngsten Stücke von 1956 datieren, war gut in Schuß, weil nie lange zu Müßiggang verurteilt. Detlef Preuß ist damals überzeugt, sein Vorhaben, die Mühle zu sanieren, rasch über die Bühne zu bekommen. „Ich war jung“, beschreibt er schlicht seinen Unternehmungsgeist. Ohnehin herrschte Aufbruchstimmung im Land. Auch seine beiden Berufe – zur Erinnerung: Schmied und Müller – sollten doch eine gute Plattform sein, oder? Und Fördermittel gab es seinerzeit gleich dem süßen Brei im Märchen, der nie versiegt, fließt und fließt und … Sachkundige Verbündete Zweiter Anlauf: Im Müllerberuf hat Detlef Preuß ganz offensichtlich seine FOTO: SABINE RÜBENSAAT Berufung gefunden. die Geschicke der Heutigen mit der „Geflügelten“ verbandelt. Während ein Kollege des Vaters zunächst die Geschäfte weiter- Rundumvergnügen: In der Nähe der Mühle läßt sich die weite Landschaft FOTO: ANNEKATRIN PISCHELT vielfältig genießen. führt, erlernt Detlef Preuß in der Erwachsenenqualifizierung das Müllerhandwerk. Die Wende wirft da noch nicht mal ansatzweise Schatten. Doch schon ein Jahr später beginnen die Zeitläufte zu galoppieren. Die Genossenschaft findet einen günstigeren Anbieter, der Mischfutter sogar in Silodimensionen liefern kann. Da ist der Müller mit seiner Sackware im Hintertreffen und – aus dem Spiel. Es läßt sich nur noch mutmaßen, wie lange Detlef Preuß Für und Wider erwog, Risiken durchrechnete, Unwägbarkeiten abzuschätzen versuchte – aus heutiger Sicht war der Entschluß, die Mühle nicht ihrem Schicksal zu überlassen, sondern als funktionierendes technisches Denkmal zu erhalten, schnell gefaßt. Klar, viel sprach dafür, die wechsel- Auf also zur ersten Sitzung der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde in den neuen Bundesländern, die 1990 auf Usedom stattfand. Hier ist versammelt, was in der Branche Rang und Namen hat. Es brauchte kaum einen Mühlenflügelschlag, da ist ein erfahrenes Ingenieurbüro gefunden, mit dem Preuß ein Restaurierungskonzept und einen Finanzierungsplan entwickelt. Die Strategien überzeugen das Landesamt für Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern. 1991 macht man sich an die Mühlenaußenhaut: 148 000 Mark reichen – um die Wellbalken, auf denen die Flügel montiert sind, ebenso zu erneuern wie die Fußböden und den Mühlenkopf. Freilich war auch in jenen seligen Zeiten ein Eigenanteil von 30 Prozent zu erbringen. Dafür deckt Detlef Preuß das Dach komplett neu – mit eigener und der Hand von 39. W OCHE 2005 REPORTAGE etlichen guten Freunden. Danach ist erst mal Ebbe in der Kasse. Dabei fehlte damals der Mühle, gemessen an allem, was zuvor investiert wurde, nur wenig, um sich wieder zu drehen. Aber ohne Flügel ist so ein Gebäude doch nichts als ein Torso. Wenn man Detlef Preuß etwas zu allererst bescheinigen müßte, dann sind es Hartnäkkigkeit und so eine Art Beseeltheit von seiner Aufgabe, die nichts mit unrealistischem Überfliegertum gemein hat: Zwei Jahre braucht es dennoch, um die Deutsche Stiftung Denkmalschutz dazu zu bewegen, sich in Altkalen einzuklinken, worauf zwei hochmoderne Jalousieklappenflügel (aus dem mühlenkundigen Land der Holländer) montiert werden. Zwar ist die Mühle nun voll funktionsfähig, für einen kontinuierlichen Betrieb müssen aber noch Mühlstein und Mahlgang erneuert werden. Ein Geldgeber ist erst mal wieder nicht in Sicht. In allen Stürmen erprobt Daß das Metier heutzutage selbst den fleißigsten, in allen Stürmen erprobten Jünger des Windgottes Rasmus nicht nähren kann (eine kleine Familie mit zwei Kindern, darunter der Müller der 5. Generation wie in unserem Fall, schon gar nicht), war dem 39jährigen von Anfang an klar. Aber den interessanten Standort und seine Geschichte inklusive gut erhaltener Mühlentechnik touristisch zu vermarkten, das müßte sich rechnen. Führungen, Schaumahlen, dazu attraktive kulinarische Verlockungen, selbstgebackenes Brot und Kuchen etwa, Musik und Kleinkunst auch, das sollte gehen. „Die Einkünfte sollten ein bis zwei feste Arbeitsplätze finanzieren, vor allem aber dem Erhalt der Mühle zufließen“, sagt Detlef Preuß. Er erwirbt die ehemalige Kornhalle aus der Konkursmasse der LPG und beginnt sie umzubauen, auf daß sich die Gäste, Reisegruppen oder Großfamilien, bei kulturellen Veranstaltungen und sehr individueller Bewirtung wohl fühlen. Auch mit der Sanierung der Mühle, seit 1995 koordiniert vom Verein Mühlenhof Altkalen, kommt man dank des EU-Förderprogramms Leader II wieder ein Stück weiter, denn Mauerwerk und Fundament können instand gesetzt werden. Die Ausrichtung des Mühlentages Mecklenburg-Vorpommern, womit die Branche vor zwei Jahren den Altkalener Müller betraute, brachte den Durchbruch. Der Schirmherr, der vom Von besonderem Reiz: Die alte Technik veranschaulicht, wie vor 50 JahFOTOS: SABINE RÜBENSAAT ren Korn zu Mehl wurde. Preußschen langen Atem begeisterte Landwirtschaftsminister des Bundeslandes, kann zwar kein Geld in seinem eigenen Ressort lockermachen, überzeugt jedoch das Arbeitsministerium davon, sich mit 25 000 Euro einzubringen. Davon erhält die Mühle unter anderem einen neuen Mahlgang samt Mühlsteinen, und der Windgang wird restauriert. Der 28. Juli 2005 wird, alle Eide, in ihre ohnehin umfangreichen Annalen eingehen. Da nämlich war Anmahltag, und besagter Minister wurde zum Ehrenmüller ernannt. Altkalen kann sich nun rühmen, die einzige regelmäßig mit Windkraft produzierende Mühle Mecklenburg-Vorpommerns zu sein. Folgerichtig vermarktet sie Roggen- und Weizenmehl aus ökologisch angebautem Getreide unter der Marke „windmehl“, garantierend, daß bei der Erzeugung nur Erde, Wasser und Wind zugegen waren. Zwei Tonnen Getreide am Tag könnte Detlef Preuß zu Mehl machen – wenn es der Absatz hergäbe. Einige Bioläden und Reformhäuser sind seine Abnehmer. Ein eigener Hofladen? Gern, aber ohne Zertifizierung nicht möglich. Und so etwas ist bekanntermaßen kostspielig. Wir sind beim Kreuz dieser Geschichte. Sein Tourismuskonzept, resümmiert Detlef Preuß, habe sich nicht gerechnet. Ob Live-Musik, Plattdeutscher Abend oder Kinderfest – die Re- B AUERN Z EITUNG 63 sonanz war groß, der anschließende Blick in die Kasse eher frustrierend (wann sind Preise eigentlich zu volkstümlich?). An die Schaffung von Arbeitsplätzen ist gleich gar nicht zu denken. Statt dessen ist der Müller froh, daß seine Lohnkosten zumindest bis Ende des Jahres von öffentlicher Hand finanziert werden. Dabei: Für Feiern und Veranstaltungen an den Wochenenden ist der Müllerhof derzeit immer noch ausgebucht (was sich mit dem Nähern der kälteren Jahreszeit ändern dürfte), doch beklagt Preuß den für ein wirklich ersprießliches touristisches Tagesgeschäft nachteiligen Standort. Altkalen prahlt ein bißchen damit, in der – durchaus reizvollen – Mecklenburger Schweiz zu liegen, doch Ostsee oder Mecklenburgische Seenplatte ist sie nun mal nicht. Vom Zufallstourismus lebt es sich, nachvollziehbar, dürftig. Preuß tröstet sich damit, daß sich alles erst einmal einspielen müsse, bekräftigt zugleich, mit der Sanierung der Mühle in die Zukunft investiert zu haben, bleiben zu wollen, um irgendwann sein Auskommen zu finden. Genug sinniert – ran an den Speck, Müllersmann! Wie wäre es mit einer innigeren Zusammenarbeit mit dem regionalen Tourismusverband oder den Landfrauen? Ideenreichtum, Enthusiasmus hast du doch ein ganzes Jahrzehnt lang bewiesen, als es um das Restaurieren des Familienbesitzes ging! (Eine kleine methodische Handreichung einschlägiger Ämter und Ministerien wäre – auch angesichts der geflossenen Fördermittel – sicher ausnahmsweise ebenfalls mal drin.) Die Mühle dreht sich nicht vom gestrigen Winde – wer wüßte das besser als ein Müller. J UTTA H EISE Glück zu! Müller Preuß wünschen wir immer eine Handvoll Wind in den Flügeln.