Amyotrophe Lateralsklerose
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Amyotrophe Lateralsklerose
P.b.b. 07Z037411M, Benachrichtigungspostamt 1070 Wien neurologisch Fachmagazin für Neurologie Offizielles Organ der Österreichischen Gesellschaft für Neurologie AUSGABE 2/10 MedMedia Verlags Ges.m.b.H. Schwerpunkt Amyotrophe Lateralsklerose Gutachterliche Praxis Für die Praxis Neurologie aktuell Änderungen bei den Richtlinien zu Epilepsie und Führerschein Sonographie in der neurologischen Praxis Verbesserte Identifikation und Intervention bei Post-Stroke-Spastizität Editorial Ich darf die Gelegenheit wahrnehmen und mich an dieser Stelle als Präsident von Ihnen verabschieden und Ihnen einen kurzen Bericht über die wichtigsten Aktivitäten der ÖGN in den letzten zwei Jahren geben: Nachdem unsere Zeitschrift neurologisch bereits unter meinem Vorgänger Franz Fazekas etabliert wurde, hat sie sich unter der Leitung von Regina Katzenschlager und Bruno Mamoli zu einem ausgezeichneten Fachmedium unserer Gesellschaft entwickelt; mit den „Punkten“ können wir nun auch eine hervorragende neurologische DFPFortbildung anbieten. Ein Highlight der letzten zwei Jahre war sicher das konsequente Bemühen, den Weltkongress für Neurologie 2013 nach Wien zu holen. Nachdem wir uns im August 2008 beim EFNS-Kongress in Madrid gegen Helsinki und Valencia durchgesetzt haben, kam die endgültige Bestätigung in Bangkok beim Weltkongress im Oktober 2009. Hier sei be- sonders Wolfgang Grisold und Tanja Weinhart für ihren unermüdlichen Einsatz gedankt! Im Juli 2009 konnte die gemeinsame Geschäftsstelle „Neurologie Österreich“ etabliert werden; nunmehr werden ÖGN, ÖAG, ÖPG, ÖGSF, ÖGKNP, ÖKSG und die Österreichische Liga gegen Epilepsie administrativ unter einem Dach von einem gemeinsamen Sekretariat betreut, was natürlich für alle Gesellschaften enorme organisatorische Vorteile und Synergien bringt. Erwähnen möchte ich auch noch unsere intensiven Fortbildungsaktivitäten, Kongresse, Curricula und Akademien sowie die standespolitischen Aktivitäten wie die Treffen mit dem Bundesminister, Ärztekammerpräsidenten und -funktionärInnen, dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger, VertreterInnen der GÖG sowie den Vorständen der neurologischen Fachgesellschaften der Nachbarländer. Auch die Öffentlichkeitsarbeit schlug sich mit zahlreichen Pressekonferenzen und -aussendungen gut zu Buche; die Pressereaktionen waren mannigfaltig und durchwegs positiv; in diesem Zusammenhang sei auch der neu geschaffene Journalistenpreis der ÖGN erwähnt. Das Mitgliederservice wurde unter anderem durch neue Stipendien, einer Neugestaltung der Homepage sowie weitere intensive Aktivitäten der Ausbildungskommission verbessert. Leider gibt es nicht nur Positives zu berichten: Mein Ziel, die niedergelassenen KollegInnen vermehrt zu aktivieren, habe ich nicht erreicht. Der Webspace für die Fachgruppe wurde kaum genutzt, das Forum wurde überhaupt nicht angenommen, auch die Aktivitäten zur Schnittstelle extra-intra-mural wurde von den niedergelassenen KollegInnen weitgehend ignoriert. Die (durchaus gut Dr. Michael Ackerl Niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie in Oberpullendorf Präsident der ÖGN Chefredaktion neurologisch FOTO: MEDCOMMUNICATIONS Das Schwerpunktthema der vorliegenden Ausgabe erscheint mit besonders wichtig – die ALS ist zwar eine Gott sei Dank nicht sehr häufige neurologische Erkrankung, jedoch bedeutet die Diagnose für Betroffene nach wie vor ein Todesurteil und bedarf besonderer Kenntnisse der betreuenden ÄrztInnen in PatientInnenführung, medizinischer und sozialer Begleitung sowie palliativer Betreuung. Umso begrüßenswerter ist es, dass sich die Subthemen nicht nur auf medizinische Fakten sowie die (ohnehin leider sehr begrenzten) therapeutischen Strategien beschränken, sondern auch die (oft noch wichtigeren) begleitenden Maßnahmen wie Palliativbetreuung von Anfang an, Aufklärungsgespräch, supportive Maßnahmen und Angehörigenbetreuung intensiv behandelt werden. FOTO: MEDIENDIENST Sehr geehrte Frau Kollegin, sehr geehrter Herr Kollege! Priv.-Doz. Dr. Regina Katzenschlager SMZ Ost, Wien Univ.-Prof. Dr. Bruno Mamoli Generalsekretär der ÖGN 3 Editorial Wollen Sie mit uns in Kontakt treten? Leserbriefe erwünscht: [email protected] oder Seidengasse 9/Top1.1, 1070 Wien besuchten) ÖGN-Kongresse in Villach und Linz wurden von den Niedergelassenen trotz bewusst praxisrelevanter Themen äußerst sparsam besucht. Ich würde mir wünschen, dass die KollegInnen doch etwas über den Tellerrand der eigenen Praxis schauen würden, um zu erkennen, dass ein Miteinander auch für die eigene tägliche Arbeit durchaus nützlich sein kann – doch vielleicht ist das ein Zukunftsszenario für die nächsten zehn Jahre unserer Gesellschaft. Dennoch erwähnt werden muss natürlich die traditionell gute Zusammenarbeit mit der Bundes- und den Landesfachgruppen, wobei ich mich bei Franz Memelauer und Christian Bsteh besonders bedanken möchte! Mein Dank gilt auch dem gesamten Vorstand und dem Generalsekretär, den Beiräten und allen für unsere Gesellschaft tätigen KollegInnen sowie dem Sekretariat. Die gemeinsame Arbeit der letzten zwei Jahre hat mir enormen Spaß gemacht. Ich bin sicher, dass unsere Gesellschaft unter dem neuen Präsidenten Eduard Auff weiter florieren und innovative Wege gehen wird und wünsche ihm dazu alles Gute! Mit besten Grüßen und auf Wiedersehen. Ihr Dr. Michael Ackerl Sehr geehrte Leserinnen und Leser! Der vorliegenden Ausgabe von neurologisch liegen die aktuellen neurologischen „die PUNKTE“ bei. Beide DFP-Beiträge behandeln Themen, die in Ihrer täglichen Arbeit am/an der Patienten/in besonders häufig auftreten. Univ.-Doz. Dr. Regina Katzenschlager widmet sich praxisgerecht aufbereitet dem M. Parkinson. Bedingt durch die demographische Entwicklung und die ständig steigende Lebenserwartung nimmt die Inzidenz und Prävalenz dieser Erkrankung deutlich zu und wird zu einer beträchtlichen Herausforderung, nicht nur für den/die Behandler/in, sondern auch für das gesamte Gesundheits- und Sozialsystem. Die Übersichtsarbeit zeigt neben der die Wichtigkeit einer exakten Diagnostik, die Vielfalt der weit über die Motorik hinausgehenden Symptomatik, vor allem auch die gesamte Breite der bewährten und neuen Therapiemöglichkeiten auf. Neuroborreliose und Frühsommermeningoenzephalitis (FSME) sind Inhalt des DFP-Beitrags von Univ.-Prof. Dr. Erich Schmutzhard. Besonders in unseren Breiten sind von Zecken übertragbare Erkrankungen eine große diagnostische und therapeutische Herausforderung. Der Beitrag bietet einen umfassenden und gut strukturierten Überblick über beide Erkrankungen, mit dem zusätzlichen Aspekt, dass ein rationaler Zugang zur serologischen Diagnostik der Borreliose herausgearbeitet wird. 4 Sollte Ihrer neurologischAusgabe keine aktuelle Ausgabe von „die PUNKTE“ beiliegen, besteht die Möglichkeit, diese unter [email protected] anzufordern. Diese Möglichkeit besteht ebenso für bereits erschienene Ausgaben: die PUNKTE NEUROLOGIE 1/09 • Demenzen: Diagnostik und Therapie die PUNKTE NEUROLOGIE 1/10 • Diagnose und Therapie der Epilepsie • Karpaltunnelsyndrom und andere Engpasssyndrome des Nervus medianus Wissenschaftlicher Beirat Bewegungsstörungen Univ.-Prof. Dr. Eduard Auff, Wien Priv.-Doz. Dr. Regina Katzenschlager, Wien Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe, Innsbruck Epilepsie Univ.-Prof. DI Dr. Christoph Baumgartner, Wien OA Dr. Michael Feichtinger, Graz Prim. Univ.-Prof. Dr. Eugen Trinka, Salzburg Schlafstörungen Univ.-Prof. Dr. Birgit Högl, Innsbruck Univ.-Prof. DDr. Josef Zeitlhofer, Wien Neurorehabilitation Univ.-Prof. Dr. Eduard Auff, Wien Prim. Univ.-Prof. Dr. Heinrich Binder, Wien Univ.-Prof. Dr. Leopold Saltuari, Hochzirl Schlaganfall Prim. Univ.-Prof. Dr. Franz Aichner, Linz Prim. Univ.-Prof. Dr. Michael Brainin, Tulln Prim. Univ.-Prof. Dr. Wilfried Lang, Wien Leitmotiv der aktuellen Ausgabe neurologisch „Amyotrophe Lateralsklerose, eine gesunde Seele in einem kranken Körper. Die Seele interpretiert als eine Einheit – das Zentrum eines Menschen, der die Wirklichkeit von sich selbst einnimmt, obwohl der Körper sich weigert.“ Der 1984 in Peru geborene spanische Künstler Luis Mario Casanova Sorolla lebt seit einigen Jahren in Wien und studiert an der Akademie der Bildenden Künste bei Gunther Damisch. Neben Wandgemälden in verschiedenen Wiener Lokalen wie z.B. dem Latin Club „El Dorado“ entwickelte Casanova Sorolla nach Experimenten mit verschiedenen Rotwein-Applikationen auf Papier eine eigene Maltechnik. Mit „Wine on Paper“ hatte er verschiedene Einzelausstellungen in Südamerika und im Museumsquartier in Wien und nahm auch 2009 im Rahmen einer Gruppenausstellung an der Biennale in Brüssel teil. Schmerz Dr. Gerhard Franz, Reutte Prim. Priv.-Doz. Dr. Christian Lampl, Linz Prim. Priv.-Doz. Dr. Nenad Mitrovic, Vöcklabruck Neuromuskuläre Erkrankungen Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grisold, Wien Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Löscher, Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Stefan Quasthoff, Graz Multiple Sklerose Univ.-Prof. Dr. Thomas Berger, Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Franz Fazekas, Graz Univ.-Prof. Dr. Karl Vass, Wien Demenz Univ.-Prof. Dr. Thomas Benke, Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Peter Dal-Bianco, Wien Univ.-Prof. Dr. Reinhold Schmidt, Graz Autonome Störungen Dr. Heinz Lahrmann, Wien Dr. Walter Struhal, Linz Univ.-Prof. Dr. Gregor Wenning, Innsbruck Neurogeriatrie Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Iglseder, Salzburg Prim. Univ.-Prof. Dr. Gerhard Ransmayr, Linz Prim. Univ.-Doz. Dr. Josef Spatt, Wien Neurochirurgie Univ.-Prof. Dr. Engelbert Knosp, Wien Univ.-Doz. Dr. Manfred Mühlbauer, Wien Luis Casanova Sorolla Neuroimaging Univ.-Prof. MSc DDr. Susanne Asenbaum-Nan, Wien Priv.-Doz. Dr. Christian Enzinger, Graz Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Kapeller, Villach FOTO: MICHAEL DÜRR Impressum Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Neurologie, Dr. Michael Ackerl, Präsident der ÖGN. Chefredaktion: Univ.-Prof. Dr. Bruno Mamoli, Priv.Doz. Dr. Regina Katzenschlager. Medieninhaber und Verlag: MEDMEDIA Verlag und Mediaservice Ges.m.b.H, Seidengasse 9/Top 1.1, 1070 Wien, Tel.: 01/407 31 11-0, E-Mail: [email protected]. Verlagsleitung: Mag. Gabriele Jerlich. Redaktion: Maria Uhl. Lektorat: [email protected]. Layout/DTP: Martin Grill. Projektbetreuung: Natascha Fial. Coverbild: Luis Mario Casanova Sorolla. Print: „agensketterl“ Druckerei GmbH, Mauerbach. Bezugsbedingungen: Die Zeitschrift ist zum Einzelpreis von 9,50 Euro plus MwSt. zu beziehen. Druckauflage: 8.223 Stück im 2. Halbjahr 2009, geprüft von der Österreichischen Auflagenkontrolle. Grundsätze und Ziele von neurologisch: Kontinuierliche medizinische Fortbildung für Neurologen, Psychiater und Allgemeinmediziner. Allgemeine Hinweise: Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die persönliche und/oder wissenschaftliche Meinung des jeweiligen Autors wieder und fallen somit in den persönlichen Verantwortungsbereich des Verfassers. Angaben über Dosierungen, Applikationsformen und Indikationen von pharmazeutischen Spezialitäten müssen vom jeweiligen Anwender auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Trotz sorgfältiger Prüfung übernehmen Medieninhaber und Herausgeber keinerlei Haftung für drucktechnische und inhaltliche Fehler. Ausgewählte Artikel dieser Ausgabe finden Sie auch unter www.medmedia.at zum Download. 5 Inhalt 2/2010 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN 8 Neuigkeiten aus der ÖGN FÜR DIE PRAXIS 48 Sonographie in der neurologischen Praxis C. Bsteh, Salzburg 88 Veranstaltungskalender SCHWERPUNKT Amyotrophe Lateralsklerose 12 13 FÜR DIE GUTACHTERLICHE PRAXIS Vorwort Änderungen bei den Richtlinien zu Epilepsie und Führerschein H. Lahrmann, Wien W. Soukop, Wien Neurobiology of amyotrophic lateral sclerosis – an update 52 NEUROLOGIE AKTUELL A. Laird, W. Robberecht, Leuven 15 ALS – Diagnose und Differenzialdiagnose 54 19 Therapiestudien – Bedeutung bei der amyotrophen Lateralsklerose A. C. Ludolph, J. Brettschneider, Ulm 22 26 32 Die professionell angeleitete ALS-Angehörigengruppe P. Holzmann, Wien NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH 36 Rezidivierende Trigeminusneuralgie: Langzeitergebnisse nach wiederholter Gamma-Knife-Radiochirurgie F. Unger, V. Gellner, Graz 38 Schlafstörungen B. Högl, B. Frauscher, Innsbruck 60 Schlaganfall M. Brainin, Krems 61 Schmerz A. Wuschitz, Wien 64 Neuromuskuläre Erkrankungen V. Wohlgenannt, W. Grisold, Wien Supportive Maßnahmen bei ALS H. Lahrmann, Wien 34 59 Das Aufklärungsgespräch bei ALS W. Grisold, Wien Epilepsie M. Feichtinger, Graz Palliative Betreuung von Anfang an H. Lahrmann, W. Grisold, Wien 28 55 Atmung – Diagnostik und Therapie M. Wild, Wien Bewegungsstörungen P. Schwingenschuh, Graz W. Löscher, Innsbruck; S. Quasthoff, Graz 66 Multiple Sklerose F. Deisenhammer, Innsbruck 70 Autonome Störungen D. Kuzdas, N. Stefanova, G. K. Wenning, Innsbruck 75 Neurogeriatrie B. Iglseder, Salzburg 80 Neuroimaging P. Kapeller, Villach 82 Neurochirurgie S. Wolfsberger, Wien Postprandialer Insult und Epilepsie als Manifestationen atrio-ösophagealer Fisteln J. Finsterer, Wien 84 Pharma-News KONGRESS-HIGHLIGHTS 40 Drei-Länder-Symposium Multiple Sklerose, Dresden 2010 F. Fazekas, Graz; U. Baumhackl, Wien 7 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Derzeitige Entwicklungen im Bereich von Spezialisierungen und Diplomen der Österreichischen Ärztekammer Spezialisierung in „Palliativmedizin“ Die Österreichische Palliativgesellschaft hat am 16. 7. 2009 den Antrag um Spezialisierung in „Palliativmedizin“ an die Österreichische Ärztekammer gestellt. Die ÖGN hat für die NeurologInnen den Zugang gefordert. Der Bildungsausschuss der Österreichischen Ärztekammer hat nunmehr jedoch beschlossen, keine Spezialisierungen in „Palliativmedizin“ einzuführen, sondern das bereits bestehende Diplom für Palliativmedizin aufzuwerten und zu erweitern. Nähere Details sind noch in Ausarbeitung. Bisher (26. 4. 2010) haben in Österreich 1756 ÄrztInnen das Diplom für Palliativmedizin erhalten, von denen 96 InhaberInnen der Fachrichtungen Neurologie oder Neurologie & Psychiatrie sind. Spezialisierung in „Genetischer Diagnostik“ Die geplante Einführung der Spezialisierung in „Genetischer Diagnostik“ wurde von der ÖGN zwar begrüßt, doch wurden einige Einwände vorgebracht: A) Die Gesamtdauer der Spezialisierung erscheint mit 2 ½ Jahren (2 Jahre im fachspezifischen Teilgebiet und 6 Monate Rotation) zu lang. B) Im Rahmen der Rotation sollte auch eine Rotation von nichtklinischen Spezialisierungsstätten im Bereich klinischer Spezialisierungsstätten erfolgen. C) Um eine kritische Zahl von KollegInnen mit Spezialisierung „Genetische Diagnostik“ zu erreichen, müssen die Übergangsfristen dahingehend gestaltet werden, dass dem Diplom gleichwertige Qualifikationen (z.B. nachgewiesener Unterricht, wissenschaftliche Publikationen) anerkannt werden. Dessen ungeachtet und da nicht gewährleistet ist, dass unsere Vorschläge in die Übergangsfristen münden, ist allen interessierten KollegInnen anzuraten, das Diplom der Österreichischen Ärztekammer zu absolvieren und sich raschestmöglich anzumelden. Es ist davon auszugehen, dass aufgrund der limitierten TeilnehmerInnenzahl nicht alle Interessierten angenommen werden können. Termine für die nächsten Kurse: 15. bis 16. Oktober 2010 19. bis 20. November 2010 21. bis 22. Jänner 2011 25. bis 26. Februar 2011 1. bis 2. April 2011 Nähere Info: http://www. arztakademie.at/ genetik-lehrgang Spezialisierung in „Schlafmedizin“ Die Österreichische Gesellschaft für Kinderund Jugendheilkunde hat bei der Österreichischen Ärztekammer einen Entwurf für eine Erratum zum Bericht „Neue Entwicklungen bei der multiplen Sklerose“, neurologisch Supplementum 2/2010, Seite 15, Tabelle 2. Leider ist unserer Redaktion bei der Erklärung der Abkürzung HC ein Fehler unterlaufen: HC ist die Abkürzung für „gesunde Kontrollen“ und nicht für „hereditäre Katarakte“. Wir bedauern den Irrtum. 8 Spezialisierung in „Schlafmedizin“ eingebracht. Am 31. 3. 2010 fand in der Österreichischen Ärztekammer eine Sitzung statt, an der VertreterInnen der Österreichischen Gesellschaften für Pneumologie, Innere Medizin, Kinder- und Jugendheilkunde, Hals-, Nasen- und Ohren-Krankheiten, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Psychiatrie sowie Neurologie teilnahmen. Die ÖGN war durch Univ.-Prof. DDr. Josef Zeitlhofer und Univ.Prof. Dr. Bruno Mamoli vertreten. In dieser Sitzung wurden die Standpunkte der jeweiligen Gesellschaften dargelegt. Insgesamt zeigt sich, dass die Einführung einer Spezialisierung in „Schlafmedizin“ weiten Konsens erhält. Einwände kamen vorwiegend von pulmonologischer Seite, insbesondere dahingehend, dass Fertigkeiten bei der Anwendung der assistierten Beatmung anderen Fachrichtungen abgesprochen werden. Für den 2. 6. 2010 ist eine neuerliche Sitzung einberufen worden, an der jeweils ein Vertreter der Fachgesellschaften teilnehmen sollen, mit dem Ziel, ein Curriculum und das Rasterzeugnis zu erarbeiten. Die ÖGN wird durch Univ.-Prof. DDr. Josef Zeitlhofer vertreten sein. Außer Frage gestellt ist der multidisziplinäre Ansatz. Neubesetzung der Arbeitsgruppe Young Neurologists Trainees Als Nachfolge von OA Dr. Walter Struhal und OÄ Dr. Barbara Hess werden Dr. Bernadette Calabek (KFJ Wien) und Dr. Agnes Pirker (AKH Wien) die Leitung der ARGE übernehmen. Zusammengestellt von: Priv.-Doz. Dr. Regina Katzenschlager und Univ.-Prof. Dr. Bruno Mamoli BUCHBESPRECHUNG Die Neurologie in Wien von 1870 bis 2010 von Gernot Schnaberth mit historischen Abbildungen von Ruth Koblizek. Das von Univ.-Prof. Dr. Gernot Schnaberth in Zusammenarbeit mit Dr. Ruth Koblizek verfasste medizinhistorische Buch umfasst die Chronik der neurologischen Institutionen in Wien und ihrer Abteilungsvorstände von 1870 bis 2010. Diese Zeitspanne ist geprägt durch Zeiten der sozialen Auseinandersetzungen und des sozialen Aufbaus Ende des 19. Jahrhunderts, durch Zeiten der Krisen wie zwei Weltkriege und eine Weltwirtschaftskrise in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sowie einer langen Phase des Friedens in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis zum heutigen Tage. Das Buch vermittelt in hervorragender Weise die parallel laufende chronographische Entwicklung der Neurologie während dieser fast eineinhalb Jahrhunderte und demonstriert anhand historischer Daten, welche Leistungen die Wiener NeurologInnen in guten wie in schlechten Zeiten in der Lage waren zu erbringen. Die Geschichte der Wiener Neurologie zeigt, welche Willenskraft und Neugierde sowie welche Innovationen die Wiener NeurologInnen auf vielfältigen Gebieten der Neurologie erbracht haben und welchen Beitrag sie an der Entwicklung der Neurologie in Österreich, aber auch weltweit in der Lage waren zu setzen. Diese Entwicklung wird anhand von Biographien der führenden Wiener NeurologInnen aufgezeigt, und das Buch erfasst in sehr akkurater Form deren wissenschaftlichen Schwerpunkte und Leistungen. Das Lesen dieses Buches macht uns vor allem bewusst, dass wir selbst nicht nur von der Gegenwart und von der eigenen Persönlichkeit geprägt sind, sondern dass alle unsere Leistungen auf die Leistungen anderer aufbauen, deren Werk somit in uns weiterlebt und von uns weitergegeben wird – ein tröstlicher Aspekt dieses hoch interessanten und gelungenen Buches, das eine Fortsetzung der medizingeschichtlichen Aktivitäten von Prof. Dr. Gernot Schnaberth darstellt. Ebenso höchst positiv zu erwähnen sind die historischen Abbildungen von Frau Dr. Ruth Koblizek, die dieses Werk ergänzen. Das Buch kann allen an medizinischer Geschichte Interessierten dringend empfohlen werden. Dies gilt umso mehr, als bislang ein solches Werk nicht vorlag. Univ.-Prof. Dr. Bruno Mamoli Schnaberth Gernot, Koblizek Ruth: Die Neurologie in Wien von 1870 bis 2010. Verlag: Memo-Verein für Geschichtsforschung. Wien 2010 9 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Jobbörse Die Klinik Pirawarth sucht zur Verstärkung ihres Teams eine/einen Fachärztin/Facharzt für Neurologie (und Psychiatrie) Kenntnisse in Neurophysiologie und Neurosonologie sowie Interesse an neurologischer Rehabilitation wären von Vorteil. Die Klinik Pirawarth ist eine privat geführte Sonderkrankenanstalt für Neurologie und Orthopädie und liegt ca. 30 km nordöstlich von Wien. Wir betreuen in einem multiprofessionellen Team 270 neurologische und orthopädische PatientInnen. Wir bieten eine interessante und verantwortungsbewusste Tätigkeit in einem interdisziplinären Team sowie die Möglichkeit zu interner und externer Weiterbildung sowie Arbeitsabläufe eigenverantwortlich mitzugestalten. Haben wir Ihr Interesse geweckt? Dann senden Sie bitte Ihre aussagekräftige Bewerbung an: Klinik Pirawarth, Kur- und Rehabilitationszentrum für Neurologie und Orthopädie, Ärztliches Sekretariat Kurhausstraße 100, 2222 Bad Pirawarth, E-Mail: [email protected], www.klinik-pirawarth.at Für nähere Auskünfte stehen wir gerne unter Tel. (+43)02574/291 60-515 zur Verfügung. Die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft m.b.H. Landeskrankenhaus Bruck an der Mur, Abteilung für Neurologie, sucht ab sofort eine/einen Fachärztin/Facharzt für Neurologie Unser Angebot: Unsere Neurologische Abteilung hat 73 Betten, bestehend aus drei Bettenstationen, einer Stroke Unit, einer neurologischen Intensiveinheit und einer Neurorehab-Einheit der Stufe B. Das Einzugsgebiet für unsere Abteilung beträgt ca. 300.000 Einwohner. Der Abteilung stehen alle technischen und strukturellen Ressourcen zur Verfügung. Wir würden eine rasche Integration in unser Team sowie ihre/seine persönliche Zufriedenheit und fachliche Weiterentwicklung aktiv unterstützen. Das Dienstverhältnis erfolgt zum Land Steiermark entsprechend dessen Anstellungsrichtlinien. Steiermärkische Krankenanstalten Gesellschaft m.b.H. LKH Bruck/Mur, Abteilung für Neurologie, z.H. Herrn Prim. Dr. Stjepan Varosanec, Tragösser Straße 1, 8600 Bruck/Mur, Tel.: 03862/895-2601, Fax: 03862/895-2640, E-Mail: [email protected] 10 FOTO: PERO-DESIGN - FOTOLIA.COM Wir suchen wir eine/n aufstrebsame/n KollegIn mit Kompetenz und Erfahrung sowie Liebe zum Fach und zu den PatientInnen, Selbstständigkeit und Teamfähigkeit. Das Landeskrankenhaus Klagenfurt, Neurologische Abteilung (Vorstand Prim. Univ.-Prof. Dr. Jörg R. Weber), sucht eine/einen Fachärztin/Facharzt im Sonderfach Neurologie und eine/einen Assistenzärztin/Assistenzarzt im Sonderfach Neurologie Die Stellen sind vorerst befristet auf die Dauer eines Jahres ausgeschrieben. Voraussetzungen Fachärztin/Facharzt: • Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates der Europäischen Union • Qualifikation als „Facharzt/Fachärztin für Neurologie“ • Bei männlichen Bewerbern: absolvierter Präsenzdienst Voraussetzungen Ausbildungsstelle: • Staatsbürgerschaft eines Mitgliedstaates der Europäischen Union • Abgeschlossenes Studium der Humanmedizin (Dr. med. univ.) • Bei männlichen Bewerbern: absolvierter Präsenz-/Zivildienst Vergütung – Fachärztin/Facharzt: Entlohnungsschema k, Entlohnungsgruppe k 1 c des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes Vergütung – Assistenzärztin/Assistenzarzt: Entlohnungsgruppe k 1 b des Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetzes, wenn ein Bewerber/eine Bewerberin die Ausbildung zum „Arzt für Allgemeinmedizin“ beendet hat oder eine mindestens 3-jährige ärztliche Tätigkeit inklusive der für das Sonderfach Neurologie erforderlichen Nebenfächer nach der Ärzteausbildungsordnung vorweisen kann. BewerberInnen, welche das Diplom „Arzt für Allgemeinmedizin“ oder die dreijährige ärztliche Tätigkeit inkl. der für das Sonderfach Neurologie erforderlichen Nebenfächer nach der Ärzteausbildungsordnung noch nicht absolviert haben, werden in die Entlohnungsgruppe k 1 a eingestuft. Wenn Sie sich für eine dieser Stellen interessieren und die Ausschreibungskriterien bis zum Ende der Bewerbungsfrist erfüllen, senden Sie bitte Ihr Ansuchen mittels Bewerbungsbogen (erhältlich in allen Landeskrankenhäusern sowie als Download unter www.lkh-klu.at) mit folgenden Unterlagen (Dokumente und Zeugnisse in Kopie): Lebenslauf; Geburtsurkunde; Staatsbürgerschaftsnachweis; Reifeprüfungszeugnis; Promotionsurkunde; ggf. Diplom „Fachärztin/Facharzt für Neurologie“ (bei ausländischem Diplom entsprechende EU-Konformitätsbestätigung); ggf. Diplom „Ärztin/Arzt für Allgemeinmdizin“; bei Bewerbung für die Ausbildungsstelle: Bestätigung der Ärztekammer über die für das Sonderfach Neurologie bereits absolvierten Nebenfächer; Zeugnisse über die bisherige ärztliche Tätigkeit. Ihre Stellenbewerbung müsste, damit sie in das Auswahlverfahren miteinbezogen werden kann, bis spätestens 28. Juni 2010 bei der Medizinischen Direktion des Landeskrankenhauses Klagenfurt A-9026 Klagenfurt, St.-Veiter-Straße 47, Tel.: +43 (0)463/538-31002, Fax: +43 (0)463/538-31009 E-Mail: [email protected] einlangen. BewerberInnen, welche die in der Ausschreibung als verpflichtend angeführten Voraussetzungen nicht erfüllen oder die erforderlichen Unterlagen nicht beibringen, werden in das Objektivierungsverfahren nicht einbezogen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ein Ersatz allfälliger Reisekosten oder Aufwendungen im Hinblick auf die Teilnahme am Auswahlverfahren nicht möglich ist. Bei eventueller Wohnungssuche sind wir gerne zur Hilfestellung bereit. 11 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Zum Schwerpunkt amyotrophe Lateralsklerose Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist lange bekannt – sie wurde bereits 1874 von J.M. Charcot in Paris beschrieben, vielleicht schon von Sir Ch. Bell 1830 (englisch: motoneuron disease, MND), aber nach wie vor ist sie eine unbehandelbare, progredient verlaufende neuromuskuläre Erkrankung, die in jedem Fall zum Tod führt. D Damit stellt die ALS noch immer eine der größten Herausforderungen für klinisch tätige NeurologInnen hinsichtlich der Diagnostik (siehe Seite 15 „ALS – Diagnose und Differenzialdiagnose“) und Therapie dar. Für PatientInnen und deren Angehörige ist diese Erkrankung in jedem Fall eine Katastrophe, und sie benötigen unsere volle Unterstützung und Betreuung (siehe Seite 26 „Palliative Betreuung von Anfang an“). Obwohl die Ursachen dieser neurodegenerativen Krankheit noch immer unbekannt sind, hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten sehr viel in der Forschung und auch in der Betreuung der PatientInnen getan. So ist das Paradigma, dass bei ALS ausschließlich Motoneurone betroffen sind, gefallen. Es scheint sich viel eher um eine Multisystemdegeneration zu handeln, da bei fast 50 % der ALS-PatientInnen eine zumindest in neuropsychologischen Tests feststellbare, manchmal aber auch sehr stark ausgeprägte frontotemporale Demenz auftritt, bei ALS-PatientInnen häufiger autonome Störungen beobachtet werden und in seltenen Fällen eine Überlappung mit extrapyramidalen Symptomen besteht. Seit der Markteinführung von Riluzol (Rilutek®) wurden viele neue, aber auch bereits zugelassene Medikamente in klinischen und präklinischen Studien getestet. Dem Umstand, dass ALS für die großen Pharmakon- 12 zerne aufgrund ihrer Seltenheit („Orphan Disease“, s.a. www.orpha.net) nur mäßig interessant ist, versucht man in den letzten Jahren mit von der EU bzw. der FDA unterstützten Studien zu begegnen. Große Selbsthilfegruppen in Europa (z.B. www.mndasso ciation.org) und den USA (www.alsa.org) beteiligen sich mittlerweile an PatientInnenrekrutierung und Finanzierung. Die Entdeckung der SOD1-Mutation bei familiären ALS-Formen hat zur Entwicklung eines transgenen Mausmodells geführt. Die Tatsache, dass viele in diesem Tiermodell Erfolg versprechende Substanzen in klinischen Studien keine Wirkung erkennen ließen, zeigt seine Grenzen auf (siehe Seite 19 „Therapiestudien – Bedeutung bei der ALS“) und gibt Anlass, neue und verfeinerte Modelle zu suchen (z.B. Kulturen von Motoneuronen erkrankter PatientInnen). In den letzten Jahren wurden auch neue, zum Teil viel versprechende pathophysiologische Mechanismen, die zur Neurodegeneration bei ALS führen können, beschrieben (siehe Seite 13 „Neurobiology of ALS – an Update“) und damit hoffentlich neue therapeutische Wege eröffnet. Derzeit stehen nach einer sensiblen und individuell angepassten Aufklärung (siehe Seite 28 „Das Aufklärungsgespräch“) supportive Therapiemaßnahmen (siehe Seite 32 „Supportive Maßnahmen bei ALS“), die Betreuung DI Dr. Heinz Lahrmann Facharzt für Neurologie, Ordination: 1030 Wien der fast immer eintretenden Atemmuskelschwäche mit Dyspnoe und respiratorischem Versagen (siehe Seite 22 „Atmung – Diagnostik und Therapie“) und die begleitende Unterstützung der Angehörigen (siehe Seite 34 „Die professionell angeleitete ALS-Angehörigengruppe“) im Vordergrund der palliativen Betreuung. Die dargestellte und noch immer inkomplette Liste der mannigfaltigen Probleme, die im Verlauf der Erkrankung auftreten, macht den Einsatz eines multiprofessionellen Teams zur umfassenden PatientInnenbetreuung notwendig. Aus diesen Erkenntnissen wurde im Rahmen eines Projektes im Wiener KaiserFranz-Josef-Spital ein solches Team zusammengestellt und seit 2003 ein umfangreiches Angebot für ALS-PatientInnen erarbeitet (ALS Forum – Multiprofessionelle Hilfe für ALS-Patienten und ihre Angehörigen, www.als-info.at). Und doch bleibt noch unendlich viel zu tun ... ■ GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Neurobiology of amyotrophic lateral sclerosis – an update Amyotrophic lateral sclerosis (ALS) is a disease that is characterized by the degeneration of both upper and lower motor neurons, and its pathogenesis has eluded researchers since it was first described by Charcot in 1869. In 1993, the discovery of mutations within the Cu, Zn superoxide dismutase-1 (SOD1) gene that are present in 2% of all ALS cases triggered abundant research into the function and dysregulation of the SOD1 protein. This has included effects on excitotoxicity, mitochondrial function, axonal transport and astroglial pathology and aggregate formation. More recently, the improved efficiency and affordability of genetic sequencing has led to the discovery of further genes that are involved in ALS1. The discovery of these genes has opened new fields for research, such as RNA processing, and angiogenic and growth-factor deficiencies2, whilst also providing new insights into the already established hypotheses behind the pathogenesis of ALS. TDP-43, FUS/TLS, and RNA processing TDP-43: One of these recently identified genes relevant to ALS codes for Tar DNAbinding protein 43 (TDP-43). Although mutations in this gene are not as common as those in SOD1 (<5%), inclusions containing TDP-43 are found in most ALS patients. TDP-43 was first extracted from neuronal inclusions from brain tissue of patients with frontotemporal lobe dementia (FTLD). FTLD is a heterogeneous group of dementias that is characterized by behavioral changes and/or impairment to language and executive function, which result from degeneration of the temporal and prefrontal cortices. Subclinical motor-neuron degeneration is seen in about 50% of patients with FTLD, while further subtle to quite pronounced frontal dysfunction and/or language impairment is seen in up to 50% of ALS patients. Although the normal function of TDP-43 is not clearly understood, it is known to have a role in the transcription, stabilization and transport of RNA, and is thus normally located in the nucleus of neurons. To date, more than 25 ALS-related mutations have been identified in TDP-43, which are almost exclusively located in the glycine-rich, C-terminal region of the protein that is responsible for regulation of RNA splicing. In the brain tissue of FTLD patients and in the spinal cord of ALS patients, TDP-43 is often found in a ubiquitinated form, mislocalized from the Angela Laird, PhD1, nucleus into the cytoWim Robberecht, MD, PhD2 plasm and perikaryon. Department of Neurology The TDP-43 within incluand of Experimental Neurology, sions is also frequently University Hospital Leuven, hyperphosphorylated and Vesalius Research Center, and C-terminally cleaved VIB, Leuven, Belgium into a 25 kDa species3. 1 2 The mechanisms leading to TDP-43 mislocalization, phosphorylation these models involves loss-of-function effects. and cleavage remain unknown, and whether However, this remains to be confirmed, with these pathological findings are a cause or an investigations in animal models not yet able effect of ALS has yet to be determined. to clarify this point. To date, both a transgenic mouse expressing a mutant TDP-43 FUS/TLS: Soon after the discovery of TDPand a Drosophila model with TDP-43 knock43 mutations, mutations in another protein down have been reported to develop motor that is responsible for RNA processing were phenotypes. reported: the fused in sarcoma/ translated in Furthermore, the zebra fish models with liposarcoma protein (FUS/TLS). FUS/TLS has a either a transiently expressed mutated TDP-43 remarkably similar structure to TDP-43, as or a TDP-43 knock-down show motor axon it also contains an RNA-binding motif, a outgrowth defects. Mice expressing wild-type glycine-rich C-terminal region (where all of human TDP-43 at high and low levels have the mutations to date are located), and a been demonstrated to have dose-dependent nuclear localization signal4. FUS/TLS is also degeneration of cortical and spinal motor largely restricted to the nucleus, where it neurons and spastic paralysis, which mimic interacts with small nuclear ribonucleoALS. In this model, nuclear and cytoplasmic proteins, through which it has effects on TDP-43 inclusions were seen in the affected alternative splicing and transcription suppresareas. TDP-43 was also found in its ubiquision. Further studies have also implicated tinated, phosphorylated and cleaved forms. FUS/TLS in mRNA transport, both along denThese findings support a role for TDP-43 even drites and into dendritic spines. in sporadic ALS and FTLD. Sequestration of TDP-43 and FUS/TLS from the nucleus would disrupt the ability of RNA processing: The further suggestion these proteins to process RNA. As this is that aberrant RNA processing has a role in seen in samples from ALS patients, this the pathogenesis of ALS is supported by the suggests that the disease pathogenesis in discovery of missense mutations in the u 13 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT DNA/RNA helicase senataxin (SETX) and in the ribonuclease angiogenin (ANG) in rare cases of ALS (ALS4 and ALS9, respectively). In addition, polymorphisms in elongator protein 3 (ELP3), which is involved in RNA synthesis and modification of tRNA species, increase the risk of developing sporadic ALS. Patients with these polymorphisms have decreased brain ELP3 levels. Studies in small animal models, Drosophila and zebra fish, have shown that decreased ELP3 levels can result in axonal and synaptic abnormalities4. Although it is tempting to assume that these findings are evidence for a role of disrupted RNA processing in ALS, this remains to be proven. Nevertheless, indications suggest that more RNA-interacting proteins will be identified as having causal, or at least contributory, roles in ALS in the near future. Angiogenesis and growth-factor effects Vascular endothelial growth factor (VEGF) is an angiogenic factor for which a role in motor-neuron degeneration was established when it was found that lowering VEGF levels in the mouse resulted in adult-onset and progressive motor-neuron disorder. Intracerebroventricular administration of VEGF and transgenic motor-neuron-specific overexpression increased the life span of mutant SOD1 rodents. To this end, intraventricular infusions of VEGF for ALS treatment have entered a safety trial in patients. The neurovascular link with ALS was further strengthened by the discovery of missense mutations in the ANG gene in both familial and sporadic ALS patients. The ANG protein is a member of the pancreatic ribonuclease A superfamily, and it has roles in angiogenesis, cell proliferation and neuroprotection (especially against hypoxia). ANG has also been shown to regulate VEGF expression in endothelial cells. Overexpression of wildtype ANG is neuroprotective in vitro, and daily intraperitoneal injections of ANG to mice carrying a mutant SOD1 (G93A) increased their lifespan and motor-neuron survival, even when administered after disease onset. 14 NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH Axonal transport defects Defects in slow axonal transport have been described in presymptomatic mutant SOD1 rodents, which suggests that axonal transport defects have pivotal roles in ALS. In addition, an accumulation of neurofilament is often seen in the cell bodies of motor neurons of ALS patients. Transgenic mice with point mutations in the neurofilament gene show similar neurofilament accumulation and motor-neuron degeneration. Genetic studies have also identified a candidate in connection with axonal transport defects. Mutations in a protein that connects the dynein complex to its cargo, known as dynactin, have been shown in sporadic ALS patients. Such patients with dynactin mutations develop a form of lower motor-neuron disease. Many consequences of axonal transport defects have been proposed, including mitochondrial deficiency and accumulation, and an inability to transport trophic factors. Another indication of the presence of axonal transport defects in ALS patients is the recent finding of polymorphism in the gene encoding kinesin-associated protein 3 (KIFAP3), a protein with a role in anterograde transport. This polymorphism results in decreased KIFAP3 expression and is associated with increased survival in sporadic ALS patients. KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS sing cells and tissues. Mutations in the VAPB protein that is involved in the unfolded protein response in the endoplasmic reticulum have also been described in ALS patients. These mutations in VAPB can lead to VAPB loss-offunction, which would render motor neurons vulnerable to the endoplasmic reticulum stress that can arise from unfolded proteins. Furthermore, the VAPB mutant protein itself is also prone to misfolding and aggregation. The heat shock proteins (HSPs) are chaperones that participate in the clearance of misfolded proteins from the secretory pathway, and their overexpression in vitro can prevent the toxicity promoted by mutant SOD1. Disappointingly, however, HSP27 or HSP70 overexpression in vivo did not affect motorneuron degeneration in mutant SOD1 mice, which suggests that overexpression of one component of this sophisticated system might not be sufficient for motor-neuron ■ degeneration. Selected references: 1 Van Damme P, Robberecht W (2009), Recent advances in motor neuron disease. Curr Opin Neurol 22:486-492 2 Rothstein JD (2009), Current hypotheses for the underlying biology of amyotrophic lateral sclerosis. Ann Neurol 65 Suppl 1:S3-9 3 Lagier-Tourenne C, Cleveland DW (2009), Rethinking ALS: the FUS about TDP-43. Cell 136:1001-1004 4 Lemmens R, Moore MJ, Al-Chalabi A, Brown RH, Jr., Robberecht W, RNA metabolism and the pathogenesis of motor neuron diseases. Trends Neurosci. 2010 Mar 11; Epub ahead of print CONCLUSIONS Aggregation and autophagy Based on findings relating to other neurodegenerative diseases, it has been proposed that aggregation of misfolded proteins, such as SOD1, TDP-43 and FUS/TLS, might have a role in ALS. For example, disease-causing mutations in SOD1 often result in decreased protein stability, which would affect the folding and assembly of SOD1 dimers, and might thus lead to protein misfolding and aggregation. Aggregates can deplete the cell of essential constituents by co-aggregation, or they can physically disturb cellular processes, such as axonal transport (i.e. axonal strangulation). In ALS, mutant SOD1 has been shown to accumulate in the endoplasmic reticulum. Furthermore, a decrease in proteasome activity has been shown in mutant-SOD1-overexpres- The identification of new gene mutations that are involved in ALS, as described above, as well as the progress in the understanding of the normal mechanisms of motor-neuron survival, have provided a significant leap forward in the field of ALS research. Previously, only rodent models of mutant SOD1 expression were available to study what appears to be a very heterogeneous disease. Now, with the generation of rodent models of newly identified mutant genes, as well as the availability of small animal models, it has become possible to study the pathways of motor-neuron degeneration and to investigate further therapeutic interventions that have relevance to more than just mutant-SOD1-mediated ALS. GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS ALS – Diagnose und Differenzialdiagnose Zahlreiche Erkrankungen führen zu einem Untergang von Motoneuronen (MN), wobei entweder das 1., das 2. oder beide MN betroffen sein können. Nachdem das klinische Erscheinungsbild bei diesen Erkrankungen trotz unterschiedlicher Ursache (genetisch – sporadisch) sehr ähnlich sein kann, werden diese Erkrankungen unter dem Begriff Motoneuronerkrankungen (MND) zusammengefasst. Die häufigste dieser Erkrankungen ist die sporadische und neurodegenerative Variante, die amyotrophe Lateralsklerose (ALS). Epidemiologie und Krankheitsverlauf Die Inzidenz der ALS ist in den meisten Ländern ähnlich und beträgt ca. 2,16/100.000/ Jahr1, während die Prävalenz ca. bei 6,5/ 100.000 liegt2. Der Krankheitsbeginn liegt im Mittel bei 65 Jahren, Männer sind etwas häufiger betroffen als Frauen (3 vs. 2,4/100.000/ Jahr). Hereditäre Formen sind selten und machen 5–10 % aller ALS-Fälle aus.2 Die mediane Überlebenszeit bei ALS beträgt ab Symptombeginn ca. 30 Monate, ab Diagnosestellung ca. 18 Monate3, wobei die Überlebenszeiten bei bulbären Formen noch kürzer sind. Hieraus lässt sich ablesen, dass im Mittel ca. ein Jahr vergeht, bis die Diagnose gestellt wird. Einige Subtypen von MND haben allerdings eine deutlich langsamere Progression. Die Krankheitsprogression der ALS (und auch der anderen MND) ist relativ gleichmäßig und linear, so dass schubhafte Verschlechterungen Anlass zu erneuten differenzialdiagnostischen Überlegungen geben. MND-Subtypen Die Unterscheidung verschiedener Subtypen erleichtert die Diagnose und bietet Hilfe bei der Planung der Behandlung und Erstellung einer Prognose (Tab. 1). Letztendlich schreitet bei vielen dieser Formen im Verlauf die Erkrankung fort und mündet in das klinische Bild einer generalisierten ALS. Klassische ALS: Das typische Merkmal der ALS ist die progressive Schwäche mit einer Kombination von Schädigungszeichen des 1. und 2. MN ohne Beteiligung der extraoku- Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Löscher1 Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck Univ.-Prof. Dr. Stefan Quasthoff2 Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Graz 1 2 lären Muskeln und des Sphinkters und ohne relevante autonome und sensible Symptome. Bei ca. einem Drittel der Fälle beginnt die Erkrankung in den Beinen, in einem weiteren Drittel in den Händen, in etwas we- niger als einem Drittel bulbär. Die restlichen seltenen Fälle können mit einer respiratorischen, einer axialen oder einer posterioren Nackenschwäche („Dropped Head Syndrou me“) beginnen4. Tab. 1: ALS-Formen und deren Prognose Typische Merkmale Prognose Typische ALS Schädigung des 1. und 2. MN rasch progredient ungünstig Progressive Muskelatrophie (PMA) Schädigung des 2. MN relativ ungünstig, wenn im Verlauf auch eine Schädigung des 1. MN hinzukommt; relativ günstig, wenn isoliert das 2. MN betroffen bleibt Flail-Arm-/ -Leg-Syndrom Sonderform der PMA isolierter Befall des 2. MN – Arme oder Beine relativ günstig Progressive Bulbärparalyse initial isolierter Befall der bulbären Muskulatur; geht in typische ALS über; als eigene Entität umstritten ungünstig Primäre Lateralsklerose isolierter Befall des 1. MN; keine Schädigung des 2. MN < 4 Jahre günstig Upper-Motor-Neurondominant ALS initial nur Schädigung des 1. MN, allerdings < 4 Jahre Befall des 2. MN relativ günstig 15 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT Bei bulbären Formen tritt die Dysarthrie typischerweise vor der Dysphagie auf. Spinale Formen beginnen asymmetrisch und häufig distal. So zeigt sich an den Händen typischerweise das „Split-Hand-Sign“ – die den Thenar kontrollierende Muskulatur (Mm. abductor pollicis brevis, opponens pollicis und Interosseus I) sind deutlich stärker paretisch und atroph als der M. abductor digiti minimi. Dieses Schädigungsmuster erlaubt eine klinisch gute Abgrenzung gegenüber radikulären Läsionen C8/Th1 und gegenüber peripheren Nervenläsionen bzw. auch der multifokalen motorischen Neuropathie mit Leitungsblöcken (MMN). Anamnestisch berichten auf Nachfrage viele PatientInnen Krämpfe und Faszikulation, die sich in der atrophen wie auch nichtbetroffenen Muskulatur finden. Faszikulationen ohne Schwäche sind allerdings nicht bzw. extrem selten Erstsymptom einer ALS5, 6, wobei eine ALS ohne Faszikulationen im Verlauf der Erkrankung selten vorkommt. Neben Schwäche und Atrophie finden sich gesteigerte Muskeleigenreflexe, pathologische Reflexe wie Babinski oder Trömner und häufig eine Ungeschicklichkeit der Hand als Hinweis auf eine Pyramidenbahnschädigung. Eine respiratorische Schwäche entwickelt sich früh oder spät im Verlauf der Erkrankung. Im Kopfbereich finden sich neben einer Schwäche der Nackenmuskulatur, Dysarthrie und Dysphagie auch eine Schwäche der perioralen Muskulatur und eine Motilitätsstörung sowie Atrophie der Zunge. Der Masseterreflex ist bei kortikobulbärer Beteiligung gesteigert. Ein pseudobulbäres Syndrom mit pathologischem Lachen und Weinen kann sich auch bei unauffälliger Kognition entwickeln. Allerdings zeigen bis zu 50 % der ALSPatientInnen eine zumindest milde frontal exekutive Dysfunktion, und in ca. 15 % kommt es zu einer manifesten frontotemporalen Demenz7. Zur Diagnosestellung der ALS wurden die revidierten El-Escorial-Kriterien erstellt8. Allerdings exkludieren diese Kriterien andere 16 NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH Tab. 2: Obligate Laboruntersuchungen Differenzialblutbild BSG (Blutsenkungsgeschwindigkeit) Serumprotein-Elektrophorese Serumprotein-Immunfixation Urin-Immunelektrophorese CK (Kreatininkinase) Elektrolyte und Harnstoff TSH, FT4, FT3 Vitamin B12 und Folat CRP ASAT, ALAT, LDH ANA und ANCA MND-Varianten und sind zu restriktiv für den klinischen Einsatz, da sie eine sichere Diagnose häufig erst zu einem sehr späten Zeitpunkt erlauben. In einer Untersuchung haben sogar 10 % von verstorbenen ALS-PatientInnen nicht die Diagnose einer wahrscheinlichen ALS erfüllt9. Daher muss von der Verwendung dieser Kriterien außerhalb von wissenschaftlichen Studien abgeraten werden. ALS – Differenzialdiagnose: Die Differenzialdiagnose (DD) der klassischen ALS umfasst Tab. 3: Fakultative Laboruntersuchungen bei atypischer Klinik, frühem Krankheitsbeginn oder hereditären Formen ACE (Angiotensin-converting-Enzym) Hexosaminidase A und B Gangliosid-GM-1-Antikörper (IgM) Paraneoplastische Antikörper HIV-Serologie Laktat im Serum Liquor und Liquorserologie CAG-Repeat-Anzahl des Androgenrezeptors KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS in erster Linie die zervikale Myelopathie (bei Schädigung des 2. MN an den Armen und des 1. MN an den Beinen). Paraneoplastische Formen und Assoziationen mit lymphoproliferativen Erkrankungen sind beschrieben, allerdings sehr selten und auch umstritten.10 HIV-Infektionen können zu ALS-artigen Symptomen führen11 die Assoziation von ALS mit einem Parahyperthyreoidismus erscheint fraglich12. Einzelfälle mit dem klinischen Bild einer ALS bei Neurosarkoidose, PolyglukosanBody-Disease, Hexosaminidasemangel, Nemalin-Myopathie und Prionenerkrankungen sind beschrieben, spielen aber bei der klinischen DD aufgrund ihrer Seltenheit kaum eine Rolle. ALS, Krämpfe und Faszikulationen: Immer wieder wird bei Faszikulationen, Krämpfen oder der Kombination von beiden der Verdacht auf eine ALS gestellt. In der Regel werden Faszikulationen jedoch von ALS PatientInnen nicht wahrgenommen, sondern erst auf gezieltes Befragen hin bemerkt. Isolierte Faszikulationen, die von PatientInnen bemerkt werden, sind meistens sogenannte „benigne“ Faszikulationen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass die klinische Untersuchung und das EMG der betroffenen und benachbarten Muskeln unauffällig sind. Dass diese Faszikulationen wirklich „benigne“ sind, zeigte eine Verlaufsbeobachtung von 121 PatientInnen mit isolierten Faszikulationen über 2–32 Jahre, in der niemand eine ALS entwickelte6. Bestehen neben Faszikulationen häufig Krämpfe und sind klinische Untersuchung und EMG unauffällig, handelt es sich um ein sogenanntes „Krampf-Faszikulations-Syndrom“ und die Wahrscheinlichkeit, eine ALS zu entwickeln, ist minimal. Dieses Krampf-Faszikulations-Syndrom ist somit ebenso „benigne“ und zumindest bei einem Teil dieser PatientInnen eine Autoimmunerkrankung mit Antikörpern gegen K-Kanäle13. SOD1-Mutationen Schwermetalle im Urin (Pb, Cd, Mn, Hg) Progressive Muskelatrophie (PMA), FlailArm- und Flail-Leg-Syndrom: Die PMA ist wahrscheinlich der am schlechtesten definierte Subtyp und zeichnet sich durch eine isolierte Schädigung des 2. MN aus. Die Klassifikation dieser Erkrankungen ist uneinheitlich, und verschiedenste Begriffe wie u. a. „Lower-Motor-Neuron-Disease“ (LMND) oder distale spinale Muskelatrophie (dSMA) werden verwendet14. Im Verlauf der Erkrankung entwickeln viele PatientInnen Zeichen einer Schädigung des 1. MN und haben eine mittlere Überlebenszeit von 5 Jahren15, während andere einen sehr gutartigen Verlauf haben können14. Einzig das Flail-Arm- (oder bilaterale amyotrophe Diplegie) und Flail-Leg-Syndrom sind relativ gut definierte Sonderformen mit einer langsam progredienten LMND, die sich über viele Jahre auf die oberen oder unteren Extremitäten beschränkt16. PMA – Differenzialdiagnose: Das differenzialdiagnostische Spektrum ist bei LMN-Syndromen sicherlich am größten17, 18. Sensible Symptome, wenn auch nur gering ausgeprägt, lassen an periphere Nervenläsionen denken. Bei distalen Symptomen an den Armen sind rein motorische Nervenläsionen wie das Interosseus-anterior- und -posterior-Syndrom klinisch und elektrophysiologisch abzuklären. Bulbäre Symptome und Faszikulationen im Gesicht bei Männern finden sich beim Kennedy-Syndrom, das genetisch einfach abzuklären ist. Eine asymmetrische Schwäche vor allem an den Armen bzw. Händen mit ausgeprägten Faszikulationen ohne früh einsetzende Muskelatrophie spricht für eine MMN. Eine genaue klinische Untersuchung mit der Beurteilung, ob es sich um „Motoneuron-“ oder „Peripherer-Nerv“-Verteilungsmuster handelt, helfen neben der Elektroneurographie und der Bestimmung der IgM-GM1-Antikörper bei der Diagnosestellung. Ähnliches gilt für die Einschlusskörperchenmyositis (IBM), bei der sich typischerweise eine Schwäche der langen Fingerbeuger bei relativ guter Kraft der intrinsischen Handmuskulatur findet. Das EMG kann bei IBM schwierig zu interpretieren sein, aber eine Muskelbiopsie bringt hier in der Regel Klarheit. Raritäten: Schwermetall-Intoxikationen, monoklonale Paraproteinämien und ein Hexosaminidasemangel sind sehr selten und sollten bei einem Krankheitsbeginn vor dem 40. Lebensjahr laborchemisch untersucht werden Die adulte Form einer SMA (SMA 4) ist meistens nicht mit einer SMN1-Deletion verbunden, zeichnet sich jedoch durch eine in der Regel sehr symmetrische und proximale Muskelschwäche mit fehlenden oder schwachen Reflexen aus. Eine LMND der Arme/Hände bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen könnte auf ein Hirayama-Syndrom (Flexionsmyelopathie) zurückzuführen sein. In der MRT der HWS in Flexionsstellung findet sich häufig ein typischer Befund, außerdem kommt die Erkrankung in der Regel nach 1– 4 Jahren zum Stillstand19. Primäre Lateralsklerose (PL): Diese betrifft ca. 1–2 % aller PatientInnen mit MND und ist charakterisiert durch eine langsam progrediente spastische Tetraparese, wobei auch häufig eine kortikobulbäre Dysfunktion und Dranginkontinenz im Verlauf beobachtet werden. PatientInnen, die auch nach 4 Jahren nach Symptombeginn keine Zeichen einer Schädigung des 2. MN zeigen, erfüllen die diagnostischen Kriterien für eine PL. Wenn PatientInnen mit vermuteter PL innerhalb von 4 Jahren Muskelatrophien oder elektrophysiologische Zeichen einer LMND entwickeln, werden sie als „Upper-Motor-Neuron-dominant ALS“ (UMN-D ALS) klassifiziert. Die Prognose der UMN-D ALS liegt zwischen ALS und PL, welche trotz deutlicher Behinderung eine gute Überlebensprognose hat20. Differenzialdiagnose der primären Lateralsklerose: Mittels bildgebenden Untersuchungen lassen eine zervikale Myelopathie und Leukenzephalopathien einfach ausschließen. HTLV-1-spastische Paraparesen sind in unseren Breiten selten und lassen sich durch virologische Untersuchungen abklären. Die schwierigste DD sind die hereditären spastischen Spinalparalysen, vor allem die unkomplizierten Formen. Deren genetische Abklärung stellt sich aufgrund der zahlreichen verantwortlichen Gene häufig schwierig dar. Progressive Bulbärparalyse bzw. ALS mit bulbärem Beginn: Ist initial nur die bulbäre Muskulatur betroffen, spricht man von einer progressiven Bulbärparalyse. Allerdings sollte dieser Begriff nicht mehr verwendet werden, da meistens und innerhalb kurzer Zeit auch die Extremitäten zumindest elektrophysiologisch betroffen sind. Die Abgrenzung von einer ALS mit bulbärem Beginn erscheint nicht sinnvoll, insbesondere da sie die Diagnosestellung nur verzögert21. Betroffen sind allerdings häufiger Frauen älter als 65 Jahre15. Innerhalb von 6–12 Monaten entwickelt sich eine Anarthrie, und in der klinischen Untersuchung überwiegen initial häufig Zeichen des 1. MN. Differenzialdiagnose der ALS mit bulbärem Beginn: Bei einer spastischen Dysarthrie mit gesteigertem Masseter-Reflex lassen sich klinisch eine Myasthenie und eine okulopharyngeale Muskeldystrophie einfach ausschließen. Ein pathologisches Dekrement in der repetitiven Stimulation, wie es für eine Myasthenie typisch wäre, kann jedoch auch bei der ALS auftreten. Sind die Symptome auf eine isolierte Schädigung des 2 MN zurückzuführen, ist u.a. an ein Kennedy-Syndrom, eine Polyneuritis cranialis oder eine basale Meningitis mit Hirnnervenbefall zu denken. Zusatzuntersuchungen Grundsätzlich ist die Diagnose der ALS eine klinische Diagnose, die sich vor allem aus der Anamnese, dem klinisch-neurologischen Status und, als wichtigster Zusatzuntersuchung, der Neurophysiologie stellen lässt. Zum Ausschluss wichtiger DD sind eventuell weitere Zusatzuntersuchungen erforderlich, die durch u 17 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT Anamnese, klinisches Bild und differenzialdiagnostische Überlegungen bestimmt werden. Obligate und fakultative laborchemische Untersuchungen sind in Tabelle 2 und 3 aufgelistet. Der zu sehr ausgedehnte Einsatz von Zusatzuntersuchungen scheint jedoch aufgrund der Folgenschwere der Diagnose eher die Regel als die Ausnahme. Zu bedenken ist aber, dass dadurch eine Diagnosestellung verzögert wird, PatientInnen und Angehörige manchmal über Gebühr belastet werden und ihr Vertrauen in die behandelnden ÄrztInnen eventuell abnimmt. Somit liegt das Augenmerk auf dem gezielten und sinnvollen Einsatz von Zusatzuntersuchungen. NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH zentralmotorischen Leitzeit sind viele andere Parameter wie Schwelle, Silent Period, Amplitude etc. untersucht23–25 und zahlreiche Auffälligkeiten gefunden worden, allerdings mit unterschiedlichen Häufigkeiten und Ergebnissen. Zusammenfassend lässt sich derzeit sagen, dass zur Diagnosestellung die Verwendung von TMS nicht geeignet ist. Transkranielle Magnetstimulation (TMS): Mittels der TMS kann die Funktion der Pyramidenbahn objektiviert werden. Neben der EMG/NLG: Kernstück in der Diagnosestellung der ALS ist die EMG/NLG-Untersuchung26. In der Neurographie lassen sich Erkrankungen peripherer Nerven ausschließen, wobei allerdings reduzierte Amplituden in der motorischen Neurographie bei ALS regelmäßig gefunden werden, abhängig vom Ausmaß des MN-Verlustes und damit der Atrophien. Insbesondere bei der Suche nach Leitungsblöcken ist dann Vorsicht geboten. Diese ist bei Potenzialen unter 1 mV nicht aussagekräftig. Die EMG-Untersuchung erlaubt es Läsionen des 2. MN nachzuweisen und neurogene Schäden in klinisch nicht betroffenen Muskeln aufzudecken. Wichtig ist es, in der EMG-Untersuchung Zeichen von Degeneration (Denervierung) und Zeichen von Regeneration (polyphasische Reinnervationspotenziale und/oder chronisch neurogene Potenziale) im selben Muskel zu finden. Untersucht werden Muskeln von 4 1 9 Bildgebung: Bildgebende Untersuchungen sind indiziert, um zentrale Ursachen (z. B. zervikale Myelopathie, Tumoren in Hirnstamm und Myelon) auszuschließen. Obwohl in gewissen MRT-Sequenzen, wie z.B. Diffusion Tensor Imaging, Signalalterationen bei ALS-PatientInnen gefunden werden können, sind diese Methoden derzeit nicht zur Diagnosestellung geeignet22. 2 3 4 5 6 7 8 Logroscino G et al., Incidence of amyotrophic lateral sclerosis in Europe. J Neurol Neurosurg Psychiatr 2009 O'Toole O et al., Epidemiology and clinical features of amyotrophic lateral sclerosis in Ireland between 1995 and 2004. J Neurol Neurosurg Psychiatr 2008; 79:30–2 Zoccolella S et al., Analysis of survival and prognostic factors in amyotrophic lateral sclerosis: a population based study. J Neurol Neurosurg Psychiatr 2008; 79:33–7 Gourie-Devi M et al., Early or late appearance of „dropped head syndrome“ in amyotrophic lateral sclerosis. Journal of Neurology, Neurosurgery & Psychiatry 2003; 74:683–6 Eisen A, Stewart, H. Not-so-benign fasciculation. Ann Neurol 1994; 35:375–6 Blexrud MD, Windebank AJ, Daube JR, Long-term follow-up of 121 patients with benign fasciculations. 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Im thorakalen Segment ist die Untersuchung der paravertebralen Muskulatur unterhalb von TH6 sinnvoll und häufig sehr informativ. Muskelbiopsie und CK: Die CK ist bei PatientInnen mit ALS häufig leichtgradig erhöht, und Werte bis zu 1000 U/l sind als mit einer ALS vereinbar anzusehen. Muskelbiopsien auf Grund gering erhöhter CK-Werte sind daher nicht indiziert. Auch zur Diagnosestellung einer ALS sind Muskelbiopsien nicht sinnvoll, da sie nur unspezifische neurogene Schädigungsmuster zeigen. Die Diagnose und Differenzialdiagnose der ALS und anderer Motoneuronerkrankungen ist nach wie vor eine klinische Herausforderung, da eindeutige Surrogatmarker für die Diagnosesicherung fehlen. Es ist daher in Zweifelsfällen und bei „atypischen“ Verläufen empfehlenswert, das Expertenteam eines neuromuskulären Zentrums zu Rate zu ziehen. ■ syndromes: a population-based study. Arch Neurol 2000; 57:109–13 Tashiro K et al., Nationwide survey of juvenile muscular atrophy of distal upper extremity (Hirayama disease) in Japan. Amyotroph Lateral Scler 2006; 7:38–45 20 Gordon PH et al., Clinical features that distinguish PLS, upper motor neuron-dominant ALS, and typical ALS. Neurology 2009; 72:1948–52 21 Karam C et al., The clinical course of progressive bulbar palsy. Amyotroph Lateral Scler 2010; online 22 Filippi M et al., EFNS guidelines on the use of neuroimaging in the management of motor neuron diseases. Eur J Neurol 2010; 17:526–533 23 Attarian S et al., Transcranial magnetic stimulation in lower motor neuron diseases. Clin Neurophysiol 2005; 116:35–42 24 Floyd AG et al., Transcranial magnetic stimulation in ALS: utility of central motor conduction tests. Neurology 2009; 72:498–504 25 Mills KR, The natural history of central motor abnormalities in amyotrophic lateral sclerosis. Brain 2003; 126:2558–66 26 Daube JR, Electrodiagnostic studies in amyotrophic lateral sclerosis and other motor neuron disorders. Muscle Nerve 2000; 23:1488–1502 19 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Therapiestudien – Bedeutung bei der amyotrophen Lateralsklerose Nachdem die günstige Wirkung des Glutamatantagonisten Riluzol in voneinander unabhängigen Studien bei der ALS gezeigt werden konnte, erfolgten zahlreiche weitere Studien mit an verschiedenen pathophysiologischen Aspekten der Erkrankung angreifenden Therapeutika. Allerdings konnten die fast durchwegs viel versprechenden Ergebnisse aus den präklinischen Studien am SOD1-Mausmodell nicht in klinischen Studien am Menschen nachvollzogen werden. Der folgende Beitrag gibt einen kurzen Einblick in klinische Studien bei der ALS und ihre pathophysiologischen Angriffspunkte. D Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist gekennzeichnet durch einen fortschreitenden Untergang von Motoneuronen im Bereich des motorischen Kortex, des Hirnstamms und des Rückenmarks, der nach einer Dauer von 3 bis 5 Jahren zum Tod des/der PatientIn führt. Etwa 10 % der ALS-Fälle treten familiär gehäuft auf, davon finden sich bei 10–20 % Mutationen im Gen der Kupfer-Zink-Superoxid-Dismutase (SOD1). Transgene SOD1Mäuse entwickeln die klinischen und neuropathologischen Charakteristika einer selektiven Vorderhornzelldegeneration und stellen momentan das wichtigste Tiermodell für die ALS dar. Im Mausmodell viel versprechende Kandidaten für neue Medikamente werden am Menschen zunächst in Phase-I-Studien erprobt. Dabei wird an einer kleinen Kohorte Gesunder die Pharmakokinetik und Verträglichkeit einer Substanz untersucht. Im positiven Fall folgen Phase-II-Studien an Patienten zur Dosisfindung und Demonstration therapeutischer Effekte, z.B. im Sinne einer Verbesserung in klinischen Scores, wie der „ALS Functional Rating Scale“ (ALSFRS). Das Ziel großer Phase-III-Studien ist dann meist der Nachweis einer signifikanten Verbesserung der Überlebenszeit. Trotz zahlreicher klinischer Studien in den vergangenen Jahrzehnten mit im Mausmodell zunächst viel versprechenden Substanzen ist bislang der Glutamatantagonist Riluzol die einzige Substanz zur Therapie der ALS, die zu einer geringen Lebensverlängerung (von ca. 3–6 Monaten) Prof. Dr. med. Albert C. Ludolph1, Priv.-Doz. Dr. med. Johannes Brettschneider2 Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Ulm führt3. Im Folgenden soll ein Einblick in klinische Therapiestudien bei ALS gegeben werden, der allerdings kei1 nen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt und lediglich einige der pathophysiologischen Angriffspunkte verdeutlichen kann. Außerdem soll anhand dieser Studien die Problematik der Übertragung zunächst viel versprechender Therapeutika vom Mausmodell auf klinische Studien am Menschen verdeutlicht werden. Riluzol Hinweise auf einen veränderten Glutamatmetabolismus bei ALS-PatientInnen und die Hypothese einer glutamatvermittelten Exzitotoxizität waren die Grundlage für den Einsatz von Riluzol bei ALS. Dabei wird davon ausgegangen, dass Riluzol die Glutamatfreisetzung inhibiert, nichtkompetitiv NMDAGlutamatrezeptoren blockiert und außerdem an spannungsabhängigen Natriumkanälen wirkt. Im SOD1-Mausmodell verzögerte Riluzol Beginn und Fortschreiten der Erkrankung und verbesserte die motorische Funktion. Es wurden insgesamt 4 randomisierte, placebokontrollierte doppelblinde Studien mit Riluzol durchgeführt. In der ersten Studie3 wurden 155 ALS-PatientInnen eingeschlossen, es erfolgte eine Gabe von Riluzol 100 2 mg/d (bzw. Placebo) über 12 Monate. Die zweite Studie6 testete an 959 PatientInnen über 18 Monate Riluzol in 3 verschiedenen Dosierungen (50, 100 und 200 mg Riluzol/d) gegen Placebo. In beiden Studien verbesserte Riluzol signifikant das Überleben, in der zweiten Studie zeigte sich ein klarer DosisWirkung-Effekt. Eine dritte Studie, die ebenfalls in Frankreich und Belgien durchgeführt wurde2, schloss 168 ALS-PatientInnen ein, die sich aufgrund höheren Alters (> 75 Jahre), längerer Erkrankungsdauer (> 5 Jahre) oder zu schlechtem respiratorischem Zustand (FVC < 60 %) nicht für die zweite Studie6 qualifiziert hatten. Für diese PatientInnen zeigte sich keine signifikante Verbesserung der Überlebenszeit durch Riluzol. Auch eine vierte Studie an 195 japanischen ALS-PatientInnen (Riluzol 100 mg/d vs. Placebo) mit heterogenen klinischen Endpunkten war negativ13. Ein diese Studien zusammenfassendes Cochrane Review fand für Riluzol eine 9%ige Erhöhung der Wahrscheinlichkeit, das erste Jahr der Erkrankung zu überleben. Insgesamt scheint der moderate therapeutische Effekt dieses Medikamentes vor allem dann zu greifen, wenn die Erkrankungsdauer u des/der PatientIn relativ kurz ist. 19 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT Andere Substanzen zur Therapie glutamatvermittelter Exzitotoxizität Talampanel: Auch die primär als Antikonvulsivum entwickelte Substanz Talampanel, ein nichtkompetitiver Modulator an AMPAGlutamatrezeptoren, zeigte im SOD1-Modell eine Verlängerung der Überlebenszeit. In einer 9-monatigen Phase-II-Studie an 59 ALSPatientInnen zeigte sich eine tendenziell verzögerte Erkrankungsprogression (gemessen am ALSFRS), die allerdings keine statistische Signifikanz erreichte. Memantine: Der zur Behandlung der Demenz vom Alzheimer-Typ zugelassene nichtkompetitive NMDA-Glutamatrezeptor-Antagonist Memantine zeigte im SOD1-Modell eine Verlängerung des Überlebens. Aktuell läuft in Portugal eine kombinierte Phase-II/IIIStudie und in Kanada eine Phase-II-Studie, die Ergebnisse stehen noch aus. Ceftriaxon, ein Cephalosporin der 3. Generation, erhöht die Aktivität des astrozytären Glutamattransporters EAAT2 und steigert so den Abtransport von Glutamat aus dem synaptischen Spalt. Derzeit läuft eine Phase-IIIStudie in den USA, auch hier stehen die Ergebnisse noch aus. Therapie von Mikrogliaaktivierung, Inflammation und Apoptose Die neuronale Schädigung bei ALS ist begleitet von einer Mikrogliaaktivierung mit Freisetzung proinflammatorischer Zytokine wie IL-1 oder TNF-␣. ONO-2506, ein enantiomeres Homolog von Valproat, kann ungerichtetes Astrozytenwachstum unterbinden und hat zusätzlich antiglutamaterge und COX-2-inhibitorische Eigenschaften. Eine Phase-III-Studie zeigte lediglich in einer Subgruppe mit frühem Behandlungsbeginn (innerhalb von 14 Monaten nach Beginn der Erkrankung) Hinweise für einen therapeutischen Effekt. 20 NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH Minozyklin, ein Tetrazyklin, hemmt Mikrogliaaktivierung und Caspaseaktivität und zeigte zunächst im Mausmodell eine Verlängerung der Überlebenszeit. Nachdem zwei kleine Phase-II-Studien Sicherheit und Verträglichkeit bei ALS-PatientInnen belegt hatten, wurde in den USA eine Phase-III-Studie mit 412 ALS-PatientInnen durchgeführt. Diese konnte dann allerdings keinen signifikant positiven Effekt der Substanz nachweisen8. Thalidomid, ursprünglich als Schlaf- und Beruhigungsmittel unter dem Handelsnamen Contergan® entwickelt, wurde 1961 RESÜMEE Nachdem der Effekt von Riluzol in voneinander unabhängigen Studien belegt werden konnte, scheint es nicht mehr unmöglich, den Verlauf der ALS zu modifizieren. Die zahlreichen und wiederholten Enttäuschungen klinischer Studien haben gezeigt, welche Fallstricke in der translationalen Medizin existieren. Wichtige Ansatzpunkte in diesem Bereich beinhalten die Suche nach Biomarkern zum Monitoring therapeutischer Effekte sowie die Entwicklung neuer Modelle der Erkrankung (z.B. unter Einbeziehung der mit dem TransactiveResponse-DNA-binding-Protein (TDP-43) assoziierten Pathologie. TDP-43 ist ein wichtiger Bestandteil Ubiquitin-positiver Einschlüsse bei sporadischer und NichtSOD-ALS). Nicht vergessen werden darf, dass unabhängig von der in die Pathogenese eingreifenden Therapie deutliche Fortschritte in der symptomatischen Behandlung der ALS existieren. Die Summe dieser Maßnahmen hat zu einer fassbaren Verbesserung im Hinblick auf Lebensqualität und Überleben der PatientInnen geführt. KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS wegen seiner teratogenen Wirkung vom Markt genommen. Aufgrund eines hemmenden Effektes auf TNF-␣ und weitere proinflammatorische Zytokine wurde die Substanz im SOD1-Modell eingesetzt, wo sich eine verlängerte Überlebenszeit zeigte. Eine 9-monatige Phase-II-Studie in den USA an 23 PatientInnen zeigte keinen günstigen Effekt auf die ALSFR12. Demgegenüber standen Nebenwirkungen wie Sinusbradykardie, die auch zum Abbruch einer Pilotstudie an der Charité in Berlin führten. Glatirameracetat, ein unter dem Handelsnamen Copaxone® etablierter Bestandteil der Basistherapie der multiplen Sklerose (MS), bewirkt einen Shift im Zytokinprofil hin zu antiinflammatorischen Th2-Zytokinen. In einer Phase-II-Studie an 366 ALS-PatientInnen zeigte sich die Substanz als ähnlich gut verträglich wie bei MS-PatientInnen bereits bekannt, allerdings fand sich kein nennenswerter therapeutischer Effekt10. Neurotrophe Faktoren CNTF (Ciliary neurotrophic factor) wurde nach viel versprechenden Ergebnissen im SOD1Mausmodell in zwei großen Phase-II-Studien bei ALS eingesetzt. In beiden Studien zeigte sich keine Verbesserung in klinischen Skalen wie der ALSFRS, außerdem eine schlechte Verträglichkeit bei höheren Dosen. BDNF: Für einen weiteren neurotrophen Faktor, BDNF (Brain-derived neurotrophic factor), wurde nach ermutigenden Phase-I- und -IIStudien eine Phase-III-Studie an 1135 PatientInnen (25 oder 100 µg BDNF/kg KG/d s.c. vs. Placebo) durchgeführt, die dann allerdings keinen signifikanten Effekt auf das Überleben (nach 9 Monaten) zeigte1. IGF-1: Im SOD1-Modell konnte durch Gentransfer von IGF-1 (Insulin-like Growth Factor-1) über einen viralen Vektor eine deutliche Verlängerung der Überlebenszeit erreicht werden. Während eine Phase-III-Studie (n = 266) in den USA zunächst eine Verlangsamung der Erkrankungsprogression zeigte7, konnte dies von einer europäischen Studie (n = 183)4 und einer weiteren amerikanischen Studie (n = 330)11 nicht bestätigt werden. Xaliproden: Für den als orale Therapie verfügbaren neurotrophen Faktor Xaliproden zeigte sich in zwei Phase-III-Studien (n = 867 und n = 1210) bei insgesamt guter Verträglichkeit keine Verbesserung der Überlebenszeit, aber ein Trend zu einer Verbesserung funktioneller Parameter wie der Vitalkapazität9. Therapie von oxidativem Stress Oxidativer Stress wird als möglicher Schlüsselmechanismus in der Pathogenese zahlreicher neurodegenerativer Erkrankungen diskutiert. Hierunter versteht man ein Ungleichgewicht zwischen der Produktion reaktiver Sauerstoffradikaler und der Fähigkeit des Organismus, diese zu entsorgen. Verschiedene Antioxidantien wie Vitamin E in hoher Dosis (5000 mg/d vs. Placebo, n = 160)5 oder Coenzym Q10 (n = 185) zeigten keine signifikante Verbesserung im Hinblick auf Überleben oder klinische ■ Skalen bei ALS. Ausgewählte Literatur (Der Beitrag mit ausführlichen Literaturangaben ist bei den Autoren erhältlich.) 1 The BDNF Study Group: A controlled trial of recombinant methionyl human BDNF in ALS: (Phase III). Neurology 1999; 52:1427–1433 Bensimon G et al., A study of riluzole in the treatment of advanced stage or elderly patients with amyotrophic lateral sclerosis. J Neurol 2002; 249:609–615 3 Bensimon G, Lacomblez L, Meininger V, A controlled trial of riluzole in amyotrophic lateral sclerosis. ALS/Riluzole Study Group. N Engl J Med 1994; 330:585–591 4 Borasio GD et al., A placebo-controlled trial of insulin-like growth factor-I in amyotrophic lateral sclerosis. European ALS/IGF-I Study Group. Neurology 1998; 51:583–586 5 Graf M et al., High dose vitamin E therapy in amyotrophic lateral sclerosis as add-on therapy to riluzole: results of a placebo-controlled double-blind study. J Neural Transm 2005; 112:649–660 6 Lacomblez L et al., Dose-ranging study of riluzole in amyotrophic lateral sclerosis. Amyotrophic Lateral Sclerosis/Riluzole Study Group II. Lancet 1996; 347:1425–1431 7 Lai EC et al., Effect of recombinant human insulin-like growth factor-I on progression of ALS. A placebo-controlled study. The North America ALS/IGF-I Study Group. Neurology 1997; 49:1621–1630 8 Leigh PN et al.,Minocycline for patients with ALS. Lancet Neurol 2008; 7:119-120; author reply 120–111 9 Meininger V et al., Efficacy and safety of xaliproden in amyotrophic lateral sclerosis: results of two phase III trials. Amyotroph Lateral Scler Other Motor Neuron Disord 2004; 5:107–117 10 Meininger V et al., Glatiramer acetate has no impact on disease progression in ALS at 40 mg/day: A double- blind, randomized, multicentre, placebo-controlled trial. Amyotroph Lateral Scler 2009; 1–7 11 Sorenson EJ et al., Subcutaneous IGF-1 is not beneficial in 2-year ALS trial. Neurology 2008; 71:1770–1775 12 Stommel EW et al., Efficacy of thalidomide for the treatment of amyotrophic lateral sclerosis: A phase II open label clinical trial. Amyotroph Lateral Scler 2009; 1–12 13 Yanagisawa N et al., Efficacy and safety of riluzole in patients with amyotrophic lateral sclerosis: double-blind placebo-controlled study in Japan. Igakuno Ayumi 1997; 182:851–8566 2 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Atmung – Diagnostik und Therapie Respiratorisches Versagen ist bei ALS-PatientInnen die Todesursache Nummer eins. Es ist daher wichtig, eine Atemmuskelschwäche frühzeitig zu erkennen, um mit entsprechenden Therapiemodalitäten die damit verbundene Atemnot zu lindern, die Lebensqualität zu verbessern und eventuell auch die Lebenszeit ein wenig zu verlängern. Im ersten Teil dieses Beitrags soll auf die Physiologie der Atmung und ihre pathophysiologischen Veränderungen im Rahmen der ALS eingegangen werden. Im zweiten Teil geht es um die diagnostischen Möglichkeiten und im letzten Teil um mögliche therapeutische Maßnahmen. Physiologie der Atmung Die Atmung dient dem Austausch von CO2 (Kohlendioxid) und O2 (Sauerstoff). Um diesen Austausch optimal zu gewährleisten, sind eine normale Funktion der nasopharyngealen Muskulatur zum Schutz der Atemwege vor Fremdkörpern, das Freihalten der Atemwege von Sekret, offene Alveolen sowie eine uneingeschränkt funktionierende Atemmuskulatur erforderlich. Die Atmung gliedert sich in 2 Phasen: die Inspiration, die aktiv über eine Verkürzung der Zwerchfell- und Interkostalmuskulatur verläuft, und die Exspiration, die rein passiv über die Relaxierung der inspiratorischen Muskulatur erfolgt. Eine entscheidende Bedeutung kommt der Atemmuskulatur auch beim Hustenreflex zu, bei dem auf eine rasche Inspiration die Exspiration bei anfangs geschlossener Glottis folgt. Gegen Ende der Exspiration öffnet sich die Glottis, und Sekret kann bei Zuhilfenahme der Exspirationsmuskulatur abgehustet werden. Die Ursache für eine respiratorische Insuffizienz bei neuromuskulären Erkrankungen liegt in erster Linie in der Ermüdung des Zwerchfells. Im zervikalen Myelon konnte bei einigen ALS-PatientInnen, aber nicht bei allen, mit akutem Atemversagen zugrunde gegangene Vorderhornzellen nachgewiesen werden, korrespondierend mit den Neuronen des N. phrenicus1–3. Elektrophysiologische Untersuchungen zeigten bei PatientInnen mit respiratorischem Versagen ausgedehnte Denervation in der Extremitätenmuskulatur und reduzierte Aktionspotenziale über dem Diaphragma bei Stimulation der Nn. phrenici4. Wir konnten jedoch auch bei ALS-PatientIn- 22 nen ohne respiratorische Symptome ein neurogenes Muster im Zwerchfell-EMG nachweisen5. Zunehmender Kraftverlust: Viele Faktoren können zur Ermüdung der Zwerchfellmuskulatur führen, der wichtigste ist ein zunehmender Kraftverlust der Muskelfasern. Die Folge ist eine fehlende Anpassung des Atemminutenvolumens bei Belastung (z.B. Anziehen, Körperpflege etc.). Der/die betroffene PatientIn klagt mit zunehmender Atemarbeit über Kurzatmigkeit sowie thorakales Druckund eventuell Engegefühl. Die Atemarbeit erhöht sich nicht nur bei Belastung, sondern auch im Liegen, bei Mangelernährung aufgrund fehlender Energie für die Muskelarbeit sowie bei Fieber und Infekten. Im Liegen erhöht sich die Atemarbeit für das Zwerchfell, da Kraft zur Verlagerung des abdominellen Inhaltes nach kaudal, zum Aufbau eines negativen intrathorakalen Druckes erforderlich ist. Alveoläre Hypoventilation und steigende Hyperkapnie (Anstieg des pCO2 über 45 mmHg) bedingen eine weitere Abnahme des Atemminutenvolumens und der Zwerchfellkontraktiliät mit weiterer Zunahme der Zwerchfellermüdung. Die Ermüdung der Exspirationsmuskulatur zeigt sich meist zuerst in zunehmend insuffizienten Hustenstößen. Eine Beteiligung der Bulbärmuskulatur belastet die ohnehin schwache Exspirationsmuskulatur zusätzlich durch Schluck- und Schleimprobleme. Das Risiko für Aspiration, Atelektasenbildung, Pneumonien und daraus resultierendes Atemversagen steigt. Im Schlaf – und hier im Besonderen in den REM-Phasen – liegt die Hauptlast der Atem- Dr. Monika Wild Niedergelassene Fachärztin für Lungenkrankheiten, 1110 Wien arbeit auf dem Zwerchfell. Schlafuntersuchungen können schon in frühen Stadien der ALS, wenn untertags noch keine Symptome fassbar sind, auf eine beginnende respiratorische Schwäche hinweisen. Nächtliche Desaturationen < 88 % für die Dauer von mindestens 5 Minuten werden als einfacher und früher Parameter für eine inzipiente Zwerchfellschwäche angesehen und können auch bei PatientInnen mit einer VC > 50 % des Solls auftreten6. Bei einigen PatientInnen konnten Adaptationsmechanismen nachgewiesen werden, wie Reduzierung der REM-Phasen oder Erhalt der Aktivität in den Mm. sternocleidomastoideii7. Diagnose Anamnese Das wichtigste Symptom für eine beginnende Schwäche der Atemmuskulatur ist Kurzatmigkeit bei Belastung, nicht Tachypnoe. Da ALS-PatientInnen oft schon in frühen Stadien der Erkrankung in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, kann dieses entscheidende Symptom fehlen. Mit zunehmender Schwäche der Atemmuskulatur kommt es dann schon bei geringen Belastungen wie Anziehen, tägliche Körperpflege etc. zu Luftnot. Zu den frühen Zeichen für eine beginnende Ermüdung des Zwerchfells gehören Atemprobleme in Rücken- oder Bauchlage während der Nacht. Weitere Symptome für eine zunehmende nächtliche Hypoventilation und Hypoxie (Abfall des pO2) sind Insomnie, oftmaliges Erwachen während der Nacht, morgendliche Kopfschmerzen, heftige Träume, Tagesmüdigkeit und Konzentrationsstörungen, wobei morgendliche Kopfschmerzen, Tagesmüdigkeit und Albträume vor allem durch die Hyperkapnie (pCO2 > 45 mmHg) und nicht durch die Hypoxämie (pO2 < 70 mmHg) verursacht werden. Zusätzliche Risikofaktoren, die eine bestehende Hyperkapnie verschlechtern können, sind respiratorische Infekte, Pneumonien etc., die eine vermehrte Schleimbildung zur Folge haben und die Ventilation dadurch zusätzlich belasten. Mit weiterer Schwächung der Atmung kommt es zur CO2-Narkose. In seltenen Fällen von ALS kann die akute Ateminsuffizienz auch das erste Symptom der Erkrankung sein. Fehlende pulmonale oder kardiale Grunderkrankungen sowie „Weaning Failure“ bei maschineller Beatmung müssen an eine neuromuskuläre Grunderkrankung denken lassen. Physikalische Untersuchung Die physikalische Untersuchung des ALS-PatientInnen sollte immer sowohl im Sitzen wie auch im Liegen durchgeführt werden. Im Liegen beobachtet man die Atemfrequenz sowie Zeichen für eine paradoxe Atmung. Durch Perkussion ermittelt man die Zwerchfellverschieblichkeit, die im Verlauf der Erkrankung abnimmt. Die Auskultation ist durch sehr flache Atmung gekennzeichnet, fortgeleitete bulbäre Geräusche werden oft als bronchitische Atemgeräusche fehlinterpretiert. Durch die sehr flache Atmung sind bronchitische Geräusche eher leicht zu überhören. Tests zur Überprüfung der Lungen- und Atemmuskelfunktion Bei Diagnosestellung der ALS sollte eine Ausgangsmessung der Lungenfunktion erfolgen, auch um mögliche pulmonale Grunderkrankungen (COPD, Asthma bronchiale) auszuschließen. Eine gute Erhebung der Lungenfunktion ist nicht einfach und erfordert viel Wissen und Geschick von Seiten des Personals. Regelmäßige Kontrollen sind anfangs alle 3–4 Monate, mit zunehmender respiratorischer Insuffizienz alle 3–4 Wochen zu empfehlen. Die Untersuchung sollte zumindest eine Spirometrie mit Messung der Vitalkapazität (FVC), eine Fluss-Volumen-Kurve und die maximal ventilatorische Leistungsbreite (MVV) umfassen. Die Erhebung der Atemmuskelkraft mit maximal inspiratorischen und exspiratorischen Drucken ist diagnostisch interessant, aber nur in Speziallabors möglich. Die Messung der Lungenfunktion bei ALSPatientInnen ist auch deshalb wichtig, weil die Symptome für eine beginnende respiratorische Insuffizienz leicht übersehen werden können. Fallat et al.8 zeigten in einer Studie, dass 64 % der PatientInnen mit einer FVC < 50 % von den behandelnden NeurologInnen noch normale Atemscores erhielten. Obwohl die Messung der Lungen- und Atemmuskelfunktion von entscheidender Bedeutung für die weitere Betreuung der PatientInnen ist, gibt es bisher noch keinen Konsens über die Wichtigkeit der einzelnen Parameter. Forcierte Vitalkapazität (FVC): Die FVC ist ein sensitiver Parameter im Verlauf der Erkrankung, die exakte Erhebung des Wertes aber nicht leicht. Die Mehrzahl der PatientInnen ist mit zunehmender Erkrankung nicht imstande, die standardisierte Ausatemzeit von mehr als 6 Sekunden zu erreichen und damit das wichtigste Kriterium der American Thoracic Society für das Testende zu erfüllen. Die Folge ist eine mögliche Unterbewertung der Ergebnisse. Die Verwendung einer Gesichtsmaske kann zu einer Verbesserung der Messergebnisse führen. Bei einem Abfall der FVC im Sitzen < 50 % des Solls sollte an eine nichtinvasive Beatmung gedacht werden. Maximale willkürliche Ventilation (MVV): Die MVV gibt Hinweise auf die Kraft und Ausdauer der Atemmuskulatur und ist bei ALS-PatientInnen signifikant eingeschränkt. Im fortgeschrittenem Stadium der Erkrankung ist dieser Wert oft schwer bis gar nicht u zu erheben. Abb.: Nächtliche Speicherpulsoxymetrie bei einem ALS-Patienten A. ohne BiPAP-Beatmung B. mit BiPAP Die oberste Spur stellt jeweils die SpO2-Verlauf dar, die zweite Spur die Entsättigungen und die dritte Spur die Pulsrate. 23 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT Maximal inspiratorischer und exspiratorischer Druck (PImax, PEmax): Diese beiden Werte sind im Bezug auf eine Atemmuskelschwäche sensitiver als die FVC, MVV oder die Blutgasanalyse. Ein Abfall im PImax < 60 cmH20 hat eine Sensitivität von 86 % für einen Abfall der nächtlichen Sauerstoffsättigung (O2Satt) auf < 80 % und eine Sensitivität von 100 % für eine voraussagbare Überlebenszeit von unter 18 Monaten. Ein PImax unter 60 cm H2O ist somit eine Indikation für den Beginn einer nichtinvasiven Beatmung. Blutgasanalyse: Ein PCO2 ⱖ 45 mmHg bei einem/einer wachen PatientIn ist eine Indikation für eine nichtinvasive Beatmung. Für den Nachweis einer Atemmuskelschwäche ist der Wert aber insensitiv. Nächtliche Pulsoxymetrie: Desaturationen ⱕ 88 % für ⱖ 5 aufeinander folgende Minuten in der nächtlichen Pulsoxymetrie sind signifikant für eine Zwerchfellschwäche und eine Indikation für eine nichtinvasive Beatmung (Abb.). Therapie Bei ALS-PatientInnen sollte es nicht nur um die Therapie akut aufgetretener Erkrankungen der Atmung und des Respirationstraktes gehen, sondern von Beginn an um die Vorbeugung von Komplikationen und das rechtzeitige Einsetzen von Therapiemaßnahmen. Ab der Diagnosestellung steht die Vermeidung von Infektionen im Respirationstrakt im Vordergrund, einerseits durch Impfungen (Influvac®), andererseits durch Minimierung der Ansteckungsmöglichkeiten. Bei starkem, produktivem Husten sollte möglichst früh eine antibiotische Therapie begonnen werden. Die Betreuer von ALS-PatientInnen sollten in Lagerungsdrainage wie auch Klopfmassage geschult sein, um im Fall von Sekretproblemen helfen zu können. Bei fortschreitender Bulbärsymptomatik muss der/die PatientIn über die richtige Esstechnik (in aufrecht sitzender Position mit dem Kinn leicht zur Brust, nur kleine Bissen und ausreichend Zeit) zur Vermeidung von Aspirationen unterrichtet werden. Sekretmobilisierung ist ein wichtiges Thema im pulmonalen Management von ALS-Patien- 24 NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH tInnen. Ziel der Behandlung ist die Verflüssigung und Mobilisierung des Sekrets einerseits sowie die Reduzierung der Sekretbildung andererseits. Medikamente zur Reduzierung der Sekretion sind Anticholinergika, Amitryptilin und transdermales Scopolamin. Die hemmende Wirkung von Botulinumtoxin auf die Funktion der Speicheldrüsen erfordert noch weitere Studien. Bei eingedicktem Sekret können Feuchtinhalationen mit Anticholinergika, Blockern, Aycetylcysteinen oder Natriumchlorid hilfreich sein. Ein effizienter Hustenstoß zur Reinigung der Atemwege muss eine Flussgeschwindigkeit von mindestens 160 l/min erreichen. Sinkt die Flussgeschwindigkeit unter 160 l/min, sind therapeutische Maßnahmen erforderlich. Eine Möglichkeit, die Sekretmobilisierung zu verbessern, ist „Air Stacking“. Bei geschlossener Glottis werden mehrere Atemzüge hintereinander eingeatmet, um so das Lungenvolumen für den anschließenden Hustenstoß zu erhöhen9. Eine größere Husteneffizienz kann auch durch einen gleichzeitigen Druck auf das Abdomen während eines Hustenstoßes erzielt werden. Mit dem maschinellen In-und-Ex-Sufflator, auch Hustenassistent genannt, wird über eine Maske durch einen positiven Druck in der Inspiration das Lungenvolumen erhöht und beim darauf folgenden Hustenstoß durch einen negativen Druck die Atemwegsclearance verbessert10, 11. Eine Sauerstofftherapie darf nur unter äußerst strengen Indikationskriterien und unter regelmäßigen Kontrollen des pCO2, zur rechtzeitigen Erkennung einer Hyperkapnie, angewendet werden. Eine nichtinvasive Beatmung über eine Nasen- oder Nasen-Mund-Maske während der Nacht ist bei der Erfüllung o.g. Kriterien indiziert. Die positive Druckbeatmung mit zwei unterschiedlichen Druckniveaus (BiPAPBeatmung) kommt den physiologischen Gegebenheiten am nächsten. Das Gerät wird vom/von der PatientIn getriggert, die Atemarbeit vermindert, der Gasaustausch und die Schlafqualität verbessert. Damit wird die Atmung effizient unterstützt, die Überlebenszeit gering verlängert und die Lebensqualität des/der ALS-PatientIn signifikant verbessert. Aber nicht alle ALS-PatientInnen tolerieren die Maske, wobei PatientInnen mit bulbärer Symptomatik die Maske weniger oft akzep- KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS tieren als jene mit milder bzw. keiner bulbären Symptomatik. Die Masken-BiPAP-Beatmung bei ALS-PatientInnen ist auf jeden Fall als palliative Maßnahme zu sehen und soll zur Verbesserung der Lebensqualität beitragen. Mit weiterer Progredienz der Erkrankung reicht die nichtinvasive Beatmung nicht mehr aus, eine Tracheotomie wird erforderlich. Die Entscheidung zur Tracheotomie ist schwierig und nur individuell zu treffen. Der/die PatientIn und seine/ihre Familie sollten rechtzeitig über die Bedeutung einer invasiven Beatmung zu Hause aufgeklärt werden sowie über die Progredienz der Erkrankung und das mögliche Erreichen eines „Locked-in“-Stadiums auch unter Beatmung informiert werden. Sind der/die PatientIn und die Angehörigen über den genauen Sachverhalt unterrichtet und wird eine invasive Beatmung abgelehnt, sollte eine schriftliche Patientenverfügung erstellt werden. Laut internationalen Studien entschließen sich zwischen 2–5 % aller ALS-PatientInnen zu einer invasiven Beatmung. Sollte sich der/die PatientIn gegen eine invasive Beatmung entscheiden, ist eine weitere palliative Betreuung zur Symptomminimierung unbedingt erforderlich. Bei zunehmender Dyspnoe sind Morphin in niedriger Dosierung sowie Anxiolytika bei Angstzustän■ den zu empfehlen. 1 Chen R et al., Motor neuron disease presenting as acute respiratory failure: a clinical and pathological study. J Neurol Neurosurg Psychiatr 1996; 60(4):45–458 2 De Carvalho M et al., Motor neuron disease presenting with respiratory failure. J Neurol Sci 1996; 139(suppl):117–122 3 Fromm GB et al., Amyotrophic lateral sclerosis presenting with respiratory failure. Diaphragmatic paralysis and dependence on mechanical ventilation in two patients. Chest 1977; 71(5):612–614 4 Chen R et al., Motor neuron disease presenting as acute respiratory failure: electrophysiological studies. Muscle Nerve 1997; 20(4):517–519 5 Lahrmann H, Albrecht G, Hitzenberger P, Wild M, Zifko U, Grisold W, Value of electrophysiologic studies of the diaphragm in ALS. J Neurol 2000; 247:25 6 Elman LB et al., Nocturnal oximetry: utility in the respiratory management of amyotrophic lateral sclerosis. Am J Phys Med Rehabil 2003; 82(11):866–870 7 Arnulf I et al., Sleep disorders and diaphragmatic function in patients with amytrophic lateral sclerosis. Am J Respir Crit Care Med 2003; 161(3 pt 1):849–856 8 Fallat RJ et al., Spirometrie in amyotrophic lateral sclerosis. Arch Neurol 1979; 36(2):74–80 9 Bach JR et al., Glossopharyngeal breathing and noninvasive aids in the management of post-polio respiratory insufficiency. Birth Defects Orig Artic Ser 1987; 23(4):99–113 10 Lahrmann H, Wild M, Zdrahal F, Grisold W. Expiratory muscle weakness and assisted cough in ALS. Amyotroph Lateral Scler Other Motor Neuron Disord 2003; 4(1):49–51 11 Winck JC et al., Effects of mechanical insufflationexsufflation on respiratory parameters for patients with chronic airway secretion encumbrance. Chest 2004; 126(3):774–780 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Palliative Betreuung von Anfang an Die amyotrophe Lateralsklerose (ALS) ist eine unbehandelbare, progredient verlaufende neuromuskuläre Erkrankung und führt in jedem Fall zum Tod: in mehr als 75 % der Fälle durch Atemmuskellähmung (die mediane Überlebenszeit ab Symptombeginn beträgt ca. 30 Monate). Es gibt trotz intensiver, internationaler Forschungsanstrengungen derzeit keinen Anhaltspunkt für die Ursache, und es existiert kein kausaler Therapieansatz. Damit stellt ALS praktisch ein Paradigma der Palliativmedizin dar (WHO-Definition). D Die Tatsache, dass unsere hoch technisierte und weit entwickelte Medizin keine Therapiemöglichkeit anbieten kann, stellt in der Arzt-Patient-Beziehung für beide Seiten eine große Hürde dar. Nicht „heilen“ zu können und trotzdem für die PatientInnen da zu sein scheint für viele KollegInnen schwer möglich und führt leider nicht so selten zu NegativAussagen wie: „Ich kann leider nichts mehr für Sie tun.“ Auf der anderen Seite stehen der/die PatientIn und seine/ihre Angehörigen, die nicht glauben können, dass die „allmächtige“ Medizin gerade bei ihnen versagt. Gerade deshalb ist ein sensibel geführtes und auf die Situation des/der PatientIn und seiner/ihrer Angehörigen abgestimmtes Aufklärungsgespräch – bzw. meist mehrere Gespräche – so wichtig (siehe Seite 28 Das Aufklärungsgespräch bei ALS). Unterstützung ohne leere Versprechungen: Es muss bei Diagnosestellung nicht der Vollständigkeit halber gleich vom Finalstadium der Erkrankung mit Atemversagen, von Patientenverfügung und eventueller PEGSonde gesprochen werden, nur um eine „sorgfältig“ durchgeführte Aufklärung dokumentieren zu können. Trotz der negativen Gesamtsituation benötigt der/die PatientIn auch für die verbleibende Zeit Vertrauen in die medizinische Betreuung, denn die „Hoffnung stirbt zuletzt“. Gerade die Unterstützung des Lebensmutes der PatientInnen ohne falsche Hoffnungen und leere Versprechungen zu machen ist eine Voraussetzung, aber auch eine wichtige erworbene Fähigkeit bei der Begleitung von ALS-PatientInnen. 26 Ein auf die aktuellen Probleme und Sorgen des/der PatientIn eingehendes, schrittweises Vorgehen hat sich dabei sehr bewährt. Oft müssen zuerst Un- bzw. Halbwahrheiten oder für die Erkrankung nicht zutreffende Empfehlungen, die aus Sekundärquellen – derzeit vorwiegend aus dem Internet – stammen, eingehend besprochen werden, bevor Platz für das uns gerade wesentlich Erscheinende ist. Auch das ehrliche Gespräch über Sinn und Unsinn von Heilmethoden, die nicht leitlinienkonform sind, gehört zur Begleitung der PatientInnen. Eine klare Absage an Angebote der Stammzellentherapie ist zum gegenwärtigen Stand der Forschung auf jeden Fall angebracht, um PatientInnen vor gesundheitlichen Risiken und finanziellen Verlusten zu schützen. Bestmögliche Lebensqualität: PatientInnen mit dieser oft rasch progredienten Erkrankung benötigen jedenfalls eine kontinuierliche und möglichst persönliche medizinische Betreuung. Diese geht über das Behandeln rein neurologischer Begleitsymptome, wie etwa Spastik, Schmerzen, Schlafstörungen und einer reaktiven Depression, hinaus und erfordert von Beginn an einen palliativen Zugang. Aufgrund der derzeit nicht erzielbaren Heilung steht die Erhaltung einer bestmöglichen Lebensqualität im Vordergrund allen ärztlichen Handelns. Dazu gehört auch das sorgfältige Abwägen zwischen Nutzen für den/die PatientIn und Aufwand und Risiko bei jeder angeordneten Untersuchung und Therapie. DI Dr. Heinz Lahrmann, Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grisold Kaiser-Franz-Josef-Spital Wien Vorausplanen bei Hilfsmitteln: Oft ist es schwer, mit dem Fortschreiten der Erkrankung bei Planung und Heranschaffen von Hilfsmitteln Schritt zu halten. Ein vorsichtiges Vorausplanen ist sinnvoll, auch wenn PatientInnen und Angehörige Entscheidungen gerne bis zuletzt aufschieben (Rollstuhl, Pflege zu Hause, PEG-Sonde, BiPAP-Beatmung). Unser Gesundheitssystem ist zwar im internationalen Vergleich sehr gut ausgerüstet, allerdings kann die Bürokratie nicht immer mit dem raschen Krankheitsverlauf mithalten, was zur Überforderung von PatientInnen und Angehörigen führt. Das lässt sich bei der Verordnung von Hilfsmitteln gut nachvollziehen. Die Zusammenarbeit mit SpezialistInnen aus den unterschiedlichsten Gebieten der Reha-Technik (z.B. elektronische Kommunikationssysteme, Beatmungs- und Absaugegeräte, Rollstühle und Transferhilfen) hilft PatientInnen und Angehörigen, schneller und effizienter an die notwendigen Produkte zu kommen. Solche Kooperationen sollten in Zentren, die sich mit ALS-PatientInnen beschäftigen, vorhanden sein. Palliativteam: Die Integration einer eines Sozialarbeiters /einer Sozialarbeiterin in das Palliativteam zur Beratung und Unterstützung bei den oft schwierigen Fragen betreffend Anträge auf Beihilfen, Pflegegeld und Behindertenwohnungen, um nur ein paar Beispiele Kommunikationshilfsmittel mit Computer. Interface: Kopfmaus zu nennen, kann eine große Hilfe darstellen. PatientInnen und Angehörige sind, besonders in fortgeschrittenen Stadien der Erkrankung, mit dem Alltag aus Pflege, Mobilisation, Essen etc. oft schon über das erträgliche Maß hinaus körperlich und psychisch belastet, sodass die Hilfe von Seiten der Sozialarbeit beim Weg durch den Behördendschungel oft dankbar angenommen wird. Einen Platz im Betreuungskonzept haben die Physio- und Ergotherapie und gegebenenfalls die Logopädie. Aber auch hier ist die realistische Einschätzung der Möglichkeiten wichtig, um Enttäuschungen und Therapieabbrüchen vorzubeugen. Gut ist es, eine/n mit ALS erfahrene/n Therapeuten/-in im Team zu haben, da Besonderheiten zu beachten sind, die sich aus der Pathophysiologie der Erkrankung ergeben (unter anderem Spastik, erhaltene Sensibilität und der negative Effekt von Reizstrom). Betreuung zu Hause: Für den überwiegenden Teil der PatientInnen ist es ein Bedürfnis, bis zuletzt zu Hause bleiben zu können und Krankenhausaufenthalte möglichst zu vermeiden. Die Betreuung eines zunehmend behinderten Menschen stellt enorme körperliche und psychische Anforderungen an alle beteiligten Personen dar, sodass bei einem palliativen Konzept die Unterstützung der Familie bzw. des Partners einen besonders hohen Stellenwert haben muss (siehe Seite 34 Angehörigenbetreuung). Bei der Heimbetreuung von ALS-PatientInnen hat sich die Zusammenarbeit mit einem mobilen Hospizteam bewährt (z.B. Mobiles Hospiz der Caritas Wien, www.caritas-wien.at/ hilfe-einrichtungen/hospiz/mobiles-hospiz). Untersuchungen haben gezeigt, dass dadurch sogar eine Verlängerung der Überlebenszeit erreicht werden kann (Traynor et al., 2003). Besteht der Wunsch nach seelsorgerischer Begleitung bzw. existiert ein religiöser Hintergrund des/der Patienten/-in, so kann das Hinzuziehen eines/einer in palliativer Betreuung erfahrenen SeelsorgerIn eine große Hilfe sein. Es konnte gezeigt werden, dass ALS-PatientInnen mit religiöser Bindung eine bessere Lebensqualität haben. Ein bei guter extramuraler Betreuung geringer Teil der PatientInnen möchte in der Phase der gesundheitlichen Verschlechterung im Krankenhaus oder stationären Hospiz (bzw. Palliativstation) behandelt werden. Möglicherweise vermittelt die Institution per se, die sofortige Verfügbarkeit von ÄrztInnen und Pflegepersonal und medizinischen Techniken, einen subjektiven Eindruck der Sicherheit, der individuell abzuwägen und zu respektieren ist. Trauerreaktionen der Hinterbliebenen: Nach dem Tod der PatientInnen reißt für die betreuenden Angehörigen die sehr intensive Zuwendung, die fast ununterbrochene Anforderung und Aufmerksamkeit, abrupt ab. Das für den/die PatientIn aufgebaute Gebäude aus Empathie, Zuneigung, Pflichtgefühl und Handlungsbedarf wird plötzlich abgeschaltet und lässt Angehörige in einem Zustand aus Trauer, Müdigkeit und Leere, Erleichterung und Schuldgefühlen zurück. Die Trauerrektionen der Hinterbliebenen werden von Palliativeinrichtungen im Rahmen der Trauerarbeit sehr wohl wahrgenommen, gehen aber in unserem Alltag lei■ der oft unter. Literatur bei den Verfassern 27 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Das Aufklärungsgespräch bei ALS KONTEXT: Das ärztliche Aufklärungsgespräch bei schweren Erkrankungen ist ein kontroversielles Thema. Die Bandbreite ist groß, und ich möchte mit zwei konträren Beispielen beginnen: Fallbericht: Der 70-jährige Patient bemerkt Gewichtsverlust, Muskelzuckungen und reduzierte körperliche Belastbarkeit. Schluckstörungen treten zunehmend auf und verlängern die Dauer der Mahlzeiten stark. Die bisherigen Untersuchungen sollen normal gewesen sein, nunmehr kommt der Patient zum Facharzt, der die Krankheit in der Zusammenschau von Anamnese, klinischem und elektrophysiologischem Befund feststellt. Es folgen zwei unterschiedliche Aufklärungsgespräche: Aufklärungsgespräch 1: Sie leiden an ALS, einer unheilbaren und im Durchschnitt in ein bis zwei Jahren zum Tode führenden Erkrankung. Therapeutisch gibt es medikamentös keine Möglichkeiten, mit Hilfsmaßnahmen kann man Ihr Leiden lindern. Aufklärungsgespräch 2: Ich stelle fest, dass Sie eine Erkrankung des neuromuskulären Systems haben. Eine „Motor Neurone Disease“, oder Vorderhornzellerkrankung, ist wahrscheinlich. Es gibt aber zahlreiche andere Ursachen, die zu ähnlichen Symptomen führen können, und ich werde jetzt eine Reihe von Untersuchungen anordnen, die möglicherweise eine andere Ursache finden. Ich werde Sie in Abständen wiederbestellen, untersuchen, und wir werden die weitere Entwicklung beobachten. Wo finden Sie sich, bei der Aufklärung im Beispiel 1 oder Beispiel 2, oder irgendwo dazwischen? Noch wichtiger: Welche der beiden Versionen entspricht Ihrem eigenen Umgang in und mit Aufklärungsgesprächen am ehesten? D Die Diagnose einer ALS ist durch die klinischen Befunde und den Verlauf möglich. Während die Diagnose im fortgeschrittenen Stadium leicht zu stellen ist, basiert sie in den Anfangsstadien oft auf Intuition und klinischer Erfahrung. Definitive Labortests, abgesehen für die seltenen genetischen Formen, gibt es nicht, und auch die Elektroneurodiagnostik ist in frühen Stadien nicht immer hilfreich. Selbst wenn die Diagnose schon sehr wahrscheinlich ist, wird oft mit der konkreten Benennung des Krankheitsbildes gezaudert. Umschreibungen wie beispielsweise „Motoneuronerkrankung“, „Vorderhornzellerkrankung“, lassen einerseits den BehandlerInnen einen Spielraum, andererseits dürfte die (uneingestandene) Hoffnung bestehen, dass der/die PatientIn die Tragweite der Krankheit nicht in der Gesamtheit erfasst. Diese, oft durch eigene Unsicherheit geprägte Situation ist eine schlechte Grundlage für die Aufklärung des/der PatientIn. 28 Umgang mit PatientInnen Uns gegenüber steht der/die PatientIn, der von uns eine für ihn positive ärztliche Handlung, Linderung der Beschwerden und wenn möglich Heilung erwartet. Diese/r PatientIn kann jung oder alt, medizinisch gebildet oder weniger gebildet, interessiert oder weniger interessiert, ängstlich oder weniger ängstlich sein, fast immer aber besteht eine gewisse Hoffnung auf erfolgreiche Behandlung. PatientInnen sind auch unterschiedliche Persönlichkeiten, für die verschiedene Umgangsformen mit und Vertrauensbeziehungen zu ÄrztInnen bestehen. In der älteren Generation überwiegt oft eine paternalistisch dominierte Beziehung, während bei jüngeren PatientInnen eher eine dienstleistungsorientierte ArztPatient-Beziehung („Consumerism“) vorliegt. Der/die jeweilige PatientIn bewegt sich innerhalb dieser Haltung, und es ist für den Verlauf und die Wirkung des Aufklärungsgespräches Prim. Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Grisold Neurologische Abteilung, Kaiser-Franz-Josef-Spital Wien, LBI für Neuroonkologie entscheidend, diese zu akzeptieren und auf sie einzugehen. Keinesfalls soll dem/der Patienten/-in die eigene Haltung bezüglich der Arzt-Patient-Beziehung aufgezwungen werden. Ein weiterer Aspekt ist die gegenwärtige medizinische Einstellung zu dem/der PatientIn, seinen/ihren Rechten, Möglichkeiten und Bedürfnissen, die natürlich wandelbar ist, sozusagen ein „Kind ihrer jeweiligen Zeit“. In den letzten Dekaden hat sich der Umgang mit PatientInnen in Bezug auf Mitteilung von Diagnose, Therapiemöglichkeiten und Prognose verändert. Noch in den 70er Jahren dominierte der paternalistische Zugang, welcher den „schonenden“ Umgang mit PatientInnen vorzog und manchmal sogar explizit die Diskussion der schwerwiegenden Krankheit vermied oder sogar verbot. Der Grund für die Zurückhaltung war die Angst, dass PatientInnen wegen der schlechten Diagnose verzweifeln könnten. Diese Haltung hat sich deutlich geändert, und PatientInnen haben ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Eigenverantwortung übernommen. Dafür gibt es wahrscheinlich viele Ursachen. Eine davon ist die Möglichkeit, sich rasch und ausführlich zu informieren, was durch Medien und besonders die Nutzung des Internet möglich ist. Die vollständige Aufklärung, Einbeziehung des/der PatientIn in Diagnose und Prognose und partnerschaftlicher Umgang mit der Krankheit sind derzeit die geforderten und gebotenen Vorgangsweisen. Begründet wird dies damit, dass dem/der PatientIn eine „Standortbestimmung“ und eine Abschätzung der Auswirkungen der Krankheit auf sein/ihr weiteres verbleibendes Leben ermöglicht werden sollen. Aufklärung über die Fakten Die medizinisch korrekte, sachlich richtige Aufklärung ist die am besten anwendbare Methode des Aufklärungsgespräches. Der Arzt oder die Ärztin soll möglichst klar und präzise darstellen, welche Krankheit der/die PatientIn hat, wie groß die Wahrscheinlichkeit und Sicherheit sind, dass die Diagnose korrekt ist und auf mögliche Trennungsschärfen eingehen. Auch diese klare und unmissverständliche Aussage kann Tücken im Detail aufweisen. Beispielsweise können die Verwendung von (medizinischen) Fachausdrücken oder medizinischen Inhalten zunächst zwar eine formal korrekte Aufklärung gewährleisten, die aber durch das fehlende Verständnis des/der PatientIn eingeschränkt ist. Kontroversiell zu diskutieren ist auch, inwieweit in der Aufklärung der Wunsch des/der PatientIn, vollständig informiert werden zu wollen oder nicht, berücksichtigt werden kann und muss. Beispielsweise kann die vollständige Aufklärung über ALS bei einem/einer Patient/-in als ehrliche Aufklärung, bei einem anderen aber als brutale Konfrontation mit der Realität erlebt werden. Mehrere Interpretationen des hippokratisches Eides beschäftigen sich mit diesem Thema, wobei die „Diagnose“ zur Zeit der Abfassung des hippokratischen Eides nicht mit dem heutigen Begriff „Diagnose“ gleichzusetzen und in einem anderen Kontext zu sehen ist. Die Interpretationen sind vielfältig, aber es scheint für die griechischen Ärzte dieser Zeit eher wichtiger gewesen zu sein, die Prognose als die Diagnose zu nennen. In der heutigen Medizin scheint das genau gegenteilige Phänomen gegeben zu sein. Praktisch gesehen ist manchmal ein einziges Aufklärungsgespräch nicht genug, und es müssen mehrere Gespräche geführt werden, bis der Inhalt des Aufklärungsgespräches mit großer Wahrscheinlichkeit dem/der PatientIn bewusst ist. Es bleibt zu berücksichtigen, dass auch der Inhalt der Aufklärung situationsbedingt nicht immer vollständig verstanden wird. Wenn eine solche Überforderung bemerkt wird, sollte man ein weiteres Gespräch führen. Das Gespräch sollte möglichst störungsfrei und mit angemessenem Zeitaufwand geführt werden, wobei auch die vorausgehende Information, die ja die Basis der Aufklärung ist, solide sein soll. Sehr wichtig ist zu beachten, wer in dieser Situation mit wem spricht: Die Aufklärung unter 4 Augen ist eine Methode, die wahrscheinlich den unmittelbarsten Kontakt für beide Beteiligten darstellt. Bei Gesprächen mit mehreren Beteiligten können sich Konstellationen bilden, die immer bedacht werden sollten und deren Einfluss auf die Rolle der einzelnen Personen und damit den Inhalt des Gespräches zu berücksichtigen ist. a) ÄrztIn und PatientIn b) ÄrztIn und PatientInnen und dessen Angehörige c) ÄrztIn und anderes medizinische Personal und Patient d) ÄrztIn und Personal mit PatientInnen und dessen Angehörige Wenn sich die Möglichkeiten b–d ergeben oder bewusst gewählt werden, muss man sich klar sein, dass anwesende Personen dem Gespräch jeweils einen anderen Charakter geben können. Interaktionen zwischen den Beteiligten treten auf. Besonders in der Onkologie hat sich gezeigt, dass PatientInnen alleine anders reagieren als in Begleitung der Lebenspartner und auch andere Aussagen machen bzw. Entscheidungen treffen. Ursachen sind Erwartungen an die Partner, Sorgen, Ängste und oft Projektionen. Angehörige und soziales Umfeld Der Zeitpunkt des Aufklärungsgespräches entspricht nicht der ersten Konfrontation mit der Krankheit. Vor der ärztlichen Untersuchung ist der/die PatientIn schon längere Zeit mit Symptomen konfrontiert. In dieser ersten Phase der Auseinandersetzung mit der Krankheit sind in der Regel andere Personen be- teiligt: Ehepartner, Verwandte, FreundInnen erleben den/die PatientIn mit seiner/ihrer Krankheit und geben Ratschläge. Beeinflusst wird diese Phase durch Information durch gut zugängliche, aber ungefilterte Quellen wie das Internet. Die Beteiligung von Partnern oder Freunden ist ein wichtiges Potenzial für die Weiterbehandlung. Bei allein stehende Personen sind bereits sehr früh professionelle Hilfen notwendig, bei PatientInnen mit sozialem Umfeld sollen andere beteiligte Personen früh in das Management einbezogen werden: Freunde und Familienangehörige können wertvolle Hilfe leisten. Professionelle HelferInnen sollten einerseits möglichst bald in Beratungsgesprächen, andererseits auch im späteren Verlauf aktiv eingesetzt werden. Lassen sich die Prinzipien von Kübler-Ross anwenden? Das Buch „On death and dying“ von Elisabeth Kübler-Ross hat im Umgang mit Schwerkranken keinen Stein auf dem anderen gelassen. Kübler-Ross beschreibt darin den Ablauf verschiedener Phasen des Umgangs mit unheilbarer Krankheit durch den/die PatientIn, von der ersten Konfrontation, möglicherweise der „Aufklärung“, bis zum Tod. Diese Einteilung hilft uns im Umgang mit Schwer- und Todkranken. Obwohl StudentInnen und Pflegeberufe diese Lehrinhalte geradezu als unumstößliche „Wahrheit“ vermittelt bekommen, müssen wir berücksichtigen, dass dieses Konzept nur approximativ und im Einzelfall starken Variationen unterworfen ist. Weiters ist zu bedenken, dass die Untersuchungen einerseits vorwiegend aus der Onkologie kommen und dass andererseits die Studien in den USA vor ca. 30 Jahren erfolgten, unter ähnlichen, aber nicht prinzipiell gleichen gesellschaftlichen Bedingungen. Die Frage, ob der/die VerkünderIn einer guten oder einer schlechten Nachricht willkommener ist, kann nur rhetorisch gestellt werden. Unsere Aufgabe ist leider auch die Verkündigung schlechter Nachrichten, wobei gerade bei ALS, zumindest derzeit, wenige positive u 29 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT Therapiemöglichkeiten angeboten werden können. Wenig, weil es ja die Option der Riluzol-Therapie gibt und weil wir in den letzten Jahren gelernt haben, die palliative Therapie zu verbessern und damit das Leiden des/der PatientIn zu mindern und auch die Lebensqualität weitmöglich zu erhalten. Der Inhalt des Aufklärungsgespräches vermittelt medizinisches Wissen, hat also einen zeitabhängigen objektiven Inhalt. Die Vermittlung des Inhaltes kann in unterschiedlicher Weise erfolgen und hängt von vielen Faktoren ab. Das Aufklärungsgespräch soll die objektiven Inhalte enthalten und keine beschönigenden oder euphemistischen Inhalte und Aussagen, andererseits aber auch keine negativen Prädiktoren beinhalten, die eine negative Beeinflussung im Sinne eines NoceboEffektes darstellen. Bei der Erwähnung des Wortes Placebo heben noch immer viele ÄrztInnen zumindest ein Augenlid und denken an die Spritze mit Kochsalz, die man einem/einer Patienten/-in gibt, von dem/der man vermutet, dass er/sie möglicherweise auf eine Scheinbehandlung anspricht. Glücklicherweise ist über den Placebo-Effekt viel publiziert worden, und wir wissen, wie wichtig dieser Effekt ist. Weniger Beachtung verdient der Ausdruck Nocebo, also eine negative Beeinflussung des Krankheitsverlaufes durch eine negative Voraussage. Diese kann mehr Schaden anrichten als dem normalen Krankheitsverlauf entsprechen würde. Wer führt das Aufklärungsgespräch? Das erste Gespräch zwischen PatientIn und Arzt/Ärztin ist eine wichtige Voraussetzung für die zukünftige Beziehung, wobei dieses für den/die Patienten/-in entscheidend für sein/ihr verbleibendes Leben, und für den Arzt/die Ärztin möglicherweise nur ein ernstes Gespräch von vielen ist. Die Empathie des Arztes/der Ärztin spielt eine wichtige Rolle, aber in der Wechselwirkung hat der/die BehandlerIn einen gewissen Spielraum, den er/sie nicht überschreiten kann und soll: Ein mitleidender Behandler wird weniger gut ob- 30 NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH jektive Entscheidungen treffen können. Das aktive persönlich-emotionale Einbringen der Person des Arztes/der Ärztin in den Aufklärungsprozess, beispielsweise mit dem Einflechten eigener Geschichten und persönlicher Ansichten, wird in der Palliativmedizin sehr streng hinterfragt und eher abgelehnt. Erwähnenswert ist noch die fachspezifische Rolle des Behandlers in der Patientenbeziehung. Wir NeurologInnen sind oft nur die beigezogenen KonsiliarärztInnen, während die Hauptlast der Behandlung ein anderer Arzt, beispielsweise der praktische Arzt, trägt. Diese Rolle des Konsilararztes zu beachten, da dieser ja oft nur die entscheidende Diagnose stellt, aber den/die PatientIn oft nicht behandelt. Sollte diese Konstellation vorliegen, ist ein direktes Gespräch zwischen behandelnden KollegInnen wichtig. Kausalität/Schuld und Sühne/Wissenschaft Ein sehr wichtiger, in der Häufigkeit und Dringlichkeit über die Zeit zunehmender Inhalt des Gespräches ist der Versuch der PatientInnen, einen Grund für die Krankheit zu finden. Beruflicher oder privater Stress, Begleitkrankheiten, mangelhafte medizinische Untersuchung und Behandlung werden oft RESÜMEE Zusammenfassend ist das Aufklärungsgespräch bei der Diagnose ALS ein elementarer Bestandteil der PatientInnenÄrztInnen-Beziehung. Wie in einer partnerschaftlichen Beziehung sollte es möglichst offen und klar geführt werden und auch die offenen Fragen des/der PatientIn beantworten. Es gibt in dieser wichtigen Interaktion zahlreiche Überlegungen, die über den objektiven Inhalt hinausgehen und von den Persönlichkeiten des/der PatientIn und des Arztes/der Ärztin sowie den beteiligten Personen geprägt werden. KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS angeschuldigt. Ziel des Aufklärungsgespräches ist es, PatientInnen darüber aufzuklären, dass es nach derzeitigem medizinischem Wissen keine kausalen Ursachen gibt, und dass leider auch Vorsorgeuntersuchungen nicht dazu beitragen können, die Krankheit frühzeitig zu entdecken. Berechtigterweise stellen PatientInnen oft die Frage, warum die Wissenschaft nicht weiterhelfen kann, ob man mit teuren Behandlungen, die nicht vom Gesundheitswesen gedeckt werden, bessere Erfolge erzielen kann und ob es alternative Methoden gibt die besser wirken als die hilflose Schulmedizin. Diese Fragen treten oft auf und sind relativ leicht mit dem derzeitigen Wissensstand zu beantworten. Persönlichkeitsstruktur, Religion, Spiritualität Entgegen allen Theorien und Hypothesen über die Umstände des Ablaufes und Folgen des ärztlichen Aufklärungsgespräches wird das Gespräch von den persönlichen Eigenschaften des/der PatientIn, seiner/ihrer Persönlichkeitsstruktur, Herkunft und letztlich auch Spiritualität und Religion bestimmt. Diese höchst persönlichen Eigenschaften und Werte der PatientInnen bestimmen auch den Umgang mit der Information und sind die Grundlage für die Strategie und die Kommunikationsmöglichkeiten in diesem Ge■ spräch. Literatur: - Back AJ et al., Compassionate Silence in the Patient– Clinician Encounter: A Contemplative Approach. J Palliat Med 2009; 12:1113–7 - Benedetti F et al., When words are painful: unraveling the mechanisms of the nocebo effect. Neuroscience 2007; 147(2):260–71 - Dawkins R, The God delusion. 2006 Transworld publishers - Greenhalgh T et al., Narrative based medicine, BMJ 1998 - Kübler-Ross E., On death and dying. 1969 New York MaxMillan - Miles SH, The Hippocratic oath and ethics of medicine, 2004 Oxford university press - Pollo A, Benedetti F, The placebo response: neurobiological and clinical issues of neurological relevance. Prog Brain Res. 2009; 175:283–94 - Tallis R, Hippocratic oaths, 2004 London Atlantic books - Thompson WG, The placebo effect and health, 2005 Prometheus books - Tucker T, Culture of Death Denial: Relevant or Rhetoric in Medical Education? J Palliat Med, 2009; 12:1105–8 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Supportive Maßnahmen bei ALS Es können hier nur die wichtigsten, im Verlauf der Erkrankung möglicherweise auftretenden Symptome und ihre Behandlung aufgeführt werden. Dem wichtigen Themenkomplex Atemmuskelschwäche und Beatmung ist ein eigener Beitrag gewidmet. Viele Begleitsymptome bei ALS lassen sich zu Hause und mit einigen wenigen, gut erprobten Medikamenten behandeln, um die Lebensqualität zu verbessern. S So stellte sich in einer Untersuchung über die von SpezialistInnen am meisten verwendeten Medikamente bei ALS (D. Forshew 1998) Amitryptilin als in vielen Indikationen wirksam heraus. Neben seiner bekannten antidepressiven Wirkung hemmt es über seine anticholinerge Wirkung die Speichelsekretion, verbessert den Schlaf ohne atemdepressive Nebenwirkung, verringert das Zwangsweinen/ Zwangslachen und vermindert die Dranginkontinenz. Muskelschwäche: Zunehmende Schwäche ist meist der größte Beschwerdekomplex bei ALS. Aktive und passive Physiotherapie sind hilfreich, um die Mobilität zu erhalten. Im besten Fall erfolgt die Therapie kontinuierlich über den gesamten Krankheitsverlauf, anfangs mit Ausdauertraining, Ergotherapie, Gangschulung und Atemübungen, zuletzt passiv, um Kontrakturen zu begegnen und die Spastik zu lindern. Eine Versorgung mit Hilfsmitteln sollte jeweils zum richtigen Zeitpunkt erfolgen: Stock, Gehgestell, Rollstuhl, Transfer- und Aufstehhilfen. Eine Kopfstütze bei Parese der Nackenmuskulatur muss entsprechend angepasst werden. Sehr bewährt hat sich das Model Headmaster Collar® (Symmetric Design Ltd, Kanada). Speziell entwickeltes Essbesteck kann die Selbstständigkeit beim Essen fördern. Bei Visitation der Wohnung durch eine/einen ErgotherapeutIn können oft sinnvolle Hilfen empfohlen werden. Acetylcholinesterasehemmer können bei manchen PatientInnen kurzzeitige Verbesserung bringen und so vor geplanten Aktivitä- 32 ten verabreicht werden (z.B. Neostigmin-Nasenspray vor dem Essen). Krämpfe, Faszikulationen: Besserung durch Chinin, Diazepam, Carbamazepin, Vitamin E, Phenytoin, Magnesium, Verapamil. Spastik: Baclofen (oral oder auch intrathekal) und Tizanidin sind sicher Mittel der ersten Wahl. Aufgrund des bekannten Nebenwirkungsspektrums mit Müdigkeit und Muskelschwäche sollte möglichst einschleichend und niedrig dosiert werden. Cannabinoide können bei Versagen anderer Therapieformen versucht werden. Der Einsatz von intrathekalen Baclofen-Pumpen ist spezialisierten Zentren vorbehalten und sollte vor allem bei langsam progredienten ALS-Formen (PLS) in Betracht gezogen werden. Dysarthrie, Anarthrie – Kommunikationssysteme: Logopädie bei ersten Anzeichen von Schluck- bzw. Sprechstörung, 1-mal wöchentlich, hat sich bewährt. Bei leiser, aber verständlicher Stimme können elektronische Stimmverstärker eingesetzt werden. Bei hochgradiger Dysarthrie bzw. Anarthrie können einfache Alphabetkarten oder technisch anspruchsvolle PC-basierte Methoden (z.B. Kopfmaus, myoelektrisch kontrollierte Schalter, EEG-basierte Systeme, z.B. „Brain-Computer-Interface“) verwendet werden. Das Entscheidende ist die Auswahl einer Kommunikationsmethode, die für PatientInnen und BetreuerInnen geeignet ist. Bei teuren, computergesteuerten Systemen sollte vor einer Anschaffung jedenfalls ein Probe- DI Dr. Heinz Lahrmann Facharzt für Neurologie, Ordination: 1030 Wien betrieb am Wohnort möglich sein, da aufwendige Systeme zwar viel leisten, die PatientInnen und ihre Angehörigen aber oft überfordern. Auch hier bewährt sich wieder eine gute Zusammenarbeit mit SpezialistInnen auf dem Gebiet der Kommunikationstechnik. Da die Finanzierung meist nur über verschiedene Fonds möglich ist, bemüht sich der Verein „Forum-ALS“ einen Gerätepool aufzubauen, um rasch und effizient helfen zu können. Schluckstörung und Speichelfluss: Im Verlauf der Erkrankung oder bereits zu Beginn (bulbäre Form der ALS) kommt es zu einer gestörten Motilität von Zunge, von Pharynx und Ösophagus. Erste Maßnahmen sind geeignete Nahrungsmittel (Eindicken, Pürieren, keine Brösel etc.) und entsprechende Schlucktechniken (Kopf in Anteflexion, um Aspiration zu vermeiden). Wenn trotzdem keine ausreichende Ernährung möglich ist und ein Gewichtsverlust von mehr als 20 % auftritt, sollte die Ernährung mit PEG-Sonde überlegt werden. Wichtig ist rechtzeitige Indikation, Aufklärung und Setzen der PEGSonde insbesondere bei beginnender Atemmuskelschwäche. Laut internationalem Konsens sollte die Vitalkapazität (VC) > 70 % sein. Die Praxis zeigt jedoch, dass PatientInnen und Angehörige die PEG-Sonde möglichst lange hinauszögern. Tab.: Auflistung einiger Aspekte der supportiven Therapie Speichelfluss (Sialorrhoe) resultiert aus myofazialer Schwäche und vermindertem Schluckvermögen. Soziale Probleme und Aspiration mit lebensgefährlichen Aspirationspneumonien können die Folge sein. Folgende Substanzen mit anticholinerger Wirkung sind möglicherweise hilfreich: Amitryptilin, Clonidin, Trihexyphenidyl, Ipratropiumbromid (Itrop®), Atropin (Bellanorm®, Robinul® s.c, Atropin-Augentropfen 1 % sublingual) mit Tachykardie, Obstipation und Müdigkeit als Hauptnebenwirkungen. Eine Anamnese mit Herzrhythmusstörungen oder Glaukom stellt eine Kontraindikation dar. Die notwendige Dosis ist individuell sehr verschieden, und es sollte einschleichend begonnen werden. Eine Möglichkeit für PatientInnen mit Schluckstörung ohne PEG-Sonde stellt auch das Scopolamin-Pflaster (Scopoderm TTS®) dar. Eine zu starke medikamentöse Eindickung des Speichels kann wiederum zu Borkenbildung, Geschmackstörung und Mundgeruch führen und wird von PatientInnen als sehr unangenehm beschrieben. Injektion von Botulinumtoxin in die großen Speicheldrüsen ist eine weitere Möglichkeit, der Sialorrhö zu begegnen, ist aber eher therapieresistenten Fällen vorbehalten. Pathologisches Lachen/Weinen: Affektinkontinenz im Sinne von „pseudobulbärer Symptomatik“ muss von depressiven Symptomen unterschieden werden. Wichtig ist vor allem die Aufklärung über Ursache und Bedeutung dieses Symptoms für PatientInnen und Angehörige. Trizyklische Antidepressiva und Serotonin-Reuptake-Hemmer (SSRI) erweisen sich als nützlich. Depressionen: Depressionen sind bei der ALS seltener als bei anderen schweren neurologischen Erkrankungen und treten häufiger zu Beginn der Erkrankung auf. Bei ent- Die einzelnen Therapiemaßnahmen und Dosierungen sind jeweils der individuellen Situation des/der PatientIn anzupassen und können sich im Krankheitsverlauf ändern (z.B. antispastische Therapie, anticholinerge Therapie bei Sialorrhö). Muskelschwäche Aktive und passive Physiotherapie, Versorgung mit Hilfsmitteln Muskelkrämpfe, Faszikulationen Besserung durch Chinin, Diazepam, Carbamazepin, Phenytoin, Magnesium, Verapamil Spastizität Baclofen (oral beginnend mit einer niedrigen Dosierung von 5–10 mg 3-mal tgl. und max. 4-mal 25 mg tgl. oder als Pumpe), Tizanidin, Cannabinoide bei Versagen anderer Therapieformen zusätzlich Dysarthrie Logopädie, elektronische Sprachverstärker, Alphabetkarte, PC-Techniken Schluckstörung Erste Maßnahmen sind geeignete Nahrungsmittel, Schlucktechniken, Logopädie PEG-Sonde: rechtzeitige Indikation, Aufklärung und Setzen der PEG-Sonde in Spezialkliniken, VK > 70 %. Sialorrhö (Speichelfluss) Anticholinergika, Amitryptilin, Clonidin, Trihexyphenidyl, Ipratropiumbromid, Atropin, Injektion von Botulinumtoxin in therapieresistenten Fällen Pathologisches Lachen/Weinen Aufklärung über Ursache und Bedeutung dieses Symptoms für PatientInnen und Angehörige. Trizyklische Antidepressiva, Serotonin-Reuptake-Hemmer (SSRI) Psychologische Probleme Soziale und psychologische Begleitung Depression, Schlafstörung SSRI niedrig dosiert, abends: Amitryptilin, Trazodon (keine atemdepressive Wirkung), bei Atemnot abendliches retardiertes Opioid Angst und Panik Benzodiazepine (z.B. Lorazepam) Muskuloskeletaler Schmerz Antispastika (s.o.), Physiotherapie Konstipation Diätberatung, Laxantien, ausreichend Flüssigkeit sprechendem Leidensdruck und nach Aufklärung der PatientInnen kann mit einem SSRI niedrig dosiert begonnen werden. Sehr bewährt hat sich Trazodon bzw. Mirtazapin in niedriger Dosierung abends zur Behandlung von Ein- und Durchschlafstörungen, insbesondere da keine atemdepressive Wirkung zu befürchten ist. Bei ALS-PatientInnen mit gestörtem Schlaf und Tagesmüdigkeit muss auch an eine beginnende Atemmuskelschwäche mit schlafassoziierten Atemstörungen gedacht und eine entsprechende Therapie mit abendlichem retardiertem Opioid (z.B. Hydal® 2 mg ret Kps.) be- gonnen werden (siehe Seite 22 Atmung – Diagnostik und Therapie). Angst- und Panikattacken: Diese können im Verlauf der Erkrankung, besonders bei vorbestehender Neigung zu Angst- und Panikreaktionen, auftreten, am ehesten bei zunehmender Atemnot. Eine Therapie mit einem niedrig dosierten Anxiolytikum ist dann auf jeden Fall indiziert und sollte rechtzeitig und in ausreichender Dosierung erfolgen (z.B. Lo■ razepam). Literatur beim Verfasser 33 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Wohin mit meinen Gefühlen? Die professionell angeleitete ALS-Angehörigengruppe Für Angehörige bedeutet die Begleitung eines an ALS erkrankten Menschen nicht nur eine grundlegende Veränderung im bisherigen Lebens- und Beziehungsmuster, sondern stellt auch körperlich und seelisch eine außergewöhnliche und dauerhafte Stresssituation dar. D Die Beziehung mit dem kranken Menschen kann zu einer so ausgeprägten Störung des Wohlbefindens führen, dass die Ressourcen der Angehörigen in Anspruch genommen bzw. oft auch überfordert werden1. Zwischen der subjektiven Bedeutung des Problems und den Bewältigungsmöglichkeiten, die einer Person zur Verfügung stehen, kann sich ein belastendes Ungleichgewicht entwickeln. Dann sind Identität sowie die Kompetenz, das Leben einigermaßen selbständig gestalten zu können, bedroht2. Burn-out: Natürlich entscheidet die individuelle Beziehungs- und Entwicklungsgeschichte einer Person darüber, in welchen Zusammenhängen sie besonders verletzlich ist oder wo sie auf positive, protektive Erfahrungen zurückzugreifen vermag. Die anhaltende Stresssituation eines verstärkten Einsatzes der Angehörigen bei Betreuung und Pflege bei gleichzeitiger, subtiler Vernachlässigung eigener Bedürfnisse und subjektiv empfundenem Kontrollverlust kann jedoch ein Burn-out3 begünstigen. Manchmal kann es im fortgeschrittenen Verlauf der ALS bei Angehörigen zu einem Rückzug aus dem sozialen Leben, zur emotionalen Verflachung oder zu körperlicher Erschöpfung kommen. Somatische Folgen von Affektreaktionen: Auf den Zusammenhang zwischen Gefühlen und körperlichen Erkrankungen wurde in Studien zu pathologischen Immunreaktionen hingewiesen, wo der Körper quasi als Vehikel für den Ausdruck ungebändigter Ängste verstanden wird. Es konnte gezeigt werden, dass Affektreaktionen wie Kummer, Gram, Angst, Ärger, Schuldgefühle, Hilf- und Hoffnungslosigkeit z.B. beim Verlust von bedeutsamen 34 Bezugspersonen, besonders wichtige Faktoren für einen Leistungsabfall des Immunsystems darstellen. Dementsprechend wurde ein für solche Reaktionen typischer Anstieg von Erkrankungsfällen ermittelt4. Zu ähnlichen Ergebnissen kam eine Untersuchung von Personen, die sich einer intensiven und lang anhaltenden Pflege von demenzerkrankten Familienangehörigen gewidmet hatten5. Daher ist es für Angehörige notwendig, in ausreichendem Maß auf die eigenen Bedürfnisse nach Schlaf, Erholung, Zeit für sich selbst, Ansprache, Wertschätzung und Anerkennung zu achten. Ebenso wichtig ist es, körperliche, zeitliche, finanzielle, seelische Grenzen als Realität anzuerkennen und nicht als persönliches Versagen zu verstehen. Eine perfektionistische Haltung von innerer Strenge und hohem Selbstanspruch6 gepaart mit Scham- und Schuldgefühlen erschwert manchmal den Zugang zu anderen. ALS-Forum: In einer Projektselbstbefragung der ALS-Ambulanz im Kaiser-Franz-Josef-Spi- INFORMATIONEN Infos zur Angehörigengruppe des Forum ALS – Verein für multiprofessionelle ALS-Hilfe: www.ALS-info.at oder E-Mail: [email protected] www.alsliga.be: brochure voor kinderen www.als-vereinigung.ch www.mndassociation.org: Life with mnd www.swissburnout.ch/selbsttest Hamburger Burnout Inventory HBI (M. Burisch) Mag. Patricia Holzmann Klinische Psychologin, Gesundheitspsychologin, Psychotherapeutin (BÖP, WAP, ÖAGG) Krankenanstalt Rudolfstiftung und freie Praxis tal, Wien, im Zeitraum 2003–2005, gaben ALS-PatientInnen eine sehr hohe allgemeine Lebensqualität sowie sehr gute zwischenmenschliche Beziehungen und ein durchschnittliches körperliches Wohlbefinden trotz Erkrankung an. Die Mehrheit der Angehörigen nannte gleichzeitig als starke Belastung die Trauer, einige auch körperliche Beschwerden und soziale Einschränkungen. Aus der Erkenntnis dieser Diskrepanz im Erleben zwischen ALS-PatientInnen und ihren Angehörigen hat sich im Rahmen des Forum ALS: Verein für multiprofessionelle ALS-Hilfe aus der individuellen klinisch-psychologischen Beratung das Angebot einer professionell angeleiteten Angehörigengruppe entwickelt. Diese Angehörigengruppe besteht seit September 2007 und findet 2–3-mal pro Semester für die Dauer von 2 Stunden statt und ist für die TeilnehmerInnen kostenlos. Abhängig von den zeitlichen und personellen Ressourcen nehmen durchschnittlich 8–10 Angehörige teil. Eine Ausdehnung auf ein höherfrequentes Setting, z.B. monatliche Gruppensitzungen zur Verdichtung der horizontalen Vernetzung, wird überlegt. Die Angehörigengruppe kann wertvolle Kontakte vermitteln und dient dem Erfahrungs- und Informationsaustausch. Allerdings geht es nicht um schnelles Lösen der Probleme und Erteilen von Ratschlägen und Rezepten, sondern um das Wahrnehmen individueller Gefühle und Gedanken und um ein gegenseitiges empathisches Zuhören. Containment-Funktion: Eine Teilnahme kann nützlich, tröstlich, beruhigend und stärkend sein und der Erhaltung des Selbstgefühls und des Schutzes gegen Kränkungen dienen. Klagen, Zorn und Wut können als lebensstärkende Gefühle erlebt werden. Die Gruppe nimmt die Erfahrungen der Angehörigen wie ein Behälter in sich auf und erfüllt somit eine wichtige Containment-Funktion verschiedener ambivalenter und unkontrollierbarer Affekte, die über das Sprechen entladen werden7. Gemeinsam können die TeilnehmerInnen angenehme und gelungene Begegnungen genießen und erschütternde Erlebnisse erträglicher machen. Durch eine Umwandlung in überschaubarere Teilchen kommt es zur Eindämmung der Angst. Konfliktbearbeitung: Dem/der Einzelnen bietet sich die Möglichkeit, seine/ihre Beziehungsmuster in der Gruppe zur Darstellung zu bringen und mögliche Konflikte zu reinszenieren. Das Wiederherstellen der konfliktverursachenden Situationen macht die Konflikte einer direkten Bearbeitung im Hier und Jetzt der Gruppe zugänglich. Die TeilnehmerInnen können erleben, dass ihre Gefühle in der Gruppe ausgehalten werden können (Holding Function nach Winnicott8). Die GruppenleiterInnen schlagen ihrerseits keine Themen vor, sondern fordern die Angehörigen auf, ihre Gedanken und Empfindungen möglichst freimütig zu äußern. Auf diese Äußerungen wird möglichst ohne Werturteile reagiert und versucht, Konflikte szenisch zu verstehen. In dialektischer Weise pendelt die Gruppe zwischen individuellen und alle Mitglieder betreffenden Themen. Unter dem Gesichtspunkt der neueren Objektbeziehungstheorie und der Bindungstheorie werden verschiedene Bindungs- und Beziehungsbelastungen untersucht und einer konstruktiven Verarbeitung der Affekte zugeführt. Manchmal können mit szenischem Verständnis auch neue Einstellungen, Verhaltensweisen und Bewältigungsformen entwikkelt werden. Angehörige Kinder und Jugendliche: Weiters ist darauf hinzuweisen, Kinder und Jugendliche als Angehörige von an ALS erkrankten Eltern als Zielgruppe wahrzunehmen. Noch bevor Verhaltensauffälligkeiten auftreten, gilt es Kontaktpersonen zu benennen, die betroffene Kinder altersgerecht über die Erkrankung informieren können. Fragen über die Versorgung der Kinder sowie Abklärung, Einleitung und Koordination des familiären Hilfebedarfs müssen zeitgerecht eingeleitet werden. Die Bereitstellung einer zielgruppengerechten Informationsbroschüre für die betroffenen Kinder und Eltern wäre ebenso wünschenswert wie begleitende Hilfen für Familien in Form von Paargesprächen, ElternKind-Gruppen sowie ressourcenorientierte Einzel- und Gruppenange■ bote für Kinder und Jugendliche. 1 2 3 4 5 6 7 8 Lazarus RS & Folkman S, Transactional theory and research on emotions and coping. European J Personality 1987; 1:141–169 Kast V, Der schöpferische Sprung. Vom therapeutischen Umgang mit Krisen. 1987 München Freudenberger HJ & Richelson G, Ausgebrannt. Die Krise der Erfolgreichen – Gefahren erkennen und vermeiden. 1980 München: Kindler Bartrop RW, Depressed lymphocyte function after bereavement. Lancet 1977; 1:834–836 Kiekold-Glaser JK et al., Spousal caregivers of dementia victims: Longitudinal changes in immunity and health. Psychosomatic Medicine 1991; 53:345–362 Freudenberger HJ & North G, Burnout bei Frauen. Über das Gefühl des Ausgebranntseins. 1998 Frankfurt am Main: Fischer Bion WR, Lernen durch Erfahrung. 1962/1992 Surkamp. Winnicott DW, Maturational Processes and the Facilitating Environment, 1965. Deutsch: Reifungsprozesse und fördernde Umwelt. Studien zur Theorie der emotionalen Entwicklung. 2002 Gießen: Psychosozial-Verlag GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Rezidivierende Trigeminusneuralgie Langzeitergebnisse nach wiederholter Gamma-Knife-Radiochirurgie In einer Studie der Universitätsklinik für Neurochirurgie Graz wurden die Langzeitergebnisse der wiederholten Gamma-Knife-Radiochirurgie bei Trigeminusneuralgie evaluiert. Bei 72,7 % der PatientInnen wurde eine Schmerzerleichterung erreicht. Bis auf Hypästhesie im Gesichtsbereich hatte die Behandlung keine Nebenwirkungen. D Die Trigeminusneuralgie ist ein die Lebensqualität schwer beeinträchtigendes Schmerzsyndrom, das medikamentös und chirurgisch behandelt werden kann. Die Therapie der rezidivierenden Trigeminusneuralgie ist im Allgemeinen eher unbefriedigend. Die stereotaktische Radiochirurgie mit dem Gamma-Knife kann eine Läsion zielgenau setzen und eine gute Schmerzerleichterung erreichen – wie dies in einigen wissenschaftlichen Arbeiten belegt wurde, auch mit geringen Nebenwirkungen1–3. Das Hauptproblem ist die Rezidivneigung und erneutes Auftreten einer Schmerzsymptomatik. Aus unserer Arbeitsgruppe ist eine Arbeit Univ.-Prof. Dr. Frank Unger1, OÄ Dr. Verena Gellner2 Universitätsklinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Graz 1 2 zum Langzeitergebnis nach GammaKnife-Radiochirurgie erschienen. Es wurden PatientInnen inkludiert, die eine zweite Behandlung erhielten.4 Studie: Zwischen 1994 und 2006 wurden 93 PatientInnen mit Trigeminusneuralgie mittels stereotaktischer Gamma-KnifeRadiochirurgie an der Universitätsklinik für Abb.: 70-jähriger Patient mit rezidivierender Trigeminusneuralgie und multipler Sklerose (MS) Links: Axiales T-1-gewichtetes Planungs-MRT der ersten Gamma-Knife-Behandlung ohne Kontrastmittel mit den 20 % bzw. 85 % Isodosenlinien. Rechts: Axiales T-2-gewichtetes Planungs-MRT der zweiten Gamma-Knife-Behandlung 26 Monate später. 36 Neurochirurgie Graz behandelt. 22 dieser PatientInnen erhielten eine zweite Gamma-Knife-Behandlung median 18,8 Monate nach der initialen Behandlung. Die mediane Dosis für die zweite Behandlung war 74,3 Gy. Das Schmerzergebnis wurde nach der BNI-Schmerz-Skala (Barrow-Neurological Institute/BNI) (Tab. 1) eingestuft und die Hypästhesie im Gesicht nach der BNI-Hypästhesie-Skala (Tab. 2). Alle PatientInnen waren zuvor wegen therapierefraktärer Neuralgie medikamentös behandelt worden, 11 PatientInnen hatten eine chirurgische Vorbehandlung, 4 PatientInnen waren mittels Thermokoagulation behandelt worden. Radiochirurgische Technik: Alle Behandlungen wurden mit dem Leksell-GammaKnife (Elekta Instruments, Stockholm, Schweden) durchgeführt. Zur Planung wurde eine MRT-Untersuchung mit besonderer Berücksichtigung des Kleinhirnbrückenwinkels durchgeführt. Zielgebiet war die Nerveneintrittszone am Hirnstamm. Eine einzelne 4-mm-Kollimator-Einstellung wurde platziert. Die Dosis auf den Hirnstamm variierte von 6 Gy bis maximal 15 Gy (Abb.). Tab. 1: BNI-Schmerz-Skala (Barrow Neurological Institute/BNI) Grad I kein Trigeminusschmerz, keine Medikation Grad II gelegentlicher Schmerz, keine Medikation Grad III Schmerz, behandelt mit Medikamenten Grad IV Schmerz, nicht adäquat therapierbar mit Medikamenten Grad V ausgeprägtes Schmerzsyndrom, keine Besserung Tab. 2: BNI-Hypästhesie-Skala (Barrow Neurological Institute/BNI) Grad I keine Taubheit Grad II milde Taubheit, nicht beeinträchtigend Grad III Hypästhesie, gering beeinträchtigend Grad IV Hypästhesie, unangenehm Ergebnisse: Die mittlere Nachbeobachtungszeit nach der ersten Gamma-KnifeBehandlung betrug 7,1 Jahre (85,2 Monate). Die mittlere Nachbeobachtungszeit nach wiederholter Gamma-Knife-Behandlung betrug 5,4 Jahre. Die Schmerzerleichterung trat bei 16 PatientInnen (72,7 %) ein. 2 PatientInnen wurden ein drittes Mal Gamma-Knife-behandelt. Bei 21 PatientInnen konnten Langzeitkontrollen erhoben werden. 10 PatientInnen waren schmerzfrei (BNI I), 6 PatientInnen wurden mit BNI II beurteilt, 5 mit BNI III. Bei der Hypästhesie im Versorgungsgebiet war die Mehrzahl von 19 PatientInnen mit BNI II (17 PatientInnen) einzustufen, ein Patient mit BNI III sowie ein weiterer Patient mit BNI I. Sonstige Nebenwirkungen traten nicht auf. modalität bei therapierefraktärer Trigeminusneuralgie berücksichtigt werden. 1 Sheehan J, Pan HC, Stroila M, Steiner L, Gamma knife surgery for trigeminal neuralgia: outcomes and prognostic factors. J Neurosurg 2005; 102:434–441 2 Lopez BC, Hamlyn PJ, Zakrzewska JM, Stereotactic radiosurgery for primary trigeminal neuralgia: state of the evidence and recommendations for future. J Neurol Neurosurg Psychiatry 2004; 75:1019–1024 3 Pollock BE, Foote RL, Link MJ, Stafford SL, Brown PD, Schomberg P, Repeat radiosurgery for idiopathic trigeminal neuralgia. Int J Radiat Oncol Biol Phys 2005; 61:192–195 Recurrent trigeminal neuralgia. Long term outcome of repeat gamma knife radiosurgery AutorInnen: Gellner V, Kurschel S, Kreil W, Holl EM, Ofner-Kopeinig P, Unger F Erschienen in: J Neurol Neurosurg Psychiatry 2008; 79:1405–1407 Fazit: In unserer Studie wurden die Langzeitergebnisse der wiederholten Gamma-Knife-Radiochirurgie bei Trigeminusneuralgie evaluiert. Eine Schmerzerleichterung oder deutliche Verbesserung wurde bei 72,7 % der PatientInnen erreicht. Die Behandlung hatte bis auf Hypästhesie im Gesichtsbereich keine Nebenwirkungen. Die Gamma-KnifeRadiochirurgie sollte als Behandlungs- 37 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Postprandialer Insult und Epilepsie als Manifestationen atrio-ösophagealer Fisteln Atrio-ösophageale Fisteln (AÖF) sind als Verbindung zwischen linkem Vorhof und Speiseröhre definiert. Sie entstehen entweder traumatisch durch Schussverletzungen oder durch Läsion der Vorhofwand und der Ösophaguswand im Rahmen einer Radiofrequenzablation (RFA) von Vorhofflimmern. AÖF stellen einen lebensbedrohlichen Zustand dar, der vorwiegend mit neurologischen Ausfällen einhergeht. B Bisher wurden 40 Fälle einer AÖF nach RFA mittels offener Operation oder mittels Katheter veröffentlicht. Die Erstmanifestationen treten zwischen 3 und 36 Tagen nach der RFA auf. Die häufigste neurologische Manifestation einer AÖF ist der postprandiale Insult oder die postprandiale TIA. Es handelt sich dabei um embolische Ereignisse bedingt durch Übertritt von Speisebrei in den linken Vorhof, der dadurch möglich wird, dass trotz höheren Drucks im Vorhof gegenüber der Speiseröhre, ein einseitiger Ventilmechanismus entsteht, der die Passage in den Vorhof ermöglicht, aber nicht umgekehrt. Andere häufige neurologische Manifestationen einer AÖF sind epileptische Anfälle oder psychiatrische Auffälligkeiten. Selten werden Bewusstseinsstörungen ohne Epilepsie oder Insult, eine Meningitis oder Hirnabszesse oder eine zerebrale Luftembolie beobachtet. Von den 40 bisher beschriebenen PatientInnen mit einer AÖF nach RFA hatten 27 PatientInnen einen Insult/TIA, 6 entwickelten epileptische Anfälle oder einen Status epilepticus, 4 wurden psychiatrisch auffällig, 2 der PatientInnen entwickelten eine Bewusstseinsstörung ohne Insult oder Epilepsie, 2 der PatientInnen eine Luftembolie, 1 PatientIn eine Meningitis und 1 PatientIn unspezifische neurologische Symptome. Zusätzlich zu den neurologischen Manifestationen traten auch eine allgemeine Schwäche, Abgeschlagenheit, Fieber, Sepsis, Thoraxschmerzen, Schluckstörungen 38 oder Bauchschmerzen auf. Trotz der offenen Verbindung zwischen Herz und Speiseröhre wurden gastrointestinale Blutungen mit Hämatemesis, Meläna oder Blutungsschock nur in 5 Fällen beschrieben. Diese geringe Anzahl wurde auf oben beschriebenen Ventilmechanismus zurückgeführt. Diagnostik: Die Diagnose erfolgt auf Grund der Klinik, der Blutparameter, des Nachweises der embolischen Insulte und des radiologischen Nachweises der AÖF. Im Serum sind Entzündungsparameter wie Senkung, C-reaktives Protein, und Leukozyten erhöht und die Blutkulturen positiv. Bei septischen Zustandsbildern findet sich zusätzlich eine Thrombopenie. Auch der Liquor zeigt Entzündungszeichen wie Pleozytose, Eiweißerhöhung, Laktaterhöhung oder eine positive Kultur. Das zerebrale MR zeigt frische embolische Insulte, unspezifische hyperdense Läsionen, eine Luftembolie oder einen normalen Befund. In der Computertomographie des Thorax lässt sich nach Gabe von Kontrastmittel meist ein Übertritt von Kontrastmittel aus dem linken Vorhof in den Ösophagus nachweisen. Unbedingt vermieden werden sollten Untersuchungen wie ein Schluckakt mit Barium, da Barium intravasal fatale Folgen hat, eine Gastroskopie mit Stenting des Ösophagus oder eine transösophageale Echokardiographie. Diese Maßnahmen können den Fistelgang erweitern und damit zu fatalen Folgen führen. Univ.-Prof. DDr. Josef Finsterer Krankenanstalt Rudolfstiftung, Wien Therapie: Die Therapie der Wahl bei nachgewiesener AÖF ist der chirurgische Verschluss der Fistel mittels Patch auf atrialer Seite und mittels Ausschneidung und Übernähung auf ösophagealer Seite. Ein Stenting des Ösophagus ist aus oben genannten Gründen kontraindiziert. Antibiotika alleine ohne chirurgische Sanierung sind ebenfalls nicht sinnvoll. Trotz der chirurgischen Sanierung ist die Prognose der AÖF schlecht. Von den 40 berichteten PatientInnen sind 63 % verstorben. Fazit: Zusammenfassend ergibt sich, dass bei PatientInnen mit Fieber, Schluckstörung, Brustschmerzen, postprandialen Schlaganfällen oder epileptischen Anfällen und einer Ablation von Vorhofflimmern in der Anamnese eine AÖF differenzialdiagnostisch in Betracht zu ziehen und unverzüglich eine entsprechende Diagnostik und Therapie einzuleiten ist. Neurological consequences of atrioesophageal fistula after radiofrequency ablation in atrial fibrillation. AutorInnen: Stöllberger C, Pulgram T, Finsterer J Erschienen in: Arch Neurol 2009; 66:884–7 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Zum wiederholten Mal trafen sich vom 7. bis 9. Mai auf Einladung von Sanofi Aventis und TEVA Multiple Sklerose (MS) ExpertInnen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zu einem Workshop, um aktuelle Themen auf dem Gebiet der MS zu erörtern. Nach 5 Jahren fand die Veranstaltung wieder in Dresden statt. G Gastgeber des Workshops war Priv.-Doz. Dr. Tjalf Ziemssen. Schon das Impulsreferat über den Zugang der Rheumatologie zur Behandlung immunologischer Erkrankungen hatte einen gewichtigen Nachteil der NeurologInnen bei der Behandlung der MS gegenüber der Rheumatologie aufgezeigt. Schmerz und Bewegungseinschränkung der Gelenke sind augenfällige Symptome, die auch im zeitlichen Verlauf gut monitiert werden können. Damit ist das Ansprechen auf eine Therapie relativ leicht erfassbar, was wiederum recht klare und geradlinige Therapieentscheidungen ermöglicht. Krankheitsmechanismen: Bei MS liegt vieles im Verborgenen und ist dem direkten Zugang entzogen, was sicher auch das Krankheitsverständnis insgesamt erschwert und immer wieder neue pathophysiologische Modelle entstehen lässt. In diesem Zusammenhang war interessant zu hören, dass aus derzeitiger immunpathologischer Sicht die Ten- 40 denz besteht, die zuletzt diskutierten 4 Untertypen möglicher Krankheitsmechanismen zu letztendlich 2 zusammenzufassen. So scheint sich ein vorwiegend antikörpermediierter und ein überwiegend durch T-Zellen verursachter Krankheitsverlauf differenzieren zu lassen. Bei Letzterem kommt offensichtlich auch einer funktionellen Beeinträchtigung oder Schädigung der Mitochondrien große Bedeutung zu. Betont wurde auch die Notwendigkeit, andere Formen einer immunvermittelten demyelinisierenden Erkrankung des ZNS – wie etwa die Neuromyelitis optica (NMO) – besser abgrenzbar zu machen. Dabei wurde speziell auf den Durchbruch hingewiesen, den die Erkenntnis der Rolle von Aquaporin-4-Antikörpern bei NMO gebracht hat. Leider sind alle sonstigen Versuche, Indikatoren für einen speziellen Krankheitstyp oder -verlauf serologisch zu finden, bisher gescheitert. Einhellig war man der Auffassung, dass auch Genanalysen nach derzeitigem Wissensstand kei- FOTO: TOBIAS RICHTER - FOTOLIA Drei-Länder-Symposium Multiple Sklerose, Dresden 2010 nen wesentlichen klinischen Beitrag versprechen. Die Suche nach Biomarkern sollte aber nicht aufgegeben werden. Prognostische Einschätzung: In einem weiteren Block beschäftigten sich die TeilnehmerInnen mit der Frage nach klinischen Markern und Labor- oder MRT-Parametern, die für die prognostische Einschätzung der Erkrankung und die Beurteilung der Therapieeffizienz eingesetzt werden können. Einheitlich wurde festgestellt, dass der Nachweis oligoklonaler Banden bei klinisch isoliertem Syndrom das Auftreten weiterer Krankheitsschübe wahrscheinlicher macht. Gleiches gelte auch für den Nachweis einer größeren Zahl von T2-Läsionen sowie für gewisse klinische Charakteristika, die jedoch teilweise erst durch die Verlaufsbeobachtung generiert werden können. In der Diskussion wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass die Beschreibung des Krankheitszustandes und der Krankheitsschwere mittels des „Expanded Disability Status Scale (EDSS)“-Scores viele Schwächen aufweist. Unter anderem werden ebenfalls stark behindernde und eventuell führende Symptome wie Müdigkeit und kognitive Einschränkung im EDSS nur unzureichend abgebildet. Auch auf die Schwächen der rein quantitativen Erfassung der Zahl von Krankheitsschüben unabhängig von deren klinischen Charakteristika wurde hingewiesen. Alternative Lösungen konnten aber ebenfalls nicht aufgezeigt werden. Nach bisherigen Ergebnissen sind auch von nichtkonventionellen MRT-Techniken wie dem Diffusion-TensorImaging, der Magnetresonanzspektroskopie und anderen kaum verwertbare Ergebnisse für eine Erstellung der individuellen Krankheitsprognose zu erwarten. Benigne MS: Ein weiterer Teil des Symposiums wurde dem Konstrukt der so genannten benignen MS gewidmet. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass dieser Begriff zu keiner Univ.-Prof. Dr. Franz Fazekas1 Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Graz Prim. Dr. Ulf Baumhackl2 Neurologisch-psychiatrisches Zentrum Belvedere, Wien 1 2 Verharmlosung der Erkrankung an sich führen dürfe. Insbesondere könnten auch schon geringe EDSS-Stufen mit einer deutlichen Beeinträchtigung der Lebensqualität der Betroffenen verbunden sein, und es sind auch andere als im EDSS erfasste Symptome oft sehr behindernd. Allerdings ist bei einem – wenn auch nur kleinen – Teil der PatientInnen tatsächlich von einem günstigen Krankheitsverlauf auszugehen, was für die initiale Krankheitsaufklärung ein wichtiger Zukunftsaspekt sein kann. Abwägung der Therapieentscheidungen: Der größte Teil des Workshops wurde natürlich therapeutischen Überlegungen gewidmet. Einigkeit herrschte über die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Nutzen-Risiko-Abwägung und damit auch über die Verpflichtung, den individuellen Krankheitsverlauf und die jeweilige Situation der Patientin oder des Patienten in die Therapieüberlegung einzubeziehen. Leider musste festgestellt werden, dass es auch für die Auswahl einer bestimmten immunmodulatorischen oder immunsuppressiven Therapie nach wie vor keine serologischen oder immunologischen Marker gibt. Andererseits vermittelt die regelmäßige klinische Beobachtung in den meisten Fällen durchaus verlässliche Hinweise auf ein Therapieansprechen einerseits oder mangelnde Wirksamkeit der Behandlung andererseits, indem man sich am Auftreten von weiteren Schüben und dem Behinderungsverlauf orientiert. In unklaren Fällen können auch MRTErgebnisse unterstützend in eventuelle Über- legungen bezüglich eines Wechsels der Therapie einbezogen werden. Risikomanagement: Unter dem Aspekt der Eskalationstherapie wurde auf die strenge Indikationsstellung sowohl für Mitoxantron als auch für Natalizumab hingewiesen, da beide Substanzen ein substanzielles Langzeitrisiko mit sich bringen. Andererseits wurde klar festgestellt, dass es auch riskant ist, bei echten RisikopatientInnen nichts zu riskieren. Ganz allgemein wurde in diesem Zusammenhang bedauert, dass bisher keine ausreichenden Studien zur Frage der Dauer einer Eskalationstherapie oder der bestgeeigneten nachfolgenden Therapie vorliegen. Es wurde angeregt, dass zumindest auf akademischer Ebene durch Zusammenarbeit verschiedener MS-Zentren versucht werden sollte, dieses Defizit möglichst rasch auszugleichen. Im Rahmen der sehr lebhaften und teils auch durchaus emotional geführten Diskussionen um die Grundlagen für Therapieentscheidungen und das optimale Management von Risiken und Nebenwirkungen kam immer wieder zum Ausdruck, wie vorteilhaft es ist, wenn man zum Einsatz komplexer und möglicherweise mit größeren Risiken behafteter MS-Therapien auf ein Netzwerk von MS-Zentren zurückgreifen kann. Auch die immer größere Bedeutung von Registern wurde betont. Durch Schaffung eines Kompetenznetzwerkes MS will man in Deutschland versuchen, dem österreichischen Modell zu folgen. Ob dies auch so flächendeckend gelingt wie durch die enge Zusammenarbeit von extra- und intramuralen MS Zentren in Österreich, bleibt abzuwarten. ■ 41 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Sonographie in der neurologischen Praxis Nachdem im Wesentlichen NeurologInnen in den 70er-Jahren die Anwendungen von CW-Doppler und Duplex der Halsgefäße entwickelt hatten, wurden diese in den 80er-Jahren in den neurologischen Abteilungen etabliert und um die transkranielle gepulste Dopplersonographie und Farbdoppler ergänzt. Später kamen noch die transkranielle Parenchymsonographie, die Myosonographie und die Sonographie peripherer Nerven hinzu. Leider ist es bis heute nicht gelungen, diese Untersuchungen in Österreich flächendeckend im niedergelassenen Bereich für alle Versicherten zugänglich zu machen. Sonographie der hirnversorgenden Arterien Im Rahmen der Sonographie der hirnversorgenden Arterien können NeurologInnen einen wesentlichen Beitrag zur Vorsorge leisten. Da die Untersuchung für die PatientInnen mit keinerlei Unannehmlichkeiten verbunden ist, kann bei jedem, der von Alter oder bestehenden spezifischen Risikofaktoren her in Frage kommt, eine Basisuntersuchung gemacht werden. Durch die Anschaulichkeit der Untersuchung, die Veränderungen zeitgleich und gut verständlich sichtbar macht, ist im Gegensatz zu abstrakten Labordaten etc. eine gute Voraussetzung zur allfällig notwendigen Änderung des Lebensstils gegeben. Abb. 1: ACI-Abgangsstenose Der Schwerpunkt besteht darin, bestehende Risikofaktoren wirksam und langfristig zu minimieren. Wenn dabei pathologische Befunde erhoben werden, ist die für PatientInnen angenehme Untersuchungssituation von Vorteil: Regelmäßige Kontrollen werden gern wahrgenommen. Die Laborbefunde werden kontrolliert. Die PatientInnen können meist gut zur Einhaltung der Medikation etc. motiviert werden, wenn der pathologische Befund im Bild präsentiert wird. Im Austausch mit den HausärztInnen erhalten auch diese gegenüber den Kassen Unterstützung bei der entsprechend notwendigen Medikation. Bei relevantem pathologischem Befund ist die Expertise des/der Neurologen/-in essenziell. Er/sie kann den bestehenden Befund der Karotiden im Zusammenhang mit der Anamnese, Dr. Christian Bsteh Niedergelassener Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Salzburg Zusatzbefunden aus Labor, Bildgebung etc. in ihrer Bedeutung für die individuelle Situation des/der PatientIn einschätzen und auch eine Risikoabwägung für die Zukunft am besten durchführen. Meist ist dazu auch die Einbeziehung der transkraniellen Dopplersonographie notwendig, um wichtige Erkenntnisse über die aktuelle intrakranielle Auswirkung des pathologischen Befundes (z.B. Kollateralisierungsverhältnisse) zu gewinnen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Abklärung von Pathologien im vertebrobasilären Abb. 2: St. p. STENT-Implantation St. p. STENT Implantation: ➘: Stentgitterartefakte; : Durch STENT plattgedrückte Plaques; ⇓: Schallschatten von calcifiziertem Plaquesanteil; : normale Strömungsgeschwindigkeit 48 Abb. 3: Glomustumor Abb. 4: TCD transtemporal Normalbefund Glomus-Tumor : multiple maschenartig verteilte Flowsignale; ★: Angeschnittener Teil der ACI Stromgebiet: Nähere funktionelle Abklärung von Vertebralisstenosen, Subclavian-StealSyndrom etc. Die Entscheidung über die Therapie – ob konservativ, klassisch operativ oder interventionell – sollten NeurologInnen gemeinsam mit den PatientInnen erarbeiten. In der Tertiärprävention ist es eine lohnende Aufgabe, die PatientInnen in regelmäßigen Abständen einzuberufen, um eine weitere Progredienz oder Rezidivstenosen nach Eingriffen rechtzeitig zu erkennen. So kann der/die PatientIn auch dabei unterstützt werden, nach Akutaufenthalt und Rehabilitationstherapie erworbene Fertigkeiten und Mus- ter zu erhalten. Ambulante Physio- und Ergotherapien etc. werden koordiniert, klinische Verschlechterungen rechtzeitig erkannt, Wiederholungsrehabilitationsaufenthalte eingeleitet. Transkranielle Parenchymsonographie Von den Möglichkeiten der transkraniellen Parenchymsonographie sind in der niedergelassenen Praxis besonders Fragestellungen aus dem Bereich der extrapyramidalen Erkrankungen interessant. Die Beurteilung der Abb. 5: Cross-Flow via AcoA bei kontralateralem ACI-Verschluss Cross-Flow via AcoA bei contralateralem ACI-Verschluss: ➘ Turbulenzen und Strömungsbeschleunigung am speisenden Gefäß Substantia nigra, des Globus pallidus und des III. Ventrikels können stützende Befunde in der Differenzialdiagnose der Parkinson-Syndrome liefern. Je nach Konstellation von erhöhter Echogenität/Normoechogenität des Globus pallidus, Vergrößerung des III. Ventrikels, Hyper-/Normoechogenität der Substantia nigra können Multisystematrophie, kortikobasale Degeneration oder Lewy-Körperchen-Erkrankung weiter erhellt werden. Auch PatientInnen mit essenziellem Tremor, die Ängste wegen einer Parkinson-Erkrankung haben, kann bei unauffälliger Substantia nigra ein zusätzlicher u Abb. 6: Mesencephalon: Normalbefund : Substantia nigra: zart echogen; : Aquädukt; ✶: Zysterne 49 GESELLSCHAFTSNACHRICHTEN SCHWERPUNKT NEUROLOGIE IN ÖSTERREICH Abb. 7: Mb. Parkinson: Hyperechogene Substantia nigra (Übersicht) beruhigender Befund angeboten werden. Problematisch ist, dass gerade im interessanten Alter (ab etwa 60) der Anteil von PatientInnen mit einem für eine Beurteilung zu ungünstigen Signal-Rausch-Verhältnis zunehmend häufiger wird. Myosonographie Im Bereich der Myosonographie ist unter anderem die ultraschallgezielte Applikation von Botulinumtoxin eine elegante und für PatientInnen sehr schonende Methode. Insbesondere die Therapie des Schreibkrampfes und anderer tätigkeitsspezifischer Dystonien sind ein lohnendes Feld: Es gelingt die sichere Identifizierung der relevanten Muskelfaszikel und deren punktgenaue Infiltration. Sonographie der peripheren Nerven Die Sonographie der peripheren Nerven entwickelt sich mit großer Dynamik. Klinisch sind derzeit N. medianus, N. radialis, N. ulnaris, 50 KONGRESSHIGHLIGHTS FÜR DIE PRAXIS Abb. 8: Mb. Parkinson: Hyperechogene Substantia nigra (mit weißer Umrandung hervorgehoben) N. peronaeus und N. tibialis im Vordergrund. Neben Engpasssyndromen ist die Untersuchung von Nerventumoren, traumatischen Veränderungen, Neuromen etc. möglich. Wegen der Häufigkeit sei das Karpaltunnelsyndrom herausgegriffen: Mit Hilfe der Nervensonographie können die anatomischen Gegebenheiten direkt untersucht werden. Neben der Darstellung pathologischer Veränderungen am Nerv selbst (Texturveränderung, Abflachung, prästenotische Auftreibung, Hyperämie) liegt der große Vorteil darin, bei symptomatischem Karpaltunnelsyndrom die Ursachen aufzeigen zu können (Ganglien, Tendovaginitis, A.-mediana-Thrombose, Anomalien der Beugermuskeln etc.). Auch bei unbefriedigendem postoperativem Verlauf hat die Methode Vorteile: die inkomplette Spaltung des Retinaculum, Narbenbildungen können gut identifiziert werden. Elektrophysiologisch ist die Differenzierung ja nicht möglich. Die Kernspintomographie ist ökonomisch ungünstiger. Der Stellenwert der Nervensonographie beim CTS ist noch im Fluss. Derzeit zeichnet sich ab, dass die elek- trophysiologische und die sonographische Untersuchung in der Primärdiagnostik komplementär zum Einsatz kommen werden. In der Abklärung postoperativer Schwierigkeiten wird sich die Sonographie m.E. durch■ setzen. RESÜMEE Der Zweck dieses Artikels ist nicht, die ohnehin bekannten Untersuchungen, Methoden und Indikationen der Neurosonographie detailliert und vollständig vorzustellen. Es soll gezeigt werden, dass die Anwendung in der neurologischen Praxis in einem sehr breiten Feld möglich und sinnvoll ist. Diese Untersuchungen sollten möglichst flächendeckend angeboten werden können. Für PatientInnen ist es von großem Vorteil, wenn diese in Kenntnis von Anamnese und klinischem Befund erhoben werden, um die optimale Therapie zu gewährleisten. FÜR DIE GUTACHTERLICHE PRAXIS Änderungen bei den Richtlinien zu Epilepsie und Führerschein Vor kurzem wurden die Richtlinien zum Lenken von Kraftfahrzeugen bei Epilepsie EU-konform geändert. Studien zum Thema Epilepsien und Führerschein haben gezeigt, dass das Behalten der Lenkerberechtigung vielen AnfallspatientInnen wichtiger ist als die Tatsache der Anfallsfreiheit. Je längere Beobachtungszeiten auferlegt werden, desto weniger werden diese befolgt. I Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMfVIT) fand Ende April 2010 eine Sitzung der Arbeitsgruppe der AmtsärztInnen statt, bei der die im Handbuch zur Führerscheingesundheitsverordnung publizierten Richtlinien bei Epilepsie (siehe auch neurologisch 2/2009) überarbeitet wurden, da sie in einigen Punkten nicht konform mit den verbindlichen Empfehlungen im Amtsblatt der Europäischen Union (L 223/34) waren. In einigen Punkten waren Beschränkungen über denen im EU-Amtsblatt gelegen. Folgende Änderungen wurden vorgenommen und sind nun entsprechend dem EUAmtsblatt verbindlich: Erster nichtprovozierter epileptischer Anfall: • Lenkberechtigung Gruppe 1 (Fahrzeugklassen A, B): geeignet, wenn kein Hinweis für das Vorliegen einer beginnenden Epilepsie besteht nach einer Beobachtungszeit von 6 Monaten. • Lenkberechtigung Gruppe 2 (Fahrzeugklassen C, D, E, F): geeignet auf Grundlage einer ordnungsgemäßen neurologischen Bewertung nach 5 anfallsfreien Jahren ohne Einnahme von Antiepileptika. Die nationalen Behörden können FahrzeuglenkerInnen mit anerkannt guten Prognoseindikatoren bereits vorher das Führen von Kraftfahrzeugen erlauben. Provozierter epileptischer Anfall (z.B. Schlafentzug, extreme körperliche und psychische Belastung): • Gruppe 1 und 2: Personen, die einen provozierten epileptischen Anfall auf- 52 grund einer erkennbaren Ursache erlitten haben, dessen Auftreten am Steuer unwahrscheinlich ist, können auf der Grundlage eines neurologischen Gutachtens individuell als zum Führen eines Kraftfahrzeugs geeignet erklärt werden, ohne weitere Beobachtungsfrist. Erster symptomatischer epileptischer Anfall bekannter Ursache (z.B. nach Hirnoperationen): • Gruppe 1: geeignet nach einer Beobachtungszeit von 3–6 Monaten. • Gruppe 2: geeignet nach einer Beobachtungszeit von 5 Jahren. Bestehende Epilepsie: • Gruppe 1: geeignet, wenn 12 Monate Anfallsfreiheit bestanden hat, inklusive Anfallsfreiheit nach epilepsiechirurgischen Eingriffen. Das EEG muss frei von epilepsiespezifischen Paroxysmen sein. Es dürfen keine Veränderungen auftreten, die beweisend für einen epileptischen Anfall während der Ableitung sind. • Gruppe 2: Ohne die Einnahme von Antiepileptika muss Anfallsfreiheit während eines Zeitraums von 10 Jahren erreicht worden sein. Die nationalen Behörden können mit anerkannt guten Prognoseindikatoren bereits vorher das Führen von Kraftfahrzeugen erlauben. Dies gilt z.B. im Falle einer juvenilen Myoklonusepilepsie mit Anfallsfreiheit im Erwachsenalter. Einfache fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörung, kognitive oder sensorische Dr. Wolfgang Soukop Arbeitsgemeinschaft neurologischer Gutachter in der ÖGN, Verkehr und Arbeit Beeinträchtigungen: BewerberInnen oder FahrzeugführerInnen, die stets nur Anfälle erlitten haben, die nachweislich weder das Bewusstsein beeinträchtigen noch funktionelle Störungen verursachen, können als zum Lenken eines Fahrzeugs der Gruppe 1 geeignet erklärt werden, sofern dieses Anfallsmuster während eines Zeitraums festgestellt wurde, der mindestens dem oben geforderten mit Anfallsfreiheit (1 Jahr) entspricht. Nach einem Anfall anderer Art müssen die Betroffenen mindestens 1 Jahr lang anfallsfrei sein bevor eine Fahrerlaubnis erteilt werden kann. Schlafepilepsie: BewerberInnen oder FahrzeugführerInnen, die ausschließlich schlafgebundene Anfälle erlitten haben, können als zum Lenken von Fahrzeugen geeignet erklärt werden, sofern dieses Krankheitsmuster während eines Zeitraums festgestellt wurde, der mindestens dem oben unter dem Kapitel „bestehende Epilepsie“ geforderten Zeitraum der Anfallsfreiheit entspricht. Nach einem im Wachzustand erlittenen Anfall müssen die Betreffenden mindestens 12 Monate anfallsfrei sein, bevor eine Fahrerlaubnis erteilt werden kann. Anfallsrezidiv, nicht provozierter Anfall, generalisiert: Geeignet ausschließlich für Gruppe 1 nach einem neuerlichen anfallsfreien Intervall von 6 Monaten. Beendigung einer antiepileptischen Therapie: Für die Dauer der Reduzierung und des Absetzens des letzten antikonvulsiven Medikaments wird empfohlen, während eines Beobachtungszeitraums von 6 Monaten kein Kraftfahrzeug zu lenken. Bei einem Anfall während dieses Zeitraums sind 3 Monate Beobachtung nach Neueinstellung erforderlich. Nichtepileptische Anfälle: Betreffend nichtepileptische Anfälle mit akuter Beeinträchtigung des Bewusstseins oder der Motorik wie z.B. Kataplexie und Narkolepsie werden keine einheitlichen Richtlinien mehr aufrechterhalten. Weitere Kontrolluntersuchungen und Befristungen: Bei AnfallspatientInnen ist die Lenkerberechtigung zunächst befristet zu erteilen. Kontrolluntersuchungen sind erforderlich, wobei die Abstände unter Berücksichtigung von krankheitsrelevanten Faktoren festzulegen sind. Nach 5-jähriger Anfallsfreiheit ist von einer weiteren Befristung abzugehen. Von Befristung und der Auflage von Kontrolluntersuchungen ausgenommen sind FührerscheinwerberInnen beziehungsweise FahrzeuglenkerInnen nach einem ersten provozierten epileptischen Anfall. Diese Richtlinien gelten auch für kurativ tätige ÄrztInnen, die erfahrungsgemäß in einem größeren Umfang LenkerInnen mit Anfällen antreffen als AmtsärztInnen. Zertifizierte Sachverständige: Begleitend wurde eine Verbesserung der Führerscheinbegutachtung durch Einbeziehung von zertifizierten Sachverständigen empfohlen. Dies würde ein Abgehen von der bisherigen Gepflogenheit der fachärztlichen Stellungnahme durch den/die behandelnde/n FachärztIn bedeuten. Es unterstreicht die Wichtigkeit unserer Expertise. Angeregt wurde, dass die Fachgesellschaften für Neurologie und Kinderheilkunde in den Zertifizierungsprozess eingebunden werden sollten. Aufklärung: In diesem Zusammenhang darf an das Tutorial bei der ÖGN-Jahrestagung 2010 erinnert werden. Die Problematik der Dokumentation und Aufklärung über gängige rechtsverbindliche Standards betrifft auch rein kurativ tätige FachärztInnen. In der Sitzung mit den Amtsärzten wurde gerade auf diesen Punkt hingewiesen, da AnfallspatientInnen nur dann für den/die AmtsärztIn relevant werden, wenn sie als FührerscheinbewerberInnen in der Vorgeschichte ein Anfallsleiden aufweisen oder im Besitz einer Lenkerberechtigung erst durch einen Anfall in der Öffentlichkeit amtsbekannt werden. Dies stellt unter allen FahrzeuglenkerInnen mit Anfällen die ■ Minderheit dar. NEUROLOGIE AKTUELL Bewegungsstörungen SWEDDs (Scans Without Evidence of Dopaminergic Deficit) – Differenzialdiagnose zum M. Parkinson F Funktionelle Bildgebungsverfahren wie DATSPECT und F-DOPA-PET gelten als zuverlässige Methoden zur Unterscheidung zwischen Gesunden und PatientInnen mit M. Parkinson. Je fortgeschrittener die nigrostriatale Degeneration, desto geringer ist die Anreicherung des jeweiligen Radioliganden. Es war daher überraschend, dass 10 % der PatientInnen, die mit der klinischen Diagnose eines M. Parkinson in verschiedene Medikamentenstudien eingeschlossen wurden, eine unauffällige DAT-SPECT- bzw. F-DOPA-PETUntersuchung aufwiesen. Diese PatientInnen wurden als SWEDDs (Scans Without Evidence of Dopaminergic Deficit, Abb.) bezeichnet. Hintergrund: Die Ursache für das Phänomen SWEDDs wurde heftig diskutiert. Folgende Faktoren sprachen dagegen, dass es sich hierbei um eine Frühform des M. Parkinson oder eine „neue“ Parkinson-Variante handelt: In der ELLDOPA-Studie fand man ein fehlendes Ansprechen auf L-Dopa in der SWEDDs-Gruppe1, auch Absetzen von dopaminergen Substanzen bei anderen SWEDDs-PatientInnen führte zu keiner klinischen Verschlechterung2, und bei Wiederholung der Scans nach 4 Jahren waren immer noch keine Anzeichen von nigrostriataler Dysfunktion zu sehen3. Es wurden auch alternative Diagnosen für SWEDDs vorgeschlagen, wie zum Beispiel dystoner Tremor, essenzieller Tremor, psychogener Parkinsonismus und Dopa-responsive Dystonie. Studienziel und Methoden: Wir führten eine Studie4 mit dem Ziel durch, die zugrunde liegende Pathophysiologie von tremordominanten SWEDDs-PatientInnen näher zu erörtern, eine Zuordnung entweder zum M. Parkinson oder aber zu einer anderen Krankheit 54 treffen zu können sowie klinische Kriterien zur Unterscheidung von M. Parkinson und SWEDDs zu definieren4. Wir untersuchten mittels verblindeter Videoanalyse klinische Charakteristika sowie auch nichtmotorische Symptome bei 25 PatientInnen mit SWEDDs im Vergleich zu 25 PatientInnen mit benignem tremordominantem M. Parkinson (mit pathologischem DAT-SPECT). Mittels Akzelerometrie wurden Tremor-Charakteristika definiert. Mit Hilfe der transkraniellen Magnetstimulation (TMS), genauer der so genannten assoziativen Paarstimulation (PAS), untersuchten wir die zeitlichen und räumlichen Eigenschaften neuronaler Plastizität des Motorkortex bei SWEDDs, tremor-dominantem M. Parkinson, segmentaler Dystonie, essenziellem Tremor und Gesunden. Ergebnisse: Obwohl es klinisch große Überschneidungen zwischen SWEDDs und M. Parkinson gab, konnten hilfreiche Unterscheidungsmerkmale gefunden werden. So war das Fehlen von „klassischer“ Bradykinesie mit „Fatiguing“ und „Decrement“, das Vorhandensein von oft nur milder Dystonie und Kopftremor signifikant häufiger bei SWEDDs. Andererseits wiesen Re-emergent Tremor, „klassische“ Bradykinesie, gutes Ansprechen auf dopaminerge Medikamente und Vorhandensein nichtmotorischer Symptome (einschließlich Geruchsstörung5) auf einen M. Parkinson hin. Ein einzelner Tremorparameter konnte nicht zwischen den PatientInnengruppen unterscheiden, jedoch war eine Kombination von Re-emergent Tremor und höchster Tremoramplitude in der Ruheposition charakteristisch für M. Parkinson. Abb.: Links: Patient mit „SWEDDs“. Rechts: DAT-SPECT-Bild eines Patienten mit M. Parkinson Links das Bild eines Patienten mit „SWEDDs“ der sich klinisch mit leichter Hypomimie, Tremor und Tonuserhöhung des rechten Arms, leichter Ungeschicklichkeit und abnormer Haltung der rechten Hand sowie vermindertem Armmitschwingen rechts seit 5 Jahren präsentierte. Es findet sich keine Reduktion der Verfügbarkeit von Dopamintransportern (I-123 FP-CIT). Rechts das DAT-SPECT-Bild eines Patienten mit einer rechtsbetonten, tremor-dominanten ParkinsonKrankheit mit Beginn vor 5 Jahren. Es zeigt sich eine beidseitige, links stärker ausgeprägte Reduktion der Dopamintransporter. Zusammengestellt für den Beirat „Bewegungsstörungen“: Dr. Petra Schwingenschuh Universitätsklinik für Neurologie Graz, Medizinische Universität Graz Nach PAS stieg die Amplitude der motorisch evozierten Potenziale (MEP) bei Gesunden und PatientInnen mit essenziellem Tremor nur im homotop stimulierten Zielmuskel an. Bei M. Parkinson fehlte diese physiologische Reaktion auf PAS vollkommen. Trotz klinischer Ähnlichkeit zum M. Parkinson stiegen die MEP-Amplituden in der SWEDDs-Gruppe nicht nur im Zielmuskel, sondern auch in den benachbarten Handmuskeln an, was für eine pathologisch gesteigerte Plastizität spricht. Dasselbe Muster fand sich bei PatientInnen mit segmentaler Dystonie. Kommentar: Insgesamt handelt es sich bei SWEDDs sicherlich um eine heterogene Gruppe. Unter tremordominanten SWEDDs dürfte es sich jedoch großteils um PatientInnen mit dystonem Tremor handeln. Das Erkennen solcher PatientInnen ist wichtig, um den zukünftigen Einschluss von SWEDDs in Parkinson-Studien zu vermeiden, um eine korrekte ärztliche Führung solcher PatientInnen zu gewährleisten und um unnötige dopaminerge Therapien zu verhindern. Die oben erwähnten klinischen Kriterien können in der Unterscheidung hilfreich sein. Besteht klinisch jedoch weiterhin Zweifel, ob es sich tatsächlich um M. Parkinson handelt, ist die Durchführung eines DAT-SPECT indiziert. 1 Fahn S, Does levodopa slow or hasten the rate of progression of Parkinson's disease? J Neurol 2005; 252 (suppl 4):IV37–IV42 2 Marshall VL, Patterson J, Hadley DM et al., Successful antiparkinsonian medication withdrawal in patients with Parkinsonism and normal FP-CIT SPECT. Mov Disord 2006; 21:2247–2250 3 Marek K, Jennings D, Seibyl J, Long-term follow-up of patients with scans without evidence of dopaminergic deficit (SWEDDs) in the ELLDOPA study. Neurology 2005; 64 (suppl 1):A274 4 Schwingenschuh P, Ruge D, Edwards MJ et al., Distinguishing SWEDDs patients with asymmetric resting tremor from Parkinson's disease: A clinical and electrophysiological study. Mov Dis 2010 (Epub ahead of print) 5 Silveira-Moriyama L, Schwingenschuh P, O'Donnell A, et al. Olfaction in patients with suspected Parkinsonism and scans without evidence of dopaminergic deficit (SWEDDs). J Neurol Neurosurg Psychiatry 2009; 80:744–748 NEUROLOGIE AKTUELL Epilepsie Zusammengestellt im Namen des Beirats „Epilepsie“: Priv.-Doz. Dr. Michael Feichtinger Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Graz Vordere Kerngebiete des Thalamus Bilaterale elektrische Stimulation kann anfallshemmend wirken In einer prospektiven, multizentrischen, randomisierten und doppelblinden Studie1 wurde die Effektivität einer beidseitigen elektrischen Tiefenstimulation des Thalamus zur Anfallsreduktion bei 110 PatientInnen mit fokaler Epilepsie untersucht. Dabei wurden die Elektroden standardisiert in Allgemeinanästhesie in beide Nuclei anteriores des Thalamus platziert. Randomisiert wurde in einer ersten Studienphase eine Hälfte der PatientInnen 3 Monate lang elektrisch stimuliert, die andere Hälfte nicht. Anschließend erhielten alle PatientIn- nen eine kontinuierliche Stimulation mit einer Dauer von bis zu 2 Jahren. Im Vergleich zur Kontrollgruppe (14 %) verzeichneten am Ende der 3-monatigen verblindeten Phase 40 % der stimulierten PatientInnen eine deutliche Anfallsreduktion – vor allem bei schweren und komplex-fokalen Anfällen. Nach 2 Jahren zeigte sich beim Gesamtkollektiv eine mediane Anfallsreduktion von 56 %. 14 der 110 PatientInnen erzielten sogar eine zumindest 6-monatige Anfallsfreiheit. Es traten keine Blutungen oder intrazerebrale Infektionen auf, im Gruppenvergleich waren auch keine signifikanten Unterschiede im Bereich der Gedächtnisleitung oder der Stimmung aufgetreten. Eine bilaterale Elektrostimulation der vorderen Thalamusregion könnte daher in Zukunft eine mögliche zusätzliche Therapieoption bei medikamentös therapierefraktärer fokaler Epilepsie darstellen. 1 Fisher R et al., Electrical stimulation of the anterior nucleus of thalamus for treatment of refractory epilepsy, Epilepsia 2010; 51(5):899–908 55 NEUROLOGIE AKTUELL Epilepsie Report der ILAE Commission on Classification and Terminology 2005–2009 Änderung in der Klassifikation epileptischer Anfälle und Epilepsien? Störungen der kortikalen Entwicklung Veränderungen im Hippocampus als begleitende Pathologie An der Universitätsklinik für Neurologie in Innsbruck wurde die Hippocampusformation systematisch bei 220 PatientInnen mit fokaler kortikaler Dysplasie, Polymikrogyrie, Entwicklungstumoren oder periventrikulärer nodulärer Heterotopie untersucht1. Dabei wurden verschiedene Kriterien (z.B. das Ausmaß der hippocampalen Einrollung, Größe, systematische Schichtung bzw. Signalalteration im Hippocampus) von 3 unabhängigen UntersucherInnen erhoben und in Beziehung zur zugrunde liegenden kortikalen Entwicklungsstörung und klinischen Parametern gesetzt. Die Studie ergab, dass 69 der 220 PatientInnen (31 %) zusätzlich zur kortikalen Malformation eine strukturelle Beeinträchtigung des Hippocampus aufwiesen. Diejenigen PatientInnen, die sowohl eine kortikale Störung als auch eine Abnormität im Hippocampusbereich hatten, waren signifikant häufiger durch psychomotorische Entwicklungsstörungen bzw. kognitive Einbußen betroffen. Die stärksten klinisch erkennbaren Beeinträchtigungen hatten in dieser Kohorte jene PatientInnen, bei denen im MRT ein verkleinerter bzw. nur unvollständig eingerollter Hippocampus gefunden wurde. 1 56 Kuchukhidze G et al., Hippocampal abnormalities in malformations of cortical development: MRI study, Neurology 2010; 74(20):1575–82. Die letzten Vorschläge der Commission on Classification and Terminology der Internationalen Liga gegen Epilepsie (ILAE), publiziert in den Jahren 1981 und 1989, stellen die Grundlage der aktuell gültigen Einteilung und Klassifikation der Epilepsien bzw. der epileptischen Anfälle dar. Diese Leitlinien basieren jedoch auf konzeptuellen Überlegungen, die zum Teil durch die wissenschaftliche Entwicklung überholt sind – insbesondere durch Erkenntnisse der genetischen Forschung, der Molekularbiologie und verfeinerter Neuroimaging-Methoden. Um diesem Fortschritt entsprechend Rechnung zu tragen, hat es sich die Kommission daher zur Aufgabe gemacht, die derzeitig verwendete Klassifikation zu revidieren und entsprechende Änderungsvorschläge zu unterbreiten1. Revision: Bei der Klassifikation der Anfälle wird vorgeschlagen, generalisierte Ereignisse als rasch entlang bilateral verteilter neuronaler Netzwerke ausgebreitete Anfälle anzusehen. Fokale Anfälle hingegen entstehen nach diesem Konzept in einem auf eine Hemisphäre beschränkten Netzwerk und breiten sich auch nur in diesem aus. Weitere wichtige Vorschläge sind: Vereinfachung und Änderung der Unterklassifizierung der Absencen, Aufhebung der neonatalen Anfälle als eigene Entität, Einführung des Begriffes „Epileptic Spasms“ als Sonderform unklarer Anfälle und die Aufhebung der Unterscheidung einfach und komplex fokaler Anfälle. Die Wichtigkeit einer genauen Symptombeschreibung der fokalen Anfälle mit Betonung der Bewusstseinsbeeinträchtigung wird aber hervorgehoben. Auch hinsichtlich der Ursache der Epilepsie werden neue Begriffe vorgeschlagen: Anstatt „idiopathisch“, „kryptogen“ und „symptomatisch“ wird die Empfehlung der Einteilung in „genetisch bedingt“, „strukturell/metabolisch bedingt“ und „unbekannte Ursache“ abgegeben. Auch die Begriffe „fokale“ oder „generalisierte“ Epilepsie sollen zugunsten einer differenzierteren Spezifizierung in „elektro-klinische Syndrome“ (Nachweis klar definierter Kombination klinischer Symptome mit charakteristischen EEG-Veränderungen), „nichtsyndromatische Epilepsien mit struktureller/metabolischer Ursache“ und „Epilepsien unklarer Ursache“ aufgegeben werden. Insgesamt stellen diese Änderungen den Versuch dar, das vormals oft als rigide Klassifizierungssystem zugunsten einer flexibleren Sichtweise unter Einbezug aktueller und zukünftiger wissenschaftlicher Daten zu verlassen, um das Verständnis der Epilepsie als Gesamtentität auch außerhalb der Fachwelt zu fördern. 1 Berg AT et al., Revised terminology and concepts for organization of seizures and epilepsies: Report of the ILAE Commission on Classification and Terminology, 2005–2009. Epilepsia 2010; 51(4):676–685. NEUROLOGIE AKTUELL Schlafstörungen Zusammengestellt im Namen des Beirats „Schlafstörungen“: Univ.-Prof. Dr. Dr. Birgit Högl Dr. Birgit Frauscher Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM/ASRA) 2010 D Die Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung, die dieses Jahr vom 23.4.–25.4. 2010 in Igls bei Innsbruck stattfand, konnte einen TeilnehmerInnenrekord mit 177 registrierten TeilnehmerInnen verzeichnen. Schlafapnoesyndrom und Insomniebehandlung: Aus dem umfangreichen wissenschaftlichen Programm können an dieser Stelle nur einige Highlights hervorgehoben werden. Prof. Dr. Max Hirshkowitz aus Houston, Texas hielt eine Keynote Lecture zur Epidemiologie des Schlafapnoesyndroms, zu den Komorbiditäten und zur Auswirkung auf die Nutzung des Gesundheitssystems. Neben einem exzellenten Überblick stellte er auch eigene Daten aus der Veterans Affairs Database von über 400.000 PatientInnen zur Nutzung des Gesundheitssystems vor, die eindrücklich belegten, dass PatientInnen mit Schlafapnoesyndrom vermehrt Ressourcen in Anspruch nehmen, was auch aus ökonomischer Sicht die Bedeutung einer Diagnostik und Therapie des Schlafapnoesyndroms untermauert. Ein weiteres Highlight stellte die Keynote Lecture von Prof. Dr. Göran Hajak aus Regensburg dar, der einen State-of-the-Art-Vortrag zur Insomniebehandlung hielt und darüber hinaus auch künftige, noch in der klinischen Forschung befindliche Entwicklungen reflektierte. Mit einer Special Session zu den neuen ICF Core Sets für Schlafstörungen, welche von der WHO in Kollaboration mit der World Assocation of Sleep Medicine (WASM) entwi- Verleihung der korrespondierenden Vorstandsmitgliedschaft auf Lebenszeit an Univ.-Prof. Dr. Bernd Saletu für seine großen Verdienste um die Schlafmedizin in Österreich. Die Überreichung erfolgte durch die Präsidentin der ÖGSM, Univ.-Prof. Dr. Birgit Högl. ckelt wurde, referierte kein Geringerer als der Past President der WASM, Prof. Dr. Markku Partinen aus Finnland, sowie der in der Entwicklung maßgeblich Beteiligte, Dr. Felix Gradinger aus der Schweiz. Interessant an dieser Klassifikation ist, dass damit erstmals funktionelle Beeinträchtigungen von PatientInnen mit schlafmedizinischen Erkrankungen systematisch erfasst und beurteilt werden können. Anklang fand auch die Präsentation von Dr. Schwarting zu Alternativen zur nCPAP-Therapie des Schlafapnoesyndroms mittels Protrusionsschienen. Eine weitere Neuerung der diesjährigen Jahrestagung stellten 4 hochkarätige Industriesymposien zum Restless-Legs-Syndrom, zur Narkolepsie, zu Schlafstörungen und somatischen Symptomen bei Major Depression sowie zu erhöhter Tagesschläfrigkeit dar. Unter anderem wurden die eine Woche zuvor bei der American Academy of Neurology vor- gestellten 5-Jahres-Daten zu Rotigotin bei Restless-Legs-Syndrom von Prof. Dr. Diego Garcia-Borreguero erstmals in Europa präsentiert. Die Ergebnisse der Studie konnten einen guten Langzeiterfolg von Rotigotin in der RLS-Therapie belegen. Fazit: Die Programm-Mischung der diesjährigen Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung reflektierte das interdisziplinäre Konzept der Schlafmedizin und war von großem Interesse sowohl für KollegInnen aus der Praxis als auch für forschungsinteressierte KollegInnen. Neben den international besetzten Keynote Lectures und Industriesymposien gab es auch 3 Teaching Courses und eine wissenschaftliche Sitzung zu neuen Ergebnissen der Schlafmedizin aus Österreich mit insgesamt 12 sehr interessanten Forschungsbeiträgen sowie einen eigenen Programmteil für das technische Personal. 59 NEUROLOGIE AKTUELL Schlaganfall International PSS Disability Study Group zum Schlaganfall-Disease-Management Verbesserte Identifikation und Intervention bei Post-Stroke-Spastizität Langzeitkomplikationen nach Schlaganfall sind häufig und können eine schwere Behinderung darstellen. Einen wichtigen Anteil stellen spastizitätsbedingte Behinderungen dar. Obwohl Spastizität allein bei bis zu 60 % aller Schlaganfälle auftritt, ist eine spastizitätsrelevante Behinderung nach einem Jahr lediglich in etwa 4 % aller Fälle festzustellen. S Spastizität kann wichtige Funktionen des täglichen Lebens beeinträchtigen, vor allem, wenn gleichzeitig Schmerzen vorliegen, ebenso wenn motorische Einschränkungen oder eine generelle Abnahme von kognitiven Fähigkeiten oder neurologischen Funktionen vorhanden sind. Es ist wichtig, die Folgeerscheinungen des Schlaganfalls als eine chronische Erkrankung zu erkennen, die über mehrere medizinische Disziplinen und auf mehreren Ebenen behandelt werden muss. Spastizitätsbedingte Behinderung Es gibt jedoch erhebliche Wissenslücken im Hinblick auf die Vorhersage und das Erkennen der Post-Stroke-Disability, die durch Spastizität wesentlich bestimmt ist, d.h. eine im Gefolge des Schlaganfalls aufgetretene spastizitätsbedingte Behinderung (Post-Stroke Spasticity-related Disability). Interventionen, die dazu dienen, solche Behinderungen zu verhindern oder zu minimieren, müssen weiterentwickelt und evaluiert werden. Die Post-Stroke-Spastizitätsforschung sollte zum Ziel haben, die Behinderung und nicht lediglich die Spastizität zu reduzieren. Damit wird es möglich, die durch Spastizität hervorgerufenen Behinderungen frühzeitig zu erkennen und optimal im Rahmen des chronischen Disease-Management zu behandeln. Die International PSS Disability Study Group kam weiters zu folgenden Schlussfolgerungen: • Die Last der Krankheit Schlaganfall ist in allen Weltteilen im Zunehmen. In manchen 60 Weltregionen hat die Inzidenzrate innerhalb der letzten 4 Jahrzehnte um über 100 % zugenommen. Der Schlaganfall ist eine klinisch sehr heterogene Erkrankung, die häufigsten Ausfälle sind zwar sensomotorische Paresen, jedoch kommen eine Fülle von neuropsychologischen, emotionalen und neuropsychiatrischen Störungen hinzu. • Das Riks-Stroke-Registry (das schwedische Schlaganfallregister) zeigt in der 2-Jahres-Erhebung, dass nahezu 40 % aller Überlebenden Unterstützung beim Gehen außer Haus benötigen, rund 25 % jeweils Unterstützung beim Anziehen und der täglichen Hygiene, 20 % Unterstützung beim Toilettenbesuch, 15 % Unterstützung bei Gehen im eigenen Haus und 7 % Unterstützung beim Essen. Nach 2 Jahren sind die Symptome vertieft, Depression, Angststörung und Schmerzen ausgesprochen häufig. • Während die Rückbildung motorischer Funktionen bei den meisten PatientInnen innerhalb von 3–6 Monaten komplett erfolgt, gibt es eine Minorität von PatientInnen, die einer längeren Rehabilitationszeit bedürfen. • Nach 1 Jahr beträgt nach neueren Studien die Prävalenz der Spastizität 17 %, jedoch sind lediglich 4 % als behindernde Spastizität anzusehen (Abb.). Diese Patientengruppe ist besonders wichtig, da frühzeitige Intervention zu einer Linderung der Spastizität und somit zu einer Verbesserung von neurologischen Funktionen führen kann. Ein genaues Assessment dieser Funktionen ist erforderlich, wobei gezielt jeweils an der oberen und unteren Extremität ge- Abb.: Prävalenz der behindernden Spastizität nach 1 Jahr 4% 13 % keine Spastizität Spastizität behindernde Spastizität 83 % Lundström E et al., Eur J Neurol 2008; 15(6):533–539 Zusammengestellt im Namen des Beirats „Schlaganfall“: Prim. Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Brainin Neurologische Abteilung, Landesklinikum Donauregion Tulln und Donau-Universität Krems sucht werden soll. Unbehandelte bzw. persistierende Post-Stroke-related Disability führt zu funktionellen Einschränkungen und zu einer Reduktion der Lebensqualität. • Die direkten Kosten von Schlaganfallüberlebenden mit Post-Stroke-Spastizität sind 4-fach höher als für jene Schlaganfallüberlebenden ohne Spastizität. • Prädiktoren der behindernden PostStroke-Spastizität sind bisher unzureichend bekannt. Verlaufsstudien sind dafür erforderlich. Die Definition der Post-Stroke-Spastizität ist in der Literatur uneinheitlich, und die Ashworth Scale ist gerade im gering bis mäßig ausgeprägten Bereich nicht ausreichend konsistent. • Es erfolgt ein „Call to Action“, der beinhaltet, dass alle Schlaganfallüberlebenden ein umfassendes Assessment der Behinderungen, die in Zusammenhang mit Post-Stroke-Spastizität auftreten können, erhalten sollen. Ein Plan für dieses Assessment sollte nach 3, 6 und 12 Monaten erfolgen, danach weiterhin jährlich und ebenso bei Schnittstellen der Betreuung. Weiters müssen PatientInnen Zugang zu zielorientierten, multidisziplinären Behandlungsmöglichkeiten haben. Die International PSS Disability Study Group* besteht aus folgenden Personen: Michael Brainin (Krems), Bo Norrving (Lund), Geoffrey A. Donnan (Melbourne), Larry B. Goldstein (Durham), Katharina Summerhagen (Göteborg), Richard Zorovitz (Baltimore) , Gerard Fransico (Houston) , David Good (Hershey), Glen Graham (Albuquerque), John Olver (Clayton), Antony Ward (Stoke on Trent), Jörg Wissel (Berlin), Steven Cramer (Irvine), Pamela Duncan (Durham), Brett M. Kissela (Cincinnati) * Funding: Allergan International, es bestand kein Einfluss des Sponsors auf Inhalt oder Abfassung aller in diesem Kreis erarbeiteten oder publizierten Schriftstücke, und kein Mitglied dieser Gruppe erhielt Zuwendungen oder Honorare für das Schreiben von wissenschaftlichen Berichten oder Publikationen NEUROLOGIE AKTUELL Schmerz Österreichische Kopfschmerzgesellschaft Kopfschmerz-Diskussionsforum I Immer wieder gibt es im Praxisalltag Momente, in denen wir mit schwierigen und auf den ersten Blick unklaren Beschwerdebildern konfrontiert werden. Wir alle kennen Kopfschmerz-PatientInnen, die diagnostisch und therapeutisch eine Herausforderung darstellen. Im Kopfschmerzforum unter www.oeksg.at haben Sie die Möglichkeit, Ihre Fälle vorzustellen und mit KollegInnen zu diskutieren. ExpertInnen der Kopfschmerzgesellschaft werden sich bemühen, zur Klärung beizutragen. Die Kopfschmerzgesellschaft möchte Sie herzlich einladen, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, und wir freuen uns auf Ihre Dis- kussionsbeiträge! Das Kopfschmerzforum ist unter www.oeksg.at freigeschalten und derzeit frei benützbar. MR Dr. Albert Wuschitz Österreichische Kopfschmerzgesellschaft 61 NEUROLOGIE AKTUELL Neuromuskuläre Erkrankungen Sonographie der Nerven und Muskeln im klinischen Alltag D Die Sonographie der Nerven und Muskeln als diagnostisches Hilfsmittel neuromuskulärer Erkrankungen gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der Ultraschall ist im Vergleich zum häufig eingesetzten MRT oder CT günstig in Bezug auf Anschaffung und Gerätewartung, ohne Röntgenbelastung für die PatientInnen und rasch verfügbar. Zusätzlich ist nicht nur eine statische, sondern auch eine dynamische Untersuchung im Sinne von Beurteilung der Beweglichkeit von Sehnen, Muskeln und „Nervengleiten“ während der Untersuchung möglich. Allerdings ist die Interpretation des Ultraschallbefundes von der Erfahrung des Untersuchers/der Untersucherin stark abhängig und die Gefahr der Überinterpretation mehr gegeben als bei anderen bildgebenden Untersuchungstechniken. Mit Hilfe moderner Softwareausstattung der Ultraschallgeräte, z.B. Compound Imaging, Tissue Harmonic Imaging und hochfrequenter Linearschallköpfe ist eine bessere Auflösung feiner Strukturen möglich. Transversal-/Longitudinalschnitt: Die Durchführung des Nerven- und Muskelultraschalls wird sowohl im Transversal- als auch im Longitudinalschnitt durchgeführt. Um eine bessere Schallkopfankoppelung auf der Körperoberfläche zu erreichen, z.B. bei prominenten Knochenvorsprüngen, werden Vorlaufstrecken eingesetzt. Im Gegensatz von elektrophysiologischen Techniken können so die Morphologie, Vaskularisation und Bewegungen von Strukturen (z.B. Sehnen, Muskeln, Nervengleiten ...) beurteilt werden. In der transversalen Schnittebene stellt sich der Nerv als hypoechogene runde Struktur dar, korrespondierend zu den Faszikelgruppen, die von einem echogenem Geflecht, dem Epineurium, umgeben sind. In der longitudinalen Schnittebene zeigen sich kontinuierliche hypoechogene Streifen mit echogenen Trennschichten. 64 Die Skelettmuskulatur zeigt sich im Querschnitt echoarm, und die intramuskulären Septen imponieren als echogene „Tüpfelung“. Im Längsschnitt zeigt sich die Skelettmuskulatur ebenso echoarm mit typischer Fiederung. Die intramuskulären Septen kommen als feine, fast annähernd parallel angeordnete Echos zur Abbildung. Die Muskelfaszie stellt sich echogen dar. Die Echogenität der Skelettmuskulatur ist abhängig vom Alter, Geschlecht und Trainingszustand der PatientInnen sowie von der Geräteeinstellung und vom Anschallwinkel. Mononeuropathien: Die derzeitige Domäne des Nervenultraschalls sind die Mononeu- ropathien, einerseits im Sinne der EngpassSyndrome („Entrapment“-Syndrome), andererseits in der Traumatologie. Bei den kompressiven Neuropathien findet man eine Kaliberänderung am Ort der Kompression mit Abflachung der Nerven. Proximal der Kompression des Nervs sieht man eine Auftreibung mit einem Verlust der faszikulären Gliederung durch das endoneurale Ödem. Häufig zugewiesene kompressive Neuropathien sind das Karpaltunnelsyndrom, das Sulcus-ulnarisSyndrom und Kompression des N. peronaeus im Bereich des Fibulakopfes. Auch lassen sich sensible Nerven, die elektrodiagnostisch schwer zu messen sind (N. cut. fem. lat), gut darstellen. Abb. 1: Karpaltunnelsyndrom : N. ulnaris; : Art. ulnaris; : Flexorensehnen; ✩: N. medianus Abb. 2: Sulcus-ulnaris-Syndrom ✩: Olecranon; : Epicondylus med. Zusammengestellt im Namen des Beirats „Neuromuskuläre Erkrankungen“: Dr. Vera Prim. Univ.-Prof. Dr. Wohlgenannt Wolfgang Grisold Neurologische Abteilung, Kaiser-Franz-Josef-Spital Wien, LBI für Neuroonkologie Abb. 3: Musculus extensor digitorum communis Die Sonographie ist als gute Screeningmethode in der Untersuchung von Nerven, Muskeln und auch Tumoren einsetzbar. Eine Aussage über die Dignität der Tumoren kann anhand der Sonographie jedoch nicht getätigt werden. Neurinome und Neurofibrome zeigen sich in der Sono- Abb. 4: gesunder N. medianus : N. medianus; ✩: Flexorensehnen graphie als gut abgegrenzte rundliche Raumforderungen mit echoreichem Rand. Traumatologische Fragestellungen z.B. Nervendurchtrennung, Neurombildung, Narbengewebe, Fremdkörperdarstellung sowie postoperative Veränderungen können sonographisch leicht dargestellt werden. In der Myotonologie können Muskelatrophien, Fettgewebe, entzündliche Veränderungen, Ödem und Hämatome zur Ansicht gebracht werden. Aufgrund des Vorteils der dynamischen Untersuchungsmöglichkeit können Faszikulationen rasch und schmerzfrei und in vielen Muskeln nachgewiesen werden. Auch die Darstellung und Beurteilung des Zwerchfells ist möglich. Bei Durchführung eines Zwerchfell-EMG kann mit Hilfe des Ultraschalls die Nadelinsertion, vor allem bei paralytischem oder atrophen Diaphragmas, sicher durchgeführt werden. Weiters wird in der Literatur eine höhere Treffsicherheit im Zielmuskel bei ultraschallgestützter Botulinumtoxin-Verabreichung beschrieben. Die Modernisierung der Ultraschalltechnik ermöglichte eine verbesserte Darstellung von Nerven und Muskeln, sodass die Sonographie zu einem wichtigen diagnostischen und auch in manchen Bereichen therapeutischen Instrument (sonographiegezielte Verabreichungen von Bolulinumtoxin oder von Anästhetika bei Meralgia parästhetica) neuromuskulärer Erkrankungen wurde. Literatur: - Peer S, Bodner G (ed.), High-Resolution Sonography of the Peripheral Nervous System. 2008; Springer, Berlin, Heidelberg - Reimers CD et al. (Hg.), Sonographie der Muskeln, Sehnen und Nerven. 2007; Deutscher Ärzte Verlag, Köln - Boon AJ et al., Ultrasound- guided needle EMG of the diaphragm. Muscle&Nerve 2008; 38(6):1623–6 65 NEUROLOGIE AKTUELL Multiple Sklerose Kongress der American Academy of Neurology 2010 – MS-Update 66 Vergleichstudie Glatirameracetat: In dieser Studie wurde Glatirameracetat 1-mal täg- Dalfampridin: Mit Dalfampridin wurden 2 Studien mit dem primären Endpunkt, Anzahl Teriflunomid als Add-on-Therapie zu Glatirameracetat: In dieser Phase-I-Studie über 24 Wochen erhielten alle PatientInnen Glatirameracetat und zusätzlich Placebo (41 PatientInnen), 7 mg Teriflunomid (42 PatientInnen) oder 14 mg Teriflunomid (40 PatientInnen). Primärer Endpunkt: 7 Therapieabbrüche wegen erhöhter Leberwerte unter Teriflunomid. Sekundäre Endpunkte: Die Anzahl der T1-Gadolinium-anspeichernden Läsionen war in den Teriflunomid-Gruppen signifikant erniedrigt. Abb.: Darstellung verschiedener Definitionen des Therapieansprechens am Beispiel der CLARITY-Studie Placebo 3,5 mg/kg 5,25 mg/kg 80 70 60 50 40 30 20 - e ität och den und kein t e n ig ktiv e ern n, ion ät und ktivitä itsa linisch t hüb häng ät ess ktivit eich sione rn r e c b p S g h u s ä b ivit Pro RI-A -an 2-Lä ete ank er k tivit Sch MRI-A der na we ion, u I-Akt ine ine M i Kr t wed RI-Ak ium uen T Param ein e e k n l i k r R l s e s te M ke ado e ne hen gre von M kein edeu noch 1-G ein isc Pro b en e T und k n klin n h i c e i k en g vo Ze gi ion Läs abhän n u - - 0 - - 10 - FREEDOMS-Studie: Diese untersuchte Fingolimod in den Dosierungen von 1,25 mg und 0,5 mg 1-mal täglich als Tablette über 2 Jahre an 1272 PatientInnen. Primärer Endpunkt war die jährliche Schubrate. Ergebnisse: Die Schubraten in der PlaceboGruppe betrugen 0,40; unter 0,5 mg Fingolimod 0,18, unter 1,25 mg Fingolimod 0,16. Signifikante Ergebnisse sekundärer Studienziele: Verzögerung der EDSS-Progression, Reduktion der MR-Aktivität und Hirnatrophie in beiden Fingolimod-Gruppen. Nebenwirkungen (selten): Bradykardien, die unmittelbar nach Behandlungsbeginn auftraten, sowie Makulaödeme, die nach Absetzen voll reversibel waren. Neoplasien waren in den Placebo- und Fingolimod-Gruppen etwa gleich verteilt. lich s.c. versus 2-mal pro Woche über 2 Jahre bei jeweils 24 PatientInnen pro Gruppe untersucht. Schubraten, EDSS-Score und die MRI-Aktivität waren in beiden Gruppen vergleichbar. Ein Unterschied bestand in Hinblick auf die Lipoatrophie an den Injektionsstellen und auf die üblichen Nebenwirkungen zu Gunsten der Gruppe mit 2-maligen Injektionen pro Woche. - Randomisierte kontrollierte doppelblinde Therapie-Studien CLARITY-Studie: Zwei Cladribin-Gruppen, 5,25 mg/kg und 3,5 mg/kg wurden gegen Placebo über 2 Jahre bei insgesamt 1.326 PatientInnen geprüft. Das Dosierungsschema sah zu Beginn eines Jahres die Einnahme über 5 Tage im 1. Monat und weiteren 5 Tagen im 2. Monat vor. Ergebnisse: Die Schubrate in der PlaceboGruppe betrug 0,33, unter 3,5 mg/kg Cladribin 0,14, unter 5,25 mg/kg Cladribin 0,15. Signifikante Ergebnisse sekundärer Studienziele: Anzahl der schubfreien PatientInnen, Krankheitsprogression und MR-Läsionen. Verschiedene Varianten der Beurteilung des Therapieerfolges sind in der Abbildung dargestellt. Schwerwiegende Nebenwirkungen: Maligne und benigne Neoplasien bei 10 PatientInnen in den Verum-Gruppen, kein Fall unter Placebo. Herpes zoster bei 20 PatientInnen in den Cladribin-Gruppen, kein Patient unter Placebo. - Bei den unten angeführten Studien handelt es sich meiner Meinung nach um die wichtigsten Beiträge aus einer Auswahl von Hunderten Abstracts zum Thema multiple Sklerose beim diesjährigen AAN-Kongress. Insgesamt wurden bei den Therapiestudien keine wesentlichen neuen Daten vorgestellt. Die Phase-III-Ergebnisse zu Cladribin und Fingolimod sind bereits publiziert, und es ist mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit mit einer Zulassung dieser Präparate in der nahen Zukunft zu rechnen. Die Auflagen der Behörden im Bezug auf Risiko-Nutzen-Abschätzungen bleiben abzuwarten. Viele der experimentellen Arbeiten waren grundsätzlich sehr interessant, oft darf jedoch die Relevanz für multiple Sklerose hinterfragt werden. Angesichts der therapeutischen Erfolge der letzten zwei Jahrzehnte scheint sich nun ein größerer Markt zu eröffnen, und es wird mit einer Vielzahl von verschiedenen Ansätzen versucht, sich diesem Markt anzuschließen. % B Zusammengestellt für den Beirat „Multiple Sklerose“: Univ.-Prof. Dr. Florian Deisenhammer Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck Tab.: Studien, in denen das primäre Studienziel nicht erreicht wurde Population Verum (Anzahl PatientInnen) Kontrollsubstanz (Anzahl PatientInnen) Primärer Endpunkt Sekundäre Endpunkte RRMS Lamotrigin (61) Placebo (59) Zentrales Gesamtes Hirnzerebrales volumen, Volumen Volumen in MRI weiße Substanz Signifikant schlechteres Ergebnis in Bezug auf die sekundären Ziele in der Verumgruppe RRMS CDP 323 (oraler Placebo ␣-4--1-Inhibitor) 1. Gruppe 500 mg tägl. 2. Gruppe 500 mg jeden 2. Tag Kumulative ? Anzahl neuer MR-Läsionen mit 3-fach-Dosis Gadolinium Nach Interimsanalyse abgebrochen MS mit Gedächtnisdefizit Donepezil Placebo Verbesserung im Andere Rey-Auditorykognitive Verbal-Learning- Tests Test – CIS Atorvastatin Placebo 3 neue T2-LäAnzahl PatientInnen Signifikant besseres Ergebnis sionen oder ein ohne neue T2-Läin Hinblick auf sekundären Schub in 12 Mo- sionen Endpunkt zugunsten Verum naten MS mit Depression Omega-3-Fettsäure Sojaöl Verbesserung der Montgomery-Asberg-DepressionRating-Scale Becks Depression Inventory, Quality of Life (SF-36), MSFC Bemerkungen Signifikante Besserung bezüglich primären Endpunkts in beiden Gruppen, signifikanter Unterschied der PASAT-Ergebnisse zugunsten Verum RRMS = Relapsing-Remitting MS; CIS = Clinically Isolated Syndrom der Responder beim 25-Fuß-Gehtest, bei einer gemischten Population mit schubhafter und progredienter MS mit einem durchschnittlichen EDSS-Score von ca. 5,5 durchgeführt. Die Responder-Rate betrug unter Placebo 8 % bzw. 9 %, unter Verum 35 % bzw. 43 %. Die Nebenwirkungsrate war zwischen Verum- und Placebo-Gruppen vergleichbar. In der Extensionsstudie blieb die Ratio von Respondern zu Non-Respondern über eine Dauer von 2 ½ Jahren erhalten. Auswahl von Beobachtungsund explorativen Studien • In therapeutische Beobachtungsstudien ohne Aussage über die Wirksamkeit wurde Natalizumab bei pädiatrischer MS, T-Zell-Rezeptor-Ligand (TLR1000) bei schubhafter MS und Mitoxantron bei Neuromyelitis optica untersucht. Diese Studien zeigten eine gute Verträglichkeit, aber bei kleinen Fallzahlen. • Bei MS-PatientInnen mit Fatigue kommt es fast immer zu Schlafstörungen, seltener bei PatientInnen ohne Fatigue. Meist handelt es sich dabei um PLMS und RLS, Insomnie sowie OSAS (obstruktives Schlafapnoesyndrom). • Die Identifizierung früher klinischer Prädiktoren der Krankheitsprogression bei 382 PatientInnen der PRISMS-Studie (Rebif-Zulassungsstudie) zeigte, dass lediglich die Progression der Hirnatrophie bzw. des EDSS für das Outcome nach 8 Jahren signifikant prädiktiv waren. Alle anderen untersuchten Variablen zeigten keinen prädiktiven Wert, insbesondere nicht die Schubrate. • Analysen von JC-Virus mittels PCR an ca. 12.000 Proben von etwa 1.400 PatientInnen, darunter 5 Fälle von PML, zeigten eine Häufigkeit von JCVirus im Plasma und in Blutzellen unter 1 %, im Harn von ca. 25 %. Unter der Natalizumab-Therapie wurden keine Änderungen beobachtet, alle 5 PMLPatientInnen waren vor PML PCRnegativ. JC-Virus DNA dient also nicht zur Risikoabschätzung einer PML. Etwas vielversprechender scheint der JC-Virus-Antikörper-Test. Von ca. 800 PatientInnen waren 54 % unter Natalizumab positiv. Alle 13 getesteten PML-PatientInnen waren vor Ausbruch positiv. Dies bedeutet eine sehr geringe Sensitivität, aber eine annähernd 100%ige Spezifität dieses Tests. 67 NEUROLOGIE AKTUELL Autonome Störungen Multisystematrophie – Tiermodelle und neue Therapieansätze D Die Multisystematrophie (MSA) ist eine neurodegenerative Krankheit, die dem Spektrum der ␣-Synucleinopathien zugerechnet wird und sich klinisch durch autonomes Versagen (obligat), Parkinsonismus (MSA-P-Subtyp als Ausdruck einer striatonigralen Degeneration [SND], in Europa 80 %) und zerebelläre Ataxie (MSA-C-Subtyp als Ausdruck einer olivopontozerebellären Atrophie [OPCA], in Europa 20 %) auszeichnet.1–3 Das durchschnittliche Erkrankungsalter liegt bei etwa 55 Jahren1, die Krankheitsdauer beträgt 8–9 Jahre. Die verfügbare medikamentöse Therapie ermöglicht allenfalls eine passagere Besserung der autonomen Symptome bzw. des Parkinson-Syndroms, die MSA-assoziierte Ataxie ist pharmakologisch nicht behandelbar. Krankheitsmodifizierende Therapien sind bislang nicht zugelassen. Aus diesem Grund sind in den letzten Jahren verschiedene Tiermodelle der MSA entwickelt worden, um neue Einsichten in die Pathogenese und davon ausgehend neuroprotektive und neurorestaurative Therapiestrategien zu evaluieren (Abb. 1). MSA-Tiermodelle: State of the Art Die ersten In-vivo-Modelle für MSA beruhten auf der Verwendung von Neurotoxinen, die gezielt MSA-typische Läsionsmuster, vor allem im Bereich des Striatums und der Substantia nigra pars compacta, erzeugen können. So wurde 6-Hydroxydopamin (6-OHDA), ein Analogon des Neurotransmitters Dopamin in Kombination mit Quinolinsäure (QA), u 70 Abb. 1: Strategien zur Erzeugung von MSA-Tiermodellen13 Humane MSA-Pathologie SND OPCA GCIs Astrogliose Mikrogliaaktivierung ␣-Synuklein transgene Modelle ToxinModelle Die verschiedenen neuropathologischen Kennzeichen der MSA werden in unterschiedlichen Tiermodellen reproduziert. SND = striatonigrale Degeneration; OPCA = olivopontozerebelläre Atrophie; GCI = gliale zytoplasmatische Einschlüsse Abb. 2: Pathogene Mechanismen in transgenen MSA-Maus-Modellen3 Zytoplasmatische Einschlüsse Chronischer oxidativer Stress 1 Mikrogliaaktivierung 2 Exogener oxidativer Stress ␣-Synuklein ␣-Synukleinopathie in Oligodendroglia 3 Neuronaler Zelltod ␣-Synuklein-Aggregation in Axonen Mitochondriale Dysfunktion Drei neuronale Zelltod-Mechanismen konnten in transgenen MSA-Maus-Modellen identifiziert werden: (1) ␣-Synuklein-Einschlüsse aktivieren Mikroglia, dies führt zu oxidativem Stress und Zelltod14, 15. (2) ␣-Synuklein-Einschlüsse erhöhen die Anfälligkeit für exogenen oxidativen Stress und verursachen dadurch Zelltod in striatonigralen und olivopontozerebellaren Regionen15. (3) ␣-Synuklein-Einschlüsse führen zu axonaler ␣-Synuklein-Aggregation10; diese wird von mitochondrialer Pathologie begleitet3, 11 Zusammengestellt im Namen des Beirats „Autonome Störungen“: DI (FH) Daniela Kuzdas, Priv.-Doz. Dr. Nadia Stefanova, Univ.-Prof. DDr. Gregor K. Wenning MSc Neurodegenerationsforschungslabor, Abteilung für klinische Neurobiologie Universitätsklinik für Neurologie, Medizinische Universität Innsbruck Abb. 3: Rasagilin reduziert das Ausmaß der striatonigralen Degeneration (a) sowie der olivopontozerebellären Atrophie (b)17 (b) (a) A A Striatum 75.000 Anzahl per mm3 500.000 Anzahl der Neuronen Purkinje-Zellen 400.000 300.000 200.000 - 50.000 - 25.000 - 100.000 0- 0Kontrollen MSA R 0,8 Kontrollen R 2,5 B B MSA R 0,8 R 2,5 pontine Kerne SNc 3.000 - Neuronen Anzahl der Neuronen 10.000 7.500 5.000 - 2.000 - 1.000 - 2.500 - 0Kontrollen MSA R 0,8 R 2,5 0Kontrollen MSA R 0,8 R 2,5 C (b) Morphometrie der olivopontozerebellären Projektion in gesunden KontrollMäusen sowie Placebo und Rasagilin (R 0,8 = 0,8 mg/kg oder R 2,5 = 2,5 mg/kg) behandelten MSA-Mäusen. Purkinje-Zellen (A), pontine Kerne (B) und Nucleus olivaris inferior (C) zeigen signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen. *** p < 0,001; ** p < 0,01; * p < 0,05. 7.500 Anzahl der Neuronen (a) Anzahl der Neuronen in Striatum (A) und Substantia nigra pars compacta (B) in gesunden Kontroll-Mäusen sowie mit Placebo und Rasagilin (R 0,8 = 0,8 mg/kg oder R 2,5 = 2,5 mg/kg) behandelten MSA-Mäusen. DARPP32Färbungen des Striatums und TH-Färbungen der Substantia nigra zeigen signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen. *** p < 0,001; ** p < 0,01; * p < 0,05; Nucleus olivaris inferior 5.000 - 2.500 - 0Kontrollen MSA R 0,8 R 2,5 71 NEUROLOGIE AKTUELL Autonome Störungen verwendet, um in Ratten eine unilaterale SND durch stereotaktische Applikation zu reproduzieren4. In Mäusen wurden systemisch MPTP (1-methyl-4-phenyl-1,2,3,6-tetrahydropyridine) und 3-Nitropropionsäure zur Erzeugung einer bilateralen MSA-Pathologie mit der SND und OPCA eingesetzt5, 6 (Abb. 1). Diese Modelle verursachen MSAähnlichen neuronalen Zelltod, ihnen fehlen allerdings die sog. oligodendroglialen cytoplasmatischen ␣-Synuklein-Einschlüsse (GCI, Glial Cytoplasmic Inclusions), die zwingend für die neuropathologische Diagnose der Erkrankung erforderlich sind7. Zudem konnten rezente genomische MSA-Studien ein erhöhtes Krankheitsrisiko verschiedener Single Nucleotide Polymorphisms (SNP) im ␣-Synuklein-Gen nachweisen8, 9. Diese Erkenntnisse haben zur Entwicklung verschiedener transgener MSA-Tiermodelle beigetragen bzw. deren Rationale bestätigt (Abb. 1). Ein Transgen-Konstrukt kodierend für humanes ␣-Synuklein in Kombination mit oligodendrozytenspezifischen Promotoren10–12 wird hierfür in das Maus-Genom integriert. Anhand dieser transgenen MSA-Modelle wurde von drei verschiedenen Forscher1 2 3 4 5 6 7 Wenning GK, Colosimo C, Geser F, Poewe W, Multiple system atrophy. Lancet Neurol 2004; 3:93–103 Gilman S, Wenning GK, Low PA et al., Second consensus statement on the diagnosis of multiple system atrophy. Neurology 2008; 71:670–676 Stefanova N, Bucke P, Duerr S, Wenning GK, Multiple system atrophy: an update. Lancet Neurol 2009; 8:1172–1178 Wenning GK, Granata R, Laboyrie PM et al., Reversal of behavioural abnormalities by fetal allografts in a novel rat model of striatonigral degeneration. Mov Disord 1996; 11:522–532 Davis GC, Williams AC, Markey SP et al., Chronic Parkinsonism secondary to intravenous injection of meperidine analogues. Psychiatry Res 1979; 1:249–254 Nakao N, Brundin P, Effects of alpha-phenyl-tert-butyl nitrone on neuronal survival and motor function following intrastriatal injections of quinolinate or 3-nitropropionic acid. Neuroscience 1997; 76:749–761 Wakabayashi K, Takahashi H– Cellular pathology in 72 gruppen (Innsbruck, Philadelphia, San Diego) die pathogenetische Relevanz der Oligodendroglia-Pathologie in vivo untersucht. Drei therapeutisch relevante Mechanismen des Zelltodes verursacht durch ␣-Synuklein-Einschlüsse konnten bis jetzt bereits beschrieben werden (Abb. 2). Warum neue MSA-Modelle? Die MSA ist eine Erkrankung des mittleren bis späteren Erwachsenenalters. In letzter Zeit wurden daher Versuche initiiert, induzierbare Tiermodelle mit verzögert auftretender MSAPathologie zu entwickeln. Diese Modelle beruhen auf Tet-on-, Tet-off- oder Cre-Systemen16; sie reproduzieren das altersabhängige Auftreten und stellen daher ein ergänzendes präklinisches Testbett für das Screening von neuroprotektiven Kandidaten-Substanzen dar. Erfolgreiche translationale Therapie-Forschung am Beispiel von Rasagilin Vielversprechende Ergebnisse konnten aus neuesten Tierversuchsstudien mit neuropro- multiple system atrophy. Neuropathology 2006; 26:338–345 Scholz SW et al., SNCA variants are associated with increased risk for multiple system atrophy. Ann Neurol 2009; 65(5):610–4 9 Al-Chalabi A et al., Genetic variants of the alphasynuclein gene SNCA are associated with multiple system atrophy. PloS One 2009; 4(9):e7114 10 Yazawa I, Giasson BI, Sasaki R et al., Mouse model of multiple system atrophy alpha-synuclein expression in oligodendrocytes causes glial and neuronal degeneration. Neuron 2005; 45:847–859 11 Shults CW, Rockenstein E, Crews L et al., Neurological and neurodegenerative alterations in a transgenic mouse model expressing human alpha-synuclein under oligodendrocyte promoter: implications for multiple system atrophy. J Neurosci 2005; 25:10689–10699 12 Kahle PJ, Neumann M, Ozmen L et al., Hyperphosphorylation and insolubility of alpha-synuclein in transgenic mouse oligodendrocytes. EMBO Rep 2002; 3:583–588 8 tektiven Agenzien wie Rasagilin17 gewonnen werden. In ␣-Synuklein-überexprimierenden MSA-Mäusen wurde mittels oxidativem Stress eine MSA-ähnliche Pathologie erzeugt. Anschließend wurden verschiedene Dosierungen von Rasagilin (0,8 mg/gk und 2,5 mg/kg) mit einer placebobehandelten MSA-Gruppe und gesunden Tieren verglichen. Es konnten signifikante Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen gezeigt werden. Die höhere Dosierung von Rasagilin (2,5 mg/kg) wies eindeutige neuroprotektive Effekte in Striatum sowie Substantia nigra pars compacta auf (Abb. 3a). Auch in Bezug auf olivopontozerebelläre Atrophie konnten diese Ergebnisse bestätigt werden (Abb. 3b). Die Analyse der motorischen Tests zeigte ebenfalls deutliche Verbesserung nach Einsatz von Rasagilin. Aufgrund dieser Ergebnisse wurde vor einigen Monaten eine Phase-II-Studie gestartet (Principal Investigator: Univ.-Prof. Dr. Werner Poewe, Innsbruck), mit dem Ziel, mögliche krankheitsmodifizierende Effekte von Rasagilin bei MSA-P-PatientInnen nachzuweisen. Weitere translationale Therapieprojekte sind in Planung. 13 Stefanova N, Tison F, Reindl M et al., Animal models of multiple system atrophy. Trends Neurosci 2005; 28:501–506 14 Stefanova N, Reindl M, Neumann M et al., Microglial activation mediates neurodegeneration related to oligodendroglial alpha-synucleinopathy: implications for multiple system atrophy. Mov Disord 2007; 22:2196–2203 15 Stefanova N, Reindl M, Neumann M et al., Oxidative stress in transgenic mice with oligodendroglial alphasynuclein overexpression replicates the characteristic neuropathology of multiple system atrophy. Am J Pathol 2005; 166:869–876 16 Nuber S, Petrasch-Parwez E, Winner B et al., Neurodegeneration and motor dysfunction in a conditional model of Parkinson's disease. J Neurosci 2008; 28:2471–2484 17 Stefanova N, Poewe W, Wenning GK, Rasagiline is neuroprotective in a transgenic model of multiple system atrophy. Exp Neurol 2008; 210:421–427 NEUROLOGIE AKTUELL Neurogeriatrie Zusammengestellt im Namen des Beirats „Neurogeriatrie“: Prim. Univ.-Prof. Dr. Bernhard Iglseder Universitätsklinik für Geriatrie, Gemeinnützige Salzburger Landeskliniken Betriebsgesellschaft mbH Christian-Doppler-Klinik | Paracelsus Medizinische Privatuniversität Demenz – Stellenwert vaskulärer Risikofaktoren D Die Prävalenz der Demenzerkrankungen steigt stark an: Für 2040 wird eine Verdoppelung der Zahl der Betroffenen prognostiziert. Präventive Aspekte gewinnen zunehmend an Bedeutung, da eine Verzögerung des Krankheitsbeginns um 5 Jahre die Erkrankungsprävalenz um rund 50 % reduzieren könnte. Kardiovaskuläre Risikofaktoren sind als therapeutische Ziele relevant, da sie sowohl als Determinanten der Atherosklerose als auch im Rahmen der Beta-Amyloid-Aggregation bzw. Neurofibrillenformation eine Rolle spielen. Es wird angenommen, dass zerebrovaskuläre Schädigungen, Veränderungen der weißen Hirnsubstanz und asymptomatische Alzheimer-Läsionen in Summation zur klinischen Manifestation einer Demenz führen können, selbst wenn eine dieser Komponenten alleine nicht ausreicht, um die Symptomatik auslösen zu können. Die folgende Zusammenfassung versucht, eine knappe Übersicht über den aktuellen Wissensstand zu geben. Methodische Probleme: In einem rezenten Übersichtsartikel1 wird auf die Schwierigkeit eingegangen, zwischen genetischem Risiko und der zum Teil lebenslangen Exposition gegenüber Umweltfaktoren als Determinanten für die Entwicklung einer Demenz zu differenzieren. Die AutorInnen betonen, dass der Begriff Prävention in diesem Zusammenhang letztlich ein Verzögern des Krankheitsbeginns bedeutet – im optimalen Fall ein Verzögern der Manifestation über die individuelle Lebensspanne hinaus. Die AutorInnen weisen auch auf die Problematik in der Bewertung von Mortalität und Letalität hin: So haben Individuen, die das APOE-⑀4-Allel tragen, ein erhöhtes Risiko, an Alzheimer zu erkranken, aber auch ein erhöhtes Risiko für eine koronare Herzerkrankung und sterben daher möglicherweise an der Herzerkrankung vor der Manifestation der Demenz. Betont wird die Notwendigkeit, Risikofaktoren unter dem Aspekt der teilweise lebenslangen Exposition zu betrachten. Besonders wird darauf hingewiesen, dass eine Untersuchung wenige Jahre vor Ausbruch der Demenz auch Parameter als Risikofaktoren (fehl-)identifizieren kann, die bereits Ausdruck der Erkrankung oder gemeinsamer zugrunde liegender Prozesse sind. Risikofaktoren während früher Lebensspannen Fetale Unterernährung, niedriges Geburtgewicht und Nichtstillen können langfristige Konsequenzen für chronische Erkrankungen wie beispielsweise Gefäß- und Stoffwechselerkrankungen haben und auch die kognitive Leistungsfähigkeit negativ beeinflussen. Auch ungünstige sozioökonomische Bedingungen können bereits im früheren Lebensalter zu nachteiligen Folgen auf die Kognition im höheren Lebensalter beitragen, hierzu gehören Ernährung, Umgebungsstimulation und Zugang zu Bildung. Zahlreiche Studiendaten belegen den Zusammenhang zwischen Bildungsstatus und dem Risiko für kognitive Beeinträchtigung und Demenz. Hier ist zu berücksichtigen, dass Bildung auch Surrogatparameter für andere Faktoren der frühen Kindheit sein kann: Sozioökonomischer Status, Ernährung, Zugang zu physischer Gesundheit, Gesundheitsverhalten und Berufsausbildung werden in diesem Zusammenhang erwähnt. Daneben wird hervorgehoben, dass Bildung die kognitive Reserve auch durch Induktion neurophysiologischer Korrelate des Lernens – wie beispielsweise die LTP (Langzeit-Potenzierung) – beeinflusst. Daneben erzeugt bessere Bildung auch einen Detektionsbias bei kognitiven Tests, da hier eine höhere Reserve bis zum Erreichen von Schwellenwerten, die als pathologisch gelten, erworben wird. Faktoren des mittleren und höheren Lebensalters Hypertonie: Bereits vor einer Dekade konnte gezeigt werden, dass bei HypertonikerInnen mittleren Alters (59–71 Jahre, Blutdruckwerte systolisch > 160 bzw. diastolisch > 95 mmHg) die unbehandelte Gruppe das größte Risiko für Inzidenz und rasche Progression kognitiver Defizite hat2. Im höheren Lebensalter wurden dagegen niedrige Blutdruckwerte (insbesondere diastolische) mit schlechter kognitiver Performance assoziiert. Hier scheint ein Zusammenhang mit gemeinsamen, zugrunde liegenden pathophysiologischen Mechanismen wahrscheinlich, da niedrige Blutdruckwerte im hohen Lebensalter auch mit einer reduzierten Lebenserwartung verbunden sind. Diese Fakten legen ein präventives Potenzial einer antihypertensiven Therapie im mittleren Lebensalter nahe, die Ergebnisse verschiedener Studien sind allerdings inkonsistent. Staessen et al. fassten Daten zu Hochdrucktherapie und Demenzinzidenz aus randomisierten Studien in einer Metaanalyse zusammen und konnten zeigen, dass eine antihypertensive Therapie mit einem geringeren Risiko für das Auftreten einer Demenz korreliert3. Ein Cochrane Review kommt dagegen zu dem Schluss, dass eine antihypertensive Therapie bei HypertonikerInnen ohne Zeichen einer zerebrovaskulären Erkrankung das Auftreten eines kognitiven Abbaus nicht verzögern oder verhindern kann4. Eine prospektive Studie an einer älteren Kohorte (mittleres Alter 83 Jahre) mit milder kognitiver Beeinträchtigung zeigt, dass die Hypertonie zwar bei Personen mit exekutiver Dysfunktion die Progression zu einer Demenz begünstigt, allerdings nicht bei PatientInnen mit einer vorrangigen Beeinträchtigung der Gedächtnisfunktionen5. Ein weiteres Review untersuchte den Einfluss u 75 NEUROLOGIE AKTUELL Neurogeriatrie antihypertensiver Therapie auf Inzidenz und Progression der Demenz und kommt zu dem Ergebnis, dass eine antihypertensive Medikation sowohl das Risiko für das Auftreten als auch die Progression einer Demenz reduzieren kann. Besonders ACE-Hemmer und Diuretika werden in diesem Zusammenhang als effektiv hervorgehoben6. Demgegenüber zeigte eine prospektive Studie, die über 3,5 Jahre lief und ebenfalls ältere PatientInnen (im Mittel 83 Jahre) einschloss, keinen Zusammenhang zwischen Hypertonie und der Progression einer Alzheimer-Erkrankung7. Zusammenfassend scheint eine Blutdruckbehandlung im mittleren Lebensalter einen präventiven Effekt auf den Zielparameter kognitiver Abbau im Alter zu haben, wohingegen dieser Effekt im höheren Lebensalter nicht konsistent nachweisbar ist. Cholesterin: Rezente Publikationen demonstrieren Zusammenhänge zwischen Cholesterinstoffwechsel und einer vermehrten Bildung bzw. Ablagerung von Amyloid- im Gehirn. Die klinische Datenlage ist aber kontroversiell: In epidemiologischen Studien wurden sowohl positive als auch negative Korrelationen zwischen Gesamt- bzw. LDL-Cholesterin und Alzheimer-Demenz beschrieben. Ähnlich wie bei der Hypertonie scheint es hier eine nonlineare Assoziation zu geben, da Cholesterin offensichtlich im mittleren Leben als Risikofaktor zu werten ist, während niedrige Cholesterinspiegel im höheren Lebensalter auch eine Konsequenz von Altern, Mangelernährung oder neuropathologischen Veränderungen, die in Zusammenhang mit der Demenz stehen, sein können. So wurde gezeigt, dass Cholesterinspiegel bereits vor dem Ausbruch der Demenz sinken können und dass ein deutlicher Abfall zwischen mittlerem und höherem Lebensalter auch mit einer stärkeren kognitiven Beeinträchtigung im höheren Lebensalter assoziiert ist1. Während die Rolle der Hypercholesterinämie im mittleren Lebensalter als Risikofaktor für eine Demenz wahrscheinlich scheint, sind diese Zusammenhänge in hochaltrigen Populationen unklar. Dies könnte damit zusam- 76 menhängen, dass Cholesterin eine Rolle in der neuronalen Plastizität spielt, aber auch über antioxidative Eigenschaften verfügt. Aktuelle Daten zeigen auch in einer älteren Population (mittleres Alter 83 Jahre) einen Zusammenhang zwischen Hypercholesterinämie und rascherem kognitiven Abbau7. Die Möglichkeit einer Assoziation zwischen Cholesterin und Demenz hat naturgemäß die Evaluierung potenzieller Benefits einer Statintherapie nach sich gezogen. Die Datenlage bezüglich des Einflusses einer Statintherapie auf die Entwicklung einer Demenz im Allgemeinen bzw. einer Alzheimer-Demenz im Speziellen ist kontroversiell – so gibt es sowohl Studien, in denen eine positive Assoziation, als auch solche, in denen kein Zusammenhang festgestellt werden konnte. In diesem Kontext ist allerdings zu bedenken, dass das Vorliegen einer Demenz zu unterschiedlichen Verordnungspraktiken führen kann – so wurde beschrieben, dass an Demenz erkrankte Menschen bezüglich ihrer Hyperlipidämie weniger aggressiv therapiert werden1. Klarheit können hier nur Studien schaffen, die im mittleren Lebensalter beginnen und Demenz als primären Endpunkt haben. Metabolisches Syndrom, Insulinresistenz, Hyperinsulinämie, Typ-2-Diabetes: Das metabolische Syndrom ist charakterisiert durch das Zusammentreffen von gestörtem Glukose/Insulin-Metabolismus, viszeraler Adipositas, milder Dyslipidämie und arterieller Hypertonie. Sämtliche Komponenten sind als Atheroskleroserisikofaktoren etabliert, allerdings findet sich das Zusammentreffen als metabolisches Syndrom im Einzelindividuum häufiger als es der statistischen Verteilung der Komponenten entspricht. Die Mechanismen, die als Risikofaktor für eine Demenz eine Rolle spielen können, umfassen vaskuläre, metabolische und entzündliche Prozesse. In der „French-3-City“-Studie konnten Raffaitin et al. signifikante Assoziationen von metabolischem Syndrom, Diabetes bzw. Hypertriglyzeridämie mit vaskulärer Demenz, nicht aber mit der Alzheimer-Erkrankung beobachten8. Demgegenüber wurde in einem hochaltrigen Kollektiv gezeigt, dass die für Personen bis zu einem Alter von 75 Jahren beschriebene Assoziation zwischen metabolischem Syndrom und beschleunigtem kognitiven Abbau bei Hochbetagten nicht mehr relevant sein dürfte – und zwar unter anderem aufgrund eines „Survivor-Effekts“: Möglicherweise spielt das metabolische Syndrom bei denjenigen, die trotz dieses Risikofaktors hochaltrig werden, keine wesentliche ätiopathogenetische Rolle9. In einer aktuellen Publikation konnte an einer italienischen Population gezeigt werden, dass in einem 3,5-jährigen Beobachtungszeitraum das Vorhandensein eines metabolischen Syndroms bei PatientInnen mit milder kognitiver Beeinträchtigung mit einem erhöhten Risiko der Konversion zu einer Demenz vergesellschaftet war10. Eine künstlich erzeugte moderate Hyperinsulinämie kann Entzündungsmarker und Amyloid--Konzentrationen – und zwar sowohl in der Peripherie als auch im Gehirn – erhöhen. Diese Beobachtung kann als Hinweis auf eine Risikoerhöhung für die Entstehung einer Alzheimer-Erkrankung interpretiert werden. Auch Dauer und Schwere eines Diabetes korrelieren mit dem Demenzrisiko11. Folgende Mechanismen werden für eine Beeinträchtigung der Gedächtnisleistung durch Insulinresistenz, Hyperinsulinämie und Typ-2Diabetes diskutiert12: • Verminderte zentralnervöse Insulinspiegel • Verstärkte Entzündungsantwort • Effekte auf Amyloid-- und andere ZNS-Peptide • Verminderte Insulinrezeptor-Expression • Veränderungen in der Insulin-Signalkaskade • Veränderungen des zerebralen Glukosemetabolismus • Veränderungen der NeurotransmitterExpression/-Aktivität • Veränderungen der Langzeit-Potenzierung Aktuelle Studiendaten sorgen aber auch hier für eine inkonsistente Datenlage. So konnte in einem Kollektiv an PatientInnen mit AlzheimerErkrankung gezeigt werden, dass das Vorhandensein eines Diabetes mellitus mit einem verzögerten kognitiven Abbau assoziiert war. Als mögliche Erklärung geben die Autoren die potenziell konsequentere Behandlung von vaskulären Risikofaktoren bei DiabetikerInnen an13. Vitamin B6, B12 und Folsäure: Für diese Faktoren wurde ein Zusammenhang mit dem Risiko einer kognitiven Beeinträchtigung und Demenz postuliert, wobei hier vaskuläre und direkt neurotoxische Mechanismen involviert sein können. Die möglichen therapeutischen Effekte der Substitutionstherapie sind allerdings ebenfalls widersprüchlich, was durch kurze Beobachtungszeiträume, geringe Fallzahlen und wenig diskriminative Messinstrumente begründet sein mag. Eine rezente randomisierte doppelblinde, placebokontrollierte Studie konnte jedoch zeigen, dass eine Folsäuresupplementation über 3 Jahre Domänen der kognitiven Funktionen positiv beeinflusst14. Fazit Im Hinblick auf Zusammenhänge zwischen vaskulären Risikofaktoren und Demenz liegen eine Fülle von Daten und zahlreiche widersprüchliche Ergebnisse vor. Für die Zukunft gäbe es einen klaren Forschungsauftrag – vorrangig ist dabei die Identifizierung von Risikokollektiven und die Suche nach gezielten Interventionsmöglichkeiten, wobei es in all diesen Studien wesentlich sein wird, die Demenz als primären Endpunkt zu untersuchen. 1 Hughes TF, Ganguli M, Modifiable Midlife Risk Factors for Late-Life Cognitive Impairment and Dementia. Curr Psychiatry Rev 2009; 5(2):73–92 2 Tzourio C et al., Cognitive decline in individuals with high blood pressure: a longitudinal study in the elderly. EVA Study Group. Epidemiology of Vascular Aging. Neurology 1999; 53(9):1948–1952 3 Staessen JA et al., Less atherosclerosis and lower blood pressure for a meaningful life perspective with more brain. Hypertension 2007; 49(3):389–400 4 McGuinness B et al., Blood pressure lowering in patients without prior cerebrovascular disease for prevention of cognitive impairment and dementia. Cochrane Database Syst Rev 2009; (4):CD004034 5 Oveisgharan S, Hachinski V, Hypertension, executive dysfunction, and progression to dementia: the canadian study of health and aging. Arch Neurol 2010; 67(2):187–192 6 Shah K et al., Does use of antihypertensive drugs affect the incidence or progression of dementia? A systematic review. Am J Geriatr Pharmacother 2009; 7(5):250–261 7 Helzner EP et al., Contribution of vascular risk factors to the progression in Alzheimer disease. Arch Neurol 2009; 66(3):343–348 8 Raffaitin C et al., Metabolic syndrome and risk for incident Alzheimer's disease or vascular dementia: the Three-City Study. Diabetes Care 2009; 32(1):169–174 9 van den Berg et al., The metabolic syndrome is associated with decelerated cognitive decline in the oldest old. Neurology 2007; 69(10):979–985 10 Solfrizzi V et al., Metabolic syndrome, mild cognitive impairment, and progression to dementia. The Italian Longitudinal Study on Aging. Neurobiol Aging 2009, Dec 30, Epub ahead of print 11 Roberts RO et al., Association of duration and severity of diabetes mellitus with mild cognitive impairment. Arch Neurol 2008; 65(8):1066–1073 12 Watson GS, Craft S, The role of insulin resistance in the pathogenesis of Alzheimer's disease: implications for treatment. CNS Drugs 2003; 17(1):27–45 13 Sanz C et al., Diabetes is associated with a slower rate of cognitive decline in Alzheimer disease. Neurology 2009; 73(17):1359–1366 14 Durga J et al. Effect of 3-year folic acid supplementation on cognitive function in older adults in the FACIT trial: a randomised, double blind, controlled trial. Lancet 2007; 369(9557):208–216 NEUROLOGIE AKTUELL Neuroimaging Symptomlose MS – gibt es das radiologisch isolierte Syndrom? Die breite Verfügbarkeit der Magnetresonanztomographie (MRT) in der Diagnostik von fraglichen neurologischen Erkrankungen konfrontiert uns immer häufiger mit unspezifischen Befunden, die sich in der Abklärung unterschiedlicher Fragestellungen oft ergeben. Der/die Neurologe/-in ist heute oft erst nach schon erfolgter MRT gefordert, solche Befunde auf ihre klinische Relevanz hin zuzuordnen. Eine der häufigsten Fragestellungen diesbezüglich trifft die multiple Sklerose (MS). D Die MRT-Diagnostik der MS ist diffizil, und die geforderten Kriterien änderten sich seit den ersten Vorschlägen von Paty1 und Fazekas2 mehrmals. Die derzeit angewandten Kriterien von Barkhof3 werden in der klinischen Routine oft nur unzureichend eingesetzt. So ist es für NeurologInnen, die in den letzten Jahren das Erkennen einer MS am MRTBild zu beherrschen lernten, meist nicht schwierig, die klinische Beurteilung der Bilder vorzunehmen und die PatientInnen zu beruhigen, die mit der radiologischen Verdachtsdiagnose MS aufgelöst in Ordination oder Ambulanz vorstellig werden. Dennoch bleiben Betroffene über, welche die Bildkriterien erfüllen, klinisch jedoch nie Beschwerden hatten. Radiologisch isoliertes Syndrom Diesem Problem gaben nun Okuda und MitarbeiterInnen4 einen Namen und nannten es „radiologisch isoliertes Syndrom – RIS“. Sie untersuchten 44 PatientInnen, welche die Kriterien in der Tabelle erfüllten. Die Gründe für die MRT gliederten sich wie folgt: Migräne (17), Schädel-Hirn-Trauma (4), Schwindel bei Kopfneigen (1), Neugier (4), Zustände unklarer Ätiologie (4), Galaktorrhoe (2), Hörstörung (1), Amenorrhoe (1), Angioödem (1), Hypersomnolenz (1), Panikattacken (2), lakunäres Syndrom (1), LWSSchmerz (2), Screening bei familiären Aneurysmen (1), Protokollteil bei experimenteller Melanombehandlung (1), asymptomatische Quadrantenanopsie bei Routine-Augenuntersuchung (1). 80 Tab.: Diagnostische Kriterien eines RIS A: Vorhandensein zufällig identifizierter Veränderungen der weißen Substanz mit folgenden MRT-Kriterien: 1. ovoide, gut umschriebene, homogene Herde mit oder ohne Mitbeteiligung des Balkens 2. T2-Hyperintensitäten > 3 mm im Durchmesser unter Erfüllung der Barkhof-Kriterien für Dissemination im Raum 3. Weiße-Substanz-Veränderungen nicht vereinbar mit vaskulärer Ätiologie B: Keine Anamnese für klinische Zeichen neurologischer Herkunft C: Die MRT-Veränderungen sind nicht vereinbar mit etwaigen klinischen Auffälligkeiten. D: Die MRT-Veränderungen sind nicht durch Kontakt mit toxischen Substanzen oder Drogenkontakt oder einem medizinischen Umstand zu erklären. E: Ausschluss von Personen mit MRT-Muster von Leukoaraiose oder extensiver Pathologie der weißen Substanz ohne Balkenbeteiligung. F: MRT-Veränderungen können nicht durch eine andere Erkrankung erklärt werden. MRT-Progression und klinische Symptome: Bei der Erstuntersuchung zeigten 24 % Gadolinium-aufnehmende Läsionen. Verlaufsuntersuchungen konnten bei 41 PatientInnen durchgeführt werden. MRT-Progression zeigten 24 der 41 Untersuchten (59 %). Eine Lumbalpunktion konnte bei 27 der 44 PatientInnen durchgeführt werden, 18 (67 %) davon zeigten mit MS vereinbare Befunde. Von diesen liquorpositiven PatientInnen zeigten 11 (61 %) MRT-Progression und 8 (44 %) entwickelten klinische Symptome. Da die Daten multizentrisch gesammelt wurden, stammten nur 30 der 44 PatientInnen vom auswertenden Zentrum. Von diesen 30 entwickelten 10 eine klinisch definitive MS (CDMS). Die Zeit bis zum ersten klinischen Event betrug im Median 5,4 Jahre (Range 1,1–9,8). Insgesamt zeigten mehr PatientInnen MRTProgression als neu auftretende klinische Symptome. Das Risiko, in der Zeit eine Dissemination zu entwickeln, war signifikant nur für das Vorhandensein kontrastmittelaufnehmender Läsionen in der Ausgangsuntersuchung. Aufgeworfene Fragen Die Verunsicherung, welche solchen Befunden innewohnt, zeigte sich in der Tatsache, dass von den 44 untersuchten PatientInnen bereits 7 (15,9 %) zum Zeitpunkt des Einschlusses in diese Untersuchung eine immunmodulierende Therapie hatten. Die Ergebnisse dieser Untersuchung werfen natürlich etliche Fragen auf: Welches Handeln erfordert solch ein Zufallsbefund? Sollen wir schon bei typischem MRT-Befund von MS sprechen? Soll mit diesem Befund bereits eine Disease-modifying Therapie (DMT) begonnen werden? Zusammengestellt von: Prim. Univ.-Prof. Dr. Peter Kapeller Abteilung für Neurologie und Psychosomatik, Landeskrankenhaus Villach In einem „Editorial“ zu diesem Artikel greifen Dennis Bourdette und Jack Simon einige dieser Fragen auf5. Ist die Verdachtsdiagnose „MS“ erst einmal gestellt, birgt dies für die Betroffenen schwere Folgen. Allein den Verdacht auf diese Erkrankung für sich anzunehmen und zu verarbeiten ändert eine individuelle Situation wohl grundlegend. Andererseits haben wir Ärzte die Verpflichtung, einem solchen Verdacht auf den Grund zu gehen. Die Erkrankung „MS“ ist jedoch eine klinischpathologische Einheit und damit müssen Betroffene beides aufweisen, um die Diagnose gestellt zu bekommen, Beschwerden und entsprechende Zusatzbefunde6, 7. Dies gilt auch für RIS-PatientInnen mit radiologischer Progression. Schließlich gibt es andere Differenzialdiagnosen, welche die Barkhof-Kriterien erfüllen, aber nicht MS sind. Der wohl stärkste Grund ist jedoch, dass es nicht neu ist, dass es MS-Herde in Gehirnen gibt, ohne zeitlebens klinische Beschwerden zu verursachen. Neuropathologische Befunde diesbezüglich sind beschrieben8. Manche RISPatientInnen werden also lebenslang ohne Klinik bleiben. Von den 30 in der Okuda-Studie diesbezüglich Untersuchten entwickelten innerhalb eines Medians von 5,4 Jahren 1/3 eine CDMS, 2/3 blieben ohne klinisches Event bei einer maximalen Beobachtungsdauer von immerhin bis fast 10 Jahren. Diagnosestellung: Das klinische Ereignis muss die Grundlage für die Diagnosestellung bleiben. In zwei Punkten jedoch raten Bourdette und Simon zur Vorsicht. MS kann auch kognitive Beeinträchtigung als Symptom haben, und diese wird in der Routineuntersuchung nicht ad extenso evaluiert. Dazu wird geraten. Der zweite Punkt betrifft subklinische Beeinträchtigung, die jedoch derzeit nicht diagnostizierbar ist. Denn prinzipiell ist man sich einig: Eine Therapie sollte angeboten werden, bevor Behinderung eintritt. Die Frage nach einem Therapiebeginn bei festgestelltem RIS wird derzeit jedoch mit einem klaren Nein beantwortet. Als eigene Anmerkung sei zum Schluss gestattet, dies auch auf Ausweitung der Untersuchungen im Falle eines RIS zu erweitern. Ohne klinisches Symptom können derzeit auch keine weiteren Zusatzuntersuchungen wie Liquorpunktion oder Myelon-MRT empfohlen werden. Diese blieben ohne therapeutische Konsequenz. 1 Paty DW et al., MRI in the diagnosis of MS: a prospective study with comparison of clinical evaluation, evoked potentials, oligoclonal banding, and CT. Neurology 1988; 38:180–185 2 Fazekas F et al., Criteria for an increased specificity of MRI interpretation in elderly subjects with suspected multiple sclerosis. Neurology 1988; 38:1822–1825 3 Barkhof F et al., Comparison of MRI Criteria at first presentation to predict conversion to clinically definite MS. Brain 1997; 120:2059–2069 4 Okuda DT et al., Incidental MRI abnormalities suggestive of MS; the radiologically isolated syndrome. Neurology 2009; 72:800–805 5 Bourdette D et al., The RIS – is it early MS? Neurology 2009; 72:780–781 6 McDonald WI et al., Recommended diagnostic criteria for MS: guidelines from the international panel on the diagnosis of MS. AnnNeurol 2001; 50:121–127 7 Traboulsee AL et al., The role of MRI in the diagnosis of MS. Adc Neurol 2006; 98:125–146 8 Engel T. et al., A clinical patho-anatomical study of clinically silent MS. Acta Neurol Scan 1989; 79:428–430 Abb.: Typische MRT-Veränderungen ohne klinische Beschwerden. Das radiologisch isolierte Syndrom (RIS) Bildmaterial ZRI Villach; Vorständin: Gabriele Sabitzer 81 NEUROLOGIE AKTUELL Neurochirurgie Zusammengestellt für den Beirat „Neurochirurgie“: Univ.-Doz. Dr. Stefan Wolfsberger Universitätsklinik für Neurochirurgie, Medizinische Universität Wien Buchrezension: Vol. 35 der Reihe Advances and Technical Standards in Neurosurgery Low-Grade Gliomas D Das Management von Low-Grade-Gliomen (LGG) erfordert ein multidisziplinäres Team aus NeurochirurgInnen, NeuroradiologInnen, NeurologInnen, NeuropsychologInnen, NeurophysiologInnen, AnästhesistInnen, NeuropathologInnen, NeuroonkologInnen und StrahlentherapeutInnen zur Lokalisation des Tumors und Definition seiner Ausdehnung in Relation zu funktionellen Arealen, Typisierung/Gradierung und Entwicklung eines individuell angepassten Therapiekonzeptes. Der Band 35 der Reihe „Advances and Technical Standards in Neurosurgery“ beschreibt diagnostische und therapeutische Standards und erörtert kontroversielle Themen dieser Tumorentität. Bildgebende Diagnostik und molekulare Neuropathologie: Anfangs werden neue Techniken der bildgebenden Diagnostik beschrieben, die eine Untersuchung der Pathophysiologie des Tumors ermöglichen. Mit dem Perfusions-MR kann die Vaskularisation, mit Diffusions-MR-Techniken die Zellularität und Infiltration und mit der MR-Spektroskopie und PET der Tumormetabolismus gemessen werden. Daraus können (differenzial-)diagnostische und prognostische Informationen abgeleitet, Biopsien und Resektionen geplant und Therapieeffekte evaluiert werden. Im nächsten Kapitel wird die molekulare Neuropathologie von LGG beschrieben und der klinische Stellenwert molekularer Marker diskutiert: Während die gängige Typisierung nach WHO vorwiegend auf histopathologischen Kriterien basiert, könnte die Bestimmung molekularer Marker zukünftig für differenzialdiagnostische Überlegungen, indivi- 82 duelle Therapieentscheidungen und zur Prognoseeinschätzung relevant werden. Auch eröffnen sich neue Möglichkeiten für pharmakologische Therapien. Konservative Therapie, Problem Epilepsie: Im Folgenden wird über die Option diskutiert, konservative Therapie als Bestandteil des multidisziplinären Managements eines LGG einzuplanen. Ausführlich wird auf das Problem der Epilepsie im Verlauf von LGG eingegangen: Schon die radikale Tumorresektion hat eine hohe Chance auf Anfallskontrolle, zusätzlich empfehlen die AutorInnen einen epilepsiechirurgischen Ansatz für medikamentenresistente tumorbedingte Anfälle. Die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Antiepileptika werden diskutiert und Indikationen angeführt. Tumorchirurgie von LGG: Ziele der modernen Tumorchirurgie von LGG sind: 1) Maximale Tumorresektion bei Erhalt der funktionellen Integrität und Lebensqualität des/der PatientIn. 2) Optimales Sampling zur exakten Typisierung und Gradierung. Dazu sind ausführliche Protokolle der multidisziplinären Teams nötig: Nach präoperativer neuropsychologischer Testung und neuroradiologischer Untersuchung, die neben anatomischer auch metabolische und funktionelle Bildgebung umfasst, wird das anästhesiologische Management einer Wachoperation beschrieben. Es folgen detaillierte Erläuterungen des intraoperativen „Brain Mapping“: Dabei wer- den mit Hilfe neurophysiologischer Methoden eloquente Oberflächenareale und Bahnensysteme in der Nähe des Tumors zur Festlegung der Resektionsgrenzen definiert. Techniken wie kortikale und subkortikale Stimulation sowie intraoperative bildgebende Methoden (multimodale Navigation, iOP-MR und iOP-Ultraschall) werden erläutert. Ausführungen über klinische Ergebnisse nach Tumorresektionen anhand funktioneller Grenzen sowie strategischen Überlegungen zu großen, diffusen und rezidivierenden Tumoren schließen das Kapitel ab. Externe Strahlentherapie und Lebensqualität: Dem Stellenwert der externen Strahlentherapie in der Behandlung von LGG ist ein eigenes Kapitel gewidmet, das insbesondere die optimale Dosis und den optimalen Zeitpunkt der Strahlenbehandlung bei TumorpatientInnen mit meist langer Lebenserwartung diskutiert. Danach folgt eine Beschreibung der interstitiellen Brachytherapie als möglicher Teil des Behandlungskonzeptes von LGG. Im letzten Kapitel werden Quality-of-LifeAspekte von PatientInnen mit LGG behandelt: Relevante Scoring-Systeme werden beschrieben und derzeit verfügbare Studien angeführt. INFO „Low-Grade Gliomas“, Vol. 35 der Reihe „Advances and Technical Standards in Neurosurgery“, Hg. Johannes Schramm, Springer Verlag 2010 Service –Veranstaltungstermine EFNS Geneva 2010 XXVII European Conference on Psychosomatic Research (ECPR), XIII Annual Scientific Meeting European Association for Consulting-Liaison Psychiatry and Psychosomatics (EACLPP) 30. Juni bis 3. Juli Innsbruck Webinfo: www.eaclpp-ecpr2010.org International Conference on Alzheimer’s Disease (ICAD) 10.–15. Juli Honolulu, Hawaii, Hawaii Convention Center Webinfo: www.alz.org/icad/2010_icad.asp Neuroimaging-Akademie 27.–28. August Universitätsklinik für Neurologie Wien Information: ÖGN-Sekretariat Jahrestagung der Österreichischen Alzheimergesellschaft 3.–4. September Villach Information: E-Mail: [email protected] 17th International Congress of Neuropathology 11.–15. September Salzburg Congress Center Information: Brigitte Millan-Ruiz E-Mail: [email protected] Webinfo: www.icn2010.org 14th International Conference on Intracranial Pressure and Brain Monitoring 12.–16. September Tübingen, Germany Information: Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH, Markt 8, 07743 Jena (Germany) E-Mail: [email protected] Webinfo: www.conventus.de oder www.icp2010.eu Psychotherapiewoche 2010 18.–24. September Kongresszentrum Bad Hofgastein Information: Dr. Siegfried Odehnal, Schelleingasse 8, 1040 Wien E-Mail: [email protected] Webinfo: www.psy-med.info 83. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) 21.–25. September Mannheim Webinfo: www.dgn.org 88 25.–28. September Geneva Palexpo Information: EFNS 2010, c/o Kenes International Tel.: +41 (0)22/908 04 88 Fax: +41 (0)22/906 91 40 E-Mail: [email protected] Webinfo: www2.kenes.com/efns2010/Pages/home.aspx 2nd World Parkinson Congress 28. September bis 1. Oktober Glasgow, United Kingdom; World Parkinson Coalition Inc., 1359 Broadway, Suite 1509, New York, NY 10018 USA Information: Elizabeth „Eli“ Pollard, Congress Manager Tel.: 001 (0)212/923 47 00 Fax.: 001 (0)212/923 47 78 E-Mail: [email protected] Webinfo: www.worldpdcongress.org/ 6th Congress of the EUGMS 29. September bis 1. Oktober Convention Centre Dublin, Irlang Webinfo: www.eugms2010.org/ Jahrestagung der OeGKN und der ÖGfMRT 1.–3. Oktober Hotel SPA Novapark, Graz-Gösting Information: [email protected] Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für klinische Neurophysiologie 1.–3. Oktober Graz Information: E-Mail: [email protected] MS-Akademie 8.–9. Oktober Hotel Lengbachhof, Altlengbach Information: ÖGN-Sekretariat 7th World Stroke Congress 12.–16. Oktober Seoul, Korea Information: Secretariat, Kenes International, 1–3, Rue de Chantepoulet, P.O. Box 1726, CH-1211 Geneva 1, Switzerland E-Mail: [email protected] ECTRIMS 2010 13.–16. Oktober Gothenburg, Sweden Information: ECTRIMS Secretariat, Department of Neurology, University Hospital, Petersgraben 4, CH-4031 Basel, Switzerland Tel.: +41 (0)61/265 44 64 Fax: +41 (0)61/265 53 44 E-Mail: [email protected] ÖGN-Sekretariat: Tanja Weinhart Garnisongasse 7/22, 1090 Wien Tel.: +43 (0)1/512 80 91-19 E-Mail: [email protected] The 42nd International Danube Neurology Symposium 21.–23. Oktober The Regent Esplanade, Zagreb Mihanoviceva 1, 10000 Zagreb Croatia Information: Prof. Dr. Vida Demarin & Prof. Dr. Maja Relja E-Mail: [email protected]; [email protected] Webinfo: danube2010.com/ Jahrestagung der Österr. Parkinsongesellschaft 21.–23. Oktober Wien Information: Universitätsklinik für Neurologie, Frau Ingrid Schermann, Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien Tel.: +43 (0)1 40400-3120 E-Mail: [email protected] 2nd European Headache and Migraine Trust 28.–31. Oktober Nice, France Jahrestagung der Österreichischen Sektion der Internationalen Liga gegen Epilepsie 25.–27. November Festspiel- und Kongresshaus Bregenz Information: OA Dr. Kurt Schlachter Tel.: +43 (0)5574/401-6503 E-Mail: [email protected] Webinfo: www.lkhb.at Schmerzakademie (Modul 2) 26.–28. November Hotel Friesacher Anif, Salzburg Information: ÖGN-Sekretariat Webinfo: www.kenes.com/EHMTIC MS-Usermeeting (Workshop) Schmerzakademie (Modul 1) 29.–31. Oktober Hotel Friesacher Anif, Salzburg 4. Dezember Hotel Renaissance Salzburg Information: ÖGN-Sekretariat Information: ÖGN-Sekretariat Plattform der Niedergelassenen NeurologInnen PrimarärztInnen-Treffen 5. November Kaiser-Franz-Josef-Spital 4.–5. Dezember Hotel Renaissance Salzburg Information: ÖGN-Sekretariat Information: ÖGN-Sekretariat 1. Grazer neurogeriatrisches Symposium 6. November Albert-Schweitzer-Klinik Graz Information: OA Dr. Ronald Saurugg Tel.: +43 (0)316/70 60-1375 E-Mail: [email protected] 7. Linzer Psychotherapie-Tagung 10.–12. November Wagner-Jauregg-Nervenklinik Linz Information: [email protected] Webinfo: www.wagner-jauregg.at/kongress FachärztInnen-Ausbildungsseminar WS 2010 19. November Kaiser-Franz-Josef-Spital Information: ÖGN-Sekretariat 6. Innere Medizin Update – Refresher 24.–28. November Wien, Aula der Wissenschaften E-Mail: [email protected] Webinfo: www.fomf.at 7th International Congress on Mental Dysfunctions & Other Non-Moter Features in Parkinson’s Disease (MDPD 2010) 9.–12. Dezember Barcelona, Spanien Information: Kenes Internation, 1–3 Rue de Chantepoulet, 1211 Geneve, Schweiz Webinfo: www.kenes.com/mdpd Akademie Neuromuskuläre Erkrankungen 10.–11. Dezember Graz Information: ÖGN-Sekretariat 5. Deutscher Wirbelsäulenkongress, Jahrestagung der Deutschen Wirbelsäulengesellschaft e.V. 16.–18. Dezember Congress Centrum, Messe Bremen, Theodor-Heuss-Allee 21–23, 28215 Bremen Information: Justus Appelt, Conventus Congressmanagement & Marketing GmbH, Markt 8, 07743 Jena Tel.: +49 (0)3641/35 33-225 Fax: +49 (0)3641/35 33-21 E-Mail: [email protected] Webinfo: www.dwg2010.de 89