Das Gepanzerte Transport- kraftfahrzeug (GTK) BOXER

Transcrição

Das Gepanzerte Transport- kraftfahrzeug (GTK) BOXER
Zum Sachstand des GTK BOXER
Heer
GTK BOXER im Einsatz in Afghanistan.
Foto: PIZ Heer
Provinz Baghlan im Einsatz
Der GTK BOXER – Fähigkeiten für
den Einsatz
In der Entwicklungsphase waren umfangreiche Anforderungen der militärischen Seite gemäß Taktisch-Technischer
Forderung (TTF) zu erfüllen: Strategische,
operative und taktische Beweglichkeit
einschließlich Luftverladbarkeit; Einsatz
unter extremen geografischen und klimatischen Bedingungen; herausragender
und umfassender Schutz vor allen Arten
von Minen, Bedrohungen mittleren Kalibers, Artilleriesplitter und Bomblets;
Schutz vor Entdeckung und Identifizierung sowie überdurchschnittlicher
Nutzraum und hohe Nutzlast für unterschiedlichste Aufgaben.
Realisierbar wurden diese Bedarfsforderungen unter konsequenter Verwendung der Modulbauweise. Als Basis von
verschieden Fahrzeugvarianten wurde
ein einheitliches Fahrmodul entwickelt,
dass durch Adaption einsatzspezifischer
Missionsmodule mit integrierter versionsspezifischer Ausrüstung, Bewaffnung
und jeweiligen Modifikationen mehr als
zehn unterschiedliche Fahrzeugvarianten ermöglicht. Dieses Konzept sorgt
für hohe Flexibilität und garantiert eine
kontinuierliche Fahrzeuganpassung an
die geforderten Einsatzfelder unter Einbeziehung künftiger Bedrohungen und
fortschreitenden Technologien.
Die Landstreitkräfte stehen nach wie vor im Schwerpunkt der Einsätze der Bundeswehr, denn sie tragen unverändert die Hauptlast der Kampfhandlungen. Die
Bodentruppen stehen teilweise in schweren Gefechten, ihr Schutz ist Gebot und
Verpflichtung zugleich. Mit dem Gepanzerten Transportkraftfahrzeug (GTK) BOXER
erhalten die Soldaten der Bundeswehr ein Fahrzeug, dass ein hohes Schutzniveau
gegen Minen, Sprengfallen, direkten Beschuss und gegen Wirkmittel von oben
bietet. Hohe Mobilität, große Transportfähigkeit (unter anderem der Transport von
zehn Soldaten mit Vollausrüstung) und eine Bewaffnung zur Selbstverteidigung
erfüllen alle Forderungen des Heeres zur Überlebensfähigkeit und Flexibilität für
verschiedenste Verwendungen im Einsatzspektrum von Landstreitkräften. Der
BOXER ist derzeit ein wichtiges und großes Beschaffungsvorhaben des Deutschen
Heeres. Erste Planungen fanden bereits 1993 in internationaler Kooperation mit
der Definition der „Gemeinsamen Militärischen Forderung für die deutschen „Gepanzerten Transportkraftfahrzeug (GTK)“ statt. Am 19. Dezember 2006 wurde
schließlich ein Vertrag zwischen der Deutschland und den Niederlanden, beide vertreten durch die OCCAR und ARTEC GmbH, über die Entwicklung und Beschaffung
des GTK BOXER in verschiedenen niederländischen und deutschen Varianten beschlossen. Beauftragt wurde ein Konsortium bestehend aus den Firmen
Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall Landsysteme (RLS) sowie einer
niederländischen Tochter von Rheinmetall.
Nach einer entsprechenden Bedarfsermittlung erfolgte mit dem Bundesamt für
Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) ein Vertrag zur Lieferung von 272 GTK
BOXER in den Varianten Gruppentransportfahrzeug (GrpTrspFz), Führungsfahrzeug (FüFz), Fahrschulfahrzeug (FahrSFz) und schweres geschütztes Sanitätskraftfahrzeug (sgSanKfz) für Deutschland sowie insgesamt 200 Fahrzeuge in fünf
verschiedenen eigenen Varianten für die Niederlande.
Dieses Beschaffungsvorhaben wurde erst kürzlich als feststehende Größe im
Rahmen der Planungen zur Neuausrichtung der Bundeswehr bestätigt.
Seit Juli 2011 befinden sich die ersten GTK BOXER der Bundeswehr beim Observation Point North (OP North) in der afghanischen Provinz Baghlan im ISAF-Einsatz.
Varianten des GTK BOXER für
das deutsche Heer
Gruppentransportfahrzeug (GrpTrspFz)
Unter Berücksichtigung des Projekts
Infanterist der Zukunft (IdZ) ist die Aufnahme von bis zu acht Soldaten (Bundeswehr verwendet eine Absitzstärke von
sieben Soldaten) mit ihrer umfangreichen
und modularen Ausstattung möglich und
kann jederzeit leicht zugänglich mitgeführt werden. Für den abgesessenen Einsatz wird je nach Lage die erforderliche
persönliche Ausstattung ausgewählt, der
Rest verbleibt im Fahrzeug. Das Verstausystem ist so konzipiert worden, dass auch
beispielsweise nach einer Minenexplosion,
der BOXER diesen Belastungen standhält
und umherfliegende Ausrüstungsgegenstände vermieden werden können. Die
Variante GrpTrspFz verfügt über eine
Heckrampe, über die das Absitzen bzw.
Aufsitzen nach hinten geschützt erfolgen kann. Das Fahrzeug bietet als ein
hoch geschütztes Transportmittel den
Soldaten eine sichere Arbeit- und Ruhezone und fungiert zugleich als eine Art
„Waffenkammer im Einsatz“.
Der GTK BOXER fungiert für den IdZ auch
als Schnittstelle für eine durchgängige
und medienbruchfreie Kommunikation,
die einen Informationsaustausch von
Das Gepanzerte Transportkraftfahrzeug (GTK) BOXER
Erste GTK BOXER in der afghanischen
HHK 1/2012
39
Heer
der IdZ-Gruppe bis hin zur Bataillonsebene sicherstellt.
Zur Anbindung des IdZ an den BOXER
wird das Fahrzeug selbst als Netzknoten
genutzt. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass der aufgesessene IdZ-Soldat, ausgerüstet mit einem Breitband-UHF-Funkgerät aus der SOLAR 400 Familie von
Thales, auch im Fahrzeug sein „Mini“NetOpFü-System am Körper trägt. Das
Bordkommunikationssystem basiert auf
einer SOTAS IP Intercom Anlage von
Thales. Beide Systeme ermöglichen im
Fahrzeug die Konvergenz von Sprache
und Daten über einen gemeinsamen
Knoten.
Das Heer erhält zunächst 125 GrpTrspFz.
Zum Sachstand des GTK BOXER
Führungsfahrzeug (FüFz)
Das Führungsfahrzeug ist ein wesentlicher
Baustein zur weiteren Befähigung des
Heeres zur vernetzten Operationsführung. Dabei wird der BOXER als bewegliche Befehlsstelle im Gefecht sowie als
Gefechtsstandsfahrzeug auf Bataillonsebene im Einsatz genutzt. Bei der
Infanterietruppe wird das Fahrzeug als
Kompanieführungsfahrzeug eingesetzt.
Der BOXER verfügt über VHF- und
HF-Funkgeräteausstattung, die für den
Einsatz mit den Führungsmitteln ergänzt werden, beispielsweise TETRAPOL,
FüInfoSys und FüWES.
Während der Fahrt können vom Funktionspersonal drei und im Stand vier
Der GTK
BOXER auf
dem Tag der
Infanterie 2011
in Hammelburg
Foto: HHK /
JRosenthal
Der Innenraum
bietet viel Platz
und Stauraum
für die Ausrüstung, gut
erkennbar die
freie Aufhängung der Sitze
ohne direkten
Bodenkontakt.
Foto: HHK /
JRosenthal
Besatzung mit
Vollausrüstung.
Foto: HHK /
Archiv
40
DV-Arbeitsplätze genutzt werden,
außerdem kann bei geöffneter Luke
eine Bildanzeige zur aktuellen Lagefeststellung eingesetzt werden. Die
Lagedarstellung erscheint auf den
DV-Arbeitsplätzen und ist zusätzlich auf
einem hochauflösenden 40-Zoll großen
Monitor projizierbar.
Das Heer erhält zunächst 65 Führungsfahrzeuge.
Fahrschulfahrzeug (FahrSFz)
Das Fahrschulfahrzeug besteht aus dem
leicht modifizierten Basismodul zur Anbringung der Fahrschulübersteuerungselemente (nicht fest installiert) und dem
spezifischen Missionsmodul Fahrschule.
Für das Fahrschulmodul ist auf Basis
des GrpTrspFz-Moduls eine aufgesetzte
Fahrschulkabine angebracht worden.
Für den Fahrschulbetrieb stehen sämtliche
Funktionen wie in den Einsatzfahrzeugen
zur Verfügung. Die Fahrschulausbildung
für den BOXER ist sehr umfangreich und
erfordert ein intensives Fahrtraining.
Dazu gehört auch eine entsprechende
Schulung mit dem Fahrzeug auf öffentlichen Straßen, da bedingt durch Größe
und Agilität besondere Anforderungen
bestehen. Dies ist neben dem Fahren
im freien Gelände von besonderer Bedeutung, um im urbanen Gelände beispielsweise auf Patrouillenfahrten sich
sicher bewegen zu können.
Für die Streitkräftebasis werden insgesamt zehn Fahrschul-BOXER ausgeliefert,
da die Ausbildung zum Militärkraftfahrer
in die Zuständigkeit der SKB fällt.
Schweres geschütztes
Sanitätskraftfahrzeug (sgSanKfz)
Hauptaufgabe der sanitätsdienstlichen
Unterstützung bei Operationen mit
hoher Intensität ist die mobile sanitätsdienstliche Erstversorgung auf dem Gefechtsfeld sowie der qualifizierte und
geschützte Transport von Verwundeten
und Kranken (VuK). Dazu setzt der Sanitätsdienst der Bundeswehr das schwere
geschützte Sanitätskraftfahrzeug ein. Zur
Aufnahme der besonderen Ausstattung
einschließlich zahlreicher Geräte war
eine Neukonstruktion des Daches und des
Innenraums am Missionsmodul erforderlich, da im Forderungskatalog die Ausstattung Beweglicher Arzttrupp (BAT)
festgeschrieben wurde. Zur Rüstkonfiguration gehört die Möglichkeit, liegende
und/oder sitzende Verwundete bei bestmöglicher Versorgung und Überwachung
vom Bergungsort weg transportieren zu
können. Alle sanitätsdienstlichen Rüstversionen können lageabhängig ohne
zusätzliches Personal realisiert werden.
Das Beladen ist von außen möglich, das
Einschieben der Trage erfolgt über die
Heckklappe und verhindert dadurch
eine Verschmutzung des Innenraums.
HHK 1/2012
Heer
Zum Sachstand des GTK BOXER
Im Fahrzeug stellt ein hydropneumatisches bedienbares Tragenaufnahmesystem das Verbringen der Tragen an die
vorgesehene Trageaufnahmestation.
Für den Zentralen Sanitätsdienst werden
insgesamt 72 schwere geschützte Sanitätskraftfahrzeuge (sgSanKfz) BOXER
beschafft.
Technischen Daten des GTK BOXER
– Länge: 7,93m
– Breite: 2,99m
– Höhe: 2,37m
– Wenderadius: 15m
– Steigfähigkeit: 60%
– Gewicht: 33.0t
– Antrieb: MTU Typ 8V 199 TE20
Diesel - 530kW/721PS
– Geschwindigkeit: max. 100km/h
auf der Straße
– Federung: hydropneumatisch
– Reifendruckregelanlage , Reifen
mit Notlaufeigenschaften
– Reichweite: etwa 1.050km
auf Straße
– Besatzung: 3 (Fahrer, Kommandant, Schütze) und bis zu
8 Infanteristen mit Ausrüstung
– feuerlösch-/Brandschutzunterdrückungsanlage
– Panzerung: Fahrmodul und
Missionsmodul aus Panzerstahl mit
adaptierter Verbundpanzerung
Hohe
Beweglichkeit
im Gelände.
Fotos: KMW/
Rheinmetall
–
–
–
–
(AMAP), schockgedämpft. Ballistischer Schutz (AMAP-B) und
Minenschutz (AMAP-M) nach
STANAG 4569
Bewaffnung: FLW 200 mit Bewaffnung wahlweise und
missionsabhängig im Kaliber
7,62 x 51mm, 12,7 x 99mm oder
Granatmaschinenwaffe 40mm
Sekundärbewaffnung:
Nebelwurfanlage
ABC-Schutzbelüftungsanlage
Scharfschützenerkennungssystem
(FLW 200)
Schlussbemerkung
Der GTK BOXER ist ein hoch mobiles
und geschütztes Gefechtsfahrzeug
„State of the Art“. Der ISAF-Einsatz
der Bundeswehr in Afghanistan unterstreicht den zwingenden Bedarf an
diesem Fahrzeug, sodass die ministerielle Entscheidung zur Beschaffung von
geplanten 272 Fahrzeugen im Rahmen
des ersten Loses unabdingbar war. Allerdings ist damit zu rechnen, dass die sicherheitspolitische weltweite Entwicklung
mit steigender Anzahl von regionalen
Krisen- und Konfliktgebieten ein Nachdenken über ein bereits angedachtes
zweites Los erforderlich machen wird.
Die NATO ist weiter zunehmend als der
Weltpolizist gefordert, Deutschland
kann sich hier seiner Verantwortung
nicht entziehen.
Autor: Jürgen K.G. Rosenthal