Festsetzungsverjährung

Transcrição

Festsetzungsverjährung
Besteuerungsverfahren
1
Festsetzungsverjährung
Allgemeines
Wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, dann tritt Festsetzungsverjährung ein. Die
Vorschriften
über
die
Festsetzungsverjährung
finden
Anwendung
auf
Steuerbescheide, gleichgestellte Bescheide, sowie gem § 191 (3) S. 1 AO auf
Haftungsbescheide.
Eine nach Eintritt der Festsetzungsverjährung vorgenommene Festsetzung oder
Änderung eines Bescheids, ist nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar und muss
somit rechtzeitig angefochten werden, da sie andernfalls trotz Rechtswidrigkeit
bestandskräftig wird.
Abgrenzung zur Zahlungsverjährung
Im Gegensatz zur Festsetzungsverjährung betrifft die Zahlungsverjährung gem
§§ 228 ff. AO bereits bestehende und somit festgesetzte Zahlungsansprüche aus
dem Steuerschuldverhältnis. Wie die Festsetzungsverjährung führt auch die
Zahlungsverjährung materiell zum Erlöschen der Ansprüche; § 47 AO.
Verfahrensrechtlich verhindert die Zahlungsverjährung, dass bereits festgesetzte
Zahlungsansprüche und die damit im Zusammenhang stehenden Zinsen, weiterhin
vollstreckt werden können; vgl. § 232 AO
 Hinweis
Die Festsetzungsverjährung und die Zahlungsverjährung müssen Sie
unbedingt genau auseinander halten.
Die Festsetzungsverjährung führt dazu, dass ein bestimmter steuerlich
relevanter Sachverhalt nicht mehr erfasst werden darf und deshalb der
ursprünglich gem § 38 AO entstandene Anspruch endgültig nicht mehr
festgesetzt werden darf.
Zahlungsverjährung bedeutet dagegen, dass bereits wirksam festgesetzte
und erhobene Ansprüche aus dem Steuerverhältnis erlöschen.
Beachten Sie den Unterschied zum BGB: In der AO führt die Verjährung
nicht zu einer Einrede, die die Durchsetzbarkeit des Anspruchs hemmt,
sondern gem § 47 AO zu einem echten Erlöschen des Anspruchs. Die
Verjährung ist daher in der AO von Amts wegen zu prüfen.
kk-KGR-G1-Festsetzung
klausurenkurse.de
Besteuerungsverfahren
2
Wirkung der Festsetzungsverjährung; § 169 AO
Mit dem Eintritt der Festsetzungsverjährung ist der Anspruch auf die Steuer oder den
Steuermehrbetrag nach § 47 AO erloschen.
•
Nach Ablauf der Festsetzungsfrist darf eine Steuer
 nicht mehr erstmals festgesetzt werden; § 169 (1) S. 1 AO
 nicht mehr berichtigt werden, § 169 (1) S. 2 AO und
 nicht mehr geändert werden, § 169 (1) S. 1 AO.
•
Eine Aufhebung und Änderung der Steuerfestsetzung ist nach Ablauf der
Festsetzungsfrist trotz Vorhandenseins einer Korrekturvorschrift nicht mehr
rechtmäßig; § 169 (1) S. 1 AO. Die Fehler, die jetzt wegen Ablaufs der
Festsetzungsfrist nicht mehr geändert werden können, werden jetzt zu materiellen
Fehlern; § 177 (3) AO.
•
Der Steuerpflichtige kann nach Ablauf der Festsetzungsfrist keine
Steuerfestsetzung und somit keine Steuervergütung mehr mit Erfolg beantragen.
Dauer der Festsetzungsverjährungsfrist; § 169 (2) AO
Die Festsetzungsverjährungsfrist beträgt grundsätzlich 4 Jahre (vgl § 169 (2) S. 1
Nr. 2 AO), bei Hinterziehung sogar 10 Jahre (vgl § 169 (2) S. 2 AO), bei leichtfertiger
Steuerverkürzung beträgt sie 5 Jahre (vgl § 169 (2) S. 2 AO), und bei
Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen beträgt sie nur 1 Jahr; vgl § 169
(2) Nr. 1 AO. Die verlängerten Festsetzungsfristen gelten jedoch nur soweit die
Steuer verkürzt wurde (Grundsatz der Teilverjährung) und wirken demnach auch
nur zu Lasten des Steuerpflichtigen.
Beginn der Festsetzungsverjährung; § 170 (1) AO
Die Festsetzungsverjährungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die
Steuer entstanden ist; § 170 (1) AO. Die Entstehung von Steueransprüchen ist in
§§ 37, 38 AO iVm den Einzelsteuergesetzen geregelt; zB § 36 (1) EStG, § 13 (1)
UStG.
Für die Besitz- und Verkehrsteuern ist Abs. 1 bedeutungslos, da hier grundsätzlich
die Pflicht für die Abgabe einer Steuererklärung besteht (Ausnahme: § 46 Abs. 2
Nr. 8 EStG). In diesen Fällen ist der Fristbeginn durch die Anlaufhemmung gem
§ 170 (2) AO maximal für drei Jahre hinausgeschoben.
kk-KGR-G1-Festsetzung
klausurenkurse.de
Besteuerungsverfahren
3
Anlaufhemmung; § 170 (2 - 6) AO
Die Anlaufhemmung schiebt den Beginn der Festsetzungsfrist für Steuern
hinaus, für die eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen ist;
§ 170 (2) Nr. 1 AO.
Die Anlaufhemmung des § 170 (2) Nr. 1 AO hat deshalb zB Bedeutung für die
Einkommensteuer (vgl § 56 EStDV), die Umsatzsteuer (vgl § 18 UStG) und die
Gewerbesteuer; vgl § 25 GewStDV.
 Hinweis
Da für die Steuern, mit denen sich die Klausur beschäftigt, dh für die ESt,
die KSt, die USt und die GewSt eine Steuererklärungspflicht besteht, wird
stets § 170 (2) Nr. 1 AO einschlägig sein und die Festsetzungsverjährung
mit Ablauf des Kalenderjahres beginnen, in dem die Steuererklärung
eingereicht wurde. Wurde überhaupt keine Steuererklärung abgegeben,
so beginnt die Verjährung in jedem Falle mit Ablauf des dritten
Kalenderjahres, das auf das Jahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist
(Anlaufhemmung: maximal drei Jahre).
Beachten Sie in diesem Zusammenhang auch die besonderen
Anlaufhemmungsregelungen in einzelnen Korrekturvorschriften, zB § 175
(1) S. 2 AO.
 Beispiel
Wird die Einkommensteuererklärung 05 erst am 04.01. des Jahres 10
abgegeben, so beginnt die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Jahres 08,
§ 170 (2) Nr. 1 AO.
Prüfungsschema Festsetzungsverjährung
a)
b)
c)
d)
Frist:
Beginn des Laufes
Anlaufhemmung
Ablaufhemmung
§ 169 (2) AO
§ 170 (1) AO
§ 170 (2 - 6) AO
§ 171 AO
Ablaufhemmung; § 171 AO
a) Begriff
Die Ablaufhemmung schiebt das Ende der Festsetzungsverjährungsfrist hinaus. Es
wird keine neue Frist in Lauf gesetzt. Zu beachten ist, dass die Regelungen des
§ 171 AO idR zu einem mitten im Jahr endenden Ende der
Festsetzungsverjährungsfrist führen kann.
kk-KGR-G1-Festsetzung
klausurenkurse.de
Besteuerungsverfahren
4
 Hinweis
Ablaufhemmungen sind immer erst nach Ablauf der regulären
Festsetzungsfrist zu prüfen. Es müssen bei allen Ablaufhemmungen
geprüft werden:
 die Voraussetzungen,
 der sachliche und
 der zeitliche Umfang.
Es gilt bei der Ablaufhemmung der Grundsatz der Teilverjährung (Ausnahme: § 171
(3a) AO); dh die Ablaufhemmung wirkt nur, soweit ihr jeweiliger Anwendungsbereich
reicht.
b) Die wichtigsten Fälle der Ablaufhemmung sind:
b1) Bei offenbarer Unrichtigkeit eines erlassenen Steuerbescheids (Fall des § 129
AO) endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht vor Ablauf eines Jahres seit
Bekanntgabe des offenbar unrichtigen Steuerbescheids; vgl § 171 (2) AO. Der
Umfang der Ablaufhemmung wird durch die offenbare Unrichtigkeit bestimmt.
Weitergehende Korrekturen können nur innerhalb der regulären Verjährungsfrist
vorgenommen werden. Wenn die offenbare Unrichtigkeit in mehreren
Bescheiden wiederholt wird, kommt es für den Beginn der 1-jährigen
Ablaufhemmung auf die Bekanntgabe desjenigen Bescheides an, der die
offenbare Unrichtigkeit erstmalig enthielt.
Über einen vor Ablauf der Festsetzungsfrist eingelegten Einspruch oder einen
vor Ablauf der Festsetzungsfrist gestellten Änderungsantrag muss noch
entschieden werden; vgl § 171 (3, 3a) AO.
b2) Abweichend vom Grundsatz der Teilverjährung hemmt die Ablaufhemmung des
§ 171 (3a) AO den gesamten Steuerfall, soweit bei Erlass, eines mittels
Rechtsbehelfs angegriffenen Steuerbescheids eine Korrektur insgesamt noch
möglich ist.
b3) Durch den Beginn einer Außenprüfung; § 171 (4) AO.
Die Ablaufhemmung tritt nicht ein, wenn die Prüfung auf einer nichtigen oder
aufgehobenen Prüfungsanordnung beruht.
Sachlich wirkt die Ablaufhemmung nur gegenüber dem Adressaten der
Außenprüfung und im Umfang der Prüfungsanordnung, soweit sie sich mit dem
tatsächlichen Geprüften deckt.
Voraussetzung dafür ist, dass die Prüfungsanordnung wirksam vor Ablauf der
regulären Festsetzungsfrist bekannt gegeben und mit der Prüfung selbst noch
vor Ablauf der regulären Festsetzungsfrist begonnen worden ist oder der
Prüfungsbeginn auf Antrag des Steuerpflichtigen hinausgeschoben worden ist.
Der zeitliche Umfang der Ablaufhemmung hängt davon ab, was das FA nach
beendeter Außenprüfung veranlasst; siehe hierzu § 171 (4) AO;
kk-KGR-G1-Festsetzung
klausurenkurse.de
Besteuerungsverfahren
5
b4) durch Steuerfahndungsmaßnahmen; § 171 (5) AO,
b5) bei vorläufigen Bescheiden, § 171 (8) AO; wichtig zB für Fälle, in denen die
Einkunftserzielungsabsicht momentan noch nicht abschließend geklärt werden
kann (Totalgewinnprognose).
Die Ablaufhemmung endet in den Fällen der Vorläufigkeit nach § 165 (1) S. 1 AO
nicht vor Ablauf eines Jahres und in den Fällen des § 165 (1) S. 2 AO nicht vor
Ablauf zweier Jahre, nachdem die Ungewissheit beseitigt ist und die
Finanzbehörde hiervon Kenntnis erhalten hat.
b6) bei Selbstanzeige, § 171 (9) AO;
b7) wenn für die Steuerfestsetzung ein Grundlagenbescheid bindend ist, endet die
Festsetzungsfrist für den Folgebescheid insoweit nicht vor Ablauf von zwei
Jahren nach Bekanntgabe des Grundlagenbescheids; § 171 (10) AO;
b8) solange ein Folgebescheid noch nicht festsetzungsverjährt ist, kann gem § 181
(5) AO auch ein diesem Bescheid zugrundezulegender Feststellungsbescheid
(= Grundlagenbescheid) noch erlassen werden, auch wenn für ihn schon
Feststellungsverjährung eingetreten ist. Diese Vorschrift ist damit das
Gegenstück zu § 171 (10) AO.
Eine einheitliche und gesonderte Feststellung ist auch dann noch vorzunehmen,
wenn bei einzelnen Beteiligten die Festsetzungsfrist für den Folgebescheid
schon abgelaufen ist. Es ist daher der Hinweis nach § 181 (5) S. 2 AO
aufzunehmen, dass diese Feststellung nicht mehr bei den Beteiligten wirkt, bei
denen die Festsetzungsfrist bereits abgelaufen war.
kk-KGR-G1-Festsetzung
klausurenkurse.de
Besteuerungsverfahren
6
 Beispiel
Die Erklärung der A & B OHG für das Veranlagungsjahr 05 wurde im
Jahre 06 abgegeben. Die ESt-Erklärungen der Gesellschafter A und B für
05 gingen erst im Jahre 07 beim FA ein. Im Veranlagungsjahr 11 will das
FA, da neue Tatsachen, die zu einer Gewinnerhöhung führten bekannt
geworden sind, den Gewinnfeststellungsbescheid für 05 ändern. Darf es
dies?
Da die Erklärung der OHG bereits im Jahre 06 abgegeben wurde, läuft die
Feststellungsverjährung
für
den
einheitlichen
Gewinnfeststellungsbescheid 05 gem §§ 170 (2) Nr. 1, 169 (2) Nr. 2 AO
mit Ablauf des Jahres 10 ab. Die Festsetzungsverjährung bzgl. der EStBescheide der beiden Gesellschafter endet jedoch erst mit Ablauf des
Jahres 11, da deren ESt-Erklärungen erst im Jahre 07 eingereicht wurden.
Gem. § 181 (5) S. 1 AO kann, da die Festsetzungsverjährung für die ESt
05
aller
Gesellschafter
erst
mit
Ablauf
11
eintritt,
der
Gewinnfeststellungsbescheid 05 im Jahre 11 noch insgesamt geändert
werden.
Im Änderungsfeststellungsbescheid ist jedoch darauf hinzuweisen, dass
der Änderungsfeststellungsbescheid nur für Folgebescheide gilt, die
ihrerseits bei Erlass des Änderungsfeststellungsbescheid noch nicht
festsetzungsverjährt waren (hier: ESt 05 der Gesellschafter A und B);
§ 181 (5) S. 2 AO.
Sollte die Festsetzungsverjährung für einzelne Beteiligte bereits eingetreten
sein, ist eine Änderung gem § 181 (5) AO für diejenigen Gesellschafter, bei
denen sie noch nicht eingetreten ist, noch möglich. Darauf ist im
Feststellungsbescheid entsprechend hinzuwei
kk-KGR-G1-Festsetzung
klausurenkurse.de

Documentos relacionados