Drei Räder für trendige Eltern

Transcrição

Drei Räder für trendige Eltern
I N N O VAT I O N
P R AX I S
Drei Räder für trendige Eltern
Udo Beger, Kinder wagenfabrikant im Ruhestand, entwickelt innovative Kinder wagenkonzepte für die Firma seines Sohnes. Das Erfolgsmodell ›Pro 3‹ wurde 2004 als erster Kinderwagen mit dem begehrten RedDot-Design-Award ausgezeichnet
und steht seither im Museum des
renommierten
Design-Zentrums
Nordrhein-Westfalen in Essen. Entwickelt und patentiert wurde die
Konstruktion in Deutschland mit dem
3D-CAD-System
Pro/Engineer.
Gefer-
tigt wird es nach der Spezifikation
des
Her-
stellers in China.
© 2006 Carl Hanser Verlag, München
www.cad-cam.de
Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.
Designed in Germany – built in China
SCHICKSAL? Noch vor wenigen
Jahren setzte die Geburt des ersten
Kindes für viele Väter und Mütter
einen vorläufigen Schlusspunkt
hinter eine Laufbahn als Hobbysportler: Statt dynamisch durch
den Park zu joggen oder mit dem
Rennrad oder Mountainbike die
Landschaft hinter dem nächsten
Hügel zu erkunden, galt es fortan,
gemessenen Schrittes hinter dem
Kinderwagen einherzugehen und
dabei zuzusehen, wie langsam der
›Rettungsring‹ um die Hüften anwuchs. Seit Mitte der 90er Jahre hat
sich das geändert: Damals tauchten
erstmals so genannte ›Jogger‹ aus
den USA auf dem einheimischen
Markt auf. Das sind dreirädrige Vehikel, die der Laie wohl ›Kinderwa-
gen‹ nennen würde (für den Fachmann fallen sie in die Kategorie
›Sportwagen‹) und die Papi oder
Mami bei ihren Trimmrunden
durch den Park im Laufschritt vor
sich her schieben können. Da diese
Gefährte aber nicht klappbar waren, war ihnen in Europa zunächst
kein großer Erfolg beschieden. Das
änderte sich, als sich einer der KonCAD CAM 1-2/2006
21
P R AX I S I N N O VAT I O N
© 2006 Carl Hanser Verlag, München
www.cad-cam.de
Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.
Inneo Systems half, einen Prozess
struktion annahm, der schon mehr
als 40 Jahre Erfahrung in Konstruktion und Herstellung von Kinderwagen und Sportwagen hatte: Udo
Beger, Hersteller von Kinderwagen
der Marken ›Beger‹ und ›Santos‹
mit Firmensitz in Ergolding bei
Landshut.
Innovatives Konzept
perfektioniert
Udo Beger, seit Anfang der 60er
Jahre zunächst als Werksleiter des
italienischen Herstellers PEG Perego in München, später als Ent-
Entgegen den Proa u f z u s e t z e n , m i t d e m d i e Ko n s t r u k gnosen der Wettbewerber erwies sich die Idee
tionsdaten über einen Server zur
als erfolgreich. Ein BeProduktion in China transferiert
leg dafür ist die wachsende Zahl dreirädriger
werden können.
Kinder- und Sportwagen im Straßenbild, die mittlerweioder was man sonst nach einem erle eine ganze Reihe von Nachahfolgreichen Arbeitsleben als Ingemern und Lizenznehmern gefunnieur und Unternehmer zu tun
den haben und die dem Konstrukpflegt, begann sich Udo Beger für
teur nebenbei bemerkt auch eine
CAD-Systeme zu interessieren, mit
zusätzliche Einnahmequelle in
denen er seine Ideen effizienter ›zu
Form von Lizenzgebühren erPapier‹ bringen konnte als mit dem
schlossen haben. Seit 2004 steht
Zeichenbrett, denn jetzt hatte er
Das Basismodell Joggster besticht durch ein hohes Maß an
Modularität, mit dem es für verschiedene Einsatzzwecke
konfiguriert werden kann.
wicklungsleiter und Geschäftsführer des französischen Herstellers
Bébéconfort in Cholet und seit
1984 selbständig als Hersteller von
Kinder- und Sportwagen im Geschäft, erkannte zusammen mit seinem Sohn Oliver das Potenzial dieser Variante für die wachsende Zielgruppe sportlich aktiver Eltern: Er
konstruierte ein klappbares Gestell,
das den Jogger zur Alternative für
den erfolgreichen Buggy machte.
»Als mein Sohn 1996 mit diesem
Wagen auf den Markt kam, haben
uns alle ausgelacht«, erinnert sich
Udo Beger. Doch Vater und Sohn
Beger ließen sich nicht davon beirren. Sie waren vom Erfolg der neuen ›Fahrzeuggattung‹ sogar so
überzeugt, dass Sohn Oliver eine eigene Firma mit dem Namen
›Trends for Kids‹ (TFK) gründete.
22
CAD CAM 1-2/2006
Vielseitig: Über ein Zusatzmodul lässt sich der Joggster zum Fahrradanhänger umfunktionieren.
Udo Begers Kreation
›Pro 3‹ als Gewinner
des begehrten RedDot-Design-Awards
auch im Red-Dot-Museum des renommierten Design-Zentrums
Nordrhein-Westfalen.
Neustart nach dem
Ruhestand
Nachdem Herr Beger
die Firmengründung
des Sohnes erfolgreich
mit auf den Weg gebracht hatte, konnte er
sich Ende 2000 wie geplant aus dem aktiven
Geschäftsleben
zurückziehen. Aber statt
sich künftig dem Golfspielen zu widmen,
Mit 60 in Pro/Engineer
eingestiegen: Udo Beger,
seit mehr als 40 Jahren
Spezialist in Sachen Kinder- und Sportwagen.
Zeit dazu: »Irgendwo
habe ich mal gelesen,
dass es in München in
der Dachauer Straße
eine Firma gibt, die
CAD-Systeme für Maschinenbauer
vertreibt.«
Die Rede ist von
der Münchner Niederlassung des Ellwanger Systemhauses
Inneo Systems, das
damals noch unter
dem Namen ›Rand‹
firmierte. »Ich bin
dort mal hingefahren
und habe mit einem
Herrn
gesprochen.
Wie sich später herausgestellt hat, war
das der Niederlas-
© 2006 Carl Hanser Verlag, München
www.cad-cam.de
Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.
I N N O VAT I O N
sungsleiter selbst«, erzählt Udo Beger. Der leitende Angestellte ließ
sich nicht lange bitten: »Er hat sein
Notebook geholt und mir ein paar
Sachen gezeigt«, erinnert sich Beger. Nach etwa einer Stunde stand
die Kaufentscheidung fest. Zumindest prinzipiell. Doch weil er noch
Zweifel hatte, ob er die Bedienung
eines CAD-Systems wie Pro/Engineer in seinem Alter noch erlernen
kann, beschloss Udo Beger, zunächst einen Schulungskurs zu belegen. »Ich habe dann im Dezember
P R AX I S
Mitarbeitern des Zulieferbetriebs
zur Detaillierung abgerufen werden
können.
Detailentwicklung in China
In Deutschland wird nur die Vorentwicklung gemacht: das geometrische Konzept und die Kinematik
des Faltmechanismus. Die Detailentwicklung erfolgt dann beim Fertigungsbetrieb in China in Huangong. Der Fertigungsbetrieb setzt
dabei ebeno wie Udo Beger in
Deutschland Pro/Engineer ein. ZuUdo Beger mit
dem Prototypen
seiner aktuellen
Kreation
›Buggster‹: Geschmacks- und
Gebrauchsmuster sind bereits
angemeldet.
2000 und im Januar 2001 zwei Kurse belegt.« Nachdem die Schulungskurse alle Zweifel ausgeräumt hatten, wurden Hardware und Software bestellt und im April 2001 von
Inneo installiert.
Herr Beger machte sich gleich an
die Arbeit, und zwar erfolgreich:
Die aktuelle Generation des Produktes ›Joggster‹, die 2003 auf den
Markt kam, wurde bereits mit
Pro/Engineer entwickelt. Produziert werden die Modelle übrigens
seit 1998 in Huangong, China, wo
Udo Beger nach Stationen in Bratislava und Taiwan angekommen
ist. Bei der Kommunikation mit
dem Fertigungspartner erweist sich
der Austausch von 3D-Modellen als
große Hilfe. Mithilfe der Firma Inneo, die auch das CAD-System geliefert und installiert hat, wurde ein
Prozess aufgesetzt, mit dem die
Konstruktionsdaten aus Pro/Engineer auf einem Server abgelegt werden, von wo sie via Internet von den
sätzlich verfügt China über die
Pro/Engineer-Module für die Festigkeitsanalyse und die Konstruktion
der Spritzgusswerkzeuge. »Diese
Programm-Module habe ich nicht
im Haus«, sagt Udo Beger. »Ich gebe
die Grundidee vor. Die wird hier geschützt, und erst dann übergeben
wir die Daten an den Fertigungsbetrieb in China. »Wir haben hier einen Server, der große Datenmengen
aufnehmen kann. Auf den legen wir
unsere Baugruppen drauf, und von
dort können sich unsere Partner in
China die Daten holen, denn ich
kann nicht das ganze Modell auf einmal verschicken. Dazu wären die
Datenmengen zu groß.«
Auf der Basis der Vorentwicklung in Deutschland fertigt
der Partner in China detaillierte
Modelle an und legt sie wieder auf
dem Server ab. So sind die Voraussetzungen geschaffen, auch ohne
Besprechungen vor Ort zusammenzuarbeiten. »Früher bin ich
mehrere Male pro Jahr in China vor
Ort gewesen«, erzählt Udo Beger.
Durch die Möglichkeit, über den
Server Konstruktionsdaten passwortgeschützt über das Internet
auszutauschen, ist eine Anwesenheit vor Ort so gut wie nicht mehr
erforderlich.
Keine Angst vor Raubkopien
Im Zuge seiner Zusammenarbeit
mit Fertigungspartnern in so genannten Niedriglohnländern ist
Udo Beger auch zum Spezialisten
in Sachen Patentrecht und Gebrauchsmusterschutz geworden.
Grundsätzlich hat er keine Angst
davor, dass seine Ideen in China kopiert werden können und in Form
von Billigkopien zurück nach Europa kommen: »Bevor wir etwas nach
China geben, ist es immer als Gebrauchs- und Geschmacksmuster
angemeldet«, betont er. »Wenn ein
Produkt über eine so genannte
internationale PCT-Anmeldung
geschützt ist (PCT: Patent Coope-
Entwicklung mit Pro/Engineer: Auf der
Basis der Vorentwicklung in Deutschland werden in China detaillierte Modelle angefertigt.
ration Treaty), wird es in der Regel
nicht kopiert werden.
»Seit dem letzten Jahr ist das Geschmacksmuster im deutschen
Recht stark aufgewertet worden.
Wenn jemand eines unserer Modelle
auch nur ungefähr nachmacht, kann
Das jüngste Kind
aus dem Hause
TFK: Der ›Buggster‹
bietet viel Platz
durch einen gewölbten Alurahmen.
© 2006 Carl Hanser Verlag, München
www.cad-cam.de
Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.
P R AX I S I N N O VAT I O N
ich sofort zu einem Gericht gehen
und eine einstweilige Verfügung holen, mit der ich den Vertrieb des Produktes untersagen kann«, weiß Beger. »Wenn die Ware aus dem Ausland kommt, kann ich zum Zoll gehen, der dann alle einschlägigen Lieferungen kontrollieren und die beanstandete Ware beschlagnahmen
wird. Diese wird dann auf Kosten
desjenigen, der das Geschmacksmuster verletzt hat, vernichtet.«
Seit der Neuregelung genügt es
laut Beger, dass ein Produkt nur eine
Ähnlichkeit mit einem angemeldeten Original haben muss, um als Kopie vom Markt genommen zu
werden.
Brandneu: der Buggster
Für seine jüngste Kreation, die bei
dem Gesprächstermin als Anschauungsobjekt auf dem Tisch steht, hat
Udo Beger bereits Geschmacksund Gebrauchsmuster angemeldet.
Es handelt sich dabei um den so genannten ›Buggster‹, eine Kreuzung
des Erfolgsprodukts ›Joggster‹ und
des altbekannten ›Buggy‹. Ein eleganter, klar gezeichneter Rahmen
aus nach außen gewölbten ovalen
Aluminiumrohren – und, der Firmenphilosophie entsprechend, drei
Rädern – bietet beim Buggster besonders viel Platz für einen geräumigen Sportwagensitz, der mit zwei
Handgriffen durch eine Kinderwagenwanne ersetzt werden kann. Das
Besondere dabei ist die Möglichkeit, den Buggster samt neuartiger
Kinderwagenwanne zusammenzuklappen: Die Wanne verschwindet
im zusammengeklappten Zustand
zwischen den Rahmenrohren. Das
Gefährt kann platzsparend im Kofferraum eines Autos oder in der Kabine eines Flugzeugs verstaut
werden.
Im Frühjahr 2006 soll die Neuheit auf den Markt kommen. Entwickelt wurde sie selbstverständlich
von Udo Beger selbst mit Pro/
Engineer.
Klaus Wiedemann
@
24
CAD CAM 1-2/2006
www.buggy.de
www.inneo.de

Documentos relacionados