Umwelt - Anordnungsbescheid - Kelheim Fibres
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Umwelt - Anordnungsbescheid - Kelheim Fibres
Landratsamt Kelheim ● Postfach 1462 ● Sachbearbeiter/in 93303 Kelheim Postzustellungsurkunde Peter Böhm Firma Kelheim Fibres GmbH z.H. Herrn Dr. Koch oder Vertreter Regensburger Str. 109 93309 Kelheim (09441) 207 4325 Telefon Telefax (09441) 207 4350 E-Mail peter.boehm @landkreis-kelheim.de Ihre Zeichen, Ihre Nachricht vom Unser Zeichen (Bitte bei Antwort angeben) Zimmer-Nr. Dienststelle 121 Kelheim, Schloßweg 3 Kelheim, den V 1 – 170.15.36 03.12.2015 Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG); Betrieb der Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskoseprodukten der Firma Kelheim Fibres GmbH auf Flur-Nr. 94 der Gemarkung Affecking Anlagen 1 Emissionsquellenplan Viskosefaserherstellung Maßstab 1 : 300 1 Emissionsquellenplan Viskosefaserherstellung Maßstab 1 : 500 1 Messkonzept der TÜV Süd Industrie Service GmbH (Bericht Nr. 2425066 vom 01.09.2015) 1 Kostenrechnung mit Überweisungsträger Das Landratsamt Kelheim erlässt folgenden B e s c h e i d: 1. Anordnungen gemäß § 17 BImSchG: 1.1 Emissionsbegrenzungen Für die Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskoseprodukten sind folgende Emissionsbegrenzungen als Tagesmittelwerte für die jeweiligen Emissionsquellengruppen einzuhalten: Zuständige Dienststelle Schloßweg 3 93309 Kelheim ÖPNV: Bushaltestelle Wöhrdplatz Besuchszeiten Mo - Fr 8.00 – 12.00 Uhr Di u. Do 14.00 – 16.00 Uhr Tel. Vereinbarung empfohlen Raiffeisenbank Bad Abbach-Saal Konto: 647500 (BLZ: 75069014) IBAN: DE 04750690140000647500 Swift-Bic: GENODEF1ABS Kreissparkasse Kelheim Konto: 190201277 (BLZ: 75051565) IBAN: DE 46750515650190201277 Swift-Bic: BYLADEM1KEH Tel.-Vermittlung (09441) 207-0 Telefax (09441) 207-213 www.landkreis-kelheim.de [email protected] EmissionsquellenGruppen H2S (mg/m³) CS2 COS (mg/m³) als Summenparameter Raumluft i.e.S. 1 mg/m³ 16 mg/m³ 10 Trockner 1 mg/m³ 25 mg/m³ 13 Waschsektoren 1 mg/m³ 150 mg/m³ Kamin 60 mg/m³ - Gesamtabgas - 150 mg/m³ Bezug der Emissionsgrößen Die Emissionsbegrenzungen unter 1.1 beziehen sich auf trockenes Abgas im Normzustand (273,15 K; 101,3 kPa) Die einzelnen Emissionsquellen können den im Anhang beigefügten Emissionsquellenplänen für die Viskosefaserherstellung im Maßstab 1 : 300 und 1 : 500 entnommen werden. Die genannten Emissionsquellenpläne sind Bestandteil dieser Anordnung. Hinweise: Unter dem Begriff Raumluft i.e.S. werden verschiedene Teilbereiche der Viskoseherstellung verstanden. Diese sind zum einen Abgasteilströme der drei Emissionsquellen im Bereich der Simplexanlagen (Raumluft Simplex West, Raumluft Simplex Ost und Viskosekeller) als auch die Quelle Säurebau Fensterreihe Raumluft. Im Bereich des Spinnsaaldaches bilden 13 Einzelquellen zusammen eine Quellgruppe Waschsektoren. Ebenso ist für 10 Trockner eine Quellgruppe definiert. Der oben jeweils angeordnete maximale Emissionsgrenzwert gilt als Tagesmittelwert für die jeweilige Quellgruppe und deckt somit den gesamten Bereich der Herstellung der Viskoseprodukte (Spinnsaal) ab. Der Emissionsquelle Kamin werden unter anderem Abgasströme der Maschinenzusatzabsaugungen der Spinnmaschinen, Abluftströme der Waschsektoren der Spinnstraßen 1 und Spinnstraße 9, Abluftströme der Waschsektoren der Straßen 8 und 10 (für den Fall der Wiederinbetriebnahme) , sowie Kanalabsaugungen, Teilabsaugungen der Zinkrückgewinnung und Absaugungen aus dem Spinnsaal (Schneidbühnen, Kabel) zugeführt. Der Grenzwert für COS und CS2 am Kamin errechnet sich theoretisch über Rückrechnung des festgelegten Emissionsgrenzwertes des Gesamtabgases im Verhältnis zu den Quellgruppen Raumluft i.e.S., Waschsektor und Trockner (dynamischer Ansatz). Gesamtabgas: Die Quellengruppen Raumluft i.e.S., Waschsektoren und Trockner und der Kamin sind in Summe unter dem Begriff Gesamtabgas subsumiert. Die Emissionsbegrenzung für H2S im Gesamtabgas ergibt sich rechnerisch aus der Festlegung der Grenzwerte der verschiedenen Quellgruppen (Raumluft i.e.S, Trockner, und Waschsektoren) und Kamin. Seite 2 von 20 1.2 Ableitung von Abgasen • Bei Ableitung von Abluftströmen der Waschsektoren in den Säurekamin sind diese in einer Höhe von 86 m über Geländeoberkante (GOK) abzuleiten. • Die Abluft der Emissionsquellgruppe Waschsektoren ist in einer Höhe von 10,5 m bis 15 m über GOK abzuleiten, das entspricht ca. 2 m bis 7 m über Spinnsaaldach. • Die Abluft der Quellgruppe Trockner ist in einer Höhe von 8,7 m bis 12,4 m über GOK abzuleiten, das entspricht ca. 1 m bis 4 m über Spinnsaaldach. • Die Abluft der Quellgruppe Raumluft i.e.S. ist in einer Höhe zwischen 8 m bis 15 m über GOK abzuleiten. 1.3 Messung und Überwachung der Emissionen Das Messkonzept der TÜV Süd Industrie Service GmbH (Bericht Nr. 2425066 vom 01.09.2015) ist Bestandteil dieser Anordnung und ist entsprechend umzusetzen. Hinweis: Das Messkonzept beinhaltet die Anforderungen zu kontinuierlichen und diskontinuierlichen Messungen sowie deren Auswertung. In Abhängigkeit der Messergebnisse werden die Wiederholungsintervalle der Einmalmesszyklen festgelegt. 1.4 Emissionsjahresbericht gemäß § 31 BImSchG Dem Landratsamt Kelheim sind jährlich 1. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse der Emissionsüberwachung, 2. sonstige Daten, die erforderlich sind, um die Einhaltung der Genehmigungsanforderungen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu überprüfen, vorzulegen. 2. Seite 3 von 20 Die Firma Kelheim Fibres GmbH hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr in Höhe von 1.000,00 € festgesetzt. Die Auslagen betragen 5,60 €. Gründe: I. Die Firma Kelheim Fibres GmbH betreibt auf dem Betriebsgrundstück Flur-Nr. 94 der Gemarkung Affecking eine Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskoseprodukten mit einer Produktionskapazität von 102.200 Tonnen/Jahr (durchschnittlich 280 Tonnen/Tag) Viskosefasern. Im Rahmen des Herstellungsprozesses für Viskose bzw. Viskosefaser entstehen Abgasströme, die mit Schwefelkohlenstoff (CS2), Schwefelwasserstoff (H2S) und Kohlenoxidsulfid (COS) belastet sind. Die Abluftströme, die am stärksten mit diesen Stoffen angereichert sind, werden abgesaugt und über nachgeschaltete Abgasreinigungsanlagen (Schwefelsäureanlage, CS2-Rückgewinnung) behandelt. Bei dem Betriebsteil Herstellung von Viskose werden die dafür verwendeten Simplexanlagen abgesaugt und die hoch konzentrierte Abluft der Abgasreinigungsanlage (CS2Rückgewinnungsanlage) zugeführt. Die Raumluft sowohl im Bereich der Simplexanlagen als auch im Bereich des Säurebaus wird über drei Emissionsquellen (Simplexbereich) bzw. über eine Fensterreihe (Säurebau) an die Umgebung abgeleitet. Da diese abgeleiteten Abluftströme geringe Konzentrationen an Schadstoffen aufweisen, erfolgt die Ableitung ohne Abgasreinigung. Bisher waren die Emissionsquellen der Raumluft (Raumluft i.e.S.) nicht klar definiert und es existierten auch keine abschließenden Grenzwerte sowie Vorgaben zur Emissionsmessung. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass die gegenständliche Anlage in ihren wesentlichen Bestandteilen seit den 1930er Jahren existiert. Die Anlage ist daher nachträglich an die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen im Bereich Luftreinhaltung anzupassen. Seit 2007 sind bereits Gespräche zur Altanlagensanierung nach Nr. 6 TA Luft zwischen dem Landratsamt Kelheim, dem Bayerischen Landesamt für Umwelt und der Firma Kelheim Fibres GmbH erfolgt, ein Abschluss konnte zwischenzeitlich nicht erreicht werden. Die ursprüngliche Planung zur Altanlagensanierung nach TA Luft sollte zunächst im Rahmen von Genehmigungsverfahren für die Erweiterungen der Produktion der Viskose und Viskosefaserherstellung abgewickelt werden. Diese Erweiterungen sind jedoch auf Grund der sich ständig verändernden wirtschaftlichen Marktlage im Bereich der Viskosefaserherstellung Mitte des Jahres 2014 unerfüllt geblieben. Auch im Rahmen des letzten Genehmigungsverfahrens im Jahr 2012 blieben die Anforderungen für die Altanlagensanierung im Unklaren, so dass das Landratsamt Kelheim den sehr zeitnahen Abschluss der Altanlagensanierung als erforderlich sieht. Bei dem Betriebsteil Viskosefaserherstellung fallen die am stärksten belasteten Abluftströme im Bereich der Spinnmaschinen und der unmittelbar nachgeschalteten Behandlung der Spinnfäden (Verstrecken, Schneiden, Aufschwemmen) an. Diese Abgasströme werden wiederum einer Abgasreinigungsanlage, entweder der Schwefelsäureanlage oder der CS2-Rückgewinnung, zugeführt. Im weiteren Prozess der Nachbehandlung (Bleichen, Waschen, Avivieren und Trocknen) werden die dort entstehenden Abluftströme ungereinigt über das Spinnsaaldach über eine Vielzahl von Emissionsquellen (10 Trockner, 13 Waschstraßen) abgeleitet. Diese Abluftströme weisen verhältnismäßig geringe Schadstoffkonzentrationen auf. Seite 4 von 20 Die genaue Lage der Quellen kann den im Anhang beigefügten Emissionsquellenplänen entnommen werden. Der Herstellungsprozess (Viskosefaserherstellung) und die Führung der Abgasströme sind in nachfolgendem Schema dargestellt: Abb. 1, Quelle: Gutachten LfU (Az. 21-8721.24-2538/2012, vom 30.03.12) Bisher waren die Emissionsquellen auf dem Spinnsaaldach nicht klar definiert und es existierten auch keine abschließenden Grenzwerte sowie Vorgaben zur Emissionsmessung. Wie im Bereich der Viskoseherstellung ist dies dem Umstand geschuldet, dass die gegenständliche Anlage in ihren wesentlichen Bestandteilen seit den 1930er Jahren existiert. Die Anlage ist daher nachträglich an die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen im Bereich Luftreinhaltung anzupassen. Seit 2007 sind bereits Gespräche zur Altanlagensanierung nach Nr. 6 TA Luft zwischen dem Landratsamt Kelheim, dem Bayerischen Landesamt für Umwelt und der Firma Kelheim Fibres GmbH erfolgt, ein Abschluss konnte zwischenzeitlich nicht erreicht werden. Die ursprüngliche Planung zur Altanlagensanierung nach TA Luft sollte zunächst im Rahmen von Genehmigungsverfahren für die Erweiterungen der Produktion der Viskose und Viskosefaserherstellung abgewickelt werden. Diese Erweiterungen sind jedoch auf Grund der sich ständig verändernden wirtschaftlichen Marktlage im Bereich der Viskosefaserherstellung Mitte des Jahres 2014 unerfüllt geblieben. Auch im Rahmen des letzten Genehmigungsverfahrens im Jahr 2012 blieben die Anforderungen für die Altanlagensanierung im Unklaren, so dass das Landratsamt Kelheim den sehr zeitnahen Abschluss der Altanlagensanierung als erforderlich sieht. Der Säurekamin (als Teil der Viskosefaserherstellung) wurde ebenfalls in die Betrachtung aufgenommen. Der Emissionsquelle Kamin werden unter anderem Abgasströme Maschinenzusatzabsaugungen der Spinnmaschinen, Abluftströme der Waschsektoren Spinnstraßen 1 und Spinnstraße 9, Abluftströme der Waschsektoren der Straßen 8 und 10 den Fall der Wiederinbetriebnahme), sowie Kanalabsaugungen, Teilabsaugungen Zinkrückgewinnung und Absaugungen aus dem Spinnsaal (Schneidbühnen, Kabel) zugeführt. mit der der (für der Die Emissionsquelle Kamin ist somit in die Berechnung des Gesamtabgases der Viskose- und Viskosefaserherstellung mit aufzunehmen. Seite 5 von 20 Eine Definition der einzelnen Emissionsquellen befindet sich bei den Hinweisen unter Nr. 1.1 dieses Bescheides. Grundlage für die nachträglich Anordnung ist neben den gesetzlichen Vorgaben im Wesentlichen der Bericht Nr. M111338/12 (Ausbreitungsrechnungen im Bereich CS2-Rückgewinnung, Spinnsaaldach, Viskose, Säurebau und Säurekamin im Rahmen des Sanierungskonzepts) der Firma Müller-BBM GmbH vom 22.07.2015 sowie das Konzept zur Emissionsüberwachung in der Danufilproduktion der Firma TÜV Süd Industrie Service GmbH (Bericht Nr. 2425066 vom 01.09.2015) sowie die fachliche Stellungnahme der zuständigen Umweltingenieurin am Landratsamt Kelheim. Die fachliche Beurteilung erfolgte in enger Abstimmung mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt. Die Emissionsgrenzwerte (Nr. 1.1 dieses Bescheides) wurden in enger Abstimmung mit der Firma Kelheim Fibres GmbH und dem Landesamt für Umwelt festgelegt. Maßgeblich war eine Besprechung am Landratsamt Kelheim am 06.11.2014. Mit Schreiben vom 07.08.2015 wurde die Firma Kelheim Fibres GmbH unter Vorlage des verfügenden Teils dieser Anordnung nach Art. 28 BayVwVfG angehört. Von der Firma Kelheim Fibres GmbH wurde daraufhin mit E-Mail vom 27.08.2015 gefordert, die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt vorgeschlagenen Immissionsobergrenzen zum Schutz der menschlichen Gesundheit in den verfügenden Teil des Bescheides mit aufzunehmen. Die für die Entscheidung relevanten Unterlagen wurden neben dem Entwurf dieser Anordnung vom 05.10.2015 bis 04.11.2015 im Landratsamt Kelheim sowie in der Verwaltungsgemeinschaft Saal a.d. Donau öffentlich ausgelegt und konnen eingesehen werden. Die Einwendungsfrist endete mit Ablauf des 18.11.2015. Es wurden keine Einwendungen erhoben. Seite 6 von 20 II. Zum Erlass dieser Anordnung ist das Landratsamt Kelheim sachlich und örtlich zuständig (§ 17 Bundes-Immissionsschutzgesetz -BImSchG- i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Buchst. c Bayerisches Immissionsschutzgesetz -BayImSchG- und Art. 3 Abs. 1 Nr. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz -BayVwVfG-). 1. Nachträgliche Anordnungen nach § 17 Abs. 1 BImSchG (Nr. 1 des Bescheides) Die Anordnung unter Nr. 1.1 dieses Bescheides stützt sich auf § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BImSchG. Die Anordnungen unter Nr. 1.2 und Nr. 1.3 dieses Bescheides stützen sich auf § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG. Nr. 1.4 dieses Bescheides weist auf die gesetzliche Betreiberpflicht des § 31 BImSchG hin. Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG können nach Erteilung der Genehmigung zur Erfüllung der sich aus dem BImSchG und der aufgrund des BImSchG erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten Anordnungen getroffen werden. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG soll die zuständige Behörde nachträgliche Anordnungen treffen, wenn nach Erteilung einer Genehmigung sowie nach einer nach § 15 Abs. 1 BImSchG angezeigten Änderung festgestellt wird, dass die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft nicht ausreichend vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen geschützt ist. Die Festlegung der Emissionsbegrenzungen unter Nr. 1.1 dieses Bescheides dient der Einhaltung der gesetzlichen Pflichten zu Schutz und Vorsorge vor schädlichen Umweltauswirkungen im Bereich Luftreinhaltung. Die Festlegung der Ableitbedingungen (Nr. 1.2 des Bescheides) und der Bestimmungen über Messung und Überwachung der Emissionen (Nr. 1.3 dieses Bescheides) dient der Einhaltung der gesetzlichen Pflicht zur Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen im Bereich Luftreinhaltung. Die Voraussetzungen für den Erlass der Anordnungen nach § 17 Abs. Satz 1 BImSchG sowie nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG sind vorliegend erfüllt. Dies wird im Folgenden näher erläutert. 1.1 Genehmigungsvorbehalt und Erteilung der Genehmigung Die Betriebsanlagen der Firma Kelheim Fibres GmbH unterliegen dem immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsvorbehalt (vgl. § 4 BImSchG i.V.m. § 1 Abs. 1 der 4. BImSchV, Nr. 4.1.8 Buchst. G in Spalte c und Buchst. E in Spalte d des Anhang 1 der 4. BImSchV). Für die Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskosefaser wurde die letzte Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG mit Bescheid vom 08.05.2012, Az. V1-170.15.26c, erteilt. Seite 7 von 20 1.2 Nichterfüllung der gesetzlichen Pflichten für den Bereich Luftreinhaltung Für die bestehende Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskosefaser waren bisher bestimmte Emissionsquellen nicht klar definiert, d.h. die genaue Lage der einzelnen Quellen war nicht bekannt und es lagen keine abschließenden Emissionsgrenzwerte für die emittierten Stoffe Schwefelkohlenstoff (CS2), Schwefelwasserstoff (H2S) und Kohlenoxidsulfid (COS) vor. Die genaue Lage der Quellen kann den im Anhang beigefügten Emissionsquellenplänen entnommen werden. Darüber hinaus gab es für diese Emissionsquellen keine Vorgaben zur Messung und Überwachung der Emissionen sowie zu den Ableitbedingungen. Somit war nicht sichergestellt, dass für diese Anlagenteile bzw. Emissionsquellen die gesetzlichen Anforderungen zur Vorsorge und zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen für den Bereich der Luftreinhaltung erfüllt werden. Die Anforderungen im Bereich Luftreinhaltung für die Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskoseprodukten werden im Folgenden näher erläutert. 1.2.1 Allgemeine gesetzliche Pflichten (§ 5 Abs. 1 BImSchG) Immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen sind u.a. so zu errichten und zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht hervorgerufen werden können (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG); Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird, insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG); 1.2.2 Allgemeine Anforderungen für den Bereich Luftreinhaltung Für den Bereich der Luftreinhaltung werden die gesetzlichen Anforderungen des § 5 Abs. 1 BImSchG durch die Vorgaben der Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 24. Juli 2002 (TA Luft) konkretisiert. Gemäß Nr. 6 TA Luft sind für bestehende Anlagen von Seiten der Behörde Anordnungen zu treffen, um die Erfüllung der Pflichten aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG sicherzustellen. Zur Gewährleistung der erforderlichen Pflichten sind die Anforderungen der Nr. 4 (Anforderungen zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen) und Nr. 5 (Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen) der TA Luft und die darin genannten Werte zu prüfen. Das Regelwerk sieht in diesem Fall für die Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskoseprodukten in der Konstellation, wie es hier bei Kelheim Fibres GmbH der einmalige Fall in Deutschland ist, folgendes vor: „Handelt es sich um eine einmalige Anlage in Deutschland und sind keine konkreten Anforderungen unter Nr. 5.4 der TA Luft definiert, ist die zuständige Behörde für die Beurteilung der technischen Besonderheiten in eigener Verantwortung zuständig.“ (vgl. Nr. 5.1.1 Abs. 6 TA Luft) Seite 8 von 20 Auf Grundlage oben genannter Sonderregelung (vgl. Nr. 5.1.1 Abs. 6 TA Luft) hat das Landratsamt Kelheim in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landesamt für Umwelt und in Abstimmung mit der Firma Kelheim Fibres GmbH bei einem Gespräch am 06.11.2014 konkrete Anforderungen für die Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskoseprodukten festgelegt. 1.2.3 Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen (Emissionen) Im 5. Teil der TA Luft werden Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen definiert. Laut Nr. 5.1.1 Abs. 2 TA Luft sind allgemeine Anforderungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen (Nr. 5.2 TA Luft) sowie Messungen und Überwachung von Emissionen (Nr. 5.3 TA Luft) heranzuziehen, soweit im speziellen Teil für besondere Anlagen (Nr. 5.4 TA Luft) keine anderen Regelungen getroffen sind. Die Firma Kelheim Fibres GmbH produziert in ihrer Anlage sowohl Viskose als auch Viskoseprodukte. Der Vorsorgegrundsatz im speziellen Teil Nr. 5.4.4.1.h.2 TA Luft greift lediglich Regelungen zur Herstellung von Viskoseprodukten auf. Hier wird konkret zwischen textilem Rayon (ViskoseFilamentgarn) und der Herstellung von Kunstdarm und Schwammtuch unterschieden. SCHWEFELWASSERSTOFF UND KOHLENSTOFFDISULFID Im Gesamtabgas, einschließlich Raumluftabsaugung und Maschinenzusatzabsaugung, dürfen a) bei der Herstellung von textilem Rayon aa) die Emissionen an Schwefelwasserstoff die Massenkonzentration 50 mg/m³ bb) und die Emissionen an Kohlenstoffdisulfid die Massenkonzentration 0,15 g/m³, b) bei der Herstellung von Kunstdarm und Schwammtuch aa) die Emissionen an Schwefelwasserstoff die Massenkonzentration 50 mg/m3 bb) und die Emissionen an Kohlenstoffdisulfid die Massenkonzentration 0,40 g/m3 nicht überschreiten. Nummer 2.7 Buchstabe a) bb) findet keine Anwendung. Die Möglichkeiten, die Emissionen an Schwefelwasserstoff und Kohlenstoffdisulfid durch Kapselung der Maschinen mit Abgaserfassung und Abgasreinigung oder durch andere dem Stand der Technik entsprechende Maßnahmen weiter zu vermindern, sind auszuschöpfen. Die Firma Kelheim Fibres GmbH stellt jedoch nicht nur Viskosefasern im Textilbereich, sondern auch im Hygiene-, Medizin-, Technikbereich sowie für den Haushalt her. Die Anforderungen gemäß Nr. 5.4.4.1.h.2 TA Luft bei der Herstellung von textilen Rayon sind somit nur in Anlehnung für die Festlegung der Emissionsgrenzwerte anzuwenden. Sind im speziellen Teil der TA Luft keine Anforderungen geregelt, ist in Konsequenz daraus der allgemeine Teil der TA Luft (Nr. 5.2 TA Luft) heranzuziehen. Unter Berücksichtigung des Regelwerkes ist für die Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskoseprodukten, in der Konstellation, wie es hier bei Kelheim Fibres GmbH der einmalige Fall in Deutschland ist, eine Sonderbeurteilung notwendig. Auf Grundlage dieser Sonderregelung hat das Landratsamt Kelheim in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Umwelt und in Abstimmung mit der Firma Kelheim Fibres GmbH am 06.11.2014 Seite 9 von 20 konkrete Vorsorgeanforderungen Viskoseprodukten besprochen. für die Anlage zur Herstellung von Viskose und In Anlehnung an die Definitionen des Gesamtabgases gemäß TA Luft (24. Juli 2002), sind in Abstimmung mit der Firma Begriffsdefinitionen für die Emissionsquellen der Herstellung von Viskose und Viskoseprodukte fixiert worden. Ausgenommen davon sind die Emissionsquellen der angegliederten Abgasreinigungslagen (Schwefelkohlenstoffrückgewinnung und Schwefelsäureanlage), da diese von der Definition Gesamtabgas ausgeschlossen sind. 1.2.3.1 Begriffsdefinitionen Unter dem Begriff Raumluft i.e.S. werden verschiedene Teilbereiche der Viskoseherstellung verstanden. Diese sind zum einen Abgasteilströme aus drei Emissionsquellen im Bereich der Simplexanlagen (Raumluft Simplex West, Raumluft Simplex Ost und Viskosekeller) als auch die Quelle Säurebau Fensterreihe Raumluft. Im Bereich des Spinnsaaldaches sind auf Grund der vielen Spinnstraßen und deren jeweils gleichartige Nachbehandlung Quellgruppen definiert worden. So bilden 13 Waschstraßen zusammen eine Quellgruppe Waschstraßen und zehn Trockner eine Quellgruppe Trockner. Der Emissionsquelle Kamin werden unter anderem Abgasströme Maschinenzusatzabsaugungen der Spinnmaschinen, Abluftströme der Waschsektoren Spinnstraßen 1 und Spinnstraße 9, Abluftströme der Waschsektoren der Straßen 8 und 10 den Fall der Wiederinbetriebnahme) , sowie Kanalabsaugungen, Teilabsaugungen Zinkrückgewinnung und Absaugungen aus dem Spinnsaal (Schneidbühnen, Kabel) zugeführt. der der (für der Gesamtabgas Die Quellengruppen Raumluft i.e.S., Waschstraßen und Trockner und der Kamin sind in Summe unter dem Begriff Gesamtabgas zu verstehen. 1.2.3.2 Relevante Emissionen bei der Herstellung von Viskose und Viskoseprodukten Für die Quellgruppe Gesamtabgas sind auf Grund der Betriebsbedingungen sowohl Schwefelwasserstoff (H2S), Schwefelkohlenstoff (CS2) und Kohlenoxidsulfid (COS) als eingesetzte Stoffe zu betrachten, welche wie folgt eingestuft werden: Bezeichnung SchwefelwasserStoff (H2S) SchwefelkohlenStoff (CS2) Kohlenoxidsulfid (COS) Tab. 1 Seite 10 von 20 Physikalischer Zustand 20°C gasförmig TA Luft Nr. GHS–Einstufung 5.2.4 Kl. II flüssig 5.2.5. Kl. I gasförmig 5.2.5 Kl. I H220 H280 H330 H400 H225 H315 H319 H361fd H372 H220 H280 H331 Eine Ableithöhe von 1 m bis 5 m über Spinnsaaldach der Emissionsquellen Trockner und von min. 3 m über Spinnsaaldach der Quellen Waschsektoren wird im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Seiten des Landratsamtes Kelheim und des Landesamtes für Umwelt für tolerierbar gehalten. 1.2.4.2 Raumluft Die Quellgruppe Raumluft wird über vier Emissionsquellen abgeleitet. Die Ableithöhen sind der Abbildung Nr. 1 und dem Messkonzept (Bericht-Nr. 2425066 der TÜV Industrie Service GmbH vom 01.09.2015) zu entnehmen. Eine Erhöhung der Ableitbedingungen ist in diesem Fall nicht gefordert, eine Ableitung von ca. 3m über Dach ist vorhanden, ausgenommen die Fensterreihe Säurebau Raumluft. 1.2.4.3 Kamin Der Kamin wird in seiner Höhe nicht verändert. Die Abgase werden in einer Höhe von 86 m abgeleitet. Der ungestörte Abtransport mit der freien Luftströmung ist für diese gefasste Quelle gesichert. Eine TA Luft konforme Ableitung der Abluft ist hier nicht gegeben, allerdings wird auf Grund der geringen Immissionswerte und derzeit technisch nicht forderbaren Emissionsminimierungen (keine veröffentlichten BVT-Schlussfolgerungen) die vorhandene Ableithöhe weiterhin toleriert. Seite 13 von 20 1.2.5 Messung und Überwachung von Emissionen 1.2.5.1 Kontinuierliche Messungen: Nach Nr. 5.3.3.1 TA Luft soll eine Überwachung der Emissionen relevanter Quellen durch kontinuierliche Messungen gefordert werden, wenn die in Nr. 5.3.3.2 TA Luft festgelegten Massenströme überschritten und Emissionsbegrenzungen festgelegt werden. Eine Quelle ist in der Regel dann als relevant einzustufen, wenn ihre Emissionen mehr als 20 % des gesamten Massenstromes der Anlage (Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskoseprodukte) beträgt. Folgende Tab. 3 stellt die maximalen Massenströme der gesamten Anlage dar: Quellen Massenströme[kg/h] CS2 angegeben als C COS angegeben als C 3,1 Organische Stoffe Nr. 5.2.5 Kl. I TA Luft angegeben als Cges 5,7 CS2 Rückgewinnung* 2,5 Schwefelsäureanlage* Raumluft i.e.S. Trockner Waschsektoren Kamin 0,1 0,4 0,5 2,3 10,4 0,2 0,1 0,4 0,7 2,9 0,04 0,2 0,8 1,2 5,2 10,5 0,1 0,1 0,1 0,1 11,9 23,6 17,7 12,5 12,2 Summe 16,3 7,3 Davon Gesamtabgas * werden bei dieser Anordnung nicht betrachtet H2S Tab. 3 Schwefelkohlenstoff und Kohlenoxidsulfid Bei Anlagen, bei denen der Massenstrom organischer Stoffe, angegeben als Gesamtkohlenstoff (Cges) für Stoffe der Nr. 5.2.5 Kl. I TA Luft den Wert von 1,0 kg/h überschreitet, sollen die relevanten Quellen mit Messeinrichtungen ausgestattet werden. Vergleicht man oben aufgeführte Abbildung, so ist erkennbar, dass für Gesamtabgas die vorgegebene Massenstromschwelle für Schwefelkohlenstoff und Kohlenoxidsulfid, angegeben als Cges, überschritten wird. Aus diesem Grund ist die kontinuierliche Ermittlung dieser Stoffe für die Quelle des Gesamtabgases erforderlich. Schwefelwasserstoff Bei Überschreitung des Massenstroms von 0,3 kg/h für Schwefelwasserstoff (Vgl. Nr. 5.3.3.2 TA Luft) ist die relevante Quelle mit einer kontinuierlichen Messeinrichtung auszustatten. Vergleicht man in diesem Zusammenhang die Abbildung, so ist erkennbar, dass für die Emissionsquelle Kamin bzw. auch für das Gesamtabgas eine kontinuierliche Ermittlung von Schwefelwasserstoff erforderlich ist. Die Firma Kelheim Fibres GmbH hat zusammen mit dem Landratsamt Kelheim, Landesamt für Umwelt und der TÜV Süd Industrie Service GmbH ein Messkonzept (Bericht-Nr. 2425066 der Seite 14 von 20 TÜV Industrie Service GmbH vom 01.09.2015) für die Herstellung von Viskose und Viskoseprodukte erarbeitet. Dieses Konzept ist Bestandteil der Luftsanierungsanordnung und konkretisiert die jeweiligen Emissionsmessungen der relevanten Stoffe in Bezug auf Messhäufigkeiten, Messplanung, Messverfahren, Auswertung und Beurteilung der Messergebnisse. 1.2.4 Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen (Immissionen) Nr. 4.1 TA Luft sieht die Prüfung, ob der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen sichergestellt ist, vor. Bei Schadstoffen, für die Immissionswerte in Nr. 4.2 bis. 4.5 TA Luft festgelegt sind, soll die Bestimmung von Immissionskenngrößen a) Wegen geringer Emissionsmassenströme (Nr. 4.6.1.1 TA Luft) b) Wegen einer geringen Vorbelastung (Nr. 4.6.2.1) oder c) Wegen einer irrelevanten Zusatzbelastung (Nr. 4.2.2 Buchstabe a), Nr. 4.3.2 Buchstabe a), 4.4.1 Satz 3, 4.4.3 Buchstabe a) und 4.5.2 Buchstabe a)) entfallen. In diesen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass schädliche Umwelteinwirkungen durch die Anlage nicht hervorgerufen werden können. Gemäß Nr. 4.8 TA Luft ist für luftverunreinigende Stoffe, für die keine Immissionsgrenzwerte in den Nr. 4.2 bis 4.5 TA Luft festgelegt sind und in den Fällen, in denen auf Nr. 4.8 TA Luft verwiesen wird, eine Prüfung, ob schädliche Umwelteinwirkungen hervorgerufen werden können, erforderlich, wenn hierfür hinreichende Anhaltspunkte vorliegen. Solche Anhaltspunkte liegen dann vor, wenn • nach Art des Verfahrens, • nach Zusammensetzung der Einsatz-, End- und Nebenprodukte, • den Ableitbedingungen der Abgase (z.B. kurzzeitige hohe Freisetzungen durch Notkaminbetrieb) oder • durch spezifische Umgebungsverhältnisse bestimmte Stoffe in einer Art und Menge emittiert werden, dass sie am Einwirkungsort zu Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen führen können. Nachdem die Ableitbedingungen bei dieser Anlage nicht TA Luft konform sind und sich die nächstgelegene Wohnbebauung in unmittelbarer Nähe zum Betrieb befindet, ist eine Sonderfallprüfung aus fachlicher Sicht notwendig. Die Prüfung nach Nr. 4.8. TA Luft dient a) Der Feststellung zu welchen Einwirkungen die von der Anlage ausgehenden Luftverunreinigungen im Beurteilungsgebiet führen; Art und Umfang der Feststellungen bestimmen sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und b) Der Beurteilung, ob diese Einwirkung als Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft anzusehen sind. Die Beurteilung richtet sich nach dem Stand der Wissenschaft und der allgemeinen Lebenserfahrung. 1.2.4.1 Schutz der Menschlichen Gesundheit Im Rahmen der Sanierungsgespräche zur Luftreinhaltung führte das Landesamt für Umwelt Gespräche mit dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, um Immissionswerte für Schwefelkohlenstoff und Kohlenoxidsulfid abzuleiten. Seite 15 von 20 Immissionswerte Mit Schreiben vom 13.08.2014 wird folgendes zum Schutz der menschlichen Gesundheit von fachlicher Seite des Landesamtes für Umwelt für die Sonderfallprüfung nach Nr. 4.8 TA Luft vorgegeben: Tab. 4 „Diese Immissionswerte sind die maximal zulässigen Immissionswerte zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft (Schutzgut menschliche Gesundheit) vor schädlichen Umwelteinwirkungen, die im Rahmen der Sanierung der Anlage zur Herstellung von Viskose und Zellwolle toleriert werden können. Sanierungsmaßnahmen sollten jedoch unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit darauf abzielen, die Immissionswerte möglichst weit zu unterschreiten. Die v.g. Immissionswerte zum Schutz der Allgemeinheit und Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen werden einer Überprüfung unterzogen, wenn neue Erkenntnisse zu gesundheitlichen Wirkungen dies erfordern.“ Das Ingenieurbüro Müller-BBM GmbH hat im Rahmen der Luftsanierung eine Immissionsprognose für die gesamte Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskoseprodukten für die Bereiche CS2Rückgewinnung, Spinnsaal, Viskose, Säurebau und Säurekamin (Kamin) unter Berücksichtigung der Berechnungsvorgaben des Landesamtes für Umwelt durchgeführt. Folgende prognostizierte Immissionsbeiträge sind an den nächstgelegenen Immissionsorten für die Gesamtanlage unter Berücksichtigung der festgelegten Emissionsbegrenzungen rechnerisch ermittelt (Müller BBM, Bericht Nr. M111338/12 vom 22.07.2015, Tab. 24, S. 44): Tab. 5 Seite 16 von 20 Erläuterung zu oben genannten Abkürzungen: • • • J00: Jahresmittelwert T00: Tagesmittelwert gW00: gleitender Wochenmittelwert Als Beurteilungspunkte wurden folgende Immissionsorte angesetzt: • • • • ANP_1: Affecking, Untere Dorfgasse (Fl. Nr. 89) ANP_2: Affecking, Untere Dorfgasse (Fl. Nr. 89/2) ANP_3: Affecking, Untere Dorfgasse (Fl. Nr. 87/6) LfU_1 : Affecking, Regensburgerstraße Vergleicht man die jeweiligen Ergebnisse der gutachterlichen Prognose (Tab. 5) mit den vorgegebenen Immissionswerten des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (Tab. 4), so ist erkennbar, dass die durch das Landesamt vorgegebenen Immissionswerte eingehalten bzw. deutlich unterschritten werden können. Die Berechnung der Immissionssituation zeigt, dass bezüglich der zu betrachtenden Schadstoffe Schwefelkohlenstoff, Kohlenoxidsulfid und Schwefelwasserstoff schädliche Umwelteinwirkungen im Beurteilungsgebiet offensichtlich nicht hervorgerufen werden können. Der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen ist somit sichergestellt. 1.3 Begründung der Ermessensentscheidung Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG steht der Erlass einer nachträglichen Anordnung regelmäßig im Ermessen der Behörde. Auch wenn die gesetzlichen Voraussetzungen der Anordnung erfüllt sind, kann sie – generell oder zeitweilig – davon absehen. Dieses Ermessen ist indessen unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG stark eingeschränkt. Wenn der Schutz der Allgemeinheit oder der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen oder sonstigen Gefahren, erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen es erfordert, soll eine Anordnung ergehen. Im Regelfall ist die Behörde hierzu verpflichtet; nur in atypischen Ausnahmefällen darf sie davon absehen. § 17 Abs. 1 differenziert insoweit zwischen Anordnungen zur Durchsetzung der Schutznorm des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG und solchen, die der Erfüllung der übrigen Pflichten des § 5 BImSchG, insbesondere der Vorsorge gemäß Nr. 2, dienen. Bei Schutzanordnungen besteht ein solches Ermessen nur bei der Auswahl zwischen mehreren gleichwertigen Handlungsmöglichkeiten oder mehreren in Betracht kommenden Adressaten. Bei einem Verstoß gegen die Schutzpflichten aus § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG ist die Behörde nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG grundsätzlich verpflichtet eine nachträgliche Anordnung zu erlassen; ihr Ermessen ist auf atypisch gelagerte Ausnahmefälle beschränkt. Nicht ausreichend geschützt sind die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft, wenn von einer Anlage schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des § 3 Abs. 1 BImSchG verursacht werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn durch Emissionen der Anlage Immissionsgrenzwerte überschritten werden. Gegenständlich ist dies in Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit bzw. der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftschadstoffimmissionen der Fall. Da vorliegend für die betroffenen Emissionsquellen an der Anlage zur Herstellung von Viskose und Viskosefaserprodukten keine Emissionsgrenzwerte festgelegt sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass immissionsseitig derzeit Überschreitungen der oben genannten, vom Bayerischen Landesamt für Umwelt zum Schutz der menschlichen Gesundheit vorgegebenen Immissionsobergrenzen vorliegen. Die Unterschreitung dieser Werte kann nur nachgewiesen werden unter der Voraussetzung, dass die Emissionsbegrenzungen unter Nr. 1.1 dieses Bescheides eingehalten werden (vgl. Bericht Nr. M111338/12 der Firma Müller-BBM GmbH vom 22.07.2015 - Ausbreitungsrechnungen im Bereich CS2-Rückgewinnung, Spinnsaaldach, Viskose, Säurebau und Säurekamin im Rahmen des Sanierungskonzepts). Ein atypischer Fall, welcher die Seite 17 von 20 Behörde in die Lage versetzen würde, von einer nachträglichen Anordnung abzusehen, ist somit in vorliegenden Fall nicht gegeben. Hinsichtlich der Festlegungen zur Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen ist festzustellen, dass hier zwar gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BImSchG grundsätzlich ein weiterer Ermessensspielraum vorgesehen ist. Für nachträgliche Anordnungen zur Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Luftschadstoffe schränkt allerdings Nr. 6.2.1 TA Luft das behördliche Ermessen ein. Nach dieser Verwaltungsvorschrift soll die zuständige Behörde die erforderlichen Anordnungen treffen, um die Anlage an den in Nr. 5 TA Luft beschriebenen Stand der Technik und die dort sonst angegebenen Vorsorgeanforderungen anzupassen. Ein Absehen von dem Erlass nachträglicher Anordnungen für die Erfüllung von Vorsorgeanforderungen beschränkt sich somit ebenfalls nur auf atypische Fälle. Tatsachen für das Vorliegen eines atypischen Falles sind vorliegend nicht gegeben. Darüber hinaus stehen die Anforderungen zu den Ableitbedingungen und zu Messung und Überwachung der Emissionen in einem unmittelbaren Zusammenhang zu den Emissionsbegrenzungen. Insbesondere wäre ohne Emissionsmessungen eine Überwachung der Emissionsbegrenzungen nicht möglich. Soweit die Emissionsbegrenzungen nach Nr. 1.1 dieses Bescheides der Erfüllung von Vorsorgeanforderungen dienen, bleibt anzumerken, dass die Festlegung der Emissionsbegrenzungen in enger Zusammenarbeit mit der Firma Kelheim Fibres GmbH und dem Bayerischen Landesamt für Umwelt erfolgte. Maßgeblich war eine Besprechung am Landratsamt Kelheim am 06.11.2014. Die Anordnungen dieses Bescheides sind zur Durchsetzung der Betreiberpflichten aus § 5 Abs. 1 BImSchG geeignet und erforderlich. Bei Einhaltung der Emissionsbegrenzungen unter Nr. 1.1 dieses Bescheides ist nach der vorgelegten Immissionsprognose der Firma Müller-BBM GmbH mit einer Unterschreitung der vom Bayerischen Landesamt für Umwelt vorgeschlagenen Immissionsobergrenzen zu rechnen (Bericht Nr. M111338/12 der Firma Müller-BBM GmbH vom 22.07.2015 - Ausbreitungsrechnungen im Bereich CS2-Rückgewinnung, Spinnsaaldach, Viskose, Säurebau und Säurekamin im Rahmen des Sanierungskonzepts). Die gesetzlichen Schutz- und Vorsorgeanforderungen werden auf diese Weise ausreichend sichergestellt. Ein milderes Mittel zur Durchsetzung der gesetzlichen Betreiberpflichten ist vorliegend nicht ersichtlich. Die Abstimmung der Emissionsgrenzwerte erfolgte in enger Zusammenarbeit mit der Firma Kelheim Fibres GmbH und dem Bayerischen Landesamt für Umwelt. Maßgeblich war eine Besprechung am Landratsamt Kelheim am 06.11.2014. Hinsichtlich der Ableitbedingungen wurde den Forderungen der Kelheim Fibres GmbH entsprochen, auf eine TA Luft konforme Ableitung der Abgase zu verzichten. Dies wird mit der statischen Ungeeignetheit des Spinnsaaldachs für eine Erhöhung der Kamine begründet. Da aufgrund der Immissionsprognose der Müller-BBM GmbH dennoch mit einer deutlichen Unterschreitung der Immissionsobergrenzen gerechnet werden kann, konnte den Forderungen der Firma Kelheim Fibres GmbH insoweit stattgegeben werden. Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit nachträglicher Anordnungen stellt darüber hinaus auch § 17 Abs. 2 BImSchG. Danach darf die Behörde eine nachträgliche Anordnung nicht treffen, wenn sie unverhältnismäßig ist, vor allem wenn der mit Erfüllung der Anordnung verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit der Anordnung angestrebten Erfolg steht; dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und technische Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen. Der Erfolg der Anordnungen dieses Bescheides, nämlich Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen zu Schutz und Vorsorge für den Bereich Luftreinhaltung, ist vorliegend deutlich höher zu werten als der damit verbundene Aufwand für die Firma Kelheim Fibres GmbH. Ein Aufwand ergibt sich voraussichtlich lediglich aus den zukünftig durchzuführenden Emissionsmessungen. Die Firma Kelheim Fibres GmbH hat keine Änderungen an der Anlage durchzuführen, insbesondere können die Ableitbedingungen beibehalten werden. Bei der Verhältnismäßigkeitsbetrachtung ist auch zu berücksichtigen, dass es sich bei den hier betrachteten Emissionen um nicht unerhebliche Mengen handelt, für die bisher keine abschließende Begrenzung und Überwachung festgelegt war. Ohne eine entsprechende Seite 18 von 20 Emissionsbegrenzung und Überwachung ist das hohe Gut „Menschliche Gesundheit“ nicht ausreichend geschützt. 1.4 Öffentlichkeitsbeteiligung Nach § 17 Abs. 1a BImschG ist vor Erlass einer Anordnung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BImSchG, durch welche Grenzwerte für Emissionen neu festgelegt werden sollen, bei Anlagen nach der Industrie-Emissionsrichtlinie der Entwurf der Anordnung öffentlich bekannt zu machen. Einwendungsbefugt sind Personen, deren Belange durch die nachträgliche Anordnung berührt werden sowie Vereinigungen, welche die Anforderungen von § 3 Abs. 1 oder § 2 Abs. 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes erfüllen. Die für die Entscheidung relevanten Unterlagen wurden neben dem Entwurf dieser Anordnung vom 05.10.2015 bis 04.11.2015 im Landratsamt Kelheim sowie in der Verwaltungsgemeinschaft Saal a.d. Donau öffentlich ausgelegt und konnten eingesehen werden. Die Einwendungsfrist endete mit Ablauf des 18.11.2015. Es wurden keine Einwendungen erhoben. 1.5 Anhörung des Betreibers Die Anhörung entsprechend Art. 28 BayVwVfG der Firma Kelheim Fibres GmbH erfolgte mit Schreiben vom 07.08.2015. Dabei haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, welche den Erlass dieser Anordnung entbehrlich erscheinen lassen. Die Firma Kelheim Fibres GmbH forderte zusätzlich die Festlegung von Immissionsgrenzwerten für die gegenständlichen Luftschadstoffe. Als Grenzwerte sollten die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt vorgeschlagenen Obergrenzen zum Schutz der menschlichen Gesundheit festgelegt werden. Dieser Forderung kann nicht entsprochen werden. Die vom Bayerischen Landesamt für Umwelt vorgeschlagenen Immissionswerte sind Obergrenzen zum Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen. Neben den Schutzanforderungen sind jedoch auch Vorsorgeanforderungen zu treffen. Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen wird durch die Emissionsbegrenzungen unter Nr. 1.1 dieses Bescheides getroffen. Die genannten Immissionsobergrenzen des Bayerischen Landesamtes für Umwelt werden nach der vorgelegten Immissionsprognose der Firma Müller-BBM GmbH bei Einhaltung der Emissionsgrenzwerte deutlich unterschritten (Bericht Nr. M111338/12 der Firma Müller-BBM GmbH vom 22.07.2015 Ausbreitungsrechnungen im Bereich CS2-Rückgewinnung, Spinnsaaldach, Viskose, Säurebau und Säurekamin im Rahmen des Sanierungskonzepts). Aufgrund der zu erwartenden Unterschreitung der Immissionsobergrenzen bei Einhaltung der Emissionsgrenzwerte unter Nr. 1.1 dieses Bescheides ist bereits auch der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen sichergestellt, ohne dass hierzu gesondert Anforderungen im Bescheid festgelegt werden müssten. Schutz und Vorsorge vor schädlichen Umwelteinwirkungen werden durch die Emissionsbegrenzungen unter Nr. 1.1 dieses Bescheides somit bereits abschließend bestimmt. Eine Festlegung der angenommenen Immissionsobergrenzen würde daher dem Vorsorgegrundsatz widersprechen. Die Festlegung der von der Firma Kelheim Fibres GmbH geforderten Immissionswerte ist damit nicht erforderlich und würde sogar im Widerspruch zu den Emissionsgrenzwerten stehen, da aufgrund der Emissionsgrenzwerte eine Unterschreitung der geforderten Immissionswerte zu erwarten ist. Seite 19 von 20 9. Begründung der Kostenentscheidung Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 5, Art. 6 Abs.1 Satz 1, Art. 10 und Art. 11 des Kostengesetzes (KG) i. V. m. Tarif-Nr. 8.II.0/1.9 des Kostenverzeichnisses (KVz). Für die Amtshandlung sind Kosten zu erheben, die Firma Kelheim Fibres GmbH als Veranlasser der Amtshandlung zu tragen hat. Nach Tarif-Nr. 8.II.0/1.9.1 KVz beträgt die Gebühr 300,00 € bis 20.000,00 €. Bei der Ermittlung der Gebühr wurde der mit diesem Bescheid verbundene Verwaltungsaufwand und die Bedeutung der Angelegenheit für die Beteiligten berücksichtigt. Dementsprechend wurde die Gebühr für diesen Bescheid auf 1.000,00 € festgesetzt. An Auslagen sind 5,60 € für die Zustellung des Bescheides angefallen. Der gesamte Zahlbetrag beläuft sich demnach auf 1.005,60 €. Rechtsbehelfsbelehrung Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats nach seiner Bekanntgabe Klage bei dem Bayerischen Verwaltungsgericht in Regensburg, Postfach 11 01 65, 93014 Regensburg, Haidplatz 1, 93047 Regensburg schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dieses Gerichts erhoben werden. Die Klage muss den Kläger, den Beklagten (Freistaat Bayern) und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen und soll einen bestimmten Antrag enthalten. Die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel sollen angegeben, der angefochtene Bescheid soll in Urschrift oder in Abschrift beigefügt werden. Der Klage und allen Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Eberl Verwaltungsamtsrätin Seite 20 von 20