die platte - hotte
Transcrição
die platte - hotte
Er DIE PLATTE Gottes Sohn und Bobbys Beitrag VON HARALD PETERS sieht gut aus, er hat Erfolg, und er hat Geld. Er hat sogar Talent. Doch der New-Yorker Rapper Ja Rule hat vor allem ein Problem. Obwohl jede seiner Platten schnurstracks in oberen Chartregionen wandert und die von ihm und dem Produzenten Irv Gotti geführte Plattenfirma Murder Inc. zu den ertragreichsten HipHop-Labeln zählt, nimmt ihn leider niemand so richtig ernst. Selbst die auf dem zweiten Bildungsweg angestrebte Hollywood-Karriere („The Fast And The Furious",, „Half Past Dead") scheint in diesem Punkt nicht zu helfen. Der Rapper DMX wirft ihm vor, seinen Stil - eine eigentümliche Mischung aus Rappen und Krakeelen kopiert zu haben, andere halten Ja Rule schlicht und einfach für zu kommerziell. Zwar würden andere Künstler gelassen über derlei Anfechtungen hinwegsehen, doch da HipHop auch stets davon handelt, Höhenflug, Bodenständigkeit, Inszenierung und Authentizität halbwegs glaubwürdig unter einen Hut zu bringen, widmet sich Ja Rule auf seinem neuen Album „The Last Temptation" (Murder Inc./Def JamlUniversal) nun ganz der Rückkehr zur so genannten Straße - allerdings ohne die Mauern seiner Villa dabei auch nur für einen Moment zu verlassen. Stattdessen wählt er die sicherere Variante und gebärdet sich als Verfolgter. Umringt von Feinden und Neidern, die ihm auf Grund seiner aasolut wahrhaftigen Art, Hip- Hop zu leben, und seiner schier unermesslichen Fähigkeiten als Rapper Übles wollen, gefällt er sich in einer Pose, die wahlweise an Jesus erinnert oder den ermordeten Rapper Tupac Shakur. Dabei wird er von Ashanti und den Ashanti-Klonen Charli Baltimore und Alexi gesanglich ebenso unterstützt wie von seinem Vorbild Tupac Shakur selbst, der sechs Jahre nach seinem Tod immer noch ein beliebter Gastrapper zu sein scheint. Auch der im Grunde restlos abgehalfterte ExKinderstar Bobby Brown fand etwas Zeit und gönnte seiner geplagten Gattin Whitney Houston eine Pause, um Ja Rule auf der tatsächlich brillanten Single „Thug Lovin" zu begleiten. Mit den kommerziell ex- trem erfolgreichen Neptunes hetzt der kommerziell extrem erfolgreiche Ja Rule dann in dem Stück „Pop Niggas" ausgerechnet gegen das Phänomen kommerziell extrem erfolgreicher Rapper. Man könnte sagen, das Album sei beispielhaft in Sachen angewandter Schizophrenie. Obwohl es deutlich besser geraten ist, als man zunächst erwarten durfte, wird Ja Rule seine Imageprobleme damit kaum beheben. Das in dem Stück „Murder Reigns" verwendete Toto-Sample („Africa") spricht in diesem Zusammenhang eine deutliche Sprache. Auch Angie Martinez sucht noch nach ihrem Weg. Zum einen ist sie hauptberuflich Radiomoderatorin und DJ bei dem New-Yorker HipHop-Sender Hot 97, zum anderen wäre sie gerne auch als Rapperin berühmt. Da sie als Latina offenbar auch gern ein bisschen wie Jennifer Lopez sein möchte, ist sie vor allem ein wandelnder Kompromiss. Mit ihrem Ruf einer HipHop-Kennerin, einem Talent, das vor allem einem soliden Wunschdenken geschuldet ist, und dem Styling von J.Lo ist ihr neues Album „Animal House" (Elektra) jedenfalls keine besonders erquickliche Angelegenheit und fällt deutlich hinter ihr Debüt „Up Close And Personal" zurück. Allein die aktuelle Single „If 1 Could Go" verfügt über einen Wiedererkennungswert, der allerdings wirklich nicht zu unterschätzen ist. Im Gegensatz zu Angie Martinez befindet sich die Karriere des NewYorker Rappers Nas neuerdings wieder im Aufwind. Zwar schien sein Ruf nach zwei sehr großartigen bis guten Alben („Illmatic", „lt Has Been Written") und etlichen gründ- lich misslungenen Werken („I Am", „Nastradamus", „Stillmatic") allmählich zu leiden, doch mit seiner neuesten Veröffentlichung „God's Son" (Sony) scheint er vorerst wieder hergestellt. Zwar neigt Nas ähnlich wie Ja Rule zu einer gewissen Überhöhung seiner selbst - man beachte in diesem Zusammenhang den Albumtitel - doch andererseits ist er ein derart guter MC, dass man ihm solche Melodramatik verzeiht. Mit der Unterstützung von Produzenten wie Salaam Remi, Chucky Thompson, Ron Browz, the Alchemist, Eminem und überraschenderweise auch Alicia Keys, findet Nas, der das Rappen ja nie verlernt hatte, vor allem musikalisch wieder zu früherer Form zurück. Obwohl kein Stück dem anderen ähnelt und „God's Son" weniger wie ein Album als vielmehr wie eine Compilation wirkt, lässt sich zu Nas immerhin sagen: Problem gelöst.