Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und

Transcrição

Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und
Materialisierung
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
1
Einleitung
Die Proliferation kulturtheoretischer Kehren1 löst bei den Verfassern dieses Beitrages ambivalente Gefühle aus. Einerseits entsteht nicht von ungefähr die Befürchtung, das inflationäre Ausrufen neuer Forschungsparadigmen und Schlagwörter
folge vor allem modischen Zwängen oder diene in einer Zeit der Reizüberflutung
wissenschaftshegemonialen Machtansprüchen. Andererseits lässt sich die gebündelte Vielfalt der Versuche, über die im linguistic turn2 konstatierte Sprachgebundenheit jedweder Erkenntnis hinauszukommen, als fruchtbare Dynamisierung
kulturwissenschaftlicher Arbeit begreifen. Hierfür erscheint es uns jedoch unverzichtbar, Theoreme nicht allein auf der Ebene des Spekulativen zu entwickeln,
sondern sie gleichsam als Mehrwert aus konkreten materialorientierten Fragestellungen abzuschöpfen.
Der Sprach- und Kulturraum, der sich in den letzten ca. anderthalb Jahrhunderten
um die Rio-de-la-Plata-Metropolen Buenos Aires und Montevideo ausdifferenziert
hat, bietet ein vielschichtiges Material, anhand dessen sich kulturwissenschaftliche
Konzepte entwickeln und erproben lassen. Der Tango ist dabei das Kulturphänomen
par excellence, das diesen Raum repräsentiert. Im Folgenden möchten wir aus
diesem Phänomen eine migrations- und transkriptionstheoretische Perspektive entwickeln.
Der Begriff der Transkription ist in diesem Band bereits thematisiert worden.
Ludwig Jägers Ausführungen zur intra- wie intermedialen Transkription, die
kulturelle Phänomene im Modus der Nachträglichkeit konstituiert, synthetisiert
unseres Erachtens die (post)strukturalistischen Überlegungen, dass Bedeutung allein
in dynamisierten, d.h. verzeitlichten und verräumlichten Differenzen entsteht. Auf
einer konkreteren Ebene bestimmt Walter Bruno Berg anhand des Romans País de
Jauja (1993) des peruanischen Autors Edgardo Rivera Martínez mit musik1
2
Einen Überblick gibt Bachmann-Medick 2006. Zu aktuellen Perspektiven des spatial
turn siehe Döring/Thielmann 2008.
Vgl. Rorty 1967.
83
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
wissenschaftlichen Anklängen 3 Transkription als einen Aufführungsprozess, in dem
Präskript und Transkript gleichwertig nebeneinander gestellt werden. Transkription,
als Figur prozessualer Alterätserfahrung verkoppelt indigene und eurozentrierte
kulturelle Praktiken und überwindet die bekannten eurozentrischen Muster der
Akkulturation Lateinamerikas wie auch die entgegengesetzte Suche nach einer
indigenen lateinamerikanischen Identität. Beide Pole verlieren den Charakter
dichotomischer Alternativen und ermöglichen ein Oszillieren zwischen vielfältiger
kultureller Praxis.4
Betont Transkription eine zeichen- und medientheoretische Spannung, so verortet
Migration diese gewissermaßen in einer raumzeitlichen prozessualen Erfahrung.
Migration kann dabei nicht mehr hegemonial als einmaliger mit dem Zwang der
Akkulturation, Integration und Assimilation verbundener Ortwechsel verstanden
werden, sondern schafft komplexe kulturelle und soziale Verbindungen zwischen
Herkunfts- und Zielorten.5 Für den Rio-de-la-Plata-Raum ist sie insofern konstitutiv,
als dieser Raum als Kulturraum erst durch inneramerikanisch wie europäische
Immigration Ende des 19. Jahrhunderts entsteht. Das Apriori der Transnationalität,
sowohl der Herkunfts- als auch der Zielorte untergräbt dabei jede nationalistische
Reduzierung, wie sie insonderheit in der Idee einer „Argentinität“ (nicht zuletzt des
Tangos) aufscheint.6
Es soll im Folgenden untersucht werden, inwiefern der Tango als repräsentative
Kulturform in seinen getanzten wie gesungenen Manifestationen ein Produkt
transkriptiver Zeichen- und Medienpraxis ist, die in einer gleichsam migratorischen
Bewegung von Schritten und Stimmen im Raum eine doppelte materielle Basis
findet. Tango soll dabei nicht nur Untersuchungsgegenstand sein, sondern gleichzeitig ins Methodische umschlagen: ein improvisierendes aufmerksam vorsichtiges
Vor- und Zurück auf der Tanzfläche kulturwissenschaftlicher Theoreme.
3
4
5
6
84
Siehe zum Transkriptionsbegriff der Musikwissenschaft Stockmann 1979.
Zur Transkriptionstheorie und ihren poststrukturalistischen Gründen siehe auch
Kailuweit 2009.
Vgl. Glick Schiller et al. 1992, 10; Spiegel 2005, 5-9. Eine spezielle
»Migrationslinguistik«, die Sprecherverbünde an Herkunts- und Zielorten in Form von
»Glossotopen« untersucht, ist von Krefeld 2004 skizziert worden. Vgl. Kailuweit 2008.
So spricht Carlos Vega (1898-1966) in einem in den 30er Jahren entstanden Werk von
den „origenes del tango argentino“ (Vgl. Vega 2007). Dagegen betont Vicente Rossi
1926 die Ursprünge des Tangos in der milonga montevideana, die in den so genannten
academias in den Vorständten der Metropole Uruguays Ende des 19. Jahrhunderts
getanzt wurde. Während Argentinier gewissenmaßen einen Alleinvertretungsanspruch
erheben, betonen Uruguayer wie Vidart 1967, 13: „el tango es rioplatense“.
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
2
Schritte
The collective mythology that conjures up tango and Argentine-ness can be directly
traced to specific geographical contributors and the response to, and expression of
that space. That space is derived from physical locations and the crossing between
them: in particular the empty space of the interior and the crowded urban space of
the City of Buenos Aires […] The popular cultural phenomenon of tango can be
seen as an expression of specific social situations of people in particular locations.
That is tango can be regarded as having logically evolved from transient
populations’ responses to an historic, spatially-derived sense of loss, failure and
dislocation, which they encountered in the rural and urban landscapes of Argentina.
Therefore, tango and Argentina can both be seen as existing at the level of social
imaginary as well as concretely. (Bendrups 2004, 100)
An einer vielzitierten Stelle seines Aufsatzes Événement, signature, contexte dehnt
Derrida die Kontextlöslichkeit des Zeichens als Verkörperung seiner Schriftlichkeit
auf jede Erfahrung aus:
Cette possibilité structurelle d’être sevrée du référent ou du signifié (donc de la
communication et de son contexte) me paraît faire de toute marque, fût-elle orale,
un graphème en général, c’est-à-dire, comme nous l’avons vu, la restance nonprésente d’une marque différentielle coupée de sa prétendue « production » ou
origine. Et j’étendrai même cette loi à toute « expérience » en général, s’il est acquis
qu’il n’y a pas d’expérience de pure présence mais seulement des chaînes des
marques différentielles. (Derrida 1972, 378) [Hervorhebung im Original]
Sevrer – ‚ein Kind entwöhnen’, ‚einen Ableger ablösen’: Menschen machen ihre
Erfahrungen im Raum, sie sind nicht wie Bäume festgewachsen, obschon das Wort
Entwurzelung das Gegenteil suggeriert. Wenn intermediale Transkription nach Jäger
(2004; in diesem Band) konstitutiv für die Erstellung und Perpetuierung des
kulturellen Gedächtnisses ist, so ist die Transkription der Raumerfahrung hierfür ein
zentrales Moment; ein Gedanke, dem in der Sozialgeographie (Soja 1989, Werlen
2004) bereits seit einiger Zeit nachgegangen worden ist.
2.1
W eite und Enge
Was den Tango angeht, so zeigt sich das eingangs bereits mit den Worten von
Bendrups umrissene Szenario – selbst wenn wir die reduktionistische Ausgrenzung
Uruguays nicht beachten – außerordentlich komplex. Wir befinden uns am Ende des
19. Jahrhunderts7 in einer Zeit sozioökonomischer Umbrüche mit erheblichen Auswirkungen nicht nur im demoskopischen, sondern auch im geopolitischen Bereich.
Die Indianerkriege sind vorbei, die Industrialisierung erschließt die Weiten der
7
Einen detailierten Überblick über die Geschichte Argentiniens gibt Rock 1986. Zur
(Sozial-)Geschichte von Buenos Aires siehe Vázquez (Hg.) 1996.
85
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
Pampa, führt sie neuen landwirtschaftlichen Produktionsformen zu. Die alteingesessene gauchos-Kultur (Viehtreiber) wird nicht mehr benötigt. Ihr Lebensraum ist zerstört. Gauchos finden sich in den wachsenden Vorstädten (arrabales,
suburbios) von Buenos Aires und Montevideo wieder, mit ihren Schlachthäusern,
Kühlhallen und Pferde gezogenen Straßenbahnen. Die von Gaslicht erleuchteten
Straßen sind der Nährboden für politische Agitation und organisierte Kriminalität.
Hier treffen gauchos auf in der Mehrzahl italienisch stämmige Immigranten. Man
lebt auf engstem Raum zusammengepfercht: Die neue Stadtlandschaft besteht aus
Mietskasernen (conventillos), zum einen umgebaute alterwürdige Paläste im südlich
des Zentrums gelegenen Stadtteil San Telmo, die die Oberschicht nach der Geldfieber-Epidemie 1871 verlassen hat, zum anderen neu entstehende Wellblechkonstruktionen am noch weiter südlich gelegenen Hafen La Boca oder weiter am
Riachuelo landeinwärts um die Schlachthöfe herum in den Vierteln Barracas und
Nueva Pompeya.
Die bürgerlich liberale Politik hatte nach dem Motto Alberdis »Regieren ist Besiedeln« nach 1869 massiv in Europa Einwanderer geworben. Statt der erhofften
Fachkräfte aus Mittel- und Nordeuropa kamen allerdings vor allem Analphabeten
aus dem Süden, d.h. aus den ärmsten Regionen Italiens wie Kalabrien und Sizilien,
aber auch aus den ländlichen Gebieten Spaniens, aus Galizien und dem Baskenland.
Statt in den Weiten der Pampa den Einwanderern Parzellen zur Verfügung zu
stellen, verpachteten die neureichen einheimischen Großgrundbesitzer das Land in
der Regel nur zu schlechtesten Konditionen (Rock 1986: 139s). So siedelte die
Mehrzahl der Immigranten nicht auf dem Lande, sondern im Großraum Buenos
Aires. In den Vorstädten findet von daher eine doppelte Dislokation einen prekären
Haltepunkt: die einen, die criollos, erinnern das weite Land als einen verlorenen
Raum, für die anderen, die gringos, ist es das imaginäre Ziel einer Reise in eine
bessere Welt, die abrupt in Enge und Elend zu enden scheint.
86
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
Abb. 1 Dis- und Relokation im Rio-de-la-Plata-Raum
Gleichwohl gilt es für den Ursprung des Tangos an ein drittes Element zu erinnern:
die Schwarzen, von denen es in Argentinien durchaus nicht weniger gab, als in
anderen lateinamerikanischen Ländern, bis sie in der Guerra de la Triple Alianza
gegen Paraguay 1865-1869 aufgerieben wurden. Ihre Candombe-Musik,8 und die
aus Kuba importierte Habanera gehen wie die Gaucho-Payada und die canzonetta
napoletana in die Magma des Tangos ein. Mit den Worten von Martínez Estrada:
“El tango […] trae en su ritmo reminiscencias del pasado abyecto y las voces
sofisticadas de la vida rehusada. Nació después de la jornada del negro arrancado de
su tierra […] Encierra en sus cadencias la esclavitud” (Martínez Estrada [1933]
1996, 162).
8
Eine kultische Tanzpantomime aus der Bantureligion, die nach 1870 vor allem in der
Karnevalszeit aufgeführt wurde (Reichardt 1984, 33). Der in Paris lebende Neo-TangoSänger Juan Carlos Cáceres geht dem vergessenen schwarzen Element des Tango nach.
Sein Candombe Tocá Tangó (2001) schildert die Wege der farbigen Argentinier und
lässt den Rhythmus langsam in ein Tango-Arrangement übergleiten: En Retiro los
marcaban / pa’llevarlos al Potosí / y allí mismo iban qudando / con su mancha carmesí /
Por Córdoba y Tucumán / iban todos a sufrir / hacia el norte los llevaban
a las minas a morir. / ¡Tocá tangó. Tocá tangó! / Dicen los negros con el tambor. / ¡Tocá
tangó. Tocá tangó! / ¡Mandinga viene, viva Xangó! / En Buenos Aires se quedaban /
pa’el servicio o a pedir / o en oficios denigrantes / iban muchos sin dormir. / Cuando fue
la Revolución / a la guerra los mandaron / muchos de ellos regresaron / sin un brazo o sin
razón.
87
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
Obgleich der Beitrag der Farbigen in der Entstehung des Tangos umstritten ist (vgl.
Castro 1991, 94-98), spricht vieles dafür, dass die 1926 von Vicente Rossi in seinem
Buch Cosas de negros vorgebrachte These zutrifft und die Afro-Argentinier den
Tango ebenso prägten wie die weißen criollos und die europäischen Immigranten.
Castro fasst die zentralen Thesen Rossis wie folgt zusammen:
Blacks in Argentina were totally dislocated from their cultural African home with a
loss of language, religion and tribal affiliation. From a cultural point of view, Rossi
suggests Blacks became more creole than did the other components of Argentine
society. In the rural areas they became gauchos, were the backbone of the
montonera [irregular military forces], symbols of patriotism and local autonomy. In
the folk tradition of the gaucho, the payador [gaucho troubadour], the itinerant folk
singer who was the preserver of oral traditions, also included the Afro-Argentine
[…] The black payador tradition, when it became associated with the orillerasuburbio or urban areas, created a new environment out of which Rossi
demonstrated the development of the first “milonga”, and later, the tango… (Castro
1991, 95)
Lassen wir an dieser Stelle die musikgeschichtlichen Fragen, die Castro aufwirft,
einmal offen. Unabhängig davon inwiefern sich eine weiße von einer schwarzen
Payada unterscheidet,9 welchen Stellenwert dem Candombe und der Habanera zukommen und ob die Milonga, als städtische payada, auf ein afrikanisches Etymon
zurückgeht: Im afro-argentinischen Element verbindet sich gleichermaßen die Erfahrung der Dislokation der externen wie der internen Migration, der Verlust des
Ursprungs in einem Kontinent, den im Lebensraum der Pampa zu kompensieren
nicht gelingt.
In einer Vielzahl von Tangos klingt die Pampa als Ausgangspunkt einer Dislokation
und zugleich imaginäres Ziel kompensatorischer Relokation an. Dies wird etwa im
Tango Adiós pampa mía 10 deutlich. Der Text stammt von Ivo Pelay, bürgerlich
Guillermo Juan Robustiano Pichot (La Plata 1893 – Buenos Aires 1959), der vor
allem als Theaterautor bekannt ist.
¡Adiós pampa mía!...
Me voy... Me voy a tierras extrañas
adiós, caminos que he recorrido,
ríos, montes y cañadas,
9
10
88
Es ist in diesem Zusammenhang nicht uninteressant daran zu erinnern, dass einer der
größten Payadores, Gabino Ezeiza, ein Farbiger war, der 1858 in Buenos Aires im
Stadtteil San Telmo geboren wurde.
Die Musik stammt von Francisco Canaro (San José de Mayo/Uruguay 1888 - Buenos
Aires 1964), einem der bekanntesten tangueros der alten Garde, und Mariano Mores
(*1918).
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
tapera donde he nacido.
Si no volvemos a vernos,
tierra querida,
quiero que sepas
que al irme dejo la vida.
[…]
¡Adiós pampa mía!...
Me voy camino de la esperanza.
Adiós, llanuras que he galopado,
sendas, lomas y quebradas,
lugares donde he soñado.
Yo he de volver a tu suelo,
cuando presienta
que mi alma escapa
como paloma hasta el cielo...11
Dass dieser Tango erst 1945 entstand, ist kulturarchäologisch betrachtet kein
Anachronismus. Ein kulturelles Gedächtnis konstituiert sich im Modus der longue
durée. Es entsteht in einer Vielzahl von Transkriptionsschritten, in denen die
Sprache bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium repräsentiert. Die Spuren nachzuziehen, die eine Versprachlichung der Erfahrung erst ermöglichen, ist, indem sie
die an medialen Grenzen orientierten Disziplinen überschreitet, die Aufgabe einer
Transkriptionswissenschaft als Kulturarchäologie.
Kehren wir also vor die Sprache zurück: Wenn der Tango in seinen Ursprüngen
nicht Wort, sondern Ton und Bewegung ist, so stellt sich die Frage, ob sich die Erfahrung des Raumes, sei sie real oder imaginär, in Schritte umsetzen lässt. Lässt sich
der Raum tanzen? Martínez Estrada deutet dies in seinem 1933 erschienenen Essay
Radiografía de la pampa an, in dem er den Tango als eine gleichwohl umgedrehte
Katharsis des freien Raumes stilisiert. Die monotone Bewegung erinnert an einen
Ochsenkarren, in dem das Durchschreiten des weiten Landes gleichsam im Spiegel
der Enge der conventillos in ein Joch gespannt ist:
Baile del pesimismo, de la pena de todos los miembros; baile de las grandes llanuras
siempre iguales y de una raza agobiada, subyugada, que las anda sin un fin, sin un
destino, en la eternidad de su presente que se repite. La melancolía proviene de esa
repetición, del contraste que resulta de ver dos cuerpos organizados para los
movimientos libres sometidos a la fatídica marcha mecánica del animal mayor.
(Martínez Estrada [1933] 1996, 162)
Als Rekompensation für die verlorene Bewegungsfreiheit stilisiere der Tango, so
Martínez Estrada, in der Monotonie seiner Schrittfolge den imaginären Weg in ein
erlösendes Nichts: „Es un baile sin alma, para autómatas, para personas que han
11
Romano 2000, 355f.
89
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
renunciado a las complicaciones de la vida mental y se acogen al nirvana“ (Martínez
Estrada [1933] 1996, 162).
2.2
Del barrio de las latas pa’ Corrientes 12
Der Tango ist in der Tat ein Schreiten, ein Gehen, in den Worten eines der bedeutendsten Tänzer, Jorge Martín Orcaizaguirre (1926-1990), Virulazo: „letzten
Endes nichts anderes […] als drei Minuten lang zu gehen; zum Rhythmus eines
Orchesters, eine Frau umarmend, die weiß, wie sie auf jede Intention des Mannes
antwortet. Alles andere ist Gymnastik“ (Salas 2002, 362) 13.
Gleichwohl ist dieses Schreiten mitnichten der resignierte Trott eines ins Joch gespannten Ochsen. Es ist der Auftritt des compadrito, der, ein Kind der arrabales,
dem guapo oder compadre als Mutation des marginalisierten Gauchos in Bewahrung
und Transformation des Männlichkeitskultes von Mut und Messer, den Rang streitig
macht. Nach Leopoldo Lugones (bei Sábato 2005, 69) „un híbrido triple de gaucho,
de gringo y de negro“, sprengt diese Figur die ethnischen Grenzen. Dass sie ethnisch
changierend besetzt werden kann, ist früh dokumentiert. Bereits bei Piaggio (1887),
in einem der ersten Artikel über den Lunfardo,14 wird ein compadrito als güífaro,
d.h. italienischstämmig bezeichnet (Gobello 1980, 48f.). In Pachecos Los
disfrazados, einem sainete crollo von 1906, ist einer der drei Tango-Tänzer als
Farbiger stilisiert: „Soy el mulato Papilla bailarín de bute y soda. Soy el taquero más
pierna para un tango quebrador”15 (Pacheco 1919, s.p.).
So multiethnisch die Herkunft der compadritos sein mag, die Figur selbst ist in
ihrem Habitus klar definiert. Ihr prahlerisches Gehabe kompensiert das Elend ihres
Umfeldes als ein Körperkult, der von der Stimme, dem Lunfardo, über die
modischen Details ihres Erscheinungsbilds, bis hin zu einem Auftreten reicht, zu
dem es gleichermaßen gehört, das Messer und das Tanzbein zu schwingen: „El
orgullo de saber bailar era característico del orillero que se preciaba de tal.
Mostrarse »patadura« podía resultar tan negativo para el prestigio viril como ser
chambón con el cuchillo” (Salas [1986] 2004, 31). Salas zufolge, bestimmt der
Wettstreit der Compadritos die Entwicklung des Tanzes weit mehr als das
erotisierende Verhältnis zwischen den Tanzpartnern:
12
13
14
15
90
Tango von Elimio Fresedo (Buenos Aires 1894-1973).
Das Zitat fehlt in der spanischen Neuausgabe Salas 2004.
Dem in den Vorstädten von Buenos Aires entstehenden slang (vgl. Teruggi 1978).
Lunfardoausdrücke: de bute y soda (‚exzellent und locker’); taquero más pierna (‚der
beste Tänzer’).
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
Nada de lujuria en el abrazo […] Se bailaba por la honda fruición de bailar, pero se
bailaba peleando. La rivalidad entre los danzantes, la pugna entre los barrios,
consumían atención y requerían cuidado. No podía el hombre bailar retrocediendo,
como exigía la cortesía hasta entonces, porque la espalda no debe acercarse al
enemigo potencial. (Salas [1986] 2004, 30)
In diesem Bewegungsritual ist eine Raumerfahrung transkribiert, die in den
makrotopologischen Kategorien von Weite und Enge nicht gefasst werden kann.
Hier erscheint eine mikrotopologische Analyse erforderlich, eine Analyse die
Bendrups (2004) in ihrem eingangs zitierten Aufsatz The tango space of Argentina
verfehlt. Nach Bendrups ist das aufstrebende Buenos Aires der Jahrhundertwende,
das sich letztlich erfolglos, so ihre These (ebd.: 105f.), mit den Metropolen Paris,
Berlin oder New York vergleicht, eine imaginäre Heimat, die in Tangos wie Buenos
Aires16 vergeblich beschworen wird. Die urbanistischen Fehlleistungen im selbsternannten »Paris des Süden« 17 würden, so Bendrups, schließlich zu einer nostalgischen Rückbesinnung auf die untergegangene Kleinräumlichkeit der Vorstädte
führen, etwa in dem 1926 entstandenen Tango Puente Alsina von Benjamín Tagle
Lara (Buenos Aires 1892-1932):
¿Dónde está mi barrio, mi cuna querida?
¿Dónde la guarida, refugio de ayer?
Borró el asfaltado, de una manotada,
la vieja barriada que me vio nacer...
En la sospechosa quietud del suburbio,
la noche de un triste drama pasional
y, huérfano entonces, yo, el hijo de todos,
rodé por el lodo de aquel arrabal.
Puente Alsina, que ayer fuera mi regazo,
de un zarpazo la avenida te alcanzó...
Viejo puente, solitario y confidente,
sos la marca que, en la frente,
el progreso le ha dejado
al suburbio rebelado
que a su paso sucumbió.
16
17
1923 von Manuel Jovés komponiert. Der Text stammt von Manuel Romero (Buenos
Aires 1891-1954).
Buenos Aires wurde von seinem Bürgermeister Torcuato de Alvear zwischen 1883 und
1887 nach dem Vorbild des Haussmannschen Paris und mit derselben sozialen
Rücksichtslosigkeit umgestaltet (vgl. Zalko 2004, 33f.).
91
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
Yo no he conocido caricias de madre...
Tuve un solo padre que fuera el rigor
y llevo en mis venas, de sangre matrera,
gritando una gleba su crudo rencor.
Porque me lo llevan, mi barrio, mi todo,
yo, el hijo del lodo lo vengo a llorar...
Mi barrio es mi madre que ya no responde...
¡Que digan adónde lo han ido a enterrar!18
Es ist nicht ohne Ironie, dass der Autor dieses Tangos aus San Telmo stammt, dem
Viertel, das in gleicher Weise reklamiert, Ursprungsort des Tangos zu sein, wie der
am Riachuelo landeinwärts gelegene Vorort Nueva Pompeya, den die Brücke Puente
Alsina mit der Pampa verbindet. San Telmo, das Viertel südlich des Zentrums, ist
anders als Nueva Pompeya keine Vorstadt im topographischen, wohl aber im soziologischen und kulturpsychologischen Sinne. Die arrabales von Buenos Aires entstehen nämlich nicht nur durch die gesellschaftlichen Umwälzungen, durch
Industrialisierung und Immigration, sondern, wie bereits erwähnt, auch durch eine
urbanistische Kuriosität. Nach der Gelbfieberepidemie 1871 verlässt die Oberschicht
ihre angestammten Wohngebiete im Süden der Stadt:
Tras el éxito de la oligarquía, entraron en el sur los trabajadores de los mataderos,
de los saladeros, de los frigoríficos, las prostitutas y los perseguidos, el lumpen, y, a
partir de 1880, masivamente, los inmigrantes [...] Para la vuelta del siglo, San
Telmo era un arrabal, en el sentido que los poetas del tango dan a esa palabra: no un
sitio topográficamente de extramuros, sino un barrio culturalmente extremo…
(Vázquez Rial 1996, 256)
Die ob ihrer angeblich ungesunden Lage für den besseren Teil der Bevölkerung
unbewohnbaren Bürgerhäuser werden in lukrative conventillos verwandelt, in denen
man in- und ausländische Migranten zusammendrängt: Das Elend des arrabal atmet
die großbürgerliche Chuzpe. Der Fatalismus, einem letalen Viertel zu entstammen,
das vor nicht langer Zeit noch das Viertel der anderen, der besseren war, spiegelt
sich in der arroganten Haltung des compadritos: „The dress of »el cívico« and other
compadritos was at first an attempt te emulate the »jailaife« (upper class »society
swells«). And later the »jailaife« emulated the compadrito“(Castro 1991, 116f.).
Die Topographie des Tangos besteht in einem Spannungsverhältnis zwischen den
Vierteln von Buenos Aires. Er ist nicht schlichtweg die Musik aus den arrabales
einer selbstgenügsamen sozialen Unterschicht, sondern eines komplexen
Verhältnisses von Auf- und Abstieg, das sich in der Topographie von Buenos Aires
spiegelt. Wenn der Tango in den Bordellen der Hafengegend und Schlachthofviertel
18
92
Romano 2000, 100f.
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
im Süden der Metropole entstand und über die compadritos Einzug in die
conventillos hielt, so ist die Geschichte seines Aufstieges die einer
Halbkreisbewegung in den Norden; eine Bewegung, die über die gehobenen
Etablissements Lo de Laura und Lo de la Vasca,19 die auch von den Sprösslingen
der Oberschicht frequentiert wurden, bis hinauf zum vornehmen Tanzlokal Hanssen
in Palermo führt (vgl. Salas [1986] 2004, 84-92).
Abb. 2: Süd-Nord-Bewegungen des Tangos
Nichtsdestoweniger ist diese Bewegung keine unidirektionale. Auf- und Abstiege
halten sich die Waage, wie an den Lebensläufen zweier zentraler Figuren der alten
Garde verdeutlicht werden kann. Der Pianist Rosendo Mendizábal (1868-1919), ein
Mulatte, wuchs im reichen Viertel Recoleta auf, Erbschaften ermöglichten ihm in
seiner Jugend einen nicht unerheblichen Wohlstand, den er nach Kräften zu verschwenden wusste. Seinen Unterhalt musste er bald nicht nur mit Klavierstunden für
höhere Töchter verdienen, sondern als Pianist des Oberschicht-Bordells Lo de
Laura. Sein unaufhaltsamer Abstieg brachte es mit sich, dass er erblindet, gelähmt
19
Der aus dem französischen Baskenland stammenden María la Vasca (vgl. Zalko 2004,
55).
93
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
und völlig verarmt seine Tage in einem conventillo der untersten Klasse beendete
(vgl. Silbido 1964; Salas 2004, 99f.).
Gegenläufig stellt sich der Lebenslauf des criollo Ángel Villoldo dar. Sein Geburtsdatum wird zwischen 1861 und 1869 angegeben (De Lara 1968, 33; Reichardt 1984,
70-77; Salas 2004, 93-98; Varela 2005, 61f.). In den 80er Jahren arbeitete er auf den
Schlachthöfen und als cuarteador, d.h. als Hilfskutscher, der mit einem zusätzlichen
Pferdegespann die Straßenbahnen über die Steigungen brachte. Später verdingte er
sich als Setzer, Journalist und Zirkusclown. Berühmt ist er jedoch als Tangokomponist geworden. Vor allem El choclo (1905 uraufgeführt) gehört zu den meistgespielten Tangos aller Zeiten. Villoldo nahm als einer der ersten Schallplatten und
Filme auf. 1919 starb er an Krebs als einer der populärsten Musiker seiner Zeit.
2.3
Paris – Buenos Aires
Hatte Mendizábal, der nie französischen Boden betrat, Anfang des Jahrhunderts mit
Le petit Parisien bereits einen Tango geschrieben, der der Stadt an der Seine gewidmet war (vgl. Zalko 2004, 38), so gehörte Villoldos choclo zu den ersten Tangos,
die 1906 Frankreich erreichten, sei es nun durch argentinische Matrosen oder durch
französische Geschäftsreisende, die in Buenos Aires die Nachtclubs frequentiert und
sich mit Partituren versorgt hatten. Bereits 1907 reiste Villoldo zusammen mit dem
Ehepaar Alfredo Gobbi und Flora Rodríguez de Gobbi seinen eigenen Tangos
hinterher. Das Trio gehörte zu den ersten, die über Plattenaufnahmen mit renommierten Orchestern den Tango in Paris gesellschaftsfähig machten (vgl. ibd.,
53-55). Während Villoldo nach Buenos Aires zurückkehrte, blieben die Eheleute
Gobbi dort sieben Jahre, verdingten sich als Tanzlehrer und trugen dazu bei, dass
der Tango in Paris zum Modetanz der Oberschicht avancierte: zum Schrecken der
argentinischen Eliten übrigens, wie der vielzitierte20 Ausspruch des argentinischen
Botschafters in Paris, des Literaten Enrique Larreta, belegt. Auf die Frage, warum er
bei Botschaftsfesten keine Tangos spielen lasse, antwortete Larreta:
El tango es en Buenos Aires una danza privativa de las casas de mala fama y de los
bodegones de la peor especie. No se baila nunca en los salones de buen tono ni entre
personas distinguidas. Para los oídos argentinos la música del tango despierta ideas
realmente desagradables. No veo diferencia alguna entre el tango que se baila en las
academias elegantes de París y el que se baila en los bajos centros nocturnos de
Buenos Aires. Es la misma danza, con los mismos ademanes y las mismas
contorsiones. (bei Sábato 2005, 112)
Gerade die letzte Passage bezeugt ein profundes Missverständnis kultureller
Transkriptionen. Der gleiche Tango, wird er in einem Pariser Salon oder in einem
20
94
Vgl. Zalko 2004, 76.
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
Bordell in Buenos Aires getanzt, ist ein je anderer. Der jeweilige Ort, als geographischer wie sozialer, verleiht ihm seine Bedeutung. Während der Tango in
Buenos Aires mikrotopologisch den suburbios zugewiesen wird, steht er makrotopologisch in Paris für die argentinische Hauptstadt und damit für das ganze Land.
Um in Paris spielen zu können, hatten sich die Tango-Orchester zu verkleiden und
Gaucho-Kostüme zu tragen:
Les musiciens […] se présentèrent vêtus en gauchos, comme l’exigeait le Syndicat
des musiciens français, car pour pouvoir jouer, les orchestres étrangers devaient
apparaître avec les costumes traditionnels de leur pays. Cette habitude, ou cette
obligation, accompagna les orchestres de tango pratiquement jusqu'à la Seconde
Guerre mondiale […] « Je n’ai jamais vu autant de gaucho qu’à Paris » disait
Discépolo […] Le gaucho – homme de la campagne, de cheveux et de vaches –
n’avait pas grand-chose á voir avec le tango, musique de la ville par excellence.
Mais pour les Français, les deux se mêlaient… (Zalko 2004, 114f.)
Dass diese Verkleidung von den Musikern als lächerlich empfunden wurde, auch
und gerade, wenn sie Stücke wie El choclo intonierten, zeigt die Fiktivität, die der
Pampa-Evokation vieler Tangos anhaftet. Villoldos ursprünglicher Text, lassen wir
einmal die obszönen Doppeldeutigkeiten unanalysiert, beschreibt ein ländliches
Szenario:
De un grano nace la planta
que más tarde nos da el choclo
por eso de la garganta
dijo que estaba humilloso.
Y yo como no soy otro
más que un tanguero de fama
murmuro con alborozo
está muy de la banana.
Hay choclos que tienen
las espigas de oro
que son las que adoro
con tierna pasión,
cuando trabajando
llenito de abrojos
estoy con rastrojos
como humilde peón.
De lavada enrubia
en largas quedejas
contemplo parejas
si es como crecer,
con esos bigotes
que la tierra virgen
95
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
al noble paisano
le suele ofrecer.21
Enrique Santos Discépolo schreibt 1947 einen neuen Text, der heute im Allgemeinen zu diesem Tango gesungen wird und der gleichsam eine fragmentarische
Synthese der Topographie des Tangos liefert:
Con este tango que es burlón y compadrito
se ató dos alas la ambición de mi suburbio;
con este tango nació el tango, y como un grito
salió del sórdido barrial buscando el cielo;
conjuro extraño de un amor hecho cadencia
que abrió caminos sin más ley que la esperanza,
mezcla de rabia, de dolor, de fe, de ausencia
llorando en la inocencia de un ritmo juguetón.
[…]
Carancanfunfa se hizo al mar con tu bandera
y en un pernó mezcló a París con Puente Alsina.
Triste compadre del gavión y de la mina
y hasta comadre del bacán y la pebeta.
Por vos shusheta, cana, reo y mishiadura
se hicieron voces al nacer con tu destino...
¡Misa de faldas, querosén, tajo y cuchillo,
que ardió en los conventillos y ardió en mi corazón.22
Discépolo beschreibt die fatalistische Großspurigkeit, mit der sich der Tango aus der
Enge der suburbios befreit und sich durch die Stadt eine Schneise bahnt. Eine
Schneise, die nicht in den Himmel, sondern über das Meer führt und dabei den
Nicht-Ort seines Ursprungs mit der Stadt des Lichts in einem Drink verrührt, eine
räumliche Spannung inkorporiert, deren groteske Gegensätze unüberbietbar
scheinen: die Weltstadt im Zentrum Europas und der schäbige Vorort am Südende
von America, die Spelunken am Riachuelo, die Salons an der Seine. Es handelt sich
dennoch um eine fragmentarische Synthese, die eines Palimpsests gleich auf dem
fröhlich-obszönen Landlied aufruht, das weite Hinterland vergessen lässt und eine
wenn auch melancholiegetränkte Unidirektionalität beschwört.
Was Discépolos Choclo offen lässt, ist die Rückkehr des Tangos und seiner Protagonisten. Hinsichtlich der tangueros criollos beschreibt Carlos Lenzi 1930 in seinem
Tango Araca París sarkastisch, dass auf die Goldgräberstimmung des Aufbruchs in
der Stadt der Illusionen bisweilen nur allzu schnell eine enttäuschte Heimkehr
folgte:
21
22
96
http://www.todotango.com/spanish/las_obras/letra.aspx?idletra=595 (13.08.2010)
Romano 2000, 372.
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
Pianté de Puente Alsina para Montmartre,
que todos me batían, pa m'engrupir:
"Tenés la pinta criolla p'acomodarte
con la franchuta vieja que va al dancing...
¿Qué hacés en Buenos Aires? ¡No seas otario!
Amurá esas milongas del Tabarís...
Con tres cortes de tango sos millonario...
¡Morocho y argentino! ¡Rey de París!"
¡Araca París!
¡Salute París!
Rajá de Montmartre,
piantate, infeliz.
Si vas a París
no vas a morfar:
no hay minas otarias
y hay que laburar.
Volvete p'al barrio
y tendrás milongas;
milongas diqueras
que saben amar.
¡Araca París!
¡Salute París!
Rajá de Montmartre;
piantate, infeliz.
Agarré tren de lujo, loco'e contento:
—bon soir, petite je t'aime, tu es mon cocó—
con una gorda tuerta con mucho vento
que no me dio ni medio y me amuró...
Tiré la bronca y, guapo, por darme corte,
un tortazo en la ñata se le incrustó:
comisaría, jueces y un pasaporte...
y terminó mi historia de gigoló.23
Wenn der Tango nach seinem Pariser Abenteurer nach Buenos Aires zurückkommt
und nunmehr in den höchsten Kreisen verkehrt, so ist dies nicht allein einer frankophilen Oberschicht zu verdanken, die begierig sich einverleibt, was in Paris
reüssiert. Selbstredend waren die besseren Kreise gut vorbereitet. Das Französische
war in den Familien der Oberschicht Umgangssprache, doch wurde, man verzeihe
diese Zote, die lengua francesa in allen gesellschaftlichen Schichten geschätzt.
Französische Prostituierte erzielten in Buenos Aires die höchsten Einnahmen, das
23
http://www.todotango.com/spanish/las_obras/letra.aspx?idletra=1315 (13.08.2010)
97
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
fünffache des Tageslohns eines einfachen Arbeiters. Französinnen zu imitieren, war
somit ein klassenüberschreitendes Unterfangen (vgl. Guy 2001, 17-54).
Echte und falsche Französinnen bevölkerten die Cafés Concert der Vorstädte wie die
feinen Etablissements des Zentrums. Als Musen des Tangos unsicherer Herkunft
initiieren sie imaginäre Schrittfolgen, die gleichermaßen zwischen Paris und den LaPlata-Metropolen und zwischen armer Vorstadt und reichem Zentrum, sozialem
Aufstieg und Absturz oszillieren. So heißt es in Recuerdo (1924) von Eduardo
Moreno (Musik: Osvaldo Pugliese):
Embriagada Mimí
que llegó de París,
siguiendo tus pasos
la gloria se fue
de aquellos muchachos del viejo café
Quedó su nombre grabado
por la mano del pasado
en la vieja mesa del café del barrio sud,
donde anoche mismo una sombra de ayer,
por el recuerdo de su frágil juventud
y por la culpa de un olvido de mujer
durmióse sin querer
en el Café Concert.24
Ob jene Mimí „del café del barrio del sud“ tatsächlich je französischen Boden betreten hat und wohin die Schritte ihrer Verehrer führten, außer ins Verderben, bleibt
in Morenos Tango der Imagination anheim gestellt. Desillusionierender beschreibt
Celedonio Flores die auf das Französische fixierte Bewegung in Margot (1919):
Se te embroca desde lejos, pelandruna abacanada,
que has nacido en la miseria de un convento de arrabal...
Porque hay algo que te vende, yo no sé si es la mirada,
la manera de sentarte, de mirar, de estar parada
o ese cuerpo acostumbrado a las pilchas de percal.
Ese cuerpo que hoy te marca los compases tentadores
del canyengue de algún tango en los brazos de algún gil,
mientras triunfa tu silueta y tu traje de colores,
entre el humo de los puros y el champán de Armenonville.
Son macanas, no fue un guapo haragán ni prepotente
ni un cafisho de averías el que al vicio te largó...
24
98
http://www.todotango.com/spanish/las_obras/letra.aspx?idletra=362 (13.08.2010)
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
Vos rodaste por tu culpa y no fue inocentemente...
¡berretines de bacana que tenías en la mente
desde el día que un magnate cajetilla te afiló!
Yo recuerdo, no tenías casi nada que ponerte,
hoy usas ajuar de seda con rositas rococó,
¡me reviente tu presencia... pagaría por no verte...
si hasta el nombre te han cambiado como has cambiado de suerte:
ya no sos mi Margarita, ahora te llaman Margot!
Ahora vas con los otarios a pasarla de bacana
a un lujoso reservado del Petit o del Julien,
y tu vieja, ¡pobre vieja! lava toda la semana
pa' poder parar la olla, con pobreza franciscana,
en el triste conventillo alumbrado a kerosén 25
Die Musik stammt von José Razzano und Carlos Gardel. Gardel, vermutlich als
Charles Gardès in Toulouse geboren und in Buenos Aires aufgewachsen, verlegte
später seinen Geburtsort nach Uruguay, wohl um mit dem entsprechenden Pass der
Strafverfolgung zu entgehen, da er trotz Wehrpflicht für Auslandsfranzosen nicht
gedacht hatte, für Frankreich in den Weltkrieg zu ziehen (vgl. Salas [1986] 2004,
168-177; Barsky/Barsky 2004, 279-300). Ob nun in Frankreich oder Uruguay geboren, der francesito wurde zu einer Identifikationsfigur der argentinischen Gesellschaft, mit der bestenfalls noch Evita Perón und Diego Maradona konkurrieren.
Der francesito Gardel und María La Vasca, die Puffmutter aus dem französischen
Baskenland: Der Tango trug seine französische Entwurzelung in sich, als er sich auf
den Weg nach Paris machte. Wo immer man ihn festhalten will, sei es in den
suburbios von Buenos Aires oder Montevideo, sei es im Zentrum der Metropolen: er
ist immer bereits einen Schritt darüber hinaus. In der Zeitschrift P.B.T. heißt es am
22.09.1913 über den Tango in Paris:
… aun cuando los bailarines anuncian a sus espectadores que van a bailar un tango
»tal como se baila en los salones aristocráticos«, resulta que ellos le han añadido y
le han quitado todo su sabor, hasta el extremo de que avergonzaría bailarlo de este
modo a cualquiera de nuestros más acreditados orilleros. Ante este tango novísimo,
ese tango de nuestros peringundines, con el corte y quebrada de las tangueras más
castizas, viene a ser poco menos que una antigualla al lado de los pasitos graciosos,
de las filigranas, de los revoloteos de las tangueras parisenses, que lo bailan al
chantilly, en sustitución de la ginebra de los bailongos criollos. (Bei Salas 2004:
117)
25
Romano 2000, 34f.
99
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
Mit grazilen Sahne-Schritten emanzipiert sich der Tango vom altbewährten alkoholschwangeren Trott der orilleros. Eine Transkription die in der nostalgischen Rekonstruktion ihres Präskripts einer Geschmacksverirrung gleichkommt. In einem
Artikel des Figaro liest man 1914:
De très nombreux Portègnes se sont rendus dernièrement à Paris, aussi désireux
d’enseigner le véritable tango que de tirer de leur noble profession célébrité et
profit. Effort inutile. Les parisiens n’admettent comme « tango argentin » que celui
qu’ils sont inventé. Si on les pousse à bout, ils diront que la danse préférée de nos
compatriotes errants n’est qu’une pâle imitation de « leur tango » (Bei Zalko 2004,
75f.)
Das Transkript überschreitet das Präskript, das gleichwohl erst im Transkript wahrgenommen wird, ihm wie ein fader Nachgeschmack anhaftet und wie eine verbleichende Spur eingeschrieben ist. Der Tango wird »tango argentin«, indem er sich
in Paris verändert: er bewegt sich in einem Dazwischen, in einer Kette von
Transkriptionen, die seinen Ursprung in einem Dreieck zwischen Buenos Aires,
Montevideo und Paris gleichermaßen beschwören und in der Unmöglichkeit eines
jeden Anfangs notwendig verfehlen.
3
Von der Stimme des Tangos zur Stimme im Tango
Die Bewegung des Tango, materialisiert in Form von Schritten, ist eine von mannigfaltigen Transkriptionen gekennzeichnete, soviel sollte schon deutlich geworden
sein. Den Tango aber nur in seinen (Tanz-)Schritten, zu sehen, wird dem
Transkribendum nicht gerecht. Tango ist immer auch und insbesondere in Buenos
Aires und Uruguay und nicht zuletzt in Paris, Gesang! Der Tango ist Lied, er hat
Stimme. Wenn gemeinhin in der Literatur zum Tango von der Stimme gehandelt
wird, steht der Tangosänger im Fokus der Aufmerksamkeit und oftmals ist es jener
eine Tangosänger, auf den wir schon rekurriert haben: Carlos Gardel – die Stimme
des Tangos. Weit weniger Aufmerksamkeit hat bisher ein Phänomen auf sich gezogen, das in der Perspektive der Migrationen des Tangos und seinen vielgestaltigen
Transkriptionen ungleich feiner und faszinierender ist – die Stimme IN der Stimme.
Im Tangolied finden sich nicht selten Berichte, in denen das, was jemand einst sagte,
nicht in indirekter, sondern in direkter Rede wiedergegeben wird. Im Moment der
Aufführung des Tangoliedes animieren die Sänger die ‚fremden Worte’ als ‚fremde
Stimmen’, so dass gleichsam durch die Stimme des Sängers weitere Stimmen hörbar
werden.
3.1
Polyphonie und Ani mi erung: Stimmwiedergabe im
Tangolied
Viele Tangolieder – insbesondere solche der frühen Jahrzehnte – enthalten Passagen
der direkten Rede. Nicht selten werden Dialoge zwischen Mann und Frau angeführt,
100
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
in deren Wiedergabe allein sich die Szene konstituiert. Eine solche prototypische
Szene ist etwa im Tango El último café (Text Cátulo Castillo; Musik: Héctor
Stamponi) beschrieben: es geht um jenen letzten Kaffee, den die ehemals Liebenden
trinken, während ihre Beziehung mit einem einzigen Satz endet. In der Erinnerung
des Mannes, dem der jeweilige Tangosänger seine Stimme leiht, ist gleichsam die
Stimme der Frau noch einmal zu hören, als sie ihm dereinst eröffnete: „Lo nuestro
terminó.“
El último café
Llega tu recuerdo en torbellino,
vuelve en el otoño a atardecer
miro la garúa, y mientras miro,
gira la cuchara de café.
Del último café
que tus labios con frío,
pidieron esa vez
con la voz de un suspiro.
Recuerdo tu desdén,
te evoco sin razón,
te escucho sin que estés.
"Lo nuestro terminó",
dijiste en un adiós
de azúcar y de hiel...
¡Lo mismo que el café,
que el amor, que el olvido!
Que el vértigo final
de un rencor sin porqué...
Y allí, con tu impiedad,
me vi morir de pie,
medí tu vanidad
y entonces comprendí mi soledad
sin para qué...
Llovía y te ofrecí, ¡el último café!26
26
http://www.todotango.com/spanish/las_obras/letra.aspx?idletra=87 (13.08.2010)
101
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
Es geht uns nun darum zu betonen, dass nicht nur der Inhalt der einschneidenden
Aussage wiedergegeben, sondern der Sprechakt selbst reanimiert wird: wir hören die
Frau selbst sprechen, hören ihre Stimme.
Diese re-inszenierten Momente können auch die Stimmen beider Protagonisten
enthalten, wie in dem Tango Madame Julié: Der Ich-Erzähler, dem der Sänger seine
Stimme leiht, stilisiert sich als älterer, standhafter Herr, der durch die offensichtliche
französische Herkunft der hilfebedürftigen „Madame“ erweicht wird. Der Tango
evoziert einen auf Paris ausgerichteten rioplatensischen Kulturraums, insofern als
die Frauenfigur der Unterstützung für eine Reise nach Uruguay, an das gegenüberliegende Ufer des Río de la Plata, benötigt:
MADAME JULIE
Fui presentado esta mañana
a una dama en Leandro Alem,
de unos cuarenta, oxigenada,
y se llamaba Madame Julié.
Me habló de Grecia y de California
y que era oriunda del gran París,
llevaba encima tapao de armiño
y se hospedaba en el City Brill.
En tren de confidencia, la francesita
me habló de mucha guita para entregar
a un pariente que la fulana
dijo tenía en La Paternal.
Y como se ausentaba urgentemente
a la vecina orilla del Uruguay
no tenía tiempo ya disponible
para llegarse hasta aquel lugar.27
Der Mann ist nun keineswegs das unschuldige Opfer. Er selbst entstammt der
Halbwelt, die sich das Betrügen zum Beruf gemacht hat, nur wird seinerseits – und
hier verbinden sich der männliche und der weibliche Soziotyp – von einer
französisch ihm anmutenden Frau, die an seine Beschützerrolle appelliert,
betrogen. 28 Die Animierung der sprechenden Figuren geschieht in einer
französisierenden und souverän-männlichen Stimmfärbung, die sein „Mach Dir
keine Sorgen“ mit der Apostrophe „Madame“ verbindet:
27
28
102
http://www2.informatik.uni-muenchen.de/tangos/msg02476.html (23.02.2009)
Das Motiv des betrogenen Betrügers ist bereits aus dem Sainete Criollo bekannt (vgl.
Casadevall 1957: 103ff.).
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
No se preocupe, madám, por eso,
yo le suplico; confié en mí.
Ella me dijo: sin garantía?
Yo le daría un cinco mil.
Corriendo a casa fui a buscarlos
y muy contento yo se los di29
Die re-animierten Stimmen können allerdings nicht jedes Mal einer (El último café)
oder zwei (Madame Julie) zu benennenden Person/en zugeordnet werden. Vielmehr
ist es bisweilen ein Stimmgemurmel, das erneut beschworen und inszeniert wird, so
etwa im Se dice der Milonga Se dice de mi (Text: Ivo Pelay; Musik Francisco
Canaro), auf die gleich noch ausführlicher einzugehen sein wird:
Se dice que soy fiera,
Que camino a lo malevo,
Que soy chueca y que me muevo 30
Wenn die Stimme in der sprachwissenschaftlichen Untersuchung noch als eines der
selten bearbeiteten Themen gelten kann, dann aus dem Grunde, dass sie zentraler
Gegenstand der in Deutschland nur an wenigen deutschen Universitäten beheimateten Sprechwissenschaft ist. Sprachwissenschaftlicher common sense ist es,
davon auszugehen, dass die Stimme an die origo des Sprechens im Sinne Bühlers
([1934] 1978) gebunden ist, die den Ausgangspunkt eines dreidimensionalen
Koordinatensystems mit den Achsen Person, Raum und Zeit bildet. Stimme – so
scheint es – ist prototpyischerweise am präsentischen Nullpunkt des Sprechens zu
verorten. Doch u.E. ist die wiedergegebene Stimme im Tangolied auf allen drei
Achsen des Koordinatensystems, d.h. im Bezug auf das ego, hic und nunc des
Sprechens, als origo-distant zu verstehen. Diese Annahme soll in drei Teilhypothesen zur personalen, räumlichen und temporalen Deixis im Folgenden näher
in den Blick genommen werden.
3.2
W er spricht? Nicht ich! Von Stimm en ohne Körper
So spricht etwa in Ivo Pelays Se dice de mí (1943) die Sängerin von sich als Frauentypus. Gesungen wurde diese Milonga kurioserweise zuerst von Carlos Roldán in
einer männlichen Fassung. Berühmt geworden ist jedoch die Version von 1955, die
Tita Merello (1904-2002) gleichsam als Ikone des Tangoliedes ziert wie der Tango
Volver Carlos Gardel, bei aller geschlechtsspezifischen Differenz nicht zuletzt
hinsichtlich des internationalen Renomées.
29
30
http://www2.informatik.uni-muenchen.de/tangos/msg02476.html (23.02.2009)
http://www.todotango.com/spanish/las_obras/letra.aspx?idletra=1294 (13.08.2010)
103
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
Se dice de mí,
Se dice de mí.
Se dice que soy fiera,
Que camino a lo malevo,
Que soy chueca y que me muevo
Con un aire compadrón…31
Besungen wird hier der Typus der nicht wirklich weiblichen Frau, die aber trotz
ihrer männlichen Attribute (a lo malevo, con un aire compadrón) durch ihren
Charme den Männern den Kopf verdreht. Spricht die Dame – öffentlich – mit einem
der Verehrer, typisiert als Luis, Pedro oder Juan, sprechen alle anderen Männer über
sie:
Si charlo con Luis, con Pedro o con Juan,
Hablando de mí los hombres están
Critican si ya la linea perdí
Se fija si voy, si vengo, o si fui.32
Tita Merello singt hier zwar in der ersten Person, die Stimmen aber der Männer
klingen nach in einer Bakhtinschen Polyphonie. 33 In den wiedergegebenen
Äußerungen der beobachtenden Männer sind Spuren fremder Stimmen zu hören!
Das Gemurmel an der Theke, am Rande einer Tanzfläche, auf den Straßen, dies ist
es, was hier inszeniert wird: das, wie die Leute sagen. Festzuhalten ist, dass die
Stimme gerade nicht an ein leibhaftiges Ego rückgebunden wird, um etwa eine Form
der Authentifizierung zu erreichen. Soll der Befund am Exemplum Se dice verallgemeinert werden, so kann die These wie folgt lauten:
THESE A: Die animierte Stimme im Tangolied soll nicht authentifizieren, indem sie
auf eine leibkörperliche Individualität eines EGO zurückweist, die historisch
einmalig auffindbar wäre. Im Gegenteil: durch Stilisierung wird einer Typisierung
Vorschub geleistet, die sich in den Wiederaufführungen in Buenos Aires,
Montevideo oder Paris je eigen aufladen und weiterentwickeln kann.
Aus der Überlagerung in der Wiederaufführung entsteht ein Stilisierungseffekt im
Sinne von Sandig/Selting (1997), der zur Fremd- und Selbstpositionierung (LuciusHoene/Deppermann 2005, Renner/Laux 2003) genutzt werden kann, so dass der
Rekonstruktion der verschleierten Personenreferenz eine wichtige Rolle zukommt.34
31
32
33
34
104
http://www.todotango.com/spanish/las_obras/letra.aspx?idletra=1294 (13.08.2010)
http://www.todotango.com/spanish/las_obras/letra.aspx?idletra=1294 (13.08.2010)
Zur sprechwissenschatlichen Relevanz des Polyphonie-Gedankens (Bakhtin 1981;
Bakhtin 1990) siehe Günthner 1997.
Siehe hierzu in jüngerer Zeit die Arbeiten von Levinson 2007, Siewierska 2004 und
Stivers/Enfield/Levenson 2007.
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
Ein methodischer Zugriff auf Stimmstilisierungen besteht im Rahmen der Interaktionalen Stilistik,35 die auf die Bestimmung kommunikativer Stile in dialogischen
Situationen ausgerichtet ist. Mit Sandig/Selting (1997, 6) kann Stil gefasst werden
als „aktiv hergestelltes, flexibles, dynamisches, auf den Zuhörer/Rezipienten in der
Situation zugeschnittenes sprachliches Gestaltungsmittel“.
Die Singstimme des Tangos stilisiert Figuren, sie animiert dabei ein Ich, ein Du oder
eine dritte Person bzw. mehrere dritte Personen. Entscheidend im Rahmen einer
Transkriptionstheorie ist nun, dass die Stilisierung nicht unbedingt ein Original
benötigt. Zitiert wird vielmehr samt eigener und fremder Stimmqualität in Überlagerung etwas, das (möglicherweise) nie (so) gesagt wurde.36 Allein Spuren einer
Leiblichkeit sind noch aufzufinden. Diese Spuren verweisen zurück auf die
Körperlichkeit,37 können eine leichte Veränderung in Stimmspannung, Stimmhöhe
oder Stimmdruck sein, Techniken, die im Sinne von Genderstilisierungen genutzt
werden.
Es können aber auch Ethnostilisierungen vorkommen, wie in dem bereits zitierten
Tango Margot: in der Singzeile „ahora te llaman Margot“ wird ephemer die
Apostrophe „Margot“ in einer ironisierend-französierenden Weise ausgesprochen.
Entscheidend ist nicht, ob das genau in dieser Form damals von der Bezeichneten
oder ihrem Umfeld getan wurde, sondern vielmehr, dass die Hörer diese stimmlichen Kennzeichnungen als Überzeichnungen, d.h. als Stilisierungen, wiedererkennen.
3.3
Wo erklang di e Sti mm e? Nicht hier! Pha ntasmagorische
Sti mm räume
Der Verlust der Vergangenheit (der fernen Kindheit, der geliebten Frau, der fürsorglichen Mutter, des Herkunftslandes) und schließlich gar der Erinnerung an diese
Vergangenheit wird in vielen Liedern verdichtet an einem Ort der Begegnung. Diese
Orte, an denen man die Stimme des anderen ein letztes Mal gehört hat, sind dann
typischerweise Brücken (wie in Puente Alsina), esquinas (wie z.B. in dem weiter
unten noch zu besprechenden Tango Balada para mi muerte) oder Bars (wie in dem
bereits oben zitierten und gleich noch näher zu behandelnden Tangolied Recuerdo).
Stimme ist nicht verortbar, es sei denn im Sinne Bühlers als phantasmatische Deixis,
im Modus also des abwesend Erinnerten. Stimme in Tangoliedern ist sehr oft die
35
36
37
Siehe den schon zitierten Beitrag von Sandig/Selting 1997 sowie Günthner 2002.
Vgl. Sams 2007.
Zur Rückbindung der medialen Transkription an den Körper, siehe Borsò (in diesem
Band).
105
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
verklingende, die nun nicht mehr zu hörende Stimme: es geht mit ihr das Schwinden
des alten Lebens einher:
RECUERDO
Ayer cantaron poetas y lloraron las orquestas,
en las suaves noches del ambiente del placer
donde la bohemia y la frágil juventud
aprisionadas a un encanto de mujer
se marchitaron en el bar del Barrio Sud,
muriendo de ilusión, muriendo su canción…
Mujer de mi poema mejor;
mujer, yo nunca tuve un amor.
Perdón, si eres mi gloria ideal;
perdón, serás mi verso inicial.
Y la voz en el bar siempre se apagó;
motivo sin par nunca más se oyó.38
Ebenso wie die Personalisierung (die Rückbindung an ein Ego) eine vermittelte und
stilisierte ist, ist auch die Verortung der Stimme in einem hic für die Tangolieder
gerade nicht wörtlich zu nehmen. Dem sprachwissenschaftlichen common sense
zufolge kann jede Handlung des Sprechens an einen Sprechakt, der räumlich klar zu
situieren ist, zurückgebunden werden. Werden in den Tangoliedern Orte evoziert, an
denen ein Sprechakt stattgefunden hat oder – wie hier in phantasmatischer Deixis –
haben wird, so sind dies jedoch gerade noch oder fast schon nicht mehr erinnerte
Orte. Dies lässt sich etwa an Horacio Ferrers Balada para mi muerte (Musik: Astor
Piazzolla) zeigen:
BALADA PARA MI MUERTE
Moriré en Buenos Aires, será de madrugada,
guardaré mansamente las cosas de vivir,
mi pequeña poesía de adioses y de balas,
mi tabaco, mi tango, mi puñado de esplín.
Me pondré por los hombros, de abrigo, toda el alba,
mi penúltimo whisky quedará sin beber,
llegará, tangamente, mi muerte enamorada,
yo estaré muerto, en punto, cuando sean las seis.
Hoy que Dios me deja de soñar,
38
106
http://www2.informatik.uni-muenchen.de/tangos/msg03544.html (13.08.2010)
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
a mi olvido iré por Santa Fe,
sé que en nuestra esquina vos ya estás
toda de tristeza, hasta los pies.
Abrazame fuerte que por dentro
me oigo muertes, viejas muertes,
agrediendo lo que amé.
Alma mía, vamos yendo,
llega el día, no llorés.
Moriré en Buenos Aires, será de madrugada,
que es la hora en que mueren los que saben morir.
Flotará en mi silencio la mufa perfumada
de aquel verso que nunca yo te supe decir.
Andaré tantas cuadras y allá en la plaza Francia,
como sombras fugadas de un cansado ballet,
repitiendo tu nombre por una calle blanca,
se me irán los recuerdos en puntitas de pie.39
(Horacio Ferrer)
Nicht nur der Baudelairesche Spleen („esplín“) der ersten Strophe, sondern auch das
Ziel der nächtlichen Wanderung: die im vornehmen Viertel Recoleta gelegene
„plaza Francia“ und das dort schattengleich tanzende phantasmagorische Ballett, das
die Erinnerungen an die Kindheit in Frankreich in die (vom Ballett) müden Fußspitzen schießen lässt, sind sprechend.
Diese Orte verbindet, dass sie konstitutiv für die Bildung des barrio sind; es handelt
sich zugleich um Orte, die zwischen Welten zu liegen scheinen und häufig einen
räumlich der Realität entrückten (phantasmagorischen) und also nicht nur zeitlich
entrückten (phantasmatischen), mithin sehr gut stilisierbaren Charakter haben. Verallgemeinernd lässt sich hieraus eine zweite Hypothese ableiten:
THESE B:. Stimme kann nicht zurückgebunben werden an den Sprechakt als eine
einmalig lokalisierbare, also im Wortsinne verortbare Erfahrung in einem HIC.
Vielmehr sind die Orte, an denen die Stimme vermeintlich zu hören war, selbst Orte
des Übergangs.
39
http://www.todotango.com/spanish/las_obras/letra.aspx?idletra=174 (13.08.2010)
107
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
3.4
Wann wurde gesprochen? Nicht jetzt: Zeitverschiebungen in der
Deixis am Phantasma
Die Stimme im Tango ist auch nicht, so möchten wir abschließend zeigen, an einen
in der Chronologie verankerbaren Sprechmoment zurückzubinden. Derrida hat in La
Voix et le phénomène (1967), seiner Schrift über Husserls Vorlesungen zur
Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins ([1928] 1980), ebenso wie in jüngster
Zeit noch einmal Waldenfels (2006), darauf abgehoben, dass die Stimme immer als
eine erst vom Hörer wahrgenommene und mithin in Produktion und Rezeption versetzte, d.h. verzeitlichte, Erfahrung gelten muss. Kurz gesagt: Stimme ist nicht als
ein Jetztpunkt zu fassen. Auch das mit dem vermeintlichen Augenblick assoziierte
Ephemere der Stimme verzeitlicht sich durch die Iteration der Erinnerung. Stimmen
begegnen uns – das zeigen exemplarisch die Tangolieder – als erinnerte, wiedererzählte oder besser wiederaufgeführte Stimmen. Für die Tangolieder sind im
Hinblick auf die bühnenbegrenzten Wiederaufführungen die medialen Gestaltungsmittel zu berücksichtigen. Die dialogische Situation ist eine inszenierte,
40
publikumsbezogene, also stark mediengebundene . Dies gilt nicht nur für das
Tangolied.
Günthner (2002, 61) zeigt, dass bei solchen Inszenierungen die Überzeichnungen
eine große Rolle spielen; es kommt zu einer „punktuelle(n) Überhöhung bestimmter
Gestaltungsverfahren zur Kontextualisierung einer spezifischen sozialen Orientierung auf die portraitierte Figur beziehungsweise deren (kommunikative)
Handlung“. Damit also Stimmen in der Wiederaufführung wiedererkannt werden, ist
eine Stilisierung vonnöten. Die Stimme erscheint durch die verändernde, stilisierende Wiedergabe verfremdet. Diese Verfremdungstechniken (i.d.R. durch
Überzeichung der Parameter Stimmdruck und Stimmhöhe) ist bei Günthner für
Alltagsgespräche vorgeführt worden, gilt aber in analoger Weise auch für die Aufführungen der Tangolieder. Mit einem Unterschied: die stilisierende Animierung
von Stimmen ist stärker als im Alltagsgespräch mit Typisierungen verbunden, wie
die folgenden Ausführungen zu belegen versuchen.
Der Tango Margot ist bereits oben in raumtheoretischer Perspektive beschrieben
worden. Die Transformation vom Vorstadtmädchen zur französischen Lebedame
vollzieht sich über einen Umbenennungsakt. Wird der Aufstieg in die Glitzerwelt
des Zentrums als moralischer Abstieg in Verantwortung der Protagonistin gestellt
(„Vos rodaste por tu culpa y no fue inocentemente“), so erfolgt die Umbenennung
gleichsam als eine Berufung durch die Stimmen der anderen: „hasta el nombre te
40
108
So gesehen indizieren Stilisierungen im Sinne von Gumperz 1982 Kontextualisierungen,
die nur mit Bezug auf die in der historisch verorteten, sozialen Interaktion mit ihren
Erwartungen und Erwartungserwartungen gedeutet werden können.
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
han cambiado como has cambiado de suerte: ya no sos mi Margarita, ahora te
llaman Margot“. Jedoch ist es nicht die Apostrophe als solche, die stimmtheoretisch
von Interesse ist. Es geht vielmehr darum, wie diese Apostrophe im Tangolied mit
Spuren der leibgebundenen Stimme realisiert wird: sie erscheint alltags-satirisch in
Form einer stimmlichen Stilisierung des Französischen im Argentinischen.
Hier nun sind die vormals (angeblich) Sprechenden nicht mehr so leicht konkreten
Figuren zuzuordnen, d. h. es gibt eine merkliche Distanz zu Sprechquelle, zur
originär substituierten körperlichen Stimme. Es ist die plurale Figur der „Leute“ die
hier inszeniert wird. Man sagt, und das heißt dann: „es hat gesprochen/ es spricht“.
Im Spanischen als so genannte pro-drop Sprache ist hier die Formel “dicen que
dicen” (‘man sagt, dass man sagt’; wörtlich ‘(sie) sagen, dass (sie) sagen’) bezeichnend, sowohl mit Bezug auf die Unterspezifizierung der Agentes als auch hinsichtlich der doppelten Brechung (andere sagen, dass… andere sagen), also der
Abstufung der Nachricht in die „dritte“ Hand. Man erzählt sich, nur das zählt, im
Stadtviertel oder in der Vorstadt, und man erzählt sich, dass jemand sich als der oder
jener Typ inszeniert. Dies sei noch einmal an einer Passage aus dem Tango Audacia
von Celedonio Flores (Musik: Hugo La Rocca) gezeigt.
AUDACIA
Me han contado, y perdoname que te increpe de este modo
que la vas de partenaire en no sé qué bataclán,
que has rodao como un potrillo que lo pechan en el codo,
engrupida bien debute por la charla de un bacán. 41
Für unsere Untersuchung ist nun entscheidend, dass diese Benennungen oder
Kategorisierungen in vielen Tangoliedaufführungen mit einer eigentümlichen Wortprosodie realisiert werden, in der man ein vielstimmiges – dabei tendenziell abschätziges – Sprechen wiederzuhören scheint. Der Nachklang der Stimmen, die ‚so’
sprechen, ist gänzlich zeitentbunden:
THESE C: Bei der Wiedergabe der Stimme in der Stimme im Tangolied geht es
nicht um ‚Verlebendigung’. Der Hörer des Liedes soll nicht den Moment reidentifizieren, an dem jemand jemandem etwas gesagt hat; er soll sich nicht in ein
gewesenes NUNC, in dem man die Stimme einst hörte, zurückversetzen. Die
wiederaufgeführten Stimmen sind zeitentbunden.
41
http://www.todotango.com/spanish/las_obras/letra.aspx?idletra=198 (13.08.2010)
109
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
3.5
Tango ist, wenn Sti mm en i n Stimmen wiederaufgeführt
werden
In den vielfachen Wiederaufführungen der Tangolieder verändern sich im Zuge
jener für den Tango so charakteristischen Variation in Wörtern, Versen und
Strophen auch diese Stimmen in der Stimme, sedimentieren, werden zu
Typisierungstechniken für bestimmte Figuren. Die reine Apostrophe als ‚Margot’
oder ‚Malevo’ evoziert dann einen Gender- oder Soziotyp. Dennoch enthält die
Apostrophe noch Spuren von Stimmstilisierungen.
Die Frage danach, in welcher Weise diese Spuren sich zwischen Buenos Aires,
Montevideo und Paris verändern, und ob dies etwas zur Verfestigung der bekannten
Typisierungen beigetragen hat, kann hier noch nicht abschließend beantwortet
werden. Es handelt sich um eine Forschungsfrage, der wir in Zukunft nachgehen
werden. Bei der Untersuchung der Stimme im Tangolied wären drei Transkriptionstätigkeiten zu identifizieren: eine Herangehensweise, die versuchen würde, das
stimmliche Original zu suchen, und somit danach fragte, wer eigentlich zitiert,
welches Individuum erneut zum Sprechen gebracht werde, wäre naiv. Im Tangolied
wird etwas wiedergegeben, was nie (in dieser Weise), was von niemandem gesagte
wurde. Die Herausstellung der Technik des ‚quoting the unspoken’42 korrespondiert
mit der Beobachtung, dass wenn in den Tangoliedern der originäre Sprechakt Erwähnung findet, wenn also gesagt wird, wo einst diese Stimme erklang, Orte
gewählt werden, die Orte der Transition sind: jene Brücken und Bars, jene esquinas,
die für die barrios konstitutiv sind. Es sind Orte der Begegnung, aber zugleich der
Trennung. Geographisch verbleiben sie im Ungefähren. Dieses Ungefähre der Orte
hat in den Liedern unterschiedliche Ausprägungen. Manchmal erscheinen die Orte
phantasmatisch, d.h. abwesend in der Erinnerung verschwimmend, manchmal verorten sie sich phantasmagorisch, d.h. in der Nacht des Schöpferischen.
4
Fazit
Der Tango, so versuchten wir zu zeigen, ist in Schritt und Stimme eine originäre
Substitution. Er entstammt nicht wie Folklore es tut einem bestimmten Raum in
historischer Tiefe, er ereignet sich als Verzeitlichung und Verräumlichung gleichermaßen. Das macht seinen Migrationsvordergrund aus und erklärt die bis heute ungebrochene Reihe seiner Transkriptionen. Ob er nun mit Piazzolla auf Klassik und
Jazz trifft, mit Juan Carlos Cáceres auf schwarze Karnevalsmusik zurückgreift oder
schließlich von Gotan Project in einem Techno-Takt gesamplet wird: Die Achse
Paris – Buenos Aires/Montevideo bleibt zentral, aber Ausschläge etwa mit Otros
42
110
Vgl. Sams 2007.
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
Aires nach Barcelona, der Stadt, in der schon Enrique Cadícamo 1931 sein Anclao
en Paris schrieb (vgl. Romano 2000, 227), bilden keine Ausnahme.
Wenn seine Präskripte a posteriori in den suburbios von Buenos Aires und
Montevideo zu verorten sind, dann deshalb, weil sich an der Peripherie der Moderne
in den Mietskasernen jener Metropolen gegen Ende des 19. Jahrhunderts eine Schar
Entwurzelter dreier Kontinente zusammendrängte. Aus der Erinnerung an und dem
Kampf um fiktive wie reale Zeit-Räume entstand eine Oszillationsbewegung, die
den Tango als Aussage der Sprecher-Origo entrückt, ihn über den La-Plata-Raum
hinausschlagen lässt und ihn gleichwohl stetig dorthin zurückführt.
Literatur
Bachmann-Medick, Doris 2006: Cultural Turns. Neuorientierung in den Kulturwissenschaften. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Bakhtin, Michail M. 1990: Speech Genres and Other Late Essays M. M. Bakhtin.
Austin: University of Texas Press.
Bakhtin, Michail M./Holquist, Michael 1981: The dialogic imagination. Four Essays
by M. M. Bakhtin. Austin: University of Texas Press.
Barsky, Julián/Barsky, Osvaldo 2004: Gardel. La Biografía. Buenos Aires: Taurus.
Bendrups, Faye 2004: „The tango space of Argentina”. In: Browitt, Jeff/King,
Stewart (Hg.): The Space of Culture. Critical Readings in Hispanic Literary and
Cultural Studies. Newark/New Jersey: University of Delaware Press. 100-109.
Bühler, Karl 1978: Sprachtheorie. Die Darstellungsfunktion der Sprache (Erstausgabe 1934). Frankfurt/Berlin/Wien: Ullstein.
Casadevall, Domingo 1957: El tema de la mala vida en el teatro nacional. Buenos
Aires: Kraft.
Castro, Donald S. 1991: The Argentine tango as social history, 1880-1955.
Lewiston: Edwin Mellen Press.
De Lara, Tomás D. 1961: El tema del tango en la literatura argentina. Buenos Aires:
Ed. Culturales Argentinas.
Derrida, Jacques 1967: La Voix et le phénomène. Paris: Presses Universitaires de
France.
Derrida, Jacques 1972: „Evènement, signature, contexte“. In: Marges de la
philosophie. Paris: Editions de Minuit, 365-393.
Döring, Jörg/Thielmann, Tristan 2008: Spatial Turn. Das Raumparadigma in den
Kultur- und Sozialwissenschaften. Bielefeld: Transcript-Verlag.
Glick Schiller, Nina (Hg.) 1998: Towards a Transnational Perspective on Migration:
Race, Class, Ethnicity, and Nationalism Reconsidered. (Annals of the New
York Academy of Sciences). New York: New York Academy of Sciences
111
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
Gobello, José 1980: „El lunfardo“. In: Foro literario 7-8, 46-53.
Günthner, Susanne 1997a: „Stilisierungsverfahren in der Redewiedergabe – Die
"Überlagerung" von Stimmen als Mittel der moralischen Verurteilung in
Vorwurfsrekonstruktionen“. In: Sandig, Barbara/Selting, Margret (Hg.):
Sprech- und Gesprächsstile. Berlin: de Gruyter, 94-122.
Günthner, Susanne 1997b: „Direkte und indirekte Rede in Alltagsgesprächen. Zur
Interaktion von Syntax und Prosodie in der Redewiedergabe“. In: Schlobinski,
Peter (Hg.): Syntax des gesprochenen Deutsch. Opladen: Westdeutscher
Verlag, 227-62.
Günthner, Susanne 2002: „Stimmenvielfalt in Diskurs: Formen der Stilisierung und
Ästhetisierung in der Redewiedergabe“. In: Gesprächsforschung – OnlineZeitschrift zur verbalen Interaktion, 2002, 59-80.
Gumperz, John J. 1982: Discourse Strategies. Cambridge: Cambridge University
Press.
Guy, Donna [1994] 2001: El sexo peligroso. La prostitución legal en Buenos Aires,
1875-1955. Buenos Aires: Sudamericana.
Husserl, Edmund 1980: Vorlesungen zur Phänomenologie des inneren Zeitbewusstseins. Tübingen: Niemeyer.
Kailuweit, Rolf 2009: „«Ecriture» versus «Transkription»“. In: Kailuweit,
Rolf/Pfänder, Stefan (Hg.): Franko-Media. Aufriss einer französischen Sprachund Medienwissenschaft. Berlin: Berliner Wissenschaftsverlag, 25-36.
Kailuweit, Rolf 2008: „Espaces réels et espaces imaginaires – Géographie
linguistique des langues romanes, linguistique migratoire, études des cultures et
des civilisations”. In: Döhla, Hans-Jörg/Montero Muñoz, Raquel/Báez de
Aguilar González, Francisco (Hg.): Lenguas en diálogo. El iberorromance y su
diversidad lingüística y literaria. Ensayos en homenaje a Georg Bossong.
Madrid: Iberoamericana/Vervuert, 183-200.
Krefeld, Thomas 2004: Einführung in die Migrationslinguistik. Von der Germania
italiana in die Romania multipla. Tübingen: Narr.
Levinson, Stephen C. 2007: „Optimizing person reference – perspectives from usage
on Rossel Island”. In: Enfield, Nelson J./Stivers, Tanya (Hg.): Person Reference
in Interaction. Linguistic, Cultural, and Social Perspectives. Cambridge:
Cambridge University Press, 29-72.
Lucius-Hoene, Gabriele/Deppermann, Arnulf 2005: „Narrative Identität und
Positionierung“. In: Gesprächsforschung – Online-Zeitschrift zur verbalen
Interaktion, 166-83.
Martínez Estrada, Ezequiel [1933] 19962: Radiografía de la pampa. (Ed. Crítica.
Leo Pollmann coord.). Madrid: ALLCA XX.
Pacheco, Carlos Mauricio 1919: „Los disfrazados“. In: Bambalinas 49, 15.03.1919.
112
Der Schritt und die Stimme – Tango zwischen Transkription und Materialisierung
Reichardt, Dieter 1984: Tango: Verweigerung und Trauer. Kontexte und Texte.
Frankfurt: Suhrkamp.
Renner, Karl-Heinz/Laux, Lothar 2003: „So tun, als ob: Ritual und histrionischer
Selbstdarstellungsstil“. In: Fischer-Lichte, Erika/Horn, Christian/Umathum,
Sandra (Hg.): Ritualität und Grenze. Theatralität Band 5. Tübingen: Francke
Verlag, 271-293.
Rock, David 1986: Argentina 1516-1982. From Spanish Colonization to the
Falklands War. London: Tauris.
Romano, Eduardo 20005: Las letras del tango. Antología Cronológica 1900-1980.
Córdoba: Fundación Ross.
Rorty, Richard M. 1967 (Hg.): The Linguistic Turn. Essays in Philosophical
Method. With Two Retrospective Essays. Chicago, London: University of
Chicago Press.
Rossi, Vicente 1926: Cosas de negros. Los oríjenes del tango y otros aportes al
folklore rioplatense. Rectificaciones históricas. Córdoba: Rio de la Plata.
Sábato, Ernesto 20053: Tango. Discusión y clave. Buenos Aires: Losada
Salas, Horacio 2002: Der Tango. Stuttgart: Abrazos.
Salas, Horacio 2004: El tango. Buenos Aires: Emecé.
Sandig, Barbara/Selting, Margret (Hg.) 1997: Sprech- und Gesprächsstile. Berlin:
de Gruyter.
Siewierska, Anna 2004: Person. Cambridge: Cambridge University Press.
Silbido, Juan 1964: Evocación del tango. Buenos Aires.
Sams, Jessie 2007: „Quoting the Unspoken: An analysis of quotations in spoken
discourse“. In: Colorado Research in Linguistics, 20, 1-16.
Soja, Edward 1989: Postmodern Geographies: The Reassertion of Space in Critical
Social Theory. London: Verso.
Spiegel, Anna 2005: Alltagswelten in translokalen Räumen. Bolivianische
Migrantinnen in Buenos Aires. Frankfurt/Main, London: IKO.
Stivers, Tanya/Enfield, Nelson J./Levinson, Stephen C. 2007: „Person reference in
Interaction”. In: Enfield, Nelson J./Stivers, Tanya (Hg.): Person reference in
interaction. Linguistic, cultural, and social perspectives. Cambridge: Cambridge
University Press, 1-20.
Stockmann, Doris 1979: „Die Transkription in der Musikethnologie: Geschichte,
Probleme, Methoden“. In: Acta Musicologica 51(fasc. 2), 204-245.
Teruggi, Mario E. 1978: Panorama del lunfardo. Buenos Aires: Sudamericana.
Varela, Gustavo 2005: Mal de tango. Historia y genealogía moral de la música
ciudadana. Buenos Aires: Paidós.
113
Rolf Kailuweit / Stefan Pfänder
Vázquez Rial, Horacio 1996 (Hg.): Buenos Aires 1880-1930. La capital de un
imperio imaginario. Madrid: Alianza.
Vázquez Rial, Horacio 1996: „Tu cuna fue un conventillo. La vivienda obrera en la
vuelta del siglo“. In: Vázquez Rial, Horacio (Hg.): Buenos Aires 1880-1930. La
capital de un imperio imaginario. Madrid: Alianza, 254-264.
Vega, Carlos 2007: Estudios para los orígenes del tango argentino. Buenos Aires:
EDUCA.
Vidart, Daniel 1967: El tango y su mundo. Montevideo: Taurus.
Waldenfels, Bernhard 2006: „Das Lautwerden der Stimme“. In: Kolesch,
Doris/Krämer, Sibylle (Hg.): Stimme. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Werlen, Benno 20042: Sozialgeographie: eine Einführung. Bern/Stuttgart/Wien:
Haupt.
Zalko, Nardo 2004: Buenos Aires – Paris: un siècle de Tango. Paris: Félin.
Abbildungen
Abb. 1: http://www.lapshin.org/cultivar/N26/PIC/Rio-de-la-Plata.jpg (13.08.2010).
Abb. 2: http://www.buenosaires54.com/images/la-boca-buenos-aires-map.jpg
(13.08.2010).
114