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09.05.2007
15:36 Uhr
Seite 1
crea:m
CREATIVE ECONOMY MAGAZINE 05
EDITORIAL
Die ersten drei Jahre forum mozartplatz liegen hinter uns.
Eine spannende und herausfordernde Zeit, in der es uns
gelungen ist, jungen wie etablierten Wirtschaftstreibenden
und kreativen Selbständigen eine Plattform zu geben. Dahinter steht die Überzeugung: Kreative sind Vordenker. Sie reagieren als Erste auf Entwicklungen unserer Zeit und nehmen
so eine integrale Rolle in der Diskussion um relevante Fragen der Gegenwart ein.
Kultur und Wirtschaft sind unser Thema: ihr spannungsreiches
Wechselverhältnis und das Potenzial, das sich entlang ihrer
Schnittstellen auftut. Das forum mozartplatz führt Persönlichkeiten verschiedener Backgrounds zusammen und schafft
Synergien, die nachhaltig weiterwirken.
INHALT
mit einer von 20.000 Meinungsbildnern aus Wirtschaft, Kultur
und Politik, die sich mit crea:m über Trends und Hintergründe der Kreativwirtschaft informieren. Dass unser Magazin so
gut aussieht, liegt übrigens auch an unseren Fotografinnen:
Cathrine Stukhard, Marie Jecel, Sissi Farassat und Claudia
Casentini hatten den ersten vier Nummern ihr Gesicht gegeben. Mit Sissa Micheli wurde das vorliegende Heft von
einer Bildessayistin gestaltet: Wie Filmstills aus einem Kurzfilm reihen sich ihre Bilder zu einer Geschichte aneinander.
Die Unterstützung durch den Österreichischen Wirtschaftsbund ist die Basis für die Projekte des forum mozartplatz,
raum für wirtschaft und kultur. Wir bedanken uns bei Generalsekretär Abg. z. NR Karlheinz Kopf sehr herzlich!
Diskurs ist die Basis, aus der heraus wir unsere Stand-
punkte und Aktivitäten entwickeln. Über Diskussionsveranstaltungen und Ausstellungen reflektieren wir im forum
mozartplatz den gesellschaftspolitischen Stellenwert von
Kunst und Kreativität und machen deren Mehrwert für die
Wirtschaft transparent.
crea:m ist das Sprachrohr des forum mozartplatz. Die
fünfte Ausgabe halten Sie in Ihren Händen – und sind da-
Anja Hasenlechner, Obfrau
Birgit Scheidle, Geschäftsführerin
crea:m bestellen unter www.creamagazine.at
forum mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur
www.forum-mozartplatz.at
Volle Netze. Wie Netzwerke
No Dogma. Porträt der österreichischen
wirtschaftlich funktionieren.
Künstlerin Zenita Komad.
Entfaltungstourismus. Neue Bahnen
Den Mut haben, voneinander zu
profitieren. Wirtschaft und Kunst im
Qualität ist alles. Kleinunternehmer
in der Fotobranche.
Humor braucht Provokation. Über
– Altbewährtes: Hotelier Andreas
Gfrerer, Tourismusexperten Petra
Stolba und Rainer Ribing über
Tourismus und Kreativität.
Gespräch: WK-Präsidentin Brigitte Jank
und die Rektoren Stephan SchmidtWulffen und Gerald Bast.
das Schreiben fürs Fernsehen: Interview mit Drehbuchautor Clemens
Aufderklamm und Schauspielerin
Verena Scheitz.
Drei Jahre forum mozartplatz.
Lilli Holleins Designer’s Cuts.
Lobbying für die Kreativwirtschaft.
Ein Rückblick.
Vier Porträts: Annette Hinterwirth,
Dottings, Patrick Rampelotto, danklhampel.
Kommentar von Harald Mahrer, Pleon
Publico PublicRelations.
Silvia Forlati, Elisabeth Leitner, Anne Isopp, Thomas Lettner von Wonderland Network
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Gemeinsam sind wir stärker! Wie unterschiedliche Formen von Netzwerken in der Kreativwirtschaft für
mehr Motivation, Wissen und Profite sorgen. Nicole Scheyerer
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» Ein Einzelner hätte so
etwas nie realisieren
können. «
Wonderland-Architekten arbeiten im EU-weiten Netzwerk
Wie sieht das Paradies eines Architekten aus? Große Bauaufträge, blitzschnelle Handwerker und publizierte Hochglanzfotos? Oder gehört doch noch ein bisschen mehr zu einem
glücklichen Leben in diesem fordernden Beruf? „Wir wollten
uns selbst eine Art Wunderland erschaffen“, erklärt Thomas
Lettner mit einem Lächeln. Das Mitglied von SHARE Architects war an der Gründung des Architektennetzwerks
Wonderland vor sechs Jahren beteiligt. Damals wurde das
Architekturbüro Spado von der Kärntner Firma Fundermax
zu einer Werkschau eingeladen. Nur sich selbst auszustellen
reizte Spado jedoch wenig, und so luden sie zehn Kollegen
für eine gemeinsame Gruppenschau ein, die anschließend
nach Wien und Graz wanderte. Das sollte jedoch nur der
Beginn einer langen Reise sein.
Dank EU-Förderung, nationalen Zuschüssen und privaten
Sponsoren machte die Ausstellung „Wonderland“ noch in
acht anderen europäischen Städten Station. Die Besatzung
von elf österreichischen Architekten wuchs in jedem der
Stopps um elf lokale Büros an, was durch ein gefinkeltes Ausstellungsdesign möglich wurde. Eine weitere Besonderheit:
Kein Kurator wählte die Teilnehmer aus, sondern Architekten
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vor Ort. Parallel zu der Präsentation fanden Vorträge, Führungen und Workshops statt. Bald kristallisierte sich ein dringendes Interesse heraus. „Wie macht denn ihr das?“, lautete
die Frage, die den Fokus immer stärker von den „Werken“
weg hin auf die alltägliche Praxis verschob.
Wissen generieren. Der Austausch unter den aufstrebenden
Teams erwies sich als so fruchtbar, dass in der Folge die Idee
zu einer Zeitschrift geboren wurde. Das „Wonderland“Magazin, Auflage 25.000 Stück, bringt keine Fotos schicker
Neubauten, sondern anregend geschriebene Beiträge zu
Berufsfeldern wie Geschäftsgründung, Akquise oder Selbstvermarktung. Besonders spannend gestaltet sich die Rubrik
„Reality Check“, die auf der Basis von Mitgliederumfragen
die Arbeitsbedingungen für Architekten in den EU-Staaten
vergleicht. Wenn sich etwa ein ganzes Heft dem Thema „Fehler machen“ widmet, werden gewöhnlich totgeschwiegene
Praxiserfahrungen offengelegt. „Zu der Frage, wie junge
Architekten auf dem Markt bestehen, gibt es nicht einmal
offizielle Statistiken“, kritisiert „Wonderland“-Redakteurin
Anne Isopp.
„Ein Einzelner hätte so etwas nie realisieren können“, glaubt
Elisabeth Leitner von noncon:form, die für die Projektleitung
verantwortlich war. Die durch die Ausstellung geknüpften
Kontakte haben schon zahlreiche Initiativen hervorgebracht;
sogar ein international betriebenes „Großbüro“ wurde angedacht. Mit Wonderland gelingt, was Teamgeist im besten Fall
zuwege bringt: Hier entsteht ein persönlicher Nutzen, indem
man andere am eigenen Wissen teilhaben lässt. Ein solches
Teilen läuft eigentlich der Einzelkämpfermentalität des Entrepreneurs zuwider, könnte man meinen. Aber nach den
Egoismusexzessen der Yuppies und den Bruchlandungen der
New-Economy-Raketen hat in den letzten Jahren ein neuer,
entindividualisierter Erfolgstypus an Kontur gewonnen: das
gut durchblutete Netzwerk, das die unterschiedlichen Talente,
Ideen und Kompetenzen von Personen für einen gemeinsamen Mehrwert aktiviert.
und Demokratisierung bedeutet. Dennoch haben die neuen
Informationstechnologien ein Aufbrechen von Herrschaftswissen und vertikaler Ordnung ermöglicht, wie es in dem
Modell „Seilschaft“ noch stärker mitschwingt. Der Begriff
„soziales Netzwerk“ bleibt schwer definierbar und stellt an
sich noch keine Innovation dar. Schließlich hat es Vereine,
Genossenschaften oder Interessengemeinschaften schon
davor gegeben. Neu ist die Bedeutung, die damit Beziehungen und partnerschaftlichem Handeln eingeräumt wird: Vertrauen soll Autorität ablösen. Zudem entsprechen Netzwerke
dem heutigen Bedürfnis nach Geschwindigkeit. Bei gleichzeitiger Autonomie ermöglichen sie Austausch und Resonanz.
In einer zunehmend unsicheren Arbeitswelt, die immer mehr
Selbständige hervorbringt, werden viele Einzelkämpfer aus
der Not heraus zu Teambewerbern.
Ein Stück neues Denken. „Es stellt schon ein volkswirt-
Richtig verknoten. Freilich, das Wort „Netzwerk“ können
heute viele nicht mehr hören. Als eines der meiststrapazierten neudeutschen Vokabeln wurde es während der Interneteuphorie mit unerfüllbaren Erwartungen überfrachtet. Mittlerweile ist klar, dass Netzwerk nicht automatisch Egalität
schaftliches Gesamtproblem dar, dass es zu einer Konzentration der Kräfte auf wenige Große kommt, denen viele Kleine
gegenüberstehen“, bemerkt Rafael Salzberger von der Leipziger Firma Tectonet. Der Wirtschaftsingenieur hat die Krise
der deutschen Baubranche Ende der Neunzigerjahre noch als
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Fotos ©Henry Pierre Schultz
Tectonet-Geschäftsführer Axel Dietrich und Rafael Salzberger
» Die Auflösung der originären
Machtverhältnisse ist
ein Stück neues Denken. «
Angestellter eines Betonkonzerns miterlebt. Im Jahr 2002
gründete Salzberger nach einer Geschäftsidee seines Kompagnons Axel Dietrich ein Dienstleistungsunternehmen, das
die Erfolgsaussichten von kleinen und mittleren Handwerksbetrieben erhöht. „Wer kleiner wird, reduziert sich zwangsläufig auf seine Kernkompetenzen. Was den Kleinbetrieben
dann fehlt, ist der Überbau“, erklärt der Tectonet-Geschäftsführer.
Mit einer einzigartigen Idee reagierte Tectonet auf den Wettbewerbsnachteil von hochqualifizierten Handwerksbetrieben,
die aufgrund ihrer geringen Kapazität bei Ausschreibungen
keine Chance hatten. Mehrere Unternehmen werden dabei
zu Arbeitsgemeinschaften mit gemeinsamer Haftung gebündelt und so für Großaufträge fit gemacht. Im Baugewerbe
dominieren in der Regel Generalunternehmer, die das gesamte Auftragsvolumen erhalten und aus dieser Machtposition
heraus kleinere Firmen beschäftigen. Im Fall von Tectonet
wird das Geld aber direkt vom Bauherrn an die Arbeitsgemeinschaften überwiesen. Mit fünf Prozent Gewinnbeteiligung liegt Tectonet stark unter dem, was Generalunternehmer
einbehalten. Die Handwerksfirmen kommen außerdem an
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Michael Fetz, FetzColor,
und Karin Kaufmann, Werkraum Bregenzer Wald
starke Referenzen, mit denen sich normalerweise der Generalunternehmer schmückt. Trotz all dieser Vorteile war es anfangs
schwer, dieses Modell zu vermitteln. „Die Auflösung der originären Machtverhältnisse ist ein Stück neues Denken“, meint
Salzberger, der bei jüngeren Unternehmern auf größere
Offenheit stößt.
Tectonet agiert als externer Dritter zwischen Auftraggeber
und Ausführenden. Die Firma wirkt als Regulativ, das anderen
Firmenverbünden fehlt. Da die rund 400 gelisteten Handwerksbetriebe nur bei erfolgreicher Akquise bezahlen, erwachsen keine Ansprüche, und Tectonet kann sich seine Partner
nach rein sachlichen Kriterien wie Kompetenz und Preis aussuchen. Trotzdem bleibt ein hohes Risiko: Die Ausschreibungsprofis sind auf die Durchsetzung ihrer Bietergemeinschaften angewiesen, sonst war die ganze Arbeit umsonst.
Neben großen Wohnungssanierungen in der Leipziger Innenstadt, unter anderem für die Wiener Conwert Immobilien
Invest AG, hat Tectonet mittlerweile auch in London Baustellen. „Wir sind aber überzeugt, dass unser Grundkonzept nicht
nur für den Bau tauglich ist.“ – Salzberger wundert sich, dass
der Erfolg von Tectonet noch von niemandem kopiert wurde.
Dachdecker- und Spenglerei Rusch
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» Heute müssen wir
eher nach innen als
nach außen arbeiten. «
Firmen FetzColor, Dachdeckerei Rusch und Elektro Willi
Keine Zukunft ohne Miteinander. Im Bregenzerwald geht
es den Handwerkern besser als im ostdeutschen Sachsen.
Dieser Wohlstand verdankt sich aber nicht der idyllischen
Landschaft. 1995 stufte die EU die Region im westlichsten
Eck Österreichs als förderungswürdig ein. Mit dem Geld aus
Brüssel sollte auch das stark vertretene Handwerk zu einer
neuen Blüte geführt werden. Die Experten schlugen dafür
die Bildung des Werkraums Bregenzer Wald vor, einer Art
Dachorganisation, die die lokalen Leistungen im Sinn einer
Imagebildung stärker nach außen transportieren sollte.
Die internationale Ausschreibung des Wettbewerbs „Handwerk + Form“ gehörte zu den ersten Initiativen des 1999
gegründeten Vereins. Über hundert Designer und Architekten
haben sich im Vorjahr beworben, als der Preis zum dritten
Mal ausgeschrieben wurde. Die Marke Bregenzer Wald steht
für die Symbiose von technischer Vollendung und fortschritt-
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Elektro Willi
lichem Design. In einer permanenten Ausstellung können
heute regionale Spitzenprodukte besichtigt werden. Bekannte
Namen wie Vivienne Westwood, Peter Zumthor oder Adidas
kennen den Vorarlberger Landstrich durch Kooperationen.
Hat sich der Verein Werkraum Bregenzer Wald angesichts
dieses Erfolgs erübrigt?
Rund achtzig Handwerks- und Gewerbebetriebe zahlen heute
jährlich den vergleichsweise hohen Mitgliedsbeitrag, der auch
pro Mitarbeiter berechnet wird. Als Service bietet der Werkraum Hilfestellung in den Bereichen Vermarktung, Produktund Designinnovation. Man kümmert sich auch um die vielen
Journalisten und Politiker, die sich über den vorbildhaften
Aufschwung der Region informieren wollen. „Wir haben sehr
viel Presse, die Ausstrahlung ins Ausland ist da“, meint Karin
Kaufmann, die seit sechs Jahren für den Werkraum arbeitet,
„heute müssen wir eher nach innen als nach außen arbeiten.“
Speziell der Nachwuchs ist ein brennendes Thema. Um die
Jugend zu binden, die für eine Lehre häufig ins besser zahlende Rheintal abwandert, setzt der Verein bereits bei den
Kleinen an. Die Initiative „Kinderbaustelle“ vermittelt spielerisch Freude an Materialien und Verarbeitung. An den
Hauptschulen fädelt der Werkraum persönliche Kontakte
zwischen Jugendlichen und Handwerkern ein, bringt Schüler
in die Werkstätten. „Unsere Betriebe haben keinen Leidensdruck, daher fehlt oft das Bewusstsein, wie wichtig der Zusammenschluss ist. Aber ohne ein Miteinander kann vieles
nicht gehen, dafür braucht es eine Plattform“, ist Kaufmann
überzeugt.
Wie funktioniert das? Solange das Geschäft floriert, braucht
man sich nicht nach Partnern umzusehen: Diese Haltung ist
zwar immer noch stark verbreitet, aber ein kluger Unternehmer knüpft schon heute das Netz, das ihn morgen auffan-
gen könnte. In Zeiten, wo etwa die Musikindustrie unter massiven Einbußen wegen der neuen Downloadmöglichkeiten
leidet, kommt es auch in dieser Branche zu ungewöhnlichen
Kooperationen – etwa wenn sich ein Konzern wie Universal
Music mit einem Indie-Label wie Klein Records zusammentut. Der Wiener Christian Candid war ursprünglich Musiker,
bevor er vor zehn Jahren die Gitarre beiseitestellte und sich
voll auf seine Plattenfirma konzentrierte. „Ich wollte wissen,
wie das Musikbusiness funktioniert“, erzählt der 31-Jährige,
der durch „Learning by Doing“ zum Musikverleger wurde.
Als Candid in das Geschäft einstieg, hatten Märkte wie Frankreich und England gerade entdeckt, dass es in Österreich
einen vitalen Underground elektronischer Musik gibt. Bei
dem Hype um Kruder, Pulsinger & Co wurde jedoch vieles
versäumt: „Man hätte sich damals mehr um Nachhaltigkeit
kümmern müssen“, meint Candid zu dem bis heute vorherr-
9
» Ich wollte wissen, wie das
Musikbusiness funktioniert. «
schenden Strukturmangel, der von einer fehlenden Proberaumlandschaft bis hin zum einem Manko an Managern,
Agenturen und Distributionsfirmen reicht. Langsam würde
aber auch hierzulande ein Bewusstsein für die Bedeutung
der Kreativwirtschaft wachsen. Das belege etwa die Anzahl
neuer Fördertöpfe.
Einer solchen Geldspritze ist es zu verdanken, dass Klein Records, Universal Music und die Bookingagentur MIOOOW
von Wolfgang Mitter in Zukunft häufig an einem Strang ziehen werden. „Es ist für mich das Um und Auf, dass österreichische Musik nach außen drängt“, betont Candid, dessen
Geschäft zu 85 Prozent über das Ausland läuft. Mit Universal
führt er Vertrieb und Vermarktung von gemeinsam ausgesuchten Projekten durch – ohne jedoch seine künstlerische
und kommerzielle Unabhängigkeit zu schmälern. Unterschiedliche Musikprodukte werden in die jeweils passenden Kanäle
geschickt. Klein Records ist schneller im Vertrieb und kann
über seine Promotionkanäle flinker Aufmerksamkeit erzielen.
Das Label steht zudem in großer Nähe zur Basis. Dafür verfügt der Konzern über die nötigen Subfirmen, Manpower und
finanzielle Ressourcen, um einen Star zur Welt zu bringen.
From contacts to contracts. Mittlerweile erkennen aber
auch andere heimische Labels die Notwendigkeit eines
gemeinsamen Auftritts. Gerade hat die von Stephan Dorf-
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meister gegründete Vereinigung Austrian Music Ambassador
Network (AMAN) ihre Arbeit aufgenommen. Dreizehn heimische Labels ganz unterschiedlicher Formate und Stilrichtungen versuchen sich dabei über Botschafter eine stärkere
Präsenz im Ausland zu verschaffen. Eine versierte Person
oder Firma aus der jeweiligen Musikszene wird die Marketing- und PR-Maßnahmen für die österreichischen Neuerscheinungen zunächst in Deutschland und Großbritannien
besorgen. Candid wünscht sich konkrete Geschäfte aus seiner
Beteiligung an AMAN. Ein stärkerer Zusammenhalt unter
den heimischen Labels wäre ihm aber genauso wichtig – auf
dass man gemeinsam volle Netze einholen kann.
Wonderland ist ein wachsendes Netzwerk junger europäischer Architekturbüros, die international denken und arbeiten. www.wonderland.cx
Die Firma Tectonet in Leipzig vernetzt kleine Handwerksbetriebe zu „Generalunternehmern“. Fotos aus Strategien des Handwerks (= Landschaft des
Wissens/Band 1), Hrsg. Hans-Joachim Gögl und Clemens Theobert Schedler,
Haupt Verlag Bern, Stuttgart, Wien, 2007; Fotos: Henry Pierre Schultz
www.landschaft-des-wissens.org, www.tectonet.com
Der Werkraum Bregenzer Wald ist eine Plattform für das neue Handwerk aus
dem Bregenzerwald in Vorarlberg. www.werkraum.at
Christian Candid gründete 1996 das Label Klein Records, bei dem in den letzten zehn Jahren viele bekannte Bands ihre Heimat fanden – darunter Bauchklang, Sofa Surfers, Louie Austen. www.kleinrecords.com
Christian Candid, Klein Records
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LILLI HOLLEINS
ANNETTE HINTERWIRTH
DOTTINGS
PATRICK RAMPELOTTO
DANKLHAMPEL
Annette Hinterwirth fürchtet, wie sie
sagt, „zur Lampentante zu verkommen“,
aber diese Angst ist unbegründet. Ihre
schmuckstückhaften und durch die Platzierung in Lifestyletempeln wie Collette
in Paris geadelten kristallenen Wandappliken sind zwar ein großer Erfolg
mit entsprechendem medialen Echo,
aber Hinterwirths Folgeentwürfe
machen genug Wind, um ihre Vielseitigkeit im Entwurfsbereich zu dokumentieren. Nach der ornamentalen Kraft
dieser höchst glamourösen Leuchten
folgt nun eine Serie von Möbeln, die
eher einem Casual Chic verpflichtet
sind und dem Sexappeal und der Vielseitigkeit von Anglerwesten ähneln, die
Joseph Beuys schon in den Siebzigerjahren geadelt hat.
„The Stash“ hat sowohl in der Version
als Sofa als auch als Tisch Zippverschlüsse, Geheimfächer und andere
innere Werte. Weil man Dinge teilen
soll, die einem wertvoll sind, hat Hinterwirth nun auch einen Loveseat in die
Serie aufgenommen, und als Produzenten kann sie den überaus klingenden
Namen Minotti nennen. Für den Wettbewerb „Design for Europe“ der belgi-
Das Tüpfelchen auf dem i, an das der
Name des Büros von Sofia Podreka und
Katrin Radanitsch denken lässt, ist für
die beiden keinesfalls manierierter Luxus
oder eitle Formverliebtheit. Ihnen geht
es um den einfachsten, klarsten Zugang
zu den Dingen. Im Augenblick beschäftigen sich die beiden Absolventinnen
der Universität für angewandte Kunst
vorwiegend mit dem öffentlichen Raum
– ein Entwurfsfeld, das sie auch für ihre
Zukunft bestimmender sehen als etwa
den Bereich Möbel. Ihr Zugang zu
Design: Es macht einfach Spaß. Für das
Wiener Freud-Museum entstand etwa
eine Reihe von Museum-Shop-Artikeln,
die die Begierde nach einer Neurose
wecken (indem sie etwa in Schwammform zwanghaftes Putzverhalten symbolisieren oder den Radiergummi für die
schnelle Verdrängung zwischendurch
anbieten). Der Stil von Podreka und
Radanitsch ist dabei genauso wie ihr
Design von einer unaufgeregten, entspannten Eleganz, wie mit den Attributen „praktisch“ und „hohe Materialqualität“ ausgestattet.
Hätte er seine Kreativität tatsächlich als
Jurist ausgelebt, wäre bestimmt auch
das spannend geworden. Patrick Rampelotto hat sich aber glücklicherweise
nach seinem Jus-Studium dem Design
zugewandt und auf der Universität für
angewandte Kunst bei Borek Sipek und
Ross Lovegrove studiert. Anschließend
war wohl auch die Mitarbeit im renommierten Designbüro von EOOS wertvolles Rüstzeug, denn die Entwurfssprache des Ende der Siebzigerjahre in Südtirol geborenen Wahlwieners hat ebenso wie die EOOS’schen Projekte einen
Schwerpunkt in der Poesie des Objekts.
Rampelotto geht es darum, aus Gegenüberstellungen wie Tradition und Technologie jene poetische Kraft zu extrahieren, die seine Gegenstände zu
Begleitern des Alltags machen. Drei
kleine Bohrungen im Besteck etwa
sorgen dafür, dass man dort Gewürze
anbringen kann – und während man
das Werkzeug zum Mund führt, wird
die geschmackliche und aromatische
Sensation noch um einen gezielten
Duftaspekt bereichert. Ebenso sinnlich
ist sein Umgang mit Materialien. Die
Erforschung von Filz als Werkstoff hat
er auch in der Zusammenarbeit mit
Reinhard Plank vorangetrieben, mit
dem er im Oktober 2006 im Wittmann
Schauraum anlässlich der Passionswege
’06 einen wunderbaren Dschungel aus
Hüten und Pflanzen entstehen ließ. Bei
ihm wird der Filz aber weniger zum Hut
als zur Hutablage, zum voluminösen
Garderobenhaken in Nashorn-Form.
Für die Firma Lobmeyr entwickelte er
eine Schmuckschale, die sich auch der
Betrachtung der abgelegten Juwelen
zuwendet und Details hervorhebt. Zwei
Schalen verschließen sich wie eine
Muschel, im Inneren die Perlenkette,
die durch eine in einer Vertiefung liegenden Linse vergrößert wird. Poesie
steckt hier ebenso drin wie Kulturforschung und die Beobachtung des
Menschen und seiner Rituale – eine
Haltung, die auch zur Ausstrahlung von
Rampelotto selbst passt: ein wacher,
aufmerksamer, auch ruhiger Beobachter, der mit Selbst- und Stilsicherheit,
Neugier und Humor seinen Blick auf
Aspekte legt, die dann treffsicher in
Entwürfe gelenkt werden.
Kathrina Dankl und Lisa Elena Hampel
machen sich Gedanken über das Alter.
Als Jahrgang 1981 ist das aber verständlicherweise nicht der Blick ins eigene
letzte Lebensdrittel, sondern man gehört zu den wenigen Designbüros, die
sich der wichtigen und zukunftsträchtigen Aufgabe stellen, Produkte für eine
immer älter werdende Gesellschaft zu
entwickeln. Für diese Konsumentenschicht müssen Produkte einem hohen
Anspruch an Bedienerfreundlichkeit
und Qualität gerecht werden. Dieses
Marktsegment überzeugt auch das wirtschaftliche Umfeld: danklhampel wurden beim GEWINN-JungunternehmerWettbewerb 2006 als eines der besten
hundert Start-ups ausgezeichnet.
Ein Entwurf, der nicht nur die beiden
Designerinnen, sondern auch alle
Benutzer weiterbringt, ist „Coaster“,
eine Transportkabine für unterschiedlichste Einsatzmöglichkeiten. Für ein
Schweizer Hotel sind die ersten zwei
Kabinen im Einsatz – und das werden
nicht die letzten Gipfelstürme der fröhlichen Designerinnen sein.
www.patrickrampelotto.com
www.danklhampel.com
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schen Möbelmesse in Kortrijk wurde
noch eifrigst nachts fotografiert – gut so,
denn einerseits trug ihr das den Gewinn
eines Messestandes in der nächsten
„theyoungdesignersfair“ ein. Außerdem
fielen die Bilder aber Roberto Minotti
in die Hände und Annette Hinterwirth
beinahe das Telefon aus den ihren, als
sie hörte: „Guten Tag, Minotti hier, wir
wollen ihre Möbel produzieren.“
Ihre Entwurfskenntnisse hat sie durch
die Teilnahme an Kursen an der TU
Wien und an der UCLA, der Universität von Kalifornien, vertieft, wo sie
auch für Hollywoodproduktionen am
Setdesign mitgearbeitet hat, das Rüstzeug zur Unternehmerin ist durch ein
abgeschlossenes BWL-Studium untermauert. Kontraste und Kombinationen
sind auch in ihren Entwürfen Thema,
ob das nun Weich und Hart ist oder
„klassische Formen, die irgendetwas an
sich haben, was schräg ist“.
www.annettehinterwirth.com
www.dottings.com
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Zenita Komad, 1980 geboren, ist die vielleicht erfolgreichste österreichische Künstlerin unter 30. Die
Pariser Galerie Suzanne Tarasiève hat sie für eine Präsentation in der „ZONE1“ auf der Viennafair, der
Wiener Kunstmesse, ausgewählt. Nina Schedlmayer
So häufig kommt es nicht vor, dass eine Künstlerin ihres Alters
bereits eine Galerievertretung vorzuweisen hat. Oder eine
quer durch die österreichische Medienlandschaft besprochene
Kunstaktion. Zenita Komad ist die vielleicht derzeit erfolgreichste Künstlerin unter 30 in Österreich. Das Label „Nachwuchshoffnung“ passt auf die 1980 in Klagenfurt geborene
Komad längst nicht mehr.
Gleich mehrfach vertreten. Nun wurde sie von der Pariser
Galerie Suzanne Tarasiève für eine Präsentation auf der
Viennafair nominiert: In der „ZONE1“ wurden Arbeiten
junger Künstler gezeigt, von denen einer oder eine nach
Juryentschluss später in der „Factory“ des Wiener MUMOK
ausstellen soll. Komad wird von insgesamt drei Galerien, die
auf die Messe kommen, vertreten: Neben Suzanne Tarasiève
sind dies die Wiener Galerie Krinzinger und die Regina
Galerie aus Moskau, die nicht nur ihre Arbeiten verkaufen,
sondern sie auch selbst dabei unterstützen, Kontakte zu hochkarätigen Sammlern, einflussreichen Personen im Museumsund Ausstellungswesen zu knüpfen – wichtige Erfolgsfaktoren
für junge Künstler.
Die Künstlerin Zenita Komad in ihrem Atelier
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Wenn man Zenita Komad in ihrer Atelierwohnung besucht
und mit ihr über ihre Kunst spricht, dann vergeht die Zeit wie
im Flug. Eine Art Kartenhaus aus Leinwänden möchte sie
bauen für die Messe, erzählt sie lebhaft, ähnliche habe sie
schon gezeigt, etwa im Kunsthaus Graz oder ihrer Pariser
Galerie. Ihre Malerei, meint sie nachdenklich, sei „keine strategische. Ich halte fest, ich notiere.“ Das Material dafür schöpft
Komad aus einem reichhaltigen Reservoir: Da findet sich ein-
mal das faltenzerfurchte, schelmisch grinsende Gesicht der
Bildhauerin Louise Bourgeois, dann wieder eine distanzierte
Maria Callas; ein Selbstporträt – und zahllose Schriftbilder,
für die Komad witzige Sprüche („Am eigenen Misthaufen ist
jeder Hahn tapfer“) ebenso verwendet wie Kommentare zu
Weltanschaulichem: „Religion is dangerous“, sagt eines ihrer
Bilder, und die Buchstaben purzeln in Kreuzform durcheinander. „Ich zweifle“, sagt Komad, „alles Ideologische an.“ Nicht
nur die Religion, auch die Psychoanalyse und ihre Väter sowie
die Leidensfähigkeit im Allgemeinen und im Speziellen. Wo andere Wunden sehen, sieht sie Sinnlichkeit – etwa in den Brüsten, aus denen rote Farbe spritzt, eine ihrer älteren Arbeiten.
Komad arbeitet gern allein im Atelier – ebenso gern aber
kooperiert sie mit anderen. So engagierte sie etwa Ignaz
Kirchner nicht nur für eine Videoarbeit, sondern auch für
ihre vielbesprochene „Operation Capablanca“ – eine
„Schachoper“, die sie 2005 in der Kunsthalle Wien aufführte.
Sie habe, so erzählt sie, „Kontakte immer gesucht“. Und als
Tochter einer Opernsängerin sei sie „im Theater aufgewachsen, in einer familiären Struktur“. Vielleicht ist Komad deswegen so eine gute Networkerin. Das nächste halbe Jahr wird
Komad in L. A. verbringen – sie hat eines der begehrten
Schindler-Stipendien, die vom Museum für Angewandte
Kunst vergeben werden. Ihre Fähigkeit, Netzwerke zu schaffen, wird ihr dort erneut zugute kommen.
Zenita Komad studierte an der Universität für angewandte Kunst Wien Bühnenbild/Graphik und an der Akademie der bildenden Künste Wien mixed media.
www.zenita-city.at
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Diskussionen, Ausstellungen und die Entwicklung von crea:m waren die Schwerpunkte der letzten drei
Jahre forum mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur. Kreative Unternehmer wurden vor den Vorhang
geholt und ihre Ideen und hochwertigen Produkte einem breiten Publikum präsentiert. In Diskussionen
und Ausstellungen wurden die verschiedensten Beziehungen von Kunst und Wirtschaft thematisiert.
Veranstaltungen:
Klingt gut? Neue Märkte in der Musikwirtschaft
Wohin entwickelt sich die Zusammenarbeit von Auftraggeber
und Kunstschaffendem in der Musikbranche? Über Klingeltöne, Ringbacks und andere Vertriebswege.
Wie viel Kunst verträgt der Film?
Kann Filmeproduzieren ein Geschäft sein? Müssen wirtschaftlicher Zugang und künstlerischer Anspruch ein Widerspruch sein?
3x Blickfang
Vier Positionen. Präsentation junges Design.
Kunst kommunizieren –
zwischen Vermittlung und Event
Über Marktpositionierung, Zielgruppen und Werbestrategien.
Signal – Botschaft – Verpackung
Der Designprozess, der hinter einer erfolgreichen Verpackung steckt, vereint technische, betriebswirtschaftliche,
werbepsychologische und ökologische Fragen und muss im
Einklang mit dem Corporate Design stehen.
Hutware – Wege der Zusammenarbeit
Über die Idee, deren Umsetzung, das Zusammenspiel von
Auftraggeber und Auftragnehmer und das Finden einer
gemeinsamen „Formensprache“.
Shops – wie Architektur Identitäten schafft
Das richtige Design für den wirtschaftlichen Erfolg.
Referenten und Moderatoren
Alexander Hirschenhauser (Soulseduction), Franz Medwenitsch (IFPI), Alexander Koppel (Die Drei), Wolfgang Schlögl
(Sofa Surfers), Mirjam Unger (FM4), Virgil Widrich (Checkpoint Media), Niki List (Cultfilm), Burkhard Ernst (Cultfilm
und Mazda Rainer), Heinrich Mis (Leiter ORF Fernsehfilm),
Birgit Fenderl (ORF), Nora Sri Jascha (Agentur Dasuno),
Wolfgang Kos (Direktor Wien Museum), Johann Kräftner
(Direktor Liechtenstein Museum), Chris Rehberger (Double
Standards, Berlin), Rainer Novak („Die Presse“), Wilfried
Kühn (Architekt), Klaus Mühlbauer (Mühlbauer), Tobias Pils
(Künstler), Bernd Bess (Architekt), Ulrike Fleissner (Zumtobel Staff), Otto Wilhelm Riedl (Manner), Daniel Swarovski,
Max Hollein (Schirn Kunsthalle Frankfurt), Harald Gründl
(EOOS), Harald Mahrer (Pleon Publico), Erna Cuesta (ORF),
Karin Stiglmair und Barbara Ambros (LUCY.D), Manfred
Buchinger (Gasthaus zur alten Schule), Armin Ebner (BEHF),
Alexander Rabl (Werbetexter und Restaurantkritiker, „A la
Carte“), Ute Woltron („der Standard“), Maria Michlmayer
und Petra Doppler (Dopplermichlmayr), Roland Kaufmann
(Produktdesign), Harald Guggenbichler und Heike Kubista
(Guggenbichler Design), Rainer Mutsch (Möbeldesign), Bruno
Schmidt (Metadesign), Alexander Dumreicher-Ivanceanu
(Amour Fou), Roman Wratschko, Philipp Haselwander und
Georg Wanker (Edelweiss Design), Ulla Hinterwirth (Modedesign), Ute Ploier (Modedesign), Robert Rüf (Produktdesign),
Alfred Hudler (Vöslauer), Andrew Doyle (Holmes &
Marchant, London), Franz Merlicek (Demner, Merlicek,
Bergmann), Tulga Beyerle (Designexpertin), Sissi Farassat
(Künstlerin), Manuela Hötzl (Redaktionsbüro), Anton Zeilinger
(Physiker), Christian Bartenbach (Bartenbach), Anna Popelka
(PPAG-Architekten), Christian Berger (Kamera), Hannelore
Veit (ORF).
Marken und was sie alles versprechen
Werbewelten in Kunst, Design und Kreativwirtschaft.
Lust am Kochen
Ein Boom und seine Auswirkungen auf die Wirtschaft.
Licht und Wirtschaft
Oder wie das Neue in die Welt kommt.
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Advisory board
Berndt Anwander (St. Balbach Art Produktion), Andreas
Braun (Swarovski Kristallwelten), Magnus Brunner (Ökostrommanagement AG), Johann Kräftner (Liechtenstein
Museum), Boris Marte (Erste Bank), Maria-Luise Mayr,
(Klangspuren), Annette Prechtl, Sandra Thaler (Elfenkleid),
Leonid Rath (Lobmeyr), Martin Schwarz (Schwarzconsult),
Christoph Stadlhuber (BIG – Bundesimmobiliengesellschaft),
Norbert Steiner (sputnic), Roland Teichmann (Österreichisches Filminstitut), Katrin Veigl (Porzellanmanufaktur Augarten), Wolfgang Waldner (MuseumsQuartier Betriebsgesellschaft), Daniela Walten (BWM-Architekten).
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Kleinunternehmer in der Fotobranche setzen lieber auf Qualität denn auf Quantität. Und schaffen sich
damit einen kurzweiligen Alltag. Nina Schedlmayer
Kozva Rigaud drückt es so aus: „Ich möchte keine Shoppingmall haben, sondern eine Boutique.“ Und Felix Leutner sagt:
„Wir fahren lieber die Qualitätsschiene. Unsere Kunden sollen wirklich sehr zufrieden sein.“ Besser klein und fein als
groß und oberflächlich: Wer als Klein- oder Einzelunternehmer in der Fotobranche arbeitet, der muss auf Qualität setzen.
Rigauds Agentur shotview vertritt Fotografen auf hohem
Niveau, und Leutners Fotolabor betreut zu 70 Prozent Künstler.
Quantität steht da nicht an erster Stelle.
Kozva Rigaud leitet die Fotoagentur shotview
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Rigaud etwa interessiert keine schnell produzierte Massenware. Mit Fotografen wie Joachim Baldauf, Luis Sanchis,
Wiebke Bosse und Peter Rigaud, ihrem Mann, hat sie sich
spezialisiert auf konzeptuelle Fotografie – und mittlerweile
hat sie nebenher auch eine, wie sie es nennt, „kleine, feine,
informelle Galerie“ aufgebaut, über die sie Editionen verkauft. Das Hauptgeschäft allerdings, so erläutert sie, ist die
„Vermarktung von Fotografen“, hauptsächlich in den drei
Bereichen „Journalismus, Werbung, Mode“. Zu Rigauds
Kunden zählen klingende Namen: der Designer Alexander
McQueen ebenso wie die besten Printmedien im deutschsprachigen Bereich (darunter die „Zeit“ oder die „Süddeutsche Zeitung“), Claudia Schiffer wie die Firma Swarovski.
Dabei betreut shotview manchmal ganze Produktionen, von
der Ideenfindung über Styling und Make-up bis zum Catering.
Ein derart umfassendes Service bietet auch das Fotolabor
von Felix Leutner an, dessen Kundenkreis sich mit Namen
wie Elke Krystufek, Eva Schlegel und Erwin Wurm mittlerweile wie das Who is Who der österreichischen Kunstszene
liest: Wenn etwa ein Künstler bei ihm eine Ausarbeitung in
Auftrag gibt, dann übernimmt Leutner mit seinen 14 Mitarbeitern nicht nur die Beratung, sondern lässt die fertigen
Abzüge auch gleich transportieren und montieren, wenn das
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Felix Leutner, Fotolabor
Veronika Loudon und Moritz Stipsicz, Galerie Momentum
» Wir fahren lieber die Qualitätsschiene.
Unsere Kunden sollen wirklich sehr zufrieden sein. «
gewünscht wird. Manche Künstler, so erzählt er, buchen auch
tageweise Laboranten: Von ihnen erhalten sie dann Exklusivbetreuung.
Garantiert ist diese bei Astrid Bartl, die als freie Fotografin
allein arbeitet. Für Akquise und Verkauf ist sie selbst zuständig – zwar dachte sie einmal nach über eine Zusammenarbeit mit einer großen Fotoagentur, entschied sich dann aber
doch dagegen. „Ich bin lieber freier“, argumentiert sie. Wenn
Bartl von ihren bisherigen Fotoaufträgen erzählt, dann fragt
man sich ohnehin, was sie eigentlich noch nicht gemacht hat:
Begonnen hat sie mit Objektfotografie für Juweliere, später
hat sie für das Nachrichtenmagazin „profil“ die österreichische Innenpolitik praktisch durchfotografiert, für Designer
arbeitet sie ebenso wie für Weinbauern; und momentan
gestaltet sie das Immobilienspecial der Zeitung „Österreich“.
So richtig spezialisieren wollte sie sich nie – auch wenn es
Aufträge gibt, die sie sehr gerne hat, wie die Reportagefotografie. „Da kommst du in andere Welten“, schwärmt sie.
Derzeit nimmt sie etwas weniger Aufträge an – solche, die
schlecht dotiert sind, lehnt sie mittlerweile kategorisch ab.
Erich Lessing, der für die Agentur Magnum fotografiert hat,
kostet etwa um die 5.000 Euro – für einen Fotografen seines Kalibers geradezu eine Okkasion. Und Arbeiten jüngerer Fotokünstler sind – je nach Auflagenhöhe – bereits ab
300 Euro zu bekommen. Der Kundenkreis von Momentum
ist daher ein größerer als der anderer Galerien: Nicht die
millionenschweren Großsammler spricht das junge Unternehmen an, sondern einfach „Leute zwischen 25 und 45, die
ein höheres Einkommen haben“, wie Stipsicz formuliert.
Mit der Fotogalerie hat Stipsicz Neuland betreten – dabei
hatte er zuvor schon eine steile Karriere hingelegt: Zuletzt
arbeitete er in der Unternehmensentwicklung von Wienerberger. Für die Kunst einen hochdotierten Job hinschmeißen
– das muss Idealismus sein. „Ich besitze jetzt aber ein Knowhow, das nicht unpassend ist“, meint Stipsicz schlicht.
Individuelle Karrieren. Nicht jeder startet in einem Groß-
unternehmen wie Stipsicz. Rigaud etwa erinnert sich schmunzelnd an ihre ersten Schritte als Unternehmerin: „Ich habe,
als ich in New York gelebt habe, einfach in jedem Fotolabor
die Nummer meines Pagers aufgeklebt und Fotografen angeboten, für sie Organisation oder Buchhaltung zu erledigen.“
Ein bisschen anders geht Moritz Stipsicz, Geschäftsführer
der Fotogalerie Momentum, an die Quantitätsfrage heran.
Freilich ist auch ihm wichtig, dass die Fotografien, die er verkauft, hochwertig sind – allerdings, so erzählt er, „sind unsere
Editionen günstiger als das meiste, was man in Kunstgalerien
kaufen kann – jedoch hochwertiger und teurer als Poster“.
Das ist ein schlagendes Verkaufsargument: Ein Abzug von
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Astrid Bartl, Fotografin
Und Astrid Bartl, die ihre Ausbildung auf der „Graphischen“
nach einem halben Jahr wieder abgebrochen hat, erzählt: „Ich
habe zunächst bei anderen Fotografen assistiert und erst später selbst Aufträge bekommen: Ich habe mich bei Juwelieren
vorgestellt – und schließlich für die Firma Wagner in der
Kärntner Straße gearbeitet.“
Felix Leutner dagegen wurde in seinen Betrieb hineingeboren: Schon seit drei Generationen gibt es das Fotolabor –
allerdings hat erst er es auf Kunstkurs gebracht. Sein Vater,
sagt er, habe zwar bereits für Leute wie Valie Export oder
Hermann Nitsch gearbeitet – allerdings fand er Künstler
immer ein bisschen schwierig. „Aber genau das habe ich
immer interessant gefunden“, meint der studierte Jurist.
Klasse statt Masse lässt sich eben doch erst durch persönliches Interesse erreichen. Wenn einen dieses zu Alexander
McQueen und Elke Krystufek bringt, dann hat man wahrscheinlich nicht nur einiges richtig gemacht, sondern auch
einen eher kurzweiligen Alltag.
Die Fotografenrepräsentanzagentur shotview hat neben dem Wiener Hauptsitz
auch eine Dependance in Berlin. www.shotview.com
Felix Leutner leitet das Familienunternehmen Fotostudio Leutner bereits in der
dritten Generation. www.fotoleutner.at
Veronika Loudon und Moritz Stipsciz eröffneten 2006 ihre Galerie Momentum
für Fotokunst in Wien. www.momentum.co.at
Die Fotografin Astrid Bartl arbeitet seit 1995 für Werbeagenturen und Magazine, wie zum Beispiel „profil“, „Die Zeit“ oder „trend“. www.fotograefin.com
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Neue Bahnen – Altbewährtes. Mit Nullachtfünfzehn-Angeboten wird man in Zukunft keine Gäste mehr
anlocken können – weder nach Österreich noch in den eigenen Betrieb. Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung, Rainer Ribing, Geschäftsführer der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der
WKO, sowie Andreas Gfrerer, Gründer des Arthotels Blaue Gans in Salzburg, erklären, wann und wie viel
Kreativität im Tourismus notwendig ist. Barbara Schumy
Die Getreidegasse in Salzburg: erklärtes Ziel unzähliger Touristen aus aller Welt, die in die Geburtsstadt des Komponisten
Wolfgang Amadeus Mozart kommen, um auf seinen Spuren
zu wandeln, schnell irgendwo Salzburger Nockerln essen und
in einem der unzähligen Souvenirshops Mozartkugeln erstehen. Doch am Ende der Getreidegasse findet sich ein
österreichischer Betrieb, der seine Besucher nicht mit „Salzburger Klischees einfängt“, sondern mit zeitgenössischer
Kunst. Wo statt Kitsch Modernes gezeigt wird, wo nicht Vergangenes geboten wird, sondern Tradition und Authentizität.
Ein Paradebeispiel, das zeigt, wohin der Weg für österreichische Tourismusbetriebe gehen könnte?
Lesung: Der Hotelier Andreas Gfrerer im Atelier der Künstler Julius Deutschbauer und Gerhard Spring in Wien
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Neue Konzepte. Andreas Gfrerer, Gründer und Besitzer des
Arthotels Blaue Gans in der Salzburger Innenstadt, hat bereits
vor Jahren seine Bahn abseits des Mainstream eingeschlagen:
1997, mit nur 26 Jahren, entschloss sich der Salzburger, die
Blaue Gans, ein vor mehr als 600 Jahren erbautes Haus in der
Getreidegasse, das seine Eltern bisher verpachtet hatten,
selbst zu übernehmen. Aus diesem renovierungsbedürftigen
Gebäude hat der Jungunternehmer binnen weniger Jahre
einen Betrieb gemacht, dem ein ungewöhnliches Konzept zugrunde liegt: Denn die Blaue Gans, das älteste Gasthaus in
der Salzburger Innenstadt, ist Österreichs erstes und bislang
einziges – von Gfrerer auch markenrechtlich geschütztes –
Arthotel. „Es war für mich in den Anfangsjahren eine generelle Frage der Positionierung“, erklärt Gfrerer, der ausgebildeter Hotelmanager ist und vor seiner Selbständigkeit unter
anderem im Wiener Hilton tätig war. Auf der traditionellen
Schiene wollte er nicht fahren, wohl aber Traditionelles mit
Neuem und im Besonderen mit zeitgenössischer Kunst verbinden. Nun einige Jahre später ist aus dem heruntergekommenen Gebäude ein Arthotel geworden. Das Vier-SterneHaus ist nun, wie Gfrerer sagt, „ein bewohnbares Kunstwerk
auf Zeit, das seine Wurzeln dennoch im Erbe und in der Tradition findet“. So veranstalteten die Kunstaktivisten Julius
Deutschbauer und Gerhard Spring bei Andreas Gfrerer im
Rahmen des Mozartjahres 2006 ihre Lesung „Jedermanns
Mozart in der Blauen Gans“. Dass sein Konzept polarisiert,
weiß der Arthotel-Gründer. Trotzdem: Rund 90.000 Gäste
finden sich jährlich in der Blauen Gans ein, um in den Gemäuern des traditionellen Wirtshauses bürgerlich und zu
moderaten Preisen zu speisen, in der angrenzenden Bar im
schicken Ambiente einen Caffè Latte zu schlürfen oder in
einer der modern adaptierten und mit Kunstwerken ausgestatteten Suiten zu nächtigen. Gfrerer: „Die Blaue Gans ist ein
Ort zum Sich-Zurückziehen und ein Zuhause für Menschen,
die Individualismus zulassen und ihn auch leben wollen.“
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Der Tourismus in Zahlen:
Betrag, um den die österreichische Tourismusbranche 2007 ihren Umsatz steigern wird, in Prozent: 2
Anzahl der Ankünfte inländischer und ausländischer Gäste 2006 in Österreich, in Mio.: 30
Anzahl der Nächtigungen in Österreich 2006, in Mio.: 119,3
Anzahl der durch die Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich zusätzlichen Nächtigungen, in Mio.: 1
Umsatz der Tourismusbranche in Österreich 2006, in Mrd. €: 30
Anteil des Tourismus am österreichischen Bruttoinlandsprodukt 2006, in Prozent: 8,7
Anzahl der Arbeitsplätze, die 2006 in der österreichischen Tourismusbranche neu geschaffen wurden: 4.400
Anzahl der in der österreichischen Tourismus- und Freizeitwirtschaft 2006 neu gegründeten Betriebe: 2.797
Anzahl der Österreicher, die 2006 eine Urlaubsreise unternahmen, in Mio.: 5,2
Jahresbudget, das der Österreich Werbung zur Verfügung steht, in Mio. €: 50
Anzahl der weltweiten Vertretungen der Österreich Werbung: 33
Anzahl der Menschen, die bis zum Jahr 2020 65 oder älter sind, in Mio.: 700
Anzahl der Menschen, die 2006 angaben, sich mehr um ihre Gesundheit zu kümmern, in Prozent: 43
Jahr, in dem die Getreidegasse in Salzburg erstmals urkundlich erwähnt wurde: 1150
Jahrhundert, in dem die Blaue Gans als Gasthaus gebaut wurde: 16.
Rainer Ribing und Petra Stolba im Hotel Triest in Wien
Dass Individualismus im Tourismus immer wichtiger wird,
davon ist Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung (ÖW)
und ehemalige Geschäftsführerin der Bundessparte für Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer
Österreich (WKO), absolut überzeugt. Einerseits beim Reisenden selbst: „Der Trend geht eindeutig vom klassischen
Erholungs- hin zum Entfaltungstourismus.“ Will heißen: Ein
Urlaub muss dem Reisenden das Gefühl geben, dass er seine
Zeit und sein Geld sinnvoll eingesetzt hat. „Der Gast will
nach dem Urlaub anders sein als davor“, meint Stolba. Keine
Frage, dass dieses zunehmende Bedürfnis nach Individualität
und Sinnstiftung beim Konsumenten auch mit entsprechenden Angeboten befriedigt werden muss. „Die Betriebe müssen heute und in Zukunft noch stärker einen Mehrwert und
ein Erlebnis anbieten. Dazu braucht es Entrepreneurs, die
mit Leidenschaft ihr Angebot selbst leben.“ Nur jene Angebote, die sozusagen die Erfahrungswelt des Unternehmers
widerspiegeln und mit Leidenschaft gemacht werden, sind
authentisch und stimmig. Herz und Seele eines Gastes sollten
berührt werden, indem sich ein Hotelbesitzer auch so scheinbar nebensächliche Kleinigkeiten überlegt wie zum Beispiel,
welches Bild wo und wie aufgehängt wird. Aber neben der
„Hardware“, also der Ausstattung oder Einrichtung in einem
touristischen Betrieb, ist auch eines notwendig: die Dienst-
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leistung für den Konsumenten oder – in den Worten der ÖWChefin – „die Begegnungsqualität und das Servicedesign“.
Oft genug wird Stolba von Unternehmern gefragt, was sie
denn wie tun sollen. Ihre Antwort? „Man tut, was man ist.“
Kreativität hat für die Expertin nichts mit Erfinden zu tun,
sondern mit Finden: sich selbst, seine Nische und neue Potenziale. Chancen können auch durch Kooperationen mit anderen Betrieben entstehen. Als Beispiel nennt Stolba „AllergieAlpin“, ein Netzwerk von Hotels, die sich auf Menschen mit
Allergien spezialisiert haben und ihnen eine beschwerdefreie
Erholung in den Alpen anbieten. Diese Hotelbesitzer haben
aus natürlichen Gegebenheiten – der gesunden Höhenluft in
den Alpen – einen einzigartigen Mehrwert geschaffen und
(eine Zielgruppe) gewonnen. Dazu gehören Mut und Risikobereitschaft und das Verlassen der Nullachtfünfzehn-Schiene.
Allerdings – räumt Stolba ein – ist dieser „kreative Prozess“
kein einfacher, vor allem für die vielen kleineren und mittleren Betriebe in Österreich. „Die KMU-Struktur in Österreich
bringt zwar den Vorteil, differenzierte Angebote zu schaffen.
Andererseits müssen sich die Unternehmer überlegen, wie sie
gehört werden können.“ Für ausgefeilte Marketingaktionen
fehlt kleineren Betrieben Geld und Zeit. Worauf Betriebe
aber jedenfalls Wert legen müssen, ist Qualität und ein gutes
Preis-Leistungs-Verhältnis.
Genau bei qualitativen Tourismusangeboten sieht auch Rainer
Ribing, seit wenigen Monaten Geschäftsführer der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der WKO und
Nachfolger von Petra Stolba, Potenziale für österreichische
Betriebe. Sein Motto: „Gute Qualität für gutes Geld“.
„Wobei“, betont Ribing, „es im Tourismus weniger darum
geht, einfach nur Bedürfnisse zu befriedigen, sondern die
individuellen Sehnsüchte.“ Selbst bei der 50+-Generation,
die als Zielgruppe in Österreich im Kommen ist, findet ein
grundsätzlicher Bedürfniswandel statt. „Die Sinne für Ansprüche der unterschiedlichen Zielgruppe schärfen“, fordert
Rainer Ribing und weist gesondert auf die älteren Konsumenten hin: „Sie sind genau jene Zielgruppe, die für österreichische Betriebe wegen ihrer Reisetätigkeit in der Nebensaison interessant sind.“ Auch der als „Health Hedonist“
bezeichnete Urlauber ist ein neuer Konsumententypus: ein
gesunder Genießer, also ein Reisender, für den Gesundheit
und Genuss gleichermaßen wichtig sind. Die Trends im Tourismus sind eindeutig: Konsumenten, egal welchen Alters,
sind anspruchsvoll, sehr mobil, erlebnisaffin und wünschen
sich Nachhaltigkeit. „Die Schwierigkeit oder die Herausforderung ist nun, mit diesen neuen Touristengruppen umzugehen“, sagt Ribing. Sein Erfolgsrezept auf der Basis von
Qualität ist ein einfaches: Gastfreundlichkeit und Kommuni-
kationsfähigkeit. „Wenn dies scheitert, gibt es Missverständnisse“, so Ribing. Hier müssen sich österreichische Tourismusbetriebe entsprechend aufstellen.
Neue Gäste und Zielgruppen müssen in Betrieben entspre-
chend serviciert werden, das geht von Sprachkenntnissen (wie
z. B. Speisekarten in der jeweiligen Landessprache) bis hin
zum Wissen um deren Bedürfnisse und Angewohnheiten. Hier
ist weniger Kreativität gefragt als simple Kommunikation, so
Ribing. Statt Kreativen wünscht sich der Bundesspartengeschäftsführer auch eher Pioniere: Unternehmer, die neugierig
und zukunftsorientiert sind und sich ihre Nische suchen. Ähnlich wie die beiden Maskottchen der Österreich Werbung, Joe
und Sally. Jene zwei Pinguine, die mit ihrem Erfinder, dem
Fotografen Willy Puchner, durch die Welt reisten und schließlich ihr Ziel gefunden haben: endlich Österreich!
Andreas Gfrerer leitet seit 2002 das 400 Jahre alte Traditionshotel Blaue Gans
in Salzburg als Arthotel. www.blauegans.at
Rainer Ribing ist Geschäftsführer der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft
in der Wirtschaftskammer Österreich. www.wko.at
Petra Stolba leitet seit November 2006 die Geschäftsführung der Österreich
Werbung. www.austriatourism.com
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Agnes Husslein-Arco, Belvedere
Zuhause in einer der schönsten intakten barocken Schlossanlagen. Agnes Husslein-Arco – ein Porträt.
Felicitas Herberstein
Im Park des Schloss Belvedere entkommt man für einen
Moment dem Stress der Großstadt. Wie die verliebten Pärchen
auf den Bänken, die Mütter mit Kinderwägen oder die neugierigen Touristen. Zwischen dem 3. und 4. Bezirk ist eine
wahre Ruheoase, der die Stadt ergeben zu Füßen liegt. Das
Direktionsbüro ist, wie Agnes Husslein-Arco betont, ein Provisorium. Barocke Luster flirten mit gräulichem Bürointerieur aus früheren Jahrzehnten. Die Türen stehen offen, und
die Stimme der Frau Direktor trägt durch die Zimmerfluchten. Worte einer starken Frau, die als erste Direktorin der
Österreichischen Galerie angetreten ist, um diese zu der
österreichischen Museumsinstitution zu machen. Agnes
Husslein-Arco ist da, bevor sie den Raum betritt.
„Die Agnes studiert Kunstgeschichte.“ Dass Agnes Huss-
lein-Arco sich als Belvedere-Direktorin beworben hat, war
kein Zufall. „Ich war bei fast allen Dingen die erste Frau – ob
als Österreich-Chefin des Auktionshauses Sotheby’s oder nun
im Belvedere“, sagt sie bestimmt und sieht sich gewissermaßen
als Vorreiterin. „Es ist keine Frage, dass sich in den letzten Jahren immer mehr Frauen trauen, sich für Führungspositionen zu
bewerben – auch in der Kunstszene.“ Jeder, ob Künstler oder
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nicht, soll das machen, woran er Freude hat. Für sie selbst
traf diese Entscheidung ihr Vater mit den einfachen Worten:
„Die Agnes studiert Kunstgeschichte.“ Heute sagt sie, dass sie
gar nicht wusste, was sie lieber wollte, und so blieb es dabei.
„Dominante barocke Räume zu bespielen ist immer ein
Kompromiss.“ Das Belvedere braucht als „Kompetenzzen-
trum für österreichische Kunst“ keine neue, sondern eine klarere Positionierung. Profunde Recherche und Forschung sind
die Hausaufgaben für den hohen wissenschaftlichen Anspruch.
„Hier ist in den letzten Jahren zu wenig gemacht worden.“
Das prachtvolle Ambiente bezeichnet die Hausherrin als
„Riesen-Asset“, doch „dominante barocke Räume zu bespielen ist immer ein Kompromiss“. Daher werden im Unteren
Belvedere und in der Orangerie neue neutrale Räume für
Ausstellungen geschaffen. Die Sammlung selbst mit den
„Mona Lisas der österreichischen Kunst“ von Klimt bis
Schiele und Kokoschka zieht jährlich Hunderttausende Besucher an. Mit zeitgenössischen „Interventionen“ wie Gudrun
Kampls „Johann Lukas von Hildebrandt“ oder der Ausstellung „Gartenlust“ will die neue Direktorin vor allem die
Neugierde der Österreicher wecken.
„In Österreich ist immer noch viel aufzuarbeiten.“ Immer
wieder entdeckt man neue Aspekte bei der „Erfindung“ von
Ausstellungen. Es ist die große Herausforderung, trotz wissenschaftlichen Anspruchs spannend zu sein, ist Agnes HussleinArco überzeugt. Aus diesem Anspruch heraus wird auch die
kommende Schau „Wien – Paris von 1880 bis 1950“ geplant.
Viele österreichische Maler haben in Paris gelebt und gearbeitet, die zu ihrer Zeit sehr berühmt waren. Überhaupt sei
Österreich international weniger als Wirtschaftsnation, sondern vielmehr für Kunst, Kultur, Musik und Sport bekannt.
„Die Kunst ist und bleibt ein zentrales Thema. Der Staat hat
die Aufgabe, öffentliche Mittel ohne Bitten und Betteln zur
Verfügung zu stellen.“ Auch die junge österreichische
Künstlergeneration steht in ihrer Kreativität und ihrem Talent
nicht hintan, versichert sie. Direktoren hatten früher einfach
zu wenig Courage, die Jungen zu fördern.
„Privat bin ich eine Sammlerin.“ Ob Möbel, Luster,
Objekte oder Schmuck – Agnes Husslein-Arco hat auch
privat immer einen ausgeprägten Sammlertrieb gehabt.
Verändert hat sich über die Jahre nur ihr Geschmack. War
es Anfangs Jugendstil, sind es heute Design aus den 1950er
und 1960er Jahren und zeitgenössische Malerei. Gar nichts
hält sie allerdings vom „designten“ Körper, und sie würde
sich niemals für Schönheit unters Messer legen. „Meine Mutter hat immer gesagt, ab einem gewissen Alter ist man für sein
Gesicht verantwortlich.“ Lieber ein gesundes Leben und jene
Disziplin, die sie der Eiskunstlaufspitzensport gelehrt hat.
Und natürlich haben Familie und Freunde einen wichtigen
Platz in ihrem Leben: „Man muss selbst die Grenzen setzen.
Ich schaffe mir einfach die Freiräume für mein Privatleben.“
Agnes Husslein-Arco ist seit 1. Jänner 2007 die Direktorin der Österreichischen
Galerie Belvedere. Die studierte Kunsthistorikerin und Enkelin des bekannten
österreichischen Malers Herbert Boeckl war davor von 2001 bis 2005 Direktorin des Salzburger Rupertinums bzw. ab 2003 auch des Museums der Moderne
Salzburg und leitete von 1981 bis 2000 als Geschäftsführerin Sotheby’s Österreich. www.belvedere.at
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Gertraud Leimüller, Vorsitz der arge creativ wirtschaft austria
Stephan Dorfmeister
Roland Alton-Scheidl
Die Kreativwirtschaft als Zukunftsbranche zu verankern und
auf breiter Basis Bewusstsein zu schaffen für das Wertschöpfungspotenzial kreativer Leistungen: Mit diesem Ziel vor
Augen übernahm Gertraud Leimüller mit Jahresbeginn den
Vorsitz der arge creativ wirtschaft austria. Die in der Wirtschaftskammer angesiedelte Plattform, betont die 38-Jährige,
„steht allen Creatives offen: Kammermitgliedern genauso wie
freien Unternehmern oder sogenannten neuen Selbständigen
– die Grenzen sind ja ohnehin längst durchlässig.“ Vom angestrebten Relaunch sollen alle gleichermaßen profitieren.
Stärkere Bundesländerpräsenz, Überparteilichkeit und verbesserter Service lauten hier die Schlagworte.
Dabei sollen auch Soft Skills vermittelt werden, etwa das
richtige Einschätzen einer Situation oder der Umgang mit
„schwierigen“ Auftraggebern. Doch sind die Etablierten
bereit, ihre Erfahrungen an Jüngere – potenzielle Konkurrenten – weiterzugeben? Leimüller: „Das Echo ist sehr positiv.
Und das, obwohl hierzulande immer noch Einzelkämpfer
überwiegen. Im angloamerikanischen Raum ist man einen
Schritt voraus, setzt viel mehr auf Kooperation statt auf Konkurrenz.“ Das Fördern von Netzwerken sieht das neue Team
daher als wesentlichen Schritt in Richtung einer Dynamisierung der Branche. „Eine Möglichkeit ist die Bildung von
Leistungsnetzwerken aus jeweils mehreren Betrieben“, so
Networkingprofi Alton-Scheidl.
Neben gezielter Lobbyingarbeit in der Öffentlichkeit und
kammerintern geht es dem neuen Vorstand darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Dynamiken der Creative
Industries gerecht werden. Ein Zehnpunkteprogramm liegt
bereits auf dem Tisch. Leimüller – der als Stellvertreter Roland
Alton-Scheidl und Stephan Dorfmeister zur Seite stehen –
setzt bei den Startchancen für GründerInnen an: „Das System
ist nach wie vor unternehmerfeindlich.“ Ebenso gelte es, Förderprogramme für den Kreativbereich zugänglich zu machen
und bestehende Instrumente, etwa das ImpulsProgramm, auszubauen. Ein Problem ortet Leimüller im Mangel an Risikokapital für die Vermarktung von Kreativleistungen. Ein Creative Venture Fonds, unter Beteiligung der öffentlichen Hand
und privater Investoren, könnte hier Abhilfe schaffen. Auch
die steuerliche Behandlung von Kreativleistungen – Stichwort „Kreativfreibetrag“ – ist ein Thema, genauso wie die
Verbesserung der sozialen Absicherung junger Unternehmer.
Seit Anfang des Jahres leitet ein neues Team die arge creativ wirtschaft austria in der Wirtschaftskammer
Österreich. Mit einem ambitionierten Maßnahmenpaket, das vor allem auf strukturelle Neuerungen setzt,
möchte man den Kreativsektor in Österreich nachhaltig stärken. Sonja Illa-Paschen
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Mit einer neuen Form eines Gründercoachings – am Pilotprojekt wird derzeit gearbeitet – will man vor allem näher an
die Praxis: UnternehmerInnen aus dem Bereich der Creative
Industries nehmen GründerInnen quasi an die Hand und
geben ihnen Hilfestellung im unternehmerischen Alltag.
Erneuerung durch Vielseitigkeit. „Innovation“, ist Gertraud Leimüller überzeugt, „passiert stets an Schnittstellen –
dort, wo unterschiedliche Kompetenzen und Erfahrungswerte
ineinandergreifen.“ Sie selbst setzte sich während ihrer Zeit
in Harvard intensiv mit Innovationspolitik auseinander. Auch
ihre eigene Biografie zeigt, dass Erfolg dort beginnt, wo gängige Kategorisierungen enden: Die promovierte Ernährungswissenschaftlerin war Wissenschaftsredakteurin, kam über
die Politikberichterstattung zum Wirtschaftsjournalismus. Im
Vorjahr gründete sie das Beratungsinstitut winnovation consulting, dem sie seither als Geschäftsführerin vorsteht.
Gertraud Leimüller, geschäftsführende Gesellschafterin winnovation consulting
GmbH. www.winnovation.at
Roland Alton-Scheidl, stellvertretender Vorsitzender Fachhochschule Vorarlberg, betreibt die erste europäische Open-Source-Genossenschaft Creative
Commons Österreich. www.CreativeCommons.at
Stephan Dorfmeister, stellvertretender Vorsitzender und Label-Manager der
Musikfirma G-Stone Recordings, Unternehmensberater und Projektentwickler.
www.g-stoned.com
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LOBBYING FÜR DIE
KREATIVWIRTSCHAFT
SOZIALE SICHERHEIT
FÜR UNTERNEHMER
Stellen wir eines zu Beginn für uns außer Streit: Die Kreativwirtschaft ist ein für Österreich zunehmend
bedeutender Wirtschaftszweig. Neben Produktionskosten und Qualität entwickelt sich der kreative Anteil
an Produkten und Dienstleistungen zu einem dominierenden Faktor für den Erfolg auf globalen Märkten.
Unternehmerinnen und Unternehmer sind es gewohnt, Risiko zu tragen, Eigenverantwortung zu leben
und Eigenvorsorge zu betreiben. Das Berufsbild des Unternehmers ist aber einem intensiven Wandel
unterworfen. Karlheinz Kopf
Harald Mahrer
Rahmen gepresst werden. Das Problem
ist evident: Die Kreativwirtschaft hat
viele Stimmen, alles Virtuosen mit
Berechtigung – aber einzeln verklingen
die Stimmen im Wettstreit mit den
anderen, perfekt abgestimmten großen
Chören der Wirtschaft. Koordination
sowie ein einheitliches Auftreten wären
gefragt.
© Elfie Semotan
Weil die Politik ständig abwägen muss,
wie sie knappe öffentliche Mittel zur
Förderung bestimmter Wirtschaftszweige
einsetzt und für welche Wirtschaftszweige sie die Rahmenbedingungen
optimiert, benötigt die Kreativwirtschaft
Lobbying. Simpel gesagt: Die Kreativwirtschaft muss ihre eigenen Interessen
im Rahmen politischer Entscheidungsfindungen darstellen und auch durchsetzen. Sie steht damit in Konkurrenz
zu anderen Wirtschaftszweigen und
deren Eigeninteressen.
Chor statt Kakophonie. Die Kreativ-
wirtschaft hat es beim Lobbying nicht
leicht. Kreativität bedeutet automatisch
Buntheit und Vielfalt. Die Kreativwirtschaft mit ihren unterschiedlichsten
Produkten und Dienstleistungen ist
kaum fassbar, will auch nicht in einen
30
Kreativität einen Wert geben. Überzeugende Argumente sind weitere
wichtige Aspekte für erfolgreiches
Lobbying. Besonders entscheidend ist
es, diese entsprechend öffentlich darzustellen. Gelingt es der Kreativwirtschaft
anhand nachvollziehbarer Beispiele,
ihren Nutzen für Österreich der Politik
zu kommunizieren, dann ist die Aufklärungsarbeit schon fast getan. Wenn
nicht mehr diskutiert werden muss, dass
die Kreativwirtschaft einen steigenden
Wert für Österreich hat, dann existiert
eine solide Grundlage für den allesentscheidenden Schritt im Lobbying.
Anhängerschaft sichtbar machen.
Politik reagiert nicht allein auf Fakten,
basiert nicht immer auf rationalen Nutzen-Überlegungen. Politische Systeme
reagieren am stärksten auf Druck. Die
Kreativwirtschaft muss daher in ihren
Lobbying-Anstrengungen Druck entwickeln. Politik setzt intuitiv Druck mit
Drohpotenzial gleich. Dieses misst sie
über die relative Bedeutung der potenziellen Anhängerschaft – und damit politischer Macht – bestimmter Gruppen.
Im Fall der Kreativwirtschaft wären das
wohl alle Kunden und solche, die es werden könnten. Diese müssen im Lobbying-Prozess sichtbar gemacht werden.
Beispiele, Bilder und Botschafter.
Ist der Chor der Kreativwirtschaft einmal aufeinander abgestimmt und liegen
die Argumente auf dem Tisch, dann kann
die politische Anhängerschaft über
Beispiele, die die Breite der Kreativwirtschaft, aber auch der Käuferschaft
darstellen, inszeniert werden. Am einfachsten geht dies über eindrucksvolle
und einprägsame Bilder und über
bekannte Repräsentanten der Kreativwirtschaft, die diese Bilder gemeinsam
mit den Forderungen als glaubwürdige
Botschafter in die Politik tragen.
Erfolgreiches Lobbying für die Kreativwirtschaft ist möglich, muss aber Realitäten schaffen und Druck generieren,
ganz wie konkurrenzierende Wirtschaftszweige. Erst dann wird die
Kreativwirtschaft von der Politik wahrgenommen werden und Einfluss erlangen. Tut sie dies nicht, wird sie für die
Politik weiter nicht existieren. Protagoras, der athenische Philosoph der
Antike, würde der Kreativwirtschaft
vielleicht seinen berühmten HomoMensura-Satz mit auf den Weg geben:
„Der Mensch ist das Maß aller Dinge,
derer die sind, dass sie sind, und derer
die nicht sind, dass sie nicht sind.“
Die Zahl der Kleinstunternehmerinnen
und -unternehmer – insbesondere der
Einpersonenunternehmen – steigt unaufhaltsam, und auch die Übergänge
von der Unselbständigkeit in die Selbständigkeit werden fließender und häufiger. Fließende Übergänge, Wechsel
und Mobilität sind vermehrt die bestimmenden Merkmale.
Zukunftstraum Gleichstellung. Ent-
schließt sich jemand zur Selbständigkeit,
soll er dafür nicht eine Verschlechterung
seiner sozialen Absicherung in Kauf
nehmen müssen. Um diese Zielsetzung
zu erreichen, gibt es viel Mosaiksteine,
die zusammengesetzt ein schönes Bild
ergeben: Das Bild zeigt einen Selbständigen und einen Unselbständigen, die
sozial abgesichert und hinsichtlich ihrer
sozialen Sicherheit gleichgestellt sind.
Das betrifft insbesondere:
– „Zukunftsvorsorge“ für Selbständige
als weitere freiwillige Vorsorgemöglichkeit nach Vorbild der „Abfertigung neu“.
– Ausdehnung der Möglichkeit der
Aufstockung der Pensionsbeiträge für
Unternehmer, beispielsweise durch
freiwillige Höherversicherung.
– Steuerliche Absetzbarkeit für Kinderbetreuung und Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger.
Harald Mahrer ist geschäftsführender Gesellschafter der Pleon Publico PublicRelations
& Lobbying. [email protected]
– Rasche Einbeziehung der Selbständigen in eine freie Arbeitslosenversicherung mit zumutbaren Beiträgen –
vergleichbar dem Arbeitnehmerbeitrag bei den Unselbständigen.
Die Hilfe für Selbständige im Krankheitsfall – hier wurde dem Wunsch
vieler kleiner und mittlerer Unternehmer entsprochen – wurde ab 1. April
günstiger:
Billigere Zusatzversicherung. Vor
allem in Kleinunternehmen kann eine
länger andauernde Krankheit oder ein
schwerer Unfall des Betriebsinhabers
rasch zu einer finanziellen Notsituation
führen. Anders als Dienstnehmer, die
im Erkrankungsfall ihr Entgelt weitergezahlt bekommen, erhalten Selbständige für einen krankheitsbedingten
Einkommensentfall keinen Ersatz.
Die Gewerbliche Sozialversicherung
bietet für solche Fälle eine freiwillige
Zusatzversicherung an, die jetzt attraktiver gestaltet wird. Diese Versicherung
können alle aktiven Erwerbstätigen bis
zum 60. Lebensjahr abschließen, die in
der gewerblichen Krankenversicherung
pflichtversichert sind. Die Kosten betragen statt 4,25 künftig nur noch 2,5 Prozent der Beitragsgrundlage. Auch bei
einem schlechten Gesundheitszustand
und damit verbundenem höheren Erkrankungsrisiko erhöht sich die Prämie
nicht. Als Leistungen der Zusatzversicherung erhält man Krankengeld bei
Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung
und Taggeld bei Spitalsaufenthalten.
Abg. z. NR Karlheinz Kopf ist Generalsekretär des
Österreichischen Wirtschaftsbundes und stellvertretender Obmann der Sozialversicherungsanstalt der
gewerblichen Wirtschaft. [email protected]
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ROCHUSPARK
ORI-GAMI
„Working at Home – Raum für Arbeit und Wohnen“ war das
Motto des Designwettbewerbs von Vitra an der New Design
University St. Pölten im Wintersemester 2006 / 2007. Ende März
wurden die Siegerprojekte prämiert. „Ästhetisch und funktional
im Sinne von Mobilität“, lautete die Beurteilung der Jury über
das Siegermodell „Ori-Gami“ des Studenten Peter Gehrer.
Der Entwurf werde vor allem dem Vitra-Anspruch der „Reduziertheit im Design im Sinne der Nachhaltigkeit“ gerecht.
Als Gewinn des Wettbewerbs winkt ein Besuch des Vitra Design
Workshop in Boisbuchet. www.vitra.com
Die Stadt hat einen neuen Ort. Rochuspark
öffnet im Mai 2007 seine Tore und bietet
Selbständigen und UnternehmerInnen einen
wunderbar unkonventionellen Arbeitsraum.
Das Konzept, von Stefan Leitner-Sidl und
Michael Pöll bereits in der Schrauben- und
Hutfabrik erfolgreich erprobt, wird in
ihrem dritten Projekt erweitert um Studios,
Designer-Shop, Lokal und Clubraum. Kreative Arbeitsplätze unter www.rochuspark.at
M-ARS
Kunst und Supermarkt? Ein Widerspruch?
Nicht für Christian Smretschnig, der am
26. April in der Wiener Westbahnstraße 9
den ersten Supermarkt für bildende Kunst
eröffnet. Für die Qualitätssicherung der
Objekte sorgt ein Kuratorium, bestehend aus
fünfzig KunstexpertInnen. Der Preis der
Kunstobjekte bewegt sich zwischen 9,90
und 899,90 Euro. www.m-ars.at
MOZART GOES KOREA
Wie komponierte Mozart? Für die Ausstellung
„Viva! MOZART“ schuf die Wiener Firma Audite
eine Musikinstallation: Mittels Touchscreen kann
die Instrumentierung eines Mozartwerks in Echtzeit mitverfolgt und verändert werden. Die in einer
Vitrine beigestellten Originalinstrumente reagieren
auf die musikalischen Eingriffe. Ab 16. Juni im Fine
Art Museum des Sejong Center in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. www.audite.at
FILM AB!
Rund 5.000 Personen werden sich am 24.
Mai 2007 für zwei Stunden auf dem Campus der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien aufhalten. Die wie eine
filmische Massenszene inszenierte Aktion
gibt Anlass, das Studiogebäude innerhalb
des Campus zu thematisieren und seine
Lage in der Stadt neu zu definieren. Das
Projekt „Film ab!“ von Nicole Six und
Paul Petritsch ist das Ergebnis eines von
der BIG (Bundesimmobiliengesellschaft)
ausgeschriebenen Wettbewerbs zur Gestaltung der Filmstudios Wien auf dem Campus der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. www.big.at
32
DANKE,
MIR GEHT’S GUT
CREATIVESPACE.AT
www.creativespace.at ist eine Onlineplattform der Wirtschaftskammer Wien, die eine
neue Dimension der Vernetzung von Unternehmen und der Kreativbranche ermöglicht.
Ziel ist es, wechselseitige Inspiration anzuregen und neue Wege der Zusammenarbeit
zu eröffnen. Kreativen bietet die Plattform
die Möglichkeit zur Eigenpräsentation.
Unternehmen bekommen einen Überblick
über die Bandbreite kreativen Schaffens
in Wien und können auf direktem Weg
Partner für Kreativprojekte finden.
www.creativespace.at
©Andexer Moosbrugger
WETTBEWERBE
ONLINE
Da Lebensfreude für alle da ist, hat die
„Göttin des Glücks“ eine innovative Modekooperation mit EZA Fairer Handel gestartet: Im Rahmen der Kollektion „Danke, mir
geht’s gut“ wird ausschließlich Baumwolle
aus ökologischem Anbau und fairem Handel
verarbeitet. Die neue Sommerkollektion 2007
wurde anlässlich einer MAK-Nite im April
präsentiert. Wo? Im „Studio“ im 7. Bezirk
sorgen für die richtige Kleidung der Wanderung durch diverse Lebensräume „Aphrodite“ und weitere Designer-Töchter: Das
Studio vertritt Labels wie „Göttin des
Glücks“, „Dessi’gned“, „Monikova“,
„Unartig“, „Milch“ und „Igor Zeus“.
www.das-studio.at
Das neue Internetportal der Bundeskammer
der Architekten und Ingenieurkonsulenten
(BAIK) bündelt österreichische Architekturwettbewerbe und -ausschreibungen. Durch
zentrale Kommunikation und vereinfachte
Abläufe werden die Wettbewerbsverfahren
für die gesamte Branche übersichtlich dokumentiert und die Teilnahme erleichtert.
www.architekturwettbewerb.at
©Wolfgang Pohn
33
AUF DEN PUNKT GEBRACHT
CREATIVE
SESSIONS
Mario Pricken entwickelte mit 60 Kreativen
850 Rohideen für neue TV-Formate. Davon
wurden 230 als Konzeptansätze zu TV-Shows
weiterentwickelt. Nun hat er diese im Internet frei zugänglich gemacht, „um dem üblichen Ideenklau der Branche vorzubeugen“,
wie er erklärt. Hintergrund dieses Projekts:
Pricken entwickelte neue Tools des Ideenmanagements, die es ermöglichen, Ideen in großen Mengen – jenseits des puren Zufalls –
zu generieren. www.mariopricken.com
Bundesminister Johannes Hahn über seine Einstellung zum Joggen, über Erfolge und Misserfolge,
über Design, Architektur und Literatur.
Was treibt Sie an?
Die Leidenschaft am Gestalten.
Wo und wie kommen Ihnen die besten Ideen?
SHOPARCHITEKTUR
Wenn ich mich bewegungslos konzentriere.
Klaus und Marlies Mühlbauer – bislang auf Kopfbedeckungen konzentriert – definieren mit ihren neu eröffneten Shop MODE MÜHLBAUER in Wien nun auch
einen Bekleidungsstil, passend zu den Hüten. Unterstützt werden sie dabei durch die Modedesignerin und
neue Shopmanagerin Heike Vieweger. Wie beim Hutgeschäft wurde auch hier das deutsch-italienische
Architektenduo Kühn Malvezzi mit der Planung des
Shops beauftragt. www.muehlbauer.at
Wie würde Ihre virtuelle Persönlichkeit (Avatar)
im Internetspiel „Second Life“ aussehen?
Ich lebe mal mein First Life.
Welches Designmöbel war das erste, das Sie sich
gekauft haben?
Ein biegbares Bücherregal für meine Wohnung.
Was ist wichtiger, die Verpackung oder der Inhalt?
Der Inhalt. Doch muss ich zugeben, dass man sich doch hin
und wieder beeinflussen lässt und von der Verpackung auf
den Inhalt schließt.
MUSIKALISCHES
VERLANGEN
Schon seit ihrer Gründung drückten die
Klangspuren Schwaz die Überzeugung aus,
dass Neue Musik ein Bedürfnis, ein menschliches Verlangen einlöst, zu dessen Erfüllung
kein anderes Medium – weder andere Kunst
noch Philosophie oder Wissenschaft – in
der Lage ist. 2007 fokussiert sich der Blick
in Schwaz auf das aktuelle Musikschaffen
Zyperns und die junge österreichische Szene
mit Christof Dienz, Johannes Maria Staud
und Georg Friedrich Haas. Schwaz 7. bis
22. September 2007. www.klangspuren.at
CITY NOMADE
Der gepolsterte Klappsessel „City
Nomade“ des Grazer Designers Dieter
Paul machte das Rennen im Kreativwettbewerb der Firma Kohlmaier Wien. Das
nicht nur edle, sondern auch praktische
Möbel hat sich unter fast sechzig Einreichungen durchgesetzt und ist jetzt Teil
der jungen Kollektion des Traditionsunternehmens. www.kohlmaier.at
34
Drei österreichische Autoren, die Sie sehr schätzen?
Stefan Zweig, Ernst Jandl, Ernst Hinterberger.
Das letzte Bauwerk, das Sie architektonisch beeindruckt
hat?
Die Alhambra in Granada.
Was ist Erfolg für Sie?
FREIRAUM
KREATIVITÄT
„Es gibt unzählige Möglichkeiten, unser
Potenzial, unsere Ideen, unsere Inspiration erlebbar zu machen, auszudrücken
und umzusetzen“, meint Sandra Eckersdorfer, die BWL studierte und auf eine
langjährige Erfahrung als Wirtschaftsberaterin zurückblicken kann. Heute bietet sie Workshops der anderen Art an:
Durch künstlerisch-kreative Methoden
hilft sie den Teilnehmern, Impulse für
den beruflichen oder privaten Alltag
zu gewinnen. www.eckerstorfer.net
Ziele, die ich mir gesteckt habe, erreichen.
Was ist Misserfolg?
Wenn scheinbar gute Argumente nicht überzeugen.
Zu welcher Musik tanzen Sie? Zu welcher joggen Sie?
Ich tanze gerne auf Bällen. Wieso nehmen Sie an, dass
ich jogge?
Meine Reise führt mich …
… in die schönsten Städte am Mittelmeer!
Johannes Hahn ist Bundesminister für Wissenschaft und Forschung.
www.bmwf.gv.at
35
Wie findet die allerorten beschworene Kreativität
Einzug in zahlenorientierte Unternehmen? Wird der
Kunst heute noch jener experimentelle Freiraum
geboten, den sie zum Atmen braucht? Hat die
Kunst die Kraft, Wirtschaft und Gesellschaft zu
verändern? Brigitte Jank, Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien, begegnet Stephan SchmidtWulffen, dem Rektor der Akademie der bildenden
Künste Wien, und Gerald Bast, dem Rektor der
Universität für angewandte Kunst Wien.
Wie können Wirtschaft und Kunst voneinander profitieren?
Kunst, oder löst sich das auf? Andererseits: Wie innovativ ist denn das Kunstsystem tatsächlich?
Brigitte Jank Der Wirtschaft geht es darum, die künstleri-
Stephan Schmidt-Wulffen Wir haben ein Kommunika-
schen und kreativen Potenziale, die in der Gesellschaft vorhanden sind, zu nutzen, und zwar mit dem ehrlichen Anspruch,
dass beide Seiten etwas davon haben. Ich will als Vertreterin
der Wirtschaft aufzeigen, was Kreative für Chancen in der
Wirtschaft haben. Die sogenannten Kreativen sind in der
Regel keine Wirtschaftsdenkenden, da sie eben künstlerische
Ansprüche haben. Auf der anderen Seite müssen sie sich mit
einem Mindestmaß ökonomischer Grundvoraussetzungen
vertraut machen, um ihre eigene Lebensart abzusichern. Durch
Kooperationen oder die Aufnahme von Mitarbeitern kann
man, vor allem im angewandten Bereich, Wachstum erreichen.
tionsproblem. Es herrscht großes Interesse von Seiten der
Industrie und auch der Politik. Da wird von Kreativität und
Kunst geredet, das endet aber manchmal in Enttäuschung.
Was häufig in den Blick gerät, ist ein Werk, ein Produkt, das
man im öffentlichen Raum präsentieren kann. Für uns ist es
ein großes Anliegen, klarzumachen, dass wir für eine immer
wichtiger werdende Form stehen, wie man Wissen gewinnt.
Die klassischen Universitäten stehen für rationales Wissen.
Es gibt aber ein verschüttetes Wissen, das das kreative Denken repräsentiert. Die großen Wirtschaftsuniversitäten bieten
heute Module für Kunst und ästhetisches Wissen an, dieser
Transfer ist also schon im Gange.
Sie sprechen Kooperationen an. Welche konkreten
Möglichkeiten bietet die Wirtschaftskammer – beispielsweise einem Absolventen oder einer Absolventin
der Akademie der bildenden Künste Wien?
Wie fruchtbar ist dieser Austausch?
Schmidt-Wulffen Naheliegend sind Kooperationen, wie sie
» Es muss ein Freiraum
für Menschen bestehen,
die ein oder zwei Jahre
über etwas nachdenken
möchten und vielleicht
auch daran scheitern. «
Moderation: Matthias Raftl
Stephan Schmidt-Wulffen
Stephan Schmidt-Wulffen, Rektor der Akademie der bildenden
Künste Wien, und Brigitte Jank, Präsidentin der WK Wien
Jank Die Wirtschaftskammer Wien hat die Plattform www.
creativespace.at gegründet, die demnächst im Internet online
gehen wird. Dort bekommen künstlerische Menschen die
Möglichkeit, sich zu präsentieren, und gleichzeitig holen wir
die etablierten Unternehmen mit hinein. Die Unternehmen sollen dort einen völlig neuen und überraschenden Zugang zu
künstlerischen Prozessen gewinnen, von dem sie nicht einmal
wussten, dass es ihn gibt. Ein anderes sehr fruchtbares Projekt war der Designwettbewerb „Light Up“, durch den die
Wiener Weihnachtsbeleuchtung flächendeckend erneuert
werden sollte. Da haben wir insgesamt fünf Millionen Euro in
die Hand genommen.
Die Akademie der bildenden Künste Wien muss einen
grundsätzlichen Freiraum zur künstlerischen Entfaltung
bieten. Gibt es einerseits bei den Studentinnen und
Studenten noch diese Mauern zwischen Ökonomie und
36
der Verbund mit unserer Fotoklasse gemacht hat, die in den
Konzern ging, um das Unternehmen mit ihren künstlerischen
Mitteln zu betrachten. Unsere Suche nach Partnern bezieht
sich aber ganz elementar darauf zu sagen, nehmt uns doch
als Grundlagenforscher genauso ernst wie die Physik oder
Chemie an der TU.
Können Sie zu diesem grundlegenden kreativen Prozess
auch konkrete Ergebnisse vorlegen?
Schmidt-Wulffen Sie kennen das geflügelte Wort, dass zwei
Prozent der KünstlerInnen als KünstlerInnen Karriere machen,
und der Rest fährt Taxi. Das stimmt nicht. Wir wissen heute,
dass sehr viele aus dem künstlerischen Studium, und zwar etwa
60 Prozent unserer AbsolventInnen, erfolgreich in Berufe
gehen, die nicht in engerem Sinn künstlerische sind. Erinnern
Sie sich an Michelangelo, der meinte, die Figur stecke schon
37
im Marmor, er müsse sie nur herausschälen. Dieses Hinschauen, dieses Sich-selbst-korrigieren-Können, dieses Lernen
von der Wirklichkeit, diese Fähigkeit braucht man auch in
der Industrie.
Mensch, auch der schöpferische Unternehmer, muss aus
Regel und Regellosigkeit Strukturen wachsen lassen und
immer wieder bereit sein, diese in Frage zu stellen. Das ist
ein extrem künstlerischer Prozess. Das kann man in Kunstakademien gut trainieren.
Jank Auch mir geht es vordergründig nicht um das Produkt,
mir geht es ganz genau um diese besondere künstlerische
Sichtweise. Etwa der Bereich der sozialen Kompetenz ist
etwas, das künstlerische Menschen sehr gut in ein Unternehmen einbringen können. Das sollte verstärkt von der Wirtschaft gesehen und genutzt werden.
Schmidt-Wulffen Man muss sich aber hüten, das zu biologisieren. Jemand ist nicht KünstlerIn, wie er oder sie WienerIn
ist. Kunst ist eine geistige Kompetenz, jemand arbeitet als
KünstlerIn. Wenn man frühstückt, ist man noch kein/e KünstlerIn. Das bedeutet für die Unternehmen erst mal, dass da
eine mentale Kapazität zur Verfügung steht.
Sie sprechen von künstlerischem Grundlagenwissen.
Was kann denn nun eine Managerin oder ein Manager
von einer Künstlerin oder einem Künstler lernen?
Schmidt-Wulffen KünstlerInnen merken permanent, wo
eine Struktur, eine Sprache ist. Sie haben eine intuitive
Kenntnis, wie ihnen Strukturen unter der Hand wachsen und
wie sie aus dieser Struktur rauskommen. Jeder schöpferische
Wie offen ist die Wirtschaft tatsächlich für künstlerische QuerdenkerInnen? Ist die heimische Wirtschaft
zu wenig mutig für große Renommierprojekte?
Es gibt heute auch kaum noch KünstlerInnen, die sich ausschließlich auf ein Medium beschränken.
Einerseits sprechen wir von der Kreativwirtschaft. Andererseits ist es ein spannendes Thema, wie künstlerisch-innovative Prozesse für die Führung von Unternehmen, für das Management selbst nutzbar gemacht
werden können. Wie beurteilen Sie diese Möglichkeiten?
Brigitte Jank Es gibt verschiedene Schichten, wo sich Wirt-
Jank Wien ist historisch wohl das Paradebeispiel des Leben-
lassens und wirtschaftlichen Nutzenziehens von Kunst. Ich
lege in meiner Arbeit verstärkt den Fokus auf drei Begriffe:
Qualität, Innovation und Kreativität. Das sollten für die
Wirtschaft jene Kriterien sein, durch die wir uns als kleines
Land in einer globalen Welt positionieren können.
Schmidt-Wulffen Die Wirtschaft ist zwangsläufig ein Bereich
einer ganz klaren Finalisierung des Einsatzes auf die Ergebnisse. Die Kunst ist aber ein Bereich, der dadurch kostbar
wird, dass er nicht durchfinalisiert ist. Es muss auch den Appell
an die Wirtschaft geben, dass sie diesen ganz anderen Bereich
mit Leidenschaft mitunterstützt und erhält. Das kulturelle
Kapital besteht darin, sich auch Bereiche zu gönnen, die nicht
effizient sein müssen. Es muss ein Freiraum für Menschen
bestehen, die ein oder zwei Jahre über etwas nachdenken
möchten – und vielleicht auch daran scheitern.
schaft, Kunst und Kreativität treffen. Und dann gibt es einen
Bereich, wo Kunst für sich ein Verständnis verlangt abseits
wirtschaftlicher Betrachtung. Im Bereich der Forschung gibt
es die angewandte und die Grundlagenforschung. Im künstlerischen Bereich steht die angewandte Kunst, wo sich Wirtschaft und Kunst bereits treffen, neben anderen Disziplinen,
die machbar sein sollen, ohne dass sie sich wirtschaftlichen
Überlegungen unterziehen müssen und wo im Extremfall
auch das Ergebnis überhaupt ausbleiben kann. Uns liegt
natürlich der erste Ansatz näher, weil er unmittelbar an unserem wirtschaftlichen Geschehen liegt. Es geht nicht nur um
Produkte, sondern auch um kreative Prozesse. Dieser Ansatz
ist unglaublich wichtig, es gibt Unternehmen die Möglichkeit,
sich weiterzuentwickeln. Hier greift auch unsere Plattform
creativespace.at, die den Firmen aufzeigen soll, was es gibt
und was sie vielleicht noch nicht kennen.
Bast Zum so wichtigen Stichwort Forschung: Was wären die
» … eine Intensivierung
der projektbezogenen
Kommunikation
zwischen Kreativen
und Unternehmen
wäre ganz wichtig. «
Gerald Bast
Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien
Begriffe wie „Kreativwirtschaft“ einerseits und „Kreative“
oder „KünstlerInnen“ andererseits decken natürlich ein
breites Spektrum ab. Sehr unterschiedliche Disziplinen
sollen unter einen Hut gebracht werden. Wie können aus
Ihrer Sicht die Verbindungslinien zwischen Kunst, Universität und Wirtschaft am besten gestaltet werden?
Gerald Bast Unser Haus, die Angewandte, veranschaulicht
am besten, worum es geht. Gerade diese extrem breite Palette
von Architektur über alle Sparten und Facetten des Designs,
von der Mode bis zum Grafik- und Landschaftsdesign bis hin
38
zur Malerei und der Medienkunst veranschaulicht, dass die
Verschränkung und Vernetzung immer stärker wird und dass
die strengen Trennlinien zwischen freier und sogenannter
angewandter Kunst immer schwimmender werden. Es geht
darum, Lösungen für die Menschen und die Wirtschaft anzubieten, die gleichermaßen Innovation bedeuten und ästhetisch wie ökonomisch funktionieren. Erfolgreiche Unternehmer und Unternehmerinnen der Wirtschaft haben genau die
Eigenschaften, die auch Kreativen zu Eigen sind: nämlich den
Mut, neue Wege zu gehen, hartnäckig an den eingeschlagenen
Weg zu glauben sowie das Vertrauen auf die Kraft der Ideen.
Wirtschaft und die Grundlagenforschung ohne den Wissenschaftsfonds FWF und die angewandte Forschung ohne den
Forschungsförderungsfonds FFF? Diese Instrumentarien zur
Stimulierung der Forschung gibt es im Kunstbereich nicht.
Das wäre ganz wichtig.
schen Unternehmen und Kreativen, wenn man große Themen
identifiziert. Da müsste man breite Plattformen zwischen
KünstlerInnen, Wirtschaftstreibenden, Städten, Städteverbänden und Universitäten schaffen. Das hätte eine enorme Kraft.
Die wirklichen Impulse in der Welt gingen immer von derartigen Verbindungen unterschiedlicher Player aus. Es ist kein
Zufall, dass Silicon Valley so eine Ikone ist, dort ist es passiert. Dort sind Produkte entwickelt worden, von denen niemand dachte, dass sie sinnvoll oder möglich wären. Genau
das müssten wir in Österreich auch schaffen – über die positiven Ansätze hinaus, die es gibt.
Warum gibt es diese Kooperationen nicht schon in verstärktem Ausmaß? Von wem müsste da die Initiative
ausgehen?
Bast Es ist eigentlich nicht verwunderlich, wenn man sich
anschaut, wie die Leute arbeiten. Die UnternehmerInnen
haben das primäre Ziel, Dinge zu produzieren, von denen sie
wissen oder annehmen, dass es dafür einen Markt gibt. Und
die Kreativen haben das Ziel, einen Auftrag zu bekommen,
von dem sie leben können.
Jank An und für sich funktioniert es ja schon auf dieser Ebene.
Betrachten wir den Bereich der Informationstechnologie. Dort
ist sehr viel passiert, weil offensichtlich sehr kreative Köpfe
eine Nachfrage geschaffen haben, wo die normalen Lebensbedürfnisse bereits gesättigt sind. Wir konsumieren darüber
hinausgehend meist nur noch, wenn uns ein Produkt angeboten wird, das wir aufgrund des Neuen, des Kreativen, des
Spannenden für unser Leben annehmen. Das kreative Potenzial muss aber abseits der großen Konzerne, die es sich leisten
können und holen, auch für die vielen kleinen Unternehmen
nutzbar gemacht werden.
Jank Zumindest im angewandten Bereich sind die Mittel,
die für die Creative Industries aufgebracht werden, im Förderungsbereich vergleichbar.
Bast Was die Prozesse betrifft, wäre eine Intensivierung der
projektbezogenen Kommunikation zwischen Kreativen und
Unternehmen ganz wichtig. Genauso wenig wie in der Forschung ist es in der ästhetischen Entwicklung so, dass die
einen ein Produkt haben und die anderen dieses Produkt
wollen. Bei Kooperationen von KünstlerInnen und Unternehmen ist es zumeist für alle Beteiligten überraschend, was
schlussendlich rauskommt. Man findet potenzielle Ergebnisse
und Ideen, auf die vorher niemand gekommen wäre – weder
die Kreativen noch die Unternehmen. Es ist also nicht einfach ein Warenaustausch, sondern ein Kommunikationsprozess, wo beide einen Input geben und beide am Schluss überrascht sind, was man für Möglichkeiten erkennen kann.
Bast Was nötig ist, sind aber auch die von mir zuvor ange-
dachten gemeinsamen Plattformen, die weder die Kammer
noch die Wirtschaftstreibenden und Universitäten alleine
bilden können, wo die großen Themen dieser Zeit und der
Gesellschaft angegangen werden. Dort sollte geklärt werden,
wo die Potenziale liegen und was in zehn Jahren sein wird.
Da werden wahrscheinlich achtzig bis neunzig Prozent der
Ideen nicht umgesetzt werden. Aber die übrigen zehn oder
fünf Prozent haben dann die Kraft, die Wirtschaft und Gesellschaft zu verändern.
Brigitte Jank ist seit 2004 Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien. Sie startete
zahlreiche Initiativen für die Kreativwirtschaft. Die jüngste darunter:
www.creativespace.at
Stephan Schmidt-Wulffen ist seit 2002 Rektor der Akademie der bildenden
Künste Wien und wurde kürzlich für eine zweite Periode wiederbestellt.
www.akbild.ac.at
Wie müssten solche Kooperationen aussehen?
Bast Da gäbe es viele Bereiche in der Kommunikation zwi-
Gerald Bast ist Jurist und Wirtschaftswissenschaftler. Seit 2000 ist er Rektor
der Universität für angewandte Kunst Wien. www.dieangewandte.at
39
Das neue Selbstverständnis der jungen Bauerngeneration in knackig-erotische Bilder zu übersetzen ist
Ziel des österreichischen Jungbauernkalenders. Das gelingt durch eine Ästhetik, die gängige Klischees mit
Charme und fotografischer Meisterschaft unterwandert. Sonja Illa-Paschen
Oliver Gast, Fotograf, und Katrin Rödlach, Generalsekretärin der Österreichischen Jungbauernschaft
Aus Tausenden Bewerberinnen und Bewerbern wurden in den
vergangenen Monaten die Models für den Jungbauernkalender 2008 ausgewählt. Die Kriterien: Ausstrahlung, Attraktivität
und eine nachweisbare Beziehung zur Landwirtschaft. Dass
alle Abgebildeten tatsächlich auf einem Bauernhof aufgewachsen sind oder derzeit dort leben macht schließlich die
Authentizität des „österreichischen Pirelli-Kalenders“ aus.
„Und die ist maßgeblicher Teil seiner Erfolgsgeschichte“, weiß
Katrin Rödlach, Generalsekretärin der Österreichischen Jungbauernschaft. Den jährlich wechselnden Fotografinnen und
Fotografen war es dabei von Anfang an wichtig, ihre Models
nicht als Schauobjekte vorzuführen, sondern in offenen, teils
frechen Bildern Selbstbewusstsein und Würde herauszustrei-
Shooting hat für ihn nicht zuletzt den Reiz, „dass hier Laien
vor der Kamera stehen. Das stellt ganz andere Anforderungen
an einen Fotografen als die Arbeit mit Profis. Die zwischenmenschliche Ebene tritt viel stärker hervor.“
40
chen. Schließlich bedient die traditionelle (städtische) Fremdwahrnehmung des Themas zumeist Extremvorstellungen sogenannter bäuerlicher Erotik, die dem modernen Image der
jungen Bauernschaft zuwiderlaufen. Die Herausforderung an
die Fotografen besteht also auch darin, diese Klischees aufzugreifen, um sie durch unerwartete Ästhetik wieder zu brechen.
Surreale Optik. Luise Hardegg und Marcel Schnellinger
etwa spannten für die Edition 2007 „einen Bogen zwischen
nahezu kitschiger Landromantik und der modernen und
trashigen MTV-Generation“. Oliver Gast, Fotograf der kommenden Ausgabe, setzt seine Models betont plastisch in Szene
und erreicht damit eine fast surreale Optik. Das laufende
Neues Kultobjekt. Ebenso fanden Elfie Semotan, eine der her-
ausragenden Persönlichkeiten der zeitgenössischen Fotografie
– ihr Jungbauernkalender 2005 wurde in Stuttgart mit dem
Internationalen Kodak Fotokalenderpreis ausgezeichnet –,
Peter Manninger oder Venus-Preisträgerin Cathrine Stukhard
für ihre Werke sehr persönliche Bildsprachen, die optische
Brüche provozieren und gerade deswegen Anbindung finden
an die Realität der jungbäuerlichen Lebens- und Arbeitswelt.
Das Konzept kommt an, der Kalender ist längst zum Kultobjekt erhoben: Ob „Girls“ oder „Men“, die streng limitierten Editionen wurden bislang stets in kürzester Zeit verkauft,
auch nach Deutschland, Italien und in die USA. Die Schweiz
hat mittlerweile ihren eigenen Nachahmer-Kalender, und
den österreichischen gibt es auch als „Bayern-Ausgabe“ mit
zur Hälfte deutschen Models.
Die Jungbauernkalender 2008 können im Internet unter www.jungbauern.at
bestellt werden.
41
Drehbuchschreiben als Teamprozess. Der „Mitten im 8en“-Chefautor Clemens Aufderklamm und die
Hauptdarstellerin Verena Scheitz im Gespräch über das Geschäft der Daily Comedy, Vorbilder, Witz und
Wendepunkte. Matthias Raftl
Der Drehbuchautor Clemens Aufderklamm und die Schauspielerin und Kabarettistin Verena Scheitz sind Teil einer
kleinen medialen Revolution. Die Daily Comedy „Mitten im
8en“, die täglich um 19.20 Uhr auf ORF 1 ausgestrahlt wird
und anfangs auf 130 Folgen à 22 Minuten angelegt ist, sorgt
seit 10. April für heftige Debatten über ihr Niveau und das
neue Sendeformat des ORF.
Produziert wird die Serie von
der Satel-Film, Grundlage war
ein holländisches Konzept, in
dessen Mittelpunkt drei Generationen stehen. Ein Team von
fünfzehn Autoren arbeitet nach
amerikanischem Vorbild an den
Büchern. Clemens Aufderklamm
ist der Chefautor, Verena
Scheitz eine der Hauptdarstellerinnen. Sie spielt eine 42-jährige Zahnärztin und Mutter von
drei Kinder (19, 17, 15 Jahre),
ihr Mann ist Lehrer (45). Die
Familie repräsentiert die Teens
und die Generation der Vierzigjährigen. Dazu kommt eine
WG mit vier Twens, in die der älteste Sohn der Familie bald
einzieht, und ein Lokal. Die zwei Besitzer und die Kellnerin
sind in den Dreißigern. All das liegt „Mitten im 8en“, im Herzen der Wiener Josefstadt, wo sich im Personal freilich ein
gesamtösterreichischer Kosmos von Kärnten bis Tirol versammelt. Gedreht wird sowieso in Breitenfurt, in einer eigens
adaptierten ehemaligen Siemens-Fabrik.
einfach größtmögliches Konfliktpotenzial bieten“, meint
Clemens Aufderklamm. Das Trio legte ein Treatment und pro
Autor ein fertiges Buch vor.
„Meine Figur ist eine pragmatische Zahnärztin, trotzdem
aber, wie alle anderen Figuren, eine Sympathieträgerin, sie
wird zwar manchmal ein bisschen unsympathisch, aber nur
manchmal“, so Verena Scheitz. Aufderklamm: „Die Zuseher
sollen sich wünschen, ihre Kinder
auch einmal so flapsig behandeln
zu können, außerdem steht sie im
Kontrast zu ihrem Mann, der als
Lehrer alles richtig machen will.
So wirkt ihre Lockerheit erfrischend.“ Das Format von „Mitten
im 8en“ sei eine absolute Neuerung, beteuern beide. „Es gibt
keine Schlusspointe wie im Kabarett, es sind reale Figuren. Es handelt sicht nicht um dramatische
Geschichten, sondern um Probleme des Alltags, die in lustiger,
realistischer Art rübergebracht
werden sollen. Eine Daily Comedy eben“, meint die Kabarettistin Scheitz. Ganz essenziell für das Gelingen der Serie sei
das aufwendige Casting gewesen, es galt Typen zu finden, die
perfekt auf der Rolle liegen.
» Die Figuren sind
keine Prototypen,
sie bieten einfach
größtmögliches
Konfliktpotenzial. «
Mäusebemmerln. Vor etwa einem Jahr bekam das Autorentrio Clemens Aufderklamm, Iris Moizi und Gregor Barcal
(Comedy-Mastermind bei Ö3) den Auftrag, aus dem vorliegenden holländischen Konzept eine österreichische Serie zu
entwickeln. „Die Figuren sind keine Prototypen, sie mussten
42
„Es geht um Mäusebemmerln und Wasserschäden, um Liebe
und Beziehungen“, meint Chefautor Aufderklamm, „Humor
fußt auf Provokation, auf unangenehmen Situationen, auf
Tabuthemen wie Sexualität oder Religion. Natürlich müssen
wir, auch angesichts des Sendetermins, permanent schauen,
wie weit wir gehen können.“ Witz und Humor entstehe einfach dann, wenn man nicht situationsgemäß handle, wenn
man „ein bisserl daneben ist“, „wenn man etwas sagt, was
man nicht so sagt“. Wenn der Pfarrer beim Begräbnis niese,
43
» Kreativität entsteht
einfach leichter, wenn
mehrere Leute miteinander reden. «
Drehbuchautor Clemens Aufderklamm und Schauspielerin Verena Scheitz im Café Hummel, Wien, 8. Bezirk
wenn der Verliebte beim Heiratsantrag aufs Klo müsse. Jedenfalls sei Komik harte Arbeit. Als Vorbild dienten etwa die
berühmten HBO-Sitcoms (HBO – Home Box Office ist ein
amerikanischer Pay-TV-Sender) wie „Curb Your Enthusiasm“
(Lass es Larry!) von Seinfeld-Mitautor Larry David oder
„Six Feet Under – Gestorben wird immer“ von Oscar-Preisträger Alan Ball. „Der amerikanische Zugang ist viel teamorientierter und weniger ,künstlerisch‘, Kreativität entsteht
einfach leichter, wenn mehrere Leute miteinander reden“, so
Aufderklamm, „Autoren, Produzenten, Schauspieler, Bühnenbilder, da arbeiten alle zusammen.“
„Keep it stupid and simple!“ Vor Drehbeginn am 26. Februar
waren 15 Bücher fertig, seitdem ist das Schreiben ein ständiges „Work in Progress“. „Das Schwierigste für mich ist es“, so
Aufderklamm, „dass ich nun 25 Bücher gleichzeitig im Kopf
haben muss. Jede Woche gibt es eine Regiebesprechung für
fünf Bücher, die aktuell gedreht werden, je eine Redaktionsbesprechung für fünf Bücher der ersten Fassung und fünf der
zweiten Fassung sowie eine Produktionsbesprechung für fünf
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neue Bücher.“ Jeder der fünfzehn Autoren schreibt immer
allein an einem Drehbuch, der Script Editor redigiert die
Endfassung. Zuvor steht ein kreativ-chaotischer Austausch
im Team für das Treatment. Der Chefautor ist Vordenker und
Letztentscheider. „Man darf sicher nicht zeigen wollen, was
man kann“, meint Aufderklamm, „was nicht zur Figur passt,
fliegt raus. Es gilt immer noch die alte Weisheit von David
Mammet: ,Keep it stupid and simple!‘“ Im Team gebe es
Spezialisten für Wortwitz, für Kiddie-Slang, für das Boulevardeske, für Gags oder für Situationskomik. „Wir versuchen
dann, für jeden die passenden Folgen auszuwählen.“ Verena
Scheitz: „Man kommt als Schauspieler bald drauf, wer welche
Folge geschrieben hat, und für jeden kristallisieren sich Lieblingsautoren heraus.“
Werden die Geschichten also am Reißbrett entworfen? Aufderklamm: „Das geht nicht. Es ist auch unmöglich, darüber
nachzudenken, was das Publikum will. Ich kann nur machen,
was mir selbst gefällt. Was ich selbst erlebt habe. Was Freunde,
Bekannte, die Familie erlebt haben. Und natürlich bin ich
medial sozialisiert, es zählen also auch virtuelle Erlebnisse
aus Filmen und Serien. Als medienaffiner Mensch bin ich aufgewachsen mit Woody Allen, Larry David, den Simpsons und
‚Friends‘.“
Er selbst sei nicht der Typ, bei dem permanent der Schmäh
renne, das wäre auf Dauer furchtbar anstrengend. Wichtig
sei aber, dass es im Produktionsprozess keine Schere im
Kopf gibt: „Keine Idee ist schlecht! Einer sagt etwa, wir brauchen den Papst in der WG, daraus wird dann vielleicht ein
Zeuge Jehovas.“ Aus Zuschauersicht gehe es um Empathie,
man müsse bei den Figuren nachvollziehen können, was man
selbst erlebt habe. Letztlich sei es die alte Reise des Helden,
der viele Abenteuer erlebt. „Ich gehe nicht von der Theorie
aus, sondern vom Gefühl. Aber natürlich heißt es dann auch,
wir brauchen einen Wendepunkt. Drehbuchratgeber wie der
von Syd Field sind jedoch ein ,Pain in the Ass‘. Jeder Produzent hat sie gelesen und glaubt dann zu wissen, wie es geht.
Das kann viel verderben.“
Der Innsbrucker Clemens Aufderklamm, Jahrgang 1969, studierte Politikwissenschaft in seiner Heimatstadt, 1995 gründete und leitete er dort das Theater Provinz (bis 1998), war danach Unterhaltungschef beim Privatradio Welle 1, studierte an der UCLA in Kalifornien Drehbuch (1999 bis 2001), ging anschließend
nach Berlin, war Lektor bei Columbia Pictures und wollte „großes Kino“
machen. Aus Geldmangel wandte er sich aber bald dem Seriengeschäft zu.
Er war Autor bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (GZSZ), „Verliebt in Berlin“, „Verbotene Liebe“, und „Schmetterlinge im Bauch“, bis er vor einem
Jahr Chefautor von „Mitten im 8en“ wurde.
Verena Scheitz, Jahrgang 1971, studierte am Preyner-Konservatorium Jazzdance
und Steppen und am Konservatorium der Stadt Wien an der Fachabteilung für
musikalisches Unterhaltungstheater. Sie ist Kabarettistin bei Heilbutt & Rosen
(seit 2001) und arbeitete von 1996 an in zahlreichen Rollen als Schauspielerin
am Theater. 1997 begann sie ein Jusstudium in Salzburg, das sie 2005 abschloss.
Danach absolvierte sie das Gerichtsjahr als Rechtspraktikantin. In „Mitten im
8en“ spielt sie eine Zahnärztin und Mutter einer fünfköpfigen Familie.
45
Am Anfang stand eine Sonnenbrille mit austauschbaren Gläsern. Ein Produktkonzept, das Georg Wagner noch als Student an der WU Wien entwickelt hat. Auch Designer Daniel
Huber, heute einer von Wagners Partnern, arbeitete zur selben Zeit an einem sehr ähnlichen Projekt. Und in der heute
noch verhältnismäßig kleinen sogenannten Szene musste man
einander fast zwangsläufig über den Weg laufen. „Leider“,
sagt Georg Wagner heute, „hat Swatch damals auch in diese
Richtung gearbeitet.“ Dieser Markt war also vorerst gestorben. „Wir haben aber gesehen, dass das passt mit uns, und
gesagt: Machen wir was zusammen!“ Kurze Zeit darauf vervollständigte der Düsseldorfer Betriebswirt Ralf Christoffer
das heutige Managing-Partner-Trio von Spirit Design. Nie
ein Nachteil, wo nicht auch ein Vorteil, also …
1993 dann die Gründung: „Anfangs waren wir schon ratlos“,
sagt Wagner. Nach eingehenden Marktrecherchen zum
Thema Industriedesign habe man sich aber sehr früh zu
einem Marketingkonzept durchgerungen, das eine internationale Positionierung und jene als industrienaher Dienstleister zum Kern hatte.
Die drei Gründer und Managing Partner von Spirit Design Ralf Christoffer, Daniel Huber, Georg Wagner
Zu diesem Zeitpunkt waren nationale Designunternehmungen stark technisch respektive künstlerisch orientiert, sagt
Wagner. Gerald Kiska, der fünf Jahre vor Spirit Design auf
den Markt ging, hatte zwar ähnliche Züge im Unternehmensbild, forcierte jedoch den Marketingaspekt stärker. „Für
uns“, so Wagner weiter, „stand die Idee im Vordergrund, dass
Design Unternehmen Wettbewerbsvorteile bringen sollte.
Design sollte kein Marketing-, sondern ein Innovationstool
sein.“
Innovation im „SPRINT“. Heute zählt Spirit Design rund
14 Mitarbeiter und CAT City Airport Train, OMV, ÖBB,
Siemens, Rosenbauer, Red Bull sowie viele andere zu seinen
Kunden. Für 2006/2007 konnten neun Preise und Nominierungen zur Auszeichnungsübersicht hinzugefügt werden –
darunter der „Best of the Best“ Red Dot Product Award
für den Alpinski Fischer AMC. Interessant sei, so Wagner,
dass man in Österreich kaum, dafür aber international für
nationale Projekte ausgezeichnet worden sei. Die Geschichte
mit dem Propheten sei ja landläufig bekannt … Ärgerlich
sei das schon.
Langsam aber, sagt Wagner, werden Unternehmen sich der
Rolle des Designs als Innovationsträger bewusster. Design
möchte er im Sinne einer Integration von Strategie-, Produktund Markenentwicklung im Rahmen umfassender Innovationsprozesse verstanden wissen. Diese Kernkompetenzen
seien in „SPRINT“ (Spirit Integrated Innovation) beinhaltet:
„Damit liefern wir alle nötigen Unterstützungsdienstleistungen, wenn Unternehmen – von der Idee bis hin zum fertigen
Produkt – von uns begleitet werden wollen“, so Wagner.
Grundsätzlich hole das Team den Kunden dort ab, wo er
aktuell stehe. Das könne auch beim Produkt sein, wo man
dann Branding beistellen könnte. Angestrebtes Ziel sei es
aber, von Anfang an mit dabei zu sein. So geschehen beim
CAT. Wagner: „Hier haben wir alle Leistungsbereiche eingebracht – Beratung, Marktforschung, Produkt und Marke.
Die gesamte Welt des CAT wurde von uns entwickelt.“ Ein
anderes Beispiel seien die aktuell beworbenen Ölverpackungen für OMV. Klassische Produktkampagnen werden von
entsprechenden Agenturen gestaltet – hier sei auch die unternehmerische Abgrenzung zu finden, sagt Wagner.
Lächerlich wenig Geld. Die Idee wollte zunächst nach außen
getragen werden – in Österreich nicht immer unproblematisch, wie auch die Spirit Designer erfahren mussten. Bekanntlich gehören die Worte „Das geht nicht, weil …“ zum heimischen Grundwortschatz wie das redensartliche Amen zum
Gebet. Die Banken- und Förderlandschaft war ebenfalls
nicht dergestalt flexibel wie dieser Tage – auch wenn man
heute noch als Gründer oder Selbständiger mit ähnlichen
Herausforderungen zu tun hat (das nur nebenbei).
Design als Innovationstool. Georg Wagner (Strategy), Daniel Huber (Product) und Ralf Christoffer
(Brand) sind Spirit Design. Heidi Aichinger
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Mit „lächerlich wenig Geld, aber dennoch sehr wichtig, weil
es von der Familie kam“, sagt Wagner, habe man es doch
gewagt. An einem der ersten Jungunternehmertage, an dem
Bankenvertreter ihrem Engagement gegenüber den Interessierten wortreich Ausdruck zu verleihen suchten, platzte Wagner dann der Kragen: Das Wohlwollen der Banken halte er
für ein argumentatives Feigenblatt, warum sollten sie auch
an Investitionen in Kleinstunternehmen interessiert sein,
wenn die Chancen, daran etwas zu verdienen, gering bis gar
nicht vorhanden seien? Wagner wurde aufs Podium geholt –
„damals haben wir unseren Kredit bekommen“, erzählt er.
Manchesmal müsse man sich eben wirklich auf die Beine
stellen, grinst er.
Die Zielbranchen des Unternehmens sind unterschiedlich,
was aus Sicht von Spirit Design einerlei ist, sagt Wagner:
„Der Prozess ist immer der gleiche.“ Die Aufgabe des Designs sehe er zum einen darin, sich in den Nutzer zu versetzen, wie etwa beim iPod: „Diese Art der intuitiven Benutzerführung sollte es für alle Produkte geben.“ Das sei Sache
des Designers. Zum anderen aber gelte es um die Nachhaltigkeit dieser Produkte. Und das seien Aufgaben, die nur ein
Stratege lösen könne.
Das Wiener Unternehmen Spirit Design entwickelt auf Basis strategischer
Konzepte Produkte und Marken in einem integrierten Innovationsprozess.
Das Leistungsspektrum besteht aus drei Bereichen. Die drei Gründer und
Managing Partner sind jeweils für einen der drei Bereiche zuständig:
Georg Wagner – Strategy, Daniel Huber – Product, Ralf Christoffer – Brand.
www.spiritdesign.at
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CONTRIBUTORS
Matthias Raftl
Matthias Raftl ist Redakteur bei der „Presse“-KarriereLounge. Er studierte Rechtswissenschaften
und war Assistent am Institut für Rechtsphilosophie und Rechtstheorie. Bevor er Journalist
wurde, arbeitete er als Regieassistent bei verschiedenen Theaterproduktionen und im Rahmen
eines Traineeprogramms als Filialleiter bei Billa. Er war Lektor und leitete das Lusthaus im
Prater, das seine Familie seit zwanzig Jahren betreibt.
Heidi Aichinger
Heidi Aichinger ist Mitarbeiterin bei der Tageszeitung „der Standard“, Ressort Karriere, und
zugleich als freie Journalistin in Wien tätig. Sie war zuletzt stv. Chefredakteurin des Karrieremagazins „WQ*“ und Redakteurin des Monatsmagazins „Business People“, beide ETM AG.
Felicitas Herberstein
Nina Schedlmayer
Felicitas Herberstein ist seit April 2005 PR-Beraterin bei Pleon Publico. Nach ihrer Ausbildung an
der Werbe Akademie bzw. dem Studium der Kommunikationswirtschaft an der FH Wien arbeitete sie bei der Verlagsgruppe News und der ÖVP-Bundespartei. Vor ihrem Eintritt in die Publico
war sie Pressesprecherin der damaligen Bildungsministerin Elisabeth Gehrer.
Nina Schedlmayer hat Kunstgeschichte in Wien und Hamburg studiert. Lebt und arbeitet als freie
Journalistin und Kunstkritikerin in Wien. Schreibt unter anderem für „profil“, „artmagazine.cc“
und die „Kunstzeitung“.
Lilli Hollein
Lilli Hollein ist selbst Designerin und übt seit 1996 journalistische Tätigkeiten für Tageszeitungen
und internationale Architekturmagazine („der Standard“, „Domus“, „ottagono“, „frame“,
„MARK“) sowie das TV-Kulturressort des ORF aus. Sie ist Konsulentin für Architektur und
Design und Kuratorin; zuletzt AustriArchitektur, Aedes East, Berlin 2005; Zumtobel Staff, Lichtforum Wien 2006. In crea:m stellt sie eine Auswahl an jungen österreichischen Designbüros vor.
Nicole Scheyerer
Nicole Scheyerer schreibt als Kunstkritikerin regelmäßig für die Wiener Stadtzeitung „Falter“,
„Die Presse“, „Frieze“ und „spike art quarterly“. Nach ihrem Studium der Philosophie hat sie im
MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst gearbeitet.
Sonja Illa-Paschen
Barbara Schumy
Sonja Illa-Paschen studierte Kunstgeschichte in Wien, Hamburg und London und arbeitete
anschließend als Verlagslektorin. Nach mehreren Jahren im MAK – Österreichisches Museum
für angewandte Kunst / Gegenwartskunst seit Ende 2006 bei hasenlechner—artconsult
als Projektmanagerin tätig.
Barbara Schumy ist hauptsächlich bei der Tageszeitung „WirtschaftsBlatt“ tätig, und zwar für die
Bereiche IT, Kreativwirtschaft und Lifestyle. Die studierte Publizistin und Politikwissenschaftlerin
war u. a. Mitautorin bei „Homo Creativus Austriacus II – Kreativität im Tourismus“, einem Buchprojekt der arge creativ wirtschaft austria.
Sissa Micheli
In Italien geboren, lebt und arbeitet als Fotokünstlerin in Wien. Sie studierte an der Schule für
künstlerische Photographie und an der Akademie der bildenden Künste Wien. Seit 2003 nimmt
sie an zahlreichen Ausstellungen und Publikationen im In- und Ausland teil. Micheli produziert
Bildessays, die wie Filmstills funktionieren. Zwischen den einzelnen Bildern lässt sie für den
Betrachter genügend Platz, damit dieser ihn mit Stills aus seinem eigenen Gedankenfilm füllen
kann.
IMPRESSUM
Herausgeber forum mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur, Mozartgasse 4, 1040 Wien, Tel. + 43 1 505 58 11, Fax + 43 505 58 13
www.forum-mozartplatz.at, [email protected], www.creamagazine.at – crea:m 05, Mai 2007.
Obfrau Anja Hasenlechner, Geschäftsführerin Birgit Scheidle
Mitarbeiter dieser Ausgabe Heidi Aichinger, Felicitas Herberstein, Lilli Hollein, Sonja Illa-Paschen, Matthias Raftl, Nina Schedlmayer, Nicole Scheyerer, Barbara Schumy Gastkommentare Karlheinz Kopf, Harald Mahrer Grafik Perndl+Co Fotos Sissa
Micheli Lektorat Billy Kirnbauer-Walek Litho Pixelstorm / Wien Druck Berger / Horn Titelbild Zenita Komad, Künstlerin
Rückseite Wand im Atelier der Künstlerin Zenita Komad / Titelbild und Rückseite fotografiert von Sissa Micheli
Offenlegung nach § 25 Mediengesetz Blattlinie crea:m ist ein Magazin, das Themen aus den Bereichen Wirtschaft und Kultur an
seinen Schnittstellen untersucht. Im Zentrum stehen Unternehmer und Künstler, die mit ihrer Kreativität Produkte und Ideen weiterentwickeln und mit ihren Sichtweisen die Produktivität ihrer Unternehmungen erhöhen. crea:m ist das offizielle Medium des forum
mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur, und wird vom Österreichischen Wirtschaftsbund unterstützt.
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Aufnahme in Online-Dienste nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Verlags.
Für unverlangt eingelangte Manuskripte und Bilder übernimmt crea:m keine Haftung. Anzeigenpreisliste unter www.creamagazine.at
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Cream05_backCover_RZ.qxd
09.05.2007
15:35 Uhr
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Volle Netze. Wie Netzwerke Profit abwerfen.
No Dogma. Porträt der österreichischen Künstlerin
Zenita Komad.
Qualität ist alles. Kleinunternehmer in der Fotobranche.
Entfaltungstourismus. Neue Bahnen – Altbewährtes:
Tourismus und Kreativität.
Den Mut haben, voneinander zu profitieren.
Wirtschaft und Kunst im Gespräch.
Humor braucht Provokation. Über das Schreiben
fürs Fernsehen.