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Cream05_Cover_RZ.qxd 09.05.2007 15:36 Uhr Seite 1 crea:m CREATIVE ECONOMY MAGAZINE 05 EDITORIAL Die ersten drei Jahre forum mozartplatz liegen hinter uns. Eine spannende und herausfordernde Zeit, in der es uns gelungen ist, jungen wie etablierten Wirtschaftstreibenden und kreativen Selbständigen eine Plattform zu geben. Dahinter steht die Überzeugung: Kreative sind Vordenker. Sie reagieren als Erste auf Entwicklungen unserer Zeit und nehmen so eine integrale Rolle in der Diskussion um relevante Fragen der Gegenwart ein. Kultur und Wirtschaft sind unser Thema: ihr spannungsreiches Wechselverhältnis und das Potenzial, das sich entlang ihrer Schnittstellen auftut. Das forum mozartplatz führt Persönlichkeiten verschiedener Backgrounds zusammen und schafft Synergien, die nachhaltig weiterwirken. INHALT mit einer von 20.000 Meinungsbildnern aus Wirtschaft, Kultur und Politik, die sich mit crea:m über Trends und Hintergründe der Kreativwirtschaft informieren. Dass unser Magazin so gut aussieht, liegt übrigens auch an unseren Fotografinnen: Cathrine Stukhard, Marie Jecel, Sissi Farassat und Claudia Casentini hatten den ersten vier Nummern ihr Gesicht gegeben. Mit Sissa Micheli wurde das vorliegende Heft von einer Bildessayistin gestaltet: Wie Filmstills aus einem Kurzfilm reihen sich ihre Bilder zu einer Geschichte aneinander. Die Unterstützung durch den Österreichischen Wirtschaftsbund ist die Basis für die Projekte des forum mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur. Wir bedanken uns bei Generalsekretär Abg. z. NR Karlheinz Kopf sehr herzlich! Diskurs ist die Basis, aus der heraus wir unsere Stand- punkte und Aktivitäten entwickeln. Über Diskussionsveranstaltungen und Ausstellungen reflektieren wir im forum mozartplatz den gesellschaftspolitischen Stellenwert von Kunst und Kreativität und machen deren Mehrwert für die Wirtschaft transparent. crea:m ist das Sprachrohr des forum mozartplatz. Die fünfte Ausgabe halten Sie in Ihren Händen – und sind da- Anja Hasenlechner, Obfrau Birgit Scheidle, Geschäftsführerin crea:m bestellen unter www.creamagazine.at forum mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur www.forum-mozartplatz.at Volle Netze. Wie Netzwerke No Dogma. Porträt der österreichischen wirtschaftlich funktionieren. Künstlerin Zenita Komad. Entfaltungstourismus. Neue Bahnen Den Mut haben, voneinander zu profitieren. Wirtschaft und Kunst im Qualität ist alles. Kleinunternehmer in der Fotobranche. Humor braucht Provokation. Über – Altbewährtes: Hotelier Andreas Gfrerer, Tourismusexperten Petra Stolba und Rainer Ribing über Tourismus und Kreativität. Gespräch: WK-Präsidentin Brigitte Jank und die Rektoren Stephan SchmidtWulffen und Gerald Bast. das Schreiben fürs Fernsehen: Interview mit Drehbuchautor Clemens Aufderklamm und Schauspielerin Verena Scheitz. Drei Jahre forum mozartplatz. Lilli Holleins Designer’s Cuts. Lobbying für die Kreativwirtschaft. Ein Rückblick. Vier Porträts: Annette Hinterwirth, Dottings, Patrick Rampelotto, danklhampel. Kommentar von Harald Mahrer, Pleon Publico PublicRelations. Silvia Forlati, Elisabeth Leitner, Anne Isopp, Thomas Lettner von Wonderland Network 2 Gemeinsam sind wir stärker! Wie unterschiedliche Formen von Netzwerken in der Kreativwirtschaft für mehr Motivation, Wissen und Profite sorgen. Nicole Scheyerer 3 » Ein Einzelner hätte so etwas nie realisieren können. « Wonderland-Architekten arbeiten im EU-weiten Netzwerk Wie sieht das Paradies eines Architekten aus? Große Bauaufträge, blitzschnelle Handwerker und publizierte Hochglanzfotos? Oder gehört doch noch ein bisschen mehr zu einem glücklichen Leben in diesem fordernden Beruf? „Wir wollten uns selbst eine Art Wunderland erschaffen“, erklärt Thomas Lettner mit einem Lächeln. Das Mitglied von SHARE Architects war an der Gründung des Architektennetzwerks Wonderland vor sechs Jahren beteiligt. Damals wurde das Architekturbüro Spado von der Kärntner Firma Fundermax zu einer Werkschau eingeladen. Nur sich selbst auszustellen reizte Spado jedoch wenig, und so luden sie zehn Kollegen für eine gemeinsame Gruppenschau ein, die anschließend nach Wien und Graz wanderte. Das sollte jedoch nur der Beginn einer langen Reise sein. Dank EU-Förderung, nationalen Zuschüssen und privaten Sponsoren machte die Ausstellung „Wonderland“ noch in acht anderen europäischen Städten Station. Die Besatzung von elf österreichischen Architekten wuchs in jedem der Stopps um elf lokale Büros an, was durch ein gefinkeltes Ausstellungsdesign möglich wurde. Eine weitere Besonderheit: Kein Kurator wählte die Teilnehmer aus, sondern Architekten 4 vor Ort. Parallel zu der Präsentation fanden Vorträge, Führungen und Workshops statt. Bald kristallisierte sich ein dringendes Interesse heraus. „Wie macht denn ihr das?“, lautete die Frage, die den Fokus immer stärker von den „Werken“ weg hin auf die alltägliche Praxis verschob. Wissen generieren. Der Austausch unter den aufstrebenden Teams erwies sich als so fruchtbar, dass in der Folge die Idee zu einer Zeitschrift geboren wurde. Das „Wonderland“Magazin, Auflage 25.000 Stück, bringt keine Fotos schicker Neubauten, sondern anregend geschriebene Beiträge zu Berufsfeldern wie Geschäftsgründung, Akquise oder Selbstvermarktung. Besonders spannend gestaltet sich die Rubrik „Reality Check“, die auf der Basis von Mitgliederumfragen die Arbeitsbedingungen für Architekten in den EU-Staaten vergleicht. Wenn sich etwa ein ganzes Heft dem Thema „Fehler machen“ widmet, werden gewöhnlich totgeschwiegene Praxiserfahrungen offengelegt. „Zu der Frage, wie junge Architekten auf dem Markt bestehen, gibt es nicht einmal offizielle Statistiken“, kritisiert „Wonderland“-Redakteurin Anne Isopp. „Ein Einzelner hätte so etwas nie realisieren können“, glaubt Elisabeth Leitner von noncon:form, die für die Projektleitung verantwortlich war. Die durch die Ausstellung geknüpften Kontakte haben schon zahlreiche Initiativen hervorgebracht; sogar ein international betriebenes „Großbüro“ wurde angedacht. Mit Wonderland gelingt, was Teamgeist im besten Fall zuwege bringt: Hier entsteht ein persönlicher Nutzen, indem man andere am eigenen Wissen teilhaben lässt. Ein solches Teilen läuft eigentlich der Einzelkämpfermentalität des Entrepreneurs zuwider, könnte man meinen. Aber nach den Egoismusexzessen der Yuppies und den Bruchlandungen der New-Economy-Raketen hat in den letzten Jahren ein neuer, entindividualisierter Erfolgstypus an Kontur gewonnen: das gut durchblutete Netzwerk, das die unterschiedlichen Talente, Ideen und Kompetenzen von Personen für einen gemeinsamen Mehrwert aktiviert. und Demokratisierung bedeutet. Dennoch haben die neuen Informationstechnologien ein Aufbrechen von Herrschaftswissen und vertikaler Ordnung ermöglicht, wie es in dem Modell „Seilschaft“ noch stärker mitschwingt. Der Begriff „soziales Netzwerk“ bleibt schwer definierbar und stellt an sich noch keine Innovation dar. Schließlich hat es Vereine, Genossenschaften oder Interessengemeinschaften schon davor gegeben. Neu ist die Bedeutung, die damit Beziehungen und partnerschaftlichem Handeln eingeräumt wird: Vertrauen soll Autorität ablösen. Zudem entsprechen Netzwerke dem heutigen Bedürfnis nach Geschwindigkeit. Bei gleichzeitiger Autonomie ermöglichen sie Austausch und Resonanz. In einer zunehmend unsicheren Arbeitswelt, die immer mehr Selbständige hervorbringt, werden viele Einzelkämpfer aus der Not heraus zu Teambewerbern. Ein Stück neues Denken. „Es stellt schon ein volkswirt- Richtig verknoten. Freilich, das Wort „Netzwerk“ können heute viele nicht mehr hören. Als eines der meiststrapazierten neudeutschen Vokabeln wurde es während der Interneteuphorie mit unerfüllbaren Erwartungen überfrachtet. Mittlerweile ist klar, dass Netzwerk nicht automatisch Egalität schaftliches Gesamtproblem dar, dass es zu einer Konzentration der Kräfte auf wenige Große kommt, denen viele Kleine gegenüberstehen“, bemerkt Rafael Salzberger von der Leipziger Firma Tectonet. Der Wirtschaftsingenieur hat die Krise der deutschen Baubranche Ende der Neunzigerjahre noch als 5 Fotos ©Henry Pierre Schultz Tectonet-Geschäftsführer Axel Dietrich und Rafael Salzberger » Die Auflösung der originären Machtverhältnisse ist ein Stück neues Denken. « Angestellter eines Betonkonzerns miterlebt. Im Jahr 2002 gründete Salzberger nach einer Geschäftsidee seines Kompagnons Axel Dietrich ein Dienstleistungsunternehmen, das die Erfolgsaussichten von kleinen und mittleren Handwerksbetrieben erhöht. „Wer kleiner wird, reduziert sich zwangsläufig auf seine Kernkompetenzen. Was den Kleinbetrieben dann fehlt, ist der Überbau“, erklärt der Tectonet-Geschäftsführer. Mit einer einzigartigen Idee reagierte Tectonet auf den Wettbewerbsnachteil von hochqualifizierten Handwerksbetrieben, die aufgrund ihrer geringen Kapazität bei Ausschreibungen keine Chance hatten. Mehrere Unternehmen werden dabei zu Arbeitsgemeinschaften mit gemeinsamer Haftung gebündelt und so für Großaufträge fit gemacht. Im Baugewerbe dominieren in der Regel Generalunternehmer, die das gesamte Auftragsvolumen erhalten und aus dieser Machtposition heraus kleinere Firmen beschäftigen. Im Fall von Tectonet wird das Geld aber direkt vom Bauherrn an die Arbeitsgemeinschaften überwiesen. Mit fünf Prozent Gewinnbeteiligung liegt Tectonet stark unter dem, was Generalunternehmer einbehalten. Die Handwerksfirmen kommen außerdem an 6 Michael Fetz, FetzColor, und Karin Kaufmann, Werkraum Bregenzer Wald starke Referenzen, mit denen sich normalerweise der Generalunternehmer schmückt. Trotz all dieser Vorteile war es anfangs schwer, dieses Modell zu vermitteln. „Die Auflösung der originären Machtverhältnisse ist ein Stück neues Denken“, meint Salzberger, der bei jüngeren Unternehmern auf größere Offenheit stößt. Tectonet agiert als externer Dritter zwischen Auftraggeber und Ausführenden. Die Firma wirkt als Regulativ, das anderen Firmenverbünden fehlt. Da die rund 400 gelisteten Handwerksbetriebe nur bei erfolgreicher Akquise bezahlen, erwachsen keine Ansprüche, und Tectonet kann sich seine Partner nach rein sachlichen Kriterien wie Kompetenz und Preis aussuchen. Trotzdem bleibt ein hohes Risiko: Die Ausschreibungsprofis sind auf die Durchsetzung ihrer Bietergemeinschaften angewiesen, sonst war die ganze Arbeit umsonst. Neben großen Wohnungssanierungen in der Leipziger Innenstadt, unter anderem für die Wiener Conwert Immobilien Invest AG, hat Tectonet mittlerweile auch in London Baustellen. „Wir sind aber überzeugt, dass unser Grundkonzept nicht nur für den Bau tauglich ist.“ – Salzberger wundert sich, dass der Erfolg von Tectonet noch von niemandem kopiert wurde. Dachdecker- und Spenglerei Rusch 7 » Heute müssen wir eher nach innen als nach außen arbeiten. « Firmen FetzColor, Dachdeckerei Rusch und Elektro Willi Keine Zukunft ohne Miteinander. Im Bregenzerwald geht es den Handwerkern besser als im ostdeutschen Sachsen. Dieser Wohlstand verdankt sich aber nicht der idyllischen Landschaft. 1995 stufte die EU die Region im westlichsten Eck Österreichs als förderungswürdig ein. Mit dem Geld aus Brüssel sollte auch das stark vertretene Handwerk zu einer neuen Blüte geführt werden. Die Experten schlugen dafür die Bildung des Werkraums Bregenzer Wald vor, einer Art Dachorganisation, die die lokalen Leistungen im Sinn einer Imagebildung stärker nach außen transportieren sollte. Die internationale Ausschreibung des Wettbewerbs „Handwerk + Form“ gehörte zu den ersten Initiativen des 1999 gegründeten Vereins. Über hundert Designer und Architekten haben sich im Vorjahr beworben, als der Preis zum dritten Mal ausgeschrieben wurde. Die Marke Bregenzer Wald steht für die Symbiose von technischer Vollendung und fortschritt- 8 Elektro Willi lichem Design. In einer permanenten Ausstellung können heute regionale Spitzenprodukte besichtigt werden. Bekannte Namen wie Vivienne Westwood, Peter Zumthor oder Adidas kennen den Vorarlberger Landstrich durch Kooperationen. Hat sich der Verein Werkraum Bregenzer Wald angesichts dieses Erfolgs erübrigt? Rund achtzig Handwerks- und Gewerbebetriebe zahlen heute jährlich den vergleichsweise hohen Mitgliedsbeitrag, der auch pro Mitarbeiter berechnet wird. Als Service bietet der Werkraum Hilfestellung in den Bereichen Vermarktung, Produktund Designinnovation. Man kümmert sich auch um die vielen Journalisten und Politiker, die sich über den vorbildhaften Aufschwung der Region informieren wollen. „Wir haben sehr viel Presse, die Ausstrahlung ins Ausland ist da“, meint Karin Kaufmann, die seit sechs Jahren für den Werkraum arbeitet, „heute müssen wir eher nach innen als nach außen arbeiten.“ Speziell der Nachwuchs ist ein brennendes Thema. Um die Jugend zu binden, die für eine Lehre häufig ins besser zahlende Rheintal abwandert, setzt der Verein bereits bei den Kleinen an. Die Initiative „Kinderbaustelle“ vermittelt spielerisch Freude an Materialien und Verarbeitung. An den Hauptschulen fädelt der Werkraum persönliche Kontakte zwischen Jugendlichen und Handwerkern ein, bringt Schüler in die Werkstätten. „Unsere Betriebe haben keinen Leidensdruck, daher fehlt oft das Bewusstsein, wie wichtig der Zusammenschluss ist. Aber ohne ein Miteinander kann vieles nicht gehen, dafür braucht es eine Plattform“, ist Kaufmann überzeugt. Wie funktioniert das? Solange das Geschäft floriert, braucht man sich nicht nach Partnern umzusehen: Diese Haltung ist zwar immer noch stark verbreitet, aber ein kluger Unternehmer knüpft schon heute das Netz, das ihn morgen auffan- gen könnte. In Zeiten, wo etwa die Musikindustrie unter massiven Einbußen wegen der neuen Downloadmöglichkeiten leidet, kommt es auch in dieser Branche zu ungewöhnlichen Kooperationen – etwa wenn sich ein Konzern wie Universal Music mit einem Indie-Label wie Klein Records zusammentut. Der Wiener Christian Candid war ursprünglich Musiker, bevor er vor zehn Jahren die Gitarre beiseitestellte und sich voll auf seine Plattenfirma konzentrierte. „Ich wollte wissen, wie das Musikbusiness funktioniert“, erzählt der 31-Jährige, der durch „Learning by Doing“ zum Musikverleger wurde. Als Candid in das Geschäft einstieg, hatten Märkte wie Frankreich und England gerade entdeckt, dass es in Österreich einen vitalen Underground elektronischer Musik gibt. Bei dem Hype um Kruder, Pulsinger & Co wurde jedoch vieles versäumt: „Man hätte sich damals mehr um Nachhaltigkeit kümmern müssen“, meint Candid zu dem bis heute vorherr- 9 » Ich wollte wissen, wie das Musikbusiness funktioniert. « schenden Strukturmangel, der von einer fehlenden Proberaumlandschaft bis hin zum einem Manko an Managern, Agenturen und Distributionsfirmen reicht. Langsam würde aber auch hierzulande ein Bewusstsein für die Bedeutung der Kreativwirtschaft wachsen. Das belege etwa die Anzahl neuer Fördertöpfe. Einer solchen Geldspritze ist es zu verdanken, dass Klein Records, Universal Music und die Bookingagentur MIOOOW von Wolfgang Mitter in Zukunft häufig an einem Strang ziehen werden. „Es ist für mich das Um und Auf, dass österreichische Musik nach außen drängt“, betont Candid, dessen Geschäft zu 85 Prozent über das Ausland läuft. Mit Universal führt er Vertrieb und Vermarktung von gemeinsam ausgesuchten Projekten durch – ohne jedoch seine künstlerische und kommerzielle Unabhängigkeit zu schmälern. Unterschiedliche Musikprodukte werden in die jeweils passenden Kanäle geschickt. Klein Records ist schneller im Vertrieb und kann über seine Promotionkanäle flinker Aufmerksamkeit erzielen. Das Label steht zudem in großer Nähe zur Basis. Dafür verfügt der Konzern über die nötigen Subfirmen, Manpower und finanzielle Ressourcen, um einen Star zur Welt zu bringen. From contacts to contracts. Mittlerweile erkennen aber auch andere heimische Labels die Notwendigkeit eines gemeinsamen Auftritts. Gerade hat die von Stephan Dorf- 10 meister gegründete Vereinigung Austrian Music Ambassador Network (AMAN) ihre Arbeit aufgenommen. Dreizehn heimische Labels ganz unterschiedlicher Formate und Stilrichtungen versuchen sich dabei über Botschafter eine stärkere Präsenz im Ausland zu verschaffen. Eine versierte Person oder Firma aus der jeweiligen Musikszene wird die Marketing- und PR-Maßnahmen für die österreichischen Neuerscheinungen zunächst in Deutschland und Großbritannien besorgen. Candid wünscht sich konkrete Geschäfte aus seiner Beteiligung an AMAN. Ein stärkerer Zusammenhalt unter den heimischen Labels wäre ihm aber genauso wichtig – auf dass man gemeinsam volle Netze einholen kann. Wonderland ist ein wachsendes Netzwerk junger europäischer Architekturbüros, die international denken und arbeiten. www.wonderland.cx Die Firma Tectonet in Leipzig vernetzt kleine Handwerksbetriebe zu „Generalunternehmern“. Fotos aus Strategien des Handwerks (= Landschaft des Wissens/Band 1), Hrsg. Hans-Joachim Gögl und Clemens Theobert Schedler, Haupt Verlag Bern, Stuttgart, Wien, 2007; Fotos: Henry Pierre Schultz www.landschaft-des-wissens.org, www.tectonet.com Der Werkraum Bregenzer Wald ist eine Plattform für das neue Handwerk aus dem Bregenzerwald in Vorarlberg. www.werkraum.at Christian Candid gründete 1996 das Label Klein Records, bei dem in den letzten zehn Jahren viele bekannte Bands ihre Heimat fanden – darunter Bauchklang, Sofa Surfers, Louie Austen. www.kleinrecords.com Christian Candid, Klein Records 11 LILLI HOLLEINS ANNETTE HINTERWIRTH DOTTINGS PATRICK RAMPELOTTO DANKLHAMPEL Annette Hinterwirth fürchtet, wie sie sagt, „zur Lampentante zu verkommen“, aber diese Angst ist unbegründet. Ihre schmuckstückhaften und durch die Platzierung in Lifestyletempeln wie Collette in Paris geadelten kristallenen Wandappliken sind zwar ein großer Erfolg mit entsprechendem medialen Echo, aber Hinterwirths Folgeentwürfe machen genug Wind, um ihre Vielseitigkeit im Entwurfsbereich zu dokumentieren. Nach der ornamentalen Kraft dieser höchst glamourösen Leuchten folgt nun eine Serie von Möbeln, die eher einem Casual Chic verpflichtet sind und dem Sexappeal und der Vielseitigkeit von Anglerwesten ähneln, die Joseph Beuys schon in den Siebzigerjahren geadelt hat. „The Stash“ hat sowohl in der Version als Sofa als auch als Tisch Zippverschlüsse, Geheimfächer und andere innere Werte. Weil man Dinge teilen soll, die einem wertvoll sind, hat Hinterwirth nun auch einen Loveseat in die Serie aufgenommen, und als Produzenten kann sie den überaus klingenden Namen Minotti nennen. Für den Wettbewerb „Design for Europe“ der belgi- Das Tüpfelchen auf dem i, an das der Name des Büros von Sofia Podreka und Katrin Radanitsch denken lässt, ist für die beiden keinesfalls manierierter Luxus oder eitle Formverliebtheit. Ihnen geht es um den einfachsten, klarsten Zugang zu den Dingen. Im Augenblick beschäftigen sich die beiden Absolventinnen der Universität für angewandte Kunst vorwiegend mit dem öffentlichen Raum – ein Entwurfsfeld, das sie auch für ihre Zukunft bestimmender sehen als etwa den Bereich Möbel. Ihr Zugang zu Design: Es macht einfach Spaß. Für das Wiener Freud-Museum entstand etwa eine Reihe von Museum-Shop-Artikeln, die die Begierde nach einer Neurose wecken (indem sie etwa in Schwammform zwanghaftes Putzverhalten symbolisieren oder den Radiergummi für die schnelle Verdrängung zwischendurch anbieten). Der Stil von Podreka und Radanitsch ist dabei genauso wie ihr Design von einer unaufgeregten, entspannten Eleganz, wie mit den Attributen „praktisch“ und „hohe Materialqualität“ ausgestattet. Hätte er seine Kreativität tatsächlich als Jurist ausgelebt, wäre bestimmt auch das spannend geworden. Patrick Rampelotto hat sich aber glücklicherweise nach seinem Jus-Studium dem Design zugewandt und auf der Universität für angewandte Kunst bei Borek Sipek und Ross Lovegrove studiert. Anschließend war wohl auch die Mitarbeit im renommierten Designbüro von EOOS wertvolles Rüstzeug, denn die Entwurfssprache des Ende der Siebzigerjahre in Südtirol geborenen Wahlwieners hat ebenso wie die EOOS’schen Projekte einen Schwerpunkt in der Poesie des Objekts. Rampelotto geht es darum, aus Gegenüberstellungen wie Tradition und Technologie jene poetische Kraft zu extrahieren, die seine Gegenstände zu Begleitern des Alltags machen. Drei kleine Bohrungen im Besteck etwa sorgen dafür, dass man dort Gewürze anbringen kann – und während man das Werkzeug zum Mund führt, wird die geschmackliche und aromatische Sensation noch um einen gezielten Duftaspekt bereichert. Ebenso sinnlich ist sein Umgang mit Materialien. Die Erforschung von Filz als Werkstoff hat er auch in der Zusammenarbeit mit Reinhard Plank vorangetrieben, mit dem er im Oktober 2006 im Wittmann Schauraum anlässlich der Passionswege ’06 einen wunderbaren Dschungel aus Hüten und Pflanzen entstehen ließ. Bei ihm wird der Filz aber weniger zum Hut als zur Hutablage, zum voluminösen Garderobenhaken in Nashorn-Form. Für die Firma Lobmeyr entwickelte er eine Schmuckschale, die sich auch der Betrachtung der abgelegten Juwelen zuwendet und Details hervorhebt. Zwei Schalen verschließen sich wie eine Muschel, im Inneren die Perlenkette, die durch eine in einer Vertiefung liegenden Linse vergrößert wird. Poesie steckt hier ebenso drin wie Kulturforschung und die Beobachtung des Menschen und seiner Rituale – eine Haltung, die auch zur Ausstrahlung von Rampelotto selbst passt: ein wacher, aufmerksamer, auch ruhiger Beobachter, der mit Selbst- und Stilsicherheit, Neugier und Humor seinen Blick auf Aspekte legt, die dann treffsicher in Entwürfe gelenkt werden. Kathrina Dankl und Lisa Elena Hampel machen sich Gedanken über das Alter. Als Jahrgang 1981 ist das aber verständlicherweise nicht der Blick ins eigene letzte Lebensdrittel, sondern man gehört zu den wenigen Designbüros, die sich der wichtigen und zukunftsträchtigen Aufgabe stellen, Produkte für eine immer älter werdende Gesellschaft zu entwickeln. Für diese Konsumentenschicht müssen Produkte einem hohen Anspruch an Bedienerfreundlichkeit und Qualität gerecht werden. Dieses Marktsegment überzeugt auch das wirtschaftliche Umfeld: danklhampel wurden beim GEWINN-JungunternehmerWettbewerb 2006 als eines der besten hundert Start-ups ausgezeichnet. Ein Entwurf, der nicht nur die beiden Designerinnen, sondern auch alle Benutzer weiterbringt, ist „Coaster“, eine Transportkabine für unterschiedlichste Einsatzmöglichkeiten. Für ein Schweizer Hotel sind die ersten zwei Kabinen im Einsatz – und das werden nicht die letzten Gipfelstürme der fröhlichen Designerinnen sein. www.patrickrampelotto.com www.danklhampel.com 12 schen Möbelmesse in Kortrijk wurde noch eifrigst nachts fotografiert – gut so, denn einerseits trug ihr das den Gewinn eines Messestandes in der nächsten „theyoungdesignersfair“ ein. Außerdem fielen die Bilder aber Roberto Minotti in die Hände und Annette Hinterwirth beinahe das Telefon aus den ihren, als sie hörte: „Guten Tag, Minotti hier, wir wollen ihre Möbel produzieren.“ Ihre Entwurfskenntnisse hat sie durch die Teilnahme an Kursen an der TU Wien und an der UCLA, der Universität von Kalifornien, vertieft, wo sie auch für Hollywoodproduktionen am Setdesign mitgearbeitet hat, das Rüstzeug zur Unternehmerin ist durch ein abgeschlossenes BWL-Studium untermauert. Kontraste und Kombinationen sind auch in ihren Entwürfen Thema, ob das nun Weich und Hart ist oder „klassische Formen, die irgendetwas an sich haben, was schräg ist“. www.annettehinterwirth.com www.dottings.com 13 Zenita Komad, 1980 geboren, ist die vielleicht erfolgreichste österreichische Künstlerin unter 30. Die Pariser Galerie Suzanne Tarasiève hat sie für eine Präsentation in der „ZONE1“ auf der Viennafair, der Wiener Kunstmesse, ausgewählt. Nina Schedlmayer So häufig kommt es nicht vor, dass eine Künstlerin ihres Alters bereits eine Galerievertretung vorzuweisen hat. Oder eine quer durch die österreichische Medienlandschaft besprochene Kunstaktion. Zenita Komad ist die vielleicht derzeit erfolgreichste Künstlerin unter 30 in Österreich. Das Label „Nachwuchshoffnung“ passt auf die 1980 in Klagenfurt geborene Komad längst nicht mehr. Gleich mehrfach vertreten. Nun wurde sie von der Pariser Galerie Suzanne Tarasiève für eine Präsentation auf der Viennafair nominiert: In der „ZONE1“ wurden Arbeiten junger Künstler gezeigt, von denen einer oder eine nach Juryentschluss später in der „Factory“ des Wiener MUMOK ausstellen soll. Komad wird von insgesamt drei Galerien, die auf die Messe kommen, vertreten: Neben Suzanne Tarasiève sind dies die Wiener Galerie Krinzinger und die Regina Galerie aus Moskau, die nicht nur ihre Arbeiten verkaufen, sondern sie auch selbst dabei unterstützen, Kontakte zu hochkarätigen Sammlern, einflussreichen Personen im Museumsund Ausstellungswesen zu knüpfen – wichtige Erfolgsfaktoren für junge Künstler. Die Künstlerin Zenita Komad in ihrem Atelier 14 Wenn man Zenita Komad in ihrer Atelierwohnung besucht und mit ihr über ihre Kunst spricht, dann vergeht die Zeit wie im Flug. Eine Art Kartenhaus aus Leinwänden möchte sie bauen für die Messe, erzählt sie lebhaft, ähnliche habe sie schon gezeigt, etwa im Kunsthaus Graz oder ihrer Pariser Galerie. Ihre Malerei, meint sie nachdenklich, sei „keine strategische. Ich halte fest, ich notiere.“ Das Material dafür schöpft Komad aus einem reichhaltigen Reservoir: Da findet sich ein- mal das faltenzerfurchte, schelmisch grinsende Gesicht der Bildhauerin Louise Bourgeois, dann wieder eine distanzierte Maria Callas; ein Selbstporträt – und zahllose Schriftbilder, für die Komad witzige Sprüche („Am eigenen Misthaufen ist jeder Hahn tapfer“) ebenso verwendet wie Kommentare zu Weltanschaulichem: „Religion is dangerous“, sagt eines ihrer Bilder, und die Buchstaben purzeln in Kreuzform durcheinander. „Ich zweifle“, sagt Komad, „alles Ideologische an.“ Nicht nur die Religion, auch die Psychoanalyse und ihre Väter sowie die Leidensfähigkeit im Allgemeinen und im Speziellen. Wo andere Wunden sehen, sieht sie Sinnlichkeit – etwa in den Brüsten, aus denen rote Farbe spritzt, eine ihrer älteren Arbeiten. Komad arbeitet gern allein im Atelier – ebenso gern aber kooperiert sie mit anderen. So engagierte sie etwa Ignaz Kirchner nicht nur für eine Videoarbeit, sondern auch für ihre vielbesprochene „Operation Capablanca“ – eine „Schachoper“, die sie 2005 in der Kunsthalle Wien aufführte. Sie habe, so erzählt sie, „Kontakte immer gesucht“. Und als Tochter einer Opernsängerin sei sie „im Theater aufgewachsen, in einer familiären Struktur“. Vielleicht ist Komad deswegen so eine gute Networkerin. Das nächste halbe Jahr wird Komad in L. A. verbringen – sie hat eines der begehrten Schindler-Stipendien, die vom Museum für Angewandte Kunst vergeben werden. Ihre Fähigkeit, Netzwerke zu schaffen, wird ihr dort erneut zugute kommen. Zenita Komad studierte an der Universität für angewandte Kunst Wien Bühnenbild/Graphik und an der Akademie der bildenden Künste Wien mixed media. www.zenita-city.at 15 Diskussionen, Ausstellungen und die Entwicklung von crea:m waren die Schwerpunkte der letzten drei Jahre forum mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur. Kreative Unternehmer wurden vor den Vorhang geholt und ihre Ideen und hochwertigen Produkte einem breiten Publikum präsentiert. In Diskussionen und Ausstellungen wurden die verschiedensten Beziehungen von Kunst und Wirtschaft thematisiert. Veranstaltungen: Klingt gut? Neue Märkte in der Musikwirtschaft Wohin entwickelt sich die Zusammenarbeit von Auftraggeber und Kunstschaffendem in der Musikbranche? Über Klingeltöne, Ringbacks und andere Vertriebswege. Wie viel Kunst verträgt der Film? Kann Filmeproduzieren ein Geschäft sein? Müssen wirtschaftlicher Zugang und künstlerischer Anspruch ein Widerspruch sein? 3x Blickfang Vier Positionen. Präsentation junges Design. Kunst kommunizieren – zwischen Vermittlung und Event Über Marktpositionierung, Zielgruppen und Werbestrategien. Signal – Botschaft – Verpackung Der Designprozess, der hinter einer erfolgreichen Verpackung steckt, vereint technische, betriebswirtschaftliche, werbepsychologische und ökologische Fragen und muss im Einklang mit dem Corporate Design stehen. Hutware – Wege der Zusammenarbeit Über die Idee, deren Umsetzung, das Zusammenspiel von Auftraggeber und Auftragnehmer und das Finden einer gemeinsamen „Formensprache“. Shops – wie Architektur Identitäten schafft Das richtige Design für den wirtschaftlichen Erfolg. Referenten und Moderatoren Alexander Hirschenhauser (Soulseduction), Franz Medwenitsch (IFPI), Alexander Koppel (Die Drei), Wolfgang Schlögl (Sofa Surfers), Mirjam Unger (FM4), Virgil Widrich (Checkpoint Media), Niki List (Cultfilm), Burkhard Ernst (Cultfilm und Mazda Rainer), Heinrich Mis (Leiter ORF Fernsehfilm), Birgit Fenderl (ORF), Nora Sri Jascha (Agentur Dasuno), Wolfgang Kos (Direktor Wien Museum), Johann Kräftner (Direktor Liechtenstein Museum), Chris Rehberger (Double Standards, Berlin), Rainer Novak („Die Presse“), Wilfried Kühn (Architekt), Klaus Mühlbauer (Mühlbauer), Tobias Pils (Künstler), Bernd Bess (Architekt), Ulrike Fleissner (Zumtobel Staff), Otto Wilhelm Riedl (Manner), Daniel Swarovski, Max Hollein (Schirn Kunsthalle Frankfurt), Harald Gründl (EOOS), Harald Mahrer (Pleon Publico), Erna Cuesta (ORF), Karin Stiglmair und Barbara Ambros (LUCY.D), Manfred Buchinger (Gasthaus zur alten Schule), Armin Ebner (BEHF), Alexander Rabl (Werbetexter und Restaurantkritiker, „A la Carte“), Ute Woltron („der Standard“), Maria Michlmayer und Petra Doppler (Dopplermichlmayr), Roland Kaufmann (Produktdesign), Harald Guggenbichler und Heike Kubista (Guggenbichler Design), Rainer Mutsch (Möbeldesign), Bruno Schmidt (Metadesign), Alexander Dumreicher-Ivanceanu (Amour Fou), Roman Wratschko, Philipp Haselwander und Georg Wanker (Edelweiss Design), Ulla Hinterwirth (Modedesign), Ute Ploier (Modedesign), Robert Rüf (Produktdesign), Alfred Hudler (Vöslauer), Andrew Doyle (Holmes & Marchant, London), Franz Merlicek (Demner, Merlicek, Bergmann), Tulga Beyerle (Designexpertin), Sissi Farassat (Künstlerin), Manuela Hötzl (Redaktionsbüro), Anton Zeilinger (Physiker), Christian Bartenbach (Bartenbach), Anna Popelka (PPAG-Architekten), Christian Berger (Kamera), Hannelore Veit (ORF). Marken und was sie alles versprechen Werbewelten in Kunst, Design und Kreativwirtschaft. Lust am Kochen Ein Boom und seine Auswirkungen auf die Wirtschaft. Licht und Wirtschaft Oder wie das Neue in die Welt kommt. 16 Advisory board Berndt Anwander (St. Balbach Art Produktion), Andreas Braun (Swarovski Kristallwelten), Magnus Brunner (Ökostrommanagement AG), Johann Kräftner (Liechtenstein Museum), Boris Marte (Erste Bank), Maria-Luise Mayr, (Klangspuren), Annette Prechtl, Sandra Thaler (Elfenkleid), Leonid Rath (Lobmeyr), Martin Schwarz (Schwarzconsult), Christoph Stadlhuber (BIG – Bundesimmobiliengesellschaft), Norbert Steiner (sputnic), Roland Teichmann (Österreichisches Filminstitut), Katrin Veigl (Porzellanmanufaktur Augarten), Wolfgang Waldner (MuseumsQuartier Betriebsgesellschaft), Daniela Walten (BWM-Architekten). 17 Kleinunternehmer in der Fotobranche setzen lieber auf Qualität denn auf Quantität. Und schaffen sich damit einen kurzweiligen Alltag. Nina Schedlmayer Kozva Rigaud drückt es so aus: „Ich möchte keine Shoppingmall haben, sondern eine Boutique.“ Und Felix Leutner sagt: „Wir fahren lieber die Qualitätsschiene. Unsere Kunden sollen wirklich sehr zufrieden sein.“ Besser klein und fein als groß und oberflächlich: Wer als Klein- oder Einzelunternehmer in der Fotobranche arbeitet, der muss auf Qualität setzen. Rigauds Agentur shotview vertritt Fotografen auf hohem Niveau, und Leutners Fotolabor betreut zu 70 Prozent Künstler. Quantität steht da nicht an erster Stelle. Kozva Rigaud leitet die Fotoagentur shotview 18 Rigaud etwa interessiert keine schnell produzierte Massenware. Mit Fotografen wie Joachim Baldauf, Luis Sanchis, Wiebke Bosse und Peter Rigaud, ihrem Mann, hat sie sich spezialisiert auf konzeptuelle Fotografie – und mittlerweile hat sie nebenher auch eine, wie sie es nennt, „kleine, feine, informelle Galerie“ aufgebaut, über die sie Editionen verkauft. Das Hauptgeschäft allerdings, so erläutert sie, ist die „Vermarktung von Fotografen“, hauptsächlich in den drei Bereichen „Journalismus, Werbung, Mode“. Zu Rigauds Kunden zählen klingende Namen: der Designer Alexander McQueen ebenso wie die besten Printmedien im deutschsprachigen Bereich (darunter die „Zeit“ oder die „Süddeutsche Zeitung“), Claudia Schiffer wie die Firma Swarovski. Dabei betreut shotview manchmal ganze Produktionen, von der Ideenfindung über Styling und Make-up bis zum Catering. Ein derart umfassendes Service bietet auch das Fotolabor von Felix Leutner an, dessen Kundenkreis sich mit Namen wie Elke Krystufek, Eva Schlegel und Erwin Wurm mittlerweile wie das Who is Who der österreichischen Kunstszene liest: Wenn etwa ein Künstler bei ihm eine Ausarbeitung in Auftrag gibt, dann übernimmt Leutner mit seinen 14 Mitarbeitern nicht nur die Beratung, sondern lässt die fertigen Abzüge auch gleich transportieren und montieren, wenn das 19 Felix Leutner, Fotolabor Veronika Loudon und Moritz Stipsicz, Galerie Momentum » Wir fahren lieber die Qualitätsschiene. Unsere Kunden sollen wirklich sehr zufrieden sein. « gewünscht wird. Manche Künstler, so erzählt er, buchen auch tageweise Laboranten: Von ihnen erhalten sie dann Exklusivbetreuung. Garantiert ist diese bei Astrid Bartl, die als freie Fotografin allein arbeitet. Für Akquise und Verkauf ist sie selbst zuständig – zwar dachte sie einmal nach über eine Zusammenarbeit mit einer großen Fotoagentur, entschied sich dann aber doch dagegen. „Ich bin lieber freier“, argumentiert sie. Wenn Bartl von ihren bisherigen Fotoaufträgen erzählt, dann fragt man sich ohnehin, was sie eigentlich noch nicht gemacht hat: Begonnen hat sie mit Objektfotografie für Juweliere, später hat sie für das Nachrichtenmagazin „profil“ die österreichische Innenpolitik praktisch durchfotografiert, für Designer arbeitet sie ebenso wie für Weinbauern; und momentan gestaltet sie das Immobilienspecial der Zeitung „Österreich“. So richtig spezialisieren wollte sie sich nie – auch wenn es Aufträge gibt, die sie sehr gerne hat, wie die Reportagefotografie. „Da kommst du in andere Welten“, schwärmt sie. Derzeit nimmt sie etwas weniger Aufträge an – solche, die schlecht dotiert sind, lehnt sie mittlerweile kategorisch ab. Erich Lessing, der für die Agentur Magnum fotografiert hat, kostet etwa um die 5.000 Euro – für einen Fotografen seines Kalibers geradezu eine Okkasion. Und Arbeiten jüngerer Fotokünstler sind – je nach Auflagenhöhe – bereits ab 300 Euro zu bekommen. Der Kundenkreis von Momentum ist daher ein größerer als der anderer Galerien: Nicht die millionenschweren Großsammler spricht das junge Unternehmen an, sondern einfach „Leute zwischen 25 und 45, die ein höheres Einkommen haben“, wie Stipsicz formuliert. Mit der Fotogalerie hat Stipsicz Neuland betreten – dabei hatte er zuvor schon eine steile Karriere hingelegt: Zuletzt arbeitete er in der Unternehmensentwicklung von Wienerberger. Für die Kunst einen hochdotierten Job hinschmeißen – das muss Idealismus sein. „Ich besitze jetzt aber ein Knowhow, das nicht unpassend ist“, meint Stipsicz schlicht. Individuelle Karrieren. Nicht jeder startet in einem Groß- unternehmen wie Stipsicz. Rigaud etwa erinnert sich schmunzelnd an ihre ersten Schritte als Unternehmerin: „Ich habe, als ich in New York gelebt habe, einfach in jedem Fotolabor die Nummer meines Pagers aufgeklebt und Fotografen angeboten, für sie Organisation oder Buchhaltung zu erledigen.“ Ein bisschen anders geht Moritz Stipsicz, Geschäftsführer der Fotogalerie Momentum, an die Quantitätsfrage heran. Freilich ist auch ihm wichtig, dass die Fotografien, die er verkauft, hochwertig sind – allerdings, so erzählt er, „sind unsere Editionen günstiger als das meiste, was man in Kunstgalerien kaufen kann – jedoch hochwertiger und teurer als Poster“. Das ist ein schlagendes Verkaufsargument: Ein Abzug von 20 Astrid Bartl, Fotografin Und Astrid Bartl, die ihre Ausbildung auf der „Graphischen“ nach einem halben Jahr wieder abgebrochen hat, erzählt: „Ich habe zunächst bei anderen Fotografen assistiert und erst später selbst Aufträge bekommen: Ich habe mich bei Juwelieren vorgestellt – und schließlich für die Firma Wagner in der Kärntner Straße gearbeitet.“ Felix Leutner dagegen wurde in seinen Betrieb hineingeboren: Schon seit drei Generationen gibt es das Fotolabor – allerdings hat erst er es auf Kunstkurs gebracht. Sein Vater, sagt er, habe zwar bereits für Leute wie Valie Export oder Hermann Nitsch gearbeitet – allerdings fand er Künstler immer ein bisschen schwierig. „Aber genau das habe ich immer interessant gefunden“, meint der studierte Jurist. Klasse statt Masse lässt sich eben doch erst durch persönliches Interesse erreichen. Wenn einen dieses zu Alexander McQueen und Elke Krystufek bringt, dann hat man wahrscheinlich nicht nur einiges richtig gemacht, sondern auch einen eher kurzweiligen Alltag. Die Fotografenrepräsentanzagentur shotview hat neben dem Wiener Hauptsitz auch eine Dependance in Berlin. www.shotview.com Felix Leutner leitet das Familienunternehmen Fotostudio Leutner bereits in der dritten Generation. www.fotoleutner.at Veronika Loudon und Moritz Stipsciz eröffneten 2006 ihre Galerie Momentum für Fotokunst in Wien. www.momentum.co.at Die Fotografin Astrid Bartl arbeitet seit 1995 für Werbeagenturen und Magazine, wie zum Beispiel „profil“, „Die Zeit“ oder „trend“. www.fotograefin.com 21 Neue Bahnen – Altbewährtes. Mit Nullachtfünfzehn-Angeboten wird man in Zukunft keine Gäste mehr anlocken können – weder nach Österreich noch in den eigenen Betrieb. Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung, Rainer Ribing, Geschäftsführer der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft der WKO, sowie Andreas Gfrerer, Gründer des Arthotels Blaue Gans in Salzburg, erklären, wann und wie viel Kreativität im Tourismus notwendig ist. Barbara Schumy Die Getreidegasse in Salzburg: erklärtes Ziel unzähliger Touristen aus aller Welt, die in die Geburtsstadt des Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart kommen, um auf seinen Spuren zu wandeln, schnell irgendwo Salzburger Nockerln essen und in einem der unzähligen Souvenirshops Mozartkugeln erstehen. Doch am Ende der Getreidegasse findet sich ein österreichischer Betrieb, der seine Besucher nicht mit „Salzburger Klischees einfängt“, sondern mit zeitgenössischer Kunst. Wo statt Kitsch Modernes gezeigt wird, wo nicht Vergangenes geboten wird, sondern Tradition und Authentizität. Ein Paradebeispiel, das zeigt, wohin der Weg für österreichische Tourismusbetriebe gehen könnte? Lesung: Der Hotelier Andreas Gfrerer im Atelier der Künstler Julius Deutschbauer und Gerhard Spring in Wien 22 Neue Konzepte. Andreas Gfrerer, Gründer und Besitzer des Arthotels Blaue Gans in der Salzburger Innenstadt, hat bereits vor Jahren seine Bahn abseits des Mainstream eingeschlagen: 1997, mit nur 26 Jahren, entschloss sich der Salzburger, die Blaue Gans, ein vor mehr als 600 Jahren erbautes Haus in der Getreidegasse, das seine Eltern bisher verpachtet hatten, selbst zu übernehmen. Aus diesem renovierungsbedürftigen Gebäude hat der Jungunternehmer binnen weniger Jahre einen Betrieb gemacht, dem ein ungewöhnliches Konzept zugrunde liegt: Denn die Blaue Gans, das älteste Gasthaus in der Salzburger Innenstadt, ist Österreichs erstes und bislang einziges – von Gfrerer auch markenrechtlich geschütztes – Arthotel. „Es war für mich in den Anfangsjahren eine generelle Frage der Positionierung“, erklärt Gfrerer, der ausgebildeter Hotelmanager ist und vor seiner Selbständigkeit unter anderem im Wiener Hilton tätig war. Auf der traditionellen Schiene wollte er nicht fahren, wohl aber Traditionelles mit Neuem und im Besonderen mit zeitgenössischer Kunst verbinden. Nun einige Jahre später ist aus dem heruntergekommenen Gebäude ein Arthotel geworden. Das Vier-SterneHaus ist nun, wie Gfrerer sagt, „ein bewohnbares Kunstwerk auf Zeit, das seine Wurzeln dennoch im Erbe und in der Tradition findet“. So veranstalteten die Kunstaktivisten Julius Deutschbauer und Gerhard Spring bei Andreas Gfrerer im Rahmen des Mozartjahres 2006 ihre Lesung „Jedermanns Mozart in der Blauen Gans“. Dass sein Konzept polarisiert, weiß der Arthotel-Gründer. Trotzdem: Rund 90.000 Gäste finden sich jährlich in der Blauen Gans ein, um in den Gemäuern des traditionellen Wirtshauses bürgerlich und zu moderaten Preisen zu speisen, in der angrenzenden Bar im schicken Ambiente einen Caffè Latte zu schlürfen oder in einer der modern adaptierten und mit Kunstwerken ausgestatteten Suiten zu nächtigen. Gfrerer: „Die Blaue Gans ist ein Ort zum Sich-Zurückziehen und ein Zuhause für Menschen, die Individualismus zulassen und ihn auch leben wollen.“ 23 Der Tourismus in Zahlen: Betrag, um den die österreichische Tourismusbranche 2007 ihren Umsatz steigern wird, in Prozent: 2 Anzahl der Ankünfte inländischer und ausländischer Gäste 2006 in Österreich, in Mio.: 30 Anzahl der Nächtigungen in Österreich 2006, in Mio.: 119,3 Anzahl der durch die Fußball-Europameisterschaft 2008 in Österreich zusätzlichen Nächtigungen, in Mio.: 1 Umsatz der Tourismusbranche in Österreich 2006, in Mrd. €: 30 Anteil des Tourismus am österreichischen Bruttoinlandsprodukt 2006, in Prozent: 8,7 Anzahl der Arbeitsplätze, die 2006 in der österreichischen Tourismusbranche neu geschaffen wurden: 4.400 Anzahl der in der österreichischen Tourismus- und Freizeitwirtschaft 2006 neu gegründeten Betriebe: 2.797 Anzahl der Österreicher, die 2006 eine Urlaubsreise unternahmen, in Mio.: 5,2 Jahresbudget, das der Österreich Werbung zur Verfügung steht, in Mio. €: 50 Anzahl der weltweiten Vertretungen der Österreich Werbung: 33 Anzahl der Menschen, die bis zum Jahr 2020 65 oder älter sind, in Mio.: 700 Anzahl der Menschen, die 2006 angaben, sich mehr um ihre Gesundheit zu kümmern, in Prozent: 43 Jahr, in dem die Getreidegasse in Salzburg erstmals urkundlich erwähnt wurde: 1150 Jahrhundert, in dem die Blaue Gans als Gasthaus gebaut wurde: 16. Rainer Ribing und Petra Stolba im Hotel Triest in Wien Dass Individualismus im Tourismus immer wichtiger wird, davon ist Petra Stolba, Chefin der Österreich Werbung (ÖW) und ehemalige Geschäftsführerin der Bundessparte für Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO), absolut überzeugt. Einerseits beim Reisenden selbst: „Der Trend geht eindeutig vom klassischen Erholungs- hin zum Entfaltungstourismus.“ Will heißen: Ein Urlaub muss dem Reisenden das Gefühl geben, dass er seine Zeit und sein Geld sinnvoll eingesetzt hat. „Der Gast will nach dem Urlaub anders sein als davor“, meint Stolba. Keine Frage, dass dieses zunehmende Bedürfnis nach Individualität und Sinnstiftung beim Konsumenten auch mit entsprechenden Angeboten befriedigt werden muss. „Die Betriebe müssen heute und in Zukunft noch stärker einen Mehrwert und ein Erlebnis anbieten. Dazu braucht es Entrepreneurs, die mit Leidenschaft ihr Angebot selbst leben.“ Nur jene Angebote, die sozusagen die Erfahrungswelt des Unternehmers widerspiegeln und mit Leidenschaft gemacht werden, sind authentisch und stimmig. Herz und Seele eines Gastes sollten berührt werden, indem sich ein Hotelbesitzer auch so scheinbar nebensächliche Kleinigkeiten überlegt wie zum Beispiel, welches Bild wo und wie aufgehängt wird. Aber neben der „Hardware“, also der Ausstattung oder Einrichtung in einem touristischen Betrieb, ist auch eines notwendig: die Dienst- 24 leistung für den Konsumenten oder – in den Worten der ÖWChefin – „die Begegnungsqualität und das Servicedesign“. Oft genug wird Stolba von Unternehmern gefragt, was sie denn wie tun sollen. Ihre Antwort? „Man tut, was man ist.“ Kreativität hat für die Expertin nichts mit Erfinden zu tun, sondern mit Finden: sich selbst, seine Nische und neue Potenziale. Chancen können auch durch Kooperationen mit anderen Betrieben entstehen. Als Beispiel nennt Stolba „AllergieAlpin“, ein Netzwerk von Hotels, die sich auf Menschen mit Allergien spezialisiert haben und ihnen eine beschwerdefreie Erholung in den Alpen anbieten. Diese Hotelbesitzer haben aus natürlichen Gegebenheiten – der gesunden Höhenluft in den Alpen – einen einzigartigen Mehrwert geschaffen und (eine Zielgruppe) gewonnen. Dazu gehören Mut und Risikobereitschaft und das Verlassen der Nullachtfünfzehn-Schiene. Allerdings – räumt Stolba ein – ist dieser „kreative Prozess“ kein einfacher, vor allem für die vielen kleineren und mittleren Betriebe in Österreich. „Die KMU-Struktur in Österreich bringt zwar den Vorteil, differenzierte Angebote zu schaffen. Andererseits müssen sich die Unternehmer überlegen, wie sie gehört werden können.“ Für ausgefeilte Marketingaktionen fehlt kleineren Betrieben Geld und Zeit. Worauf Betriebe aber jedenfalls Wert legen müssen, ist Qualität und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. Genau bei qualitativen Tourismusangeboten sieht auch Rainer Ribing, seit wenigen Monaten Geschäftsführer der Bundessparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der WKO und Nachfolger von Petra Stolba, Potenziale für österreichische Betriebe. Sein Motto: „Gute Qualität für gutes Geld“. „Wobei“, betont Ribing, „es im Tourismus weniger darum geht, einfach nur Bedürfnisse zu befriedigen, sondern die individuellen Sehnsüchte.“ Selbst bei der 50+-Generation, die als Zielgruppe in Österreich im Kommen ist, findet ein grundsätzlicher Bedürfniswandel statt. „Die Sinne für Ansprüche der unterschiedlichen Zielgruppe schärfen“, fordert Rainer Ribing und weist gesondert auf die älteren Konsumenten hin: „Sie sind genau jene Zielgruppe, die für österreichische Betriebe wegen ihrer Reisetätigkeit in der Nebensaison interessant sind.“ Auch der als „Health Hedonist“ bezeichnete Urlauber ist ein neuer Konsumententypus: ein gesunder Genießer, also ein Reisender, für den Gesundheit und Genuss gleichermaßen wichtig sind. Die Trends im Tourismus sind eindeutig: Konsumenten, egal welchen Alters, sind anspruchsvoll, sehr mobil, erlebnisaffin und wünschen sich Nachhaltigkeit. „Die Schwierigkeit oder die Herausforderung ist nun, mit diesen neuen Touristengruppen umzugehen“, sagt Ribing. Sein Erfolgsrezept auf der Basis von Qualität ist ein einfaches: Gastfreundlichkeit und Kommuni- kationsfähigkeit. „Wenn dies scheitert, gibt es Missverständnisse“, so Ribing. Hier müssen sich österreichische Tourismusbetriebe entsprechend aufstellen. Neue Gäste und Zielgruppen müssen in Betrieben entspre- chend serviciert werden, das geht von Sprachkenntnissen (wie z. B. Speisekarten in der jeweiligen Landessprache) bis hin zum Wissen um deren Bedürfnisse und Angewohnheiten. Hier ist weniger Kreativität gefragt als simple Kommunikation, so Ribing. Statt Kreativen wünscht sich der Bundesspartengeschäftsführer auch eher Pioniere: Unternehmer, die neugierig und zukunftsorientiert sind und sich ihre Nische suchen. Ähnlich wie die beiden Maskottchen der Österreich Werbung, Joe und Sally. Jene zwei Pinguine, die mit ihrem Erfinder, dem Fotografen Willy Puchner, durch die Welt reisten und schließlich ihr Ziel gefunden haben: endlich Österreich! Andreas Gfrerer leitet seit 2002 das 400 Jahre alte Traditionshotel Blaue Gans in Salzburg als Arthotel. www.blauegans.at Rainer Ribing ist Geschäftsführer der Sparte Tourismus und Freizeitwirtschaft in der Wirtschaftskammer Österreich. www.wko.at Petra Stolba leitet seit November 2006 die Geschäftsführung der Österreich Werbung. www.austriatourism.com 25 Agnes Husslein-Arco, Belvedere Zuhause in einer der schönsten intakten barocken Schlossanlagen. Agnes Husslein-Arco – ein Porträt. Felicitas Herberstein Im Park des Schloss Belvedere entkommt man für einen Moment dem Stress der Großstadt. Wie die verliebten Pärchen auf den Bänken, die Mütter mit Kinderwägen oder die neugierigen Touristen. Zwischen dem 3. und 4. Bezirk ist eine wahre Ruheoase, der die Stadt ergeben zu Füßen liegt. Das Direktionsbüro ist, wie Agnes Husslein-Arco betont, ein Provisorium. Barocke Luster flirten mit gräulichem Bürointerieur aus früheren Jahrzehnten. Die Türen stehen offen, und die Stimme der Frau Direktor trägt durch die Zimmerfluchten. Worte einer starken Frau, die als erste Direktorin der Österreichischen Galerie angetreten ist, um diese zu der österreichischen Museumsinstitution zu machen. Agnes Husslein-Arco ist da, bevor sie den Raum betritt. „Die Agnes studiert Kunstgeschichte.“ Dass Agnes Huss- lein-Arco sich als Belvedere-Direktorin beworben hat, war kein Zufall. „Ich war bei fast allen Dingen die erste Frau – ob als Österreich-Chefin des Auktionshauses Sotheby’s oder nun im Belvedere“, sagt sie bestimmt und sieht sich gewissermaßen als Vorreiterin. „Es ist keine Frage, dass sich in den letzten Jahren immer mehr Frauen trauen, sich für Führungspositionen zu bewerben – auch in der Kunstszene.“ Jeder, ob Künstler oder 26 nicht, soll das machen, woran er Freude hat. Für sie selbst traf diese Entscheidung ihr Vater mit den einfachen Worten: „Die Agnes studiert Kunstgeschichte.“ Heute sagt sie, dass sie gar nicht wusste, was sie lieber wollte, und so blieb es dabei. „Dominante barocke Räume zu bespielen ist immer ein Kompromiss.“ Das Belvedere braucht als „Kompetenzzen- trum für österreichische Kunst“ keine neue, sondern eine klarere Positionierung. Profunde Recherche und Forschung sind die Hausaufgaben für den hohen wissenschaftlichen Anspruch. „Hier ist in den letzten Jahren zu wenig gemacht worden.“ Das prachtvolle Ambiente bezeichnet die Hausherrin als „Riesen-Asset“, doch „dominante barocke Räume zu bespielen ist immer ein Kompromiss“. Daher werden im Unteren Belvedere und in der Orangerie neue neutrale Räume für Ausstellungen geschaffen. Die Sammlung selbst mit den „Mona Lisas der österreichischen Kunst“ von Klimt bis Schiele und Kokoschka zieht jährlich Hunderttausende Besucher an. Mit zeitgenössischen „Interventionen“ wie Gudrun Kampls „Johann Lukas von Hildebrandt“ oder der Ausstellung „Gartenlust“ will die neue Direktorin vor allem die Neugierde der Österreicher wecken. „In Österreich ist immer noch viel aufzuarbeiten.“ Immer wieder entdeckt man neue Aspekte bei der „Erfindung“ von Ausstellungen. Es ist die große Herausforderung, trotz wissenschaftlichen Anspruchs spannend zu sein, ist Agnes HussleinArco überzeugt. Aus diesem Anspruch heraus wird auch die kommende Schau „Wien – Paris von 1880 bis 1950“ geplant. Viele österreichische Maler haben in Paris gelebt und gearbeitet, die zu ihrer Zeit sehr berühmt waren. Überhaupt sei Österreich international weniger als Wirtschaftsnation, sondern vielmehr für Kunst, Kultur, Musik und Sport bekannt. „Die Kunst ist und bleibt ein zentrales Thema. Der Staat hat die Aufgabe, öffentliche Mittel ohne Bitten und Betteln zur Verfügung zu stellen.“ Auch die junge österreichische Künstlergeneration steht in ihrer Kreativität und ihrem Talent nicht hintan, versichert sie. Direktoren hatten früher einfach zu wenig Courage, die Jungen zu fördern. „Privat bin ich eine Sammlerin.“ Ob Möbel, Luster, Objekte oder Schmuck – Agnes Husslein-Arco hat auch privat immer einen ausgeprägten Sammlertrieb gehabt. Verändert hat sich über die Jahre nur ihr Geschmack. War es Anfangs Jugendstil, sind es heute Design aus den 1950er und 1960er Jahren und zeitgenössische Malerei. Gar nichts hält sie allerdings vom „designten“ Körper, und sie würde sich niemals für Schönheit unters Messer legen. „Meine Mutter hat immer gesagt, ab einem gewissen Alter ist man für sein Gesicht verantwortlich.“ Lieber ein gesundes Leben und jene Disziplin, die sie der Eiskunstlaufspitzensport gelehrt hat. Und natürlich haben Familie und Freunde einen wichtigen Platz in ihrem Leben: „Man muss selbst die Grenzen setzen. Ich schaffe mir einfach die Freiräume für mein Privatleben.“ Agnes Husslein-Arco ist seit 1. Jänner 2007 die Direktorin der Österreichischen Galerie Belvedere. Die studierte Kunsthistorikerin und Enkelin des bekannten österreichischen Malers Herbert Boeckl war davor von 2001 bis 2005 Direktorin des Salzburger Rupertinums bzw. ab 2003 auch des Museums der Moderne Salzburg und leitete von 1981 bis 2000 als Geschäftsführerin Sotheby’s Österreich. www.belvedere.at 27 Gertraud Leimüller, Vorsitz der arge creativ wirtschaft austria Stephan Dorfmeister Roland Alton-Scheidl Die Kreativwirtschaft als Zukunftsbranche zu verankern und auf breiter Basis Bewusstsein zu schaffen für das Wertschöpfungspotenzial kreativer Leistungen: Mit diesem Ziel vor Augen übernahm Gertraud Leimüller mit Jahresbeginn den Vorsitz der arge creativ wirtschaft austria. Die in der Wirtschaftskammer angesiedelte Plattform, betont die 38-Jährige, „steht allen Creatives offen: Kammermitgliedern genauso wie freien Unternehmern oder sogenannten neuen Selbständigen – die Grenzen sind ja ohnehin längst durchlässig.“ Vom angestrebten Relaunch sollen alle gleichermaßen profitieren. Stärkere Bundesländerpräsenz, Überparteilichkeit und verbesserter Service lauten hier die Schlagworte. Dabei sollen auch Soft Skills vermittelt werden, etwa das richtige Einschätzen einer Situation oder der Umgang mit „schwierigen“ Auftraggebern. Doch sind die Etablierten bereit, ihre Erfahrungen an Jüngere – potenzielle Konkurrenten – weiterzugeben? Leimüller: „Das Echo ist sehr positiv. Und das, obwohl hierzulande immer noch Einzelkämpfer überwiegen. Im angloamerikanischen Raum ist man einen Schritt voraus, setzt viel mehr auf Kooperation statt auf Konkurrenz.“ Das Fördern von Netzwerken sieht das neue Team daher als wesentlichen Schritt in Richtung einer Dynamisierung der Branche. „Eine Möglichkeit ist die Bildung von Leistungsnetzwerken aus jeweils mehreren Betrieben“, so Networkingprofi Alton-Scheidl. Neben gezielter Lobbyingarbeit in der Öffentlichkeit und kammerintern geht es dem neuen Vorstand darum, Rahmenbedingungen zu schaffen, die den Dynamiken der Creative Industries gerecht werden. Ein Zehnpunkteprogramm liegt bereits auf dem Tisch. Leimüller – der als Stellvertreter Roland Alton-Scheidl und Stephan Dorfmeister zur Seite stehen – setzt bei den Startchancen für GründerInnen an: „Das System ist nach wie vor unternehmerfeindlich.“ Ebenso gelte es, Förderprogramme für den Kreativbereich zugänglich zu machen und bestehende Instrumente, etwa das ImpulsProgramm, auszubauen. Ein Problem ortet Leimüller im Mangel an Risikokapital für die Vermarktung von Kreativleistungen. Ein Creative Venture Fonds, unter Beteiligung der öffentlichen Hand und privater Investoren, könnte hier Abhilfe schaffen. Auch die steuerliche Behandlung von Kreativleistungen – Stichwort „Kreativfreibetrag“ – ist ein Thema, genauso wie die Verbesserung der sozialen Absicherung junger Unternehmer. Seit Anfang des Jahres leitet ein neues Team die arge creativ wirtschaft austria in der Wirtschaftskammer Österreich. Mit einem ambitionierten Maßnahmenpaket, das vor allem auf strukturelle Neuerungen setzt, möchte man den Kreativsektor in Österreich nachhaltig stärken. Sonja Illa-Paschen 28 Mit einer neuen Form eines Gründercoachings – am Pilotprojekt wird derzeit gearbeitet – will man vor allem näher an die Praxis: UnternehmerInnen aus dem Bereich der Creative Industries nehmen GründerInnen quasi an die Hand und geben ihnen Hilfestellung im unternehmerischen Alltag. Erneuerung durch Vielseitigkeit. „Innovation“, ist Gertraud Leimüller überzeugt, „passiert stets an Schnittstellen – dort, wo unterschiedliche Kompetenzen und Erfahrungswerte ineinandergreifen.“ Sie selbst setzte sich während ihrer Zeit in Harvard intensiv mit Innovationspolitik auseinander. Auch ihre eigene Biografie zeigt, dass Erfolg dort beginnt, wo gängige Kategorisierungen enden: Die promovierte Ernährungswissenschaftlerin war Wissenschaftsredakteurin, kam über die Politikberichterstattung zum Wirtschaftsjournalismus. Im Vorjahr gründete sie das Beratungsinstitut winnovation consulting, dem sie seither als Geschäftsführerin vorsteht. Gertraud Leimüller, geschäftsführende Gesellschafterin winnovation consulting GmbH. www.winnovation.at Roland Alton-Scheidl, stellvertretender Vorsitzender Fachhochschule Vorarlberg, betreibt die erste europäische Open-Source-Genossenschaft Creative Commons Österreich. www.CreativeCommons.at Stephan Dorfmeister, stellvertretender Vorsitzender und Label-Manager der Musikfirma G-Stone Recordings, Unternehmensberater und Projektentwickler. www.g-stoned.com 29 LOBBYING FÜR DIE KREATIVWIRTSCHAFT SOZIALE SICHERHEIT FÜR UNTERNEHMER Stellen wir eines zu Beginn für uns außer Streit: Die Kreativwirtschaft ist ein für Österreich zunehmend bedeutender Wirtschaftszweig. Neben Produktionskosten und Qualität entwickelt sich der kreative Anteil an Produkten und Dienstleistungen zu einem dominierenden Faktor für den Erfolg auf globalen Märkten. Unternehmerinnen und Unternehmer sind es gewohnt, Risiko zu tragen, Eigenverantwortung zu leben und Eigenvorsorge zu betreiben. Das Berufsbild des Unternehmers ist aber einem intensiven Wandel unterworfen. Karlheinz Kopf Harald Mahrer Rahmen gepresst werden. Das Problem ist evident: Die Kreativwirtschaft hat viele Stimmen, alles Virtuosen mit Berechtigung – aber einzeln verklingen die Stimmen im Wettstreit mit den anderen, perfekt abgestimmten großen Chören der Wirtschaft. Koordination sowie ein einheitliches Auftreten wären gefragt. © Elfie Semotan Weil die Politik ständig abwägen muss, wie sie knappe öffentliche Mittel zur Förderung bestimmter Wirtschaftszweige einsetzt und für welche Wirtschaftszweige sie die Rahmenbedingungen optimiert, benötigt die Kreativwirtschaft Lobbying. Simpel gesagt: Die Kreativwirtschaft muss ihre eigenen Interessen im Rahmen politischer Entscheidungsfindungen darstellen und auch durchsetzen. Sie steht damit in Konkurrenz zu anderen Wirtschaftszweigen und deren Eigeninteressen. Chor statt Kakophonie. Die Kreativ- wirtschaft hat es beim Lobbying nicht leicht. Kreativität bedeutet automatisch Buntheit und Vielfalt. Die Kreativwirtschaft mit ihren unterschiedlichsten Produkten und Dienstleistungen ist kaum fassbar, will auch nicht in einen 30 Kreativität einen Wert geben. Überzeugende Argumente sind weitere wichtige Aspekte für erfolgreiches Lobbying. Besonders entscheidend ist es, diese entsprechend öffentlich darzustellen. Gelingt es der Kreativwirtschaft anhand nachvollziehbarer Beispiele, ihren Nutzen für Österreich der Politik zu kommunizieren, dann ist die Aufklärungsarbeit schon fast getan. Wenn nicht mehr diskutiert werden muss, dass die Kreativwirtschaft einen steigenden Wert für Österreich hat, dann existiert eine solide Grundlage für den allesentscheidenden Schritt im Lobbying. Anhängerschaft sichtbar machen. Politik reagiert nicht allein auf Fakten, basiert nicht immer auf rationalen Nutzen-Überlegungen. Politische Systeme reagieren am stärksten auf Druck. Die Kreativwirtschaft muss daher in ihren Lobbying-Anstrengungen Druck entwickeln. Politik setzt intuitiv Druck mit Drohpotenzial gleich. Dieses misst sie über die relative Bedeutung der potenziellen Anhängerschaft – und damit politischer Macht – bestimmter Gruppen. Im Fall der Kreativwirtschaft wären das wohl alle Kunden und solche, die es werden könnten. Diese müssen im Lobbying-Prozess sichtbar gemacht werden. Beispiele, Bilder und Botschafter. Ist der Chor der Kreativwirtschaft einmal aufeinander abgestimmt und liegen die Argumente auf dem Tisch, dann kann die politische Anhängerschaft über Beispiele, die die Breite der Kreativwirtschaft, aber auch der Käuferschaft darstellen, inszeniert werden. Am einfachsten geht dies über eindrucksvolle und einprägsame Bilder und über bekannte Repräsentanten der Kreativwirtschaft, die diese Bilder gemeinsam mit den Forderungen als glaubwürdige Botschafter in die Politik tragen. Erfolgreiches Lobbying für die Kreativwirtschaft ist möglich, muss aber Realitäten schaffen und Druck generieren, ganz wie konkurrenzierende Wirtschaftszweige. Erst dann wird die Kreativwirtschaft von der Politik wahrgenommen werden und Einfluss erlangen. Tut sie dies nicht, wird sie für die Politik weiter nicht existieren. Protagoras, der athenische Philosoph der Antike, würde der Kreativwirtschaft vielleicht seinen berühmten HomoMensura-Satz mit auf den Weg geben: „Der Mensch ist das Maß aller Dinge, derer die sind, dass sie sind, und derer die nicht sind, dass sie nicht sind.“ Die Zahl der Kleinstunternehmerinnen und -unternehmer – insbesondere der Einpersonenunternehmen – steigt unaufhaltsam, und auch die Übergänge von der Unselbständigkeit in die Selbständigkeit werden fließender und häufiger. Fließende Übergänge, Wechsel und Mobilität sind vermehrt die bestimmenden Merkmale. Zukunftstraum Gleichstellung. Ent- schließt sich jemand zur Selbständigkeit, soll er dafür nicht eine Verschlechterung seiner sozialen Absicherung in Kauf nehmen müssen. Um diese Zielsetzung zu erreichen, gibt es viel Mosaiksteine, die zusammengesetzt ein schönes Bild ergeben: Das Bild zeigt einen Selbständigen und einen Unselbständigen, die sozial abgesichert und hinsichtlich ihrer sozialen Sicherheit gleichgestellt sind. Das betrifft insbesondere: – „Zukunftsvorsorge“ für Selbständige als weitere freiwillige Vorsorgemöglichkeit nach Vorbild der „Abfertigung neu“. – Ausdehnung der Möglichkeit der Aufstockung der Pensionsbeiträge für Unternehmer, beispielsweise durch freiwillige Höherversicherung. – Steuerliche Absetzbarkeit für Kinderbetreuung und Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger. Harald Mahrer ist geschäftsführender Gesellschafter der Pleon Publico PublicRelations & Lobbying. [email protected] – Rasche Einbeziehung der Selbständigen in eine freie Arbeitslosenversicherung mit zumutbaren Beiträgen – vergleichbar dem Arbeitnehmerbeitrag bei den Unselbständigen. Die Hilfe für Selbständige im Krankheitsfall – hier wurde dem Wunsch vieler kleiner und mittlerer Unternehmer entsprochen – wurde ab 1. April günstiger: Billigere Zusatzversicherung. Vor allem in Kleinunternehmen kann eine länger andauernde Krankheit oder ein schwerer Unfall des Betriebsinhabers rasch zu einer finanziellen Notsituation führen. Anders als Dienstnehmer, die im Erkrankungsfall ihr Entgelt weitergezahlt bekommen, erhalten Selbständige für einen krankheitsbedingten Einkommensentfall keinen Ersatz. Die Gewerbliche Sozialversicherung bietet für solche Fälle eine freiwillige Zusatzversicherung an, die jetzt attraktiver gestaltet wird. Diese Versicherung können alle aktiven Erwerbstätigen bis zum 60. Lebensjahr abschließen, die in der gewerblichen Krankenversicherung pflichtversichert sind. Die Kosten betragen statt 4,25 künftig nur noch 2,5 Prozent der Beitragsgrundlage. Auch bei einem schlechten Gesundheitszustand und damit verbundenem höheren Erkrankungsrisiko erhöht sich die Prämie nicht. Als Leistungen der Zusatzversicherung erhält man Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit infolge Erkrankung und Taggeld bei Spitalsaufenthalten. Abg. z. NR Karlheinz Kopf ist Generalsekretär des Österreichischen Wirtschaftsbundes und stellvertretender Obmann der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft. [email protected] 31 ROCHUSPARK ORI-GAMI „Working at Home – Raum für Arbeit und Wohnen“ war das Motto des Designwettbewerbs von Vitra an der New Design University St. Pölten im Wintersemester 2006 / 2007. Ende März wurden die Siegerprojekte prämiert. „Ästhetisch und funktional im Sinne von Mobilität“, lautete die Beurteilung der Jury über das Siegermodell „Ori-Gami“ des Studenten Peter Gehrer. Der Entwurf werde vor allem dem Vitra-Anspruch der „Reduziertheit im Design im Sinne der Nachhaltigkeit“ gerecht. Als Gewinn des Wettbewerbs winkt ein Besuch des Vitra Design Workshop in Boisbuchet. www.vitra.com Die Stadt hat einen neuen Ort. Rochuspark öffnet im Mai 2007 seine Tore und bietet Selbständigen und UnternehmerInnen einen wunderbar unkonventionellen Arbeitsraum. Das Konzept, von Stefan Leitner-Sidl und Michael Pöll bereits in der Schrauben- und Hutfabrik erfolgreich erprobt, wird in ihrem dritten Projekt erweitert um Studios, Designer-Shop, Lokal und Clubraum. Kreative Arbeitsplätze unter www.rochuspark.at M-ARS Kunst und Supermarkt? Ein Widerspruch? Nicht für Christian Smretschnig, der am 26. April in der Wiener Westbahnstraße 9 den ersten Supermarkt für bildende Kunst eröffnet. Für die Qualitätssicherung der Objekte sorgt ein Kuratorium, bestehend aus fünfzig KunstexpertInnen. Der Preis der Kunstobjekte bewegt sich zwischen 9,90 und 899,90 Euro. www.m-ars.at MOZART GOES KOREA Wie komponierte Mozart? Für die Ausstellung „Viva! MOZART“ schuf die Wiener Firma Audite eine Musikinstallation: Mittels Touchscreen kann die Instrumentierung eines Mozartwerks in Echtzeit mitverfolgt und verändert werden. Die in einer Vitrine beigestellten Originalinstrumente reagieren auf die musikalischen Eingriffe. Ab 16. Juni im Fine Art Museum des Sejong Center in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul. www.audite.at FILM AB! Rund 5.000 Personen werden sich am 24. Mai 2007 für zwei Stunden auf dem Campus der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien aufhalten. Die wie eine filmische Massenszene inszenierte Aktion gibt Anlass, das Studiogebäude innerhalb des Campus zu thematisieren und seine Lage in der Stadt neu zu definieren. Das Projekt „Film ab!“ von Nicole Six und Paul Petritsch ist das Ergebnis eines von der BIG (Bundesimmobiliengesellschaft) ausgeschriebenen Wettbewerbs zur Gestaltung der Filmstudios Wien auf dem Campus der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. www.big.at 32 DANKE, MIR GEHT’S GUT CREATIVESPACE.AT www.creativespace.at ist eine Onlineplattform der Wirtschaftskammer Wien, die eine neue Dimension der Vernetzung von Unternehmen und der Kreativbranche ermöglicht. Ziel ist es, wechselseitige Inspiration anzuregen und neue Wege der Zusammenarbeit zu eröffnen. Kreativen bietet die Plattform die Möglichkeit zur Eigenpräsentation. Unternehmen bekommen einen Überblick über die Bandbreite kreativen Schaffens in Wien und können auf direktem Weg Partner für Kreativprojekte finden. www.creativespace.at ©Andexer Moosbrugger WETTBEWERBE ONLINE Da Lebensfreude für alle da ist, hat die „Göttin des Glücks“ eine innovative Modekooperation mit EZA Fairer Handel gestartet: Im Rahmen der Kollektion „Danke, mir geht’s gut“ wird ausschließlich Baumwolle aus ökologischem Anbau und fairem Handel verarbeitet. Die neue Sommerkollektion 2007 wurde anlässlich einer MAK-Nite im April präsentiert. Wo? Im „Studio“ im 7. Bezirk sorgen für die richtige Kleidung der Wanderung durch diverse Lebensräume „Aphrodite“ und weitere Designer-Töchter: Das Studio vertritt Labels wie „Göttin des Glücks“, „Dessi’gned“, „Monikova“, „Unartig“, „Milch“ und „Igor Zeus“. www.das-studio.at Das neue Internetportal der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten (BAIK) bündelt österreichische Architekturwettbewerbe und -ausschreibungen. Durch zentrale Kommunikation und vereinfachte Abläufe werden die Wettbewerbsverfahren für die gesamte Branche übersichtlich dokumentiert und die Teilnahme erleichtert. www.architekturwettbewerb.at ©Wolfgang Pohn 33 AUF DEN PUNKT GEBRACHT CREATIVE SESSIONS Mario Pricken entwickelte mit 60 Kreativen 850 Rohideen für neue TV-Formate. Davon wurden 230 als Konzeptansätze zu TV-Shows weiterentwickelt. Nun hat er diese im Internet frei zugänglich gemacht, „um dem üblichen Ideenklau der Branche vorzubeugen“, wie er erklärt. Hintergrund dieses Projekts: Pricken entwickelte neue Tools des Ideenmanagements, die es ermöglichen, Ideen in großen Mengen – jenseits des puren Zufalls – zu generieren. www.mariopricken.com Bundesminister Johannes Hahn über seine Einstellung zum Joggen, über Erfolge und Misserfolge, über Design, Architektur und Literatur. Was treibt Sie an? Die Leidenschaft am Gestalten. Wo und wie kommen Ihnen die besten Ideen? SHOPARCHITEKTUR Wenn ich mich bewegungslos konzentriere. Klaus und Marlies Mühlbauer – bislang auf Kopfbedeckungen konzentriert – definieren mit ihren neu eröffneten Shop MODE MÜHLBAUER in Wien nun auch einen Bekleidungsstil, passend zu den Hüten. Unterstützt werden sie dabei durch die Modedesignerin und neue Shopmanagerin Heike Vieweger. Wie beim Hutgeschäft wurde auch hier das deutsch-italienische Architektenduo Kühn Malvezzi mit der Planung des Shops beauftragt. www.muehlbauer.at Wie würde Ihre virtuelle Persönlichkeit (Avatar) im Internetspiel „Second Life“ aussehen? Ich lebe mal mein First Life. Welches Designmöbel war das erste, das Sie sich gekauft haben? Ein biegbares Bücherregal für meine Wohnung. Was ist wichtiger, die Verpackung oder der Inhalt? Der Inhalt. Doch muss ich zugeben, dass man sich doch hin und wieder beeinflussen lässt und von der Verpackung auf den Inhalt schließt. MUSIKALISCHES VERLANGEN Schon seit ihrer Gründung drückten die Klangspuren Schwaz die Überzeugung aus, dass Neue Musik ein Bedürfnis, ein menschliches Verlangen einlöst, zu dessen Erfüllung kein anderes Medium – weder andere Kunst noch Philosophie oder Wissenschaft – in der Lage ist. 2007 fokussiert sich der Blick in Schwaz auf das aktuelle Musikschaffen Zyperns und die junge österreichische Szene mit Christof Dienz, Johannes Maria Staud und Georg Friedrich Haas. Schwaz 7. bis 22. September 2007. www.klangspuren.at CITY NOMADE Der gepolsterte Klappsessel „City Nomade“ des Grazer Designers Dieter Paul machte das Rennen im Kreativwettbewerb der Firma Kohlmaier Wien. Das nicht nur edle, sondern auch praktische Möbel hat sich unter fast sechzig Einreichungen durchgesetzt und ist jetzt Teil der jungen Kollektion des Traditionsunternehmens. www.kohlmaier.at 34 Drei österreichische Autoren, die Sie sehr schätzen? Stefan Zweig, Ernst Jandl, Ernst Hinterberger. Das letzte Bauwerk, das Sie architektonisch beeindruckt hat? Die Alhambra in Granada. Was ist Erfolg für Sie? FREIRAUM KREATIVITÄT „Es gibt unzählige Möglichkeiten, unser Potenzial, unsere Ideen, unsere Inspiration erlebbar zu machen, auszudrücken und umzusetzen“, meint Sandra Eckersdorfer, die BWL studierte und auf eine langjährige Erfahrung als Wirtschaftsberaterin zurückblicken kann. Heute bietet sie Workshops der anderen Art an: Durch künstlerisch-kreative Methoden hilft sie den Teilnehmern, Impulse für den beruflichen oder privaten Alltag zu gewinnen. www.eckerstorfer.net Ziele, die ich mir gesteckt habe, erreichen. Was ist Misserfolg? Wenn scheinbar gute Argumente nicht überzeugen. Zu welcher Musik tanzen Sie? Zu welcher joggen Sie? Ich tanze gerne auf Bällen. Wieso nehmen Sie an, dass ich jogge? Meine Reise führt mich … … in die schönsten Städte am Mittelmeer! Johannes Hahn ist Bundesminister für Wissenschaft und Forschung. www.bmwf.gv.at 35 Wie findet die allerorten beschworene Kreativität Einzug in zahlenorientierte Unternehmen? Wird der Kunst heute noch jener experimentelle Freiraum geboten, den sie zum Atmen braucht? Hat die Kunst die Kraft, Wirtschaft und Gesellschaft zu verändern? Brigitte Jank, Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien, begegnet Stephan SchmidtWulffen, dem Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien, und Gerald Bast, dem Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien. Wie können Wirtschaft und Kunst voneinander profitieren? Kunst, oder löst sich das auf? Andererseits: Wie innovativ ist denn das Kunstsystem tatsächlich? Brigitte Jank Der Wirtschaft geht es darum, die künstleri- Stephan Schmidt-Wulffen Wir haben ein Kommunika- schen und kreativen Potenziale, die in der Gesellschaft vorhanden sind, zu nutzen, und zwar mit dem ehrlichen Anspruch, dass beide Seiten etwas davon haben. Ich will als Vertreterin der Wirtschaft aufzeigen, was Kreative für Chancen in der Wirtschaft haben. Die sogenannten Kreativen sind in der Regel keine Wirtschaftsdenkenden, da sie eben künstlerische Ansprüche haben. Auf der anderen Seite müssen sie sich mit einem Mindestmaß ökonomischer Grundvoraussetzungen vertraut machen, um ihre eigene Lebensart abzusichern. Durch Kooperationen oder die Aufnahme von Mitarbeitern kann man, vor allem im angewandten Bereich, Wachstum erreichen. tionsproblem. Es herrscht großes Interesse von Seiten der Industrie und auch der Politik. Da wird von Kreativität und Kunst geredet, das endet aber manchmal in Enttäuschung. Was häufig in den Blick gerät, ist ein Werk, ein Produkt, das man im öffentlichen Raum präsentieren kann. Für uns ist es ein großes Anliegen, klarzumachen, dass wir für eine immer wichtiger werdende Form stehen, wie man Wissen gewinnt. Die klassischen Universitäten stehen für rationales Wissen. Es gibt aber ein verschüttetes Wissen, das das kreative Denken repräsentiert. Die großen Wirtschaftsuniversitäten bieten heute Module für Kunst und ästhetisches Wissen an, dieser Transfer ist also schon im Gange. Sie sprechen Kooperationen an. Welche konkreten Möglichkeiten bietet die Wirtschaftskammer – beispielsweise einem Absolventen oder einer Absolventin der Akademie der bildenden Künste Wien? Wie fruchtbar ist dieser Austausch? Schmidt-Wulffen Naheliegend sind Kooperationen, wie sie » Es muss ein Freiraum für Menschen bestehen, die ein oder zwei Jahre über etwas nachdenken möchten und vielleicht auch daran scheitern. « Moderation: Matthias Raftl Stephan Schmidt-Wulffen Stephan Schmidt-Wulffen, Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien, und Brigitte Jank, Präsidentin der WK Wien Jank Die Wirtschaftskammer Wien hat die Plattform www. creativespace.at gegründet, die demnächst im Internet online gehen wird. Dort bekommen künstlerische Menschen die Möglichkeit, sich zu präsentieren, und gleichzeitig holen wir die etablierten Unternehmen mit hinein. Die Unternehmen sollen dort einen völlig neuen und überraschenden Zugang zu künstlerischen Prozessen gewinnen, von dem sie nicht einmal wussten, dass es ihn gibt. Ein anderes sehr fruchtbares Projekt war der Designwettbewerb „Light Up“, durch den die Wiener Weihnachtsbeleuchtung flächendeckend erneuert werden sollte. Da haben wir insgesamt fünf Millionen Euro in die Hand genommen. Die Akademie der bildenden Künste Wien muss einen grundsätzlichen Freiraum zur künstlerischen Entfaltung bieten. Gibt es einerseits bei den Studentinnen und Studenten noch diese Mauern zwischen Ökonomie und 36 der Verbund mit unserer Fotoklasse gemacht hat, die in den Konzern ging, um das Unternehmen mit ihren künstlerischen Mitteln zu betrachten. Unsere Suche nach Partnern bezieht sich aber ganz elementar darauf zu sagen, nehmt uns doch als Grundlagenforscher genauso ernst wie die Physik oder Chemie an der TU. Können Sie zu diesem grundlegenden kreativen Prozess auch konkrete Ergebnisse vorlegen? Schmidt-Wulffen Sie kennen das geflügelte Wort, dass zwei Prozent der KünstlerInnen als KünstlerInnen Karriere machen, und der Rest fährt Taxi. Das stimmt nicht. Wir wissen heute, dass sehr viele aus dem künstlerischen Studium, und zwar etwa 60 Prozent unserer AbsolventInnen, erfolgreich in Berufe gehen, die nicht in engerem Sinn künstlerische sind. Erinnern Sie sich an Michelangelo, der meinte, die Figur stecke schon 37 im Marmor, er müsse sie nur herausschälen. Dieses Hinschauen, dieses Sich-selbst-korrigieren-Können, dieses Lernen von der Wirklichkeit, diese Fähigkeit braucht man auch in der Industrie. Mensch, auch der schöpferische Unternehmer, muss aus Regel und Regellosigkeit Strukturen wachsen lassen und immer wieder bereit sein, diese in Frage zu stellen. Das ist ein extrem künstlerischer Prozess. Das kann man in Kunstakademien gut trainieren. Jank Auch mir geht es vordergründig nicht um das Produkt, mir geht es ganz genau um diese besondere künstlerische Sichtweise. Etwa der Bereich der sozialen Kompetenz ist etwas, das künstlerische Menschen sehr gut in ein Unternehmen einbringen können. Das sollte verstärkt von der Wirtschaft gesehen und genutzt werden. Schmidt-Wulffen Man muss sich aber hüten, das zu biologisieren. Jemand ist nicht KünstlerIn, wie er oder sie WienerIn ist. Kunst ist eine geistige Kompetenz, jemand arbeitet als KünstlerIn. Wenn man frühstückt, ist man noch kein/e KünstlerIn. Das bedeutet für die Unternehmen erst mal, dass da eine mentale Kapazität zur Verfügung steht. Sie sprechen von künstlerischem Grundlagenwissen. Was kann denn nun eine Managerin oder ein Manager von einer Künstlerin oder einem Künstler lernen? Schmidt-Wulffen KünstlerInnen merken permanent, wo eine Struktur, eine Sprache ist. Sie haben eine intuitive Kenntnis, wie ihnen Strukturen unter der Hand wachsen und wie sie aus dieser Struktur rauskommen. Jeder schöpferische Wie offen ist die Wirtschaft tatsächlich für künstlerische QuerdenkerInnen? Ist die heimische Wirtschaft zu wenig mutig für große Renommierprojekte? Es gibt heute auch kaum noch KünstlerInnen, die sich ausschließlich auf ein Medium beschränken. Einerseits sprechen wir von der Kreativwirtschaft. Andererseits ist es ein spannendes Thema, wie künstlerisch-innovative Prozesse für die Führung von Unternehmen, für das Management selbst nutzbar gemacht werden können. Wie beurteilen Sie diese Möglichkeiten? Brigitte Jank Es gibt verschiedene Schichten, wo sich Wirt- Jank Wien ist historisch wohl das Paradebeispiel des Leben- lassens und wirtschaftlichen Nutzenziehens von Kunst. Ich lege in meiner Arbeit verstärkt den Fokus auf drei Begriffe: Qualität, Innovation und Kreativität. Das sollten für die Wirtschaft jene Kriterien sein, durch die wir uns als kleines Land in einer globalen Welt positionieren können. Schmidt-Wulffen Die Wirtschaft ist zwangsläufig ein Bereich einer ganz klaren Finalisierung des Einsatzes auf die Ergebnisse. Die Kunst ist aber ein Bereich, der dadurch kostbar wird, dass er nicht durchfinalisiert ist. Es muss auch den Appell an die Wirtschaft geben, dass sie diesen ganz anderen Bereich mit Leidenschaft mitunterstützt und erhält. Das kulturelle Kapital besteht darin, sich auch Bereiche zu gönnen, die nicht effizient sein müssen. Es muss ein Freiraum für Menschen bestehen, die ein oder zwei Jahre über etwas nachdenken möchten – und vielleicht auch daran scheitern. schaft, Kunst und Kreativität treffen. Und dann gibt es einen Bereich, wo Kunst für sich ein Verständnis verlangt abseits wirtschaftlicher Betrachtung. Im Bereich der Forschung gibt es die angewandte und die Grundlagenforschung. Im künstlerischen Bereich steht die angewandte Kunst, wo sich Wirtschaft und Kunst bereits treffen, neben anderen Disziplinen, die machbar sein sollen, ohne dass sie sich wirtschaftlichen Überlegungen unterziehen müssen und wo im Extremfall auch das Ergebnis überhaupt ausbleiben kann. Uns liegt natürlich der erste Ansatz näher, weil er unmittelbar an unserem wirtschaftlichen Geschehen liegt. Es geht nicht nur um Produkte, sondern auch um kreative Prozesse. Dieser Ansatz ist unglaublich wichtig, es gibt Unternehmen die Möglichkeit, sich weiterzuentwickeln. Hier greift auch unsere Plattform creativespace.at, die den Firmen aufzeigen soll, was es gibt und was sie vielleicht noch nicht kennen. Bast Zum so wichtigen Stichwort Forschung: Was wären die » … eine Intensivierung der projektbezogenen Kommunikation zwischen Kreativen und Unternehmen wäre ganz wichtig. « Gerald Bast Gerald Bast, Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien Begriffe wie „Kreativwirtschaft“ einerseits und „Kreative“ oder „KünstlerInnen“ andererseits decken natürlich ein breites Spektrum ab. Sehr unterschiedliche Disziplinen sollen unter einen Hut gebracht werden. Wie können aus Ihrer Sicht die Verbindungslinien zwischen Kunst, Universität und Wirtschaft am besten gestaltet werden? Gerald Bast Unser Haus, die Angewandte, veranschaulicht am besten, worum es geht. Gerade diese extrem breite Palette von Architektur über alle Sparten und Facetten des Designs, von der Mode bis zum Grafik- und Landschaftsdesign bis hin 38 zur Malerei und der Medienkunst veranschaulicht, dass die Verschränkung und Vernetzung immer stärker wird und dass die strengen Trennlinien zwischen freier und sogenannter angewandter Kunst immer schwimmender werden. Es geht darum, Lösungen für die Menschen und die Wirtschaft anzubieten, die gleichermaßen Innovation bedeuten und ästhetisch wie ökonomisch funktionieren. Erfolgreiche Unternehmer und Unternehmerinnen der Wirtschaft haben genau die Eigenschaften, die auch Kreativen zu Eigen sind: nämlich den Mut, neue Wege zu gehen, hartnäckig an den eingeschlagenen Weg zu glauben sowie das Vertrauen auf die Kraft der Ideen. Wirtschaft und die Grundlagenforschung ohne den Wissenschaftsfonds FWF und die angewandte Forschung ohne den Forschungsförderungsfonds FFF? Diese Instrumentarien zur Stimulierung der Forschung gibt es im Kunstbereich nicht. Das wäre ganz wichtig. schen Unternehmen und Kreativen, wenn man große Themen identifiziert. Da müsste man breite Plattformen zwischen KünstlerInnen, Wirtschaftstreibenden, Städten, Städteverbänden und Universitäten schaffen. Das hätte eine enorme Kraft. Die wirklichen Impulse in der Welt gingen immer von derartigen Verbindungen unterschiedlicher Player aus. Es ist kein Zufall, dass Silicon Valley so eine Ikone ist, dort ist es passiert. Dort sind Produkte entwickelt worden, von denen niemand dachte, dass sie sinnvoll oder möglich wären. Genau das müssten wir in Österreich auch schaffen – über die positiven Ansätze hinaus, die es gibt. Warum gibt es diese Kooperationen nicht schon in verstärktem Ausmaß? Von wem müsste da die Initiative ausgehen? Bast Es ist eigentlich nicht verwunderlich, wenn man sich anschaut, wie die Leute arbeiten. Die UnternehmerInnen haben das primäre Ziel, Dinge zu produzieren, von denen sie wissen oder annehmen, dass es dafür einen Markt gibt. Und die Kreativen haben das Ziel, einen Auftrag zu bekommen, von dem sie leben können. Jank An und für sich funktioniert es ja schon auf dieser Ebene. Betrachten wir den Bereich der Informationstechnologie. Dort ist sehr viel passiert, weil offensichtlich sehr kreative Köpfe eine Nachfrage geschaffen haben, wo die normalen Lebensbedürfnisse bereits gesättigt sind. Wir konsumieren darüber hinausgehend meist nur noch, wenn uns ein Produkt angeboten wird, das wir aufgrund des Neuen, des Kreativen, des Spannenden für unser Leben annehmen. Das kreative Potenzial muss aber abseits der großen Konzerne, die es sich leisten können und holen, auch für die vielen kleinen Unternehmen nutzbar gemacht werden. Jank Zumindest im angewandten Bereich sind die Mittel, die für die Creative Industries aufgebracht werden, im Förderungsbereich vergleichbar. Bast Was die Prozesse betrifft, wäre eine Intensivierung der projektbezogenen Kommunikation zwischen Kreativen und Unternehmen ganz wichtig. Genauso wenig wie in der Forschung ist es in der ästhetischen Entwicklung so, dass die einen ein Produkt haben und die anderen dieses Produkt wollen. Bei Kooperationen von KünstlerInnen und Unternehmen ist es zumeist für alle Beteiligten überraschend, was schlussendlich rauskommt. Man findet potenzielle Ergebnisse und Ideen, auf die vorher niemand gekommen wäre – weder die Kreativen noch die Unternehmen. Es ist also nicht einfach ein Warenaustausch, sondern ein Kommunikationsprozess, wo beide einen Input geben und beide am Schluss überrascht sind, was man für Möglichkeiten erkennen kann. Bast Was nötig ist, sind aber auch die von mir zuvor ange- dachten gemeinsamen Plattformen, die weder die Kammer noch die Wirtschaftstreibenden und Universitäten alleine bilden können, wo die großen Themen dieser Zeit und der Gesellschaft angegangen werden. Dort sollte geklärt werden, wo die Potenziale liegen und was in zehn Jahren sein wird. Da werden wahrscheinlich achtzig bis neunzig Prozent der Ideen nicht umgesetzt werden. Aber die übrigen zehn oder fünf Prozent haben dann die Kraft, die Wirtschaft und Gesellschaft zu verändern. Brigitte Jank ist seit 2004 Präsidentin der Wirtschaftskammer Wien. Sie startete zahlreiche Initiativen für die Kreativwirtschaft. Die jüngste darunter: www.creativespace.at Stephan Schmidt-Wulffen ist seit 2002 Rektor der Akademie der bildenden Künste Wien und wurde kürzlich für eine zweite Periode wiederbestellt. www.akbild.ac.at Wie müssten solche Kooperationen aussehen? Bast Da gäbe es viele Bereiche in der Kommunikation zwi- Gerald Bast ist Jurist und Wirtschaftswissenschaftler. Seit 2000 ist er Rektor der Universität für angewandte Kunst Wien. www.dieangewandte.at 39 Das neue Selbstverständnis der jungen Bauerngeneration in knackig-erotische Bilder zu übersetzen ist Ziel des österreichischen Jungbauernkalenders. Das gelingt durch eine Ästhetik, die gängige Klischees mit Charme und fotografischer Meisterschaft unterwandert. Sonja Illa-Paschen Oliver Gast, Fotograf, und Katrin Rödlach, Generalsekretärin der Österreichischen Jungbauernschaft Aus Tausenden Bewerberinnen und Bewerbern wurden in den vergangenen Monaten die Models für den Jungbauernkalender 2008 ausgewählt. Die Kriterien: Ausstrahlung, Attraktivität und eine nachweisbare Beziehung zur Landwirtschaft. Dass alle Abgebildeten tatsächlich auf einem Bauernhof aufgewachsen sind oder derzeit dort leben macht schließlich die Authentizität des „österreichischen Pirelli-Kalenders“ aus. „Und die ist maßgeblicher Teil seiner Erfolgsgeschichte“, weiß Katrin Rödlach, Generalsekretärin der Österreichischen Jungbauernschaft. Den jährlich wechselnden Fotografinnen und Fotografen war es dabei von Anfang an wichtig, ihre Models nicht als Schauobjekte vorzuführen, sondern in offenen, teils frechen Bildern Selbstbewusstsein und Würde herauszustrei- Shooting hat für ihn nicht zuletzt den Reiz, „dass hier Laien vor der Kamera stehen. Das stellt ganz andere Anforderungen an einen Fotografen als die Arbeit mit Profis. Die zwischenmenschliche Ebene tritt viel stärker hervor.“ 40 chen. Schließlich bedient die traditionelle (städtische) Fremdwahrnehmung des Themas zumeist Extremvorstellungen sogenannter bäuerlicher Erotik, die dem modernen Image der jungen Bauernschaft zuwiderlaufen. Die Herausforderung an die Fotografen besteht also auch darin, diese Klischees aufzugreifen, um sie durch unerwartete Ästhetik wieder zu brechen. Surreale Optik. Luise Hardegg und Marcel Schnellinger etwa spannten für die Edition 2007 „einen Bogen zwischen nahezu kitschiger Landromantik und der modernen und trashigen MTV-Generation“. Oliver Gast, Fotograf der kommenden Ausgabe, setzt seine Models betont plastisch in Szene und erreicht damit eine fast surreale Optik. Das laufende Neues Kultobjekt. Ebenso fanden Elfie Semotan, eine der her- ausragenden Persönlichkeiten der zeitgenössischen Fotografie – ihr Jungbauernkalender 2005 wurde in Stuttgart mit dem Internationalen Kodak Fotokalenderpreis ausgezeichnet –, Peter Manninger oder Venus-Preisträgerin Cathrine Stukhard für ihre Werke sehr persönliche Bildsprachen, die optische Brüche provozieren und gerade deswegen Anbindung finden an die Realität der jungbäuerlichen Lebens- und Arbeitswelt. Das Konzept kommt an, der Kalender ist längst zum Kultobjekt erhoben: Ob „Girls“ oder „Men“, die streng limitierten Editionen wurden bislang stets in kürzester Zeit verkauft, auch nach Deutschland, Italien und in die USA. Die Schweiz hat mittlerweile ihren eigenen Nachahmer-Kalender, und den österreichischen gibt es auch als „Bayern-Ausgabe“ mit zur Hälfte deutschen Models. Die Jungbauernkalender 2008 können im Internet unter www.jungbauern.at bestellt werden. 41 Drehbuchschreiben als Teamprozess. Der „Mitten im 8en“-Chefautor Clemens Aufderklamm und die Hauptdarstellerin Verena Scheitz im Gespräch über das Geschäft der Daily Comedy, Vorbilder, Witz und Wendepunkte. Matthias Raftl Der Drehbuchautor Clemens Aufderklamm und die Schauspielerin und Kabarettistin Verena Scheitz sind Teil einer kleinen medialen Revolution. Die Daily Comedy „Mitten im 8en“, die täglich um 19.20 Uhr auf ORF 1 ausgestrahlt wird und anfangs auf 130 Folgen à 22 Minuten angelegt ist, sorgt seit 10. April für heftige Debatten über ihr Niveau und das neue Sendeformat des ORF. Produziert wird die Serie von der Satel-Film, Grundlage war ein holländisches Konzept, in dessen Mittelpunkt drei Generationen stehen. Ein Team von fünfzehn Autoren arbeitet nach amerikanischem Vorbild an den Büchern. Clemens Aufderklamm ist der Chefautor, Verena Scheitz eine der Hauptdarstellerinnen. Sie spielt eine 42-jährige Zahnärztin und Mutter von drei Kinder (19, 17, 15 Jahre), ihr Mann ist Lehrer (45). Die Familie repräsentiert die Teens und die Generation der Vierzigjährigen. Dazu kommt eine WG mit vier Twens, in die der älteste Sohn der Familie bald einzieht, und ein Lokal. Die zwei Besitzer und die Kellnerin sind in den Dreißigern. All das liegt „Mitten im 8en“, im Herzen der Wiener Josefstadt, wo sich im Personal freilich ein gesamtösterreichischer Kosmos von Kärnten bis Tirol versammelt. Gedreht wird sowieso in Breitenfurt, in einer eigens adaptierten ehemaligen Siemens-Fabrik. einfach größtmögliches Konfliktpotenzial bieten“, meint Clemens Aufderklamm. Das Trio legte ein Treatment und pro Autor ein fertiges Buch vor. „Meine Figur ist eine pragmatische Zahnärztin, trotzdem aber, wie alle anderen Figuren, eine Sympathieträgerin, sie wird zwar manchmal ein bisschen unsympathisch, aber nur manchmal“, so Verena Scheitz. Aufderklamm: „Die Zuseher sollen sich wünschen, ihre Kinder auch einmal so flapsig behandeln zu können, außerdem steht sie im Kontrast zu ihrem Mann, der als Lehrer alles richtig machen will. So wirkt ihre Lockerheit erfrischend.“ Das Format von „Mitten im 8en“ sei eine absolute Neuerung, beteuern beide. „Es gibt keine Schlusspointe wie im Kabarett, es sind reale Figuren. Es handelt sicht nicht um dramatische Geschichten, sondern um Probleme des Alltags, die in lustiger, realistischer Art rübergebracht werden sollen. Eine Daily Comedy eben“, meint die Kabarettistin Scheitz. Ganz essenziell für das Gelingen der Serie sei das aufwendige Casting gewesen, es galt Typen zu finden, die perfekt auf der Rolle liegen. » Die Figuren sind keine Prototypen, sie bieten einfach größtmögliches Konfliktpotenzial. « Mäusebemmerln. Vor etwa einem Jahr bekam das Autorentrio Clemens Aufderklamm, Iris Moizi und Gregor Barcal (Comedy-Mastermind bei Ö3) den Auftrag, aus dem vorliegenden holländischen Konzept eine österreichische Serie zu entwickeln. „Die Figuren sind keine Prototypen, sie mussten 42 „Es geht um Mäusebemmerln und Wasserschäden, um Liebe und Beziehungen“, meint Chefautor Aufderklamm, „Humor fußt auf Provokation, auf unangenehmen Situationen, auf Tabuthemen wie Sexualität oder Religion. Natürlich müssen wir, auch angesichts des Sendetermins, permanent schauen, wie weit wir gehen können.“ Witz und Humor entstehe einfach dann, wenn man nicht situationsgemäß handle, wenn man „ein bisserl daneben ist“, „wenn man etwas sagt, was man nicht so sagt“. Wenn der Pfarrer beim Begräbnis niese, 43 » Kreativität entsteht einfach leichter, wenn mehrere Leute miteinander reden. « Drehbuchautor Clemens Aufderklamm und Schauspielerin Verena Scheitz im Café Hummel, Wien, 8. Bezirk wenn der Verliebte beim Heiratsantrag aufs Klo müsse. Jedenfalls sei Komik harte Arbeit. Als Vorbild dienten etwa die berühmten HBO-Sitcoms (HBO – Home Box Office ist ein amerikanischer Pay-TV-Sender) wie „Curb Your Enthusiasm“ (Lass es Larry!) von Seinfeld-Mitautor Larry David oder „Six Feet Under – Gestorben wird immer“ von Oscar-Preisträger Alan Ball. „Der amerikanische Zugang ist viel teamorientierter und weniger ,künstlerisch‘, Kreativität entsteht einfach leichter, wenn mehrere Leute miteinander reden“, so Aufderklamm, „Autoren, Produzenten, Schauspieler, Bühnenbilder, da arbeiten alle zusammen.“ „Keep it stupid and simple!“ Vor Drehbeginn am 26. Februar waren 15 Bücher fertig, seitdem ist das Schreiben ein ständiges „Work in Progress“. „Das Schwierigste für mich ist es“, so Aufderklamm, „dass ich nun 25 Bücher gleichzeitig im Kopf haben muss. Jede Woche gibt es eine Regiebesprechung für fünf Bücher, die aktuell gedreht werden, je eine Redaktionsbesprechung für fünf Bücher der ersten Fassung und fünf der zweiten Fassung sowie eine Produktionsbesprechung für fünf 44 neue Bücher.“ Jeder der fünfzehn Autoren schreibt immer allein an einem Drehbuch, der Script Editor redigiert die Endfassung. Zuvor steht ein kreativ-chaotischer Austausch im Team für das Treatment. Der Chefautor ist Vordenker und Letztentscheider. „Man darf sicher nicht zeigen wollen, was man kann“, meint Aufderklamm, „was nicht zur Figur passt, fliegt raus. Es gilt immer noch die alte Weisheit von David Mammet: ,Keep it stupid and simple!‘“ Im Team gebe es Spezialisten für Wortwitz, für Kiddie-Slang, für das Boulevardeske, für Gags oder für Situationskomik. „Wir versuchen dann, für jeden die passenden Folgen auszuwählen.“ Verena Scheitz: „Man kommt als Schauspieler bald drauf, wer welche Folge geschrieben hat, und für jeden kristallisieren sich Lieblingsautoren heraus.“ Werden die Geschichten also am Reißbrett entworfen? Aufderklamm: „Das geht nicht. Es ist auch unmöglich, darüber nachzudenken, was das Publikum will. Ich kann nur machen, was mir selbst gefällt. Was ich selbst erlebt habe. Was Freunde, Bekannte, die Familie erlebt haben. Und natürlich bin ich medial sozialisiert, es zählen also auch virtuelle Erlebnisse aus Filmen und Serien. Als medienaffiner Mensch bin ich aufgewachsen mit Woody Allen, Larry David, den Simpsons und ‚Friends‘.“ Er selbst sei nicht der Typ, bei dem permanent der Schmäh renne, das wäre auf Dauer furchtbar anstrengend. Wichtig sei aber, dass es im Produktionsprozess keine Schere im Kopf gibt: „Keine Idee ist schlecht! Einer sagt etwa, wir brauchen den Papst in der WG, daraus wird dann vielleicht ein Zeuge Jehovas.“ Aus Zuschauersicht gehe es um Empathie, man müsse bei den Figuren nachvollziehen können, was man selbst erlebt habe. Letztlich sei es die alte Reise des Helden, der viele Abenteuer erlebt. „Ich gehe nicht von der Theorie aus, sondern vom Gefühl. Aber natürlich heißt es dann auch, wir brauchen einen Wendepunkt. Drehbuchratgeber wie der von Syd Field sind jedoch ein ,Pain in the Ass‘. Jeder Produzent hat sie gelesen und glaubt dann zu wissen, wie es geht. Das kann viel verderben.“ Der Innsbrucker Clemens Aufderklamm, Jahrgang 1969, studierte Politikwissenschaft in seiner Heimatstadt, 1995 gründete und leitete er dort das Theater Provinz (bis 1998), war danach Unterhaltungschef beim Privatradio Welle 1, studierte an der UCLA in Kalifornien Drehbuch (1999 bis 2001), ging anschließend nach Berlin, war Lektor bei Columbia Pictures und wollte „großes Kino“ machen. Aus Geldmangel wandte er sich aber bald dem Seriengeschäft zu. Er war Autor bei „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (GZSZ), „Verliebt in Berlin“, „Verbotene Liebe“, und „Schmetterlinge im Bauch“, bis er vor einem Jahr Chefautor von „Mitten im 8en“ wurde. Verena Scheitz, Jahrgang 1971, studierte am Preyner-Konservatorium Jazzdance und Steppen und am Konservatorium der Stadt Wien an der Fachabteilung für musikalisches Unterhaltungstheater. Sie ist Kabarettistin bei Heilbutt & Rosen (seit 2001) und arbeitete von 1996 an in zahlreichen Rollen als Schauspielerin am Theater. 1997 begann sie ein Jusstudium in Salzburg, das sie 2005 abschloss. Danach absolvierte sie das Gerichtsjahr als Rechtspraktikantin. In „Mitten im 8en“ spielt sie eine Zahnärztin und Mutter einer fünfköpfigen Familie. 45 Am Anfang stand eine Sonnenbrille mit austauschbaren Gläsern. Ein Produktkonzept, das Georg Wagner noch als Student an der WU Wien entwickelt hat. Auch Designer Daniel Huber, heute einer von Wagners Partnern, arbeitete zur selben Zeit an einem sehr ähnlichen Projekt. Und in der heute noch verhältnismäßig kleinen sogenannten Szene musste man einander fast zwangsläufig über den Weg laufen. „Leider“, sagt Georg Wagner heute, „hat Swatch damals auch in diese Richtung gearbeitet.“ Dieser Markt war also vorerst gestorben. „Wir haben aber gesehen, dass das passt mit uns, und gesagt: Machen wir was zusammen!“ Kurze Zeit darauf vervollständigte der Düsseldorfer Betriebswirt Ralf Christoffer das heutige Managing-Partner-Trio von Spirit Design. Nie ein Nachteil, wo nicht auch ein Vorteil, also … 1993 dann die Gründung: „Anfangs waren wir schon ratlos“, sagt Wagner. Nach eingehenden Marktrecherchen zum Thema Industriedesign habe man sich aber sehr früh zu einem Marketingkonzept durchgerungen, das eine internationale Positionierung und jene als industrienaher Dienstleister zum Kern hatte. Die drei Gründer und Managing Partner von Spirit Design Ralf Christoffer, Daniel Huber, Georg Wagner Zu diesem Zeitpunkt waren nationale Designunternehmungen stark technisch respektive künstlerisch orientiert, sagt Wagner. Gerald Kiska, der fünf Jahre vor Spirit Design auf den Markt ging, hatte zwar ähnliche Züge im Unternehmensbild, forcierte jedoch den Marketingaspekt stärker. „Für uns“, so Wagner weiter, „stand die Idee im Vordergrund, dass Design Unternehmen Wettbewerbsvorteile bringen sollte. Design sollte kein Marketing-, sondern ein Innovationstool sein.“ Innovation im „SPRINT“. Heute zählt Spirit Design rund 14 Mitarbeiter und CAT City Airport Train, OMV, ÖBB, Siemens, Rosenbauer, Red Bull sowie viele andere zu seinen Kunden. Für 2006/2007 konnten neun Preise und Nominierungen zur Auszeichnungsübersicht hinzugefügt werden – darunter der „Best of the Best“ Red Dot Product Award für den Alpinski Fischer AMC. Interessant sei, so Wagner, dass man in Österreich kaum, dafür aber international für nationale Projekte ausgezeichnet worden sei. Die Geschichte mit dem Propheten sei ja landläufig bekannt … Ärgerlich sei das schon. Langsam aber, sagt Wagner, werden Unternehmen sich der Rolle des Designs als Innovationsträger bewusster. Design möchte er im Sinne einer Integration von Strategie-, Produktund Markenentwicklung im Rahmen umfassender Innovationsprozesse verstanden wissen. Diese Kernkompetenzen seien in „SPRINT“ (Spirit Integrated Innovation) beinhaltet: „Damit liefern wir alle nötigen Unterstützungsdienstleistungen, wenn Unternehmen – von der Idee bis hin zum fertigen Produkt – von uns begleitet werden wollen“, so Wagner. Grundsätzlich hole das Team den Kunden dort ab, wo er aktuell stehe. Das könne auch beim Produkt sein, wo man dann Branding beistellen könnte. Angestrebtes Ziel sei es aber, von Anfang an mit dabei zu sein. So geschehen beim CAT. Wagner: „Hier haben wir alle Leistungsbereiche eingebracht – Beratung, Marktforschung, Produkt und Marke. Die gesamte Welt des CAT wurde von uns entwickelt.“ Ein anderes Beispiel seien die aktuell beworbenen Ölverpackungen für OMV. Klassische Produktkampagnen werden von entsprechenden Agenturen gestaltet – hier sei auch die unternehmerische Abgrenzung zu finden, sagt Wagner. Lächerlich wenig Geld. Die Idee wollte zunächst nach außen getragen werden – in Österreich nicht immer unproblematisch, wie auch die Spirit Designer erfahren mussten. Bekanntlich gehören die Worte „Das geht nicht, weil …“ zum heimischen Grundwortschatz wie das redensartliche Amen zum Gebet. Die Banken- und Förderlandschaft war ebenfalls nicht dergestalt flexibel wie dieser Tage – auch wenn man heute noch als Gründer oder Selbständiger mit ähnlichen Herausforderungen zu tun hat (das nur nebenbei). Design als Innovationstool. Georg Wagner (Strategy), Daniel Huber (Product) und Ralf Christoffer (Brand) sind Spirit Design. Heidi Aichinger 46 Mit „lächerlich wenig Geld, aber dennoch sehr wichtig, weil es von der Familie kam“, sagt Wagner, habe man es doch gewagt. An einem der ersten Jungunternehmertage, an dem Bankenvertreter ihrem Engagement gegenüber den Interessierten wortreich Ausdruck zu verleihen suchten, platzte Wagner dann der Kragen: Das Wohlwollen der Banken halte er für ein argumentatives Feigenblatt, warum sollten sie auch an Investitionen in Kleinstunternehmen interessiert sein, wenn die Chancen, daran etwas zu verdienen, gering bis gar nicht vorhanden seien? Wagner wurde aufs Podium geholt – „damals haben wir unseren Kredit bekommen“, erzählt er. Manchesmal müsse man sich eben wirklich auf die Beine stellen, grinst er. Die Zielbranchen des Unternehmens sind unterschiedlich, was aus Sicht von Spirit Design einerlei ist, sagt Wagner: „Der Prozess ist immer der gleiche.“ Die Aufgabe des Designs sehe er zum einen darin, sich in den Nutzer zu versetzen, wie etwa beim iPod: „Diese Art der intuitiven Benutzerführung sollte es für alle Produkte geben.“ Das sei Sache des Designers. Zum anderen aber gelte es um die Nachhaltigkeit dieser Produkte. Und das seien Aufgaben, die nur ein Stratege lösen könne. Das Wiener Unternehmen Spirit Design entwickelt auf Basis strategischer Konzepte Produkte und Marken in einem integrierten Innovationsprozess. Das Leistungsspektrum besteht aus drei Bereichen. Die drei Gründer und Managing Partner sind jeweils für einen der drei Bereiche zuständig: Georg Wagner – Strategy, Daniel Huber – Product, Ralf Christoffer – Brand. www.spiritdesign.at 47 CONTRIBUTORS Matthias Raftl Matthias Raftl ist Redakteur bei der „Presse“-KarriereLounge. Er studierte Rechtswissenschaften und war Assistent am Institut für Rechtsphilosophie und Rechtstheorie. Bevor er Journalist wurde, arbeitete er als Regieassistent bei verschiedenen Theaterproduktionen und im Rahmen eines Traineeprogramms als Filialleiter bei Billa. Er war Lektor und leitete das Lusthaus im Prater, das seine Familie seit zwanzig Jahren betreibt. Heidi Aichinger Heidi Aichinger ist Mitarbeiterin bei der Tageszeitung „der Standard“, Ressort Karriere, und zugleich als freie Journalistin in Wien tätig. Sie war zuletzt stv. Chefredakteurin des Karrieremagazins „WQ*“ und Redakteurin des Monatsmagazins „Business People“, beide ETM AG. Felicitas Herberstein Nina Schedlmayer Felicitas Herberstein ist seit April 2005 PR-Beraterin bei Pleon Publico. Nach ihrer Ausbildung an der Werbe Akademie bzw. dem Studium der Kommunikationswirtschaft an der FH Wien arbeitete sie bei der Verlagsgruppe News und der ÖVP-Bundespartei. Vor ihrem Eintritt in die Publico war sie Pressesprecherin der damaligen Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. Nina Schedlmayer hat Kunstgeschichte in Wien und Hamburg studiert. Lebt und arbeitet als freie Journalistin und Kunstkritikerin in Wien. Schreibt unter anderem für „profil“, „artmagazine.cc“ und die „Kunstzeitung“. Lilli Hollein Lilli Hollein ist selbst Designerin und übt seit 1996 journalistische Tätigkeiten für Tageszeitungen und internationale Architekturmagazine („der Standard“, „Domus“, „ottagono“, „frame“, „MARK“) sowie das TV-Kulturressort des ORF aus. Sie ist Konsulentin für Architektur und Design und Kuratorin; zuletzt AustriArchitektur, Aedes East, Berlin 2005; Zumtobel Staff, Lichtforum Wien 2006. In crea:m stellt sie eine Auswahl an jungen österreichischen Designbüros vor. Nicole Scheyerer Nicole Scheyerer schreibt als Kunstkritikerin regelmäßig für die Wiener Stadtzeitung „Falter“, „Die Presse“, „Frieze“ und „spike art quarterly“. Nach ihrem Studium der Philosophie hat sie im MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst gearbeitet. Sonja Illa-Paschen Barbara Schumy Sonja Illa-Paschen studierte Kunstgeschichte in Wien, Hamburg und London und arbeitete anschließend als Verlagslektorin. Nach mehreren Jahren im MAK – Österreichisches Museum für angewandte Kunst / Gegenwartskunst seit Ende 2006 bei hasenlechner—artconsult als Projektmanagerin tätig. Barbara Schumy ist hauptsächlich bei der Tageszeitung „WirtschaftsBlatt“ tätig, und zwar für die Bereiche IT, Kreativwirtschaft und Lifestyle. Die studierte Publizistin und Politikwissenschaftlerin war u. a. Mitautorin bei „Homo Creativus Austriacus II – Kreativität im Tourismus“, einem Buchprojekt der arge creativ wirtschaft austria. Sissa Micheli In Italien geboren, lebt und arbeitet als Fotokünstlerin in Wien. Sie studierte an der Schule für künstlerische Photographie und an der Akademie der bildenden Künste Wien. Seit 2003 nimmt sie an zahlreichen Ausstellungen und Publikationen im In- und Ausland teil. Micheli produziert Bildessays, die wie Filmstills funktionieren. Zwischen den einzelnen Bildern lässt sie für den Betrachter genügend Platz, damit dieser ihn mit Stills aus seinem eigenen Gedankenfilm füllen kann. IMPRESSUM Herausgeber forum mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur, Mozartgasse 4, 1040 Wien, Tel. + 43 1 505 58 11, Fax + 43 505 58 13 www.forum-mozartplatz.at, [email protected], www.creamagazine.at – crea:m 05, Mai 2007. Obfrau Anja Hasenlechner, Geschäftsführerin Birgit Scheidle Mitarbeiter dieser Ausgabe Heidi Aichinger, Felicitas Herberstein, Lilli Hollein, Sonja Illa-Paschen, Matthias Raftl, Nina Schedlmayer, Nicole Scheyerer, Barbara Schumy Gastkommentare Karlheinz Kopf, Harald Mahrer Grafik Perndl+Co Fotos Sissa Micheli Lektorat Billy Kirnbauer-Walek Litho Pixelstorm / Wien Druck Berger / Horn Titelbild Zenita Komad, Künstlerin Rückseite Wand im Atelier der Künstlerin Zenita Komad / Titelbild und Rückseite fotografiert von Sissa Micheli Offenlegung nach § 25 Mediengesetz Blattlinie crea:m ist ein Magazin, das Themen aus den Bereichen Wirtschaft und Kultur an seinen Schnittstellen untersucht. Im Zentrum stehen Unternehmer und Künstler, die mit ihrer Kreativität Produkte und Ideen weiterentwickeln und mit ihren Sichtweisen die Produktivität ihrer Unternehmungen erhöhen. crea:m ist das offizielle Medium des forum mozartplatz, raum für wirtschaft und kultur, und wird vom Österreichischen Wirtschaftsbund unterstützt. Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck und Aufnahme in Online-Dienste nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Verlags. Für unverlangt eingelangte Manuskripte und Bilder übernimmt crea:m keine Haftung. Anzeigenpreisliste unter www.creamagazine.at 48 49 Cream05_backCover_RZ.qxd 09.05.2007 15:35 Uhr Seite 1 Volle Netze. Wie Netzwerke Profit abwerfen. No Dogma. Porträt der österreichischen Künstlerin Zenita Komad. Qualität ist alles. Kleinunternehmer in der Fotobranche. Entfaltungstourismus. Neue Bahnen – Altbewährtes: Tourismus und Kreativität. Den Mut haben, voneinander zu profitieren. Wirtschaft und Kunst im Gespräch. Humor braucht Provokation. Über das Schreiben fürs Fernsehen.