Falter Albertina: das Ding mit dem Wing

Transcrição

Falter Albertina: das Ding mit dem Wing
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Albertina - Rampe
Albertinaplatz 1
1010 Wien, Österreich
Albertina: das Ding mit dem Wing
SAMMLUNG
Plötzlich war es da, das Wing-Ding, das "Soravia Wing" heißt und aussieht, als wäre
es unter aller Anstrengung in das so luftige Ambiente über der Albertinabastei mit
hineingestopft worden. Dabei bedeutet Wing "Flügel". Aber "Soravia-Flügel" klingt
nicht so gut wie "Soravia Wing".
ARCHITEKTIN
von Jan Tabor
FUNKTION
Falter
Hans Hollein
BAUHERRIN
Albertina
Sonderbauten
Mit dem durch einen Namen ergänzten Wort "Wing" werden in Museen oder auf
PLANUNGSBEGINN
Universitäten in Amerika und Großbritannien jene Gebäude bezeichnet, deren Errichtung
2001
von einem freigibigen Sponsor finanziert wurde. Es entsteht also der Eindruck, die
Bauunternehmer Erwin und Hanno Soravia hätten den Umbau (mit)bezahlt, wenn nicht gar BAUENDE
2003
die ganze Albertina errichtet. Die überaus kostspieligen Bauarbeiten aber wurden zur
Gänze vom Staat getragen. "Steuerzahler Wing" wäre also treffender gewesen. Die Brüder Aufgrund der Bildrechte kann es zu Unterschieden
zwischen der HTML- und der Printversion kommen.
Soravia haben lediglich das Wing-Ding bezahlt; angeblich hat es zwei Millionen Euro
gekostet. Jetzt verdeckt es die triste Tatsache, dass all die wunderbaren neuen
technischen und wissenschaftlichen Räume in der Albertina leer stehen, weil für ihren
Betrieb das Geld fehlt.
Das Wing-Ding sieht aus, als hätte es ein minderbegabter Statiker ohne einen Architekten
oder ein minderbegabter Architekt ohne einen Statiker gebastelt. Versprochen war ein
überaus dünnes Ding aus Titan, das feinfühlig im empfindlichen Stadtbild zwischen
Staatsoper und der Albertina schweben sollte. Die etwas naiv agierende Jury unter der
Leitung von Carl Pruscha hatte den hübschen Computerbildern aus dem Atelier Hollein
nicht widerstehen können. Versagt aber haben die ex-sowjetischen Raumfahrtingenieure,
denen es, so wird erzählt, nicht gelungen sei, die hübschen Hollein-Images in die
konstruktive Wirklichkeit eines eleganten Flugdaches umzusetzen. Wie auch immer. Das
Ding ist da, unübersehbar. Und steht für den tragischen Fall eines hochbegabten Wiener
Architekten.
Bei der Eröffnung des Wing-Dings zitierte Klaus Albrecht Schröder Hans Hollein, der
irgendwann in den Achtzigerjahren gemeint hatte, er dürfe zwar viel zum Ansehen Wiens
beitragen, aber nichts zum Aussehen. Der Ausspruch müsste heute genau andersrum
lauten. Nach der Demolierung des Michaelerplatzes durch das archäologische Ruinenloch
hat Hollein nun den Albertinaplatz endgültig ruiniert. Davor war an dieser Stelle der
Bildhauer Alfred Hrdlicka tätig geworden. Hrdlickas Denkmal und das
Schröder-Gehrer-Soravia-Hollein-Mahnmal passen, obwohl formal gegensätzlich, gut
zusammen: Der Albertinaplatz ist zu einer Deponie für Staatskitsch geworden.
Man kann den Fall natürlich auch positiv sehen: Erstens symbolisiert der Soravia Wing
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Albertina - Rampe
überaus anschaulich, welcher Art die Beiträge der durch die Regierung Schüssel
durchgesetzten Sponsoring-Kultur sein werden; und zweitens symbolisiert das Ding die
gänzliche Entmachtung des Bundesdenkmalamtes, das nun von der sparsamen Regierung
vernünftigerweise gleich aufgelöst werden müsste. Drittens erinnert das Ding eindringlich
daran, dass Hans Hollein als Vorsitzender des Gestaltungsbeirats - der ebenfalls aufgelöst
gehörte - gänzlich versagt hat. Hätte er seine Funktion ernst genommen, hätte er sein
ganzes Renommee einsetzen müssen, um die Aufstellung der Rolltreppenüberdachung
von Hollein zu verhindern.
Falter, 17.12.2003
WEITERE TEXTE
Ein Messer in Wiens Himmel, Paul Jandl, Neue Zürcher Zeitung, 08.01.2004
Optischer Störenfried?, oe1, 11.12.2003
Bitte warten, oe1, 07.02.2003
Fast gescheitert, oe1, 12.02.2002
Titan-Flugdach für Albertina-Rampe, oe1, 24.04.2001
Proteste gegen Hollein-Vordach, Die Presse, 17.10.2003
Soravia verleiht der Albertina Hollein-Flügel, Die Presse, 11.06.2002
Gewellter Steinwall mit Bullaugenfenstern, Die Presse, 22.05.2002
Albertina wirbt für Neugestaltung, Alternative zu Hollein wurde verworfen, Die Presse,
29.05.2001
Widerstand gegen Albertina-Projekt: 'Design auf, Löcher in der Bastei!', Barbara Petsch,
Die Presse, 27.04.2001
Eine Kunst-Tankstelle aus Titan, Barbara Petsch, Die Presse, 25.04.2001
Ein Signal aus Titan, Günther Frohmann, Salzburger Nachrichten, 25.04.2001
Wien streitet über Holleins Tankstelle, Die Welt, 08.06.2001
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