Am 25. April 1859 …
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Am 25. April 1859 …
Kalenderblatt D Am 25. April 1859 … … stieß Ferdinand de Lesseps den funkelnden Spaten in den ägyptischen Sand. Ein paar Dutzend Männer applaudierten – darunter Gesandte des ägyptischen Königs und des französischen Kaisers. So begann eines der ehrgeizigsten Projekte der Menschheitsgeschichte – der Bau des Sueskanals. ie Idee dazu hatten schon die alten Ägypter 2700 Jahre zuvor gehabt – und immer wieder umzusetzen versucht. Dank Herodot, der praktisch alles notierte, was ihm zu Gehör kam, wissen wir beispielsweise, dass bei einem solchen Vorhaben im 6. Jahrhundert v. Chr. 120 000 Menschen umkamen. 1798 ließ Napoleon genaue Vermessungen anstellen. »Wer Ägypten hat, hat Indien«, glaubte der Feldherr und versprach sich von der Abkürzung leichteren Zugriff auf die Schätze fremder Länder. Doch sein Geometer berechnete, dass das Rote Meer 9,908 Meter höher liege als das Mittelmeer – und warnte, ein Durchstich könne das ganze Nildelta absaufen lassen. Der Feldherr ließ daraufhin lieber die Finger von dem Projekt. Von Joachim Schüring Nach dem ersten Spatenstich von Ferdinand de Lesseps begannen ägyptische Arbeiter mit dem Bau des Sueskanals. 125 000 von ihnen starben. Eingeweiht wurde der Kanal am 17. November 1869. 104 epoc 03/2009 te. Aber da war der geniale Konstrukteur schon krank. Er starb am 1. Oktober 1858 – ein halbes Jahr vor dem ersten Spatenstich. Nun dämmerte die große Stunde des Ferdinand de Lesseps. Nachdem der französische Diplomat und Gründer der Sueskanal-Gesellschaft in Europa ein paar hundert Millionen Franken flüssig gemacht hatte, schmückte er sich mit fremden Federn. 1957 urteilte der Historiker Ernesto Kienitz: »Es ist für den Charakter von Lesseps bezeichnend, dass er lange Zeit erfolgreich die wahre Autorenschaft der Baupläne verschleiert hat, indem er sich den Anschein gab, er wüsste nichts davon, dass andere schon längst sehr ernsthaft an den Entwürfen zur Durchstechung der Landenge von Sues gearbeitet hatten.« So war das also: Der fran zösische Diplomat in Kairo, in der Ingenieurskunst nicht sonderlich beschlagen, gab Negrellis Pläne als die seinen aus. Es gibt sogar Hinweise, er habe sie gestohlen – während eines Kondolenzbesuchs bei Negrellis Witwe. »Man mag über diese Skrupellosigkeit seines Charakters den Stab brechen«, schreibt Kienitz weiter, »trotzdem ist es zu bewundern, dass Lesseps die sich ihm immer wieder in den Weg stellenden Schwie rigkeiten überwand.« Tatsächlich kannte sein Ehrgeiz in den nächsten zehn Jahren keine Grenzen: »Die Zahl der Arbeitskräfte – überwiegend Zwangsarbeiter – betrug ins gesamt 1,5 Millionen Menschen. 25 000 desertierten.« Selbst 1800 Lastkamele, die in einem fort frisches Trinkwas- ser heranschafften, konnten nicht verhindern, dass 125 000 Ägypter der Cholera zum Opfer fielen. Am Ende dauerte der Bau des 162,5 Kilometer langen Sueskanals doppelt so lange und kostete dreimal so viel wie geplant. Dafür verkürzte er aber die Seestrecke von Marseille nach Bombay um 31 kostbare Tage. Schon nach kurzer Zeit verdienten die Gesellschafter aus Europa viel Geld mit der neuen Abkürzung – Grund genug, Ferdinand de Lesseps auch mit dem Bau des Panamakanals zu betrauen. Doch hier scheiterte Lesseps auf ganzer Linie: Nachdem zwischen 1881 und 1889 auf seiner Baustelle rund 22 000 Menschen gestorben waren, musste er aufgeben und den Bau den Amerika- nern überlassen. Ÿ AKG Berlin Allein, die Zahlen stimmten nicht: Die Wasserspiegel beider Meere liegen in Wahrheit ziemlich genau auf ein und derselben Höhe. Ein Kanal würde sogar ganz ohne Schleusen auskommen Im Jahr 1838, als ein gewisser Alois Negrelli aus Tirol mit dem großen Naturforscher Alexander von Humboldt zusammentraf, war das gerade zur Gewissheit ge- worden. Beide schwärmten für diesen alten Traum der Menschheit – worauf sich Negrelli, ein Pionier des Straßenund Brückenbaus, wie besessen an seinen Zeichentisch setzte. Als er mit seinen Plänen beim ägyptischen Vizekönig Said vorsprach, war dieser so begeistert, dass er Negrelli zum Generalinspektor aller Kanäle seines Landes ernann- epoc.de 105