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ERDE, WASSER, MENSCH UND GÖTTER
CARLSON, DIESTEL
ISBN 978-933380-37-1
ERDE, WASSER,
MENSCH UND
GÖTTER
Leitsymbole
in textilen Meisterwerken
Des Alten peru
ERDE, WASSER,
MENSCH UND GÖTTER
Leitsymbole in textilen Meisterwerken
Des Alten peru
Uwe Carlson und Heiko Diestel
Selbstverlag
2
Inhalt
VORWORT
ABSTRACT/RESUMEN
9
10/11
UWE CARLSON
Das Götterbild im Alten Peru und seine Symbolik
12
Einführung
Kurzer Abriss der peruanischen Geschichte bis zur Conquista
Die Problematik der Interpretation religiöser Symbole Schlussfolgerungen
Rowe, Gamio und Kant
15
16
20
20
Das alte Peru und seine kulturelle Entwicklung
Der geographische Raum und seine klimatische Prägung
Bevölkerung und kulturelle Entwicklung
22
25
Das Götterbild im alten Peru
Das Götterbild der Zeit vor Chavín
Das Götterbild von Chavín
Der Einfluss von Chavín auf nachfolgende Kulturen
32
33
34
Die Symbolik des Götterbildes als religiöse Aussage
Stufenmäander, Schlangenmäander und sonstige religiöse Symbolik Frühe religiöse Symbolik von Chavín
Markante Symbolik der Kulturen nach Chavín
Eine „neue Symbolik“ der Späten Zwischenzeit
Sinnbilder für die Götter des Lebensunterhalts
Der göttliche Status der Küsten- und Seevögel
Religiöser Leitgedanke für das Überleben
Zusammenfassung
ZEITLICHE ÜBERSICHT DER GÖTTERBILDER
UNTERSCHIEDLICHE INHALTLICHE ASPEKTE
TEXTILER MEISTERWEKE DES ALTEN PERU
Gliederung des Inhalts
Schematische Darstellung von Flusstälern
40
41
44
48
49
51
54
57
60
62
63
172
Heiko Diestel
Historische Strategien und Techniken
der Wasserwirtschaft im Raum der Anden
Einleitung Die natürlichen Gegebenheiten im Gebiet des Inkareiches
Einführung
44
176
179
180
180
180
Die Lebenszonen Perus auf Grund der Vegetations-Zonierung
Einleitung / Subtropische Wüste / Vormontane Strauchwüste / Montane
Dornsteppe / Bergsteppe / Sehr feuchter subalpiner Páramo / Alpine Tundra 180 – 186
5
Die Variabilität der Standorteigenschaften in Raum und Zeit innerhalb einer Höhenstufe in den Anden
Fauna Perus zwischen Küste und Andengipfeln
Das ENSO-Phänomen
Historischer Klimawandel
186
187
187
188
Prähispanische Kulturtechnik und Wasserwirtschaft
Einführung
Kulturtechnische Anlagen und Verfahren
Terrassenanlagen Bergseen als Staubecken Entnahme, Weiterleitung und Zwischenspeicherung von Wasser
Regelung des Bodenwasserhaushaltes
Verteilung von Wasser auf bewässerten Flächen / Vertiefte und erhöhte Felder /
Bewirtschaftete Senken („Cochas“) / Hochmoorwiesen / Wassergalerien
189
189
190
190
192
193
194
194 – 195
Fachliches Spezialwissen und Organisationshilfsmittel
Einführung
Die Yupana, der Abakus der Inkas
Quipus Die Schrift der Inkas
Kalender, Zeitplanung, Astronomie
Landwirtschaftliches Versuchswesen
Die Anlagen von Moray
Die Bewirtschaftung des Wassers in Fluss-Einzugsgebieten –
das Beispiel des Nepeña-Tales
Die Gegebenheiten
Der Wasserbedarf
Das Wasserdargebot
Die Sicherstellung von Bewässerungswasser
Einige Bemerkungen zur historischen Wasserwirtschaft im Andenraum
Mensch und Staat in Alt-Peru
Einführung
Reichtum ohne Geld
Die Struktur der Verwaltung
Die Kernzelle der Inkaischen Gesellschaft: Familiengruppen
Die öffentlichen Versammlungen („Asambleas“)
Die andine Kosmovision, Riten und Feste
6
196
196
196
198
200
201
202
203
204
204
206
207
208
209
209
209
210
211
211
212
212
Schlussbemerkungen: Blicke zurück, zur Seite und nach vorn Erde, Wasser, Mensch und Götter
Erde, Wasser, Mensch und Kulturtechnik Erde, Wasser, Mensch und Religion
Erde, Wasser, Staat und Werte
212
Glossar
LITERATUR UND NACHWEISE DER ABBILDUNGEN
Impressum
220
212
213
214
215
222
227
7
Das Götterbild im Alten Peru
und seine Symbolik
Uwe Carlson
„Der ästhetische Wert der Dekoration jener Zeit, der präkolumbischen, unterscheidet sich von dem der
heutigen dadurch, dass die erstere nicht nur bestrebt war, das Schöne um des Schönen willen auszudrücken,
sondern dass sie gleichzeitig symbolisch war und die zutiefst bewegenden Probleme des Daseins
zusammenfasste. Der rein dekorative Wert des Ornaments war beträchtlich und er zeitigte ein zutiefst
künstlerisches Erlebnis. Seine Gestalter verknüpften damit jedoch transzendentale Vorstellungen, deren
inhaltliche Aussagen weitaus komplexer und tiefer waren.“
12
Manuel Gamio (Mexikanischer Anthropologe und Archäologe, 1883-1960)
13
Einführung
Kurzer Abriss der peruanischen
Geschichte bis zur Conquista
raum gelegenen Tempel­zentrum von Chavín de Huantar
Der Zeitraum, aus dem Belege in Form von Textilien,
vín gelang nicht nur ein beeindruckendes Tempelzen-
Keramiken und anderen Objekten über die Ausübung
trum errichten zu lassen, sondern auch die religiösen
religiöser Kulte und damit Aussagen zum Inhalt dieser
Aussagen in Standbildern, Reliefs, Keramiken, Textilien
Religion oder Religionen im alten Peru verfügbar sind,
sowie goldenen und silbernen Objekten in deutlicher
erstreckt sich vom Beginn der Formativen Periode (Forma­
und künstlerisch sehr homogener Form zu entwickeln
ti­­vum) bis zur Eroberung des Landes durch die Spanier
und zu festigen. Chavín hat mit dem von ihm dargestell-
(Ende des Späten Horizonts). Dies ist eine Zeit­spanne von
ten Götterbild und seiner religiösen Aussage den gesam-
knappen 3000 Jahren. Hierbei sind nicht Funde aus der
ten andinen Raum nachhaltig beeinflusst. Seine religiöse
vorkeramischen und vortextilen Zeit, wie Caral/Supe (et­
Botschaft war Grundlage nachfolgender bedeutender
wa 2300 v. Chr.) oder Sechin Bajo (etwa 3200 v. Chr.),
Reiche und ihrer Entwicklung zu Hochkulturen. Stark
berücksichtigt, die in diesem Zusammenhang mit der
beeinflusst von Chavín bildeten sich im Norden und Sü-
gewählten Thematik weniger aussagefähig sind
(1).
wurde sie als Chavín bezeichnet. Den Priestern von Cha-
den des Landes bedeutende Kul­turräume und entsprechend organisierte Gesellschaften: Moche (an der nörd-
Chronologie
Lumbreras (1981)
Rowe (1962)
lichen peruanischen Kü­­­­ste bzw. in den Flusstälern des
10000 – 5000 v. Chr.
Neolithikum
nördlichen Peru (200 bis 700 n. Chr.) und Paracas (500
5000 – 1800 v. Chr.
Archaikum
Präkeramische
Epoche
Initialperiode
n. Chr.) an der südlichen peruanischen Küste. Dieser
Früher Horizont
Zeitraum wird als Frühe Zwischenzeit bezeichnet. Unter
deutlichem Einfluss von Chavín entwickelten sich auf
v. Chr. bis 100 v. Chr.) sowie Nazca (100 v. Chr. bis 600
1800 – 500 v. Chr.
Formativum
500 v. Chr. – 700 n. Chr.
Frühe Regionalstaaten
Frühe Zwischenzeit
600 – 1000 n. Chr.
Huari - Imperium
Mittlerer Horizont
1000 – 1450 n. Chr.
Regionalstaaten
und kleine Königreiche
Späte Zwischenzeit
tenwende Hochkulturen mit Tempel­zent­ren, die weitaus
1450 – 1532 n. Chr.
Inka - Imperium
Später Horizont
größer waren als das von Chavín: Pucará und Tiahuana-
Abb. 1: Chronologie des Alten Peru
dem Altiplano im Bereich des Titicaca-Sees um die Zei-
co. Lagemäßig im Gebirge, vergleichbar mit Chavín,
entwickelte sich im südlichen Gebirgsraum eine Kultur,
Erst seit einem guten halben Jahrhundert steht eine
die sich durch markanten Städtebau und rapide Aus-
grund­­­­legende Einteilung der Abfolge der peruanischen
dehnung bemerkbar machte: Huari. Sie fusionierte mit
(Abb.1). Nach dem Archai-
Tiahuanaco und begründete hierdurch ein noch bis in
kum (5000 bis 1800 v. Chr.) und Frühen Formativum (bis
den Norden reichendes pan-peruani­­sches Imperium,
1200 v. Chr.) bildete sich im Übergangszeitraum des
welches die „auslaufenden“ Kulturen der Frü­hen Zwi­
zweiten zum ersten vorchristlichen Jahrtausend ein pan-
schen­zeit vereinnahmen und damit auch noch kulturell
peruanischer Kulturraum, der nicht durch Macht, son-
beeinflussen konnte. Dieser Zeitraum wird mit Mittlerer
dern durch seine religiöse Ausstrahlung Bedeutung er-
Horizont bezeichnet. Er dauerte von etwa 600/ 700 n.
langt hatte. Tello spricht hier mehrfach von einer
Chr. bis zur Jahrtausendwende. Als seine einigenden
Kulturen zur Verfügung
panandinen Kultur
(3).
(2)
Nach dem im nördlichen Anden-
Kräfte erlahmten bildete sich eine Vielzahl sogenannter
( ) s. Literatur S 222
14
15
Abb. 2: Relief des feliden Götterbildes vom Gesims des
Neuen Tempes von Chavín. Rücken, Kopf und Körper zei­
gen die getrennt dargestellten Symbole des Schlangen­
mäanders. Der Schwanz (Mäander) und der damit kombi­
nierte Schlangenkopf stellen ebenfalls diese Symbolik
dar. Die Lefzen mit Fangzahn am Hinterleib verdeutlichen
die Machtsymbolik des Feliden.
Abb. 3: Das gemalte Götterbild von einer Recuay-Keramik
zeigt als Kopfaufsatz den Stufenmäander, der Schwanz
stellt eine Abstraktion desselben dar.
Abb. 4: In Fineline-Technik gemaltes felides Götterbild von
einer Moche-Keramik. Das Bild zeigt gleichzeitig die
Stufenmäander-Symbolik (Rücken und ergänzender Mäan­
der an Kopf und Füßen) und die Schlangenmäander-Sym­
bolik (Schwanz als Mäander und Kopf vergleichbar mit
Schlangenkopf Chavín, zudem ähnliche Symbole wie gro­
ßer Felide).
„kleiner Königreiche“, d. h. Gebiete mit lokalen Herr-
nachkolonialen Zeit, sondern auch dem alten Peru vor
homogenes Gesamtbild über den genannten Zeitraum
schern, die teils sogar untereinander verfeindet waren.
der spanischen Eroberung
(5).
Dorothea Ortmann kommt
verdeutlichen (vgl. hierzu Abb. 2 bis 9). Das Bemühen
Im Süden traf dies u. a. für die Bereiche Ica-Chincha und
zu der Erkenntnis, dass die Ergebnisse der Untersuchun­
der Reli­gion, das ist daraus zu schließen, war der Erhalt
Chiribaya zu, im Norden für die Chachapoyas- und Lam-
gen zur Definition von Religion und Götterbild insbeson-
und die Verbesserung der Lebensgrundlage der Men-
bayeque/Sicán-Kultur, an der mittleren Küste Chan­cay
dere unter ethnohistorischen Gesichtspunkten äußerst
schen. Dass diese religiöse Zielrichtung erfolgreich war,
und Ichma. Die Chimú-Kultur unterwarf als Nach­folgerin
heterogen seien und diesbezüglich nicht unmittelbar
beweist das Entstehen von Hochkulturen, die sich mit
der Moche-Kultur gegen Ende der Mittleren Zwischen-
schlüs­­­­­sige Aussagen zulassen.
denen der Kul­tur­räume der alten Welt messen konnten.
zeit die nördlichen Kulturen und bildet ein imposantes
Damit stellte Rebecca Carrión bereits die Hypothese auf,
Reich auf deren Hinterlassenschaften. Das Inka-Reich mit
In den seit der intensiven Beschäftigung von Rebecca
dass ein religiöser Kult, hier in Bezug auf das Wasser, die
dem Zentrum Cusco expandierte merklich im fünfzehn-
Carrión mit dieser Materie vergangenen 75 Jahren konn-
Versorgung mit Lebensmitteln sicherstellen sollte
ten Jahr­hundert und unterwarf um 1450 den gesamten
ten sich zahlreiche Museen in Peru etablieren, und auch
süd­lichen und nördlichen Kulturraum. Es bestand als
die Museen mit Peru-Sammlungen in Europa und den
Nicht alle peruanischen Archäologen haben sich mit der
gewaltiges Imperium – als Später Horizont bezeichnet –
USA konnten mittels vieler präsentierter Objekte mehr
Identifikation der Religionen im alten Peru auseinan­
nur bis 1532, dem Beginn der spanischen Eroberung.
Licht ins Dunkel dieser Betrachtungen bringen als es sei­
dergesetzt. Julio C. Tello (1880–1947), gemeinhin als
nerzeit möglich war. Damit stellt sich die Frage nach der
Vater der peruanischen Archäologie bezeichnet, kam
Die Problematik der Interpretation
religiöser Symbole
Umkehr des oben zitierten Satzes von Rebecca Carrión,
hier­­­bei jedoch eine bahnbrechende Rolle zu. Er untersuch­
ob nicht die richtige Interpretation der Dar­stel­lungen auf
­te wäh­­­­rend seiner vielen archäologischen Ausgrabungen
Erst im ausgehenden 19. Jahrhundert erwachte in Peru
den überlieferten Objekten wie Textilien, Keramiken usw.
die religiösen Aspekte jedoch lediglich empirisch (5). Da-
das Interesse an seiner kulturellen Vergangenheit. Seit
die Kenntnis von der peruanischen Kul­tur und Reli­gion
mit gelang es ihm aber nicht, eine Grundlage zu definie-
nunmehr knappen 150 Jahren haben sich zahlreiche Ar­
verbessern würde.
ren, die es ermöglicht hätte, der altperuanischen Götter-
chäo­logen auch mit den Aspekten der Religion oder
Der Autor hat diesen Weg beschritten und ist damit zu
Schon vor einem Dreivierteljahrhundert formulierte die
logischen Interpretationen gekommen. Diese lassen den
peruanische Archäologin Rebecca Carrión Cachot, dass
Schluss zu, dass das eigentliche Götterbild über den Zeit­
eine richtige Interpretation der religiösen Ideen die ge-
raum von zweieinhalb Jahrtausenden, wohl in Abhängig­
samte Kenntnis der präkolumbischen Kulturen erleich-
keiten von priesterlichen und künstlerischen Ambitionen,
Die aus Deutschland gebürtige Religions­
in seiner Präsentation einerseits nicht ganz homogen war,
wissenschaftlerin Dorothea Ortmann hat sich dadurch
andererseits aber seine Attribute, die stets im Zu­sam­
verdient gemacht, dass sie die Religion(en) in Peru ana-
men­hang mit dem Götterbild die Absichten oder Aus­­­­­
lysierte. Sie widmete sich nicht nur der kolonialen und
sagen der Religion erkennen lassen, ein diesbezüglich
tern würde
16
Abb. 7: Die Nachzeichnung eines auf einem Silberblech
dargestellten Feliden zeigt die mit den anderen Bildern
vergleichbare Darstellung der im Schwanz dargestellten
Symbolik. Insbesondere ist Identität zur Moche-Grafik
festzustellen.
(5).
Abb. 8: Die gemalte Chimú-Darstellung des Götterbildes
zeigt die beliebte Darstellung des Stufenmäanders als
zacken­­besetztes Halbrund, ergänzend der Mäander auf
der Schnauze.
welt näher zu kommen. Tello postulierte, dass sich die
Reli­­­gionen dieser untergegangenen Reiche beschäftigt.
(4).
Abb. 6: Felides Götterbild von einem Nasca-Textil. Das
Bild ist vergleichbar mit den Darstellungen der anderen
Kulturen. Dominant fallen die Mäanderdarstellungen auf,
die einerseits auf den Wassergott bezogen sein mögen,
andererseits aber mit den „Zackendarstellungen“ des
Kop­­­­fes zur Fruchtbarkeitssymbolik kombiniert werden
könnten.
Abb. 5: Felides Götterbild von einem Paracas-Textil. Die
Schwanz­aus­bil­dung enthält die gleiche Symbolik wie die
des Reliefs von Chavín (Abb.2).
Abb. 9: Das Relief eines Silberbechers von Chornancap
(Lambayeque) zeigt mehrfach die Fruchtbarkeitssymbolik.
Halbrund und Zacken am Kopf des Felidenbildes, ebenso
wie am Schwanz (vgl. Darstellungen der anderen Kulturen).
Zudem wird die Symbolik der Späten Zwischenzeit prä­
sentiert (Rücken, Schwanz, rechts, vgl. Text).
17
Zeitliche Übersicht der Götterbilder
Chancay
1500 n. Chr.
Chancay
28
26
27
Chimú
25
1000 n. Chr.
23
Chancay
24
Lambayeque / Sicán
Erläuterungen zur zeitlichen Übersicht der Götterbilder
Die Götterbilder des alten Peru in zoomorpher/felider,
Status und wird stets in Kombination mit der Fruchtbar­
ornithomorpher oder anthropomorpher Gestaltung sind
keitssymbolik abgebildet. Das Götterbild unterlag, eben­
stets durch die attributive Fruchtbarkeits-Symbolik er­
so wie die Gestaltung der Fruchtbarkeits-Symbolik, dem
gänzt. Diese besteht aus Stufen- oder Schlangenmäander
kulturell bedingten stilistischen Wandel. Die Entwürfe
als Kombination der beiden Symbole Erde und Wasser, in
waren bewusst komplex gestaltet (bisweilen separat Dar­
der Späten Zwischenzeit außerdem aus Quast ähnlicher
stellung der Symbole Erde und Wasser), um dem Betrach­
Symbolik bzw. gerundeter Zackenornamentik. Die frühe
ter eine geistige Auseinandersetzung mit ihrem Inhalt
Symbolik des von Chavín geprägten Schlangenmäanders
abzuverlangen. Die sich ähnelnden Gestaltungselemente
kommt vereinzelt auch in allen späteren Kulturen wieder
finden sich in allen alten peruanischen Kulturen über den
zum Ausdruck. Bei Moche und insbesondere bei Chancay
Zeitraum von 2500 Jahren wieder.
demonstriert der Seevogel einen deutlichen halbgöttlichen
Lambayeque / Sicán
22
1. Chavín: Göttliche Symbolik mit Schlangenmäander
20
21
19
500 n. Chr.
Tiahuanaco-Huari
Tiahuanaco-Huari
2. Chavín: Götterbild (Kopf) mit Stufenmäandern
18
Moche
18. Tiahuanaco-Huari: Götterbild (in seitlicher Ansicht) mit
4. Alto de la Guitarra (Rio Moche): Duales Götterbild
Stufenmäander-Symbolik in abstrahierter Gestaltung
5. Chavín: Felidenschwanz (Detail eines Felidenbildes)
als Schlangenmäander-Symbolik
16
Moche
6. Paracas: Kombinierte Schlangen- und Stufenmäander-Symbolik
14
15
Tiahuanaco
7. Chavín: Felidenhaupt mit ornithomorphem Attribut
(Schnabelvorsatz)
0
13
Nasca
8. Paracas: Duales Felidenbild mit StufenmäanderSymbolik
11
12
Recuay
9. Nasca: Abstraktion der Paracas-Symbolik von Bild 8.
10. Recuay: Göttlicher Felide mit Schlangenmäander-
10
1
8
Paracas / Nasca
9
500 v. Chr.
Chavín
Symbolik
Chavín / Paracas
6
Chavín
Chavín
1000 v. Chr.
3
1
60
Chavín
20. Lambayeque/Sicán: Anthropomorphes Götterbild mit
dualer Fruchtbarkeits-Symbolik der Späten Zwischenzeit
21. Lambayeque/Sicán: Götterbild in Kombination mit
Fruchtbarkeits-Symbolik der Späten Zwischenzeit
22. Chimú: Zoomorphes Götterbild mit FruchtbarkeitsSymbolik der Späten Zwischenzeit
23. Chimú: Anthropomorphes Götterbild mit Fruchtbar­
keits-Symbolik (Kopfschmuck identisch mit Wasser­
symbol, Zackenlinie identisch mit Erdsymbol)
barkeits-Symbolik (duale Stufenmäander-Symbolik)
mäander-Symbolik
dualer Stufenmäander unten im Sockel
der (im Schwanz)
15. Moche: Emblematisches Götterbild in dualer
2
und attributiver Fruchtbarkeits-Symbolik
(Erde=Zähne, Mäander an Schnauze und Hals=Wasser)
14. Moche: Abstrahiertes Felidenbild mit Stufenmäan­
4
Ansicht) in anthropomorpher Haltung mit Zepter
24. Chimú: : Anthropomorphes Götterbild Mit Frucht­
13. Tiahuanaco: Götterbild mit mehrfacher Symbolik,
5
19. Tiahuanaco-Huari: Felides Götterbild (seitliche
11. Nasca: Felidenhaupt mit Symbolen der Fruchtbarkeit
12. Nasca: Zoomorphes Götterwesen mit dualer Stufen­
7
attributiver Fruchtbarkeits-Symbolik
3. Chavín: Götterbild (Kopf) mit Schlangenmäandern
mit Schlangenmäandern
17
17. Tiahuanaco-Huari: Dual gestaltetes Götterbild mit
Gestaltung
16. Moche: Göttlicher Felide mit dualer Symbolik
(Stufenmäander und Schlangenmäander)
im Kopfschmuck
25. Chancay: Abstrahierter Felidenkopf mit dualer
Fruchtbarkeits-Symbolik (Stufenmäander)
26. Chancay: Duales Seevogelmotiv mit inkorporierter
Fruchtbarkeitssymbolik
27. Chancay: Seevogelmotiv mit inkorporierter und
kombinierter Fruchtbarkeits-Symbolik
28. Chancay: Felides Götterbild (Kopf) in Kombination
mit der dualen Fruchtbarkeits-Symbolik (Zacken und
Mäander)
61
1 Feliden als Götterbilder
101 Das kleine, nur 7,0 x 10,5 cm große ChavínTextil gab lange Zeit Rätsel über seinen Inhalt auf.
Es ist ein in den Farben rot und beige gehaltenes
Doppelgewebe aus Baumwolle, welches mit zusätzlichem Muster in den Farben Blau und Beige ebenso
102 Das kleine Fragment eines frühen, leuchtend roten
fein bestickt wurde. Es stellt hälftige Felidenhäupter
Moche-Textils zeigt zwei konturierte Felidenhäupter in
dar, die mit derselben gewendeten Hälfte eine ab-
seitlicher Ansicht als Götterbilder. In die Kontur ist je-
strahierte Darstellung eines Felidenhauptes (frontale
weils dreifach die attributive Fruchtbarkeitsymbolik als
Ansicht) zeigen. Das Stück hat leichte Beschädigun-
Stufenmäander einbezogen. Die umfassende Kante des
gen, weshalb sich der obere linke Teil am besten
Gewebes zeigt einen ornithomorph geprägten Feliden-
zur Rekonstruktion als Gesamtdarstellung eignete.
kopf im Profil. Die Musterung entstand durch in Dop-
Die drei Grafiken zeigen vergleichbare Chavin-Häup­
pelgewebetechnik. Die farbigen eingestickten Punkte
ter bzw. deren frontale Ansichten von textilen Motiven.
waren eine übliche Zutat der frühen Moche-Zeit.
66
67
6 Kombinationen von Vogel und Fisch
520
Die Chancay-Kultur hat eine Vielzahl origineller
Textilien hinterlassen. Dazu gehören auch durch Stickerei
produzierte Motive. Dies sind in der Mehrzahl Vögel.
Hier werden fünf unterschiedliche Motive gezeigt, die
114
sich wohl in ihren typischen Aussagen an der Origina­
601
len orientiert haben. Drei Nachzeichnungen zeigen
tion von Vogel und Fisch. Das in ein leinenbindiges
einem bemalten Textil. Dieses Bild wird noch ergänzt
zwei textile und ein gemaltes Vogelmotiv, alle in Kom­
baumwollenes Grundgewebe eingestickte Motiv (vgl.
durch die religiöse Symbolik des Stufenmäanders.
bination mit der Fruchtbarkeitssymbolik.
Detail) lässt die Kombination deutlich erkennen.
Einige wenige Textilien zeigen auch die Kombina­
Im Vergleich die Nachzeichnung eines Motivs von
115
7 Symbolhafte Interlocking-Motive
701
Als Interlocking in Bezug auf textile Motive wird
Das Fragment ist ein Eckfragment eines größeren Textils
ihr formmäßig aufeinander abgestimmtes Ineinander­
(zumeist waren dies Umhängetücher), welches mit ge­
greifen bezeichnet. Dies stellt eine sehr anspruchsvolle
webten Fransen ausgestattet ist. Diese Gestaltungen
702 Ein anderes Eckfragment zeigt eine Variante der
künstlerische Gestaltungsweise dar. Ein anderer wesent­
waren spezifisch für Chancay. Sie gehören zu den ge­
Darstellung des Vogels. Hier werden prägnante Inter­
liche Aspekt der hier auf vier Seiten dargestellten Motive
wirkten Textilien, teils sind diese durch zusätzlichen
locking-Motive ebenfalls in diagonalen Streifen präsen­
ist die Gestaltung des Vogels als Tier und gleichzeitig
Schussfadeneintrag entstanden. Das Detail zeigt auch
tiert. Der Körper des Vogels bringt das Zacken-(Stufen-)
als Symbolträger. In dem auf dieser Seite gezeigten Bei­
die sehr reizvolle Konturierung des Motivs. Das Textil
Motiv zum Ausdruck, während der Kopf hierzu ergän­
spiel ist dem Vogel die Fruchtbarkeitssymbolik wie ein
besteht aus Baumwolle. Die Nachzeichnung von einem
zend den Mäander verkörpert. Auch dieses Motiv ge­
Flügel angehängt: das Zackenmotiv und der Mäander.
ähnlichen Detail eines Interlocking-Motivs verdeutlicht
winnt besonderen Ausdruck durch seine Konturierung.
In den farblich unterschiedlich gestalteten Motivstreifen
diese religiöse Symbolik als Variante des Stufenmäan­
Eine Nachzeichnung eines vergleichbaren Vogelmotivs
wird dieses Bild in farblichen Varianten dargestellt.
ders.
verdeutlicht die Symbolik.
116
117
9 Rätselhafte Nasca-Textilien
902
Das mit dem auf der nebenstehenden Seite ab-
gebildete stilistisch vergleichbare Stück zeigt deutlich
duale Felidendarstellungen (weiß), darüber symbolische
Darstellungen des Wassergottes. Diese sind ähnlich wie
die Felidenbilder durch eine „trennende Linie“ unter­
brochen. Das Detail verdeutlicht das sehr abstrahierte
Bild der Feliden, der seine Herkunft auf Chavín bezie­
hen kann. Die dominanten Mäandersymbole im Körper
des haben möglicherweise ihre Ergänzung zur Frucht­
barkeitssymbolik in den Zacken im Haupt des Felidem.
Diese Darstellung war bei Nasca sehr populär. Ähnlich
Darstellungen des Feliden finden sich bei Recuay, Paracas,
Moche, Tiahuanaco-Huari, Chimú und Lambaye­que/
Sicán. Hier in der Nachzeichnung die Gegenüberstel­
lung mit Huari
901
Auf dieser Doppelseite werden zwei hervorragende
Symbole des obersten Felidengottes (weiß dargestellt),
Nasca-Textilien gezeigt. Sie enthalten prägnante Sym­
ebenso wie seine Präsentation im Zepter, ergänzt wer­
bolik. Die hier gezeigte Abbildung offenbart möglicher­
den. Die Emblematik lässt ausschließlich die Symbole
weise abweichend von der üblichen Darstellung der
des Mäanders erkennen. Die Wassersituation war be­
obersten Gottheit den Wassergott. Dies geht aus der
kanntermaßen bei Nasca sehr prekär, insofern kann
fast ausschließlichen Symbolik mit dem Symbol des
diese Darstellung nachvollzogen werden, in welcher der
Mäanders hervor. Der ausladende Kopfschmuck und
Wassergott eine vorrangige Rolle spielt. Die Gestalten
der untere Bereich der Darstellung lassen eine Vielzahl
links und rechts unten können möglicherweise Priester
(insgesamt 13) emblematischen, vom Mäander geprägte
darstellen. Die rechte Figur zeigt im Kopfschmuck die
Symbole erkennen, welche durch zwei offensichtliche
Symbolik de Stufenmäanders.
124
125
CORDILLERA BLANCA
6:000 m
WALDGEBIET
ANBAUTERRASSEN
CORDILLERA NEGRA
5.000 m
ANBAUTERRASSEN
FRÜHE ANLAGE
WALDGEBIET
WASSERRESERVOIR
STAUANLAGE
WALDGEBIET
TAL
ANBAUTERRASSEN
ANBAUTERRASSEN
4.000 m
BEOBACHTUNGSANLAGE
ANSIEDLUNG UND
TEMPELPYRAMIDE
QUEBRADA
TAL
TAL
ANSIEDLUNG MIT
ZEREMONIALPLATZ
3.000 m
FLUSS
HANGKANAL
TEMPELPYRAMIDE
LAGUNE
HANGKANAL
ANSIEDLUNG
BEWÄSSERUNGSFLÄCHEN
HANDEL/WARENAUSTAUSCH
FURT
1.000 m
HANGKANAL
LOMAS
WEGSTATION
ANSIEDLUNG
FLUSS
HANGKANAL
BEWÄSSERUNGSFLÄCHEN
2.000 m
BEOBACHTUNGSANLAGE
ANSIEDLUNG
TEMPELPYRAMIDE
HISTORISCHE STRASSE
LANDWIRTSCHAFT
FELDER
FELDER
0-50 m
KANAL ZUM NACHBARTAL
BEWÄSSERUNGSFLÄCHEN
WEGSTATION
ZEREMONIALZENTRUM
FEUCHTGEBIET
FURT
LANDWIRTSCHAFT
FLUSS
FLUSS
FISCHFANG
FISCHFANG
PAZIFISCHER OZEAN
172
SCHEMATISCHE DARSTELLUNG VON FLUSSTÄLERN
DES ALTEN PERU AN DER ZENTRALEN UND
NÖRDLICHEN PAZIFIKKÜSTE
173
Historische
Strategien und Techniken
der Wasserwirtschaft
im Raum der Anden
Heiko Diestel
„Es ist gut, vorauszusehen und sich zu erinnern,
ein Auge in die Vergangenheit und das andere in die Zukunft gerichtet.”
176
Publilius Syrus, Sentenzen
177
Einleitung
In den folgenden Abschnitten werden zunächst die
mit einem – wenn auch leisen – Zweifel leben müssen:
Landschaften sowie die klimatischen und hydrologischen
So kann es gewesen sein, aber war es wirklich so? Soll-
Gegebenheiten im Lebensraum zwischen den Andengip-
ten aufmerksame Leser in den folgenden Abschnitten
feln und der Pazifikküste beschrieben. Auf dieser Grund-
auf korrektur- oder ergänzungsbedürftige Aussagen
lage wird dann auf die historischen kulturtechnischen,
stoßen, wäre der Autor für eine Kontaktaufnahme über
wasserwirtschaftlichen und organisatorischen Maßnah-
den Herausgeber dankbar. Ein Buch ist ja auch ein Kom-
men eingegangen sowie auf die Kenntnisse, welche die
munikationsmittel...
Durch­­­führung dieser Maßnahmen ermöglichten. Das
Be­wundernswerte an den prä-hispanischen Fertigkeiten
Der Autor möchte den Lesern die kulturtechnischen und
und an dem damals in dieser Zone der Welt vorherr-
wasserwirtschaftlichen Leistungen der alt- peruanischen
schenden Wissen erschließt sich erst, wenn man sich
Kulturen nahebringen. Im Interesse einer guten Lesbar-
detaillierter mit den jeweiligen Spezialthemen auseinan-
keit wird deshalb auf die in Fachpublikationen übliche
dersetzt. Die Entstehung dieser Kulturen wurde durch
Zitierweise verzichtet und, mit wenigen Ausnahmen, nur
naturräumliche Gegebenheiten sowie kulturtechnische
mit kleinen Hochzahlen auf Quellen hingewiesen.
und wasserwirtschaftliche Zusammenhänge erzwungen.
Diese sollen hier in einer Tiefe behandelt werden, für die
Der Autor dankt Marco Otto, Volker Soßna, Claudia
auch sehr gute Reiseführer nicht genügend Raum bieten
Trippe und Gerhild Werner dafür, dass sie seine Entwürfe
können. Würden den Lesern nicht streckenweise tech-
kritisch und konstruktiv gelesen und mit hilfreichen Kor-
nisch und naturwissenschaftlich recht anspruchsvolle –
rekturen und Kommentaren versehen haben, und Martina
vielleicht sogar zunächst „langweilige“ – Textpassagen
Irion für das hervorragende Layout. Er dankt Uwe Carl-
abverlangt, würden ihnen sicherlich wichtige Erkenntnisse
son für den anregenden Austausch in der Entstehungs-
über das Leben und Handeln der frühen Andenbewoh-
phase dieses gemeinsamen Buches sowie für die Erstel-
ner entgehen.
lung der Skizze in Abb. 10.
Die Inkas und ihre Vorgängerkulturen geben uns noch
Die Nummerierung der Abbildungen beginnt in diesem
viele Rätsel auf, deren Lösung auf sich warten lässt oder
letzten Abschnitt des Buches wieder mit der Nummer 1.
teilweise vielleicht nie möglich sein wird. Bauten, Straßen, Gerätschaften und handwerkliche Kunstwerke fielen Zerstörungen aus unterschiedlichen Ursachen zum
Opfer. Aus dogmatischen Gründen wurden Geschichtszeugnisse wie Quipus zerstört. Die Quellen, auf denen
die Geschichtsschreibung beruht, sind zum Teil widersprüchlich. Die persönliche Sicht einiger spanischer
Chronisten bzw. ihrer Auftraggeber floss in die Darstellungen ein, auch kann man manch gezielte Verzerrung
der Tatsachen feststellen. Die Inquisition hatte ihre Auswirkungen. Die historische Forschung zu den erwähnten
Kulturen hat noch viel zu tun. Vielleicht wird man immer
178
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Die natürlichen
Gegebenheiten im Gebiet
des Inkareiches
decken. Starke klimatische Kontraste im Tages- bis Jah-
Zonen mit spezifischen Pflanzen- und Tiergesellschaften
Subtropische Wüste (Desierto Pre-Montano)
resverlauf auf engem, zusätzlich geologisch oft hetero-
festen Höhenstufen zuordnet. Aber es hat sich doch eine
Bis zu einer Höhe von 500 m erstreckt sich die subtropi-
genem Raum sind kennzeichnend für diese Region der
dominierende und in der gesamten Andenregion sich
sche Wüste, regional auch als „Costa“ bezeichnet. Sie
Erde.
stets wiederholende naturräumliche Gliederung etab­liert.
ist durch ein arides Klima mit Temperaturen zwischen
Eine vollständige Wiedergabe der Beschreibung und Ein­
18° und 22°C gekennzeichnet. Im Ort Huacatambo (80
teilung von insgesamt 34 Ökologischen Zonen („Zonas
m ü.NN) wurde eine durchschnittliche Niederschlags-
Einführung
Peru liegt auf den Breitengraden, auf denen sich auch
Zu den Faktoren, die zu einer hohen räumlichen und
Angola, Tanzania, Zambia oder Papua-Neu Guinea befin-
zeit­lichen Variabilität des Lokalklimas führen, kommt
de vida“) für
würde zu weit führen. Beispielhaft
menge von 4,5 mm/Jahr gemessen, in San Jacinto (283
den. Man würde also aus groß-klimatischer Sicht ein
noch der in Zeitabständen wiederkehrende großklimati-
für die Umweltbedingungen, die das Gebiet des Inkarei-
m ü.NN) 11,2 mm/Jahr. Topographisch lassen sich zwei
warmes und feuchtes Klima erwarten. Die in sehr hohe
sche Vorgang hinzu, der als El-Niño-Phänomen bekannt
ches kennzeichneten, sollen hier die meerseitigen ökolo-
Bereich ausdifferenzieren: die ebenen oder auch leicht
Luftschichten hineinragenden Anden und der kalte
ist, wissenschaftlich genauer als ENSO-Phänomen be-
gischen Zonen beschrieben werden, die im Nepeña-Tal
ge­wellten, häufig bewässerten Flussoasen und – zwischen
Humboldtstrom erzwingen jedoch eine andere klimati-
zeichnet wird.
vorzufinden sind. Hier zeigt sich unmittelbar, welchen
diesen – sogenannte „Pampas“ und immertrockene Hü-
naturräumlichen Gegebenheiten sich die Erbauer und
gel, nur teilweise landwirtschaftlich genutzt. Die Fluss-
sche Realität. An der Westabdachung der Anden steigt
Peru 52/53
die Höhe des Geländes auf sehr kurzer Strecke von West
Diese kontrastreichen natürlichen Gegebenheiten fordern
Bewirtschafter der kulturtechnischen Anlagen in diesem
oasen verfügen über tiefgründige, frucht­bare Schwemm-
nach Ost vom Meeresniveau auf Höhen um die 6.000 m
den Landwirt, den Kulturtechniker und den Wirtschafts-
Andental anpassen mussten. Die hier besprochenen Zo-
land-Böden. Natürliche und durch Bewäs­se­rung verstärkte
an. (In diesem Text wird der Punkt zur Kennzeichnung
Administrator (auch heute noch) zu großem Einfalls-
nierungen sind aber kein Grundmuster für die gesamten
Versalzung kommt ziemlich großflächig vor. Salinen wur-
von Tausendern und von Millionen verwendet). Im schma-
reichtum und Fleiß heraus. Andererseits bieten sie so-
Anden, sondern allenfalls für die Küstentäler der westli-
den bereits von den frühen Kulturen betrieben.
len, 2.400 km langen peruanischen Küstenstreifen am
wohl der natürlichen Anpassung und Selektion als auch
chen Andenseite Perus.
Pazifischen Ozean herrschen hohe (für die geographisch
der Züchtung viele Möglichkeiten zur Entfaltung einer
Breite allerdings relativ niedrige) Temperaturen vor, in
einzigartigen Artenvielfalt. Es gibt 4.400 einheimische
Weitere markante Landschaften Perus, wie beispielsweise
melien sind die vorherrschen natürlich wachsenden
einigen Bereichen mit monatelangen nebligen Phasen.
Pflanzen, die – neben der Ernährung – zu verschiedenen
die entlang der nördlichen Küste vorkommenden Man-
Pflanzen der trockeneren, weitgehend kargen Bereiche.
Die in der Regel abwärts gerichteten Winde verhindern
Zwecken wie Färben, Herstellen von Stoffen und Utensi-
grove-Wälder oder der Lebensraum der „Lomas“ mit einer
Augenfänger sind die zum Teil stattlichen Cereus-Kakte-
ein Aufsteigen von genügend Luftfeuchtigkeit, die in
lien oder zur Heilung von Krankheiten genutzt
werden 6.
an häufigen Nebel angepassten Vegetation werden hier
engewächse, deren Vielfalt und Anzahl mit der Gelände-
größeren Höhen zur Kondensation und zu Niederschlä-
Viele der heute weltweit vorkommenden und angebau-
nicht behandelt. Auch für hochandine Feucht­gebiete („bo-
höhe zunimmt. In Zonen mit häufigem Nebel wachsen
gen führen könnte. Diese Niederschlagsarmut hat die
ten Pflanzen stammen aus dieser Region. Den Menschen
fedales“ oder „humedales“) muss hier ein Hinweis auf
Geophyten, die kritische Trockenphasen unter der Erde
Küstenwüste entstehen lassen. Großräumig betrachtet
der präkolumbischen Kulturen standen Anbaufrüchte
die Literatur
überdauern können. Stellenweise kommt der breit aus-
sinken die Temperaturen mit der Höhe und gen Süden,
und Pflanzensorten zur Verfügung, die an die sehr unter-
die Niederschläge mit zunehmender Höhe. In großen
schiedlichen Standorte angepasst waren. Die Gegeben-
In den Flusstälern zwischen der Pazifik-Küste und den
tiefwurzelnde Algarrobo-Baum (ein Mimosengewächs,
Höhen ist die Luft im Allgemeinen trocken und die Ver-
heiten an der Westabdachung der Anden faszinierten
Andengipfeln haben sich im Nepeña-Tal sechs ökologi-
Prosopis spec.), der in früheren Zeiten große Waldbe-
dunstung hoch, das kehrt sich in der Regenzeit von De-
auch Alexander von Humboldt, der am Chimborazo in
sche Zonen ausgebildet, die im Folgenden beschrieben
stände in den Pampas der Küste bildete. Die Ufer und
zember bis März allerdings um. Die Sonnenstrahlung ist
Ecuador erstmals Vegetations-Zonierungen wissenschaft-
werden, basierend auf der Arbeit von Claudia Freisem
29,
Flussauen des Nepeña weisen Röhrichte und Weidenar-
in diesen Höhen intensiv. Ab etwa 2.200 m Höhe herrscht
lich aufnahm.
heute Claudia Trippe und der dort zitierten Literatur.
Trockenheit vertragende, meist vereinzelt stehende Bro-
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genügen.
ladende Huarango-Baum (Acacia tortuosa) vor sowie der
ten auf, dort wächst auch u.a. der peruanische Pfefferbaum (Schinus Molle), der bis zu 15 m hoch werden kann.
praktisch keine ganzjährige Frost­freiheit mehr. Der Luftdruck in den Höhen, in denen die frühen Bewohnern
Die Lebenszonen Perus auf Grund
Stauseen gebaut und bewirtschaftet haben, ist etwa halb
der Vegetations-Zonierung
In versalzten Flächen kommt die typische Salzflora vor,
so hoch wie am Meer. Hinzu kommen geologisch be-
Einleitung
die lokal mit dem Sammelbegriff „grama salada“ (gesal-
dingte Unterschiede der Böden. Zudem heizt sich unter
Die Anden sind durch viele Täler zerfurcht, die vorwie-
diesen Bedingungen ein dunkler, nicht vollständig be-
gend in Ost-West-Richtung verlaufen. Das Landschafts-
wachsener Boden bei Sonnenbestrah­lung stärker auf als
bild dieser Täler wird meist zusätzlich durch kürzere Ne-
In den bewässerten Flussoasen wurde und wird Land-
auf Meereshöhe. Zwischen Tag und Nacht variieren Tem-
bentäler geprägt, die „Quebradas“, in denen in engen
wirtschaft betrieben, teilweise auch in den Pampa – Ge-
peratur und Luftfeuchte stellenweise enorm. Örtliche
Zeiträumen starke Abflüsse stattfinden können. Die na-
bieten, die mit Bewässerungskanälen erreicht werden
lokalklimatische Effekte können an vielen Standorten
türlichen Gegebenheiten gestatten keine für alle Stand-
die Höhen-Schichten-Abstufung der Lokalklimate über-
orte gültige Aufteilung, die klar voneinander getrennte
180
zenenes Gras) bezeichnet wird.
können. Heute dominiert hier intensiver, großflächiger
Abb. 1: Typisches Landschaftsbild der
Küstenwüste 29
Zuckerrohranbau.
181
In diesen Bereichen der Anden trifft man ein vergleichs-
forstet, die inzwischen in vielen Talabschnitten der An-
weise breites Spektrum von Pflanzenarten an: Kakteen
den das Landschaftsbild prägen. Der hohe Wasserbedarf
der Opuntien – und Cereus-Arten, Huarango, Pfeffer-
des Eukalyptusbaumes beeinträchtigt heimische Arten.
baum, verschiedene Weidenarten, Ginster und Gräser.
Erosionsschäden durch Beweidung sind auch hier zu
Auch Agaven und Nussbäume gedeihen hier, sowie in
beobachten.
der Nähe des Flusses, Erlen und Eschen.
Sehr feuchter subalpiner Páramo
Bergsteppe (Estepa Montano)
Abb. 2: Typisches Landschaftsbild der vormontanen Strauchwüste 29
(Páramo Muy Húmedo Sub-Alpino)
Abb. 3: Landschaft der montanen Dornsteppe bei Pamparonás im
Nepeñatal 29
Vormontane Strauchwüste
(Matorral Desértico Pre-Montano)
Landwirtschaft auf einem hochtechnisierten Niveau fin-
Die in Peru als „Yunga“ bezeichnete Zone schließt sich
det in der vormontanen Strauchwüste kaum noch statt.
im Nepeña-Tal als nächst höhere Zone an. Die obere
Die auf den weniger steilen Abschnitten erzeugten bäu-
Grenze dieses Bereiches liegt bei 1.900 m ü.NN. Das
erlichen Produkte decken den Eigenbedarf und werden
Klima ist arid bis semi-humid, mit um die 180 mm Nie-
auf lokalen Märkten verkauft.
derschlag pro Jahr und Temperaturen, die immer noch
um die 20°C im Jahresdurchschnitt liegen.
Montane Dornsteppe
Abb. 4: Landschaft der montanen Bergsteppe mit Eukalyptusaufforstungen 29
(Estepa Espinosa Montano Bajo)
Abb. 5: Typisches
Landschaftsbild des
sehr feuchten Páramo
mit Exemplaren der
puya raimondii 29
Die „Yunga“ enthält zwei unterschiedliche Lebensräu-
In dem sich anschließenden semi-ariden bis gemäßigten
In diesen Höhen (3.000 m ü.NN bis zu 3.800 m ü.NN)
me. In den nun schon recht engen Talsohlen kommen
Lebensraum, von dem man sagen könnte, dass in ihm
herrschen bereits sehr niedrige Durchschnittstemperatu-
nur noch in der Übergangszone zwischen Fluss und
die „klassischen und schönen“ Andenlandschaften vor-
ren vor. Nächtliche Tiefsttemperaturen liegen unter dem
Ab 3.800 m ü.NN aufwärts (bis zu 4.800 m. ü.NN) kommt
Bergfuß recht fruchtbare Böden aus Schwemm-Material
kommen, fallen durchschnittlich 250–380 mm Nieder-
Gefrierpunkt, im Jahresmittel herrschen 11 °C. In der
man in einen Lebensraum, dessen Klima und dessen
vor, auf denen Landwirtschaft betrieben wird. Vorherr-
schläge im Jahr. Es herrscht in dieser regional auch als
sub-humiden, kalten Bergsteppe, die regional auch als
kaum entwickelte Böden nur noch ganz vereinzelt Ac-
schend ist in dieser Zone aber der Lebensraum, den die
Quechua bezeichneten Zone eine Jahresmitteltempera-
Suny bezeichnet wird, fallen im Mittel zwischen 380–500
kerbau gestatten. Steile Berghänge umschließen vieler-
ariden, teilweise sehr steilen Hänge bieten. Die Böden
tur von 14°C. Die montane Dornsteppe zieht sich bis auf
mm Niederschlag im Jahr.
orts ebenes oder nur leicht gewelltes Gelände. Zwar
sind kaum entwickelt und geröllhaltig. Nur an flacheren
eine Höhe von 3.000 m ü.NN hinauf. (Machu Pichu liegt
Hängen kann Landwirtschaft betrieben werden.
über und unter einer Höhe von 2.430 m ).
fallen pro Jahr in dieser auch Puna genannten Zone 900
Die Zusammensetzung der Pflanzenarten entspricht
mm Niederschlag, aber es herrschen nächtliche Tempe-
weitgehend jener der montanen Dornsteppe, mit einer
raturen bis unter den Gefrierpunkt und eine Jahresmit-
Die pittoresken Cereus-Kakteen beherrschen häufig das
Auch hier werden die weniger steilen Abschnitte der
geringen Vegetationsdichte. Es finden sich an weniger
teltemperatur von 5°C. Der größte Teil der an anderer
karge Landschaftsbild, insbesondere fallen der „Gigan­
Hänge, die Flächen entlang des Hangfußes und die
steilen Abschnitten der Hänge durchaus noch tiefgründi-
Stelle in diesem Buch beschriebenen Bergseen und Stau-
tón“ („großer Riese“) und der Candelabro auf. Entlang
schmalen Abschnitte im Bereich des Ufers des Nepeña-
ge Böden mit hoher bis mittlerer Fruchtbarkeit. Die Regel
becken befindet sich in diesen Höhenlagen.
des Flusses kommt hier zu den Auenpflanzen der Tara-
Flusses mit Böden mittlerer Fruchtbarkeit landwirtschaft-
sind jedoch geringe Bodentiefen. In dieser Zone findet
Baum (Caesalpinia spinosa) dazu, der viele Nutzungs-
lich genutzt, Terrassierungen sind verbreitet. Auch hier
sowohl Bewässerungsfeldbau als auch Trockenfeldbau
Die Niederschläge erhalten eine Grassteppe („Ichu”) mit
möglichkeiten aufweist. Auch in dieser Zone wächst an
beeinträchtigen unkontrolliert weidende Nutztiere die
statt, der jedoch auf sehr steilen und felsigen Hängen
Schwingel- und Federgrasarten am Leben. In der Nähe
trockeneren Stellen der Huarango-Baum. Weitere Gehölz­
natürliche Vegetation. Hangabflusswasser (ober- und
mit kaum entwickelten Böden nicht mehr betrieben wer-
des Caserío Cajabamba sind Gruppen der berühmten
arten säumen gerne die Bewässerungskanäle. Hangero-
unterirdisch) spielt auf großen Flächenanteilen für die
den kann.
Riesenbromelie (Puya gigantea) zu finden. Sie kann eine
sion entsteht heute vielerorts dadurch, dass die natürli-
landwirtschaftliche Nutzung eine Rolle, Grundwasser wird
che Vegetation durch das unkontrolliert herumzie­­hende
nur in den Talsohlen genutzt. Erosion findet auf aufge-
Diese sehr baumarme Zone wird stellenweise seit vielen
gefährdet. Auch der Nussbaum und der ebenfalls sehr
Vieh beschädigt wird.
lassenen Terrassen statt.
Jahren mit nicht heimischen Eukalyptusbäumen aufge-
bedrohte Queñual (Polylepis spec.), von dem in den Anden
182
Höhe von bis zu 10 m erreichen und ihr Bestand ist
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