Minderheiten – Schutz ohne Definition möglich?

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Minderheiten – Schutz ohne Definition möglich?
Minderheiten – Schutz ohne Definition möglich?
Fallstudie der Situation der Pygmäen in der
Demokratischen Republik Kongo
DIPLOMARBEIT
zur Erlangung des akademischen Grades Magister
an der Kultur- und Gesellschaftswissenschaftlichen Fakultät
der Universität Salzburg
Fachbereich: Politikwissenschaft und Soziologie
Gutachterin: Prof. Dr. Barbara Wolf-Wicha
Eingereicht von:
Thomas Lahnthaler
Universität Salzburg, November 2007
"We must do more to prevent conflicts happening at all. Most conflicts happen in … countries,
especially those which are badly governed or where power and wealth are very unfairly
distributed between ethnic or religious groups. So the best way to prevent conflict is promote
political arrangements in which all groups are fairly represented, combined with human rights,
minority rights and broad-based economic development."
Kofi Annan, Secretary-General of the United Nations
(Statement on presenting his Millennium Report, 3 April 2000)
2
Danksagung
Das Verfassen einer Diplomarbeit stellt einen langwierigen Prozess dar. Am Ende
steht der eigene Name unter dem Endprodukt, das man jedoch ohne die Hilfe vieler
Anderer nicht fertig bringen hätte können. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um
einigen dieser Personen zu danken. Ohne sie wäre mir die Fertigstellung dieser
Arbeit nicht gelungen bzw. wäre diese noch nicht erfolgt.
Ich möchte mich bei meiner Diplomarbeitsbetreuerin und Gutachterin, Frau Professor
Doktor Barbara Wolf-Wicha bedanken, die mir in allen Arbeitsphasen der Studie mit
Rat und initiativen Ideen sehr weitergeholfen hat. Ohne die Motivation von Frau
Professor Wolf-Wicha sowie ihrer Flexibilität und ihrem persönliches Engagement
hätten erhebliche Teile der Arbeit nicht die Form, in der sie sich befinden.
Dank gebührt auch der Wissenschaftsagentur Salzburg sowie der Organisation
Human Rights International (HRI), die mir den Auftrag zur Durchführung dieser
Studie anvertraut haben, und die großes Verständnis und Geduld hinsichtlich des
Zeitrahmens der Fertigstellung bewiesen haben.
Im Laufe der Arbeit zum Verfassen einer Diplomarbeit begibt man sich auf eine
Reise durch Höhen, etwa wenn man unerwartete Informationen erhält, aber auch
Tiefen, wenn man an einem Punkt festsitzt und nicht weiter weiß. Auf dem Weg
durch dieses Wellental stand mir stets meine Familie zur Seite, ohne deren
Motivation und Unterstützung, die ich auch während des gesamten Studiums
genießen durfte, hätte ich an manchen Stellen vielleicht das Handtuch geworfen.
Durch den starken Rückhalt meiner Familie war es mir aber möglich, mich immer
wieder von neuem zu motivieren und alle Hindernisse zu überwinden.
Schließlich möchte ich noch einen großen Dank an alle anderen Beteiligten und
Unterstützer aussprechen, die mir während des Verfassens der Diplomarbeit zur
Seite standen. An meine Freunde, die mich stets motivierten und all meine Launen
ertragen mussten. An alle Informanten und Personen, die mir mit ihrer Erfahrung in
und zu diesem Themengebiet sehr weitergeholfen haben. Ohne diese Expertise und
wichtigen Informationen wäre ich manchmal auf inhaltliche Grenzen gestoßen.
3
Danksagung .............................................................................................................. 3
Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................... 10
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... 13
1.Einleitung ............................................................................................................. 14
1.1.Persönliche Motivation................................................................................. 14
1.2.Themenstellung ............................................................................................ 15
1.3. Aufbau........................................................................................................... 18
1.4. Einschränkung des Themas ....................................................................... 19
1.5.Methode und Theoretische Grundlage der Untersuchung ........................ 20
1.5.1.Transitionstheorie ..................................................................................... 20
1.5.2.Verschiedene Definitionen von Macht ...................................................... 30
1.6. Allgemeines zur Methode............................................................................ 33
2. Minderheitendefintion und Minderheitenschutz .............................................. 35
2.1.Definition des Minderheitenbegriffs ............................................................ 35
2.1.1.Herkunft und Wortsinn.............................................................................. 35
2.1.2. Die Definition des Minderheitenbegriffs bis zur Französischen Revolution
.......................................................................................................................... 36
2.2. Die Entstehung des Modernen Minderheitenbegriffs ............................... 37
2.2.1. Definition von Minderheiten bis zum Zweiten Weltkrieg .......................... 38
2.2.3.Definitionen von Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg ........................ 39
2.2.4.Charakteristika des Minderheitenbegriffs von Capotorti ........................... 42
2.2.5..Exkurs ..................................................................................................... 53
2.2.6.Minderheitenbegriff von Felix Ermacora ................................................... 56
2.2.7. Weitere ausgewählte Definitionen ........................................................... 58
4
2.3. Persönliche Kategorien zur Bestimmung von Minderheiten ................... 60
2.3.1. Kulturelle Kriterien ................................................................................... 62
2.3.2. Soziale Kriterien ...................................................................................... 63
2.3.3. Ökonomische Faktoren ........................................................................... 66
2.3.4. Juristische Kriterien ................................................................................. 68
2.3.5. Zusammenfassung der Kriterien und Definition von Minderheiten .......... 71
2.3.6.Die Definition von Minderheit des Autors: ............................................................ 72
3. Geschichte des Minderheitenschutzes............................................................. 73
3.1. Schutz religiöser Minderheiten; 16. bis 18.Jahrhundert........................... 74
3.2. Schutz nationaler Minderheiten im 19.Jahrhundert .................................. 74
3.3. Minderheitenschutz im Völkerbund............................................................ 76
3.4. Verhärtete Fronten nach dem Zweiten Weltkrieg ...................................... 80
3.5. Minderheitenschutz in den Vereinten Nationen ........................................ 81
3.5.1. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) 82
3.6. Schutz der Eingeborenenvölker ................................................................. 86
3.6.1. Weitere Definitionen ................................................................................ 88
3.7. Die Afrikanische Union(AU) und die Minderheitenrechte ............................89
4. Zentrale Fragestellungen ................................................................................... 94
4.1. Unterstützende Fragestellungen ................................................................ 94
4.2. Hypothesen .............................................................................................................95
5. Probleme während der Arbeit............................................................................ 97
6. Die Demokratische Republik Kongo (DRC)...................................................... 99
6.1. Geschichte.................................................................................................... 99
6.1.1.Entstehung des staatlichen Gebiets Kongo.............................................. 99
6.1.2. Die Kolonialzeit 1908 – 1960................................................................. 100
6.1.3. Unabhängigkeit 1960 – 1965 oder die Kongowirren.............................. 101
6.1.4. Die Zweite Republik – Mobutus Herrschaft ........................................... 105
6.2. Die Transition der Demokratischen Republik Kongo ............................. 110
6.2.1. Erste Phase der Transition .................................................................... 110
5
6.2.2. Die zweite Phase der Transition ............................................................ 112
6.2.3. Übergang zur dritten Phase der Transition............................................ 116
6.2.4. Die Demokratische Republik Kongo heute – Fortsetzung der Transition
........................................................................................................................ 123
6.3. Wichtige Akteure und ihr Einfluss auf das System der Demokratischen
Republik Kongo ......................................................................................... 130
6.3.1. Das Militär ............................................................................................. 130
6.3.2. Die Medien ............................................................................................ 130
6.3.3. Die Kirche.............................................................................................. 135
6.3.4. Internationale Akteure und ihr Einfluss in der DRC ............................... 136
6.3.5. Die UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo (MONUC)...... 140
6.4. Allgemeine Informationen und Fakten über die Situation der
Demokratischen Republik Kongo............................................................. 145
6.4.1. Geographie............................................................................................ 145
6.4.2. Bevölkerung .......................................................................................... 148
6.4.3. Wirtschaftliche Situation ........................................................................ 151
6.4.4. Krankheiten ........................................................................................... 153
6.4.5. Sprachen ............................................................................................... 156
6.4.6. Religion ................................................................................................. 156
6.4.7. Alphabetisierung.................................................................................... 157
6.4.8. Infrastruktur und Kommunikation........................................................... 159
6.4.9. Situation der Menschenrechte in der DRC ............................................ 159
6.4.10. Weitere Probleme................................................................................ 161
6.5. Minderheitenschutz durch die neue Verfassung..................................... 162
6.5.1. Analyse: ....................................................................................................................... 163
7. Die Pygmäen ..................................................................................................... 165
7.1. Geschichte der Pygmäen .......................................................................... 166
7.2. Etymologie bzw. Wortherkunft.................................................................. 167
7.3. Terminologie .............................................................................................. 167
7.4. Allgemeine Übersicht über die Völker und ihre Siedlungsgebiete ....... 168
6
7.5. Ausgewählte Völker und ihre Lebensweise............................................. 171
7.5.1. Die Batwa .............................................................................................. 171
7.5.2. Die Bambuti ........................................................................................... 174
7.5.3. Unterschiede zwischen den Pygmäenstämmen .................................... 175
7.5.4. Traditionelle soziale Struktur eines Pygmäenstammes ......................... 176
7.6. Verständnis von Macht, Herrschaft und Demokratie .............................. 178
7.6.1. Hierarchische Strukturen ....................................................................... 178
7.7.Institutionalismus ....................................................................................... 179
7.7.1. Konfliktlösungsmechanismen ................................................................ 179
7.8. Soziale Beziehungen und Interaktionen in einem Pygmäendorf ........... 180
7.8.1. Gesellschaftsstruktur und Sozialisierung innerhalb eines Dorfes .......... 180
7.8.2. Familienleben ........................................................................................ 181
7.8.3. Ehe ........................................................................................................ 182
7.9.
Die unterschiedlichen Lebensweisen und Wirtschaft verschiedener
Pygmäenstämme .............................................................................................. 185
7.9.1. Jäger und Sammler ............................................................................... 186
7.9.2. Die Jagd ................................................................................................ 186
7.9.3. Sammler ................................................................................................ 188
7.9.4. Fischer................................................................................................... 188
7.9.5. Töpfer .................................................................................................... 189
7.9.6. Landwirtschaft ....................................................................................... 191
7.10. Alltagsleben und Traditionen einer Pygmäengesellschaft................... 192
7.10.1.Alltag .................................................................................................... 192
7.10.2. Nomadentum ....................................................................................... 193
7.10.3. Religion ............................................................................................... 193
7.10.4. Rituale ................................................................................................. 194
7.10.5. Bildung ................................................................................................ 196
7.10.6. Medizin ................................................................................................ 196
7.10.7. Kleidung und Äußeres ......................................................................... 197
7
8. Probleme der Pygmäen.................................................................................... 198
8.1. Verweigerung der Rechte.......................................................................... 198
8.1.1. Recht auf Gleichberechtigung bzw. Anerkennung vor dem Gesetz ...... 199
8.1.2. Das Recht zu Jagen und Sammeln ....................................................... 200
8.1.3. Das Recht auf die gleiche juristische Behandlung................................. 200
8.1.4. Recht auf medizinische Versorgung ...................................................... 202
8.1.5. Das Recht auf Bildung und Arbeit.......................................................... 203
8.1.5. Das Recht zur Selbstbestimmung ......................................................... 204
8.1.6. Die Verweigerung der Landrechte ......................................................... 205
8.2. Exkurs ......................................................................................................... 208
8.2.1. Der Regenwald in der Demokratischen Republik Kongo....................... 208
8.2.2. Enteignung durch Naturschutzgebiete................................................... 212
8.3. Vorurteile .................................................................................................... 214
8.4. Wirtschaftliche Isolation............................................................................ 216
8.5. Mangelnde politische Repräsentation und politisches Desinteresse ... 217
8.6. Verlust der eigenen Identität..................................................................... 219
8.7. Soziale Probleme ....................................................................................... 220
8.8. Gesundheitliche Bedrohungen ................................................................. 221
8.9. Die Auswirkungen des Krieges auf die Pygmäenstämme...................... 221
8.10. Beispiele der Situation der Pygmäen in der DRC.................................. 222
8.11. Beispiele für die veränderten Lebensweisen der Pygmäen ................. 224
8.11.1. Idwji Insel............................................................................................. 224
8.11.2. Kavumu Gebiet.................................................................................... 225
8.11.3. Goma, Masisi und die Rutshuru Gegend............................................. 226
9.
NGOs und Projekte zur Hilfe der Pygmäen der DRC.................................. 228
9.1. Ausgewählte Tätigkeiten der Pygmäen.................................................... 228
9.2. Lokale NGOs .............................................................................................. 229
9.2.1. Centre d’accompagnement des Autochtones pygmees et Minoritaires
Vulnerables (CAMV)........................................................................................ 229
9.2.2. Union Pour L’emancipation de la Femme Autochtone (UEFA).............. 232
8
9.2.3. Programme d’Integration et de development du peuple Pygmee au Kivu
(PIDP).............................................................................................................. 234
9.3. Internationale NGOs .................................................................................. 235
9.3.1. Pygmee Kleinood .................................................................................. 235
9.3.2.Rainforest Foundation – UK (RF) ........................................................... 236
10. Analyse............................................................................................................ 238
10.1. Persönliche Einschätzung ...................................................................... 246
12. Anhang ............................................................................................................ 256
12.1. Regierung der Demokratischen Republik Kongo.................................. 256
Le Président Son Excellence........................................................................... 256
12.2. Beispiele Verbrechen gegen die Pygmäen ............................................ 258
12.2.1. Exactions by soldiers........................................................................... 258
12.2.2. Expulsion from gold-mines .................................................................. 259
12.2.3. Rapes of girls....................................................................................... 260
12.2.4. Requisition for transport of ammunitions. ............................................ 260
12.2.5. Murder at the work post....................................................................... 260
12.2.6. Arbitrary arrestations. ............................................................................................ 261
14. Literatur ........................................................................................................... 262
14.1. Primärliteratur ......................................................................................... 262
14.2. Sekundärliteratur .................................................................................... 262
14.3. Internetquellen ......................................................................................... 267
14.3.1. Primärliteratur ...................................................................................... 267
14.3.2. Sekundärquellen.................................................................................. 268
14.4. Statistische Quellen................................................................................. 274
14.5. Andere Quellen......................................................................................... 276
9
Abkürzungsverzeichnis
ABAKO:
Allianz von Bakongo
ABB.:
Abbildung
Abs.:
Absatz
ACHPR:
African Commission on Human and Peoples’ Rights
ACP:
Agence Congolaise du Press
AFDL:
Alliance des Forces pour la Démocratie et la Libération du Congo-Zaire
AMP:
Alliance pour la Majorité Présentielle
AMRE:
Allgemeine Menschenrechtserklärung
Art.:
Artikel
AU:
Afrikanische Union
BIP:
Bruttoinlandsprodukt
Bzw.:
Beziehungsweise
CAMV:
Centre d’accompagnement des Autochtones pygmees et Minoritaires
Vulnerables
CAURWA:
Rwandese Community of Indigenous People Organisation (engl.)
CENCO:
Conférence Episcopale Nationale du Congo
CIA:
Central Intelligence Agency
CIDOPY:
Centre d'Information et Documentation Pygmées en DRCongo
DIN:
Deutsche Industrie Norm
DRC:
Demokratische Republik Kongo
DSP:
Division Spéciale Présidentielle; Die Leibgarde des Präsidenten
ECOSOC:
Economic and Social Council of the United Nations
Et al.:
Et alter; und andere
EU:
Europäische Union
EUFOR:
European Union Force
FAC
Force Aerienne Congolaise
FARDC:
Forces Armées de la Republique Démocratique du Congo; Armed
Forces of the Democratic Republic of the Congo
FAO:
Food and Agricultural Organization
HAM:
Haute Authorite des Media
HIPC:
Heavily Indebted Poor Countries
HIV/AIDS:
Human Immunodeficiency Virus/Acquired Immunodeficiency Syndrome
10
HRC:
Human Rights Council
ICCO:
Interchurch organisation for development co-operation (engl. Name)
ICHR:
International Council on Human Rights
IDP:
Internally Displaced People
IGF:
Insulin-like growing factor
ILO:
International Labour Organization
IMF:
International Monetary Fond
IPBPR:
Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte
INGO:
International Non-Governmental Organization
IO:
International Organization; Internationale Organisation
IPACC:
Indigenous People of Africa Coordinating Committee
IZCN:
Institut Zairois pour la Conservation de la Nature
K. u. K.
Monarchie: Kaiserliche und Königliche Monarchie
LRA:
Lord Resistance Army
MLC:
Mouvement de Liberation congolais
MONUC:
Mission de l’Organisation des Nations Unies en République du Congo
MPR:
Mouvement Populaire de la Revolution
MRG:
Minority Rights Group
NCA:
Norwegian Church Aid
NGO:
Non-Governmental Organization; Nicht-Regierungs Organisation
OECD:
Organization for Economic Co-operation and Development
OMEC:
Observateurs des Médias Congolais
PALU:
Parti Lumbumbiste Unifié
PIDP:
Programme d’Integration et de Development du peuple Pygmee au Kivu
PMURR:
Programme
Multisectoriel
d’Urgence
de
Réhabilitation
et
de
Reconstruction
PRGF:
Poverty Reduction and Growth Facility Arrangements
PSURES:
Projet de soutien d’urgence à la réunification économique; Projekt zu
unmittelbaren
Unterstützung
der
sozialen
und
ökonomischen
Wiedervereinigung
RAPY:
Réseau des Associations autochtones Pygmées du Congo
RCD:
Rassemblement congolais pour la Democratie;
RCD-ML:
Rassemblement congolais pour la Démocratie – Mouvement de
Liberation
RF:
Rainforest Foundation
11
RTGA:
Radio Télé Groupe L’Avenir
RTNC:
Radio-Television National Congolaise
SMP:
Staff-monitored Programme
StIGH:
Internationaler Strafgerichtshof
UDM:
Union des Democrates Mobituistes
UK:
United Kingdom
UMP:
Union pour la Nation
UDPS:
Union pour la Démocratie et le Progrés Social
UEFA:
Union Pour L’Emancipation de la Femme Autochtone
UNESCO:
United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization
UNITA:
Union pour l’indépence totale de l’Angola
UNPC:
Union National de la Presse Congolaise
UNO:
United Nations Organization; Organisation der Vereinten Nationen
UPC:
Union of Patriotic Congolese
USA:
United States of America
Vgl.:
Vergleiche
Z.B.:
Zum Beispiel
ZAIRE:
Zentralafrikanische Republik
12
Abbildungsverzeichnis
Abbildung.1:
Einflussgebiete der verschiedenen Rebellenorganisationen
Abbildung 2:
Derzeitige geographische Einteilung der Provinzen der DRC
Abbildung 3:
Provinzen der DRC nach der neuen Verfassung von 2006
Abbildung 4:
Daten über die Entwicklung der Unterernährung weltweit
Abbildung 5:
Vermutete Zahl der Todesopfer aufgrund AIDS in den Jahren
2003 und 2005
Abbildung 6:
Voraussichtliche Zahl der Waisen aufgrund von AIDS in den
Jahren 2003 und 2005
Abbildung 7:
Zahl
der
HIV-Infizierungen
bei
schwangeren
Frauen
in
Zentralafrika.
Abbildung 8:
Alphabetisierungsrate in der DRC im Vergleich.
13
1.Einleitung
1.1.Persönliche Motivation
Meine Spezialisierung im Rahmen des Politikwissenschaftsstudiums liegt im Bereich
der Konfliktforschung und dem Studium von Krisen und Ländern, die sich in
langfristigen Konflikten befinden. Ein wichtiger Bestandteil der Konfliktforschung sind
die Menschenrechte. Diese Gruppe der Rechte ist auch speziell für den Bereich der
Minderheitenforschung wichtig und stellt die Basis für einen geeigneten Regelkatalog
für Minderheiten respektive deren Schutz dar.
Viele Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs) unterhalten Projekte die sich mit der
Stärkung
von
Rechten
benachteiligter
Gruppen
und/oder
Minderheiten
in
verschiedenen Ländern – vielfach Krisengebieten oder Entwicklungsländern. Eine
solche NGO ist Human Rights International (HRI), das seinen Hauptsitz in Italien hat
und sich schon seit mehreren Jahren mit diversen Projekten weltweit engagiert. Das
HRI hat reges Interesse daran ein Projekt in der Demokratischen Republik Kongo
(DRC) zu installieren, das den Schutz und die Stärkung der Rechte der Pygmäen
bzw. ihrer Situation zum Ziel hat. Um allerdings ihr Projekt gezielt auf die Bedürfnisse
und Notwendigkeiten ausrichten zu können, müssen diese untersucht und
festgestellt werden. Aus diesem Grund gab das HRI eine Studie in Auftrag, die diese
Aufgabe erfüllen soll.
Da sich das Thema und die dahinter stehenden Interessen und Pläne mit meinen
eigenen Vorstellungen einer wissenschaftlichen Arbeit zum Abschluss meines
Studiums deckten, entschloss ich mich, mich für den Auftrag zu bewerben und erhielt
den Zuschlag. Die Vorstellung, einen nicht unerheblichen Beitrag zu einem
zukünftigen Hilfsprojekt leisten zu können, war ein zusätzlichen Motivationsfaktor
beim Verfassen dieser Arbeit.
Zusätzlich eröffnete es mir die Möglichkeit, im Rahmen meines speziellen Gebietes
der Konfliktforschung zu arbeiten, da die DRC auf einen sehr großen und blutigen
Konflikt zurückblicken kann, der auch teilweise bis heute nicht wirklich gelöst ist.
Dieser Konflikt hat auch erheblichen Einfluss auf die Situation der Pygmäen sowie
des Restes der Bevölkerung, da die Auswirkung ständig präsent und offensichtlich
ist. Die Arbeit an diesem Thema ermöglicht mir, mein Wissen über den Kongo,
Minderheiten und die Pygmäen im Speziellen zu vertiefen bzw. es mir anzueignen.
14
1.2.Themenstellung
In fast allen Ländern der Erden gibt es Teile der Bevölkerung, die sich durch
unterschiedliche Eigenschaften oder Charakteristika ihrer Lebensweise und/oder
ihren Ansichten von dem Großteil der Einwohner des jeweiligen Staates
unterscheiden, die so genannten Minderheiten. Gruppen, in Vielem dem Rest der
Bevölkerung
nicht
gleich
gestellt
und
oftmals
auch
diskriminiert.
Diese
Diskriminierung erfolgt einerseits von Seiten des Gesetzes und andererseits durch
die Bevölkerung. In Europa und der so genannten ersten Welt ist die Thematik des
Minderheitenschutzes bzw. der Integration der Minderheiten seit mehreren Jahren
ein zentrales Thema auf der politischen Ebene. Es gibt in einigen Ländern bereits
sehr großzügige Regelungen, obwohl es beinahe überall noch Handlungsbedarf gibt.
Auch
internationale
Organisationen
beschäftigen
sich
aufgrund
diverser
Entwicklungen in jüngerer Vergangenheit in zunehmender Zahl mit dem Thema
Minderheitenschutz. Es ist bereits aus nationaler Eben schwer, sich auf eine
Minderheitenschutzpolitik respektive ein entsprechendes Gesetz zu einigen. So
kommt es auch auf internationaler Ebene kaum zu einem Konsens, der den
Minderheitenschutz
präzise
und
explizit
regelt.
Viele
der
internationalen
Konventionen, Abkommen oder Definitionen sind sehr allgemein gehalten, was sich
bereits in der Basis des Themas, einer Definition für Minderheiten, deutlich offenbart.
Kleine Erfolge konnten regional in Europa erzielt werden, wobei hier wahrscheinlich
die große Erfahrung der europäischen Staaten mit dem Thema Minderheiten in der
Vergangenheit eine große Rolle spielt. Trotzdem gibt es auch in den europäischen
Staaten noch Handlungsbedarf, da die Länder teilweise unterschiedliche Probleme
zu lösen haben und die gemeinsamen Gesetze sehr allgemein gehalten sind.
Sehr oft besteht auch ein Unterschied zwischen der Theorie und Praxis der
Minderheitenrechte. In vielen Verfassungen sind die Rechte und die Anerkennung
von Minderheiten verankert, aber realpolitisch werden diese nur mangelhaft bzw.
unzureichend umgesetzt. Dabei liegt das Problem vor allem darin, dass es oft keine
adäquaten Schutzmaßnahmen bzw. Sanktionen für Verstöße gegen die Rechte
bezüglich des Minderheitenschutzes gibt. Die Minderheiten sind oft formal
gleichgestellt werden allerdings von Teilen der restlichen Bevölkerung oder anderen
Minderheiten diskriminiert. Diese teilweise latente Benachteiligung der Minderheiten
ist nur schwer zu kontrollieren und zu verhindern und leider zu oft an der
Tagesordnung.
15
Ein weiteres Problem ist die Gratwanderung zwischen Integration und Assimilation.
Es besteht in der Wissenschaft seit Jahrzehnten eine Diskussion zwischen
Universalisten und Multikulturalisten, die sich in den letzten Jahren durch viele
politische Veränderungen und dem Zerfall von Vielvölkerstaaten stark intensiviert
hat. Da es auch in der politischen Ebene extreme Auffassungsunterschiede zu
diesem Thema gibt, werden Gesetze und Regelungen sehr allgemein gehalten.
Ist die Diskussion über und die Umsetzung der Minderheitenrechte in den so
genannten entwickelten Ländern bereits schwierig und trotz aller Fortschrittlichkeit
teilweise weit weg davon eine Lösung zu finden, so ist die Lage in den Staaten der
Dritten Welt ungleich schwieriger. Da es in der Informationslandschaft leider extrem
an Berichterstattungen über diverse Entwicklungsländer in Asien, Afrika und
Südamerika mangelt, ist das Bewusstsein bzw. das Wissen über die Situationen in
diesen Regionen sehr gering. Die Informationen, die zugänglich sind, beinhalten
größtenteils Kriegsberichterstattungen, Wahlberichte, Regierungswechsel sowie
Geschehnisse von internationaler Bedeutung. Sehr selten wird über innerpolitische
oder soziale Probleme der regionalen oder lokalen Ebene berichtet. Da die politische
Sphäre in diesen Staaten sehr oft sehr zerrüttet ist, sind sie von Konflikten und/oder
autoritären Herrschaftsformen geprägt. Dabei befinden sich Themen wie die des
Minderheitenschutzes kaum oder gar nicht im Blickfeld der Verantwortlichen der
politischen Ebene. Minderheiten sind in diesen Ländern sehr oft Opfer von
Diskriminierung in verschiedenen Ausmaßen und Formen, Gewalt und schweren
Menschenrechtsverletzungen und nur selten gelingt es Diesen sich national oder
international Gehör zu verschaffen, um für ihre Rechte einzutreten. In manchen
Fällen, vor allem in afrikanischen Staaten, ist die kulturelle und ethnische
Fragmentierung sehr hoch, sodass es zwischen den unterschiedlichen Minderheiten
zu Diskriminierungen und gegenseitigen Benachteiligungen kommt. Dadurch leben
einige Minderheiten auf der niedrigsten Eben und haben keinerlei Rechte und
werden von der politischen Ebene ignoriert und ausgeschlossen.
Die Demokratische Republik Kongo (DRC) ist ein Land mit einer Vergangenheit, die
durch Kriege und Ausbeutung der Bevölkerung geprägt ist. Von einem blutigen
Bürgerkrieg gezeichnet, befindet sich das Land in einer Übergangsphase, und es
wird von allen Seiten versucht, die politische, soziale und ökonomische Ebene zu
stabilisieren. Das Land, das als eines der rohstoffreichsten der Welt gilt, ist von einer
16
Bevölkerung besiedelt, die über 200 Ethnien umfasst. Durch diese hohe
Fragmentierung und die vielen bewaffneten Parteien, die die DRC in der
Vergangenheit besetzt haben, ist die Situation für viele der Bevölkerungsgruppen,
vor allem der lokalen Minderheiten sehr schlecht und von Gewalt, Unterdrückung und
einem sehr niedrigen Lebensstandard geprägt. Die Diktaturen, die jahrzehntelang die
Bevölkerung ausbeuteten und deren Rechte minimierten und die instabile politische
Situation nach dem Kriegsende 2004 haben die Situation zusätzlich erschwert.
Minderheiten sind in der DRC kein wichtiges politisches Thema und werden nur
peripher behandelt. Zwar sieht die neue Verfassung Rechte für Minderheiten vor,
allerdings werden der Schutz und die Einhaltung derer nicht kontrolliert.
Eine dieser Minderheiten zeichnet eine Besonderheit aus, die ihren Namen weltweit
bekannt machte – die Pygmäen. Diese Gruppe, die in den Wäldern lebt und als eines
der ältesten Völker gilt, unterscheidet sich bereits optisch durch ihre Körpergröße
vom Rest der Bevölkerung. Die Pygmäen werden sehr selten größer als 1.50 m.
Diese Tatsache sowie ihre Lebensweise, die von der Modernisierung weitestgehend
unbeeinflusst blieb, machen die Pygmäen verwundbar und zur Zielscheibe für
Diskriminierungen. Hinzu kommt, dass sie in den meisten Fällen über keinerlei
Bildung verfügen, da die Kinder hauptsächlich in den Traditionen, die das Überleben
sichern, unterrichtet werden. Die Pygmäen, die in mehreren Ländern Zentralafrikas
siedeln und sich in viele Stämme unterteilen, lebten traditionell in den Regenwäldern
und hatten wenig Kontakt zu anderen Stämmen. Die wieder intensiver gewordene
Abholzung und die damit verbundenen Vertreibungen der Pygmäen aus ihren
Lebensräumen führten dazu, dass die Pygmäen in intensiveren Kontakt mit anderen
ethnischen
Gruppen
kamen.
Ihre
Lebensweise
und
ihre
vermeintliche
Rückständigkeit hinsichtlich ihrer technischen Fähigkeiten und ihrer Bildung riefen
hervor dass die Pygmäen von anderen Völkern diskriminiert wurden und werden. Da
sie ihre traditionelle Lebensweise als Jäger und Sammler aufgeben mussten und
wenig Erfahrung mit anderen Arbeiten hatten, leben sie heute meist als Bettler oder
Tagelöhner. Auch der Krieg hatte erheblichen Einfluss auf die Pygmäen, da sie in
den Wäldern wohnten, die als Unterschlupf und Verstecke für diverse Kriegsparteien
dienten. Durch ihre beschränkten Verteidigungsmöglichkeiten wurden sie zur
Zielscheibe für jede Seite des Krieges, und es wurden grauenhafte Verbrechen an
ihnen
verübt.
Diese
Tatsache
sowie
die
nicht
vorhandene
internationale
Aufmerksamkeit und Berichterstattung über die Pygmäen und ihre Situation
17
erschweren die Lage dieses Volkes erheblich bzw. machen diverse Hilfsprojekte
schwer realisierbar.
1.3. Aufbau
Die folgende Studie analysiert die Situation der Pygmäen aus einer historischaktuellen Perspektive. Dabei wird die Untersuchung, um ein möglichst vollständiges
Bild der Lage und Möglichkeiten der Pygmäen darstellen zu können, in drei Teile
geteilt.
Im ersten Teil, der auch die theoretische Basis für die Studie liefert, werden die
Transformations- und die Transitionstheorie sowie der Begriff Macht dargestellt.
Auch das Thema Minderheit wird wissenschaftlich untersucht. Neben der Erklärung
der wissenschaftlichen und internationalen Definitionen des Begriffs wird auch die
historische Entwicklung des Terminus Minderheit dargestellt. Da es international
keine allgemein gültige Definition gibt und die wissenschaftlichen Kriterien, den hier
gestellten Untersuchungen nicht absolut entsprechen, werden vom Autor eigene
Kategorien aufgestellt, wie sich Minderheiten definieren und bestimmt werden
können. Diese Kategorien stellen keinen allgemeinen Anspruch dar, sind jedoch aus
Sicht des Autors für die hier durchgeführte Untersuchung angemessen.
Im zweiten Abschnitt des ersten Teils werden die internationalen Konventionen und
Versuche eines gemeinsamen Rechtskodex für Minderheiten dargestellt. Dabei wird
vor allem die Entwicklung in den Vereinten Nationen analysiert und untersucht; wie
dort die derzeitige Arbeit in diesem Bereich aussieht. Es werden themenspezifisch
auch die Situation bezüglich des Minderheitenschutzes in der Afrikanischen Union
(AU) und die Rechtslage und Initiativen für die Eingeborenenvölker analysiert und
dargestellt.
Der zweite große Teil dieser Studie ist eine Länderanalyse der Demokratischen
Republik Kongo. Dabei wird – um die heutige Situation verstehen zu können – die
historische Entwicklung des Landes dargestellt. Es werden die Kolonialphase sowie
die unterschiedlichen Regime und Regierungen beschrieben und auf ihre Arbeit und
deren Auswirkungen untersucht. Teil der Untersuchung sind die Internationalen
Beziehungen
und
die
Einflüsse
der
internationalen
Gemeinschaft
auf
die
Geschehnisse und die Politik in der heutigen DRC. Dabei werden der Konflikt und
der Friedensprozess, die die Basis für die heutige Situation darstellen, erklärt.
18
Schließlich werden die aktuelle Lage und das politische Klima nach den Wahlen
2006 beleuchtet. Ebenso wird versucht, die Auswirkungen und die politische
Situation hinsichtlich der Minderheiten zu analysieren.
Der letzte Teil der Arbeit widmet sich den Pygmäen und ihrer Lebensweise. Um die
Situation der Pygmäen und ihre schwierige Lage zu verstehen, wird die traditionelle
Art in Einklang mit dem Wald zu leben erklärt. Es werden Geschichte, Riten,
Traditionen, Rechtsauffassung, Hierarchie und Lebensweise der Pygmäen erklärt.
Nach
der
sozialen
Analyse
werden
die
derzeitigen
Probleme
und
die
Diskriminierungen, mit denen das Volk und die Stämme der Pygmäen zu kämpfen
haben, beschrieben, und Rechte angeführt und erörtert, die den Pygmäen verweigert
werden. Schließlich wird die Situation bezüglich des Regenwalds und spezifisch der
Abholzung und der Naturschutzgebiete dargestellt.
Der zweite Teil des Abschnitts über die Situation der Pygmäen stellt einige
Pygmäenorganisationen und internationale Projekte vor, die sich mit dem Schutz des
Volkes beschäftigen.
Abschließend werden in einer Zusammenfassung, respektive einem Resümee, die
Ergebnisse dargestellt, die Fragestellungen beantwortet und die Hypothesen
verifiziert oder falsifiziert. Zudem gibt es noch eine persönliche Einschätzung der
Lage vom Autor.
1.4. Einschränkung des Themas
Die Pygmäen siedeln in mehreren Ländern des zentralen Afrikas. Aber in dieser
Studie werden nur die Pygmäenstämme, die in der DRC siedeln, untersucht.
Die Einschränkung auf der zeitlichen Ebene ist etwas differenzierter zu treffen. Grund
dafür ist die die historische Darstellung, die sich in allen Teilen der Arbeit findet.
Allerdings ist der Fokus auf der Ist-Situation der Pygmäen und dadurch auch des
Systems und der Machtverteilung in der Demokratischen Republik Kongo.
19
1.5.Methode und Theoretische Grundlage der Untersuchung
Die DRC stellt einen Staat dar, der seit seiner Unabhängigkeit 1960 verschiedene
Regierungsphasen durchlief. Nach einer beinahe 30 Jahre dauernden Diktatur durch
Mobutu kam es durch einen Putsch zu einem Machtwechsel der allerdings keine
faktische Änderung der politischen Ebene bzw. der Politik als solche. Dadurch und
durch die Chance, die die unmittelbaren Nachbarländer sahen, die eigene Position
zu verbessern, kam es zu einem Krieg, der zehn Jahre dauerte und erhebliche
Folgen für die Region und die Bevölkerung nach sich zog. Dieser Krieg stellte
allerdings auch den Beginn des Systemwandels dar. Die Forschung im Bereich des
Wandels von totalitären und autoritären politischen Regimes in Demokratien ist eine
sehr junge Disziplin in der internationalen und vergleichenden Politikforschung. In
diesem Kapitel wird die Theorie zum Transitionsprozess dargestellt, da sie in der
weiteren Folge für die Untersuchung der Situation der DRC essentiell ist und als
theoretische Basis dient.
1.5.1.Transitionstheorie
Die allgemein anerkannte Definition von Transitionen stammt von O’Donnell und
Schmitter und bezeichnet sie als die Phasen, die zwischen zwei unterscheidbaren
politischen Systemen liegen. Die Transition beginnt mit dem Ende des autoritären
Regimes und endet entweder mit der Herausbildung des institutionellen Rahmens
einer Demokratie, mit der Rückkehr zum Ausgangszustand oder mit einer
revolutionären Situation.1
Viele der Versuche der Theoretisierung der Transitionen von autoritären und
totalitären
Systemen
in
Demokratien
enden
in
Metaphern,
was
darauf
zurückzuführen ist, dass es sehr viele Unsicherheiten im Rahmen von Transitionen
gibt. Diese Unsicherheiten haben ihren Ursprung in der Wichtigkeit aber
gleichzeitigen Unkalkulierbarkeit von Entscheidungen im Rahmen des Prozesses.
Dieser Mangel an strukturellen Faktoren wird im Rahmen der Transition durch eine
zunehmende Institutionalisierung versucht auszugleichen.2
1
Vgl. Rüb, Friedrich W. (1994). Die Herausbildung politischer Institutionen in Demokratisierungsprozessen, in:
Merkel, Wolfgang (Hrsg.) (1994). Systemwechsel 1, Theorien, Ansätze und Konzeptionen, Leske und Budrich,
Opladen, S.112.
2
Vgl. Rüb, S.111.
20
Die wichtige Rolle der Bildung von Institutionen für den Demokratisierungsprozess ist
in der Wissenschaft über die Transitionen zwar anerkannt, allerdings theoretisch
nicht sehr intensiv ausgearbeitet. Hauptaugenmerk wird dabei auf die Unterschiede
zwischen parlamentarischen Systeme und präsidialen Systemen gelegt, wobei viele
der Autoren davon ausgehen, dass parlamentarische Systemen einen günstigeren
institutionellen Rahmen für einen Demokratisierungsprozess bieten. Nur vereinzelt
wird dies in Frage gestellt, und der Zusammenhang zwischen Regierungs- und
Wahlsystem untersucht. Grundsätzliche Probleme sind die Betrachtung der
Institutionen als unabhängige Variable, wodurch sie in bestimmten Situationen
spezifische Handlungsweisen und gewisse Ressourcen zur Verfügung stellen. Es
gibt kaum Untersuchungen, die Institutionen unter bestimmten Einflüssen, wie
Konflikt- und Konsensprozesse, untersuchen, und wie sie dadurch verändert oder
beeinflusst werden.3
Durch die große Bandbreite von unterschiedlichen Institutionen erleichtert es die
Betrachtung, wenn man die Institutionen und deren Charakteristika auf die
Gemeinsamkeiten reduziert. Diese identifiziert Robert A. Dahl folgendermaßen4:
1.
Gewählte Vertreter: Die Besetzung der Regierung erfolgt über die Wahl
und Abwahl von politischen Vertretern.
2.
Freie Wahlen: Diese Wahl erfolgt durch freie und regelmäßige Wahlen,
deren Ergebnis nicht manipuliert werden kann.
3.
Allgemeines aktives Wahlrecht: Alle Bürger ab einem gewissen Alter
dürfen sich an dieser Wahl beteiligt werden, und niemand darf aufgrund
seiner Abstammung, Meinung oder anderen Gründen benachteiligt
werden.
4.
Allgemeines passives Wahlrecht: Jeder kann sich wählen lassen, auch
wenn die Altersgrenze sich von der des aktiven Wahlrechts unterscheidet.
5.
Meinungsfreiheit: Jeder Bürger hat das Recht sich frei zu äußern und alle
Umstände uneingeschränkt zu kritisieren.
6.
Informationsfreiheit: Jeder Bürger hat das Recht sich frei zu informieren,
was mithilfe verschiedener Quellen durchgeführt werden kann. Diese
müssen zur Verfügung stehen und durch Gesetze geschützt sein.
3
4
Vgl. Rüb, S.111f.
Vgl. Rüb, S.112f.
21
7.
Vereinigungsfreiheit:
Jeder
Bürger
kann
zur
Unterstützung
seiner
Interessen sich mit anderen zusammenschließen und muss das Recht
haben Parteien oder Organisationen gründen zu können.
Friedbert Rüb fügt in seinem Artikel über die Bildung von Institutionen in
Demokratieprozessen noch zwei Kriterien hinzu5:
8.
Dominanz der zivilen Regierung: Die frei gewählte Regierung muss in der
Lage sein, ihre Macht uneingeschränkt ausüben zu können. Sie darf nicht
durch Militär, Geheimdienst oder Sicherheitsbehörden kontrolliert werden,
sondern diese müssen ihrerseits Macht auf diese Teile des Systems
ausüben
können.
Auch
dürfen
keine
ausländischen
Kräfte
den
Handlungsrahmen der Regierung einschränken. In jedem Fall wird die
Souveränität des Staates eingeschränkt.
9.
Verfassungsrechtliche Vorkehrungen: Diese müssen die Durchsetzbarkeit
von
institutionellen
Rechten
garantieren,
die
Änderung
von
den
Bedingungen 1-7 dem einfachen Mehrheitsentscheid entziehen und
bestimmte Verfahren dafür institutionalisieren. Schließlich sollen sie die
Verfassung über diverse Verfahren stellen und Institutionen zu deren
Kontrolle einrichten.
Dieses System ist dann demokratisch, wenn innerhalb des institutionellen Rahmens
diverse Akteure versuchen, ihre Interessen gegenseitig durchzusetzen. Dabei
bestehen Regeln und Normen, die von diesen Akteuren eingehalten werden müssen
und werden. Der Ausgang ist ungewiss, und die Entscheidungen, die anschließend
von den politischen Repräsentanten getroffen werden sind vor der Bevölkerung zu
verantworten. Als nicht-demokratische Systeme gelten jene, in denen Macht
unkontrolliert
eingesetzt
werden
kann.
Dadurch
werden
die
Ergebnisse
vorhersagbar.6
Der Ausgangspunkt für Transitionen autoritäre politische Regime und totalitärkommunistische Systeme. Die Kennzeichen von autoritären politischen Systemen
sind (1) der geringe Pluralismus in den unterschiedlichen Sphären, der existierte
bevor das autoritäre Regime die Macht übernahm; (2) das Fehlen einer
5
6
Vgl. Rüb, S.113.
Vgl. Rüb, S.113.
22
gemeinsamen, umfassenden Ideologie; (3) geringe politische Mobilisierung; (4) eine
starke Exekutive, die unkontrolliert regieren, gleichzeitig aber durch limitierte Wahlen
legitimiert sein kann.
Totalitär-kommunistische Systeme kennzeichnen sich eher durch (1) das Fehlen
eines politischen Pluralismus und die Aufhebung der Trennung zwischen öffentlicher
und privater Sphäre; (2) eine umfassende Ideologie; (3) die das ständige Bestreben,
die Massen politisch und gesellschaftlich zu mobilisieren; (4) alle exekutive Gewalt
durch die Ideologie zu legitimieren und durch deren Durchsetzung zu nutzen, aus.
Diese Systeme werden durch eine Demokratisierung verändert und einem
Reformprozess unterzogen. Das Ziel dabei ist, dass die Macht, die in diesen
Systemen von einem exklusiven Kreis auf ein institutionelles Rahmengefüge
verlagert wird und dadurch kontrollierbar wird und fair aufgeteilt werden kann.
Der erste Schritt der Demokratisierung stellt die Liberalisierung dar. Dabei werden
schrittweise die Regeln, Gesetze und Beschränkungen gelockert und erleichtert.
Diese Änderungen können auch verankert werden, was auch den ersten Schritt einer
Institutionalisierung darstellt, allerdings bleibt die politische Sphäre für andere
Akteure als die Machtinhaber weiterhin verschlossen. Wenn Gruppierungen oder
Personen Zugang zu diesem Elitekreis finden, dann nur unter der Voraussetzung,
dass sie die vorherrschenden Machtverhältnisse anerkennen und akzeptieren. Die
Phase der Liberalisierung läuft dann in die eigentliche Demokratisierung über, wenn
die Macht bzw. die Entscheidungsfähigkeit der herrschenden Elite zu entgleiten
beginnt. Dies eröffnet Möglichkeiten für andere Akteure und stellt den Beginn zur
Bildung von Institutionen dar. Demokratische politische Institutionen können durch
vier Strategien entstehen bzw. gebildet werden7:
1.
Durch die Veränderung bestehender politischer Institutionen durch die
Anwendung demokratischer Prinzipien.
2.
Durch die Integration von bis zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossenen
Personen oder Personengruppen in das Konzept der Staatsbürgerschaft.
3.
Durch die Erweiterung auf Bereiche, die bis zu diesem Zeitpunkt nicht in
das demokratiepolitische Verständnis integriert waren.
4.
Durch die Neugründung von für ein demokratisches System essentiellen
Institutionen.
7
Vgl. Rüb, S.114f.
23
1.5.1.1. Was sind Institutionen?
Rüb fasst in seinem Artikel die verschiedenen Definitionen von Institutionen wie folgt
zusammen:
„Institutionen sind ein relativ dauerhaftes Muster oder normatives Regelwerk sozialer
Beziehungen, die als legitim angesehen werden (oder erzwungen sind) und
entsprechendes Problemlösung- und Regierungspotential enthalten (…) Als normatives
Regelwerk sind Institutionen auf Dauer gestellte, oft rechtlich strukturierte
Verhaltensstandards, die in einer bestimmten Situation diejenigen Handlungen aus
einem weiten Horizont möglicher Handlungen herausfiltern, die für sie angemessen
sind.“8
Politische
Institutionen
sind
eben
dieser
Verhaltensmuster,
die
bindende
Entscheidungen und Regulative entwickeln, treffen und deren Durchführung
überwachen. Dabei gibt es politische Institutionen im engeren Sinn (z.B. Verfassung,
Regierung etc.), die die Basis des Systems darstellen und die notwendigen
Mechanismen zur effektiven Durchführung einer Demokratie darstellen, und
politische Institutionen im weiteren Sinn (z.B. Parteien, Verbände, Medien etc.).
Diese Institutionen unterliegen bestimmten Standards, die den Akteuren den
Spielraum vorgeben, innerhalb dessen sie ihre Aktionen tätigen können. Ebenso wird
durch diese Standards auch festgelegt, dass die Institutionen ausschließlich durch
die in der rechtlichen Grundlage verankerten Regeln verändert werden können.
Diese Stabilität ist notwendig, um das System vor einem Rückfall in ein autoritäres
Regime zu bewahren, und die Macht verteilen zu können, um Entscheidungen zu
generieren. Dabei ist auch notwendig, dass diese Institutionen legitimiert sind, was
bedeutet, dass sie einerseits von den Akteuren an sich erwünscht sind, und
andererseits von der Zivilbevölkerung beeinflusst (durch Wahlen) werden können
und dieser auch Rechenschaft schuldig sind. Neben der Voraussetzung der
Legitimität, die für eine zufrieden stellende Arbeit notwendig ist, ist das zweite dafür
verantwortliche Kriterium Effektivität. Das bedeutet, dass die Entscheidungen auch in
den tatsächlich für sie verantwortlichen Organen transparent getroffen werden
müssen.9
8
9
Zitat in: Rüb, S.116.
Vgl. Rüb, S.116f.
24
Das Problem, das Institutionen haben, die legitim und effektiv sind, dass sie trotzdem
nicht aus sich heraus stabil sein können. Diese Verantwortung liegt immer bei
externen Kräften, die durch die Kontrolle der Einhaltung der Regeln die Stabilität der
Institutionen gewährleisten. Diese externen Kräfte können sich einerseits aus dem
politischen System an sich und andererseits durch Akteure, die in den Institutionen
und durch sie betroffen sind, konstituieren. Die Entscheidungen, die in den
Institutionen getroffen werden unterliegen der „logic of appropriateness“, was
bedeutet, dass sie an die Situationen und die notwendigen Handlungen angepasst
werden. Jene Entscheidungen, die über die Institutionen getroffen werden, sind nach
der „logic of consequentiality“ gerichtet, von Eigeninteressen geleitet und werden von
Erwartungen über die Folgen von Entscheidungen geleitet.10
Jeglicher Einfluss auf eine politische Institution, ebenso wie die Neu-Gründung hat
Auswirkungen auf die Akteure, die in ihr arbeiten bzw. die Entscheidungen treffen.
Das kann bedeuten, dass diese Institutionen oftmals Akteure überdauern – dies gilt
für den Fall einer Transition – und neuen politischen Spielern eine Plattform bieten
können, auf der sich dann neue Ideen und neue Entscheidungen strukturieren
können. Sollte dabei allerdings die „logic of consequentiality“ dominieren, ist es
allerdings sehr unwahrscheinlich, dass diese Institutionen stabil sind bzw. eine große
Legitimität oder Effektivität aufweisen werden.11
1.5.1.2. Wie werden Institutionen gebildet?
Genauso schwierig und unsystematisch wie die Transition von autoritären und
totalitären-kommunistischen Systemen ist die Bildung von Institutionen. Trotzdem es
als allgemein gültig anzusehen ist, dass „all transitions to democracy are negotiated: some with
representatives of the old regimes and some only among the pro-democratic forces seeking to form a
new system. Negotiations are not always needed to constitute democratic institutions. Democracy
cannot be dictated; it emerges from bargaining”12, gibt es unterschiedliche Phasen und
Vorgänge, in denen Institutionen entstehen. Rüb unterscheidet in seiner Studie fünf
verschiedene Modi, unter denen demokratische Institutionen entstehen können, die
aneinander anschließen, sich auschließen und überschneiden können. Er stellt klar,
dass sie sich nur im Rahmen der Analyse unterscheiden lassen.
10
Vgl. Rüb, S.118.
Vgl. Rüb, S.118.
12
Zitat von Przeworski Adam (1991), in: Rüb, S.119.
11
25
Diese fünf Modi sind13:
1.
Pakt. Das sind Vereinbarungen, die eine Aufteilung der Macht auf
verschiedene Akteure vornimmt. Ebenso werden bestimmte institutionelle
Rahmenbedingungen
ausgeschlossen
fixiert
werden.
und
All
das
bestimmte
festgelegte
geschieht
unabhängig
Gruppen
von
der
Durchführung möglicher Wahlen.
2.
Kompromiss. Dabei wird die Macht geteilt, wobei ausschließlich Verfahren
davon betroffen sind.
3.
Demokratische Konkurrenz. Dabei wird die Demokratie als Prinzip zur
Gründung von demokratischen Institutionen angewandt.
4.
Kapitulation/Revolution.
In
diesen
beiden
Fällen
dominiert
die
Neugründung von Institutionen, die allerdings Probleme beinhaltet, die bei
verhandelten Institutionen nicht auftreten.
5.
Sezession oder andere Formen der Staatenbildung. Dabei werden
Institutionen gegründet, die alte nationale Muster durchbrechen und ein
neues nationalstaatliches System mit bestimmtem Territorium fundieren.
In der Folge werden die Punkte 1 und 4 etwas genauer erläutert, da sie als relevante
Modi für die hier vorliegende Studie der Demokratischen Republik Kongo identifiziert
werden können.
Ad 1) Dieser Modus basiert auf bestimmten politischen Pakten, die durch ihren
substantiellen Inhalt klar festlegen, welche politischen Themen, Institutionen und
Gruppen aus der demokratischen Konkurrenz ausgeschlossen werden. Es werden
zwar demokratische Institutionen gebildet. Diese stellen allerdings im gesamten
System keine Änderung dar, sondern durchbrechen nur teilweise die alten
Strukturen. Die Macht liegt nach wie vor bei den alten Machthabern. So gesehen ist
dieser Prozess der Beginn der Veränderung des alten Systems, wobei die getroffene
Übereinkunft nur so lange Gültigkeit und Stabilität hat, wie die gesamte
Machtkonstellation, in der sie getroffen wurde. Auf die Veränderung der Situation
wird, wenn notwendig, mit einer weiteren Inklusion oder Substitution der politischen
Akteure reagiert, und die alten Pakte durch neue Pakte ersetzt.14
13
14
Vgl. Rüb, S.119f.
Vgl. Rüb, S.120f.
26
Ad 4) Politischen Institutionen können auch in Situationen entstehen, die ein
Machtvakuum
(etwa
bei
Kapitulation)
darstellen
oder
eine
extreme
Machtkonzentration (z.B. Revolution) darstellen. Obwohl diese beiden Situationen
gegenteilige Extreme darstellen haben sie eine wichtige Gemeinsamkeit hinsichtlich
von Institutionen, deren Neugründung. Im Falle einer Kapitulation etwa besteht keine
Machtposition,
da
die
alten
Machthaber
keine
starke
bzw.
gar
keine
Verhandlungsposition haben. Dadurch existieren auch keine Interessen, auf die man
Rücksicht nehmen müsste, wodurch die alten politischen Institutionen keinerlei
Wichtigkeit haben und neu gegründet werden müssen. Dabei sind die Ideen und die
Vorstellungen der Opposition wegweisend für die Neugründung. Das gleiche
Resultat unter anderen Rahmenbedingungen existiert bei einer Revolution bzw.
einem gewaltsamen Regierungssturz. Dadurch, dass alle Macht in den Händen der
Revolutionäre liegt, werden die Institutionen auch nach ihren Vorstellungen und
Ideen gestaltet. Dies hat in der Regel zur Folge, dass die politischen Institutionen
neu gegründet werden, oder die bestehenden radikal verändert werden. In beiden
Situationen ist die Notwendigkeit der Beständigkeit und der allgemeinen Akzeptanz
essentiell, wodurch keine Experimente bei der Gründung der Institutionen
durchgeführt werden sollten. Vielmehr werden oft bereits bestehende Muster von
politischen Institutionen aus anderen Systemen kopiert, wodurch die notwendige
Legitimation der Idee sichergestellt wird. Zudem wird so die Idee, in welche Richtung
sich die Institution entwickeln sollte, schnell gefunden, und die politische
Verantwortung für die Akteure minimiert. 15
Die Entscheidung wo und an welchem System bzw. welcher politischen Institution
Anleihe genommen wird durch zwei Optionen passieren. Einerseits in der Geschichte
des eigenen Landes bzw. in deren Epochen, die positiv besetzt sind. Andererseits
kann man sich auf Systeme beziehen, die sich in der gleichen Art und Weise
verändert haben und wie die Institutionen in diesen Systemwandeln gebildet
wurden.16
Die Anleihe an den Situation und politischen Landschaften in anderen Ländern oder
in der Geschichte des eigenen Landes bringt bestimmte Gefahren mit sich. Ein
Problem dabei ist die mögliche Übernahme von politischen Institutionen in ein
soziales, kulturelles und politisches Umfeld, das dafür nicht geeignet ist. Dadurch
besteht die Möglichkeit, dass die Ergebnisse nicht wie gewünscht, erhofft und
15
16
Vgl. Rüb, S.124f.
Vgl. Rüb, S.125f.
27
erwartet eintreten. Wenn die Veränderung nicht die in sie gesetzten Erwartungen
erfüllen, dann werden sie über einen bestimmten Zeitraum gesehen nicht
angenommen und akzeptiert, wodurch eine erneute Krisensituation entstehen kann.
Dieser Entwicklung ist entgegenzuwirken, indem man nur Teilelemente in die
eigenen neu gegründeten Institutionen übernimmt. Dadurch werden, im günstigsten
Fall, Institutionen gebildet, die eigenen Elemente beinhalten und auf den fremden
Teilelementen aufbauen.
Eine weitere Gefahr sind eventuelle Veränderungen, die zu schnelle und
fundamentale institutionelle Reformen mit sich bringen. Dabei können die in diesen
Institutionen arbeitenden Personen überfordert werden, wodurch ihre Erwartungen
enttäuscht werden und ihr Vertrauen erschüttert wird. Dies hat wiederum zur Folge,
dass die Verantwortlichen sich in einer ähnlichen Situation sehen. Durch diese
doppelte Unsicherheit wird die Legitimität der neuen Institution erheblich vermindert.
Der dritte Punkt ist die Gefahr, dass die neuen Eliten in einem Machtvakuum die
Situation ausnützen, dass es noch keine ausgebildeten und klaren Interessen gibt.
Dadurch können sie leicht das Gefühl haben, dass sie freie Hand haben und ihre
eigenen Interessen durch die neuen Institutionen auf die Bevölkerung wirken lassen,
wodurch diese ihre Aufgaben und ihren Zweck verfehlen. Zudem sind sie nicht
ausreichend
legitimiert
und
haben
keine
ausreichende
problemspezifische
Lösungskompetenz.17
1.5.1.3. Wie demokratisch sind diese Institutionen?
Die Analyse hinsichtlich der effektiven und legitimen Arbeit von politischen
Institutionen, die nach den hier beschriebenen Kriterien gebildet wurden bzw. sich
entwickelt haben muss man auf durch die Aufteilung zwischen Regime und Staat
durchführen. Ein Regime reguliert den Zugang zur politischen Macht und die
Interaktion bzw. Behandlung der Machtlosen durch die Machtinhaber. Dabei kann es
institutionalisiert sein oder nicht. Ein Staat stellt demgegenüber mehr eine stabilere
Form von Herrschaft dar. Diese ist die Basis für eine soziale Beziehung zur
Gesellschaft und ist für deren Verwaltung, Kontrolle und die Verteilung der
Ressourcen verantwortlich. Wichtig ist diese Unterscheidung deshalb, weil
entstehende demokratische Regime auch mit autoritären Mitteln arbeiten können.
17
Vgl. Rüb, S.126f.
28
Aus dieser Unterscheidung ergeben sich vier Kombinationen zwischen Regime und
Staat, die sich durch deren Grad an Effektivität und Legitimität feststellen lassen18.
1.
Normative politische Organisationen. Diese existieren dann, wenn alle
Merkmale
einer
Demokratie
vollständig
ausgebildet
sind.
Diese
Institutionen haben nicht nur rechtliche sondern auch faktische Gültigkeit.
Die Regeln und Methoden zur Konfliktlösung sind allgemein anerkannt und
akzeptiert. In dieser Kombination besteht eine hohe Legitimität und eine
hohe Effektivität.
2.
Nominelle politische Institutionen. In diesem Fall gelten zwar rechtlich alle
demokratischen Prinzipien, diese lassen sich allerdings realpolitisch nicht
umsetzen. Es existieren demokratisch gebildete Institutionen, die mit
demokratisch gewählten Vertretern besetzt sind. Diese haben jedoch keine
Möglichkeit ihre Arbeit effektiv durchzuführen, da sie keine ausreichenden
Problemlösungskapazitäten haben. Diese Systeme sind vielfach durch
informelle Kanäle geprägt. Hier ist die Legitimität hoch aber die Effektivität
sehr gering.
3.
Nominative politische Institutionen. Diese Kombination kennzeichnet sich
durch ihre Entstehung durch einen demokratischen Prozess. Sobald die
Macht allerdings verteilt ist, ändern die Machthaber ihre Position und
nutzen ihre Möglichkeiten zur Durchführung der eigenen Interessen. Die
politische Landschaft und die Methoden werden sehr exklusiv und nicht
wirklich transparent. Die Arbeitsfähigkeit dieser Kombination bleibt
allerdings erhalten, wodurch allerdings nicht automatisch im Sinne der
Gesellschaft gehandelt wird. In diesem Fall ist die Legitimität sehr niedrig
aber die Effektivität sehr hoch.
4.
Nomadische politische Institutionen. In diesem Gefüge dominiert der
Opportunismus bei der Gründung von Institutionen ebenso wie bei deren
Auflösung. Es ist gekennzeichnet von instabilen Regierungen und
oftmaligen opportunistischen Wechseln von politischen Koalitionen. Hier ist
weder die Effektivität noch die Legitimität sehr hoch.
18
Vgl. Rüb, S.128ff.
29
1.5.2.Verschiedene Definitionen von Macht
In Transitionssystemen, wie in den nachfolgenden Institutionen und in der
Minderheitenfrage spielt die Kategorie Macht eine sehr entscheidende Rolle. Im
Laufe der Geschichte der Forschung der Internationalen Politik gab es sehr viele
verschiedene Theorien und Definitionen was Macht ist. Im Folgenden werden die
wichtigsten Definitionen dargestellt, wobei allerdings nicht ausführlich auf die
gesamte Theorie eingegangen wird, die hinter den einzelnen Theorien stecken, da
dies den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde und nicht den Hauptinhalt bzw. das
Ziel dieser Studie darstellt.
1.5.2.1.Ausgewählte Definitionen von Macht
Der Begriff Macht an sich ist eine soziale Beziehung, deren Auswirkungen, Ursprung
und
Funktion
nur
schwer
zu
definieren
ist.
In
der
Geschichte
der
Geisteswissenschaften wurde vielfach versucht, eine allgemein gültige Definition des
Begriffs Macht zu finden. Allerdings ist in den vielen Versuchen der Begriff Macht
beinahe ausschließlich in Kombination mit anderen Variablen zu verwenden bzw.
muss in solch einem Gebilde verstanden werden.
Im Realismus, der bereits in der griechischen Philosophie bei Thukydides (460-400
v.Chr.) Geschichte des Peloponnesischen Krieges seinen Ursprung hatte, wird
Macht das erste Mal als konstituierender und regulierender Faktor der Politik
angesehen. Einige wichtige realistische Denker sind Niccoló Machiavelli, Thomas
Hobbes, Friedrich Nietzsche und Max Weber.19
19
Vgl. Jacobs, Andreas (2003). Realismus, in: Schieder, Siegfried, Spindler, Manuela (Hrsg.) (2003). Theorien
der Internationalen Beziehungen, Leske + Budrich, Opladen, S.36.
30
1.5.2.1.1.Machtbegriff von Max Weber
Eine der bekanntesten Definitionen ist die von Max Weber, der den Machtbegriff der
klassischen Soziologie einführt hat:
„Macht ist jede Chance, in einer sozialen Beziehung, den eigenen Willen gegen
Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, woraus diese Chance besteht.“20
Weber sieht Macht auch als soziologisch amorph an, was bedeutet, dass sie formlos
und nicht greifbar ist.
„Alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen können
jemand in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegeben Macht durchzusetzen.“21
Für Weber ist auch Herrschaft eine entscheidende Variable. Herrschaft stellt für ihn
eine spezielle Form von Macht dar. Er anerkennt, dass es noch weitere Formen gibt,
konzentriert sich in seinen Studien allerdings auf den Herrschaftsbegriff.
„Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren
Personen Gehorsam zu finden.“22
Ein essentieller Faktor für die Macht bei Weber ist die Legitimität der Herrschaft,
wobei sich je nach der Form der Legitimität die Form des Gehorsams, der sich
sowohl freiwillig wie auch unfreiwillig äußern kann, bestimmen lässt. Diese beiden
Formen stellen auch die beiden Pole in Webers Definition von Gehorsam dar.23
Weber unterscheidet schließlich drei reine Typen legitimer Herrschaft24:
1.
rationalen Charakters: Glaube an die Legalität gesatzter Ordnungen und
des Ausweisungsrechtes der durch sie zur Ausübung der Herrschaft
Berufenen
20
Zitat Weber, Max (1990). Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, Mohr, Tübingen,
S.28.
21
Zitat Max Weber, S.28.
22
Zitat Max Weber, S.28.
23
Vgl. Treutler, Michael. Macht, http://gonzo.uni-weimar.de/~weber10/t-u-w/dokus/alpha/html/macht.htm
24
Vgl. Weber, S.122ff.
31
2.
traditionalen Charakters:
Alltagsglaube an die Heiligkeit von jeher
geltender Traditionen und die Legitimität der durch sie zur Autonomität
Berufenen (Personen) (ständisch)
3.
charismatischen Charakters: außeralltägliche Hingabe an die Heiligkeit
oder die Heldenkraft oder die Vorbildlichkeit einer Person (‘Führer’)und der
durch sie offenbarten oder geschaffenen Ordnungen
1.5.2.1.2.Macht bei Hannah Arendt
Bei
Hannah
Arendt,
einer
bedeutenden
politischen
Theoretikerin
des
20.Jahrhunderts, spielt neben Macht vor allem der Begriff Gewalt eine wichtige Rolle.
Wobei es entscheidend ist, dass Macht das Ziel ist, zu deren Erreichen es ein
geeignetes Mittel braucht. Durch die rasante technische Entwicklung sieht Arendt die
Mittel als bedeutender an als die Zwecke.25
„Macht entspricht der menschlichen Fähigkeit, nicht nur zu handeln oder etwas zu tun,
sondern sich mit anderen zusammenzuschließen und im Einvernehmen mit ihnen zu
handeln. Über Macht verfügt niemals ein Einzelner; sie ist im Besitz einer Gruppe und
bleibt nur solange existent, als die Gruppe zusammenhält“26
Für Arendt treten Gewalt und Macht zusammen auf und sind unterschiedlichen
Konstellationen
zu
beobachten.
Allerdings
ist
die
Gewalt
dabei
nur
in
Ausnahmefällen die dominierende Komponente, da die Herrschaft jeglicher Form
über eine Machtbasis verfügen muss, die sich nicht nur auf Gewalt stützen kann.27
Als spezielle Form der Macht sieht sie die Staatsmacht an. So beschreibt sie das
Phänomen der Revolution, die durch den Gewaltausbruch aufgrund des Ziels des
Erreichens des Machtverlustes entsteht, wie folgt: „Wo Gewalt der Gewalt gegenübersteht
hat sich noch immer die Staatsgewalt als Sieger erwiesen“28. Dies ist aber nur dann gültig, wenn
die Organe der Staatsmacht dieser gehorchen. Sie sieht auch die Notwendigkeit und
allgemeine Präsenz von Macht in jedem Gemeinschaftssystem, wogegen Macht
keinen solchen allgemeinen Gültigkeitsanspruch stellen kann. Aus diesem Grund
benötigt Macht, laut Arendt auch keine Rechtfertigung. Sie ist etwas Absolutes und
25
Vgl. Arendt Hannah (2003). Macht und Gewalt, TB, München, Zürich, S.41.
Zitat Hannah Arendt, S.45.
27
Vgl. Arendt, S.51.
28
Zitat Hannah Arendt, S.49
26
32
ein „Selbstzweck“, der seine Legitimität in der Vergangenheit und seine
Rechtfertigung in den Zielen, die in der Zukunft erreicht werden wollen, zu finden.
Macht hingegen muss gerechtfertigt werden, was, laut Arendt, möglich ist, jedoch
spricht sie der Gewalt jede Möglichkeit der Legitimität ab.29
1.5.2.1.3.Macht bei Susan Strange
Im Gegensatz zum relationalen Machtbegriff, der bei Weber und den Realisten
vorherrscht und einem Akteur A die Fähigkeit zuspricht, dem Akteur B, auch gegen
dessen Willen, seinen Willen aufzuzwingen bzw. seine eigenen Interessen
durchzusetzen. Strange prägt den strukturellen Ansatz, da sie sehr viele Faktoren in
die diese Interessensdurchsetzung einfließen lässt. Einerseits ist Macht von diversen
Strukturveränderungen abhängig und andererseits wird sie von Verhandlungsformen
auf verschiedenen Eben geprägt. In ihrer Definition ist nicht der Einfluss auf die
territoriale Ebene oder auf die Menschen entscheidend, sondern die Möglichkeit der
Einflussnahme auf die Struktur und deren Veränderungen. Zudem ist strukturelle
Macht in verschiedenen miteinander verbundenen strukturellen Ebenen – wie etwa
Finanzstruktur, Wissensstruktur, Produktionsstruktur etc. – zu finden. Sie anerkennt
dabei die relationale Macht, sieht sie aber als zu vernachlässigen an.30
„Power is simply the ability of a person or group of persons to affect outcomes that their
preferences take precedence over the preference of others.“31
1.6. Allgemeines zur Methode
Die Arbeit folgt einem bestimmten Aufbau. Die Basis liefert eine Analyse der
Situation im Bereich Minderheitenschutz und die bisherigen Versuche der Definition
von Minderheiten. Auf dieser Basis wird dann ein Land, das sich in einem politischen
Umbruch bzw. Neuaufbau befindet allgemein hinsichtlich seiner politischen
Landschaft untersucht. Dabei werden die Machtinhaber und die Probleme
dargestellt. Aufbauend darauf wird eine policy-Analyse betrieben, die sich speziell
29
Vgl. Arendt, S.52ff.
Vgl. Bieling, Hans-Jürgen (2003). Internationale Politische Ökonomie, in: Schieder, Siegfried, Spindler,
Manuela (Hrsg.) (2003). Theorien der Internationalen Beziehungen, Leske + Budrich, Opladen, S.368ff.
31
Zitat Strange, in: Bieling, S.239.
30
33
auf die Minderheitendefinition und deren Schutz in der Verfassung konzentriert.
Schließlich
wird
nicht
anhand
eines
Fallbeispiels
die
Problematik
des
Minderheitenschutzes ebenso wie die Probleme bei denen angesetzt werden muss
untersucht.
Die Studie ist auf den deskriptiv-analytischen Ansatz der wissenschaftlichen
Forschung aufgebaut. Dabei basiert die Arbeit primär auf Literaturrecherche von
Originaltexten und Kommentaren sowie Analysen von Situationen. Dazu wurden
Zeitungen, Zeitschriften und Bücher ebenso verwendet, wie Verfassungstexte und
Originaldokumente diverser Organisationen oder Regierungen. Da die Forschung vor
Ort aufgrund der sicherheitspolitischen Lage und vergeblichen Versuchen der
Kontaktaufnahme mit Personen in der DRC nicht möglich war, stützt sich die
Argumentation teilweise auf Sekundärinformationen.
Es wurden auch Gespräche mit Einwohnern des Kongo geführt, die allerdings keinen
Interviewcharakter hatten und als Erfahrungsberichte und zur Absicherung diverser
Informationen dienten. Dabei handelte es sich um informelle Gespräche.
Informationen,
die
in
diesen
Gesprächen
oder
aus
in
diversen
Quellen
unterschiedlich beschrieben werden, wurden nachgeprüft. Sollte durch diese
Nachprüfung auch kein eindeutiges Ergebnis erzielt werden, die Informationen vom
Autor allerdings für essentiell erachtet werden, werden sie angeführt; die Differenzen
in den Informationsquellen allerdings in den Fußnoten angeführt.
34
2. Minderheitendefintion und Minderheitenschutz
2.1.Definition des Minderheitenbegriffs
Die Festlegung der Rechte von Minderheiten bzw. Personen, die Minderheiten
angehören, ist historisch betrachtet einfacher durchzuführen gewesen als eine
genaue und allgemein gültige Definition der Minderheiten an sich. In beinahe jeder
Phase der Entwicklung des Minderheitenschutzes kam es zu unterschiedlichen
Auffassungen, wie und durch welche Merkmale sich eine Minderheit definiert. Neben
den sich unterscheidenden Definitionsversuchen kam auch noch die Schwierigkeit
der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen zu tragen. Je nachdem welcher
Studienrichtung ein Forscher angehört, wird der Begriff Minderheit aus einem
anderen Blickwinkel betrachtet. Bis heute ist es nicht wirklich gelungen eine absolute
Definition des Minderheitenbegriffs zu finden. Allerdings gibt es einige Versuche und
dabei mehr oder weniger offiziell anerkannte Begriffsbestimmungen.32
2.1.1.Herkunft und Wortsinn
Etymologisch analysiert leitet sich der Begriff Minderheit von dem Wort „minder“ her.
„Minder“ ist ein germanischer Ausdruck, der eng mit den lateinischen Begriffen
„minus“, „minor“ und „minimus“ verwandt ist und leitet sich ursprünglich aus dem
Mittelhochdeutschen von „minre“ und „minner“ ab. Die Bedeutung dieser Worte wird
heute mit dem Begriff weniger beschrieben.33
Der Ausdruck Minderheit trat im deutschen Sprachraum erstmals 1809 als
Übersetzung aus dem Französischen in Erscheinung. Minderheit ist somit eine
Übersetzung
des
Fremdwortes
„minorité“
bzw.
„Minorität“,
das
durch
die
Französische Revolution im deutschen Sprachraum Verwendung fand.34 Minderheit
bedeutet
auch
Minderzahl
was
unweigerlich
mit
Mehrheit
bzw.
Mehrzahl
zusammenhängt. Damit wird die Voraussetzung für das Bestehen einer Minderheit
deutlich. Nur wenn es eine „größeren Teil einer bestimmten Anzahl von Personen“,
32
Vgl. Eglin, Dieter (1996). Demokratie und Minderheiten – unter Berücksichtigung der Demokratie als
Lebensform, der materiellen Schranken von Verfassungsrecht und Diskurstheorie, Peter Lang AG, Berlin, Bern,
Frankfurt, New York, Paris, Wien, S.138.
33
Vgl. Krugmann, Michael (2004). Das Recht der Minderheiten. Legitimation und Grenzen des
Minderheitenschutzes, Duncker & Humblot, Berlin, S.56.
34
Vgl. Eglin, S.138.
35
respektive eine Mehrheit gibt, kann es auch eine Minderzahl bzw. Minderheit geben.
Um diese Bestimmung durchführen zu können, ist eine Definition der Gesamtmenge
von Nöten, damit durch eine Abzählung bei bestimmten Verfahrensweisen, wie z.B.
eine Wahl, eine Mehrheit bzw. eine Minderheit bestimmt werden können.35
2.1.2. Die Definition des Minderheitenbegriffs bis zur Französischen Revolution
Bis zum 18.Jahrhundert waren beinahe ausschließlich religiöse Minderheiten
gemeint, wenn dieses Thema diskutiert wurde. Das Römische Reich hatte innerhalb
der eigenen Grenzen eine schwierige Aufgabe zu lösen, da es auf einer sehr
heterogenen Gesellschaft basierte. Den Schwierigkeiten wurden versucht mit Hilfe
einer toleranten Religion sowie einer gemeinsamen Sprache beizukommen.
Allerdings behielten die ethnischen, religiösen und sprachlichen Gruppen, die durch
die Eroberungen Teil des Reiches wurden, trotz der Assimilationspolitik ihre
jeweiligen Eigenheiten. Bis zum Mittelalter gab es immer wieder Gruppen, die zwar in
sich eine Gemeinschaft bildeten, aber sich an die größere Bevölkerung, derer sie Teil
waren, durch Sprache und Religion anzupassen versuchten. Die Überlieferungen
innerhalb dieser Gruppen sowie die mangelnde Möglichkeit permanenter Kontrollen
der Obrigkeit bewahrten diese Gemeinschaften vor dem Aussterben.
Im Mittelalter spielten hauptsächlich religiöse Minderheiten eine Rolle, die sich gegen
das Christentum auflehnten. Andere Arten von Minderheiten waren damals nicht
Thema, da zwar in den meisten europäischen Ländern unterschiedliche ethnische
Gruppen zusammen lebten, der Begriff allerdings damals ebenso wenig bekannt war,
wie der Ausdruck Nation. Zudem konnte man kein einheitliches Rechtssystem
anbieten. Das System basiert auf Abhängigkeit und Gehorsam, wodurch nicht alle
Menschen die gleiche Position hatten, und die Rechte der einzelnen Gruppen von
der Toleranz der Autorität der jeweiligen Region abhing. Diese Unterschiede waren
von Region zu Region sehr verschieden, da eine Dezentralisierung der Macht
vorherrschte, die es den jeweiligen Herrschaftsbereichen ermöglichte, eigene
Traditionen und Gewohnheiten beizubehalten.36
Beim Augsburger Religionsfrieden vom 25.September 1555 kam es schließlich zur
Anerkennung der protestantischen Religion, was jedoch nicht gleichbedeutend mit
35
Vgl. Krugmann, S.56f.
Vgl. Gornig, Gilbert (2001) in: Blumenwitz, Dieter, Gornig, Gilber, Murswiek, Dietrich (Hrsg.) (2001). Ein
Jahrhundert Minderheiten- und Volksgruppenschutz, Verlag Wissenschaft und Politik, Köln, S.21.
36
36
einer rechtlichen Gleichstellung war. Die Religion wurde nach wie vor noch von dem
verantwortlichen Landesherrn gewählt bzw. bestimmt, nur die höheren Stände
konnten ihre Religion frei wählen. Diejenigen Untertanen, die sich der Religion nicht
anschließen
wollten,
konnten
ungehindert
auswandern.
Der
Augsburger
Religionsfriede wurde im Vertragswerk des Westfälischen Frieden noch einmal
bestätigt und festgeschrieben. Zu einem ähnlichen Edikt kam es in Nantes 1598,
wodurch die Hugenotten Anerkennung fanden.37
Zusammenfassend kann man festhalten, dass im Mittelalter und der frühen Neuzeit
die Bevölkerung aus verschiedenen Völkergruppen bestand, die nebeneinander
lebten. Dabei spielten weniger die ethnischen Wurzeln eine Rolle als die religiösen
Anschauungen der Menschen. Diese führten immer wieder zu Konflikten. Von einer
Definition eines Minderheitenbegriffs kann jedoch keine Rede sein.
2.2. Die Entstehung des Modernen Minderheitenbegriffs
Die Französische Revolution veränderte die gesellschaftliche Organisation und
brachte neue Konzepte der staatlichen und sozialen Ordnung mit sich. Durch die
Machtverlagerung – weg vom König auf das Volk – wurde der einzelne Bürger
wichtiger für die Gesellschaft und erlangte entscheidenden Einfluss auf das ganze
System. Jeder Mensch innerhalb des Staates hatte dieselben Rechte und Pflichten,
und man war darauf bedacht, jede mögliche Bedrohung für das einheitliche System
zu verhindern. Somit waren Minderheiten speziell in Frankreich nicht mehr
anerkannt, was auch in der französischen Deklaration des Menschen und Bürgers38
festgehalten wurde. Durch diese Erklärung wurde die Ungleichheit zwischen den
einzelnen Menschen und Gruppen praktisch aufgehoben.39
Zur damaligen Zeit war die Situation für Minderheiten nicht einfach, da sie sich durch
die neue Idee der Nation und des einheitlichen Staates bzw. des einheitlichen Volkes
nicht entfalten konnten. Diese Idee des gemeinsamen Ganzen in Form eines
Staatsvolks führte schließlich soweit, dass verschiedene Staatstheoretiker sogar die
Verfolgung von Minderheiten forderten, um jeglichen Partikularismus zu verhindern.
37
Vgl. Gornig, S.22f, sowie weiter oben.
Erklärt am 26.August 1789. (Anm. d. Autors)
39
Vgl. Gornig, S.23.
38
37
Wenn diese Konzeptionen erfolgreich gewesen wären, hätten sie vielleicht zum
Aussterben von Minderheiten geführt. Dass dies nicht der Fall ist, liegt an der
Tatsache, dass sich die Staatsgrenzen nicht immer mit dem Staatsvolk decken
mussten. So gab es auch Gruppen, die sich über die Grenzen ihres eigenen Staates
hinaus entfalteten. Zusätzlich waren die Nationalstaatskonzepte teilweise zu
abstrakt, um die Situation der Minderheiten so stark beeinflussen zu können.40
2.2.1. Definition von Minderheiten bis zum Zweiten Weltkrieg
Im
19.
und
zu
Minderheitenschutz
Beginn
in
des
20.Jahrhundert
zwischenstaatlichen
wurden
Verträgen
Regelungen
festgelegt41
In
zum
diesen
Verträgen gab es allerdings im Regelfall keine Minderheitendefinition, da es sich bei
den in den jeweiligen Abkommen behandelten Menschen um spezifische Gruppen
handelte.
Obwohl
man
zwischen
drei
Minderheitengruppen
unterschied
–
sprachliche, ethnische, religiöse –, wurden lediglich zwei davon als in den Verträgen
zu schützende eingestuft – die ethnischen und religiösen Minderheiten. Trotz dieser
Einteilung wurden die Minderheiten bzw. der Begriff nicht genau definiert.42
1.6.2.2.Der Minderheitenbegriff in der Zwischenkriegszeit
In die Entscheidungsfindung dieser Verfahren bezüglich der eingereichten Petitionen
war auch der Ständige Internationale Gerichtshof (StIGH) in Den Haag eingebunden,
da er zu dieser Zeit das juristische Organ des Völkerbundes darstellte. Dazu fällte er
mehrere Rechtsgutachten, unter anderem eines, in dem es um wechselseitige
Auswanderung respektive die Frage der Gemeinschaften ging. Da dieses Gutachten
jedoch dem Minderheitenschutz zugeordnet wurde, setzte der StIGH den Begriff
„Gemeinschaften“ durch den Begriff „Minderheiten“ gleich und definierte sie als:
„By tradition…the ´community´ is a group of persons living in a given country or locality,
having a race, religion, language and traditions of their own and united by this identity of
race, religion, language and traditions in a sentiment of solidarity, with a view to
preserving their traditions, maintaining their form of worship, ensuring the instruction and
40
Vgl. Gornig, S.23f.
Vgl. weiter unten
42
Vgl. Gronig, S.24f.
41
38
upbringing of their children in accordance with the spirit and traditions of their race and
rendering mutual assistance to each other.“43
Diese spezielle Definition bezog sich nur auf die Situation zwischen Griechenland
und Bulgarien, in deren Zusammenhang das oben erwähnte Gutachten beschlossen
wurde. Da sich allerdings diese Entscheidung explizit auf die Gesamtheit des
Minderheitenschutzes bezog, ist davon auszugehen, dass diese Definition auch auf
andere Entscheidungen im Bereich Minderheitenschutz Anwendung fand. Diese
Annahme wird dadurch unterstützt, dass die Definition auch zu späteren
Bestimmungen des Begriffs Minderheit herangezogen wurde.44 Wichtig und bei
dieser Definition zu beachten ist die erstmalige Verwendung von verschiedenen
Kriterien. So sind auf der einen Seite die vier objektiven Kriterien, Rasse, Religion,
Sprache
und
Tradition
und
andererseits
das
subjektive
Kriterium,
das
Solidaritätsgefühl der Angehörigen charakteristisch für eine Minderheit. Allerdings
betonte der StIGH, dass diese Definition keinen juristischen Gehalt habe.45
2.2.3.Definitionen von Minderheit nach dem Zweiten Weltkrieg
Das allgemeine Völkerrecht sowie die Vereinten Nationen gehen davon aus, dass es
Minderheiten nationaler, sprachlicher, ethnischer und religiöser Natur gibt. Eine
Definition des Begriffs Minderheit existiert jedoch weder im allgemeinen Völkerrecht
noch in der Satzung der Vereinten Nationen. Während die UNO in ihren Arbeiten
immer wieder ohne eine Definition des Begriffs Minderheit oder Gruppe auskam,
findet man im partikulären Völkerrecht wiederholt Erklärungen oder Festlegungen der
Bedeutung der genannten Begriffe. Trotzdem bestanden seitens der Vereinten
Nationen Bemühungen, doch eine Definition formulieren zu können. Die größte
Schwierigkeit dabei stellte die allgemeine Anerkennung durch die Vielzahl der
Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen dar.46
43
Entscheidung des StIGH VII (1929/30); Zitat in: Thornberry, Patrick (1997). The UN Declaration on the Rights
of Persons belonging to National or Ethnic, Religious and Linguistic Minorities: Background, Analysis,
Observations, and an Update; in: Phillips, Alan, Rosas, Allan (Hrsg.) (1997). Universal Minority Rights, Åbo
Akademis tryckeri, Åbo, S.16-17.
44
Vgl. Scherer-Leydecker, Christian (1997). Minderheiten und sonstige ethnische Gruppen. Eine Studie zur
kulturellen Identität im Völkerrecht, Berlin Verlag A. Spitz GmbH, Berlin, S.41f.
45
Vgl. Gornig, S.27.
46
Vgl. Ermacora, Felix (1988). Der Minderheitenschutz im Rahmen der Vereinten Nationen, Wilhelm Braumüller
Universitäts-Verlagbuchhandlung GmbH, Wien, S.39.
39
Nach dem Zweiten Weltkrieg stand die Arbeit an dem Aufbau einer Organisation, die
ein System Kollektiver Sicherheit darstellen sollte, im Vordergrund. Im Rahmen der
Gründung
der
Vereinten
Nationen
sollte
auch
die
Allgemeine
Menschenrechtserklärung (AMRE) beschlossen werden. In den Vorarbeiten zu
dieser kam es auch zu Versuchen einer Definition von Minderheiten. Der erste
Vorschlag einer Minderheitenschutzbestimmung enthielt folgende Definition von
Minderheit:
„In States inhabited by a substantial number of persons of a race, language or religion
other than those of the majority of the population…”47
Diese
Definition
wurde
von
der
Unterkommission
zur
Verhinderung
von
Diskriminierung und zum Schutz der Minderheiten, als diese zu den Arbeiten
hinzugezogen wurde, wieder aufgegriffen und etwas modifiziert. Ihr Vorschlag
lautete:
„well defined ethnic, linguistic or religious groups which are clearly distinguished from the
rest of the population, and which want to be accorded differential treatment.“48
An dieser Definition wurden immer wieder kleine Korrekturen vorgenommen. Man
kann nicht von einer allgemein anerkannten Definition sprechen, da viele Staaten
sich nicht auf eine gemeinsame Begriffsbestimmung einigen konnten. Es gab trotz
der AMRE keine einheitliche Bestimmung zum Minderheitenschutz. Verschiedene
weitere Vorschläge konnten ebenso nicht verabschiedet werden, da sich die
Mehrheit der Länder dagegen aussprach. Dadurch beschloss man, sich mit der
Definition der Minderheiten zu beschäftigen. Zu diesem Thema wurde 1950 in der
Unterkommission eine Resolution „on definition of minorities for purposes of
protection by the United Nations“ verabschiedet. Nach einer nochmaligen Änderung
in einer weiteren Tagung enthielt die Resolution folgende Fassung eines
Minderheitenbegriffs:
„… Recognizing that there are among nationals of many states distinctive groups, usually known
as minorities, possessing ethnic, religious, or linguistic traditions or characteristics different from
47
48
Zitat in: Scherer-Leydecker, S.48.
Zitat in: Scherer-Leydecker, S.49.
40
those of the rest of the population, and that among these are groups that need to be protected by
special measures, national and international, so that they can preserve and develop the
traditions of characteristics in question;…“49
Diese Auslegung hatte einige Jahre Bestand und wurde vereinzelt als allgemein
gültige Definition angesehen. Allerdings, da die HRC das Mitgliedstaatenspektrum
nicht repräsentierte und auch keines der anderen Gremien diese Definition akzeptiert
hatte, kann man dieser Auffassung nicht folgen. Diese Resolution kann lediglich als
Auslegung von Experten gesehen werden, die in der Unterkommission als Mitglieder
tätig waren, galt jedoch nicht als allgemein anerkannte Begriffsdefinition.50
Von diesen vielen, während des Völkerbundes und den Arbeiten zur Vorbereitung
des Internationalen Pakts über Bürgerliche und Politische Rechte (IPBPR)
entstandenen, Definitionen wurde schließlich keine im Artikel 27, der sich mit dem
Minderheitenschutz beschäftigt, verankert. Der Minderheitenbegriff wurde offen
gelassen bzw. zur freien Interpretation freigegeben. Durch die Formulierung des
Artikels ist anzunehmen, dass keine Legaldefinition innerhalb des IPBPR
beabsichtigt war.51
Eine Wiederbelebung der Arbeit im Bereich Minderheitenschutz erfuhren die
Vereinten Nationen, als die Unterkommission 1969 in einer Resolution von der HRC
und des ECOSOC ermächtigt wird, einen Sonderberichterstatter einzusetzen. Die
Unterkommission entschied sich daraufhin in einer Abstimmung für den italienischen
Juraprofessor Francesco Capotorti zum Spezialberichterstatter. Dieser wurde
beauftragt, eine Studie zu erstellen, die vor allem auf eine Definition des
Minderheitenbegriffs abzielte und die Stellung von ethnischen, religiösen und
sprachlichen Gruppen in den verschiedenen Gesellschaften analysieren sollte.
Seine 1977 abgeschlossene Arbeit, die den Titel „Study on the rights of persons
belonging
to
ethnic,
religious
and
linguistic
minorities”
trägt,
wurde
der
Unterkommission vorgelegt und trägt folgende Definition des Minderheitenbegriffs:
„A minority is a group numerically inferior to the rest of the population of a State, in a
non-dominant position, whose members – being nationals of the State – possess ethnic,
religious or linguistic characteristics differing from those of the rest of the population and
49
Zitat in: Scherer-Leydecker, S.72.
Vgl. Gornig, S.27ff.
51
Vgl. Krugmann, S.57f.
50
41
show, if only implicitly, a sense of solidarity, directed towards preserving their culture,
traditions, religion or language.”52
Zusätzlich zu dieser Definition empfahl Capotorti, eine Erklärung hinsichtlich eines
allgemeinen Minderheitenschutzes auszuarbeiten, um die im IPBPR festgehaltenen
Rechte für Minderheiten für die Vertragsstaaten, die den Pakt unterzeichnet hatten,
zu konkretisieren. Die Unterkommission griff diesen Vorschlag auf und empfahl der
HRC, eine Deklaration über die Minderheitenrechte basierend auf Artikel 27 des
IPBPR zu verfassen.53
2.2.4.Charakteristika des Minderheitenbegriffs von Capotorti
Der Minderheitenbegriff von Francesco Capotorti wurde zwar noch weiterentwickelt
und verfeinert54, gilt jedoch als der am weitesten verbreitete und kommt dem, was
man als allgemeine Definition bezeichnen kann wahrscheinlich am nächsten. Diese
Bestimmung enthält fünf wichtige Merkmale, die eine Minderheit kennzeichnen:
zahlenmäßige Unterlegenheit, die nicht herrschende Stellung, die Existenz von
ethnischen,
religiösen
oder
sonstigen
Unterschieden
im
Vergleich
zum
Mehrheitsvolk, ein Solidaritätsgefühl in Bezug auf Kultur, Tradition oder Sprache und
die Staatsbürgerschaft.55
1.) Zahlenmäßige Unterlegenheit
Hinsichtlich dieses Merkmals untersucht man eine bestimmte Personengruppe auf
zwei Ebenen. Einerseits passiert die Analyse auf der Ebene des Gesamtstaates, und
andererseits wird die regionale Situation untersucht. Dabei ist das Verhältnis der
Gruppe zur Gesamtzahl des ganzen Staates entscheidend. Es besteht die
Möglichkeit, dass die potentielle Minderheit in einer bestimmten Region durchaus die
Mehrheit der dort lebenden Bevölkerung darstellt. Somit ist die Anzahl der Personen
52
Zitat Capotorti in: U.a. Scherer-Leydecker, S:78; Gornig, S.29, Fußnote 45; Ermacora, S.43.
Vgl. Scherer-Leydecker, S:77f.
54
Siehe Kapitel Minderheitendefinition von Felix Ermacora. (Anm. d. Autors)
55
Vgl. Röper, Matthias (1993). Das Problem der Definition des Begriffes Minderheit, in: Gabriel, Ingeborg (Hrsg.)
(1993). Minderheiten und die nationale Frage. Die Entwicklung in Mittel- und Südosteuropa im Lichte der
katholischen Soziallehre, Verband der wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs, Wien, S.81f.
53
42
nur hinsichtlich der Gesamtzahl der Bevölkerung eines Staates wichtig für die
Bestimmung dieses Kriteriums.56
Eine höchst umstrittene Frage in Bezug auf die numerische Unterlegenheit ist die
Diskussion um die Möglichkeit eines partiellen Minderheitenstatus. Dabei wird
diskutiert, ob die Möglichkeit besteht, dass ein Teil einer Mehrheit in bestimmten
Gebieten als Minderheit gesehen werden kann. In der Forschung besteht vielfach die
Auffassung, dass die Zielvorstellungen des Minderheitenschutzes, wie z.B. die
Erhaltung der Minderheitenidentität in Fällen von regionalen Minderheiten nicht
wirklich wichtig, und diese somit nicht als Minderheiten einzustufen sind.57
Als
Gegenargument
dazu
wird
angeführt,
dass
es
immer
wieder
zu
Assimilationsdruck von regionalen Mehrheiten gegenüber Minderheiten kommt. Dies
trifft speziell dann zu, wenn die Mehrheiten auch eine starke Regierungsposition
haben. Um solche regionalen Minderheiten durch Minderheitenschutz im engeren
respektive nationalen Rahmen schützen zu können, erscheint die Aufnahme solcher
Minderheiten in den „Minderheitenbegriff“ logisch. Allerdings besteht nach wie vor
keine einheitliche Meinung zu diesem Thema.58
Ein weiteres Problem in diesem Zusammenhang ist die Frage, ob eine Minderheit
eine gewisse Mindestzahl haben sollte oder nicht. Dabei steht vor allem die
Überlegung im Vordergrund, ob bestimmten Gruppen ein Minderheitenschutz erst zu
Gute kommen sollte, wenn sie ausreichend repräsentiert wäre. Um dies feststellen
zu können, müsste eine bestimmte Untergrenze an Personen festgelegt werden.
Eine Möglichkeit wäre die Einführung eines prozentualen Anteils an der
Gesamtbevölkerung. Als Gegenargument hiezu wird angeführt, dass es doch primär
um den Schutz der Minderheit an sich geht und es deshalb keine Beschränkung auf
einen Personenkreis geben darf, der eine bestimmte Zahl an Personen umfasst. Man
müsste die Gruppe – unabhängig, wie viele Personen sie umfasst – an sich auf ihre
Schutzbedürftigkeit untersuchen. Dieses müsste allerdings nach anderen Kriterien
geschehen und nicht nach der zahlenmäßigen Unterlegenheit. Somit ist die
Entscheidung von Fall zu Fall zu treffen.59
Der Begriff Minderheit kann auch auf mehrere Minderheiten, die in einem Staat
nebeneinander leben, angewandt werden. Dadurch ist nicht die klassische Situation
56
Vgl. Krugmann, S.63.
Vgl. Niewerth, Johannes (1996). Der kollektive und der positive Schutz von Minderheiten und ihre
Durchsetzung im Völkerrecht, Duncker & Humblot GmbH, Berlin, S.32f.
58
Vgl. Niewerth, S.33.
59
Vgl. Krugmann, S.64f.
57
43
entscheidend,
in
der
eine
große
Mehrheit
einer
einzigen
Minderheit
gegenübersteht.60
Schließlich ist die generelle Frage zu stellen, in wie weit dieses Kriterium Gültigkeit
hat? Wenn man Beispiele heranzieht, wie etwa die schwarze Mehrheit in diversen
afrikanischen Staaten, ist eine Minderzahl kein bedeutendes Kriterium für einen
Minderheitenstatus.61
Kritik des Autors
Wie auch schon in der Erklärung angeführt gibt es zu viele Beispiele für Länder oder
Konstellationen in Staaten in denen der größere Bevölkerungsteil nicht die
Machtposition innehat. Aus diesem Grund wird deutlich, dass die geringere Zahl ein
nicht entscheidendes Merkmal zur Bestimmung einer Minderheit ist. Zudem gibt es
eine Unmenge an Minderheiten, die als solche anerkannt sind, aber eine größere
Zahl haben als andere Gruppen desselben Landes. Würde es nun nach diesem
Kriterium gehen, so würde diese Minderheit den anderen Gruppen gegenüber eine
Mehrheit darstellen.
So ist dem grundsätzlich zuzustimmen, dass eine geringere Zahl an Mitgliedern eine
Minderheit darstellt, diese aber lediglich im mathematischen Sinn und nicht
zwangsläufig als Minderheit, wie sie in dieser Studie definiert wird.62
2.) Keine herrschende Stellung
In Zusammenhang mit diesem Kriterium ist Auffassung bzw. Verwendung des
Begriffs Herrschaft in mehrerer Hinsicht problematisch. Ein wichtiger Faktor ist die
Legitimation der Herrschaft innerhalb eines Staates. In Demokratien – so wird in der
Theorie vorausgesetzt – gibt es dieses Problem nicht, da die Angehörigen des
Volkes
zugleich
Herrscher
und
Beherrschte
sind.
In
nicht-demokratischen
Gesellschaften ist die Legitimation nicht von beiden Seiten gewährleistet, wodurch
die Staatsform nicht zur Definition des Minderheitenbegriffs herangezogen werden
kann.63
60
Vgl. Niewerth, S.34.
Vgl. Krugmann, S:65.
62
Vgl. Minderheitendefinition im Schlussteil. (Anm. d. Autors)
63
Vgl. Krugmann, S,66.
61
44
Wenn man davon ausgeht, dass in einer Demokratie das Verhältnis zwischen dem
herrschenden Teil und dem beherrschten Teil idealtypisch gelöst ist, fallen unter den
hier zu erklärenden Minderheitenbegriff nur Personen, die keine Staatsangehörigen
sind. Da Staatsangehörigkeit jedoch auch ein Kriterium der Minderheitendefinition
von Capotorti ist, kann der Begriff nicht in diesem Sinne verstanden, respektive
verwendet werden.64
Wenn ein Staat in Form einer Demokratie regiert und das Modell der Repräsentation
verwirklicht wird, ist eine Definition von Minderheiten zusätzlich erschwert, da man
zwischen Personen unterscheiden muss, die am Herrschaftsprozess beteiligt und
solchen, die nicht beteiligt sind. Die zweite Gruppe fällt klar unter die Gruppen, die
eine nicht herrschende Stellung einnehmen. Schwierig wird es, wenn die Personen
am Herrschaftsprozess in irgendeiner Form, wie z.B. durch ein Parlamentsmandat
oder eine Koalitionsbeteilung als schwächere Partei, beteiligt sind. Es wäre gegen
den Sinn der Minderheitendefinition, diese Gruppen vor die Wahl zu stellen, an der
Regierung beteiligt zu sein oder den Status einer Minderheit inne zu haben. Um dies
zu umgehen, könnte man den Status einer möglichen Minderheit dahingehend
formulieren, dass diese keine einflussreiche Stellung haben sollte bzw. darf. Da die
Befugnisse schwer zu trennen sind und dies für jeden Einzelfall wieder speziell zu
untersuchen wäre, kann man festhalten, dass die eine Gruppe von Menschen, die
eine nicht herrschende Stellung innehat, nur eine Minderheit sein kann, wenn keine
Befugnisse respektive Möglichkeiten vorhanden sind, um alleine Entscheidungen zu
treffen. Die Situation zwischen den beiden Gruppen in nicht-demokratischen
Systemen ist meist klarer definiert, weil die Positionen sehr stark polarisieren.65
Allerdings ist das Kriterium der nicht herrschenden Stellung nicht nur auf die
politische Macht zu reduzieren. Vielmehr ist dieses Merkmal auch auf die
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Stellung einer Gruppe innerhalb des Staates hin
zu untersuchen.66 Die Gruppe der Weißen in Südafrika stellt zwar zahlenmäßig eine
Minderheit dar, konnten aber nicht als solche im völkerrechtlichen Sinn anerkannt
werden. Erst durch die geänderte Gesellschaftsstruktur und die damit verbundene
Schwächung der Position der Weißen, könnte diese Gruppe rein völkerrechtlich auch
als Minderheit angesehen werden.67 Dem Ziel des Minderheitenschutzes würde als
64
Vgl. Krugmann, S.66f.
Vgl. Krugmann, S.66f.
66
Vgl. Ermacora, S.43 u. Niewerth, S.34f.
67
Vgl. Niewerth, S.34f.
65
45
allerdings weiterhin widersprechen, die Weißen in Südafrika als zu schützende
Minderheit anzuerkennen.68
Schließlich ist allerdings die Schutzbedürftigkeit einer Minderheit, die in Demokratien
an der Machtausübung beteiligt ist, zu hinterfragen. Die Frage ist, ob es einen
besseren Schutz als die Möglichkeit, an der Machtausübung unmittelbar teilnehmen
zu können, gäbe. Hier ist die Problematik, dass der Terminus „Schutzbedürftigkeit“ in
der Definition Capotortis nicht enthalten ist. Aus diesem Grund sind die Meinungen in
der Wissenschaft geteilt, ob der Begriff weiter zu differenzieren sei69 oder nicht.70
Kritik des Autors
Auch in diesem Fall ist die Kritik bereits in der Erklärung enthalten. Die Bezeichnung
„keine herrschende Stelle“ ist sehr leicht irreführend, da in demokratischen Systemen
die Herrschaft bzw. Macht, die Politik zu bestimmen, in der Regel auf mehrere
Parteien bzw. das Parlament verteilt ist. Somit besteht durchaus die Möglichkeit für
Minderheitengruppen, die Politik auf gewisse Art und Weise mitzugestalten. Sollte
dies allerdings nicht der Fall sein, so besteht eine Diskriminierung. Im Verständnis
sowie der Minderheitendefinition in dieser Studie ist dies eine Notwendigkeit für das
Zugeständnis des Status als Minderheit. Somit erscheint es dem Autor logischer und
allgemeiner, dieses Kriterium mit „Zugang zum politischen System“ zu bezeichnen. In
Diktaturen stellt sich die Situation wieder anders dar. In solchen Systemen kann, da
oftmals kein Teil der Bevölkerung realen Zugang zum politischen System hat, dieses
Kriterium nicht als Charakteristikum für eine Minderheit gelten.
3.) Religiöse, sprachliche oder ethnische Eigenschaften
a.) Religiöse Minderheiten
Als eine religiöse Minderheit wird eine Gruppe bezeichnet, die sich eindeutig zu einer
Religion bekennt und diese auch ausübt. Um dies tun zu können, ist die
Religionsfreiheit notwendig, die zwei Elemente hat. Einerseits das Recht eine
Religion
anzunehmen,
und
andererseits
die
Freiheit,
eine
Religion
auf
68
Vgl. Ermacora, S.43f.
Vgl. Krugmann, S.67f.
70
Vgl. Ermacora, S.43f u. Niewerth, S.34f.
69
46
verschiedenste Arten auszuüben. Beide Elemente sind völkerrechtlich durch den
Artikel 18 des IPBPR geschützt.71
Um eine Minderheit nach religiösen Maßstäben zu sein, muss diese Gruppe einer
Religion angehören, die sich von der der Mehrheit unterscheidet. Dies trifft auch auf
atheistische Gesellschaften zu. Die Wahl der Religion, die nach Artikel 18 IPBPR
jedem/r frei steht, ist ein subjektives Kriterium, das als Bestimmungsmerkmal einer
Minderheit ausreicht. Durch diese Wahlmöglichkeit eröffnet sich auch für einzelne
Personen die Chance, zu einer anderen Religion zu wechseln und dadurch eventuell
auch Mitglieder einer Minderheit zu werden. Ohne objektives Merkmal ist allerdings
die Bestimmung einer Minderheitengruppe nicht möglich bzw. unzureichend. Eine
objektive Betrachtung sollte vorwiegend an die Tradition anknüpfen. Dieser Ansatz
hat zur Folge, dass sich nur die lang bewährten, traditionellen Religionen als
Kriterium für eine Minderheitenbestimmung eignen. Somit würden neuere Religionen
keine wichtige Rolle für den Minderheitenschutz spielen bzw. nicht davon erfasst
werden. Unabhängig davon ist der Wechsel von einzelnen Menschen zwischen den
Religionen wesentlich und teilweise notwendig, um für diese das Überleben zu
sichern.72
b.) Sprachliche Minderheiten
Grundsätzlich sind die Merkmale bezüglich Bestimmung hinsichtlich der sprachlichen
Eigenschaften ähnlich wie die der religiösen Eigenheiten. Der einzige Unterschied
ist, dass die sprachlichen Merkmale ausschließlich objektiver Natur sind. Die
sprachliche Selbstständigkeit einer Gruppe ergibt sich, wenn diese schriftlich
und/oder mündlich, öffentlich oder privat eine Sprache verwendet, die weder
Nationalsprache oder Dialekt ist und von der Mehrheitssprache abweicht. Dadurch,
dass in dieser Definition auch die rein mündliche Sprache erfasst wird, ist der Kreis
der Sprachminderheiten sehr weit zu ziehen. Erst bei den Dialekten kommt es zu
einer Grenzziehung, denn diese sind nicht mehr als eigene Sprachen anerkannt.73
71
Vgl. Thornberry, S.191, Anmerkung 1.
Vgl. Krugmann, S.71ff.
73
Vgl. Krugmann, S.71ff.
72
47
c.) Ethnische Minderheiten74
Die Definition als ethnische Minderheit ist im Vergleich zu Sprache und Religion sehr
schwierig. Dabei ist vor allem der Begriff Ethnizität75 mit Vorsicht zu genießen, denn
dabei wird sehr oft vergessen, dass dieser neben genetischen auch kulturelle und
historische Elemente enthält. Dabei ist auch sehr wichtig, dieses Kriterium von dem
Begriff Rasse, der bis 1950 von der Unterkommission benutzt wurde, klar
abzugrenzen, da dieser nur genetische Elemente enthält.76 So kann eine Minderheit
auch existieren, wenn es keine biologischen Gemeinsamkeiten gibt. Allerdings ist es,
wenn es genetische Eigenschaften einer Gruppe gibt, immer eine ethnische
Minderheit.77
Das ethnische Kriterium ist im Vergleich zu den bisher erläuterten Charakteristika die
eher exklusiven Effekt haben sollten, ein konstituierendes Element für Minderheiten.
Allerdings ist Ethnizität ein Begriff, der viele Facetten und Unterbegriffe in sich
vereint.
Da
dieses
Kriterium
nun
eine
Basis
schaffen
soll,
um
den
Minderheitenschutz relativ generell gestalten zu können, wäre eine genauere
Definition des Begriffs von Vorteil.78
Die sprachlichen und religiösen Eigenheiten sind regelmäßig Charakteristika von
ethnischen Minderheiten. Allerdings sind beide bzw. jedes für sich keine
notwendigen Kriterien für eine Klassifizierung einer ethnischen Minderheit als solche.
Dementsprechend ist jedoch auch die gemeinsame Ethnizität, wie die beiden
anderen, keine zwingende Eigenschaft einer Minderheit.79
Eine
weitere
Eigenschaft
einer
ethnischen
Minderheit
ist
ein
Gemeinschaftsbewusstsein, das jedoch schwer zu bestimmen bzw. zu messen ist.
Dennoch wird es in der Wissenschaft und den Vereinten Nationen als wichtiges
Element einer ethnischen Minderheit angeführt.80
Kritik des Autors
Diese Einteilung ist schwierig, da durch die kulturellen Merkmale oftmals nur eine
faktische Minderheit entsteht. Damit ist die Größe der Minderheit gemeint. Wenn
74
Ethnische Minderheiten werden an anderer Stelle ausführlicher behandelt. (Anm. d. Autors).
Für ausführlichere Informationen siehe Kapitel Ethnizität. (Anm. d. Autors)
76
Vgl. Thornberry, S.159f.
77
Vgl. Niewerth, S.68f.
78
Vgl. Krugmann, S.69.
79
Vgl. Niewerth, S.37f.
80
Vgl. Ermacora, S.46; Krugmann, S.73;
75
48
etwa nur ein Teil der Bevölkerung einer bestimmten Konfession angehört, die sich
von der restlichen Bevölkerung unterscheidet, ist diese zwar praktisch eine
Minderheit, aber nur durch die geringere Anzahl der Personen. Zu einer Minderheit
wie hier definiert, wird diese Gruppe erst durch eine Diskriminierung und
Ausgrenzung, die aufgrund der Religion entsteht. Selbiges gilt für die Sprache sowie
die ethnische Herkunft. Allerdings ist Ethnizität aufgrund des vielseitig auslegbaren
Verständnisses etwas schwieriger einzugrenzen.
4.) Solidaritätsgefühl
Ein schwieriges Kriterium ist die Feststellung des Solidaritätsgefühls der einzelnen
Mitglieder zur Minderheit. Dieses Kriterium ist ausschließlich subjektiv. Diese
Eigenschaft wurde von Capotorti in seine Definition aufgenommen, weil er
befürchtete, dass Gruppen, die sich von der Mehrheit eindeutig durch die erwähnten
Merkmale unterscheiden, ihren Minderheitenstatus auf lange Sicht nicht beibehalten
können, weil der Wille und die Solidarität innerhalb der Gemeinschaft fehlen könnten,
die gemeinsame Tradition und Kultur weiterzugeben.81
Ein nur nach innen ausgelebtes Solidaritätsgefühl kann zur Konstituierung einer
Minderheit nicht ausreichen, deshalb muss der Zusammenhalt auch nach außen
gezeigt werden. Das hat den Hintergrund, dass eine Minderheit auch als solche nach
außen erkennbar sein muss, da man der Gruppe sonst keine Schutzbedürftigkeit
zusprechen kann. Diese Tatsache ist dahin gehend auch gefährlich, da ein solches
Zeigen von Solidarität und der Zugehörigkeit zu einer Gruppe in manchen Fällen den
Grund für eine Diskriminierung darstellen können.82
Solidaritätsgefühl ist deshalb ein subjektives Kriterium, weil es beeinflussbar und
veränderbar ist. Auch in Zusammenhang mit Religion ist bereits in gewisser Art und
Weise ein bestimmter Grad an Solidarität von Nöten, um sich mit der Religion sowie
deren Gläubigen identifizieren zu können. Diese Tatsache wird allerdings in diesem
Zusammenhang oft übersehen oder als selbstverständlich angesehen. Ähnliches ist
auch hinsichtlich der sprachlichen Minderheiten zu beobachten.83
Die Meinungen in der Wissenschaft über die Gültigkeit des Solidaritätsgefühls als
Bestimmungsmerkmal sind geteilt. Viele hinterfragen die Notwendigkeit dieses
Kriteriums. Das Problem ist, dass selbst wenn das Solidaritätsgefühl einer/s
81
Vgl. Niewerth, S.38.
Vgl. Krugmann, S.78f.
83
Vgl. Niewerth, S.38ff.
82
49
einzelnen Angehörigen einer Minderheit nicht mehr vorhanden ist, die genetischen
Eigenschaften – sofern diese vorhanden sind – weiter bestehen. Die Betroffenen
können somit auf ihre Rechte als Minderheitsangehörige verzichten, obwohl sie
faktisch noch dazu gehören.84
Kritik des Autors
Solidaritätsgefühl als Kriterium zu verwenden ist durch den ausschließlich
subjektiven Charakter nicht wissenschaftlich. Das Solidaritätsgefühl ist nicht messbar
und kann nur eingeschätzt werden. Aus diesem Grund kann es nicht als Merkmal
einer Minderheit herangezogen werden und muss separat, als ergänzende
Information behandelt werden. Eine weitere Frage, die sich bei dem Begriff
Solidarität stellt ist, wie sie sich äußert bzw. zu bestimmen ist; ob das durch verbale
Äußerungen geschieht oder durch Aktionen bestätigt werden muss. Außerdem ist
nicht klar, ob das Solidaritätsgefühl einer einzelnen Person zu werten ist, das von
mehreren Personen oder das der gesamten Gruppe. Ein weiterer strittiger Punkt ist
die Möglichkeit, sich zu mehreren Gemeinschaften zugehörig zu fühlen, wodurch
sich die Frage stellt, welche dieser Identitäten die wichtigste. Auch, ob diese
miteinander kollidieren bzw. sich gegenseitig blockieren.
Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass ein Volk mit einem gemeinsamen Namen
bezeichnet wird, sich allerdings in unterschiedliche Gruppierungen bzw. Stämme
unterteilt. Diese einzelnen Stämme können durchaus untereinander verfeindet sein,
jahrzehntelange Fehden austragen oder in weit voneinander entfernten Regionen
leben und dennoch als eine gemeinsame Minderheit gelten. Als Beispiele hierfür sind
die Yanumami85 und die Pygmäen, die Gegenstand dieser Arbeit sind, anzuführen.
Diese Unklarheiten bezüglich des Begriffes machen es unmöglich, ein Gefühl als
normatives Kriterium einer Definition zu verwenden. Man kann es, wenn es gelingt,
es mess- und bestimmbar zu machen, als ergänzendes Charakteristikum einer
bestimmten Minderheit verwenden, nicht aber zu deren Definition.
84
Vgl. Krugmann, S.79ff. u. Niewerth, S.38f.
Die Yanumami sind ein Urwaldvolk, das im Amazonas lebt und in der ersten Hälfte des 20.Jahrhundert
entdeckt wurde. (Anm. d. Autors)
85
50
5.) Staatsbürgerschaft
Dieses Kriterium ist vermutlich der brisanteste Punkt der Charakteristika der
Minderheitendefinition, da es einige Konsequenzen mit sich bringt. Der Internationale
Pakt über Politische und Bürgerliche Rechte (IPBPR) ist grundsätzlich für alle gültig,
wie es in Art. 2 festgehalten ist. Er beinhaltet jedoch einige Artikel, die sich nur auf
einzelne Gruppen beziehen. Die Auslegung von Art. 27, der ja für den
Minderheitenschutz wichtig ist, ist nicht wirklich klar definiert und lässt viel Spielraum
für Interpretation.86
Einerseits wird die Ansicht vertreten, dass Ausländer – Personen, die nicht in Besitz
der
Staatsbürgerschaft
sind
–
keine
Rolle
bzw.
keinen
Anspruch
auf
völkerrechtlichen Minderheitenschutz innerhalb eines Staates haben, da sie einer
lediglich faktischen oder soziologischen Minderheit angehören. Ausländer müssten
somit unter dem Fremdenrecht bzw. dem Ausländerrechts des jeweiligen Staates
behandelt werden. Staatenlose fallen weder unter die eine noch die andere
Rechtssprechung87.
Das Interesse der Staaten kann somit darin liegen, das Konfliktpotential, das in
Zusammenhang mit Minderheiten entsteht, so gering wie möglich zu halten und
deshalb den Minderheitenbegriff auszuweiten. Andererseits liegt das Interesse der
Staaten sicherlich auch darin, die Minderheiten ihres Staates, die nicht auf dem
Souveränitätsgebiet beheimatet sind, in jeglicher Form zu schützen und zu
unterstützen.88
Ein weiteres Dilemma bezüglich dieses Kriteriums ist die Tatsache, dass die
Anerkennung
der
Staatbürgerschaft
durch
ein
mit
Mehrheitsbeschluss
verabschiedetes Gesetz erfolgt. Somit sind die Angehörigen einer (potentiellen)
Minderheit schon von der Mehrheit abhängig, um ein wichtiges Kriterium für den
Minderheitenstatus überhaupt erfüllen zu können. Das Problem ist nun, wenn man
sich entscheiden sollte, diese Voraussetzung in der Definition wegzulassen, dann
würde man die Staaten der Migration der Minderheiten wehrlos aussetzen. Wenn alle
sonstigen
Voraussetzungen
erfüllt
sind
und
diese
Gruppen
sofort
den
Minderheitenstatus erhalten würden, wären die Staaten gezwungen, jegliche Art von
Minderheit zu schützen. Schwierig wird die Situation hinsichtlich der Ausländer. Hier
86
Vgl. Krugmann, S.73.
Vgl. Krugmann, S.74.
88
Vgl. Krugmann, S.75.
87
51
herrscht die Meinung vor, dass das Kriterium der Staatsbürgerschaft teilweise
ersetzbar sein sollte.89
Ein Vorschlag eines möglichen Ersatzes ist eine Idee, die bereits im Völkerbund
Anwendung fand. Damals gab es die Regelung, dass man über einen bestimmten
Zeitraum in einem Gebiet ansässig sein muss. Dies ist eine spezielle Art von
Ausländerregelung. Diese sieht für den Wechsel des Aufenthaltsortes einer Person,
der durch diverse Umstände wie z.B. Staatszerfall hervorgerufen wurde, ohne die
Staatsbürgerschaft anzunehmen, spezielle Rechte dieser Person vor. Schwierig
dabei ist die Definition des Zeitraums, in dem sich die Betroffenen in der für sie
neuen Heimat aufhalten müssen. In dem völkerrechtlichen Schrifttum wird die Dauer
mit „mehreren Jahrzehnten“90 definiert. Jegliche Dauer muss sich dem Vorwurf der
Willkür stellen, da es keine allgemeine Definition für den Zeitraum gibt. Es gibt viele
unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema, wobei eine Gruppe, die seit drei
Generationen in diesem Land lebt, allgemein Anerkennung findet.91
Kritik des Autors
Hinsichtlich der Staatsbürgerschaft ist eine Argumentation sehr schwierig, da es auf
das jeweilige Staatssystem ankommt. Wenn ein Staat in sich zerrüttet und von
Bürgerkrieg gezeichnet ist bzw. sich in einem solchen befindet, dann ist das Thema
Staatsbürgerschaft
ein
nicht
akzeptables
Kriterium.
Einerseits
besteht
die
Möglichkeit, dass es kein demokratisches System ist, und die Staatsbürgerschaft
willkürlich oder nur eingeschränkt vergeben wird. Andererseits kann die Regierung
zerrüttet und nicht allgemein anerkannt sein und im Post-Kriegszustand keine
umfassende Staatsgewalt ausüben, wodurch die Vergabe der Staatsbürgerschaft
ebenfalls ein schwieriges Verfahren darstellt. Grundsätzlich ist Staatsbürgerschaft
aber ein wichtiger Punkt, den es zu untersuchen gilt, wenn eine Minderheit bestimmt
werden muss.
89
Vgl. Krugmann, S.76f.
Zitat in: Studnitz, v. E.-J. (1993). Politische Vertretungen von Minderheiten- und Volksgruppenrechten auf
verschiedenen staatlichen und zwischenstaatlichen Ebenen, in: Blumenwitz (1993), S.18.
91
Vgl. Krugmann, s.77ff.
90
52
2.2.5..Exkurs
2.2.5.1.Ethnizität
Ethnizität als solche gewann speziell in Europa erst in der Renaissance eine große
Bedeutung. Durch die Revolutionen, der Bildung der Nationalstaaten und dem damit
verbundenen Prozess der Vereinheitlichung wird die Rolle der ethnischen Gruppen
immer wichtiger. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass sich durch die
entstandenen Nationen gleichzeitig auch dementsprechende Mehrheiten gebildet
haben, wodurch die ethnischen Gruppen zu Minderheiten wurden. Allerdings gibt es
für Ethnizität es unterschiedliche Konzepte, Ansichtsweisen und Verwendungen in
der sozialwissenschaftlichen Forschung.
Friedrich Heckmann, ein deutscher Politikwissenschafter und Soziologe, untersucht
das soziologische Konzept Ethnizität, indem er den genetischen Faktor bzw. die
biologische Komponente völlig außer Acht lässt. Er unterscheidet dabei einzelne
Kategorien, die sich in dem Begriff bzw. Konzept Ethnizität verbinden.
Heckmann erklärt, dass der Begriff Ethnizität als solcher erst seit der Studie
„Ethnicity. Theory and Experience“ von Glazer und Moynihan, eine wichtige Rolle in
der Minderheitenforschung spielt. Der Autor listet dabei eine Reihe von
Einzelaspekten verschiedener Wissenschafter auf und versucht schließlich anhand
der Konzepte von Esser und Nassehi ein allgemeines Konzept von Ethnizität zu
entwerfen.92
Die Arbeit Essers ist auf die traditionellen Theorien von Weber, Marx, Parsons und
Luhmann aufgebaut, deren Thesen zum Thema ethnische Differenzierung und
moderne Gesellschaft er untersucht und kritisch unter die Lupe genommen hat. Allen
erwähnten Theorien ist gemein, dass sie von einem Verschwinden der ethnischen
Differenzierung
in
der
modernen
Gesellschaft
ausgehen,
wogegen
Esser
argumentiert, dass gerade die Moderne eine solche Differenzierung fördert.
Allgemein sieht Esser schließlich in der zunehmenden Bedeutung von Ethnizität eine
Modernisierungslücke, die, wenn sie geschlossen würde, als Grundlage für ethnische
Differenzierung entfiele.93
Nassehi hingegen kritisiert Esser, dass dieser den von ihm kritisierten Theoretikern
doch Recht gibt, indem er die ethnischen und nationalen Semantiken aus dem
92
Vgl. Heckmann, Friedrich (1992). Ethnische Minderheiten, Volk und Nation. Soziologie inter-ethnischer
Beziehungen, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart, S.56.
93
Vgl. Heckmann, S.33f.
53
Diskurs der Moderne ausblendet. Nassehi selbst geht davon aus, dass nicht mehr
Religion, Sprache und eigene Geschichtsschreibung die Kategorien sind, die eine
Identität definieren, sondern durch neue ethnische Semantiken ersetzt wurde.94
Grundsätzlich wird in der Forschung über Ethnizität in zwei unterschiedliche Arten
von Theorien unterschieden, primordiale und situationale. Die beiden Forscher, die
sehr eng mit den jeweiligen Theorien in Verbindung gebracht werden, sind Geertz
(Primordiale) und Barth (Situationale).
In Geertz Theorie wird angenommen, dass Ethnizität und ethnische Gruppenbildung
zu den Grundbedingungen der menschlichen Existenz gehören. Zu solchen
Gegebenheiten gehören des Weiteren Nachbarschaft und Lebensverbindung. Neben
diesen sind auch Gegebenheiten inkludiert, „die davon herrühren, daß man in eine bestimmte
religiöse Gemeinschaft geboren wurde, dass man eine bestimmte Sprache oder sogar einen
bestimmten Dialekt spricht und bestimmten sozialen Praktiken folgt.“
Geertz erklärt in seiner Theorie weiter:
„Diese Übereinstimmungen des Blutes, der Sprache, der Sitten usw. haben in sich und
treiben aus sich heraus ungeheure und zeitweilig überwältigende Konsequenzen. Man
ist an seinen Verwandten, seinen Nachbarn, seinen Glaubensbruder ipso facto
gebunden, nicht nur aufgrund persönlicher Anziehung, taktischer Notwendigkeit,
gemeinsamen Interesses oder auferlegter moralischer Verpflichtungen, sondern letztlich
zu einem erheblichen Teil durch die Kraft einer unbeschreiblichen absoluten Bedeutung,
die den besonderen Bindungen selbst zugeschrieben wird.“95
Daraus wird deutlich, dass die Menschen nicht als Individuen geboren werden
respektive ihr Leben verbringen, sondern in diversen Bereich an andere Individuen
gebunden sind. Entweder werden diese Bindungen durch diverse Interessen
gestärkt, oder sie sind latent und kommen erst bei bestimmten Gelegenheiten zum
Vorschein und werden für die Durchsetzung von Interessen benutzt.96
Die situationale Theorie hingegen betrachtet den anderen Aspekt und sieht in
Ethnizität nicht notwendigerweise den Grund für die Bildung von ethnischen
Gruppen.
Vielmehr
stellt
diese
eine
Möglichkeit
dar,
sich
in
Gruppen
zusammenzuschließen, wenn eine solche Zusammenarbeit für die Durchsetzung von
94
Vgl. Heckmann, S.34f.
Zitat Geertz, Clifford, in: Rex, John (1990). „Rasse“ und „Ethnizität“ als sozialwissenschaftliche Konzepte, in:
Dittrich, Eckhardt, J., Radke, Frank-Olaf (Hrsg.) (1990). Ethnizität. Wissenschaft und Minderheiten,
Westdeutscher Verlag, Opladen, S.146.
96
Vgl. Rex, S.146f.
95
54
Interessen dient. Somit kann Ethnizität entweder bei Interessensdurchsetzung zum
Vorschein kommen, oder latent bleiben, wenn es der Zusammenarbeit eher dienlich
ist.97 Die Konzentration der Forschungen der Vertreter dieser Theorie liegt auf den
oberflächlichen Merkmalen von verschiedenen Gruppenkoordinationen. Dabei ist
speziell
die
Situation,
in
denen
sich
Gruppen
aufgrund
ihrer
Ethnizität
zusammenschließen und sich gegen andere Gruppen organisieren, wichtig für die
Untersuchung, da dies regelmäßig in Situationen von rassischen oder ethnischen
Konflikten geschieht. Um die Situationen richtig untersuchen zu können, muss man
zuerst die Charakteristika anführen, die durch diverse andere Studien in Bezug auf
rassische und ethnische Konflikte und ebensolche Gruppen festgestellt wurden. So
kann erstens festgehalten werden, dass es gewisse primordiale Prämissen gibt, die
in einerseits biologische Faktoren und andererseits in territoriale und kulturelle
Beziehungen unterteilt werden können. Diese Prämissen gibt es immer, und sie
können somit auch latente Grundlage des Zusammenschlusses einer ethnischen
Gruppe sein. Daraus ergibt sich auch das zweite Charakteristikum, das darin liegt,
dass diese latenten Prämissen jederzeit aktiviert werden können, wenn es darum
geht, einzelne Menschen zu Gruppen zusammenzuschließen. Trotzdem diese
Zusammenschlüsse oft nur zur Durchsetzung bestimmter Interessen entstehen, so
kann es Situationen geben, in denen die oben erwähnten latenten Eigenschaften
evident bleiben und dadurch ethnische Gruppen respektive Gruppierungen
hervorbringen. Schließlich können viertens auch noch Situationen entstehen, die den
entstandenen Konflikt so schwerwiegend werden lassen, dass die Dominanz einer
Gruppe gegenüber der anderen so groß wird, sodass ständige ethnische Konflikte
entstehen.98
Durch die oben angeführten Beispiele wird deutlich, dass die beiden Theorien
komplementär verwendet werden bzw. je nach Fallbeispiel angewandt werden
können und werden. Heckmann definiert Ethnizität wie folgt:
„Ethnizität bezeichnet die für individuelles und kollektives Handeln bedeutsame
Tatsache, daß eine relativ große Gruppe von Menschen durch den Glauben an eine
gemeinsame Herkunft, durch Gemeinsamkeiten von Kultur, Geschichte und aktuellen
Erfahrungen verbunden sind und ein bestimmtes Identitäts- und Solidaritätsbewusstsein
besitzen.“99
97
Vgl. Heckmann, S.33.
Vgl. Rex, S.147f.
99
Zitat in: Heckmann, S.56.
98
55
Diese Definition entspricht auch der hier verwendeten Annahme des Begriffs, wobei
festgehalten werden muss, dass der Autor die biologischen Faktoren, die zweifelsfrei
ein Teil von Ethnizität sind, unter der Formulierung „…gemeinsame Herkunft…“
versteht.
2.2.6.Minderheitenbegriff von Felix Ermacora
Felix Ermacora, der sich sehr intensiv mit dem Thema Minderheitenschutz
auseinandersetzt, erachtet es für notwendig, die allgemeine Definition von Capotorti
zu erweitern, um die verschiedenen Minderheiten, die in den Vereinten Nationen
behandelt werden sollen, mit einzubeziehen. Dabei sieht er zwei Aspekte, die für
eine möglichst umfassende Definition wichtig sind – einen soziologischen und einen
rechtlichen Gesichtspunkt. Letzterer gliedert sich wieder in drei Teilbereiche, nämlich
die innerstaatliche, die regionale und die völkerrechtliche Rechtslage. Entscheidend
in diesem Fall ist, dass die völkerrechtliche Ebene über der innerstaatlichen steht, da
andernfalls schwer eine allgemein gültige Minderheitenschutzregelung zu erzielen
wäre. Die Definition hinsichtlich der soziologischen Auslegung ist deshalb absolut
notwendig, da nur mit Hilfe einer solchen Begriffsbestimmung die Hauptaufgabe des
Minderheitenschutzes, eine der Schutz diverser Rechte sowie der Kampf gegen
Menschenrechtsverletzungen, möglich ist. Erst durch eine Definition kann eine
Minderheit als solche erkannt und geschützt werden.100
Ermacora ist der Ansicht, dass die Definition von Capotorti die von allen am
weitesten gefasste ist. Trotzdem bedarf es noch Ergänzungen, um sich mit allen
verschiedenen Minderheiten auseinander setzen zu können, die Ermacora auflistet.
Er beginnt damit, die von den Vereinten Nationen in den fünfziger Jahren zu Gunsten
des Begriffs „ethnische Minderheiten“ aufgegebene Einteilung in rassische und
nationale Minderheiten wieder aufzugreifen, da Ermacora sie für unverzichtbar hält.
Als Grund dafür sieht er die Verwendung des Begriffs Rasse, der biologisch zu
verstehen sei und Gruppen oder Individuen bezeichne, die über spezielle genetische
und/oder physische Veranlagungen verfügen. Diese Bestimmung ist seiner Meinung
nach sehr spezifisch für Ureinwohner eines bestimmten Landes und hätte dann
große Bedeutung, wenn ein Gruppen- bzw. Zugehörigkeitsgefühl besteht und es gilt,
die Ureinwohner als „Volk“ oder als „Minderheit“ zu bestimmen, wie sie in
100
Vgl. Röper, S.83.
56
unterschiedlichen Artikeln des IPBPR101 definiert sind. Zu dem Element „Rasse“
kommen noch weitere charakteristische Elemente wie Religion, Sprache und
Ethnizität. Aus diesem Grund schlägt er folgende Ergänzungen zur Definition
Capotortis vor, wobei er sich am Recht der Vereinten Nationen orientiert102:
Religiöse Minderheiten: Solche Minderheiten bekennen sich zu einer Religion, die
sich von der Staatsreligion und dem religiösen Bekenntnis der Mehrheit des Volkes
unterscheidet. Als religiöse Minderheit ist speziell auch eine Personengruppe
anzuerkennen,
die
sich
zu
einer
Religion
bekennt,
während
die
Bevölkerungsmehrheit atheistische Tendenzen verfolgt, eine freie Ausübung von
Religion verboten ist und die Gruppe an deren Ausübung interessiert ist.103
Rassische Minderheiten: Solche Minderheiten haben ihre eigene Geschichte, Kultur
und Sprache. Die Mitglieder dieser Gruppen müssen sich über ihre Zugehörigkeit zur
Gruppe bewusst sein und unterscheiden sich von anderen Teilen der Bevölkerung
speziell durch biologische Faktoren.104
Sprachliche Minderheiten: Als solche Minderheiten werden Gruppen bezeichnet,
deren Mitglieder sich öffentlich und/oder privat in Wort und/oder Schrift einer eigenen
Sprache bedienen, die sich von der allgemein anerkannten und angewandten
Sprache in dem jeweiligen Gebiet unterscheidet und diese nicht als Nationalsprache
angesehen wird. Als vorrangiges Interesse der Gruppe gilt der Schutz dieser
Sprache.105
Ethnische Minderheiten: Dabei handelt es sich um eine Gruppe, die ihre eigene
Sprache, Kultur und Geschichte besitzt und ein Gruppenbewusstsein und -gefühl
aufweist. Wichtig hierbei ist, dass die Mitglieder dieser Gruppen ihre Besonderheiten
schützen bzw. aufrechterhalten wollen.106
101
Volk wird in Artikel 1 des IPBPR definiert und „Minderheiten“ in Artikel 27. (Anm. d. Autors)
Vgl. Röper, S.84 u. Ermacora, S.44f.
103
Vgl.Ermacora, S.45.
104
Vgl. Ermacora, S.45.
105
Vgl. Ermacora, S.46.
106
Vgl. Ermacora, S.46.
102
57
Nationale Minderheiten: Hinsichtlich dieser Gruppe von Minderheiten kritisiert
Ermacora indirekt die Tatsache, dass es keine ausreichende Abgrenzung respektive
Unterscheidung zwischen nationaler, ethnischer und sprachlicher Minderheit im
internationalen Recht gibt. Er definiert eine nationale Minderheit als Gruppe, die über
alle notwendigen Charakteristika einer ethnischen Minderheit verfügt, zudem
allerdings den Willen aufweist, als Gruppe die Rechte wahrzunehmen, die es ihr
ermöglicht, am politischen Prozess auf einer bestimmten Ebene bzw. einem
bestimmten Gebiet teilzunehmen, ohne dadurch den Status als Minderheit zu
verlieren.107
2.2.7. Weitere ausgewählte Definitionen
2.2.6.1. Emerich K. Francis
Für Emerich K. Francis definiert sich eine Minderheit als eine Gesamtheit von
Personen, „die im jeweiligen gesellschaftlichen Ganzen durch charakteristische
Merkmale hervorstechen und in einem typischen Verhältnis zur Mehrheit stehen.“108
Diese sehr weit gefasste Definition war für Francis sinnvoller als eine spezielle und
eng angelegte Bestimmung. Grund dafür war einerseits die Möglichkeit, mehrere
Aspekte und unterschiedliche Auffassungen mit einzubeziehen. Andererseits sah
Francis das Problem darin, dass man bei einer engeren und präziseren
Begriffsbestimmung die einzelnen Merkmale nicht verwenden könnte, da diese
unterschiedlich seien und je nach historischer Betrachtung wechseln könnten.
Grundsätzlich besteht die Definition von Francis aus vier Elementen. Diese sind das
gesellschaftliche Ganze, die charakteristischen Merkmale, das spezifische Verhältnis
zur Mehrheit sowie die Mehrheit selbst. Die Bedeutung der einzelnen Teile ist
differenziert, und die Wichtigkeit verschiebt sich je nach Fallstudie bzw.
Betrachtungsweise.109
Francis sieht im ersten Element, dem gesellschaftlichen Ganzen, entweder die
Staatsnation, die Bevölkerung eines Staates oder eine andere Gesamtgesellschaft.
Eglin sieht die Notwendigkeit der ausdrücklichen Erwähnung von Staatsnation und
Staatsbevölkerung als nicht notwendig, da die Gesamtbevölkerung diese beiden
107
Vgl. Ermacora, S.46.
Zitat Francis, Emerich K., in Francis, Emerich K. (1960). Minderheiten, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.)(1960).
Staatslexikon. Recht – Wirtschaft - Gesellschaft, Bandangabe 5, Freiburg, Sp.715.
109
Vgl. Eglin, S.149.
108
58
Begriffe ohnehin abdecken würde und diese spezifische Ausprägungen seien. Er
kritisiert, dass in diesem Verständnis die kleineren sozialen Ebenen, in denen
Minderheiten existieren können, außer Acht gelassen werden.110
Die charakteristischen Merkmale einer Minderheit beurteilt Francis durch Rasse,
Kultur, Religion und Volkstum bzw. Nationalität. Dabei wird speziell der Bereich
kulturelle Merkmale sehr allgemein gehalten, da z.B. Sprache, Sitte oder äußerliche
Merkmale wie etwa Trachten darunter fallen. Das Problem hinsichtlich dieses
Aspekts ist die Tatsache, dass die Definition der charakteristischen Merkmale sehr
eng gefasst ist, weil sie hauptsächlich auf subjektive Aspekte abzielt. Minderheiten
sind allerdings auch oft durch diverse objektive Charakteristika111 zu bestimmen.
Außerdem finden in dieser Bestimmung von Francis die politischen Minderheiten
keine Erwähnung, da sie nicht unter den Bereich Kultur fallen. Diese stellen
allerdings eine wichtige Gruppe dar.112
Der dritte Teil ist das Verhältnis zur Mehrheit, worunter die strukturelle Unterordnung,
die Herrschaft, die Feindschaft oder die Herabsetzung und die ungleiche Behandlung
fallen. Dabei werden sämtliche Konstellationen zusammengefasst, die auch in der
Definition von Capotorti unter dem Ausdruck „nicht herrschende Stellung“ verwendet
werden.113
Die Mehrheit an sich wird von Francis als zahlenmäßig überlegenes Teilgebilde der
Gesellschaft, als Element der Gesellschaft, das Herrschaft ausübt oder als
Gesamtgesellschaft bezeichnet. Bei dieser Kategorie ist ein Problem der
Bestimmung von Minderheiten gut gelöst, da das qualitative und das quantitative
Merkmal114 in die Charakterisierung miteinbezogen werden, und somit verschiedene
Standpunkte mit diesem Argument erklärt werden können.115
2.2.6.2.Definition von William M. Newman
Die Bestimmung von Newman ist im Vergleich zu der von Francis etwas spezifischer
und weniger abstrakt. Er sieht Minderheiten als Gruppierungen von Personen, „that
vary from the social norms and archetypes in some manner, are subordinate with
110
Vgl. Eglin, S.149.
Solche sind z.B. Esseigenschaften (Vegetarier) oder sexuelle Orientierung. (Anm. d. Autors); vgl. u.a. Eglin,
S.150)
112
Vgl. Eglin, S.149f.
113
Vgl. Eglin, S.150.
114
Unter das qualitative Merkmal fallen Diskriminierung und Behandlung, während die quantitative Bestimmung
nur die reine zahlenmäßige Überlegenheit beinhaltet. (Anm. d. Autors)
115
Vgl. Eglin. S.150.
111
59
regard to the distribution of social power, and rarely constitute more than one-half of
the population of the society in which they are found.”116 Nach dieser Definition muss
in der jeweiligen Gesellschaft ein Normenkonsens vorherrschen, von dem sich die
Minderheiten offensichtlich durch ihre sozialen Normen und Verhaltensweisen
abheben. Dies ist eine sehr objektive Definition, da die Minderheiten nach ihrem
Abweichen durch eben solche Merkmale beurteilt, respektive bestimmt werden.117
Zu diesem Element muss ein deutlicher Machtunterschied zu Gunsten der Mehrheit
bestehen.
Außerdem
sieht
Newman
in
seiner
dritten
Voraussetzung
die
zahlenmäßige Unterlegenheit als essentielles Merkmal einer Minderheit. Durch das
Wort „…rarely…“ wird jedoch auch eine mögliche andere Konstellation bezüglich der
numerischen Situation mit eingeschlossen.118
Diese erwähnten Theorien – speziell die Capotortis und Ermacoras – sind die am
meisten anerkannten Theorien in diesem Bereich. Trotzdem erscheinen sie dem
Autor aufgrund der angeführten Kritikpunkte nicht wirklich adäquat für die hier
durchgeführte Studie. Aus diesem Grund wird am Ende der Analyse aufbauend auf
den Ergebnissen versucht, eine eigene Minderheitendefinition zu formulieren und die
dem Autor notwendig erscheinenden Kriterien zu definieren bzw. zu erklären.
2.3. Persönliche Kategorien zur Bestimmung von Minderheiten
Grundsätzlich ist an den Kriterien Capotortis sowie der Erweiterung Ermacoras als
solche nicht viel auszusetzen, da es durch die Argumentation und die Hintergründe
der Definitionen deutlich wird, wieso diese als Kriterien gewählt wurden. Jedes
einzelne Element ist in sich schlüssig und in der Minderheitenbestimmung ein
wichtiges Kriterium. Allerdings ist der Autor der Meinung, dass die einzelnen
Elemente nicht ausreichen, um eine Bestimmung von Minderheiten durchführen zu
können. Zudem werden einige wichtige Felder des sozialen Systems eines Volkes
nicht miteinbezogen.
Generell ist zu sagen, dass die ersten Merkmale sehr allgemein sind und spezifische
Situationen für einzelne Minderheiten nicht zur Genüge erklären bzw. bestimmen
können. Die Charakteristika sind nicht für Einzelfälle anzuwenden und aus dem
116
Zitat Newman, William M., in: Eglin, S.150.
Vgl. Eglin, S.150f.
118
Vgl. Eglin, S.151.
117
60
Grund nicht ausreichend. Das könnte auch ein möglicher Grund sein, wieso die
erklärten Kriterien nicht allgemein anerkannt sind.
Hinsichtlich der einzelnen Punkte sind die Kritiken bereits angeführt. Ergänzend ist
noch zu erwähnen, dass ein Solidaritätsgefühl der Meinung des Autors nach kein
entscheidendes Charakteristikum einer Minderheit ist.
Die Gültigkeit der Kriterien Capotortis ist nicht anzuzweifeln, allerdings wird hier
durch den Autor versucht, eine eigene Klassifikation von Kriterien durchzuführen.
Dies wird hinsichtlich des weiteren Inhalts der Arbeit als schlüssig und Ziel führend
erachtet. Der Grund dafür ist, dass an späterer Stelle eine Analyse der sozialen
Integration der Pygmäen in das System der Demokratischen Republik Kongo
durchgeführt wird. Zu diesem Zweck werden diverse Ebenen untersucht und, um
eine
schlüssige
Argumentation
durchführen
zu
können,
werden
die
Merkmalsbestimmungen einer Minderheit an diese Ebenen angepasst definiert.
Grundsätzlich stützen sich diese Kriterien nicht so sehr auf allgemeine Elemente zur
Definition
von
Minderheiten
sondern
versuchen,
die
jeweilige
untersuchte
Volksgruppe hinsichtlich Kriterien zu untersuchen, die in einem größeren Kontext zu
sehen sind. So wird die Einteilung aufgrund sozioökonomischer Kriterien
vorgenommen, um die Situation bereits hinsichtlich ihrer Integration bzw. Isolation in
der Gesellschaft des jeweiligen Landes zu untersuchen. Aus diesem Grund sieht die
folgende Einteilung nachstehende Kriterien vor:
a.) Kulturelle Kriterien
b.) Soziale Kriterien
c.) Ökonomische Kriterien
d.) Juridischer Kriterien
Anhand dieser Kriterien ist – wie in der Folge dargestellt wird – eine unfassende
Analyse über den Status eines Volkes bzw. einer Volksgruppe zu treffen, wodurch
schließlich auch eine Einstufung als Minderheit entschieden werden kann.
61
2.3.1. Kulturelle Kriterien
Diese Kriterien decken sich sehr stark mit der Einteilung, die Ermacora getroffen hat.
Allerdings möchte sich der Autor hier nicht darauf beschränken, die Minderheiten
nach ihren kulturellen Charakteristika zu kategorisieren, sondern sieht sie als
Eigenschaften, die zur Definition bzw. Bestimmung des Minderheitenstatus einer
Gruppe dienen. Einige Argumente wurden schon an anderer Stelle ausführlich
erläutert und werden hier teilweise lediglich der Vollständigkeit halber angeführt,
jedoch nicht ausführlicher behandelt. Sollten sich die Argumente mit denen
Ermacoras decken, wird darauf hingewiesen.
2.3.1.1. Sprache
Die Sprache kann in verschiedener Weise zur Einstufung als Minderheit beitragen.
Dabei ist von der Situation auszugehen, dass die Sprache der Gruppe sich nicht mit
der offiziellen Landessprache deckt. Bei gleicher Sprache ist dieses Kriterium nicht
geeignet, um den Status einer Gruppe einzustufen.
Grundsätzlich stellen Sprachbarrieren Hindernisse dar, die Gruppe in den Rest der
Bevölkerung einzugliedern. Allerdings muss man untersuchen, wie groß die
Probleme zwischen den einzelnen Teilen wirklich sind. So etwa, ob die zu
analysierende Gruppe die offizielle Landessprache beherrscht oder nicht. Wenn sie
sie beherrscht liegen die Gründe für die mangelnde Integration nicht im Bereich der
Sprachbarrieren. Dadurch würde das Kriterium Sprache nicht mehr in die
Minderheitendefinition miteinbezogen werden können. Ausnahme ist die freiwillige
Verweigerung der jeweiligen Gruppe, die Sprache zu benutzen, wodurch sie sich
selbst quasi in eine diskriminierende Situation manövriert und somit durchaus als
Minderheit angesehen werden können.
2.3.1.2. Religion
Religion
unabhängig
gesehen
ist
kein
Kriterium,
das
definitiv
zu
einer
Minderheitenbestimmung herangezogen werden kann. Religion kann allerdings
durchaus eine Ursache für Diskriminierung sein, wenn die untersuchte Gruppe keine
Religion hat oder einer anderen als die Mehrheit der Staatsbürger angehört. Dadurch
kann es zu Ausgrenzung und Nicht-Anerkennung kommen. Dies ist allerdings in der
Regel nur dann der Fall, wenn im Staat keine Religionsfreiheit besteht, oder die
62
Religion nicht offiziell anerkannt ist. Sollte dies der Fall sein, dann wird die Gruppe zu
einer religiösen Minderheit, wie sie Ermacora beschreibt. Allerdings ist eine andere
Religion nicht automatisch ein Faktor zur Einstufung einer Minderheit. Vielmehr sind
die Randbedingungen und die Rechtslage des Staates dafür entscheidend, ob die
Gruppe als Minderheit eingestuft werden muss oder die Gruppe nur einer anderen
Konfession angehört.
2.3.1.3. Ethnizität
Der Begriff Ethnizität ist sehr vielseitig zu verstehen und aus diesem Grund wird hier
auch ein eigenes Kapitel zu dessen Erklärung verwendet. Grundsätzlich werden
durch die Ethnizität die gemeinsame Geschichte sowie die Werte der Gruppe bzw.
der jeweiligen Kultur in den Vordergrund gerückt. Sollten diese Werte, wie etwa
Sprache, Religion, Herkunft etc., von denen des Restes der Einwohner des Staates
divergieren, ist die Gruppe schon als „anders“119 zu sehen. Sollte dieses Verständnis
der anderen Kultur der untersuchten Gruppe von der Mehrheit der Bevölkerung zu
einer Ab- bzw. Ausgrenzung führen, dann ist die Gruppe als Minderheit einzustufen.
Ethnizität ist aber auch eine mögliche Basis für ein Zusammengehörigkeitsgefühl
innerhalb der Gruppe, wodurch sich die Gruppe auch selbst abgrenzen kann. Unter
dieser Abgrenzung wird hier der Versuch verstanden, die eigenen kulturellen,
sprachlichen und religiösen Wurzeln bzw. Anschauungen nicht mit jenen des
Großteils der Bevölkerung zu vermischen. Durch dieses Verhalten manövriert sich
die untersuchte Gruppe in manchen Fällen selbst in eine Minderheitenposition.
2.3.2. Soziale Kriterien
Diese Gruppe umfasst die meisten und objektiv betrachtet die wichtigsten Punkte zur
Einstufung einer Gruppe bzw. zur Bestimmung deren Minderheitenstatus. Sie enthält
verschiedene Bereiche, die eine generelle Analyse der Gruppe in sich sowie
innerhalb der gesamten Gesellschaft ermöglichen. Dabei steht vor allem der Zugang
zu wichtigen Einrichtungen bzw. die Möglichkeit, diverse Grundrechte in Anspruch zu
nehmen im Vordergrund. Grundsätzlich ist in allen folgenden Punkten nicht von
119
Unter anders ist hier die Unterscheidung gemeint. Die Verwendung des Begriffs impliziert hier keine wie auch
immer gearteten negativen Konnotationen. Der Autor möchte lediglich auf die Tatsache hinweisen, dass diese
Unterscheidungen vom Rest der Bevölkerung wahrgenommen und oftmals als nicht gleich somit anders gesehen
werden. (Anm. d. Autors)
63
deren Exklusivität zu sprechen. Viele Aspekte hängen auch von der Entwicklung und
Organisation bzw. Interesse des jeweiligen Volkes ab, diese Rechte in Anspruch zu
nehmen.
2.3.2.1. Zugang zum medizinischen System
In der Charta der Menschenrechte der Vereinten Nationen von 1946 wurde auch
festgelegt, dass das Recht auf Gesundheit zu den Grundrechten eines jeden
Menschen zählt. In vielen Ländern gibt es keine allgemeine Krankenversorgung,
allerdings zählt es zu den eigentlichen Pflichten eines Staates eine solche zu
gewährleisten. Grundsätzlich ist es in Ländern, die politisch zerrüttet sind, schwierig,
eine funktionierende medizinische Versorgung zu gewährleisten, da das Budget und
diverse andere Ressourcen oft in anderen Bereichen verwendet werden. Aus diesem
Grund kommt die Krankenversorgung oft zu kurz und ist nicht für alle Teile der
Bevölkerung leicht zugänglich.
Bezüglich
der
Bestimmung
einer
Minderheit
ist
diese
Kategorie
deshalb
entscheidend, weil der Zugang zur Krankenversorgung bzw. des Krankenschutzes
oft nur für Teile der Bevölkerung gilt. Wenn nun eine Gruppe, deren Status innerhalb
eines Staates als unbestimmt gilt bzw. bezüglich des Krankenschutzes diskriminiert
wird, dann ist dies grundsätzlich als Eigenschaft zur Einstufung als Minderheit zu
werten. Grund dafür ist die Benachteiligung gegenüber den anderen Teilen der
Bevölkerung in einem entscheidenden Bereich der Grundrechte des Einzelnen wie
auch der Gemeinschaft.
Entscheidend hierbei ist neben dem allgemeinen Status der Zugänglichkeit auch die
Stellung bzw. Position gegenüber anderen Bevölkerungsteilen oder ethnischen
Gruppen innerhalb des Staates. Sollte diesen gegenüber eine Diskriminierung
bestehen, dann ist die benachteiligte Gruppe als Minderheit einzustufen.
Natürlich ist hier die Gesamtsituation des Staates zu beurteilen, denn – wenn das
Gesundheitssystem eines Staates als Gesamtes nicht funktioniert respektive nicht
existent ist – dann ist die Situation etwas differenzierter zu betrachten. Des Weiteren
muss
man
die
Bereitschaft
seitens
der
Gruppe,
sich
der
angebotenen
Krankenversorgung zu bedienen, ebenso in die Analyse mit einbeziehen. Ist eine
Gruppe nicht sehr modern organisiert oder greift auf traditionelle Medizin zurück,
kann man nicht von einer Diskriminierung sprechen, wenn es sich um eine freiwillig
getroffene Entscheidung handelt.
64
2.3.2.2. Bildung
Mit der Bildung verhält es sich ähnlich wie mit der Krankenversorgung. Bildung ist
essentiell für die Fundamente einer funktionierenden Gesellschaft, von der
Staatsebene bis in eine kleine Gruppe. Bildung ist ebenso wie die medizinische
Versorgung Aufgabe des Staates, denn es müssen diverse Ressourcen wie z.B.
Schulen von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellt werden.
Ist nun aus diversen Gründen einer Gruppe der Zugang zur Bildung verwehrt, dann
ist diese Gruppe diskriminiert und als Minderheit gegenüber dem Rest der
Bevölkerung zu sehen.
Hier gilt Ähnliches wie für die Kategorie Gesundheit. Es muss zumindest die
Möglichkeit bestehen, Bildung in Anspruch nehmen zu können. Die Wahl liegt somit
bei den Mitgliedern respektive der Gruppe, diese Möglichkeiten zu nutzen oder nicht.
In dieser Kategorie gibt es noch eine entscheidende Schwierigkeit, die in vielen
Fällen zur unbeabsichtigten Diskriminierung führen kann, die Sprache. Speziell in
afrikanischen Ländern, gibt es viele verschiedene Stämme und Gruppen, die nicht
die jeweilige offizielle Landessprache sprechen. Dies ist auf mangelnde Bildung
zurückzuführen und kann nur von Seiten des Staates behoben werden, indem das
Erlernen einer gemeinsamen Sprache gefördert wird, ohne die Sprache(n) der
einzelnen Minderheiten zurückzudrängen. Das könnte eine einschüchternde und
bedrohende Wirkung auf die Gruppierungen wirken und deren Offenheit gegenüber
der Mehrheit bzw. dem fremden System beeinträchtigen.
2.3.2.3. Arbeit
Der Zugang zum Arbeitsmarkt als Kategorie ist ein diffiziles Problem. Die Möglichkeit
einer Arbeit nachzugehen hängt von vielen Faktoren ab. Einerseits sind die
Anerkennung und der legale Aufenthalt im jeweiligen Staat essentiell für eine
mögliche Teilnahme am Arbeitsmarkt. Wenn nun eine Gruppierung nicht anerkannt
ist und deren Mitglieder nicht als legale bzw. offiziell anerkannte Personen im Staat
gesehen werden, dann ist ihnen der Arbeitsmarkt auch nicht zugänglich, wodurch
eine Diskriminierung entsteht. Andererseits gibt es Faktoren wie Bildung und
Sprache, die ein mögliches Arbeiten verhindern könnten. Somit existieren auf der
einen Seite mögliche juristische bzw. ideologische und auf der anderen Seite soziale
Faktoren, die einen Zugang zum Arbeitsmarkt erschweren können.
65
2.3.3. Ökonomische Faktoren
2.3.3.1. Entwicklung
Der
Begriff
„Entwicklung“
kann
in
vielen
verschiedenen
Bereichen
als
Untersuchungsgegenstand sowie zur Einstufung einer Minderheit dienen. Dabei
kann er in unterschiedlichsten Weisen gedeutet, verstanden und untersucht werden.
Der Terminus wird hier als Entwicklung der gesellschaftlichen Strukturen oder
Modernisierung der analysierten Gruppe ausgelegt.
Wenn sich eine Gruppe von dem Rest der Bevölkerung durch diverse
diskriminierende Elemente unterscheidet, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass
dieser Teil der Bevölkerung unterentwickelt120 ist. Die Strukturen der untersuchten
Gruppe können durchaus den gleichen Modernisierungsstandard des Rests der
Bevölkerung haben, lediglich diverse soziale Strukturen sind als Ursachen einer
Diskriminierung
zu
sehen.
Diese
Situation
ist
für
dieses
Kriterium
nicht
ausschlaggebend.
Dieses Kriterium, also Entwicklung, zielt darauf ab, eine mögliche Rückständigkeit
der untersuchten Gruppe im Bereich der Modernisierung herauszuarbeiten. Diese
eventuelle Unterentwicklung kann einerseits ebenso Grund für die erwähnten
Diskriminierungen sein, andererseits kann eine Unterentwicklung auch der
entscheidende Grund für die Einstufung als Minderheit sein. Grundsätzlich gehen
eine rückständige Entwicklung der Bevölkerungsgruppe und eine schlechte
Integration sowie Benachteiligung gegenüber dem Rest der Bevölkerung Hand in
Hand.
Entwicklung ist somit ein entscheidendes Kriterium für die Einstufung als Minderheit.
Zwar ist es nicht unbedingt essentiell, dass eine Minderheit, die als solche eingestuft
ist, in ihrer Modernisierung rückständig ist, jedoch ist eine Gruppe definitiv eine
Minderheit, wenn eine solche Rückständigkeit besteht. Somit ist Entwicklung im hier
angewandten Verständnis ein entscheidendes Kriterium für die Bestimmung einer
Minderheit. Allerdings muss auch festgehalten werden, dass die untersuchte Gruppe
auch eine Minderheit sein kann, wenn keine Unter- bzw. rückständige Entwicklung
besteht.
120
Unterentwickelt wird nicht als negativer Begriff verstanden, sondern beschreibt lediglich, dass die
Entwicklungsstufe in Richtung Modernisierung nicht die gleiche ist, sondern rückständig.
66
2.3.3.2. Zugang zur Wirtschaft
Ein Teilbereich der oben angesprochenen Entwicklung einer möglichen Minderheit ist
dessen wirtschaftliche Situation bzw. wirtschaftliche Integration. Dabei muss nach
Meinung des Autors die zu analysierende Gruppe als eigenständiger Gegenstand
analysiert werden und hinsichtlich der wirtschaftlichen Möglichkeiten innerhalb und
nach außen untersucht werden. Eine Unterscheidung und gewisse Unabhängigkeit
der wirtschaftlichen Situation zwischen dem Rest des Staates und der untersuchten
Gruppe ist eine Vorraussetzung für eine Analyse.
In erster Linie muss die Hauptwirtschaftsquelle der jeweiligen spezifischen Gruppe
analysiert werden. Daraus können bereits Schlüsse gezogen werden, in wie weit die
Gruppe in das gesamte System des Landes integriert ist. Entscheidend dabei sind
neben der Bildung und Arbeitssituation, die wirtschaftlichen Zweige, die innerhalb der
untersuchten Gruppe bzw. in Verbindung mit dem Staat und eventuell anderen
Staaten betrieben werden. Diese Wirtschaftszweige liefern auch die Informationen
über wichtige Punkte, die zu untersuchen sind. Dabei wird klar, welche Industrien
wichtig sind und mit welchen Rohstoffen gearbeitet und gehandelt wird. Wichtig
dabei
ist
auch,
ob
die
einzustufende
Gruppe
die
Kontrolle
über
diese
Wirtschaftszweige hat oder nur als verarbeitendes bzw. unterstützendes Medium,
z.B. als Arbeiter, dient. Die Kontrolle über diverse Rohstoffe oder Wirtschaftszweige
würde die Gruppe in eine Position bringen, in der es ihr möglich ist, Macht
auszuüben. Dadurch würde ihre Stellung innerhalb des Staates so wichtig, dass sie
außer einem etwaigen numerischen Minderheitenstatus keine Einstufung als
Minderheit erhalten würde. Macht ist ein entscheidender Faktor, der noch an anderer
Stelle behandelt wird.
Einzige Ausnahme dieser Situation ist eine mögliche Unterscheidung der
Wirtschaftszweige zwischen dem Land und der untersuchten Gruppe. Dies könnte
etwa dann eintreten, wenn die Gruppe sich selbst versorgt und einen anderen
Lebensstandard – in der Regel einen niedrigeren – hat als der restliche Staat.
Somit wird auch in diesem Fall deutlich, dass die hier beschriebenen Kriterien sehr
eng miteinander verknüpft sind, und es kein Kriterium gibt, das exklusiv als
entscheidender Faktor für eine Einstufung als Minderheit gelten kann.
67
2.3.3.3. Integration
Die Frage der Integration ist heikel und dennoch eines der wichtigsten Kriterien für
die
Bestimmung
des
Minderheitenstatus
einer
Bevölkerungsgruppe.
Dieses
Untersuchungskriterium ist in gewisser Weise das Basiselement für alle anderen
Merkmale, da alle bisher beschriebenen Punkte die Integration in dem jeweiligen
Bereich beinhalten. Da diese Untersuchung sich auf die sozio-politische Ebene
bezieht, wird hier die Definition von Integration der Sozialwissenschaften, im
Speziellen der Soziologie, herangezogen.
Dabei wird Integration als Wiederherstellung eines Ganzen durch diverse Prozesse
verstanden. Dadurch werden das Verhalten sowie das Bewusstsein nachhaltig
verändert. Diese Prozesse können einerseits zwischen einzelnen Individuen oder
zwischen Gruppen bzw. Bevölkerungsteilen stattfinden. Durch Integration sollen
neue soziale Strukturen und Ordnungen gebildet werden. Entscheidend dabei ist die
Unterscheidung zwischen Assimilation und Integration. Unter Integration soll auf
keinen Fall die Eingliederung verstanden werden, die dazu führt, dass eine Gruppe
von Personen gezwungen ist, ihre eigene Kultur und ihre eigenen Werte aufzugeben.
Vielmehr sollten sie ihre eigenen Werte und ihre Kultur in die neue Ordnung
einbringen und somit überhaupt erst zur Bildung einer solchen beitragen.121
Hier wird der Begriff Integration im speziellen dahingehend ausgelegt, in wie weit der
untersuchte Teil der Bevölkerung bzw. die Gruppe, die als Forschungsgegenstand
dient, in diverse Bereiche des alltäglichen sozialen und ökonomischen Lebens
eingegliedert ist.
2.3.4. Juristische Kriterien
Wie bereits an anderer Stelle erwähnt, werden die Kriterien, die von Capotorti und
Ermacora erarbeitet wurden, nicht außer Kraft gesetzt, sondern nur in abgewandelter
Form verwendet. Aus diesem Grund kommt es hier zu einer teilweisen Wiederholung
bereits angeführter Argumente. Dies dient allerdings dazu, die Vollständigkeit der
selbst aufgestellten Kriterien zu gewährleisten. Zudem werden auch nur bei
121
Vgl. Kobi, Emil E (1994). Was bedeutet Integration? Analyse eines Begriffs, in: Eberwein, Hans
(1994).Behinderte und Nichbehinderte lernen gemeinsam. Handbuch der Integrationspädagogik, Weinheim,
Basel, S.71-79.
68
Charakteristika, zu denen es Ergänzungen gibt, diese Erweiterungen angeführt. Zu
den anderen Punkten wird nur auf andere Stellen in der Arbeit verwiesen.
2.3.4.1. Nicht herrschende Stellung
Dieses Kriterium wird sowohl von Capotorti wie auch Ermacora als ein
entscheidendes gesehen. Dem ist voll und ganz zuzustimmen. Auch wenn es
historische und moderne Ausnahmen dieses Kriteriums gibt, wie etwa die Apartheit
in Südafrika, ist dieses Merkmal absolut notwendig. Das Verständnis in dieser Studie
sieht
eine
Minderheit
als
eine
in
irgendeiner
Form
benachteiligte
Bevölkerungsgruppe. Durch eine herrschende Stellung kann auch eine kleinere
Gruppe nicht mehr als Minderheit, wie sie in dieser Untersuchung definiert ist,
verstanden werden.
Die Formulierung „Herrschende Stellung“ kann im weiteren Sinne auch als Macht
definiert werden. Im weiteren Sinne deshalb, weil Macht auch in Teilbereichen
wichtig sein kann. Man kann z.B. auch in einem Wirtschaftszweig über eine mächtige
Position verfügen, aber nicht in einer herrschenden Stellung sein. Allerdings bringt
die
herrschende
Stellung
fast
ausschließlich
–
mit
Ausnahme
von
Stellvertreterregimes – eine unmittelbare Machtposition der Herrscher mit sich. Diese
Position
ermöglicht
diskriminieren,
es,
wodurch
verschiedene
eine
Gruppen
aber
Minderheitensituation
auch
erst
Individuen
zu
durch
die
Herrschaftskonstellation hervorgerufen wird. Diese Möglichkeit, diese Situation
herbeizuführen, verdeutlicht weiters, wieso dieses Kriterium entscheidend für einen
möglichen Minderheitenstatus ist.
2.3.4.2. Möglichkeit des Zugangs zum politischen System
Dies ist ein entscheidender Faktor, denn wenn einer Gruppe des Staates der Zugang
zum politischen System verwehrt wird, dann ist das eine klare und schwerwiegende
Diskriminierung. Jeder Bürger des Staates muss die Möglichkeit haben, das System
des jeweiligen Staates mitzugestalten, um seine positive sowie negative Kritik an den
Machthabern ausdrücken zu können. Das beinhaltet auch, dass jeder Bürger die
Regierung abwählen kann, wenn es in seinem Interesse liegt. Sollte den Mitgliedern
einer gesamten Gruppe der Zugang zum politischen System verwehrt sein, dann ist
69
das eine Diskriminierung und macht die Gruppe automatisch zu einer Minderheit, die
allerdings nicht anerkannt ist.122
Dieses Kriterium hängt direkt zusammen mit dem Kriterium Staatsbürgerschaft von
Capotorti. Wie oben erwähnt, sollten Bürger das Recht haben zu wählen. Die
Tatsache, dass Bürger durch die Staatsbürgerschaft zu solchen gemacht werden, ist
sehr bedeutend für die Verleihung des Wahlrechts. Es gibt Staaten in denen es
unterschiedliche Regelungen gibt, wodurch auch „permanent residents“ das
Wahlrecht verliehen bekommen können. Allerdings ist die Situation in solchen
Ländern sehr schwierig, in denen das legislative Netzwerk nicht so weit
fortgeschritten ist, dass alle Einwohner des Staates eine Staatsbürgerschaft haben.
Die Ursache dafür kann in verschiedenen Dingen liegen, wie z.B. instabile politische
Lage, Analphabetismus oder Größe des Landes. Das ändert in vielen Fällen nicht die
Tatsache, dass die Mitglieder der Gruppen teilweise schon seit Jahrhunderten auf
den jeweiligen Staatsgebieten – die sich auch geändert haben können – ihren
Lebensraum haben. Durch diverse Grenzverschiebungen können diese Gruppen ihre
territoriale Staatszugehörigkeit auch wechseln. Solche Gruppen, wenn sie zudem in
ihrer Entwicklung rückständig sind, haben meist keinen Zugang zum politischen
System und sind dadurch in einen (nicht anerkannten) Minderheitenstatus gedrängt.
Zwar muss eine Gruppe aufgrund ihrer Möglichkeiten, ihres Politikverständnisses
und/oder ihres Desinteresses die Möglichkeit zur Partizipation in der politischen
Ebene nicht in Anspruch nehmen, allerdings muss diese vorhanden sein, um eine
inklusives System darzustellen.
2.3.4.3. Anerkennung123
Dieser Punkt ist eigentlich kein Kriterium, da er aber unter dem juristischen Aspekt zu
verstehen ist, wird er hier angeführt. Der Ausdruck Anerkennung wird hier als
Tatsache verstanden, dass die aktuelle Regierung des jeweiligen Landes die
Bevölkerungsgruppe als offizielle Minderheit anerkennt und ihr dadurch diverse
Sonderrechte gegenüber anderen Gruppen zugesteht. Dies führt allerdings lediglich
dazu, dass der Status offiziell ist und sich dadurch diverse Rechte für die jeweiligen
Gruppen ergeben bzw. niedergeschrieben werden. Diese Rechte können einerseits
122
Siehe anerkannte und nicht anerkannte Minderheiten weiter untern in dieser Studie.
Die Anerkennung ist ein juristischer Prozess, der sich nicht unmittelbar mit dem Inhalt dieser Arbeit deckt,
weshalb die eigentlichen juristischen Vorgehensweisen nicht genauer behandelt werden. Zudem sind die
Prozedere in jedem Land verschieden, und der Fokus hier auf dem Ergebnis und dem Status und weniger dem
Prozess liegt. (Anm. d. Autors)
123
70
im Zugang zum politischen System bestehen, andererseits können sie den
bestimmten Gruppen auch kleine Vorteile zugestehen.
Interessant ist die Unterscheidung zwischen anerkannten Minderheiten und nicht
anerkannten Minderheiten. Anerkannte sind solche, die von der jeweiligen Regierung
akzeptiert werden und somit als Teil des Staates bzw. der Bürger des Staates gelten.
Unter nicht anerkannten Minderheiten wird hier eine Gruppe verstanden, die sich
durch ihre kulturellen Merkmale von dem Rest der Bevölkerung unterscheidet, aber
von der jeweiligen Regierung nicht als Minderheit anerkannt werden. Dies ändert
allerdings nichts an der Tatsache, dass die Gruppe als Minderheit gesehen werden
muss, wenn sie in gewissen hier angeführten Bereichen benachteiligt ist.
2.3.4.4. Zahlenmäßige Unterlegenheit
Zahlenmäßige Unterlegenheit wird in der in dieser Studie verwendeten Definition zur
Minderheitenbestimmung nicht als Kriterium gesehen, da, wenn ein oder mehrere
der oben beschriebenen Kriterien zutreffen, auch eine zahlenmäßig größere Gruppe
als Minderheit eingestuft werden.
2.3.5. Zusammenfassung der Kriterien und Definition von Minderheiten
Die oben angeführten Einteilungen sowie Kriterien der einzelnen Kategorien sind
eine
persönliche
Auflistung
der
dem
Autor
notwendig
erscheinenden
Definitionsmerkmale zur Bestimmung des Minderheitenstatus einer Gruppe. Grund
für die eigene Auflistung von Kriterien und Einteilung von Kategorien ist die nach
Ansicht des Autors unzureichende wissenschaftliche Kategorisierung bisher.
Dabei sei darauf hingewiesen dass, um eine Minderheit als solche einstufen zu
können, nicht alle Kriterien erfüllt sein müssen. Es genügt in manchen Fällen, wenn
nur ein Kriterium erfüllt ist, dass man eine Gruppe als Minderheit einstufen kann. Im
Idealfall, um die Bestimmung zu erleichtern, werden jedoch mehrere Kriterien erfüllt,
und die Einstufung ist eindeutig und nicht leicht zu kritisieren bzw. anzuzweifeln.
Die vielleicht entscheidenden Kriterien sind definitiv die juridischen, denn die
Merkmale und Kriterien in den anderen Kategorien ergeben sich beinahe
ausschließlich aus diesen. Der Zugang zum politischen System ist eine
entscheidende Voraussetzung für die Möglichkeit, die Situation verändern zu
71
können. Sobald eine Gruppe aufgrund wie auch immer gearteter Begründung keinen
Zugang zum politischen System hat, wird ihr die Anerkennung als Teil der
Gesellschaft bzw. Gemeinschaft innerhalb des Staates verweigert.
2.3.6.Die Definition von Minderheit des Autors:
„Eine Minderheit ist ein – nicht notwendigerweise zahlenmäßig geringerer – Teil der
Bevölkerung oder eine Gruppe innerhalb eines Staates, die sich durch kulturelle,
soziale, ökonomische und/oder juristische Kriterien vom Rest der Bevölkerung
unterscheidet oder abgrenzt und aufgrund eines oder mehrerer dieser Kriterien nicht
die gleiche Behandlung wie der Rest der Bevölkerung des Landes.“
72
3. Geschichte des Minderheitenschutzes
Der
Minderheitenschutz,
Völkerrechts,
kann
einer
auf
eine
der
wichtigsten
lange
Bestandteile
Geschichte
des
heutigen
zurückblicken.
Der
Minderheitenschutz, wie man den Begriff heute weithin versteht und auslegt, hat sich
im Laufe der Zeit durch verschiedene Stadien entwickelt. Basierend auf den Ideen
von Jean Bodin, respektive seiner Definition des Souveränitätsbegriffs, verstand man
die Gewalt des Staates124 innerhalb des jeweiligen Grenzgebietes als omnipotent.
Allerdings ist die erste erwähnenswerte Entwicklung in diesem Bereich erst im
16.Jahrhunderts
anzusiedeln,
da
es
zu
dieser
Zeit
die
ersten
offiziellen
Vereinbarungen zwischen verschiedenen Staaten gab. In der Zeit zwischen 16. und
18. Jahrhundert gab es weitere bzw. vermehrt Bestimmungen in einzelnen
Verträgen, die das Thema „Schutz von Minderheiten“ mehr oder weniger detailliert
regelten. Die Regelungen wurden bis in 19.Jahrhundert in verschiedenen Abkommen
und Verträgen noch in unterschiedlicher Art vertieft bzw. erweitert, wodurch immer
mehr und unterschiedliche Gruppen von Minderheiten einbezogen wurden. Welche
Art von Minderheiten durch diese Übereinkommen geschützt wurde, war je nach
Region und politischer Lage verschieden.
Die Situation bestimmter Personengruppen, die im Interessensgebiet eines anderen
Staates lagen, war unterschiedlich geregelt. Etwa gab es Abkommen über Personen,
die sich im Gebiet anderer souveräner Staaten befinden; daraus entwickelte sich im
Laufe der Zeit das Fremdenrecht im Völkerrecht125. Auf der anderen Seite gab es
zwischenstaatliche Verträge über Gruppen von Menschen innerhalb eines Staates,
die sich durch gemeinsame Religion, Sprache oder national-ethnische Herkunft mit
einem anderen Staat verbunden fühlen. Diese Vereinbarungen stellten die ersten
zwischenstaatlichen Regelungen im Rahmen des Minderheitenschutzes dar.126
124
Allerdings ist unter „Staat“ nicht das heutige Konzept von Nationalstaat zu verstehen, sondern das Verständnis
zu damaligen Zeit gemeint. (Anm. d. A.)
125
Das Fremdenrecht sieht vor, dass dem Fremden im Aufenthaltsstaat ein Mindeststandard an
menschenrechtlicher Behandlung zuteil wird, die vom Heimatstaat durch diplomatische Mittel eingefordert werden
kann. Das Ermessen über den Schutz des Reisenden liegt beim Heimstaat und in wie weit dieser die
Aufenthaltsinteressen unterstützen will. Wenn die innerstaatlichen Mittel für ein Einschreiten der Regierung nicht
vorhanden sind, dann ist die Einzelperson schutzlos. In: Lillich, Richard B. (1984). The Human Rights of Aliens in
Contemporary International Law, Manchester University Press, Manchester, S.44ff.
126
Vgl. Scherer-Leydecker, S.29.
73
3.1. Schutz religiöser Minderheiten; 16. bis 18.Jahrhundert.
Die Reformation und die damit verbundenen Glaubenskriege im Laufe des
16.Jahrhunderts hatten entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung des Schutzes
von Minderheiten in Europa. Durch die Auseinandersetzungen kam es fast in allen
Länder und Regionen dazu, dass Angehörige anderer als der in diesem Gebiet
erwünschten Religion, ausgegrenzt, gefoltert wurden oder teilweise mit Gewalt
gezwungen wurden, dem jeweiligen Glauben beizutreten.
Durch den Augsburger Religionsfrieden wurden den religiösen Minderheiten, die es
zu dieser Zeit am ehesten zu schützen galt, noch kein expliziter Schutz gewährt. Es
war
darin
lediglich
die
Zwangsbekehrung
verboten,
jedoch
waren
die
Andersgläubigen gezwungen, durch das „ius emigrandi“ in das Souveränitätsgebiet
eines anderen Herrschers zu siedeln, um dessen Religion anzunehmen. Erst später
wurde diese Verordnung durch das Duldungsgebot ersetzt, das den Gläubigen auch
gestattete, ihre eigene Religion auszuüben.127
In späteren Friedensverträgen, in denen es zu Landesabtretungen der besiegten
Mächte an einen andersgläubigen Herrscher kam, wurden weitere Artikel und
Klauseln festgeschrieben, wodurch die religiösen Minderheiten geschützt wurden.
Der wichtigste und zugleich bekannteste dieser Verträge ist der Westfälische
Friede.128
Die Vereinbarungen zwischen europäischen Staaten und dem Osmanischen Reich
werden traditionell dem Fremdenrecht zugeordnet. Darin wurden spezielle
Schutzbestimmungen und Privilegien für Ausländer zur Ausübung der christlichen
Religion erlassen. Ausländer wurden damals allerdings nicht dem gültigen
Minderheitenbegriff zugeordnet.129
3.2. Schutz nationaler Minderheiten im 19.Jahrhundert
Gegen Ende des 18.Jahrhunderts begann sich in Westeuropa – speziell durch die
Lehre von Rousseau und die französische Revolution unterstützt – die Idee des
127
Vgl. Pöllinger, Sigrid (2001). Minderheitenprobleme und Minderheitenschutz. Das Engagement internationaler
Organisationen, neuer wissenschaftlicher Verlag, Wien, S.19f.
128
Weitere Beispiele für solche Vereinbarungen sind: Westfälischer Friede (1648); Oliva (1660) zwischen
Schweden, Polen dem deutsch-römischen Kaiser und Brandenburg; Nimwegen (1678), Ryswijk (1697) zwischen
den Niederlanden und Frankreicht; Breslau (1742); Paris (1763); Warschau (1773); Protokoll von 1814,
Wiedervereinigung von Belgien und Holland; in: Scherer-Leydecker, S.30.
129
Vgl. Scherer-Leydecker, S.30f.
74
Nationalstaatsdenkens
auszubreiten
und
zu
festigen.
Dadurch
wurden
in
Zentraleuropa Einigungs- und in Süd- und Osteuropa Autonomiebewegungen gegen
die Vielvölkerstaaten, wie z.B. die K.u.K. – Monarchie und das Osmanische Reich,
ausgelöst130.
In beinahe allen Dokumenten, die bis zum Ersten Weltkrieg unterzeichnet wurden
und Gebietssezessionen bzw. Friedensvereinbarungen darstellten, gab es eine
Optionsklausel. Diese sicherte den nationalen Minderheiten, die sich durch diese
territorialen Änderungen bildeten, das Recht der freien Abwanderung zu.131
Die erste wichtige Bestimmung hinsichtlich der Repräsentation und des Schutzes
nationaler Minderheiten findet sich in der Schlussakte des Wiener Kongresses von
1815:
„Les Polonais, sujets respectifs de la Russie, de l'Autriche et de la Prusse, obtiendront
une représentation et des institutions nationales, réglées d'après le mode d'existence
politique, que chacun des gouvernements auyquels ils appartiennent jugera utile et
convenable de leur accorde. 132
In der Akte wurde geregelt, dass die Minderheiten der Polen in Preußen, Österreich
und Russland, je nach Maßgabe der Gesetzeslage, nationale Repräsentationen und
Institutionen erhalten sollten.
Die Problematik des Minderheitenschutzes verschärfte sich in der Zeit bis zum
Ersten
Weltkrieg
zusehends,
da
die
Desintegrationsbestrebungen
in
den
Vielvölkerstaaten erheblich zunahmen. In weiteren Dokumenten bis zum Ersten
Weltkrieg
wurden
Klauseln
zum
Minderheitenschutz
festgeschrieben.
Einen
erheblichen Einfluss auf die Entwicklungen im Bereich Minderheiten hatte die
Situation in der Habsburger Monarchie. Allerdings kann trotz zunehmender Normen
zu dieser Problematik noch nicht von einem internationalen Minderheitenrecht
gesprochen werden. Die Einhaltungen bzw. Wahrung der Rechte der Minderheiten
lagen weiterhin im Ermessen der jeweiligen Mächte.133
130
Vgl. Scheyrer-Leydecker, S.31.
Vgl. Kimminich, Otto (1980). Regelungen der Minderheiten und Volksgruppen in der Vergangenheit, in:
Wittmann, Fritz; Bethlen, Stefan (Hrsg.), Volksgruppenrecht. Ein Beitrag zur Friedenssicherung. Berichte und
Studien der Hans-Seidel-Stiftung, Band 15, Olzog, Wien, München, S.37ff.
132
Artikel 1, Absatz 2. der Schlussakte des Wiener Kongresses. (9.Juni 1815), http://www.histoireempire.org/articles/congres_de_vienne/acte_du_congres_de_vienne_02.htm.
133
Vgl. Bartsch, Sebastian (1995). Minderheitenschutz in der Internationalen Politik. Völkerbund und KSZE/OSZE
in neuer Perspektive, Westdeutscher Verlag, Opladen, S.64f.
131
75
3.3. Minderheitenschutz im Völkerbund
Durch das Ende des Ersten Weltkriegs wurde die nationale Ordnung der
Vielvölkerstaaten durcheinander geworfen, und es bildeten sich neue Staaten. Das
Problem der Minderheiten in den verschiedenen Teilen Europas wurde sehr deutlich,
da die jeweiligen Minoritäten nicht bereit waren, mit den neuen Regierungen
zusammenzuarbeiten. Somit entstand eine Vielzahl von Spannungen. Vor allem in
Ländern mit großen und einflussreichen Minderheitenanteilen134 entstanden
Konflikte. Hintergrund für diese Probleme war der zu der damaligen Zeit
zunehmende Nationalismus. Die neu gebildeten Territorien wurden von den dort
ansässigen Mehrheiten als ihre neuen Staaten und die Minderheiten als Gefahr für
deren dauerhaften Bestand angesehen. Aus diesem Grund waren die Gruppen,
welche die Vorherrschaft in einem Staat innehatten, bestrebt, die Bevölkerung zu
homogenisieren, wodurch die Minderheiten gezwungen werden sollten, sich
unterzuordnen.
Zudem
waren
Bestrebungen
erkennbar,
wonach
sich
die
herrschenden Gruppen auch um den Schutz bzw. die Wahrung der Sicherheit für
ehemalige Staatsangehörige, die in anderen Ländern zu Minderheiten wurden,
bemühten. Neben diesen Bemühungen hatten die Staaten auch das Interesse, diese
Minderheiten für revisionistische Zwecke zu nutzen.
Der Neuansatz im Bereich Minderheitenschutz, der nach dem Ersten Weltkrieg
einsetzte, hatte zwei Ursachen. Einerseits der akute Handlungsbedarf, der durch die
erwähnten Konfliktherde in den neuen Ländern bestand; andererseits sahen die
Siegermächte
die
Möglichkeit
den
unterlegenen
Staaten
Verpflichtungen bezüglich des Minderheitenschutzes aufzuerlegen.
Die
Vorstellung,
dass
das
Problem
der
Vorschriften
und
135
Minderheitenintegration
bzw.
des
Minderheitenschutzes zu größeren und langfristigen Konflikten führen könnte,
veranlasste die Siegermächte des Ersten Weltkriegs ein System zu schaffen, das die
Grundlagen des Minderheitenschutzes festlegen sollte. Dieses wurde im Rahmen
der Friedenskonferenz in Versailles verhandelt. Neben der angestrebten Stabilität
wurde dort auch eine allgemeine Friedensordnung nach den Haager Konferenzen
diskutiert. Der Vorschlag von dem amerikanischen Präsident Wilson, der in seinem
14-Punkte-Programm vom 8.Jänner 1918 eine mögliche Nachkriegsordnung
134
Beispiele hierfür sind: Polen 30,8%, Rumänien 28,1%, Jugoslawien 28%, Griechenland 31,5%,
Tschechoslowakei 34,5%, Ungarn 10,5% und Bulgarien 16,6%; in: Pöllinger, S.26.
135
Vgl. Bartsch, S.65f.
76
präsentierte, führte schließlich zur Gründung des Völkerbunds, der am 20.Jänner
1920
seine
Arbeit
aufmachen.136
Wie
wichtig
eine
Lösung
der
Minderheitenproblematik für die Friedenssicherung ist, formulierte Wilson am
31.5.1919 in einer Plenarsitzung der Friedenskonferenz folgendermaßen:
„Nothing, I venture to say, is more likely to disturb the peace of the world than the
treatment which might, in certain circumstances, be meted out to the minorities.“137
Die offensichtliche Problematik bezüglich der Minderheiten und der Druck eine
geeignete Lösung zu finden, hätten allein nicht ausgereicht, um die Vorschriften und
Regelungen zu installieren, da es unter den neu gegründeten Ländern einige Gegner
solcher Schutzmaßnahmen gab. Ein weiterer Grund für die letztendliche Schaffung
der
Grundlage
eines
Minderheitenschutzsystems
waren
die
kurzzeitig
vorherrschenden Machtkonstellationen, die den Großmächten spezielle Positionen
einräumten. Sie nutzten diese Stellung, um einer Reihe von Staaten die
Minderheitenschutzbestimmungen
aufzuerlegen,
ohne
sich
selbst
an
diese
Regelungen zu halten. Durch die mächtigen Positionen während der Pariser
Friedenskonferenz konnten die Großmächte ihre Anerkennung der neu gegründeten
Staaten von einigen Bedingungen abhängig machen. Diese seit dem späten
19.Jahrhundert durchaus übliche Praxis war hinsichtlich der rechtlichen Position nicht
ganz klar festzulegen und unter den Staatsmännern sehr umstritten. Allerdings
wurde diese Art der diplomatischen Vorgehensweise ungeachtet der Diskussionen
praktiziert.138
Die Satzung des Völkerbundes bestand aus 26 Artikeln, die neben anderen
Verpflichtungen für die Mitgliedsstaaten die Friedenssicherung und die Souveränität
der einzelnen Mitgliedstaaten gewährleisten sollten. Der Völkerbund war das erste
System einer schriftlich fixierten kollektiven Sicherheit und hatte mit einem
Schiedsgericht ein Organ, welches zur Streitbeilegung herangezogen werden sollte.
Für den Fall einer Verletzung der Regelungen sah die Satzung Sanktionen vor, die
gegen den jeweiligen Mitgliedstaat einzusetzen waren. Die wichtigsten Organe
136
Vgl. Pöllinger, S.25f.
Zitat in: Bartsch, S.66.
138
Vgl. Bartsch, S.66.
137
77
waren
die
Bundesversammlung
aller
Mitglieder,
die
in
Genf
tagte,
der
Völkerbundsrat139 und das Sekretariat in Genf.140
Die ersten Entwürfe vor der Gründung der Organisation zur Miteinbeziehung des
Minderheitenschutzes in die Statuten wurden durch die Kommission, die mit der
Ausarbeitung des Völkerbundpaktes beauftragt war, verhindert. Trotz dieser
anfänglichen Ablehnung wurden auch nach der Gründung weitere Initiativen verfolgt,
die Minderheitenschutzbestimmungen in die Statuten zu verankern. Immer wieder
wurde dabei in den Erklärungen die Hoffnung ausgedrückt, dass sich auch Staaten,
die nicht dem Bündnis angehörten, an die Standards in der Satzung halten würden.
Allerdings fand die Ansicht, wonach Erklärungen des Völkerbunds als internationales
Gewohnheitsrecht allgemeine Gültigkeit besaßen, nicht viele Anhänger und
entsprach nicht der zeitgemäßen Staatenpraxis.141
Die Großmächte spielten während dieser Entwicklung die Rolle eines Vermittlers und
versuchten, so viele Länder wie möglich zum Minderheitenschutz zu verpflichten, da
darauf abgezielt wurde, die neuen Staaten zu stabilisieren. Einerseits sollte einem
möglichen Irredentismus142 sowie einer Illoyalität der Minderheiten vorgebeugt
werden. Andererseits sollten Umstände geschaffen werden, durch die es den
Minderheiten möglich werden sollte, sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen
und mit den neuen Regierungen zu kooperieren. Langfristig war das Ziel einer
solchen, die Minderheiten nicht mehr als Gruppen mit Sonderrechten zu sehen,
sondern als Teil der Bevölkerung des Landes.
Neben dem Ziel, Mittel- und Südosteuropa zu stabilisieren, waren die Großmächte
auch um die Schaffung eines dauerhaften internationalen Friedens bemüht. Durch
die Gründung des Völkerbunds war eine institutionelle Basis geschaffen worden, die
durch die Schaffung spezieller Minderheitenrechte respektive deren Einhaltung und
Schutz gestützt werden sollte. Dieses Argument für die Einführung solcher
Regelungen wurde allerdings von den zum Minderheitenschutz verpflichteten
Ländern – hauptsächlich waren dies die neu gegründeten Staaten sowie die
Verlierermächte – heftig kritisiert, da einige Siegermächte sich nicht an solche
139
Mitglieder waren: Großbritannien, Frankreich, Italien bis 1937; Japan bis 1933; Deutschland 1926 – 1933 als
ständige Mitglieder und 9 nicht-ständige Mitglieder, die für 3 Jahre gewählt wurden. Die USA traten nicht bei, weil
der amerikanische Senat die Ratifizierung des Versailler Vertrages ablehnte.
140
Vgl. Pöllhuber, S.26f.
141
Vgl. Scherer-Leydecker, S.33f.
142
Irredentismus der: Geisteshaltung der Irredenta. Irredenta die: …2. Politische Unabhängigkeitsbewegung, die
den Anschluss abgetrennter Gebiete an das Mutterland anstrebt; in: Duden. Das große Fremdwörterbuch (2000),
Dudenverlag, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich, S.650.
78
Bestimmungen gebunden sahen. Dies führte zu Spannungen zwischen den
Ländern.143
Da trotz der unterschiedlichen Auffassungen der einzelnen Staaten die Wichtigkeit
des Themas Minderheitenschutz erkannt wurde, setzte der Oberste Rat des
Völkerbunds eine „Kommission für neue Staaten und Minderheitenschutz“ ein. Die
Aufgabe dieser Kommission war unter anderem die Formulierung von Verträgen
zwischen den Alliierten und ihren ehemaligen Feindstaaten sowie die Prüfung und
Definition der zu akzeptierenden Normen.144
Bis 1925 wurden die Regelungen bezüglich des Minderheitenschutzes auf Vorschlag
der britischen Verhandler mit den jeweilig betroffenen Staaten in individuellen
Verträgen geregelt. So wurden für die besiegten Staaten Österreich, Bulgarien,
Ungarn und der Türkei die speziellen Bedingungen bereits in einem eigenen Kapitel
in den zwischen 1919 und 1923 geschlossenen Friedensverträgen festgeschrieben,
welche besagten, dass alle „…Staatsangehörigen, die einer Minderheit nach Rasse,
Religion
oder
Sprache
angehören…“145
zu
schützen
seien.
Eine
andere
Vorgehensweise wurde bei den anderen Staaten146 gewählt. Diese verpflichteten
sich in den Pariser Verträgen separate Minderheitenschutzbestimmungen mit den
Alliierten auszuhandeln. Diese wurden in den Jahren 1919 und 1920 abgeschlossen.
Zu diesen Abkommen zählten noch fünf weitere zwischen 1920 und 1924
geschlossen Verträge147 sowie fünf unilaterale Erklärungen148. Diese Abkommen
wurden vom Völkerbund durch Resolutionen zur Kenntnis genommen.149
Die Normen zum Minderheitenschutz wurden bereits im Laufe der Pariser
Friedensverträge ausgearbeitet, wurden jedoch erst zu Beginn der 1920iger Jahre
durch Verfahren aktiv angewandt. Ein solches Verfahren wurde im Oktober 1920
beschlossen, und sah das Einreichen einer Petition vor. Diese konnte von einzelnen
Personen, Gruppen oder NGOs in Gang gesetzt werden und musste an den
143
Vgl. Bartsch, S67ff.
Vgl. Pöllinger, S.27f.
145
Zitat aus dem Artikel 67 des Vertrages von Saint-Germain-en-Laye vom 10.9.1919 in: Schweitzer, Michael,
Rudolf, Walter (Hrsg.) (1985). Friedensvölkerrecht, 3.Auflage, Verlag der Österreichischen Akademie der
Wissenschaften, Baden-Baden, S. 253.
146
Polen, Tschechoslowakei, Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen – dem späteren Jugoslawien,
Rumänien und Griechenland; in: Scherer-Leydecker, S.35.
147
1.Polen und die freie Stadt Danzig bezüglich der polnischen Bevölkerung in Danzig; 2.Schweden und Finnland
bezüglich der schwedischen Minderheit auf Åland; 3.Polen und Deutschland bezüglich der deutschen Minderheit
in Oberschlesien; 4.Griechenland und der Türkei bezüglich der gegenseitigen Minderheiten; 5.Litauen und den
Alliierten und Assoziierten Hauptmächten bezüglich der deutschen Minderheit im Memelland; in: SchererLeydecker, S.35.
148
Albanien, Litauen, Lettland, Estland und der Irak erklärten, ihren Minderheiten angemessenen Schutz zu
gewähren, da es von bestimmten Staaten als Bedingung für einen Beitritt zum Völkerbund verlangt wurde; in:
Scherer-Leydecker, S.35.
149
Vgl. Scherer-Leydecker, S.35f.
144
79
Völkerbund gerichtet werden. In der Folge wurde die Petition an alle Mitglieder
verteilt. Allerdings war nur der Generalsekretär selbst in der Lage, die Zulässigkeit
der Petition anzuerkennen, und forderte im gegebenen Fall die betroffene Regierung
auf, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Beide Dokumente, die Petition und die
Stellungnahme, wurden von einem Dreierkomitee150 geprüft und entweder weiter
behandelt oder zurückgewiesen.151
Dabei hatte das Dreierkomitee drei Handlungsoptionen. Erstens konnte es
entscheiden, dass der Fall so gravierend war, dass er sofort vor vom Völkerbundrat
behandelt werden musste.152 Zweitens konnte der Fall als so unbedeutend eingestuft
werden, dass sich der Völkerbund nicht weiter damit befassen musste. Diese
Entscheidung wurde bei 35% aller eingereichten Petitionen getroffen. Drittens konnte
das Komitee schließlich einen Auftrag an die Minderheitensektion des Sekretariats
des Völkerbundes geben, dass diese die betroffene Regierung auffordert, weitere
Informationen zur Verfügung zu stellen. Dies erfolgte meist durch informelle
Gespräche zwischen Vertretern der Regierung und dem Direktor der Sektion.
Allerdings waren die Einreichenden der Petitionen meistens nicht anwesend,
trotzdem wurden dabei mögliche Lösungen besprochen, die alle zufrieden stellen
konnten. Beendet war ein Verfahren meist dann, wenn die beklagte Regierung
Zusagen machte, wonach die kritisierten Punkte geändert werden würden. Allerdings
wurde dies nur in seltenen Fällen korrigiert.153
3.4. Verhärtete Fronten nach dem Zweiten Weltkrieg
Nach dem Zweiten Weltkrieg spielte das Thema
Minderheitenschutz im
internationalen Bereich nicht wirklich eine vordergründige Rolle. Man konzentrierte
sich weniger auf einzelne Minderheiten als auf die Definition und den Schutz der
allgemeinen Menschenrechte. Grund dafür waren die beiden Blöcke, die bezüglich
dieses Themas harte Linien verfolgten. Im Westen waren die USA durch ihre
Philosophie von Assimilation der Kulturen, die auch sehr starken Einfluss auf die
westeuropäischen Länder sowie Indien hatte. Die Sowjetunion und Jugoslawien
150
In der Ratssitzung vom 10.Oktober 1920, in der auch die Einführung von Petitionen zur Problembehandlung
beschlossen wurde, wurde auch festgelegt, dass diese Anträge durch Ad-hoc-Dreierkomitees geprüft werden
sollten. Diese setzten sich jeweils aus dem Ratspräsidenten und zwei, von ihm ernannten, Mitgliedern
zusammen. Ad-hoc deshalb, weil sie zu jeder Petition neu zu bilden waren; in: Bartsch, S.93.
151
Vgl. Pöllinger, S.28f.
152
Dies geschah nur vierzehn Mal in der Geschichte des Völkerbundes. Bartsch (96).)
153
Vgl. Bartsch, S.91ff.
80
waren
insbesondere
Befürworter
von
Minderheitenschutz,
wodurch
diese
Diskussionen auch auf die allgemeine Verhärtung zwischen Ost und West abfärbte.
Zudem
war
des
Deutsche
Reich,
das
als
vehementester
Vertreter
des
Minderheitenschutzes und Minderheitenschutzes in der Zwischenkriegszeit galt, als
Verlierermacht nicht in der Position, in diese Debatte einzugreifen. Einen weiteren
Einfluss hatte die Situation in Afrika. Dort wurden die Staaten größtenteils durch
koloniale Minderheiten regiert. Deshalb versuchte man, das Streben nach
Selbstbestimmung bzw. Rechten für einzelne Gruppen so gering wie möglich zu
halten, um die Macht aufrechterhalten zu können. Das Streben nach Rechten zur
Selbstbestimmung für ethnische Minderheiten wurde als Grundstock für die
Möglichkeit der Erlangung der Unabhängigkeit der kolonialisierten Staaten
angesehen. Allgemein sah man das System des Minderheitenschutzes durch das
Versagen des Völkerbundes als Experiment, das versagt hat.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass unmittelbar nach dem Zweiten
Weltkrieg von den Siegermächten Interessen hinsichtlich eines allgemeinen
Schutzes der Menschenrechte verfolgt wurden, dabei allerdings anfangs keine
spezifischen Regelungen und Normen zum Schutz der Minderheiten beschlossen
wurden.154
3.5. Minderheitenschutz in den Vereinten Nationen
Die oben erwähnten Schwierigkeiten bzw. unterschiedlichen Positionen im Bereich
Minderheitenschutz wurden vor allem in den Diskussionen zur Gründung der
Vereinten Nationen offenkundig. Bereits in der Charta vom 26.Juni 1945 wurde in
Art. 1 Abs. 3, Art. 13, 55, 62 und 76 festgehalten, dass die Organisation den Schutz
der Menschenrechte sowie Grundfreiheiten als eine ihrer Hauptaufgaben sah.
Allerdings war in dieser Charta, ebenso wie bei der Satzung des Völkerbundes, nicht
detailliert der Minderheitenschutz als ein Teilbereich festgehalten.155
Am 10.Dezember 1948 wurde die AMRE von der Generalversammlung der
Vereinten Nationen verabschiedet. Sie wird als eines der wichtigsten Dokumente des
20.Jahrhunderts156 speziell hinsichtlich des Menschenrechtsschutzes angesehen.
154
Vgl. Thornberry, S.17f.
Vgl. Scherer-Leydecker, S.47.
156
Vgl. Heidelmeyer, Wolfgang (1997). Die Menschenrechte. Erklärungen, Verfassungsartikel, Internationale
Abkommen, 4.Auflage, Paderborn, München, Wien, Zürich; 43ff.
155
81
Bezüglich der Minderheitenthematik wurde am gleichen Tag eine Resolution
verabschiedet, die den Titel „Fate of Minorities“ trägt. Darin wurde festgehalten, dass
die Vereinten Nationen „could not remain indifferent to the fate of minorities157“, es aber zum
damaligen Zeitpunkt sehr schwierig war eine gemeinsame Lösung zu finden. Die
Situation wurde aus dem Grund so heikel und prekär eingestuft, weil man sich nicht
in der Lage sah, die Umstände, die in jedem Staat sehr spezifisch waren, speziell
und einzeln zu behandeln.158
Wenn man die Spannungen in den folgenden fünf Jahrzehnten betrachtet, die
zwischen den Mächten des Kalten Krieges herrschten, war diese Übereinkunft als
gute Basis anzusehen, da so ein Abkommen wahrscheinlich in späteren Jahren nicht
mehr möglich gewesen wäre.159
3.5.1. Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR)
Schon in der Resolution „Fate of Minorities“ wurde deutlich, dass die Notwendigkeit
für ein Handeln der Vereinten Nationen hinsichtlich einer allgemein gültigen
Regelung des Minderheitenschutzes durchaus gegeben war. Deshalb wurde die
Menschenrechtskommission
und
ihre
„Sub-Commission
on
Prevention
of
Discrimination and Protection of Minorities“160 beauftragt, die Probleme der
Minderheiten in einer Arbeitsgruppe gründlich zu analysieren und eine ausführliche
Studie zu erstellen, um eine Basis für mögliche Maßnahmen zu schaffen. Die
Unterkommission kam im Rahmen von Diskussionen 1950 zu dem Schluss, dass der
wohl effektivste Weg, dem Problem entgegenzuwirken, der war, eine Verankerung
zum Minderheitenschutz in dem bereits vorgeschlagenen IPBPR zu beschließen. Die
Differenzen zum damaligen Zeitpunkt lagen in den Auffassungen, welche Gruppen
geschützt werden sollten. So standen z.B. auf der einen Seite die Sowjetunion, die
einen Schutz lediglich für die „nationality groups“ forderte, während auf der anderen
Seite z.B. Jugoslawien stand, das zu den nationalen Gruppen auch ethnische,
religiöse und kulturelle Gruppen schützen wollte. Eine wichtige Frage war auch, ob
die Gruppen nur geschützt werden sollten, oder ob es ihnen ermöglicht werden
sollte, ihre eigene Identität durch diverse Institutionen oder Medien zu entwickeln
157
Zitat in: Pentassuglia, Gaetano (2002). Minorities in international law. An introductory study, Council of Europe
Publishing, Strasbourg, S.97.
158
Vgl. Ermacora, S.19 u. S.98.
159
Vgl. Pöllinger, S.31.
160
Dieses Organ wird an anderer Stelle dieser Studie ausführlicher erklärt. (Anm. d. Autors)
82
bzw. weiterzuentwickeln. In diesem Zusammenhang kam auch die Diskussion auf,
ob der Staat diese Institutionen fördern oder diese lediglich anerkennen sollte. Der
erste Entwurf der Arbeitsgruppe für diesen Artikel lautete:
„Ethnic, religious and linguistic minorities shall not be denied the right to enjoy their own
culture, to profess and practice their own religion, or to use their own language.“161
Diese Formulierung „minorities“ wurde kritisiert und schließlich durch „persons
belonging to minorities“ ersetzt. Hintergrund für diese Änderung war die Befürchtung,
durch diese kollektive Formulierung eventuell Sezessionsgedanken auszulösen,
wenn man den Artikel als ausschließliches Gruppenrecht ansieht. Um aber die
Kollektivität des Artikels nicht ganz zu verlieren, wurde die Formulierung durch den
Zusatz: ergänzt „in community with the other members of their group“. 162
Der Vorschlag wurde mit den Änderungswünschen 1950 angenommen und 1953
nochmals um einen kleinen Zusatz erweitert, da man in den lateinamerikanischen
Ländern fürchtete, die Einwanderungsgruppen, die Minderheiten bilden könnten,
wären in der Lage, die Stabilität der jeweiligen Staaten zu gefährden. Deshalb wurde
ergänzt, dass die in dem Artikel beschriebenen Minderheiten bereits existieren
müssen. Dieser Vorschlag führte wiederum zu heftigen Diskussionen über weitere
Veränderungen der Begriffe, welche allerdings schließlich nicht mehr umgesetzt
wurden. Die Formulierung des Artikels, wie er schließlich im IPBPR stehen sollte,
wurde allerdings nicht mehr geändert, da die meisten Staatsvertreter ihre
Zustimmung zum Ausdruck brachten.163
Die
Vereinten
Nationen
machten
schließlich
im
Bereich
internationaler
Minderheitenschutz einen weiteren entscheidenden Schritt. Neben der Konvention
über die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte (die so genannten
„modernen“ Menschenrechte), wurde am 19.Dezember 1966 der „Internationale Pakt
über die bürgerlichen und politischen Rechte“(die „klassischen“ Menschenrechte),
verabschiedet.164
161
Vgl. UN Doc. E/CN.4/Sub.2/112.
Vgl. Pentassuglia, S.97f.
163
Vgl. Scherer-Leydecker, S.63ff.
164
Vgl. Ermacora, S.25ff, Blumenwitz (1994), u.a.
162
83
Die ausgearbeitete Formulierung wurde in Artikel 27 des IPBPR verankert und lautet:
„In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen
solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen
Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion
zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.“165
Die – zum damaligen Zeitpunkt – nötigen 35 Ratifikationen waren am 23.März 1976
erreicht, wodurch der Pakt in Kraft trat. Ein entscheidender Unterschied zur AMRE
war, dass der IPBPR für die Staaten, die ihn annahmen, bindende Pflichten mit sich
brachte. Der Artikel 2 des Pakts verpflichtet die Vertragsstaaten noch zusätzlich, die
in der Konvention festgelegten Rechte ausdrücklich für alle ihrer Staatsgewalt
unterstehenden Personen „ohne Unterschied wie insbesondere Rasse, des Geschlechts, der
Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen oder sozialen
Herkunft…oder sonstigen Status zu gewährleisten.“166 Weitere wichtige Teile für Minderheiten
zur Verwirklichung ihrer Identität sind Teile der Artikel 18, 19 und 22, die Gedanken-,
Gewissens- und Religionsfreiheit zum Inhalt haben. Bis heute haben 134 Staaten
den IPBPR ratifiziert.167
Es gab nach der Verabschiedung des IPBPR immer wieder Diskussionen über die
Rolle des Staates bzw. welche Voraussetzungen dieser zu schaffen hätte, um die
Verwirklichung der in der Konvention festgelegten Rechte gewährleisten zu können.
Einige Experten waren der Meinung, dass der Staat aktiv sein müsste und sowohl
Ressourcen als auch den legalen Rahmen zu modifizieren hätte. Andere
argumentierten, dass diese beiden Bereiche getrennt von einander zu betrachten
seien. Es kam zu keiner wirklichen Einigung. Die Generalversammlung der Vereinten
Nationen veröffentlichte eine Resolution, wonach die Artikel des IPBPR nicht gegen
die bereits allgemein gültige Gesetzgebung verstoßen sollten, sondern als
ergänzend zu sehen seien. Es wurde allerdings immer deutlicher, dass in diesem
Bereich noch viel Arbeit auf die Vereinten Nationen zukam.168
Die oben angeführten Probleme waren nur ein Teil der Unklarheiten und
Schwierigkeiten, welche die Formulierungen im IPBPR mit sich brachten. Aus
diesem Grund empfahl die Menschenrechtskommission dem Wirtschafts- und
165
Zitat in: Heidelmeyer, Wolfgang (1997), S.244.
Zitat in: Heidelmeyer, S.235f.
167
Vgl. Scherer-Leydecker, S.69f.
168
Vgl. Thornberry, S.24f.
166
84
Sozialrat (ECOSOC) die Ausarbeitung einer Studie, die das Minderheitenkonzept
analysieren und Möglichkeiten eröffnen sollte, wie man die Prinzipien aus dem
IPBPR praktisch umsetzen könnte. ECOSOC genehmigte dies im Jahr 1969 und
beauftragte wiederum die Menschenrechtskommission, eine solche Untersuchung in
die Wege zu leiten. Der Auftrag wurde schließlich 1971 an den italienischen
Professor Francesco Capotorti vergeben, der auch Mitglied der Unterkommission
und später Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen war.169
Der Bericht wurde 1979 fertiggestellt und trägt den Titel „Study on Rights of Persons
Belonging to Ethnic, Religious and Linguistic Minorities”. Darin liefert er einerseits
eine Definition des Minderheitenbegriffs, der bis heute mit geringen Änderungen die
wichtigste Definition darstellt und empfiehlt andererseits die Vorbereitung einer
Erklärung der Rechte für Mitglieder von Minderheiten im Rahmen der in Artikel 27
IPBPR. Ein Zeichen, wonach die Menschenrechtskommmission dieser Idee positiv
gegenüber stand war die Einsetzung einer „Open-Ended Working Group“ zur
Ausarbeitung eines Textes im Rahmen ihrer Sitzung 1978. Gleichzeitig reichte
Jugoslawien einen Vorschlag ein, der von der Arbeitsgruppe bearbeitet wurde. 170
Nachdem wichtige Fragen und Probleme weitgehend durch die intensive Mitarbeit
von den einzelnen Regierungen geklärt wurden, wurde der Vorschlag am 21.Februar
1992 von der HRC und ECOSOC angenommen und an die Generalversammlung
weitergeleitet. Schließlich wurde die „Declaration on the Rights of Persons Belonging
to National or Ethnic, Religious and Linguistic Minorities“ durch Einstimmigkeit am
18.Dezember 1992 in der Resolution 47/135 beschlossen.171
1995 etablierten die Vereinten Nationen eine Arbeitsgruppe, die sich mit der
Vorbeugung
gegen
die
Diskriminierung
von
Minderheiten
beschäftigt.
Die
Arbeitsgruppe tritt jährlich für fünf Tage in Genf zusammen und dient primär als
Diskussionsplattform. Einerseits will man durch die Arbeit in dieser Gruppe das
gegenseitige Verständnis und die Akzeptanz zwischen den Minderheiten sowie
zwischen Minderheiten und den Regierungen erhöhen. Andererseits werden
friedliche Konfliktbeilegungen besprochen, die auch die Minderheiten aktiv
involvieren.
Die
Gruppe
ist
ein
zunehmend
wichtigeres
Instrument
Minderheitenschutz.172
169
Vgl. Ermacora, S.29.
Vgl. Pentassuglia, S.111.
171
Vgl. Eglin, S.156.
172
Vgl. Working Group of Minorities, Office of the United Nations High Commissioner of the Human Rights,
http://www.ohchr.org/english/issues/minorities/group/main.htm.
170
85
3.6. Schutz der Eingeborenenvölker
1982 gründeten die Vereinten Nationen die „Working Group on Indigenous
Populations“, die ein Unterorgan der „Sub-Commission on the Promotion and
Protection of Human Rights“ war. Dies traf sich jährlich in Genf und setzte sich aus
Experten zusammen. Die Arbeitsgruppe war allerdings auch für Vertreter von
Eingeborenenvölkern zugänglich, ebenso wie für Vertretern von internationalen und
nationalen NGOs. Die Aufgabe war einerseits die Untersuchung der Einhaltung des
Schutzes und die Förderung der Rechte für Eingeborenenvölker, andererseits die
Diskussion über neue Entwicklungen zum effektiven Schutz der Eingeborenen. 1985,
in demselben Jahr, in dem ein Fond für die Angelegenheiten der Eingeborenenvölker
eingerichtet wurde, begann die Arbeitsgruppe mit dem Entwurf einer Deklaration der
Rechte für Eingeborenengruppen, der 1993 an die Sub-Kommission übermittelt
wurde. Die Definition von Minderheiten in diesem Entwurf lautet, wie folgt:173
“Indigenous peoples have the collective and individual right to maintain and develop their
distinct identities and characteristics, including the right to identify themselves as
indigenous and to be recognized as such.”174
“Indigenous peoples have the collective right to determine their own citizenship in
accordance with their customs and traditions. Indigenous citizenship does not impair the
right of indigenous individuals to obtain citizenship of the States in which they live.”175
Der Entwurf liegt derzeit bei dem 2006 neu gegründeten Human Rights Council, und
viele, insbesondere Oberhäupter eingeborener Gemeinschaften, hoffen auf eine
Einigung über eine Deklaration der Rechte der Eingeborenenvölker im Sepmtember
2007.176
173
Vgl. Working Group of Minorities, Office of the United Nations High Commissioner of the Human Rights.
Article 8, The Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities. Draft United
Nations
declaration
on
the
rights
of
indigenous
peoples,
1994,
http://www.unhchr.ch/huridocda/huridoca.nsf/(Symbol)/E.CN.4.SUB.2.RES.1994.45.En?OpenDocument.
175
Article 32, The Sub-Commission on Prevention of Discrimination and Protection of Minorities. Draft United
Nations
declaration
on
the
rights
of
indigenous
peoples,
1994,
http://www.unhchr.ch/huridocda/huridoca.nsf/(Symbol)/E.CN.4.SUB.2.RES.1994.45.En?OpenDocument.
176
Vgl. UN News Center. Indigenous leaders voice hope that UN assembly will soon adopt rights declaration,
6.9.2007, http://www.un.org/apps/news/story.asp?NewsID=23728&Cr=indigenous&Cr1.
174
86
Die International Labour Organization (ILO) war die erste internationale Organisation,
die Aktionen zum Schutz der Eingeborenenvölker setzte. Seit der Gründung im Jahr
1919 setzte sich die ILO für die sozialen und ökonomischen Rechte für diejenigen
Gruppen ein, deren Traditionen, Bräuche und/oder Sprache von anderen Gruppen
bedroht werden. 1957 verabschiedete die ILO die Konvention 107 (heute 169), die
die erste internationale Übereinkunft war, die sich spezifisch mit dem Schutz der
Völker einsetzt, die durch die dominanten Kulturen in ihren Staaten bedroht werden.
Dabei betont diese Konvention, dass die Bestimmung der Identität eines Volkes
essentiell für ihr Überleben sei. Dies gilt für alle Eingeborenenvölker, inklusive
Waldvölker und verschiedene Pygmäengruppen. Zum damaligen Zeitpunkt wurden
Eingeborenen- und Stammesvölker als rückständig und kurzweilig angesehen. Man
sah es als zentrales Thema, sie in die Hauptgesellschaft einzugliedern, was durch
Assimilation oder Integration geschehen sollte.177
1986 berief die ILO ein Treffen ein, indem auf die Tatsachen reagiert wurde, dass die
Eingeborenenvölker sich immer stärker in der internationalen Politik etablierten und
aktiv wurden. So sah man sich gezwungen, die Konvention von 1957 zu
überarbeiten. Während des Beratungsprozesses zwischen 1987 und 1989 wurden
viele Eingeborenenvölker miteinbezogen, um die neue Lage und Situation ihrer
Völker darzulegen. Schließlich wurde 1989 die Konvention 169 angenommen, die
zwar noch dieselben Inhalte hat, aber zudem das Recht auf das Leben der
Eingeborenenvölker ohne Beeinflussung ihrer Kultur und ihrer Werte beinhaltet,
sodass sie ihre Identität nicht verlieren. Bisher haben lediglich 17 Staaten diese
Konvention ratifiziert. Für 18 Staaten ist die Konvention 107 noch gültig. Die DRC hat
keine der beiden Konventionen anerkannt. Zwar wurde seitdem keine neue
Konvention beschlossen, die ILO arbeitet jedoch intensiv in dem Bereich des
Schutzes von Eingeborenenvölkern.178
Elemente von Stammesvölkern nach der Konvention 169:
•
Traditioneller Lebensstil
•
Kultur und Lebensweise unterscheiden sich zu anderen Teilen der nationalen
Bevölkerung, z.B. Lebensunterhalt, Bräuche, Sprache etc.
•
Eigene soziale Organisation und traditionelle Bräuche und Gesetze
177
Vgl. IRIN In-Depth Report (2006). Minorities Under Siege – Pygmies Today In Africa, aktualisiert am
31.8.2007, http://www.irinnews.org/InDepthMain.aspx?InDepthId=9&ReportId=58605.
178
Vgl. International Labour Organization (2003). ILO Convention on Indigenous and Tribal Peoples 1989
(No.169), A Manual, S.5f.
87
Elemente eines Eingeborenenvolkes nach der Konvention 169:
•
Traditioneller Lebensstil
•
Kultur und Lebensweise unterscheiden sich zu anderen Teilen der nationalen
Bevölkerung, z.B. Lebensunterhalt, Bräuche, Sprache etc.
•
Eigene soziale Organisation und Institutionen
•
Leben über einen historisch kontinuierlichen Zeitraum in einer bestimmten
Region, bevor andere das Land übernahmen oder bezogen179
3.6.1. Weitere Definitionen
Definition der Weltbank:
For purposes of this policy, the term “Indigenous Peoples” is used in a generic sense
to refer to a distinct, vulnerable, social and cultural group possessing the following
characteristics in varying degrees:
•
self-identification as members of a distinct indigenous cultural group and
recognition of this identity by others;
•
collective attachment to geographically distinct habitats or ancestral territories
in the project area and to the natural resources in these habitats and
territories;
•
customary cultural, economic, social, or political institutions that are separate
from those of the dominant society and culture; and
•
an indigenous language, often different from the official language of the
country or region.180
Definition von Martínez Cobo
“Indigenous communities, peoples and nations are those which, having a historical
continuity with pre-invasion and pre-colonial societies that developed on their territories,
consider themselves distinct from the other sectors of societies now prevailing in those
179
Vgl. International Labour Organization, S.7.
Vgl. The World Bank Operational Manual (2005). Indigenous Peoples, January 2007,
http://wbln0018.worldbank.org/Institutional/Manuals/OpManual.nsf/tocall/0F7D6F3F04DD70398525672C007D08
ED?OpenDocument.
180
88
territories, or parts of them. They form at present non-dominant sectors of society and
are determined to preserve, develop and transmit to future generations their ancestral
territories, and their ethnic identity as the basis of their continued existence as peoples,
in accordance with their own cultural patterns, social institutions and legal systems. In
short, Indigenous Peoples are the descendants of a territory overcome by conquest or
settlement by aliens.”181
Diese sind die am meisten anerkannten Definitionen von Eingeborenenvölkern. Viele
Internationale Organisationen und Organe der Vereinten Nationen haben diverse
Projekte installiert und Erklärungen zur Unterstützung der Eingeborenenvölker
abgegeben. Die Eingeborenenrechte sind von vielen nationalen Regierungen noch
nicht anerkannt, was vielleicht auch darin begründet liegt, dass es keine allgemeine
Definition bzw. eine Erklärung der Vereinten Nationen zu diesem Thema gibt.
3.7. Die Afrikanische Union(AU) und die Minderheitenrechte
Die Afrikanische Union wurde 1963 als regionale Organisation gegründet und diente
ursprünglich hautsächlich dazu, den Folgen des Kolonialismus entgegenzuwirken.
Bis zum heutigen Tage sind, bis auf Marokko, alle afrikanischen Staaten Mitglieder
der AU.
Das Prinzip, sich nicht in die inneren Angelegenheiten der Staaten einzumischen,
war der Grund dafür, dass sich die Staaten nicht bzw. kaum für Verletzungen der
Menschenrechte in den einzelnen Staaten interessierten. Erst 1981 verfasste die AU
eine Afrikanische Charta der Rechte für Menschen und Völker, die 1986 in Kraft trat.
Darin wurde auch vereinbart, dass ein Gerichtshof zu diesem Thema eingerichtet
werden würde. Bis 1999 haben bis auf Eritrea alle Staaten diese Charta
übernommen.
Im
Vergleich
mit
anderen
bekannten
Erklärungen
zu
Menschenrechten, wie etwa der European Convention on Human Rights deckt die
Afrikanische Charta eine breitere Fülle an Rechten ab. Allerdings gibt es keine
unmittelbare Referenz zu Minderheiten, die als solche definiert sind. Erst als 1994
die AU Versammlung der Staats- und Regierungschefs in ihrer Erklärung „the protection
of the ethnic, cultural, linguistic and religious indentity of all our peopel, including national minorities, and
181
Vgl. Arbeitsdefinition aus dem Bericht an die UN Sub-Commission on the Prevention of Discrimination of
Minorities von Martinéz Cobo (1986), in: International Work Group on Indigenous Affairs, Who are the indigenous
peoples, http://www.iwgia.org/sw310.asp.
89
the creation of conditions conductive to the promotion of this identity”182 verlangten, wurde man
auf die Minderheiten aufmerksam.
1999 wurden von der African Commission on Human and Peoples’ Rights (ACHPR)
drei Experten mit einer Studie zur Situation der Minderheiten in Afrika beauftragt.
Man kam zu dem Schluss, dass man eine Arbeitsgruppe einrichten müsste, die sich
mit der Situation der indigenen Völker in Afrika auseinandersetzt. Ihr Auftrag sollte es
sein, ein Konzept über die indigenen Völker zu erstellen und die Implementierung der
Afrikanischen Charta zu untersuchen.183
Trotzdem der Begriff Minderheit grundsätzlich vermieden wird, gibt es einige Artikel
der Afrikanischen Charta, die auch für Minderheiten eine erhebliche Bedeutung
haben bzw. für diese angewandt werden können. Der einzige Artikel, in dem die
ACHPR sich unmittelbar mit Minderheiten auseinandersetzt ist der Artikel 2, der die
Basis des Verbots der Diskriminierung darstellt. In diesem Artikel wird festgelegt,
dass die Rechte der Charta „without distinction of any kind such as race, ethnic group, colour,
sex, language, religion, political or any other opinion national and social origin, fortune, birth or other
status.“184 für jeden gültig sein müssen. In diesem Zusammenhang wurde auch betont,
dass diese Erklärung sich mit der, von den Vereinten Nationen beschlossenen,
Declaration on the Rights of Persons Belonging to National or Ethnic, Religious and
Linguistic Minorities deckt.
In der Charta ist auch verankert, dass jeder die gleiche Behandlung und den gleichen
Schutz vor dem Gesetz erhalten soll185 und, dass der Staat für den Schutz der
individuellen Werte und die Anerkennung derer durch den Rest der Gemeinschaft
verantwortlich ist186.
Die Kommission und die Charta umgehen neben der Definition einer Minderheit auch
die Definition von Volk. Dies lässt den Schluss zu, dass die, in der Charta
verankerten, Rechte auch für Minderheiten gelten. Schwierig wird die Frage, wenn es
zum Selbstbestimmungsrecht kommt. Die Einschränkung der Selbstbestimmung ist
dann gegeben, wenn es die territoriale Integrität eines Staates in Frage stellt. Nur in
einem Fall wurde die Selbstbestimmung bisher in Betracht gezogen, in der Provinz in
Katanga in ZAIRE, der heutigen Demokratischen Republik Kongo. Dabei wurde
allerdings, wie oben beschrieben, festgehalten, dass die Menschen von Katanga
182
Zitat aus Declaration on a Code of Conduct for Inter-African Relations, in: Pamphlet No.6 of the UN guide for
Minorities. Minority Rights under the African Charter on Human and Peoples’ Rights, S.1.
183
Vgl. Pamphlet No.6 S.1.
184
Zitat in: Pamphlet No.6, S.2.
185
Vgl. Artikel 3.
186
Vgl. Artikel 17.
90
eine teilweise Selbstbestimmung ausüben dürfen. Diese müsse allerdings mit der
nationalen Politik von ZAIRE konform gehen. Schließlich gibt es zum Thema
Entwicklung im Artikel 22 die Festlegung, dass alle Völker das Recht haben, sich
ökonomisch, sozial und kulturell frei zu entwickeln.187
Über die Rechte und Pflichten der Individuen wurden auch Artikel verfasst, die eine
Stärkung der Solidarität beinhalten. Ebenso sind die einzelnen Personen verpflichtet,
sich gegenseitig zu respektieren und jegliche Art von Diskriminierung zu
vermeiden.188
Trotz dieser Rechte gibt es auch Beschränkungen in der Charta, da einige Punkte
angeführt werden, die die Reichweite des Regelwerks beschränken können. So ist
es notwendig, dass die Rechte mit dem jeweiligen nationalen Recht konform gehen
müssen. Für dieses Faktum gibt es unterschiedliche Formulierungen in den
einzelnen
Paragraphen,
welche
allerdings
auch
einigen
Spielraum
für
Interpretationen lassen.189
Die ACHPR setzt sich aus elf Mitgliedern zusammen, die „chosen from amongst African
personalities of the highest reputation, known for their high morality, integrity, impartiality, and
competence in matters of human and peoples’ rights”190, und für sechs Jahre im Amt sind und
wieder gewählt werden können. Diese werden von ihren Regierungen nominiert und
arbeiten als individuelle Kommissare.191
Die ACHPR trifft sich zweimal pro Jahr für mindestens 15 Tage in jeweils einem
afrikanischen Staat und ist für die Kontrolle und Beobachtung der Implementierung
der Charta in den afrikanischen Staaten verantwortlich. Ihren Hauptsitz respektive ihr
Sekretariat hat sie in Banjul, Gambia, wo sie auch gegründet wurde. Der Sekretär
der ACHPR wird vom Generalsekretär der AU ernannt und präsentiert der
Generalversammlung einmal jährlich einen Bericht über die Aktivitäten des ACHPR.
Die
Entscheidungen
über
Resolutionen
werden
ebenfalls
in
der
Generalversammlung getroffen.192
Das Mandat der ACHPR ist sehr allgemein formuliert und sieht die Aufgaben der
Kommission darin, die Menschenrechte zu schützen, sie zu bestärken und die
Charta hinsichtlich der Auslegungen zu untersuchen. Die Methoden, die dazu
angewandt werden können, die Menschenrechte zu schützen, sind nicht genau
187
Vgl. Pamphlet No.6, S.2f.
Vgl. Artikel 28, Artikel 29.
189
Vgl. Pamphlet No.6,, S.3.
190
Zitat von der ACHPR (2007). Members, http://www.achpr.org/english/_info/members_achpr_en.html.
191
Vgl. ACHPR (2007). Members, http://www.achpr.org/english/_info/members_achpr_en.html.
192
Vgl. ACHPR. Rules of Procedure, http://www.achpr.org/english/_info/rules_en.html.
188
91
festgelegt. Es wird lediglich der Auftrag, diese zu schützen, angeführt. Bezüglich
einer möglichen Auslegung bzw. Interpretation muss ein Mitgliedstaat oder ein
Individuum diese einfordern. Hinsichtlich der Bewerbung der Menschenrechte, soll
die ACHPR Analysen und Untersuchungen durchführen, die sich mit den Problemen
in Afrika beschäftigen. Weiters sollen Seminare und Workshops zur Bildung im
Bereich Menschenrechte veranstaltet werden. Dabei wird auch darauf abgezielt, mit
internationalen Organisationen und Akteuren zusammenzuarbeiten und durch
Entwicklung von legislativen Maßnahmen, den Schutz der Menschenrechte zu
gewährleisten.193
Die Charta definiert nicht explizit, wer, außer den Mitgliedstaaten, die Beschwerde
einbringen kann. Dabei ist auch nicht spezifisch von Individuen und NGOs die Rede.
Vielmehr wird von so genannten „other communications“ gesprochen. Es ist
Individuen und NGOs, auch außer-afrikanischen, möglich, eine Verletzung gegen die
Charta anzuzeigen. Die Beschwerden müssen auch nicht mit dem Einvernehmen der
Opfer eingebracht werden. Grundsätzlich sieht die Charta sieben Kriterien vor, die
eine Beschwerde erfüllen muss, um von der ACHPR untersucht zu werden:
1. Die Beschwerde darf nicht anonym sein, allerdings darf der Name der
Geheimhaltung der Kommission unterliegen.
2. Die Beschwerde muss Verletzungen der gültigen Rechte unter der Charta
betreffen.
3. Die Beschwerde darf über keine politischen Inhalte und Hintergründe verfügen
und nicht in diffamierender Sprache verfasst sein.
4. Der Bericht darf nicht ausschließlich auf Medienberichten basieren, diese sind
jedoch zu Unterstützung der Beweislast zulässig.
5. Die Beschwerde muss in einer angemessen Zeit nach dem Rechtsbruch
übermittelt werden.
6. Die Kommission behandelt keinen bereits auf andere Weise gelösten Fall.
7. Die
Beschwerde
darf
erst
übersandt
werden,
wenn
alle
anderen
Beilegungsstrategien versucht bzw. durchlaufen wurden.194
Die Untersuchung basiert anfangs auf einer Phase der Kommunikation. Der Staat,
gegen den die Beschwerde erhoben wurde, wird aufgefordert zu den Vorwürfen
Stellung zu nehmen. Sollte der Staat dieser Aufforderung nicht nachkommen bzw.
193
194
Vgl. ACHPR, Mandate, http://www.achpr.org/english/_info/mandate_en.html.
Vgl. Pamphlet No.6, S.5f.
92
die Möglichkeit nicht nutzen, so kann die Kommission die Anschuldigungen als wahr
akzeptieren. Der Artikel 46 der Charta ermöglicht die ACHPR alle möglichen
Maßnahmen zur Aufklärung der Beschwerde zu ergreifen. Meistens werden die
betroffenen Parteien von der Kommission zu Anhörungen eingeladen. Wenn die
Treffen bzw. der schriftliche Informationsaustausch scheitert, so hat die ACHPR auch
die Chance vor Ort Untersuchungen durchzuführen. Nach den Untersuchungen wird
ein Bericht verfasst, der das Ergebnis der Kommission beinhaltet. Die Kommission
kommt zu ihrem Urteil und könnte dem Staat zu Kompensationszahlungen oder
anderen Maßnahmen raten. Die Entscheidungen haben allerdings keine zwingende
Bindung für die einzelnen Staaten. Auch, wenn die ACHPR nicht notwendigerweise
die Fälle durch Übereinkommen regeln muss, so ist das ihre bevorzugte
Herangehensweise. Die Ergebnisse werden nicht veröffentlicht, wodurch sie auch
nur schwer zugänglich sind, und die Arbeit der ACHPR kaum Beachtung fand bzw.
findet.195
Als NGO ist es möglich, einen Beobachterstatus zu erlangen. Als Voraussetzung für
eine Gewährleistung eines Beobachterstatus ist eine Übereinstimmung der Ziele des
NGOs mit den Ideen der Charta der AU und der Afrikanischen Charta über die
Rechte des Menschen und der Völker essentiell. Die Bewerbung für die
Genehmigung eines solchen Status muss mindestens drei Monate vor der Sitzung
eingereicht werden. Danach wird die NGO in seiner Struktur und seinen Aktivitäten
untersucht. Seit 1991 sind NGOs ständige Beobachter bei Sitzungen der ACHPR,
sind allerdings nicht in die Verteilung der Ergebnisdokumente eingebunden und
unterliegen einem strengen Verhaltenskodex während der Sitzungen. 196
195
196
Vgl. Pamphlet No.6, S.7f.
Vgl. Pamphlet No.6, S.8f.
93
4. Zentrale Fragestellungen
In wie weit ist in der Demokratischen Republik Kongo die Transition abgeschlossen,
wer sind die zentralen Akteure und Machtinhaber? Wie sieht dabei die Rolle der
Internationalen Gemeinschaft aus?
In wie weit sind die neu gegründeten Institutionen dazu in der Lage effektiv und
legitim zu arbeiten und wodurch wird ihre Arbeit behindert?
In wie weit sieht die neue Verfassung der Demokratischen Republik Kongo einen
effektiven Minderheitenschutz vor, wie wird Minderheit definiert und wie sieht die
realpolitische Situation aus?
In wie weit gelingt es den Pygmäen sich zu organisieren und wird ihre Organisation
durch interne Problemen (unterschiedliche Vorstellungen zwischen den Völkern,
mangelnde Homogenität etc.) oder mit externen Faktoren (Schwierigkeiten bei der
Kommunikation, Behinderung durch Behörden etc.) zu kämpfen?
4.1. Unterstützende Fragestellungen
Wie wird Minderheit international definiert und gibt es eine anerkannte Definition?
Wie weit ist die Internationale Gemeinschaft im Bereich Minderheitenschutz und wie
wird dies auf Nationalstaaten implementiert?
Wie entwickelte sich die die politische Landschaft in der Demokratischen Republik
Kongo bis zu ihrer heutigen Form?
Wodurch endete der Krieg und wer sind/waren die zentralen Akteure während des
Transitionsprozesses?
Wie sieht
die Gesellschaft der Pygmäen aus und in weit besteht ein
Gemeinschaftsgefühl innerhalb zwischen den einzelnen Stämmen?
94
Wie sieht das Verständnis von Macht und Politik bei den Pygmäen aus?
Mit welchen Problemen haben die Pygmäen zu kämpfen und durch wen bzw. worin
haben diese ihren Ursprung?
In wie weit besteht Interesse seitens der Pygmäen an der Problemlösung bzw. an
der politischen Ebene teilzuhaben und wie sehen die Möglichkeiten ihrer
Organisation aus?
4.2. Hypothesen
1. Durch den Mangel und die Schwierigkeit, sich auf eine gemeinsame und allgemein
gültige Minderheitendefinition zu einigen, ist es auch nicht möglich eine bestimmte
Strategie und ein Regelwerk zum Schutz von Minderheiten zu formulieren. Sowohl
der Schutz wie auch die Definition liegen in der freien Wahl der Staaten.
2. Die Demokratische Republik Kongo befindet sich trotz der Durchführung der
ersten freien Wahlen nach wie vor in einer Transition, da die derzeitige Regierung
und die anderen Institutionen über zu wenig Erfahrung auf politischer Ebene
verfügen und dadurch nicht effektiv zu arbeiten in der Lage sind.
3. Die Macht liegt nicht ausschließlich bei den durch die Wahlen bestimmten
Personen, da die Regierung und die mit ihr zusammenarbeitenden Institutionen
keine uneingeschränkte Souveränität über das gesamte Staatssystem ausüben
kann. Zudem sind die Einflüsse und der Druck der Internationalen Gemeinschaft ein
Faktor, der die Unabhängigkeit und die Macht der neuen Regierung in der DRC
einschränkt.
4. Durch die nach wie vor instabile Lage des Kongo, sind internationale Akteure
hinsichtlich ihrer Bemühungen und Aktivitäten sehr vorsichtig. Die internationale
Unterstützung beim Wiederaufbau des Landes ist gering und an viele Bedingungen
gebunden.
95
5. Die politische Landschaft in der Demokratischen Republik Kongo ist sehr stark
fragmentiert, wodurch sich entscheidende Reformen nur sehr schwer umsetzen
lassen und die politische Wiedergeburt des Staates nur sehr langsam vor sich geht.
6. Durch die Verfassung sind alle Minderheiten des Landes legal geschützt,
allerdings gibt es, da es keine Definition von Minderheit gibt, keinen wirksamen
Mechanismus zum praktischen Schutz dieser Gruppen.
7. Durch das System und die traditionelle Lebensweise der Pygmäen ist es ihnen nur
schwer möglich sich in ein politisches System einzugliedern bzw. daran teilzuhaben.
Lediglich eine geringe Elite versucht diese traditionellen Grenzen zu umgehen und
die Politik aktiv mitzugestalten.
8. Mangelnde Bildung und schwierige bis unmögliche Kommunikation der PygmäenStämme der unterschiedlichen Länder untereinander und mit der Außenwelt machen
eine effektive Organisation unmöglich.
9. Die unterschiedlichen Lebenssituationen und Probleme sowie die teilweise
Assimilierung von einzelnen Pygmäenstämmen in den verschiedenen Ländern
erschweren
die
Organisation
der
Pygmäen
untereinander
zusätzlich
und
beeinflussen die Homogenität des Volkes erheblich, wodurch ihre Position
geschwächt wird.
10. Durch die radikalen Einflüsse von außen auf das Leben und die Lebensweise der
Pygmäen sind diese gezwungen sich auf neue Situationen einzustellen, was ihnen
nur sehr schwer gelingt und wodurch sie vielfach ihre Identität verlieren.
11. Die Pygmäen fallen nicht unter den Schutz der Verfassung, da sie einerseits
größtenteils keine Staatsbürger sind und andererseits nicht unter den in der
Verfassung verwendeten Minderheitenbegriff fallen.
96
5. Probleme während der Arbeit
Während den Forschungen zu dieser Studie wurde deutlich, wie wenige
Informationen über die Pygmäen verfügbar sind bzw. wie gering der Wissenstand
über dieses Volk ist. Es gibt kaum Dokumente oder Texte, die aktuell sind und die
Situation der Pygmäen analysieren oder beschreiben. Die meisten Informationen
sind auf den Internetseiten von NGOs zu finden, wobei diese teilweise durchaus
kritisch zu hinterfragen sind. Da dies eine wissenschaftliche Arbeit darstellt, in der
subjektiv eine Situation analysiert werden soll, ist es mitunter gefährlich, Texte oder
Informationen zu verwenden, die von Organisationen stammen, die teilweise als
Propaganda bzw. zum Zweck der Finanzierung ihrer Projekte dienen. Da sich die
Texte und Berichte allerdings sehr stark ähneln, wurde versucht, die Fakten, die sich
nachprüfen lassen in diese Studie einzuarbeiten.
Es wurden für diese Arbeit keine offiziellen Interviews gemacht. Die ersten
Erfahrungen aus Gesprächen mit Einwohnern der DRC führten zu der Entscheidung
die Gespräche auf informeller Basis zu führen. Grund dafür war einerseits die
Warnung, dass während der Gespräche mit Kongolesen das Thema Pygmäen mit
Vorsicht zu genießen sei, da viele der Einwohner der DRC Vorurteile gegen das
Waldvolk hegen und es vielen Kongolesen unangenehm ist, über die Pygmäen zu
sprechen. Hintergrund, so wurde mir erklärt, ist die Tatsache, dass die Situation, in
der sich die Pygmäen befinden, allgemein bekannt ist, und viele Kongolesen dazu
tendieren, die Augen vor dieser Situation zu verschließen. Ich kann diese
Einschätzung aus meinen persönlichen Erfahrungen bestätigen und entschied mich
das Thema Pygmäen nur dann zu erwähnen, wenn ich es für bedenkenlos hielt.
In der wissenschaftlichen und politischen Diskussion über das Thema Minderheiten
kam in den in den 60iger Jahren ein neuer Begriff hinzu, die „Indigenous Peoples“,
die in weiterer Folge der Arbeit als Indigene Völker oder Eingeborenenvölker
bezeichnet werden. Indigene Völker sind in dem Dialog über die Rechte für
Minderheiten bereits als eigenes Themengebiet ausgegliedert. Hier wird allerdings
die Meinung vertreten, dass die indigenen Völker eine besondere Art Minderheiten
sind und aus diesem Grund nicht unabhängig vom Minderheitenschutz behandelt
werden sollten. Einer der Unterschiede bzw. notwendigen Erweiterung, die gemacht
werden müssen, um den Begriff Minderheiten auch Indigene Völker vollständig mit
einzubeziehen, ist die Frage des Rechtes auf Landbesitz. Da die Diskussion, ob
97
indigene Völker eine eigene Kategorie darstellen oder als Minderheiten behandelt
werden müssen, würde den Rahmen dieser Arbeite sprengen. Hier wird die Ansicht
vertreten, dass die Indigenen Völker in beinahe allen Fällen die Kriterien, die als
Grundlage zur Minderheitenbestimmung gelten und die Basis dieser Arbeit bilden,
erfüllen. Aus diesem Grund entschied sich der Autor, die Indigenen Völker in dieser
Studie auch als Minderheiten zu bezeichnen und den speziellen Aspekt des
Landrechts mit einzubeziehen, da dieser im Fall der Pygmäen einen zentralen
Problempunkt darstellt. In der Folge werden Indigene Völker, mit Ausnahme des
Kapitels über deren Definition, als Minderheiten bezeichnet.
98
6. Die Demokratische Republik Kongo (DRC)
Da es sich bei dieser Studie um eine Fallstudie einer bestimmten Minderheit in der
DRC handelt, wird in diesem Teil die Situation in der Demokratischen Republik
Kongo analysiert, die innerstaatliche politische Landschaft sowie die Beziehungen
zwischen den einzelnen Hauptakteuren der Politik untersucht und erklärt. Um
allerdings die heutige Situation untersuchen zu können, muss man auch die
historische Entwicklung aufbereiten. Da dies nicht das primäre Thema dieser Studie
darstellt und die historischen Entwicklungen der DRC sehr viele Facetten umfassen,
wird die Geschichte nur in groben Zügen dargestellt.
6.1. Geschichte
6.1.1.Entstehung des staatlichen Gebiets Kongo
Das Interesse an dem Kontinent Afrika als Siedlungsgebiet wuchs im 19.Jahrhundert
stetig und sehr schnell. Hintergrund dafür waren einerseits die industrielle
Entwicklung und andererseits die zunehmende Industrialisierung und die damit
verbundene Vielfalt an Möglichkeiten, die sich in Afrika boten, neue Produkte zu
entwickeln und auf den Markt zu bringen. Des Weiteren wurde der afrikanische
Kontinent zusehends und auch im Landesinneren erkundet und kartographiert. Otto
von Bismarck lud die Vertreter der wichtigsten Länder197 ein, um an einer Konferenz
zur Zusammenarbeit in Afrika teilzunehmen.
„Beim Umgang mit Barbaren ist die Despotie eine legitime Form der Regierung,
vorausgesetzt, sie bezweckt deren Besserung.“198
Diese wurde am 15.November 1884 eröffnet. Inhalt war die Aufteilung des
Kontinents, denn im Rahmen der Konferenz wurden Rechtsnormen beschlossen, die
den Erwerb einer Kolonie sowie die damit verbundenen Rechte und Pflichten
regelten. Da das Kongo-Becken das rohstoffreichste Gebiet in Afrika war, versuchten
197
Die Teilnehmerländer waren die USA, die Türkei, Deutschland, Österreich-Ungarn, Belgien, Dänemark,
Frankreich, Großbritannien, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien, Russland und Schweden-Norwegen
(Personalunion), in: Kongoakte in deutscher Übersetzung (1885). Band 0 93 Deutscher Reichstag,
http://mdz1.bib-bvb.de/cocoon/reichstag/Blatt_rtb093,0332.html.
198
Zitat John Stuart Mill, Essay on Liberty, in: Matthiesen, Kalala Illunga (2005). Die demokratische Republik
Kongo. Eine Analyse aus staatstheoretischer, verfassungsrechtlicher und völkerrechtlicher Sicht, Waxmann
Verlag GmbH, Münster, S.23, Fußnote 30.
99
alle Länder Einfluss darauf zu erlangen. Am Ende der Konferenz wurde die so
genannte Kongoakte unterzeichnet. Diese regelte den Zugang aller Nationen zum
Handel im Kongo-Becken und bedeutete einen privaten Triumph für Leopold II., dem
es
gelang,
seinen
privaten
Anspruch
auf
den
Kongo
mit
Hilfe
seiner
Kongogesellschaft zu rechtfertigen. Zu dieser Zeit wurde im Kongo die Idee des
Liberalismus aufgebaut, was bedeutete, dass Religions- und Versammlungsfreiheit
herrschte.199
Bis zum Jahr 1908 verfügte der Kongo über keine Verfassung. Die Hoheitsgewalt lag
ausschließlich beim König von Belgien, Leopold II., der auch die Verwaltungs- und
Militärbeamten ernannte, die ihm auch direkt unterstanden. Seine Regentschaft und
die damit verbundenen Methoden wurden vielfach und weltweit kritisiert, was auch
dazu führte, dass er schließlich sein Privateigentum Kongo aufgab. Er übergab es
dem belgischen Staat und handelte dem belgischen Staat eine hohe Kommission
ab.200 Kurz vor der endgültigen Übergabe vernichtete er alle seine Kongo-Akten.201
„Ich werden ihnen meinen Kongo geben aber sie haben kein Recht zu erfahren, was ich dort getan
habe.“202
6.1.2. Die Kolonialzeit 1908 – 1960
Am 15.November 1908 wurde aus dem Freistaat Kongo offiziell eine belgische
Kolonie mit Namen „Congo Belge“203. Die Gesetzgebungsgewalt lag nach wie vor in
Belgien, doch mittlerweile im Parlament. In der kolonialen Charta war das politische
Statut des Belgisch-Kongo verankert, das gleichzeitig auch als Verfassung diente.
Die Verwaltung der Kolonie oblag dem Kolonialministerium, welches sich in sechs
Referate gliederte. Vor Ort befand sich ein Generalgouverneur, der dem BelgischKongo vorstand und seinen Sitz in Léopoldville (dem heutigen Kinshasa) hatte..204
Die Artikel 2-5 der Verfassung enthielten die Grund- und Freiheitsrechte der
Einwohner des Kongo. Allerdings wurden die Kongolesen gegenüber den Belgiern
199
Vgl. Matthiesen, S.23f.
Vgl. Follath, S.73. Erich (2007). Land der Finsternis, in: Spiegel Special. Geschichte. Afrika. Das umkämpfte
Paradies 2/2007, Spiegel – Verlag Rudolf Augstein GmbH& Co KG, Hamburg, S.73.
201
Vgl. Matthiesen, S.25.
202
Zitat Leopold II., in: Hochschild, Adam (2001). Schatten über dem Kongo. Die Geschichte eines großen, fast
vergessenen Menschheitsverbrechen, Klett-Cotta, Freiburg, S.414.
203
In weiterer Folge als Belgisch-Kongo bezeichnet. (Anm. d. Autors)
204
Vgl. Kanu, Gertrud/ Indongo-Imbanda, Iseewanga. Geschichte Kongo I, http://www.kongokinshasa.de/geschichte/geschichte2.php.
200
100
nicht als gleichberechtigt angesehen. Grundsätzlich sah die Kolonialverwaltung eine
Unterordnung der Einheimischen vor, wofür es allerdings Ausnahmeregelungen gab.
So wurde etwa Kongolesen, die eng mit den Belgiern zusammenarbeiteten, ein
beschränktes Recht auf Partizipation an der politischen Sphäre eingeräumt. Zudem
blieb den Häuptlingen und traditionellen Stammesführen ihre Autorität in lokalen und
prinzipiell unwichtigen Dingen grundsätzlich erhalten, und sie konnten nach der
traditionellen Rechtssprechung entscheiden. Der staatliche Verwaltungsapparat
kümmerte
sich
hauptsächlich
um
den
Erhalt
der
Ordnung
und
diverser
Sicherheitsmaßnahmen.205
Während der Herrschaft von Léopold II. gelang es ihm im Kongo den, auf der
Berliner Konferenz vereinbarten freien Handel in der Region, latent zu unterwandern
bzw. zu umgehen. Grund dafür war einerseits, dass der Staat ein Monopol etabliert
hatte, das für die wichtigsten Exportgüter galt. Zudem wurde mit Hilfe zweier Dekrete
die Vorherrschaft auf die ländlichen Gebiete und die Arbeit der Einheimischen
gesichert. Von dieser Einschränkung der Handelsfreiheit profitierte auch der
Belgisch-Kongo, und dieses Modell fand auch in einer späteren Regierungsperiode
des Kongo noch einmal Anwendung.206
6.1.3. Unabhängigkeit 1960 – 1965 oder die Kongowirren
Durch die Machtübernahme der Liberalen in Belgien kam es in den 50iger Jahren zu
einigen Reformen im Belgisch-Kongo, die eine Gleichstellung der autochthonen
Bevölkerung gewährleisten sollten jedoch praktisch ohne Effekt blieben. Zur selben
Zeit schritt die Entkolonialisierung zusehends voran, wobei Belgien die Dynamik
dieses Prozesses verkannte. Ein Artikel eines belgischen Professors, der die
Entkolonialisierung
forderte
Artikel
wurde
im
Belgisch-Kongo
zum
Anlass
genommen, die eigenen Ideen eines unabhängigen Staates zu formulieren. So
wurde von kongolesischen Intellektuellen unter der Führung von Joseph Ileo207, und
unter der Schirmherrschaft von Kardinal Abbé Malula, dem Erzbischof von Kinshasa,
ein Manifest mit dem Titel „Manifeste de la conscience africaine“ veröffentlicht, in
dem auch vehement die mittelfristige Unabhängigkeit des Kongo gefordert wurde.
205
Vgl. Matthiesen, S.27.
Vgl. Matthiesen, S.29.
207
Joseph Ileo war später auch Ministerpräsident von 5.9.1960 bis 2.8.1961 und von 1990 bis zu seinem Tod
1994. (Anm. d. Autors)
206
101
Diese Veröffentlichung löste eine Diskussion aus, und es gab ein wichtiges
Gegenmanifest der Gruppe ABAKO (Allianz von Bakongo), das die unmittelbare
Unabhängigkeit, die sofortige Erteilung der politischen und individuellen Rechte
sowie die Erlaubnis zur Gründung von Parteien forderte.208
Um diese Manifeste zu entkräften und den Ideen etwas entgegenzuwirken,
präsentierte der belgische König Baudouin I. die Idee einer belgisch-kongolesischen
Gemeinschaft. Er erließ das Recht auf freie Meinungsäußerung und freie
Meinungsbildung sowie die Erlaubnis zur politischen Betätigung. Es wurden vier
Parteien gegründet; die ersten Wahlen fanden allerdings erst drei Jahre vor der
Unabhängigkeit statt und beschränkten sich auf die drei großen Städte Léopoldville
(Kinshasa)209, Elisabethville (Lubumbashi) und Jadotville (Likasi). Nach diesen
Wahlen wurde die Parteilandschaft im Kongo zusehends fragmentierter, und es
wurden laufend neue Parteien gegründet. Es kam immer wieder zu neuen auch
teilweise gewaltsamen Auseinandersetzungen. Zudem waren die Parteien von einem
starken ethnischen Partikularismus geprägt und hatten bis auf die Forderung nach
der Unabhängigkeit des Kongo wenige bis keine Gemeinsamkeiten hatten.
Grundsätzlich konnte man die Parteien allerdings zwei Strömungen zuordnen. Auf
der einen Seite gab es den Block, der auch die Föderalisten genannt wurde, der sich
für eine sofortige Unabhängigkeit der Provinz Léopoldville aussprach und das
restliche Volk als noch nicht bereit für eine sofortige Unabhängigkeit sah. Dem
gegenüber stand der Block der Unitaristen, die sich für einen zentral regierten Kongo
aussprachen.210
Zu Beginn des Jahres 1960 trafen sich 155 Delegierte211 und 16 unabhängige
Berater zu einem Runden Tisch in Brüssel, um die Frage der Unabhängigkeit des
Kongo zu klären. Dabei nahmen die Parteien eine einheitliche Position ein und
koordinierten ihre Interessen. Zudem gaben sie den anwesenden Investoren die
Zusage,
die
Bildung
einer
totalitären
demokratisches Staatssystem aufzubauen.
Regierung
zu
verhindern
und
ein
212
So wurde der Kongo nach den Grenzen, die bei der Berliner Konferenz vereinbart
wurden, in die Unabhängigkeit entlassen, deren Datum mit dem 30.Juni 1960
festgelegt wurde. Den Unitaristen gelang es auch, die Teilnahme von Patrice
Lumumba, der zum damaligen Zeitpunkt bereits ein halbes Jahr inhaftiert war, weil
208
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo I.
Die Namen in den Klammern sind die heutigen Namen der Städte. (Anm. d. Autors)
210
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo I.
211
100 Kongolesen und 55 Belgier. (Anm. d. Autors)
212
Vgl. Matthiesen, S.29.
209
102
die Belgier versuchten seinen Aufstieg zu verhindern, durchzusetzen.213 Die ersten
Wahlen fanden noch vor der Erlangung der eigentlichen Unabhängigkeit am 25.Mai
1960 statt und wurden von Unruhen und gewalttätigen Auseinandersetzungen
begleitet. Das Ergebnis sah schließlich Joseph Kasavubu als Präsidenten und
Patrice Lumumba als Premierminister vor, und die in Belgien ausgehandelte
Verfassung trat in Kraft. Diese sah einen Föderalstaat mit einem Mehrparteiensystem
vor.214
Die faktische Unabhängigkeit dauerte nicht allzu lange, da der junge Staat nicht fähig
war, die auf ihn zukommenden Probleme zu lösen bzw. ihnen entgegenzuwirken.
Diese Situation wurde von den Belgiern gezielt hervorgerufen, da man seitens
Belgiens hoffte, im Fall von Problemen zu Hilfe gerufen zu werden.215
Die Regierung Lumumba hatte keine Gelegenheit, eine stabile und funktionierende
politische Sphäre für eine wirtschaftliche und soziale Basis zu schaffen, da sich die
staatliche Basis sukzessive auflöste, und die Einigung der Regierung schnell
abnahm.216
Das Militär lehnte sich gegen die Regierung auf, da man sich ungerecht behandelt
fühlte und kritisierte, dass die Gleichberechtigung nicht innerhalb des Militärs
angewandt wurde. Unmittelbarer Auslöser für die Kongowirren war der Konflikt von
General Janssens und seinen Soldaten. Es folgten die Besetzung mehrerer Städte
und offene Konflikte mit der belgischen Armee. In weiterer Folge erklärte Moise
Tshombe, ein Sezessionistenführer, Katanga, die rohstoffreichste Provinz des
Kongo, für unabhängig. Die Folge war ein Krieg zwischen den belgischen Truppen in
der Katanga–Provinz und der nationale Armee. Doch auch innerhalb der Regierung
kam es zu Spannungen zwischen Präsident Kasavubu und Lumumba.217
Auch internationale Politik spielte eine wichtige Rolle im Kongo, da der inzwischen
ausgebrochene Kalte Krieg sich auch in Afrika zeigte. Sowohl die USA wie auch die
Sowjetunion wollten den Kongo aufgrund seiner Rohstoffe um jeden Preis und
versuchten, ihren Einfluss geltend zu machen. Seitens der Sowjetunion versuchte
man, Lumumba zu überzeugen, sich auf die russische Seite zu schlagen. Obwohl
den Amerikanern bekannt war, dass Lumumba ein Nationalist war und keine großen
213
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo I.
Vgl. Matthiesen, S.29f.
215
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo II. http://www.kongo-kinshasa.de/geschichte/geschichte3.php.
216
Vgl. Matthiesen, S.30.
217
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo II.
214
103
Sympathien für den Kommunismus hegte, wurde man in den USA unsicher und
unterstellte Lumumba die Kooperation mit den Kommunisten.218
Noch im Juli 1960 beschloss man in den Vereinten Nationen UN-Truppen in den
Kongo – respektive nach Katanga – zu entsenden und forderte den gleichzeitigen
Abzug der belgischen Truppen. Die Gräben zwischen Kasavubu und Lumumba
waren so tief, dass es schließlich im Herbst 1960 zur gegenseitigen Entlassung kam.
Dieses Machtvakuum wurde von Joseph Désiré Mobutu, der zum damaligen
Zeitpunkt Staatssekretär war, ausgenutzt, und er übernahm im Namen der Armee die
Macht.219
Lumumba, der sich auf dem Weg nach Stanleyville befand, wurde von Mobutus
Soldaten mit der Unterstützung der USA, die ihre Hubschrauber zu Verfügung
stellten, verhaftet. Nach einiger Zeit wurde er nach Katanga gebracht, wo er
ermordet wurde. Die genauen Umstände seines Todes sind bis heute unklar. Wie
weit die Unterstützung der USA ging ist nicht restlos geklärt. Ebenso ist nicht ganz
eindeutig, welche Rolle die UNO in diesen Tagen spielte. Viele meinen, dass man ihr
in der Position von Dag Hammarskjöld auch eine gewisse Teilschuld geben
müsse.220 Tatsache ist, dass die Ermordung Lumumbas nicht absolut gegen die
Interessen der UNO zum damaligen Zeitpunkt war.221
In den folgenden vier Jahren wurden die verschiedensten Sezessionsversuche und
Krisen aufgrund von UNO-Interventionen oder durch Mobutus Armee beendet
respektive abgewandt. Bis 1965 beschränkte sich Mobutu auf seine militärische
Position. Erst als sich die von Tshombe 1964 gebildete Regierung als sehr instabil
herausstellte und sich Präsident Kasavubu und Premierminister Tshombe zerstritten
hatten, nutzte Mobutu die Situation und übernahm durch einen unblutigen
Militärputsch am 25.Oktober 1965 die Macht im Kongo und verbot für fünf Jahre
jegliche politische Aktivitäten.222
218
Vgl. Follath, S.73f.
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo II.
220
Vgl. Witte, Ludo de (2001). Regierungsauftrag Mord. Der Tod Lumumbas und die Kongokrise, Forum-Verlag,
Leipzig.
221
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo II;Follath, S.74.
222
Vgl.
Kanu/Indongo-Imbanda,
Geschichte
Kongo
III,
http://www.kongokinshasa.de/geschichte/geschichte4.php; Follath, S.74.
219
104
6.1.4. Die Zweite Republik – Mobutus Herrschaft
Nach seiner Machtübernahme änderte Mobutu seinen Namen in Mobutu Sese Seko
Kubu Ngbendu wa za (Waza)223 Banga224. Die Unterstützung der Nationalisten und
ehemaligen Anhängern von Lumumba sicherte er sich durch scheinbare Sympathie
für die Politik Lumumbas, den er zum Nationalhelden erklärte.225 Er spielte bereits zu
Beginn seiner Herrschaft sehr stark mit der Angst der Menschen, die ihn umgaben
bzw. in der politischen Sphäre tätig waren. So setzte er etwa Minister ein, die, wenn
sie sich zu sicher fühlten und selbstständig zu handeln begannen, wieder entlassen
wurden. Mobutu sah den Staat als sein Privateigentum und bediente sich auch
regelmäßig an der Staatskasse. Diese war teilweise noch durch die Politik von
Léopold II. gefüllt.226 Das politische System bestand größtenteils aus der
Einheitspartei Mouvement populaire de la revolution (MPR), die auch gleichzeitig als
eine Institution angesehen werden kann. Die zentralen und wichtigsten Organe der
MPR waren der Gründer-Präsident (Président-Fondateur) selbst, der Kongress, das
Politbüro sowie das Zentral- und Exekutiv-Komitee. Das Parlament (Conseil legislativ
national) wurde für fünf Jahre gewählt und bestand aus, ausschließlich von der
Parteiführung aufgestellten Volkskommissaren (Commisaires du Peuple). Zudem
gab es noch regionale Parlamente. Die Kontrollaufgaben des Parlaments waren
faktisch außer Kraft gesetzt und die Verteilung der Gewalten nicht vorhanden, da der
Präsident
eigene
Vorstellungen
von
Rechtsstaatlichkeit
durchsetzen
und
verwirklichen wollte.227
Mobutus Ziel, den Kongo kulturell unabhängig228 zu machen, stand zuerst im
Schatten des Erreichens des Ziels der Erlangung der politischen und wirtschaftlichen
Unabhängigkeit. Die Ideen Mobutus waren deutlich in die Richtung orientiert, wonach
die wirtschaftlichen Geschäfte in seiner Hand liegen sollten. Im Jahr 1967 wurde
auch das Gesetz Bakajika erlassen, das der Republik die Vollmacht über jegliche
Staatsgüter und die absolute Hoheit über alle Gebiete, Minen und Forste des
gesamten Staatsgebiets verlieh.. Diese und andere Aktionen waren der Beginn der
223
In unterschiedlichen Quellen gibt es unterschiedliche Schreibweisen für den Namen. (Anm.d. Autors)
Sein Name wird mit zwei Bedeutungen übersetzt. 1.„allmächtiger Krieger, der durch seine Ausdauer eine
Eroberung an die andere reiht“ und 2.„der starke Hahn, der keine Henne unbestiegen lässt“, in: Follath, S.74.
225
Vgl. Matthiesen, S.31.
226
Vgl. Follath, S.74.
227
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo III.
228
Die kulturelle Unabhängigkeit wollte Mobutu durch Authentizität erreichen. Authentizität ist das Konzept der
Klärung zwischen dem Verhältnis der afrikanischen Kultur zur europäischen Kultur. Konkreter wurde eine
Rückbesinnung auf die afrikanischen Werte gefordert, in: Kopfmüller, Simone (1999). Politische Ideen zur
Unabhängigkeitsbewegung, in: Informationen zur politischen Bildung, Nr.264, München, S.35-37.
224
105
Verstaatlichungsperiode und ermöglichten durch diverse Gesetzesänderungen auch
die teilweise aktive Beteiligung der Kongolesen an der Ausbeutung des
Mineralienreichtums. Am 24.Juni 1967 wurde die Verfassung, die im Vergleich zu
den vorangegangenen sehr revolutionär war, verabschiedet. Darin war neben der
wirtschaftlichen Unabhängigkeit auch die gleichmäßige Verteilung des Reichtums
verankert, wodurch Jeder Wohlstand erlangen könnte und die Möglichkeit haben
sollte, sich moralisch und geistig zu entfalten.229
Die Verfassung sah auch ein Ein-Parteien-System vor, wodurch sich Mobutu seine
politische Unantastbarkeit sicherte. Während seiner Reisen durch das Land
inszenierte er sich als Landesvater, der sich fürsorglich um seine Landsleute
kümmerte. Er spielte auch sehr stark mit der Authentizität, für die er sich selbst
verantwortlich sah. Im Mai 1967 veröffentlichte er das Manifest von N’Sele. Neben
der Gründung der Einheitspartei MPR definierte dieses Manifest auch die neue
politische Philosophie des Landes. Darin ging es um die Authentizität. Inhaltlich war
es eine Verherrlichung der vorkolonialen Strukturen und Werte. Das Land wurde in
diesem Zug am 21.Oktober 1971 in Zentralafrikanische Republik (ZAIRE)
umbenannt, eine neue Flagge entworfen und die Nationalhymne geändert. 1972
wurden alle christlichen Vornamen geändert und im ganzen Land wurden Anzüge
abgeschafft und gegen traditionelle Kleidung getauscht. Die Schwierigkeiten, die
hinter der Authentizität, wie sie Mobutu im Kongo zur Ideologie machen wollte,
steckten, konnten nie ganz kaschiert werden. Der Kongo war in seiner Geschichte
ein
multikultureller
Staat
und
beherbergte
viele
verschiedene
unterschiedlichsten Traditionen, Sprachen und Geschichten.
Völker
mit
230
Seinen Status innerhalb des Landes konnte Mobutu durch seine enorme
Ausstrahlung und ein strenges Regime erhalten. So ließ er 1966 vier Putschisten vor
ein Militärgericht stellen, das binnen weniger Tage das Todesurteil verhängte,
welches vor 50.000 Menschen durch Aufhängen vollstreckt wurde. Jeden Abend
erschien Mobutu im Fernsehen, um zu seinem Volk zu sprechen. Er stellte sich dabei
als aus dem Himmel herabblickender – manchmal streng, manchmal freundlich –
Vater des Volkes dar.231
Außenpolitisch war Mobutu sehr stark mit den Amerikanern verbunden. Das Regime
Mobutus unterstützte auch die Opposition UNITA232 in Angola, welche die
229
Vgl. Matthiesen, S:32f.
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo III.
231
Vgl. Follath, S.74.
232
Union pour l’indépence totale de l’Angola. (Anm. d. Autors)
230
106
sozialistisch-kommunistische Regierung des Landes bekämpfte. Mobutu versorgte
die UNITA mit Waffen und wurde dabei auch von der CIA233 unterstützt. Die
Unterstützung
lag
auch
daran,
dass
es
im
Kongo
Vorkommen
von
atomwaffenfähigen Uranium sowie anderen wichtigen Rohstoffen gab. Aus diesem
Grund förderten die USA den Kongo und somit Mobutu mit mehreren Millionen Dollar
pro Jahr.234 Mobutu war allerdings keineswegs eine Marionette der Amerikaner, denn
es gelang ihm im Laufe seiner Herrschaft diese zu manipulieren, um so mehr Profit
für sich herauszuschlagen. Etwa drohte er, als ihm die Wirtschaftshilfe zu gering war,
sich dem Kommunismus anzunähern, woraufhin er von den Amerikanern mehr
Unterstützung erhielt. Er stellte den USA auch einen Luftwaffenstützpunkt zu
Verfügung, brüskierte sie aber gleichzeitig immer wieder durch verbale Ausfälle. Das
Ende des Kalten Krieges ist gleichbedeutend mit dem Anfang des Endes der Ära
Mobutu. 235
In den Jahren vor dem Ende des Kalten Krieges war Mobutu auch gezwungen, die
Wirtschaft des Landes in eine andere Richtung zu lenken. Da die öffentlichen und
verstaatlichten Unternehmen des Landes scheiterten, war er gezwungen, die
Bedingungen des Internationalen Währungsfonds (IMF) und der Weltbank zu
akzeptieren und private Unternehmen durch die öffentliche Hand des Staates zu
fördern. Da sich im Kongo an sich wenige wettbewerbsfähige Firmen befanden,
wurde durch eine starke Liberalisierung des Marktes der Weg für ausländische
Investoren frei gemacht. Die wirtschaftliche Lage des Kongo litt ebenso unter den
geringen Rohstoffpreisen, die zu diesem Zeitpunkt am Weltmarkt herrschten wie
unter
den
stark
reduzierten
finanziellen
Unterstützungen
der
ehemaligen
Kolonialmacht Belgien und der USA, die nach dem Ende des Kalten Krieges kein
Interesse bzw. keinen Vorteil darin sahen, den Kongo zu unterstützen. Das
internationale
Image
des
Kongo
war
von
Korruption
geprägt,
und
die
Staatsverschuldung wuchs bis 1990 auf 8,6 Milliarden Dollar236. Die gebildete Elite
und die Opposition waren durch die internationalen Medien über die Situation
informiert. Die Mittelschicht war im Laufe der Jahre völlig verschwunden, und es gab
nur noch eine kleine reiche Elite und den Rest des Landes, der in Armut lebte.
Menschen wurden regelmäßig Opfer von Übergriffen der Division Spéciale
233
Central Intelligence Agency. (Anm. d. Autors)
Vgl. Matthiesen, S.36.
235
Vgl. Follath, S:74.
236
Das war rund 90% des damaligen Bruttoinlandprodukts (BIP), in: Matthiesen, S.134.
234
107
Présidentielle (DSP), und die Arbeitslosigkeit stieg rapide an, um nur einige
Probleme der damaligen Situation zu nennen.237
All diese Faktore trugen erheblich dazu bei, dass Mobutu dem internationalen
Drängen nach der Demokratisierung schließlich nachgeben musste. Es erfolgte die
Gründung autonomer Gewerkschaften, die Pressefreiheit und die Erlaubnis für
Aktivitäten von Studentenbewegungen erteilten. Die Zeitungen, die hautsächlich in
der Hauptstadt Kinshasa publiziert wurden, übten ständig herbe Kritik an der
Regierung,
woraufhin
sich
immer
wieder
Repressalien
und
Einschüchterungsversuche ereigneten. Zudem versuchte der Staatschef, das
Unvermeidliche
–
seine
Übergangsregierungen,
von
Absetzung
ihm
–
durch
befohlene
eine
von
Plünderungen
ihm
und
ernannte
organisierte
Einkaufstrips nach Europa hinauszuzögern.238
Die anfänglich begrenzte Zahl von Parteien wurde schnell hinfällig, da sich unzählige
Gruppierungen zusammen schlossen und neue Parteien gründeten. Mobutu wollte
dem entgegenwirken, indem er selbst die Unterstützung einiger neu gegründeter
Parteien vorantrieb, damit diese später die MPR unterstützten bzw. sich mit ihr
zusammenschlossen.
Parteienlandschaft,
Die
worauf
Folge
die
war
eine
wichtigsten
völlige
Zersplitterung
Oppositionsparteien
mit
der
einem
Zusammenschluss, der Heiligen Allianz, reagierten. Diese setzte Mobutu durch ihre
Forderung nach einer souveränen nationalen Konferenz unter Druck, welcher dieser
1991 auch nachkam. Bei der Einberufung kam es jedoch zu Ungereimtheiten, da die
unterschiedlichen Regionen unterschiedlich proportional repräsentiert waren. Es wird
vermutet, das diese Zusammenstellung willkürlich war, um später einen Grund für
ihre Auflösung anführen zu können, welche 1992 von Mobutu vollzogen wurde. Die
darauf folgenden Unruhen und Auseinandersetzungen forderten mehrere Tote, und
Mobutu war gezwungen, auf den internationalen Druck zu reagieren und die
souveräne Nationalkonferenz wieder einzuberufen. Faktisch hatte allerdings auch
zum damaligen Zeitpunkt der Präsident noch die Macht und Befehlsgewalt über
sämtliche Exekutivorgane und wurde zudem von seiner Leibgarde der DSP vor
diversen Attentaten beschützt.239
Der
Nationalversammlung
gelang
es
schließlich
trotz
der
nach
wie
vor
vorherrschenden Uneinigkeit 1994, neben der Ausarbeitung einer neuen Verfassung
für die dritte Republik eine Übergangsregierung zu bestimmen und die Mitglieder des
237
Vgl. Matthiesen, S.36f. u. S.132ff.
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo III.
239
Vgl. Matthiesen, S.60ff.
238
108
Parlaments durch Wahlen einzusetzen. Diese Verfassung sah, wie auch schon die
Verfassung von 1960 eine demokratische Regierungsform für den Kongo vor:
„Soucieux de restaurer les valeurs morales et spirituelles, de garantir notre
indépendance politique, économique et culturelles, …das le cadre du projet de la
nouvelle société démocratique; …“240
Die Gültigkeit dieser Verfassung wurde mit der Dauer von 15 Monaten begrenzt und
sollte mit dem 9.April in Kraft treten. Nach Ende der Gültigkeit der Verfassung sollte
auch das Mandat Mobutus am 9.Juni 1995 enden.241 Innerhalb dieser Zeit war
geplant, auf allen Ebenen Wahlen durchzuführen. Allerdings kam es durch
unterschiedliche
Auffassungen
zum
Streit
zwischen
dem
Präsidenten
der
Übergangsregierung und dem Übergangsparlament über die Auslegung von Artikeln.
Denn in Artikel 118 und 119242 waren die Amtszeiten der Institutionen und des
Präsidenten unbestimmt definiert und sollten bis zum Amtsantritt eines gewählten
Parlaments respektive eines gewählten Staatspräsidenten dauern. Die geplanten
Wahlen fanden nicht statt, wodurch der Plan, den Kongo mit Hilfe der Verfassung in
die dritte Republik zu führen, scheiterte.243
Das Ende Mobutus kam schließlich abrupt. 1996 wurde die Alliance des Forces pour
la Démocratie et la Libération du Congo-Zaire (AFDL) bestehend aus verschiedenen
Gegnern Mobutus unter der Schirmherrschaft von Ruanda und Uganda, gegründet.
Das Bündnis, das ursprünglich zur Grenzsicherung gedacht war, entwickelte eine
Eigendynamik. Es hatten aber auch viele andere afrikanische Länder Interesse
daran, Mobutu abzusetzen, weshalb sie die AFDL auch aktiv unterstützten.244 Die
Amerikaner duldeten die Rebellion, die nach acht Monaten – größtenteils unblutig –
in der Absetzung Mobutus 1997 ihr Ende fand. Dieser erlag drei Monate später im
Exil in Marokko seinem Krebsleiden. Der Führer der AFDL Laurent Désiré Kabila
wurde am 29.Mai 1997 als Präsident vereidigt.245
240
Zitat aus Préambule de Acte Constitutionel de la Transistion de la Republique du ZAIRE (1994).
http://fr.wikisource.org/wiki/Acte_constitutionnel_de_la_transition_de_la_R%C3%A9publique_du_Za%C3%AFre_
(1994-1997).
241
Vgl. Artikel 53 und 93 des Acte Constitutionel de la Transistion de la Republique du ZAIRE (1994).
242
Acte Constitutionel de la Transistion de la Republique du ZAIRE (1994).
243
Vgl. Matthiesen, S.122ff.
244
Auf Seiten der AFDL waren auch Burundi, Angola und Zimbabwe. Teilweise fanden sich auch Söldner aus
Eritrea und Äthiopien unter den Truppen. Mobutu wurde vom Sudan, Frankreich, Kuweit und Togo unterstützt, in:
Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo III.
245
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo III.
109
6.2. Die Transition der Demokratischen Republik Kongo
Bereits in den letzten Jahren der Herrschaft von Mobutu waren die ersten Anzeichen
eines Liberalisierungsprozesses zu erkennen. Die Liberalisierung stellt auch nach
der Transitionstheorie den ersten Schritt einer Demokratisierung dar. Mobutu war
gezwungen, das Organisationsverbot aufzuheben, die teilweise Pressefreiheit
einzuführen, den wirtschaftlichen Raum zu öffnen und die Ein-Parteien-Landschaft
zu pluralisieren. Diese Schritte sind typische Merkmale des beginnenden
Systemwandels, wie er in der Transitionstheorie erklärt wird. Damit begann die
Transition in der Demokratischen Republik Kongo, die sich in mehrere Phasen
gliedert.
6.2.1. Erste Phase der Transition
6.2.1.1. Die Herrschaft Laurent Désiré Kabilas: Altes, neu verpackt
Kabila, der nach seiner führenden Rolle beim Sturz von Diktator Mobutu, zum
Präsidenten vereidigt wurde, wurde zu Beginn seiner Machtübernahme als Befreier
angesehen und gefeiert. Er erließ kurz nach seinem Amtsantritt ein Dekret 003, das
noch im Mai Kraft trat.246 Darin wurde er als Präsident mit allen Befehlsgewalten
ausgestattet, und die gesamte Staatsgewalt lag in seiner Hand. Zudem wurden
jegliche politische Aktivitäten verboten247, und er beförderte alle existierenden
politischen Parteien ins politische Abseits. Die Hoffnungen auf eine Demokratisierung
des Landes und somit einen Neuanfang zerschlugen sich schnell, da durch den
Erlass dieses Dekrets deutlich wurde, dass es wieder eine Militärdiktatur geben
würde. Auch die wirtschaftliche Situation verbesserte sich nicht, da auf notwendige
Reformen verzichtet wurde.248
Die Situation wurde noch zusätzlich verstärkt, da es den militärischen Unterstützern
von Kabila gelang, sich wichtige Positionen im Staat zu sichern. So genannte
Schlüsselpositionen wurden von kongolesischen Tutsi oder Banyamulenge, einem
Volkstamm, der mit den Tutsi aus Ruanda und Burundi verwandt ist, besetzt.
246
Vgl. Matthiesen, S.38f.
Vgl.
Decrét-loi
003/97
de
la
République
démocratique
du
http://fr.wikisource.org/wiki/D%C3%A9cretloi_003/97_de_la_R%C3%A9publique_d%C3%A9mocratique_du_Congo_%281997%29.
248
Vgl. Follath, S.75.
247
Congo
(1997).
110
Hintergrund
für
diesen
Schachzug
war
die
Absicht
Ruandas,
die
Hutu-
Flüchtlingslager im Osten des Landes zu zerstören. In diesen Lagern befanden sich
viele Milizen, die für das Massaker in Ruanda von 1994 verantwortlich waren. Die
ruandische Armee unternahm ihre Kriegszüge auf kongolesisches Gebiet von
Ruanda aus und tötete 1996 und 1997 auf diesem Weg 200.000 Hutu-Flüchtlinge.
Ein Versuch der UN, diese Verbrechen aufzuklären wurde von Kabilas Regierung
erfolgreich verhindert. Die Opposition versuchte vergeblich, durch vehemente
Forderungen, den Präsidenten zum Einlenken zu zwingen und mit der UNO
zusammenzuarbeiten, doch das unkooperative Handeln des Kongo isolierte das
Land auf internationaler Ebene zusehends. Als Reaktion auf diese Entwicklung, die
nach wie vor schlechter werdende Wirtschaftslage und den massiven Widerstand
gegen seine Regierung, lockerte Kabila seine unantastbare Machtstellung und
suchte den Dialog mit der Opposition. Er berief eine konstitutionelle Kommission ein,
die einen Verfassungsvorschlag entwarf und einen detaillierten Zeitplan für die
Durchführung dieser Reformen vorlegte.249
6.2.1.2. Veränderung der politischen Landschaft unter Laurent-Desiree Kabila
Laut diesem Plan sollte im April 1998 ein Parlament einberufen und zwei Monate
später vom Präsidenten vereidigt werden. Die Verfassung sollte nach der
Legitimation durch eine Volksabstimmung im Dezember desselben Jahres in Kraft
treten. Außerdem sollte eine Volkszählung durchgeführt werden, damit die
Volksabstimmung sowie spätere Wahlen ihre Gültigkeit haben würden. Als
Staatsform wurde ein präsidiales System angestrebt, wobei der Präsident ein
fünfjähriges Mandat haben sollte und es keinen Premierminister gäbe. Dafür wurde
der Posten eines Vizepräsidenten eingeführt. Die Minister der Regierung sollten
keinem Misstrauensvotum ausgesetzt sein und dem Parlament gegenüber nicht
verantwortlich sondern lediglich vom Präsidenten abhängig sein. Das Parlament
sollte vom Präsidenten einberufen werden, wobei dieser sich nach den Kompetenzen
und öffentlichen Ansehen der möglichen Parlamentarier zu richten hatte. Des
Weiteren sollte der Nationalrat legislative Möglichkeiten haben und über die
Exekutive bestimmen können.250
249
250
Vgl. Matthiesen, S.39.
Vgl. Matthiesen, S.39ff.
111
Zu Beginn der Regierungsarbeit keimte Hoffnung unter der Bevölkerung auf, denn
die Reformen schienen anfangs ihre Wirkung zu zeigen. Die Währung stabilisierte
sich und die Sicherheit im Land kehrte zurück. Allerdings mangelte es den meisten
Ministern an Kompetenz, um weitere Reformen durchführen zu können. Zudem
schreckte mangelndes diplomatisches Geschick internationale Organisationen davor
ab, im Kongo tätig zu werden bzw. die Regierung zu unterstützen. Gesetze wurden
immer wieder willkürlich geändert, Minister ausgetauscht, wodurch es der Regierung
an einer langfristigen Planung fehlte. Dies führte zu einer Unsicherheit und stetig
abnehmendem Vertrauen innerhalb der Bevölkerung.251
6.2.2. Die zweite Phase der Transition
Die Gründe für das Scheitern des Versuchs Kabilas sind klar auszumachen. Neben
dem Versuch, sich die Macht durch Gewalt und Unterdrückung zu sichern, zwang
Kabila dazu, dieselben Methoden und Maßnahmen zu ergreifen, wie sein Vorgänger.
Allerdings misslang der Versuch die Kontrolle zu erlangen, was einerseits auf die
politischen Akteure zurückzuführen ist, die aus verschiedenen Ländern kamen und
ihre eigenen Interessen verfolgten. Andererseits und gleichzeitig als Folge dieser
politischen Landschaft führte die mangelnde Kooperation Kabilas zu einer
internationalen Isolation. Kabila war gezwungen, um nicht völlig die Kontrolle zu
verlieren, dem Druck der internationalen Gemeinschaft nachzugeben und die
ausländischen Regierungsmitglieder und somit deren Machtambitionen aus dem
Kongo zu entfernen. Gleichzeitig leitete er eine neue Liberalisierung ein, um seine
Machtposition zu erhalten. Da es allerdings anfangs zu keinem Machtverlust
seinerseits kam, kann nicht von einem neuen Beginn einer Transition gesprochen
werden. Vielmehr wird eine neue Phase dieser eingeleitet, die sich durch den
Versuch einer Revolution und in einem Krieg manifestiert hat.
251
Vgl. Matthiesen, S.41.
112
6.2.2.1. Ausbruch des Ersten Afrikanischen Weltkriegs
Die Zusammenarbeit mit Ruanda und Uganda verschlechterte sich ebenso
zusehends, da es Kabila nicht gelang, den Osten des Landes zu befrieden. Innerhalb
des Landes gab es zwei Rebellionen. Eine, die sich gegen Kinshasa richtete und von
Rebellen geführt wurde, die sich gegen jede Art von Fremdherrschaft richteten. Eine
zweite, die sich von Rebellen aus Uganda und Ruanda gegen diese beiden Länder
richtete. Kabila stellte die Schürfverträge, die mit den beiden Ländern abgeschlossen
wurden in Frage, reduzierte die Forst-Konzessionen, von denen Uganda im Norden
profitierte auf Null und entließ alle Minister, die aus den beiden Ländern kamen. Als
er zudem noch im Juli/August 1998 jegliche Armeetruppen der beiden Länder, die
sich auf dem Gebiet des Kongo befanden, des Landes verwies, wurden einige
zentrale Städte im Osten und Westen des Landes von den Armeen dieser beiden
Länder besetzt. Die Truppen wurden auch von, im Kongo lebenden Banyamulenge,
ehemaligen Anhängern Mobutus und enttäuschten Mitgliedern der AFDL unterstützt.
Diese Koalition gründete im Osten des Landes die Rassemblement congolais pour la
Democratie (RCD), und im Norden des Landes gründete Uganda das Mouvement de
Liberation congolais (MLC), die den Norden des Landes auch besetzen konnte.
Schließlich spaltete sich im Mai 1999 noch die RCD-Befreiungsbewegung (RCD-ML)
mit der Unterstützung von Uganda von der RCD ab. 252
Da die Versuche, Kabila abzusetzen scheiterten, starteten die ruandische und
ugandische Armee eine große Offensive, und es gelang den Truppen mit Hilfe von
Teilen der meuternden kongolesischen Armee wichtige Stützpunkte im Süd-Westen
des Landes zu besetzen, wodurch Kinshasa wochenlang ohne Wasser und Strom
war. Es herrschte Lynchjustiz, und die Hauptstadt konnte nur durch die
Unterstützung der Armeen von Angola, Zimbabwe und Tschad gerettet werden.
Ebenso verteidigten die Truppen dieser Länder die Diamantenminen im Osten des
Landes, da sie die größte Einnahmequelle Kinshasas darstellten.253
Die Tatsache, dass der Konflikt sich beinahe ausschließlich um die Kontrolle der
Rohstoffe drehte, wurde auch von internationalen Organisationen nicht übersehen.
Der Bericht der UNO-Kommission beschäftigt sich mit der illegalen Ausbeutung der
252
Vgl.
Kanu/Indongo-Imbanda,
Geschichte
Kongo
IV,
http://www.kongokinshasa.de/geschichte/geschichte5.php.
253
Vgl. Braeckman, Colette (1999). Der Kongo und seine Nachbarn. Im Hinterland herrscht Selbstbedienung, in:
Le
Monde
Diplomatique.
Deutsche
Ausgabe
vom
12.11.1999,
http://www.mondediplomatique.de/pm/1999/11/12/a0226.text.name,askNyQ8VD.n,33, S.1ff.
113
Rohstoffe in der Demokratischen Republik Kongo.254 Der Zweite Kongo-Krieg
forderte auch unter der Bevölkerung des Kongo eine immense Zahl an Opfern – in
unterschiedlichen Quellen von 2,5 bis drei Millionen Toten - wovon ungefähr ein
Drittel Kinder waren. Des Weiteren litten ungefähr 16 Millionen Menschen an
Unterernährung, und es gab cirka zwei Millionen Binnenflüchtlinge.255
Wie viele Rebellegruppen, wie viele Länder, die gegeneinander kämpften, wirklich an
dem „Ersten Afrikanischen Weltkrieg“256 beteiligt war, ist nicht genau bekannt.
Manche sprechen davon, dass von der Krise im Kongo„…sechs Staaten auf die eine oder
andere Weise tangiert werden…“257, andere sehen sogar noch mehr Länder aktiv in den
Krieg verwickelt.258
ABB.1. Einflussgebiete der verschiedenen Rebellenorganisationen259
gelb: von der Regierung in Kinshasa kontrolliert
grün: RCD: Kongolesische Sammlung für die Demokratie/Goma
(Azarias Ruberwa, Ruanda)
rosa: MLC: Front für die Befreiung des Kongo
(Jean-Pierre Bemba, Uganda)
blau: Gebiet umkämpft zwischen MLC, RCD-N, RCD-K-ML,
UPC und RCD-ML u.a.
254
Final report of the Panel of Experts on the Illegal Exploitation of Natural Resources and Other Forms of Wealth
of the Democratic Republic of the Congo. United Nations, UN Doc: S/2002/1146, 16 October 2002. (Anm. d.
Autors)
255
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo IV.
256
Diese Bezeichnung stammt von Albright, Madleine. (Anm. d. Autors)
257
Zitat von Braeckman, Colette.
258
Vgl. Lucius, Robert von (1999). Kabilas Freunde und Feinde, in Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), vom
2.7.1999, http://fazarchiv.faz.net/webcgi?WID=64243-4210957-72000_1.
259
Grafik von Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo IV.
114
6.2.2.2. Das Ende der Regierung Kabila I – Beginn des Friedensprozesses
Im Laufe des Konflikts gab es verschiedene Bemühungen, die verfeindeten Parteien
an einen Tisch zu bringen. So wurde in Lukasa/Sambia mit Hilfe zahlreicher
einflussreicher afrikanischer Staatsmänner260 versucht, die Kriegsparteien in der
größten post-kolonialen Friedenskonferenz zu versammeln. Der dabei entworfene
Plan legte neben einem Waffenstillstand, dem Truppenrückzug und der Befriedung
der Region auch eine langfristige Strategie vor, um die politische Situation zu
regeln.261 Die unterschiedlichen Motive der Teilnehmer der Konferenz machten eine
praktische Umsetzung des Abkommens von Lusaka unmöglich. Prinzipiell ging es
jedem der Teilnehmer um die Kontrolle der Rohstoffe. Zudem wollte Ruanda seine
Grenzen gegen die nach wie vor vom Kongo aus operierenden Hutu-Milizen
schützen. Die kongolesischen Rebellen verlangten von Kabila die Weiterführung des
begonnenen und versprochenen Demokratisierungsprozesses des Landes, und
Kabila selbst wollte nur seine Machtposition erhalten. Diese stark von einander
abweichenden Interessen verhinderten, dass das Abkommen von Lusaka jemals
umgesetzt wurde.262
Laurent-Désiré Kabila wird schließlich am 16.Jänner 2001 in Kinshasa Opfer eines
Attentats. Die Umstände seines Todes sind bis heute nicht restlos geklärt. Die am
weitesten verbreitete These ist, dass er durch seine Leibwächter ermordet wurde.
Andere sprechen auch von einem Anschlag durch Kadogo, dem Heer seiner
Kindersoldaten. Die Nachfolge war nicht geregelt, so beschlossen die Mitglieder
seiner Regierungspartei einen Nachfolger zu ernennen. Die Wahl fiel auf seinen
Sohn, Joseph Kabila, der am 21.Jänner 2001 in Kinshasa vereidigt wurde.263
Hinsichtlich der Theorie um die Bildung von Institutionen ist klar zu erkennen, dass
alte institutionelle Rahmenbedingungen durch neue Akteure mit weiterhin subjektiven
Machtambitionen besetzt wurden. Diese Tatsache sowie das allgemeine Scheitern
der Neugründung von politischen Institutionen, die effektiv und legitim arbeiten
konnten, waren hauptverantwortlich für das Scheitern L.-D.Kabilas.
260
Mandela, Nyerere, Mbeki, Chiluba, Gaddafi und Masire, in: Matthiesen, S.42.
Vgl. Lucius, Robert von, S.1ff.
262
Vgl. The Economist (2000). In the heart of the darkness, 7.12.2000.
263
Vgl. Matthiesen, S.42.
261
115
6.2.3. Übergang zur dritten Phase der Transition
In der Geschichte der Demokratischen Republik Kongo wird, wenn von einer
Transition gesprochen wird, nur eine Phase in der Entwicklung gemeint; jene nach
dem Ende des Friedensprozesses rund um den zweiten Kongokrieg. Die Transition,
wie bereits erwähnt, begann jedoch wesentlich früher. Bereits während der
Herrschaft Mobutus wurde die Liberalisierung und somit der Theorie nach die
Transition eingeleitet. Der Friedensprozess, der den zweiten Kongokrieg beendet hat
stellt, nach der hier vertretenen Ansicht, den Übergang zur dritten Phase der
Transition, die bis heute noch nicht abgeschlossen ist, dar. In der dieser Phase
versuchten die Akteure, die an dem Konflikt beteiligt waren, ihre jeweiligen
Positionen
zu
festigen
und
den
größtmöglichen
Vorteil
hinsichtlich
ihren
Machtambitionen herauszuschlagen. Der Friedensprozess ist als richtungweisend für
die aus im entstandenen Transitionsregierung anzusehen. Da hier auch erstmals der
Begriff an sich erwähnt ist, wird deutlich, dass die Intentionen, das politische System
des Kongo zu verändern, intensiver und zielorientierter waren. Allerdings muss noch
einmal betont werden, dass hier die Meinung vertreten wird, dass der
Friedensprozess lediglich einen Übergang zwischen zwei Phasen der Transition
darstellt und nicht den Beginn einer solchen.
6.2.3.1.
Die Anfänge des Friedensprozesses und seine Akteure – Beginn der
Regierung Joseph Kabila
Die vorrangige Aufgabe von Joseph Kabila war die Stabilisierung des Landes und die
Schaffung einer neuen politischen Ordnung. Zudem wollte er demokratische
Strukturen installieren und eine neue Verfassung erarbeiten. Die Richtung von
Kabilas Reformen wurde sehr stark durch die internationale Gemeinschaft
beeinflusst, die erheblichen Druck ausübte. Diesem Druck versuchte Kabila sich
einerseits anzunehmen und ihm andererseits entgegenzuwirken, indem er viele – vor
allem westliche – Länder besuchte, mit denen der Kongo vor und teilweise auch
während der Krise traditionell gute Beziehungen gepflegt hatte.264 Außerdem hatte
der neue Präsident auch wichtige politische Entscheidungen zu treffen. Joseph
264
Vgl. Tshiyembé, Mwayila (2003). Der Kongo und seine Suche nach Frieden. Grundgesetz für einen Staat ohne
Staat,
in:
Le
Monde
Diplomatique,
Deutsche
Ausgabe,
11.7.2003,
http://www.mondediplomatique.de/pm/2003/07/11/a0065.text.name,asktQ2sRW.n,45.
116
Kabila wusste, dass er auf die Opposition und die Zivilgesellschaft angewiesen war,
wenn er den Kongo reformieren und ein erfolgreicher Präsident sein wollte. Aus
diesem Grund öffnete auch das erste Dekret 001/2001, das am 17.Mai 2001
erlassen wurde, die politische Sphäre wieder Parteien und Gruppierungen. Neben
dieser Änderung gab er noch einige Zusagen für weitere Reformen vor allem im
wirtschaftlichen aber auch im menschenrechtlichen Sektor. So sagte er zu, alle
Gefängnisse in Kinshasa, die nicht der Gerichtsbarkeit unterstanden, aufzulösen. Er
wollte die Wirtschaft an die modernen Systeme anpassen, indem er den Waren- und
Dienstleistungsverkehr,
den
Diamantenhandel
und
die
Wechselkurse
zu
liberalisieren plante. Um Zeichen zu setzen, dass es ihm Ernst war mit einem
Wandel im Kongo, entließ er die Hardliner des Militärregimes seines Vaters und
versuchte, der ethnischen Politisierung des Landes ein Ende zu bereiten.265
Er zeigte auch im Gegensatz zu seinem Vater aktives Interesse, das in Lusaka
unterzeichnete
Abkommen
zu
realisieren
und
signalisierte
so
eine
Konzessionsbereitschaft zu einem erneuten innerkongolesischen Dialog. Es kam aus
diesem Grund auch kurz nach dem Amtsantritt von Kabila zu einem erneuten Treffen
in Lusaka, das den Friedensprozess wieder in Gang bringen sollte. Die
Verhandlungen wurden von Ketumire Masire, dem AU-Vertreter, geleitet, der noch
von Laurent Désiré Kabila abgelehnt wurde von Joseph Kabila jedoch Unterstützung
für seine Arbeit erhielt. Das erste Treffen unter dem neuen Präsidenten zu Beginn
des Jahres 2001266 brachte einige kleine Teilerfolge mit sich. So konnte man sich
darauf einigen, dass von den Rebellengruppen einige Unterabkommen bzw.
Vereinbarungen früherer Verhandlungen unterzeichnet wurden. Darin waren
Rückzugsvereinbarungen getroffen worden, die nun verpflichtend für die Besetzer
der unterschiedlichen Provinzen werden sollten.267
Diese Entwicklung und die Erlaubnis der Stationierung der Mission de l’Organisation
des Nations Unies en République du Congo (MONUC) beiderseits der Frontlinie
ermöglichten die Vorbereitung zu einer Konferenz zum innerkongolesischen Dialog
im Oktober 2001 in Addis Abeba (Äthiopien). Allerdings wurde diese Konferenz unter
der Leitung von Masire schnell wieder abgebrochen, da deutlich wurde, dass es zu
großen
Interessensdifferenzen
zwischen
den
Verhandlungsteilnehmern
gab.
Schließlich kam es nach einigen weiteren Treffen268 und der Ausräumung der
265
Vgl. Matthiesen, S.67.
15.-16.Februar 2001. (Anm. d. Autors)
267
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo IV.
268
Diese fanden in New York, Abuja (Nigeria) und Genf statt. (Anm. d. Autors)
266
117
Differenzen der Verhandlungsparteien doch noch zu einem innerkongolesischen
Dialog. Dieser fand von 25.2. – 19.4. 2002 in Sun City (Südafrika) statt und endete
mit einem partiellen Rahmenabkommen. Dieses sah vor, dass die legislativen,
exekutiven und judikativen Aufgaben auf die unterschiedlichen Gruppierungen
aufgeteilt werden sollten. Dabei sollten sowohl die Rebellengruppen wie auch die
Zivilgesellschaft in die politische Sphäre und die Reformbewegung innerhalb des
Kongo inkludiert werden. Bei den Gesprächen, die schließlich zur Unterzeichnung
führen sollten, kam es allerdings wieder zu Differenzen zwischen den beiden
Hauptunterzeichnern, der Regierung und der MLC269. Das Scheitern der Gespräche
führte dazu, dass der Status quo wieder vorherrschte und das Land in verschiedene
Teile unterteilt wurde, die von den einzelnen Rebellengruppen kontrolliert wurden.270
Dabei kam es auch wieder vermehrt zu Kriegshandlungen zwischen einzelnen
Gruppierungen.271
6.2.3.2. Das Ende des Friedensprozesses – Einigung über die Transitionsverfassung
Die Regierung Kabila gab die Friedensbemühungen jedoch nicht auf. Sie
verhandelte getrennt mit Ruanda und Uganda und konnte Teilerfolge erzielen.
Allerdings wurde durch intensiven Einsatz der UNO, der AU und Südafrikas auch der
innerkongolesische Dialog mit allen Kriegsparteien fortgesetzt. Dieser fand
schließlich in drei Stufen statt.
Das erste Treffen im Oktober war eine Basis für weitere Verhandlungen, in denen die
Prinzipien festgelegt und von allen akzeptiert wurden. Diese sahen drei Hauptpunkte
vor:
•
Alle Teilnehmer des innerkongolesischen Dialogs sollten aktive Positionen
und Rollen in der Verwaltung der Wandlung des Kongo einnehmen.
•
Die führenden Positionen sollen während der Übergangsphase von den
gleichen Personen besetzt werden.
•
Die Macht sollte aufgeteilt und dabei das System der Inklusivität angewandt
werden.
269
Jean Pierre Bemba war der Anführer der MLC. (Anm. d. Autors)
Die Gebiete wurden von folgenden Gruppierungen regiert: Kinshasa (Regierung), Gemena (MLC), Bunia
(RCD-K-ML), Goma (RCD-Goma), Isiro (RCD-N) und Wamba dia Wamba (RCD-ML). (Anm. d. Autors)
271
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo IV.
270
118
Bei dieser Verhandlung einigte man sich auch darauf, wie die Regierung bzw. das
gesamte politische System im Kongo organisiert werden sollte. Die Auffassungen
über die politische Verteilung der Macht waren zu diesem Zeitpunkt sehr
unterschiedlich. Während die Regierung in Kinshasa davon ausging, dass die Macht
auf wenige Staatsmänner verteilt ist, traten die Rebellengruppen, allen voran die
RCD-Goma und die MLC, für eine vertikale Aufteilung der Macht auf die
verschiedenen Ebenen ein.
Während des zweiten Treffens kam es zu weiteren unterschiedlichen Auffassungen
über die Teilung der Verantwortlichkeit, die Führung der nationalen Armee, die
gebildet werden sollte, über die Sicherung der Hauptstadt Kinshasa sowie die
Besetzung der wichtigen Positionen in der Übergangszeit. Deshalb wurde die
Konferenz abgebrochen und erst im Dezember 2002 fortgesetzt. Die vom 9.17.Dezember dauernde Konferenz fand in Pretoria (Südafrika) statt und endete mit
der Unterzeichnung eines Abkommens über die Transitionszeit im Kongo. Die
Übergangsverfassung (Constitution de la Transition), ein Dokument über die
Sicherung der Stadt Kinshasa, die Bildung einer nationalen Armee und die
Institutionen
der
Übergangsphase
wurden
am
3.März
2003
von
allen
Verhandlungspartnern unterzeichnet und am 1.April 2003 von der Vollversammlung,
die in Sun City tagte, verabschiedet. Die Übergangsverfassung wurde am 4.April
2003 in Kraft gesetzt.272
Die wichtigsten Punkte der Übergangsverfassung273 waren:
•
Die Bekenntnis zu den demokratischen Werten; (Préambule)
•
Die Anerkennung der UN-Menschenrechtscharta und der Erklärung der
Menschenrechte der AU; (Préambule)
•
Die Anerkennung der Grenzen von 1960 und die Teilung in zehn Provinzen274
mit der Hauptstadt Kinshasa;
•
Die Bestellung eines Präsidenten und vier Vize-Präsidenten, die bis zum Ende
der Transition im Amt bleiben sollen. Die vier Vize-Präsidenten fielen den
beiden großen Rebellengruppen (RCD, MLC), der Regierung und der
Opposition zu;
•
Der Präsident ist der Oberbefehlshaber der nationalen Armee;
272
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geschichte Kongo IV.
Constitution de la Transition,. www.grandslacs.net/doc/2811.pdf.
274
Diese waren: Batundu, Bas-Congo, Equateur, Kasai-Occidental, Kasai-Oriental, Katanga, Maniema, NordKivu, Province Orientale und Sud-Kivu. (Artikel 5).
273
119
•
Die Macht liegt beim Volke des Kongo;
•
Einsetzung eines Parlaments, Senats, Obersten Gerichtshofs und anderen
Gerichtsbarkeiten und ihre jeweiligen Aufgaben;
•
Einführung von Institutionen zur Sicherung der demokratischen Werte;
•
Wahlen sollten innerhalb der darauf folgenden drei Jahre durchgeführt
werden;
•
Bekenntnis zur Verurteilung und dem Verbot jeglicher Diskriminierung einer
Minderheit aufgrund ihrer Sprache, Religion oder anderer kultureller Werte;
„Tous les Congolais sont égaux devant la loi et ont droit à une égale
protection des lois. Aucun Congolais ne peut, en matière d'éducation et
d'accès aux fonctions publiques ni en aucune matière, faire l'objet d'une
mesure discriminatoire, qu'elle résulte de la loi ou d'un acte de l'exécutif,
en raison de sa religion, de son sexe, de son origine familiale, de sa
condition sociale, de sa résidence, de ses opinions ou de ses
convictions politiques, de son appartenance à une race, à une ethnie, à
une tribu, à une minorité culturelle ou linguistique.“275
6.2.3.3. Die Transitionsregierung und ihre Machtverhältnisse
Die vier Vize-Präsidenten waren auf die Vertragsparteien wie vorgesehen aufgeteilt.
Die beiden Vize-Präsidenten, die aus den Rebellengruppierungen kamen waren
Jean-Pierre Bemba (MLC) und Adolphe Unusumba (RCD). Kabila ernannte 36
Minister und 25 Vize-Minister und teilte die Ministerien auf.276 Die bisherige
Regierung von Joseph Kabila behielt die Ministerien für Inneres, Finanzen, Industrie
und Energie. Die RDC übernahm die Ministerien für Verteidigung, Wirtschaft und die
Staatsbetriebe. Die MLC erhielten die Ministerien für äußere Angelegenheiten,
öffentliche Arbeiten und Haushalt. Die nicht bewaffnete Opposition war für das
Justizministerium und den Bergbau verantwortlich.277 Das Parlament bestand aus
500 und der Senat aus 120 Vertretern. Diese setzten sich aus den Vertretern von
275
Vgl. Artikel 17, Constitution de la Transition. Dieser Artikel wurde später auch wortwörtlich in die neue
Verfassung übernommen. (Anm. d. Autors)
276
Vgl. Stroux, Daniel (2003). Rohstoffe, Ressentiments und staatsfreie Räume. Die Strukturen des Krieges in
Afrikas
Mitte,
in:
Internationale
Politik
und
Gesellschaft,
2/2003,
http://www.fes.de/ipg/IPG2_2003/ARTSTROUX.HTM.
277
Vgl. Friedensvertrag für Kongo (3.4.2003). Frankfurter Allgemeine Zeitung, 3.4.2003.
120
acht Gruppen zusammen, den bereits genannten, der Opposition, der Regierung, der
Zivilgesellschaft278, den Mayi-Mayi Milizen und im Nord-Kivu operierenden
Abspaltungen der Rebellengruppen. Die Übergangsphase war auf ein Maximum von
30 Monaten festgelegt. Danach sollten die Kongolesen in der Lage sein, ihre
Vertreter in unabhängigen Wahlen zu bestimmen.279
6.2.3.4. Probleme der Transitionsregierung
Die Truppen Ruandas traten bereits 2002 durch ein bilateral verhandeltes
Abkommen ihren Rückzug an. Jedoch kam es auch nach dem Amtsantritt der
Übergangsregierung zu Meldungen, wonach die ruandischen Rebellen nach wie vor
in die Organisation der RCD involviert und aktiv waren. Zu diesem Zeitpunkt zogen
sich auch Angola und Zimbabwe endgültig militärisch aus dem Kongo zurück.280 Die
Truppen Ugandas zogen sich offiziell im März 2003 vom Gebiet der DRC zurück.281
Nachdem die beiden Länder mit ihren Truppen aus den besetzten Gebieten im Osten
des Kongo abgezogen waren, hinterließen sie ein Machtvakuum, das sich schnell
diverse Warlords und Milizen ausnutzten. Die Warlords sahen in der Fortführung des
Krieges einen wirtschaftlichen Nutzen für sich selbst, während die Milizen ihre
Kämpfe meist aus ethnischen Hintergründen führten und so Landegewinne und
Racheakte erzielen bzw. verüben wollten.282
Die Hauptakteure in den darauf folgenden Wochen und Monaten waren die UNO, die
seit 2000 eine Mission im Kongo hatte (MONUC), die Regierungen Ruandas und des
Kongo und die Milizen und Rebellengruppen im Osten des Landes. Neben den
zahlreichen kleinen Zusammenstößen zwischen Rebellengruppen, die von Uganda
bzw. Ruanda unterstützt wurden, kam es auch zu ernsten Massakern und
kriegerischen
Friedensprozess
Auseinandersetzungen,
bedeuteten.
So
die
stand
herbe
der
Rückschläge
Kongo
aufgrund
für
den
diverser
Auseinandersetzungen und Vorwürfen seitens Kabila, wonach Ruanda die Rebellen
im Osten des Landes nach wie vor unterstützen würde, am Rande eines erneuten
Krieges (2004). Die Situation war so gespannt, dass die größte Rebellengruppe
RCD, die durch die Unterstützung Ruandas gegründet wurde, ihre Mitarbeit an der
278
Diese setzte sich aus unterschiedlichen Berufsgruppen, Ethnien, Vereinen, Konfessionen und Regionen
zusammen, in: Tshiyembé, Mwayila (2003).
279
Vgl. Stroux, Daniel (2003).
280
Vgl. Stroux, Daniel (2003).
281
Vgl.
Congo
Civil
War,
in:
GlobalSecurity.org.
Military,
http://www.globalsecurity.org/military/world/war/congo.htm, zuletzt bearbeitet am 17.12.2006.
282
Vgl. Scheen, Thomas (2005). Krieg um des Krieges Willen, das große Morden in Bunia, in: FAZ, 22.5.2003.
121
Regierung aussetzte und so deren Arbeit blockierte.283 Teilweise sahen sich sogar
die UN-Truppen nicht in der Lage, die Situation zu beruhigen und unter Kontrolle zu
bringen, wie z.B. bei einem Massaker in Nord-Kivu 2002 deutlich wurde.284 Die
Massaker und anderen zahlreichen Gewaltverbrechen, die in der Region verübt
wurden, führten dazu, dass die Region Ost-Kongo von der UNO im März 2005 zur
„world’s worst humanitarian crisis“ erklärt wurde.285
Trotz der instabilen Situation und der Besetzung des Nord-Ostens des Landes durch
die Rebellengruppe Lord Resistance Army (LRA) gelang es der Übergangsregierung
Kabila am 17.Mai 2005 einen Verfassungsentwurf zu verabschieden. Sie sah einen
dezentralisierten Einheitsstaat vor, in dem allerdings die Macht des Staatschefs
geschwächt werden sollte, da ihm ein Premierminister zur Seite gestellt wurde, der
nicht von ihm ernannt werden, sondern vom Parlament gewählt würde. Die Kritik an
diesem Verfassungsentwurf war sehr groß, da dieses Ergebnis hinter verschlossen
Türen erzielt wurde. Allerdings wurde anerkannt, dass die Beteiligten sich einig
waren. Um in Kraft zu treten, musste die Verfassung durch eine Volksabstimmung
angenommen werden.286
Diese
Abstimmung
Verfassungsentwurf
fand
wurde
im
Dezember
von
85%
des
der
Jahres
25
2005
Millionen
statt
und
der
Wahlberechtigten
angenommen. Diese Zahl ist aus dem Grund beeindruckend, da es durch die Größe
und generelle infrastrukturelle Situation kaum Kommunikationsmöglichkeiten gab.
Insgesamt muss man die Verfassung als Erfolg für diejenigen sehen, die den
Einfluss des Staates zurückdrängen wollten. Die Verfassung sah die Aufteilung des
Landes in 26 Provinzen vor. Zudem sollten die Einnahmen des Staates 60 zu 40
Prozent auf Kinshasa und die Provinzen aufgeteilt werden. Die Verwaltung der
Bodenschätze sollten dezentralisiert werden, was jedoch auch die Gefahr der
Korruption auf regionaler Ebene erhöhte.287
283
Vgl. Johnson, Dominik (2004). Ratlosigkeit in Kongos „Kaltem Krieg“, in: TAZ, 31.8.2004, http://www.kongokinshasa.de/taz/taz2004/taz_040831.php.
284
Vgl.
Conflict
History:
DR
Congo
(2006).
International
Crisis
Group,
http://www.crisisgroup.org/home/index.cfm?action=conflict_search&l=1&t=1&c_country=37, zuletzt bearbeitet
Dezember 2006.
285
Vgl.
Humanitarian
Crisis:
Congo
Worst
(2005).
Global
Policy
Forum,
http://www.globalpolicy.org/security/issues/congo/2005/0316worst.htm.
286
Vgl. Johnson, Dominik (2005a). Eine Nachkriegsverfassung für den Kongo, in: TAZ, 17.5.2005,
http://www.kongo-kinshasa.de/taz/taz2005/taz_050517.php.
287
Vgl. Braeckman, Colette (2006). Die dritte Plünderung des Kongo, in: Le Monde Diplomatique, Deutsche
Ausgabe, 7.7.2006, http://www.monde-diplomatique.de/pm/2006/07/07/a0035.text.name,asktQ2sRW.n,7.
122
6.2.4. Die Demokratische Republik Kongo heute – Fortsetzung der Transition
Nach dem Ende der Übergangs- oder Transitionsperiode sollte der Kongo durch die
ersten freien Wahlen in die dritte Republik entlassen werden. Gleichzeitig sollte
dieses Ereignis das Ende der Transition und den Übergang zu einer gewandelten
politischen Landschaft im Kongo darstellen. Neue Institutionen sollten gebildet sein,
die Regierung sollte in der Lage sein, effektiv arbeiten zu können und zudem durch
die Wahlen legitimiert sein. Die Wirklichkeit sieht allerdings in vielen Bereichen nach
wie vor anders aus, weshalb hier auch die Ansicht vertreten wird, dass sich die
Transition in der Demokratischen Republik Kongo nach wie vor in Mitten des
Prozesses befindet. In der Folge werden die Akteure und das politische System der
Demokratischen Republik Kongo von heute dargestellt und wie es sich aus den
ersten freien Wahlen entwickelte. Dabei werden auch die internationalen Einflüsse
dargestellt.
6.2.4.1. Die Parlamentswahlen 2006/2007 und ihre zentralen Akteure
Der ursprüngliche Termin für die Wahlen war im Juni 2005. Die Erklärung des
Vorsitzenden der unabhängigen Wahlkommission Apollinaire Malu-Malu288 Anfang
2005, dass die Wahl verschoben werden müsste, löste das Entrüstung in der
Bevölkerung aus. Er erklärte, dass die Umsetzung der geplanten Ziele viel zu
langsam verlaufen würde. Es würde durch mangelnde logistische und technische
Möglichkeiten erst später als geplant zu einer Registrierung der Wähler kommen.
Dadurch würde man die Wahlen nicht zum geplanten Zeitpunkt durchführen können.
Diese Aussagen spiegelten das wieder, das viele Beobachter bereits befürchtet
hatten. Es war offensichtlich, dass die Umsetzung des Friedensabkommens sehr
langsam vor sich ging. Sollten die Wahlen nicht bis zum Ende Juni 2005 – dieses
Datum ist gleichbedeutend mit dem vorgesehenen Ende der Übergangsregierung –
durchgeführt werden, so könnte sich die Regierung ihre Amtszeit zweimal um jeweils
sechs Monate verlängern. Die größte Partei des Landes, die Union pour la
Démocratie et le Progrés Social (UDPS), die jedoch nicht im Parlament vertreten
288
Appolinaire Malu-Malu wurde 2004 als Präsident der Unabhängigen Wahlkommission der Demokratischen
Republik Kongo eingesetzt. Diese sollte ursprünglich bis Ende Juni 2005, später bis Juni 2006, die Durchführung
der ersten freien Wahlen des Landes organisieren. Neben dieser Funktion ist Malu-Malu katholischer Geistlicher
und Rektor der Universität Graben in Butembo im Ostkongo. Johnson, Dominik (2006a). Wahlfälscher
unschädlich machen, in. TAZ, 9.2.2006, http://www.kongo-kinshasa.de/taz/taz2006/taz_060209.php.
123
war, protestierte gegen diese Verlängerung und argumentierte, dass nach dem
30.Juni die Macht in der Hand des Volkes liegen würde. Zudem wurde das
Versprechen Kabilas betont, das den Rücktritt der gesamten Regierung für den Fall
ankündigte, dass diese ihre Amtsgeschäfte nicht bis Ende Juni 2005 erledigen
konnte. Auch in der Regierung selbst kam es zu Differenzen, da Vize-Präsident
Jean-Pierre Bemba den Rückzug seiner MLC aus der Regierung androhte, wenn
Kabila seine Forderungen nach personellen Änderungen nicht erfüllen würde.289
Die Aufstände, die durch diese Ankündigung entstanden, forderten 19 Todesopfer
und über 100 Verletzte. In Kinshasa brachte ein Streik, der „Ville Morte“ genannt
wurde, das öffentliche Leben komplett zum Erliegen. Die Wahlen wurden schließlich
auf den 18.Juni 2006 verschoben, wodurch beide Möglichkeiten zu Verlängerung der
Amtszeit ausgenutzt werden mussten.290
Die Wahlen wurden von der Wahlkommission und der UN-Mission als die
schwierigsten aller Zeiten eingestuft. Die Infrastruktur des Landes, die Größe und die
ungeheuer große Einwohnerzahl von 60 Millionen Menschen erschwerten die
Vorbereitungen erheblich. Die Schwierigkeiten waren politischer Natur. Die
Abstimmung über die Verfassung, die als eine Art Generalprobe zur Wahl gesehen
wurde, verlief ohne größere Zwischenfälle. Allerdings dauerte es sechs Wochen,
bevor der oberste Gerichtshof das Ergebnis bestätigte. Erst nach dieser Bestätigung
konnte
die
Verfassung
in
Kraft
treten
und
das
Parlament
Wahlgesetze
verabschieden. Diese waren notwendig, um die Vorbereitungen für die Wahlen
treffen zu können.291
Als schließlich die Verfassung des Kongo in Kraft getreten und die Wahlgesetze
formuliert waren, kam es erst nach Verzögerung zur Unterzeichnung derselben. Die
logistischen Probleme blieben allerdings weiterhin aufrecht. Verschiedene Parteien
waren nicht zufrieden mit den Wahlkreisen (RCD) oder der Wählerregistrierung
(UDPS). Obwohl die Vorbereitungen sehr kurz waren, sollte der Wahltermin von
18.Juni bestehen bleiben. Der Termin war auch hinsichtlich der Planung für die
internationale Sicherungstruppe der EU wichtig, die vorsah, die sichere und friedliche
Durchsetzung der Wahlen zu unterstützen.292
289
Vgl. Johnson, Dominik (2005b). Aufstand im Kongo gegen Wahlverzögerer, in: TAZ, 12.1.2005,
http://www.kongo-kinshasa.de/taz/taz2005/taz_050112.php.
290
Vgl. Schadomsky, Ludger. Vor den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen, in: Bundeszentrale für politische
Bildung, http://www.bpb.de/themen/ZY9LA5,0,0,Vor_den_Pr%E4sidentschafts_und_Parlamentswahlen.html.
291
Vgl. Johnson, Dominik (2006b). Die schwierigste Wahl der Welt, in: TAZ, 10.2.2006, http://www.kongokinshasa.de/taz/taz2006/taz_060210.php.
292
Vgl. Johnson, Dominik (2006c). Weg zu Wahlen im Kongo frei, in TAZ, 11.3.2006, http://www.kongokinshasa.de/taz/taz2006/taz_060311.php.
124
Der Termin für Juni wurde bereits im März abgesagt, da sich zu wenige Kandidaten
für die über 500 Parlamentssitze angemeldet hatten. Auch ein Termin im Juli schien
zuerst
unwahrscheinlich,
weil
sich
schließlich
9.587
Kandidaten
für
die
Parlamentswahl angemeldet hatten und die Wahlkommission mit der Registrierung
nicht fertig wurde. Die Liste der 33 Präsidentschaftskandidaten stand bereits früh
fest. Finanzielle Unsicherheiten sowie ein Boykott der Opposition führten auch dazu,
dass der Termin für die Wahl schwierig zu fixieren war.293
Schließlich konnte man sich im Mai 2006 doch auf einen Termin für die Wahl einigen,
den 23.Juli 2006.
Danach setzte die Phase des Wahlkampfs ein, in dessen Verlauf die UN-Truppen
immer wieder im Mittelpunkt standen, da es sehr häufig zu Bedrohungen und
Einschüchterungen kam. Deshalb hatte die UNO für die jeweilige betroffene Partei,
meistens Oppositionsparteien, Schutz zu gewährleisten. Es kam zu Blockaden der
Spitzenkandidaten der Oppositionsparteien durch so genannte Spezialeinheiten. Es
wurden Gerüchte über mögliche Putschversuche laut, die seitens der Herausforderer
gegen Kabila durchgeführt werden sollten.294 Generell bildeten sich die beiden
Blöcke Kabila gegen Bemba, die beide als aussichtsreichste Kandidaten für das Amt
des Präsidenten gehandelt wurden. Der größte Streitpunkt war das in der Verfassung
verankerte Ende der Amtszeit mit dem 30.Juni 2006. Da die Wahlen erst einen
Monat später stattfinden würden, und das Ergebnis erst für November erwartet
wurde, war unklar, wer das Land in der Zwischenzeit regieren sollte. Deshalb wurde
versucht, den politischen Dialog wieder in Gang zu bringen. Diese Unklarheit, die
Angst vor den möglichen Reaktionen auf das Ergebnis der Wahl und die sich immer
stärker verhärtenden Blöcke von Kabila295 und Bemba296 trugen dazu bei, dass die
Situation im Land wieder unsicherer wurde. Kabila argumentierte mit seiner Bilanz
seit der Machtübernahme 2001 während Bemba mit seinem Slogan „100 Prozent
Kongolese“ das Thema Nationalismus in den Mittelpunkt rückte. Er spielte damit
darauf an, dass Kabila ruandischer Abstammung sei und deshalb auf keinen Fall
gewählt werden könnte. Kabila versuchte sich vergleichsweise als gemäßigt
darzustellen, indem er einen den bekanntesten Reformpolitiker des Landes, Olivier
Kamitatu, auf seine Seite zog. Dies wurde auch von seinen ausländischen
293
Vgl. Misser, Francois, Johnson, Dominik (2006). Kongos Wahlen stehen in den Sternen, TAZ, 20.4.2006,
http://www.kongo-kinshasa.de/taz/taz2006/taz_060420.php.
294
Vgl. Veit, Alex, Johnson, Dominik (2006). Ein schmutziger Wahlkampf in Kinshasa, in: TAZ, 25.5.2006,
http://www.kongo-kinshasa.de/taz/taz2006/taz_060526.php.
295
Sein Wahlbündnis hieß Allianz der präsidialen Mehrheit. (AMP). (Anm. d. Autors)
296
Sein Wahlbündnis hieß Zusammenschluss kongolesischer Nationalisten (Renaco). (Anm. d. Autors)
125
Unterstützern als positiv angesehen, da Kamitatu während der Regierungsarbeit für
Ordnung sorgen sollte.297
Auch ein Datum konnte nicht über die großen logistischen und technischen
Schwierigkeiten hinwegtäuschen, die während der Wahl entstehen würden. Es galt,
galt es in einem Land, das die Größe Westeuropas hatte und dessen Provinzen nur
über Luftwege miteinander verbunden waren, eine geordnete Wahl zu organisieren.
Wahlberechtigt
waren
beinahe
26
Millionen
Menschen,
die
33
Präsidentschaftskandidaten und 9.632 Parlamentskandidaten entscheiden mussten
bzw. konnten. Der Termin im Juli ermöglichte auch die Planung der EUFOR-Truppe,
deren Einsatz vom UN-Sicherheitsrat genehmigt wurde und vier Monate dauern
sollte. Diese Truppe sollte die MONUC, deren Stärke zu diesem Zeitpunkt 17.000
Mann betrug, unterstützen.298
Die Wahl fand schließlich erst am 30.Juli 2006 statt. Die Wahlzettel hatten die
enormen und ungewöhnlichen Ausmaße von sechs Seiten DIN A1 und eine Seite
DIN A3. Grund dafür war die riesige Anzahl an Kandidaten, über die die Wähler zu
entscheiden hatten.299 Weil die meisten Kongolesen weder lesen noch schreiben
können, fanden sich neben den Namen der Kandidaten auch Bilder und die Symbole
der jeweiligen Parteien, denen sie angehörten.300
Die Wahlbeteiligung lag bei 70.5 Prozent der registrierten Wähler, also bei 18
Millionen Kongolesen. Diese konnten in ungefähr 55.000 Wahllokalen ihre Stimme
abgeben. Insgesamt waren am Wahltag zu den 1.500 Mitarbeitern der Wahlbehörde
250.000 Wahlhelfer im Einsatz. Sie wurden von der Wahlabteilung der MONUC
unterstützt. Zudem verfolgten rund 1.500 internationale und 47.500 nationale
Beobachter sowie 1.500 Journalisten die Wahl und den Wahlverlauf. Schließlich
waren noch rund 460.00 Delegierte der unterschiedlichen Parteien in den
Wahllokalen anwesend. Die Wahl, die inklusive des Verfassungsreferendum mit rund
450 Millionen US$ den teuersten Vorgang, der jemals von der internationalen
Gemeinschaft darstellte, wurde weitgehend als frei und transparent eingestuft.301
Um als Präsident festzustehen, musste einer der Kandidaten die absolute Mehrheit –
somit mehr als 50 Prozent der Stimmen – erhalten. Dieses gelang im ersten
297
Vgl. Stroux, Daniel (2006). Wahlen im Kongo: Das Ende einer langen Transition?, in: GIGA Focus Africa,
Nummer 9, 2006, S.2f.
298
Vgl. Johnson, Dominik (2006d). Wahltermin im Kongo festgelegt, in: TAZ, 2.5.2006, http://www.kongokinshasa.de/taz/taz2006/taz_060502.php.
299
Vgl. Göbel, Alexander (2006). Keine Garantie für demokratische Wahlen im Kongo, in: Welt, 25.7.2006,
http://www.dw-world.de/dw/article/0,2144,2108718,00.html.
300
Vgl. Reker, Judith (2006). 9000 plus 33 ergibt Hoffnung, in: Der Tagesspiegel, 31.7.2006,
http://www.tagesspiegel.de/zeitung/Die-Dritte-Seite;art705,2284101.
301
Vgl. Stroux, Daniel (2006), S.2ff.
126
Wahlgang jedoch keinem der Kandidaten. Der Wahlsieger war Joseph Kabila mit
44,81 Prozent aller Stimmen. Erster Verfolger war Jean-Pierre Bemba mit 20,03
Prozent der Stimmen. Dadurch wurde klar, dass eine Stichwahl notwendig wurde.
Allerdings
kam
es
nach
der
Veröffentlichung
wie
befürchtet
zu
Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern der einzelnen Parteien. Der
Oberste Gerichtshof wollte auch den Termin für die Stichwahl, der mit 29.Oktober
veranschlagt war, als verfassungswidrig ablehnen. Als Grund dafür wurde die 15Tage Frist angegeben, die zwischen dem Veröffentlichen der Wahlergebnisse und
dem Stichwahltermin liegen müsse. Kritisiert wurde, dass der Termin der
Anerkennung des Ergebnisses von der Wahlkommission für den 31.August und der
Termin für die Stichwahl erst am 29.Oktober, wodurch diese Frist überschritten
wurde, vorgesehen war. Dem gegenüber wurde von der Wahlkommission
argumentiert, dass man die Stichwahl aus logistischen Gründen nicht vorverlegen
könne, und es auch durch die Verfassung keine genaue Regelung gäbe.
Unterstützung erhielt die Wahlkommission auch aus dem Ausland, da man schon vor
der Durchführung der Wahl beschloss, eine allfällige Stichwahl auf den gleichen Tag
wie die Wahl der elf Provinzparlamente legen zu wollen. Der Termin, sollte die Wahl
am 29.Oktober durchgeführt werden, brachte die Gefahr mit sich, aufgrund der
Probleme mit der Einhaltung der Frist nicht anerkannt zu werden.302
Vor der Stichwahl kam es am 20.August in der Hauptstadt Kinshasa zu schweren
Auseinandersetzungen zwischen den Leibwachen Kabilas und jenen von Bemba.
Kinshasa galt auch als unsicherstes und gefährlichstes Gebiet während der Wahlen.
Die Stichwahl fand schließlich am 29.August statt. Beide Kandidaten betonten im
Vorfeld, sie würden den begonnenen Friedensprozess so schnell wie möglich
abschließen und für Sicherheit und Demokratie im Land sorgen.303
Das Ergebnis, das mit Spannung erwartet wurde, kürte Joseph Kabila zum Sieger. Er
gewann die Wahl mit 58 Prozent der Stimmen gegenüber den 42 Prozent, die für
Bemba stimmten. Bemba wollte die Niederlage nicht anerkennen, da die von ihm
selbst angeordneten Auszählungen ihn mit 52,2 Prozent als Sieger führten. Er
beschwerte sich auch darüber, dass 10 Prozent seiner Wähler nicht in den Regionen
wählen konnten, in denen sie registriert waren.304 Obwohl Kabila in absoluten Zahlen
302
Vgl. Johnson Dominik (2006e). Kongos Wahl fraglich, in: TAZ, 15.9.2006, http://www.kongokinshasa.de/taz/taz2006/taz_060915.php.
303
Vgl. IRIN (2006a). DRC: Voting begins, marking completition of long democratic transition, 29.10.2006,
http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportId=61434.
304
Vgl.
IRIN
(2006b).
DRC:
Bemba
rejects
poll
results,
17.11.2006,
http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportId=61589.
127
auf 9,34 Millionen Stimmen kam und Bemba nur auf 6,86 Millionen Stimmen,
erklärten die Verbündeten Bembas ihn zum moralischen Wahlsieger, da er in sechs
der elf Provinzen des Kongo die Mehrheit erzielen konnte.305
Bevor der Oberste Gerichtshof die Einsprüche ablehnte, kam es vermehrt zu
Zusammenstößen zwischen enttäuschten Anhängern Bembas und den Anhängern
Kabilas. Das Land stand wieder am Rande eines Bürgerkriegs. Nach der Erklärung
von Kabila zum Wahlsieger am 27.November 2006 konnte erst die Aussage
Bembas, wonach eine starke Opposition führen wollte, die Situation wieder
beruhigen. Bemba betonte allerdings weiterhin seine Zweifel an der Gültigkeit des
Endergebnisses, da viele Ungereimtheiten während der Wahl stattfanden.306
Kabila wurde am 6.Dezember 2006 angelobt und als Präsident der Demokratischen
Republik Kongo vereidigt. Er ernannte zur Überraschung Vieler Antoine Gizenga
zum Premierminister. Gizenga, der bereits Staatsekretär unter Patrice Lumumba
war,
wurde
im
ersten
Wahlgang
Dritter
und
unterzeichnete
eine
Unterstützungserklärung für Kabilas Wahlbündnis vor dem zweiten Wahlgang.307
6.2.4.2. Die neue Regierung Kabila – Institutionen, Akteure, Machtverhältnisse
Joseph Kabila, der Sohn des ehemaligen Präsidenten Laurent-Desire Kabila, wurde
am 27.November 2006 vom Obersten Gericht der Demokratischen Republik Kongo
zum Sieger der Stichwahl zum Präsidenten des Staates erklärt. Er wurde, trotz
einiger Proteste vom Herausforderer Bemba am 6.Dezember vereidigt. Laut neuer
Verfassung dauert seine Amtszeit sieben Jahre. Als Premierminister berief er
Antoine Gizenga ein, der schon unter Patrice Lumumba der Regierung angehörte,
während der Diktatur Mobutus allerdings 1965 in die Sowjetunion ins Exil musste und
dort 27 Jahre lebte, bevor er zurück in den Kongo kam. Grund für die Ernennung
zum Premierminister war die Unterstützung, die Gizenga Kabila für den Fall zusagte,
dass er an der Regierung beteiligt würde. Gizenga, der ebenfalls in der Wahl zum
Präsidenten kandidierte, erreichte im ersten Durchgang den dritten Platz. Vor der
305
Vgl. Johnson, Dominik (2006f). Bemba lehnt Wahlniederlage ab, in: TAZ, 16.11.2006, http://www.kongokinshasa.de/taz/taz2006/taz_061116.php.
306
Vgl. IRIN (2006c). DRC: Bemba condemns poll ruling but ready to lead opposition, 29.11.2006,
http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportId=61677.
307
Vgl. Bavier, Joe (2006). Congo names opposition veteran Prime Minister, in: Reuters, 30.12.2006,
http://www.alertnet.org/thenews/newsdesk/L30447160.htm.
128
Stichwahl ging er bzw. seine Partei, die Lumumbistische Vereinigte Partei (PALU),
ein Bündnis mit Kabilas Wahlbündnis AMP308 ein.309
Nach der Ernennung Gizengas dauerte es mehr als einen Monat, bis die Liste der
Minister veröffentlicht wurde. Die neue Regierung unter der Leitung Gizengas hat
insgesamt 60 Minister. Davon sind sechs Staatsminister, 24 Minister und 20 VizeMinister.310 Diese Liste wurde am 27.Februar von der Nationalversammlung mit einer
großen Mehrheit angenommen.311
Das Parlament der Demokratischen Republik Kongo besteht aus zwei Kammern,
dem Senat und der Nationalversammlung.
Die Nationalversammlung setzt sich aus 500 gewählten Vertretern zusammen. In der
derzeitigen Koalition wird die AMP durch die PLU, UDM312 und andere Alliierte
unterstützt
und
dominiert
mit
einer
klaren
Mehrheit.
Dieser
Parteienzusammenschluss hat auch die Mehrheit in den wichtigsten Ausschüssen313
der Nationalversammlung. Die größte Oppositionspartei, Bembas Union pour la
Nation (UMP), verfügt über 125 Sitze in der Nationalversammlung und hat den
Vorsitz in zwei Ausschüssen.314
Die AMP von Präsident Kabila verfügt neben der Mehrheit im Parlament über eine
Mehrheit in sieben von elf Provinzparlamenten.315 Zudem stellt die Partei neun von
elf Gouverneuren und Vize-Gouverneuren in den Provinzen. Die UMP stellt einen
Gouverneur und hat in vier Provinzen die Mehrheit. Das Rassemblement Congolais
pour la Démocratie (RCD), das bis kurz nach der Regierungsbildung mit der AMP
formlos kooperiert hatte, stellt ebenso einen Gouverneur.316
Der Senat setzt sich aus 108 Senatoren zusammen. Obwohl die Senatoren ihre
jeweilige Provinz repräsentieren, haben sie ein nationales Mandat. Die Kandidaten
für einen Senatorensitz können entweder individuell antreten oder sich von den
politischen Parteien aufstellen lassen. Die Senatoren werden vom Provinzparlament
gewählt und haben zwei Stellvertreter. Sie werden für eine Dauer von fünf Jahren
gewählt und können wieder gewählt werden. Das Mandat wird dann gültig, wenn die
Fähigkeiten des Kandidaten als passend für den Senat eingestuft worden und gilt,
308
Alliance pour la Majorité Présidentielle (Anm. d. Autors).
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Politisches, http://www.kongo-kinshasa.de/politisches/index.php.
310
Für die genaue Auflistung siehe Anhang. (Anm. d. Autors)
311
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Politisches.
312
Union des Democrates Mobituistes. (Anm. d. Autors)
313
Diese sind: Wirtschaft und Finanzen, Verteidigung, internationale Beziehungen, Umwelt und Naturressourcen
sowie Infrastruktur und Raumordnung. (Anm. d. Autors)
314
Politik, Verwaltung und Justiz und Soziales und Kulturelles. (Anm. d. Autors).
315
Der Kongo hat zwar nur zehn Provinzen aber auf der politischen Ebene wird Kinshasa als eigene Provinz
angesehen. (Anm. d. Autors)
316
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Politisches.
309
129
bis der Senat neu zusammengesetzt wird. Schließlich gilt noch die Mitgliedschaft der
ehemaligen Präsidenten auf Lebenszeit.317
Obwohl die AMP eine große Mehrheit im derzeitigen Senat innehat – mehr als 60
von 108 Sitzen – wurde nicht ihr Kandidat als Präsident des Senats gewählt sondern
einer der Unabhängigen, Kengo wa Dondo.318
6.3.
Wichtige Akteure und ihr Einfluss auf das System der Demokratischen
Republik Kongo
6.3.1. Das Militär
Die Situation der Armee ist schwierig. Viele der derzeitigen Personen in höheren
Positionen waren einst Rebellenführer oder Milizen. Nach der Friedensvereinbarung
von Ituri 2004 wurde ihnen Generalamnestie zugesichert.319 Die Forces Armées de la
Republique Démocratique du Congo (FARDC) gliedern sich in Army, Navy und
Congolese Air Force (Force Aerienne Congolaise, FAC). Das wehrpflichtige Alter
bzw. die Bereitschaft ist von 18 bis 45 Jahre verpflichtend. Die Anzahl der möglichen
zu aktivierenden Männer in diesem Alter betrug 2005 ungefähr 11.3 Millionen. Davon
wurden 6.5 Millionen als für den Militärdienst vorbereitet angesehen. Die jährlichen
Ausgaben für das Militär betrugen 2006 2.5 Prozent des BIP. Der Oberbefehlshaber
ist der Präsident der DRC.320
6.3.2. Die Medien
Durch die Machtübernahme von Joseph Kabila sollte in der DRC wieder so etwas
wie Pressefreiheit eingeführt werden. Die Praxis sah vor allem im Wahlkampf jedoch
anders aus. Die Journalisten wurden von der jeweiligen Gegenseite bedroht und
teilweise sogar inhaftiert, um nicht kritisch gegen den jeweiligen Kandidaten
schreiben zu können.321
317
Vgl. Constitution de la Repbulique du Congo, http://www.presidentrdc.cd/constitution.pdf.
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Politisches.
319
Vgl. Der Standard (2006). Friedensvereinbarung für Ituri, 27.Oktober 2006, http://derstandard.at/.
320
Vgl. Central Intelligence Agency (2007). CIA World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/theworld-factbook/geos/cg.html, aktualisiert am 16.8.2007.
321
Vgl. Konrad Adenauer Foundation (2005). SADC Media Law: A Handbook for Media Practitioners. A
comparative overview of media laws and practice in Lesotho, Tanzania and the Democratic Republic of Congo,
Volume 3, November 2005, http://www.kas.de/proj/home/pub/82/1/dokument_id-8939/index.html, S.108f.
318
130
Die mediale Landschaft in der DRC ist sehr unüberschaubar. Dies liegt zu einem
sehr großen Teil daran, dass sich das Land nach wie vor in einer Übergangsperiode
befindet und keine nationale Einheit darstellt. Eine Studie aus dem Jahr 2005, die die
Situation der Medien in der DRC durch Interviews von Journalisten analysieren
sollte, schätzt die Anzahl der Zeitungen landesweit auf mehr 175. Die meisten davon
sind in privatem Besitz. In den Interviews wurde auch deutlich, dass sich die
Medienlandschaft beinahe ausschließlich auf die städtischen Regionen konzentriert,
da es kaum Informationen über regionale Zeitungen gibt. Die meisten Zeitungen gibt
es in Kinshasa, wovon acht täglich erscheinen.322 Drei dieser acht beziehen direkte
Unterstützung von der Regierung. Der Rest der Zeitungen erscheint zwischen einund dreimal wöchentlich.
Viele der Zeitungen sind nicht finanziell unabhängig, wodurch auch ihre Neutralität
beeinträchtigt wird. Inhaltlich findet man in den Zeitungen meist Kommentare und
Analysen der Situationen als faktische Berichte über Ereignisse. Es gibt zwar keine
Zeitung, die unmittelbar von der Regierung kontrolliert wird, aber die Chefredakteure
zweier Zeitungen arbeiteten in der Regierung. Es gibt auch eine Nachrichtenagentur,
die vom Staat organisiert ist, die Agence Congolaise du Press (ACP).323
Im Rahmen der Studie der Konrad Adenauer Foundation wurden zahlreiche
Journalisten interviewt und über ihre Erfahrungen befragt. Viele der Journalisten
waren sehr interessiert daran, ihre Meinung zu sagen, bestanden aber auf strengste
Geheimhaltung, da in der DRC noch immer keine reelle Pressefreiheit besteht. Es ist
der Presse zwar gelungen, sich stärker Gehör zu verschaffen, da es den Medien
durch politisches Chaos gelungen war, mehr und ausführlicher zu berichten, als es in
den Regimes zuvor der Fall war. Viele der Journalisten beschrieben sehr ausführlich
die Repression, die unter dem Mobuturegime herrschte. Dabei zeichnete es die
Situation als äußerst gewalttätig gegenüber den Journalisten aus, denn es kam zu
Folter, Missbrauch und Morden an Journalisten, die durch die damaligen
Regierungstruppen durchgeführt wurden. Auch unter L.-D. Kabila gab es keine
wirkliche Änderung der Situation. Während man die derzeitige Lage der
Medienlandschaften respektive der Journalisten als besser als in den Jahrzehnten
zuvor bezeichnen kann, gibt es nach wie vor noch keine reelle Pressefreiheit, wie sie
propagiert wurde. Es gab 2005 nach wie vor noch Fälle von illegalen Verhaftungen,
322
L’analyst, Boyoma, Elima, Le Palmares, Le Potentiel, L’ouragan, L’avenir und Le soft. (Anm. d. Autors)
Vgl. Konrad Adenauer Foundation (2005). SADC Media Law: A Handbook for Media Practitioners. A
comparative overview of media laws and practice in Lesotho, Tanzania and the Democratic Republic of Congo,
Volume 3, November 2005, http://www.kas.de/proj/home/pub/82/1/dokument_id-8939/index.html, S.108f.
323
131
Drohungen, unbegründete Schließungen von Verlagen und teilweise Morde an
Journalisten. Weniger drastisch ist die Situation nur in der Hauptstadt Kinshasa, wo
nach Meinung der Journalisten eine größere Pressefreiheit herrscht. Dies führten die
Interviewpartner
hauptsächlich
auf
die
Anwesenheit
der
internationalen
Organisationen und NGOs zurück. Auch die Observateurs des Médias Congolais
(OMEC) und die Union National de la Presse Congolaise (UNPC) sind in den Augen
der Journalisten sehr wichtig. Die OMEC untersucht einzelne Fälle von inhaftierten
Journalisten und leitet die Ergebnisse an die UNPC weiter. Diese hat mehr Einfluss
und auch die Macht, den Journalisten wieder eine Akkreditierung zu erteilen.324
Die Journalisten identifizierten
die
größten
Probleme
der
Medien
Journalismus.
Es
gibt
in
der
Demokratischen Republik Kongo:
•
Zu
wenig
Training
im
Bereich
nur
eine
Ausbildungsstätte für Journalisten. Oftmals verfügen die Journalisten nicht
über ausreichende Fähigkeiten zur Informationsverarbeitung. Dadurch werden
sie oft aufgrund z.B. diffamierender Schreibweise verhaftet.
•
Zu geringe Kenntnisse über die Rechtslage der Medien in der DRC.
Hintergrund dafür ist der schwere Zugang zu den erlassenen Gesetzen. Die
OMEC versuchte mit einem Kodex, der über die Rechte der Journalisten
aufklärt, dem entgegenzuwirken.
•
Die schlechte Bezahlung der Journalisten. Das führt dazu, dass viele sich
gegen mehr Geld dazu verleiten lassen, Unwahrheiten zu schreiben.
•
Belästigung und Missbrauch durch das Militär. Die Journalisten sind oft den
Armeeführern willkürlich ausgeliefert.
•
Die Schwierigkeiten beim Zugang zu den Informationen, die von der
Regierung verwaltet werden. Hintergrund dafür ist, dass die Regierung keine
Kritik an ihrer Arbeit lesen bzw. hören möchte. Aus diesem Grund verweigert
sei sehr oft die Herausgabe von Informationen.325
Man muss die mediale Sphäre im Kongo in zwei Bereiche unterteilen, um sie
entsprechend zu analysieren. Einerseits ist der Sektor der Printmedien sehr groß und
wichtig und andererseits gibt es die elektronische Medienlandschaft.
324
325
Vgl. Konrad Adenauer Foundation, S.109ff.
Vgl. Konrad Adenauer Foundation, S.112f.
132
Neben den oben angeführten generellen Problemen der Journalisten gibt es in den
unterschiedlichen Bereichen noch zusätzliche und spezifischere Probleme. Im
Printmediensektor ist das Problem sehr oft, welches Thema der Journalist in seiner
Berichterstattung behandeln darf. Diese sind:
•
Durch die Macht des Militärs schrecken viele Journalisten davor zurück, über
die Aktivitäten und die Organisation der Armee zu berichten. Ein Grund für
diese Schwierigkeit ist die Zusammensetzung bzw. die Eingliederung der
ehemaligen Rebellenführer in die gemeinsame kongolesische Armee. Viele
Aktionen des Militärs sind auch nicht legal, aber die Gefahr, die durch die
mächtige Armee besteht, ist bei einer Berichterstattung durch die Journalisten
sehr groß.
•
Schlechte Regierungsarbeit. Bei dem Versuch, über Probleme und Fehler, die
die Regierung während ihrer Arbeit gemacht hat bzw. macht, zu berichten,
wurden viele Journalisten bedroht und verhaftet.
•
Korruption. Die Journalisten schrecken davor zurück, über Bestechungen und
korrupte Beamten, die sich innerhalb der Regierung wie auch des juristischen
Systems befinden, zu berichten. Als Grund dafür geben sie die enge
Beziehung
an,
die
zwischen
den
juristischen
Beamten
und
den
Sicherheitsbeamten bestehe.
•
Die Nationalität des Präsidenten. Dieses Thema ist sehr diffizil, da es sehr viel
Spekulation über die Herkunft von Joseph Kabila gibt. Es gibt Gerüchte,
wonach Kabila aus Ruanda stamme und nicht der leibliche Sohn von L.-D.
Kabila sei. Diese Situation ist aufgrund der generell gespannten Lage
zwischen der DRC und Ruanda sehr vorsichtig zu behandeln. Viele der
Journalisten wollten nicht einmal vage über dieses Thema sprechen, da sie es
als zu gefährlich ansahen.
•
Die Vorwürfe des Kannibalismus gegen die MLC. Viele Journalisten forschen
nicht nach, ob etwas hinter den Vorwürfen steckt bzw. vermeiden das Thema
komplett, da sie Angst vor der Rache dieser Gruppe haben.326
In der DRC gibt es ungefähr 25 TV-Stationen und einen staatlichen Sender. Der
größte Sender ist Radio-Television National Congolaise (RTNC). Die Kontrolle
dieses
326
Rundfunksenders
ist
in
staatlicher
Hand.
Die
Mitarbeiter
sind
Vgl. Konrad Adenauer Foundation, S113.ff.
133
Staatsangestellte, und der Direktor wird direkt durch den Präsidenten ernannt. Der
Sender sendet kostenlos und deckt mit seinem Netz das gesamte Gebiet der DRC
ab.327 Andere wichtige TV-Sender sind RTGA, Raga TV und Digital Congo, die alle
private Rundfunksender sind und beinahe eine nationale Reichweite haben.328
Wie in vielen afrikanischen Ländern stellt das Radio eine der wichtigsten
Informationsquellen der DRC dar. 2005 gab es ungefähr 122 Radiostationen, die
nicht unter der Kontrolle der Regierung standen. Die meisten davon waren regionale
oder religiöse Sender. Der nationale Sender heißt La Voix du Congo. Der
Regierungssender überträgt seine Sendungen in den häufigsten Landessprachen,
und er operiert in zwölf verschiedenen regionalen Stationen. In den meisten
Landesteilen – speziell ländlichen - sind allerdings nur kommunale Radiosender zu
empfangen. Die Wichtigkeit und Unabhängigkeit der nationalen Radios wurde im
Jänner 2005 deutlich, als der Minister für Presse und Information diesen Stationen
Nachrichtenverbot erteilte.329
Die steigende Anzahl der Radio- und TV-Sender kann man durchaus als eine
Liberalisierung der Medienlandschaft deuten. Zudem kommt die Einrichtung einer
Haute Authorite des Media (HAM), die beide Sektoren, die Print- und die
elektronischen Medien, kontrollieren. Trotzdem haben die Interviewten auch hier
Probleme angeführt, die die Pressefreiheit einschränken würden.
•
Die geringe Macht der HAM, da diese ständig durch die drei, für diesen Sektor
verantwortlichen, Ministerien kontrolliert und unterwandert würden.
•
Die Macht der Regierung, die TV- und Radiostationen jederzeit abzuschalten.
Die Regierung ist auch bereit dies zu tun, wenn die Notwendigkeit bestünde,
wie im Jahr 2005.
•
Der Mangel an moderner Ausrüstung.330
Die Situation für die Journalisten in der DRC hat sich in noch nicht wirklich
verbessert, wie die Reporter ohne Grenzen, eine Organisation zum Schutz der
Pressefreiheit, in einem kurzen Bericht 2006 veröffentlichen. Es gibt nach wie vor
Todesdrohungen und illegale Inhaftierungen gegenüber kritischen Journalisten.331
327
Vgl. Konrad Adenauer Foundation, S.109.
Vgl. BBC News (2007). Country profile: Democratic
http://news.bbc.co.uk/1/hi/world/africa/country_profiles/1076399.stm.
329
Vgl. Konrad Adenauer Foundation, S.109.
330
Vgl. Konrad Adenauer Foundation, S.115f.
331
Vgl. Reporters without Borders. Democratic Republic of
http://www.rsf.org/article.php3?id_article=17396&Valider=OK.
328
Republic
Congo
of
–
Congo,
Annual
16.6.2007,
Report
2006,
134
6.3.3. Die Kirche
In der DRC sind mehr als 50 Prozent der Menschen Angehörige der katholischen
Kirche. Die Kirche war schon seit Beginn der Unabhängigkeit 1960 einer der
wichtigsten politischen Akteure und war durch die Conscience Africaine auch sehr
intensiv an der Ausarbeitung eines Kodex für einen unabhängigen Kongo beteiligt.
Nach der Machtübernahme von Mobutu stellte die Kirche den wichtigsten und
effektivsten Gegner des Regimes dar. Die Conférence Episcopale Nationale du
Congo (CENCO) ist die einflussreichste kirchliche Institution der DRC. Diese
Bischofskonferenz ist auch sehr stark politisch engagiert und hat sich die Aufgabe
gestellt, den Aufstieg eines neuen Mobutus mit allen Mitteln verhindern zu wollen.
Aus diesem Grund stellte man sich seitens der Kirche auch gegen eine Stationierung
der EUFOR-Truppen. Man befürchtete seitens der Kirche, dass die starke
Unterstützung des Westens eine ähnliche Situation erzeugen würde wie unter dem
Regime Mobutus, der sehr stark vom Westen unterstützt wurde. Auch erinnerte man
sich an die Truppe von ca. 1.500 Marokkanern, die zur Zeit Mobutus ins Land
eingeflogen wurden, um diesen zu beschützen.332
Der Einfluss der Kirche wird auch in der Medienwelt deutlich. Beinahe die Hälfte der
TV-Sender und ein Großteil der Radiosender senden religiösen respektive
christlichen Inhalt.333 Ein sehr wichtiges Medium ist der staatliche Sender RTNC, der
grundsätzlich von der Regierung finanziert und kontrolliert wird, aber sehr intensiv
von Seiten der Kirche genutzt wird. Die Mitarbeiter sind zwar zwischen dem Einfluss
der Kirche und den Interessen der Geldgeber gespalten, aber in Kinshasa geht der
Glaube meist tiefer als die politische Loyalität, wodurch die Kirche in diesem Sender
sehr einflussreich ist. Dieser Einfluss wurde auch vor der Wahl 2006 genutzt, um die
Kongolesen zur Wahl zu bewegen und dem Zweifel an der Neutralität der
Wahlbehörde Ausdruck zu verleihen.334
In der DRC gibt es die größte katholische Gemeinschaft in Afrika, da mehr als 50
Prozent der Kongolesen diesem Glauben angehören. Zwar ist der Kongo hinsichtlich
seiner ethnischen Herkünfte und regionalen Unterscheidungen sehr gespalten, aber
die katholische Kirche stellt die größte und einflussreichste nationale Organisation
332
Vgl. Udo, Jacob (2006). Information Intervention in Violently Divided Societies: A critical Discourse Analysis of
‘Peace
Radio’
News
in
the
Democratic
Republic
of
Congo,
http://www.personal.leeds.ac.uk/~icsfsp/papers_files/files/Jacob_Udo_paper.doc.
333
Vgl. Konrad Adenauer Fonudation, S.109.
334
Vgl. Udo, Jacob.
135
dar. Zudem zeichnet sich die Kirche für viele Schulen, Krankenhäuser und sozialen
Leistungen verantwortlich, wodurch man die Stimme der Kirche als sehr einflussreich
und autoritär bezeichnen kann.335
Allerdings ist die Tätigkeit der Kirche im Kongo und in Afrika generell auch kritisch zu
betrachten. Die Leistungen in den vorwiegend ländlichen Gebieten sind oftmals mit
Missionstätigkeiten und Taufen verbunden. Das geschieht in vielen Fällen nicht
freiwillig sondern stellt notwendige Gegenleistungen dar.
6.3.4. Internationale Akteure und ihr Einfluss in der DRC
Die drei Jahrzehnte Ausbeutung unter dem Regime Mobutu und der Rückzug der
internationalen Investoren nach Ausbruch des zweiten Kongokrieges hinterließen
ihre Spuren. Während des Zweiten Kongokrieges kam es zur Besetzung von zwei
Drittel des Ostens des Landes durch die Armeen von Uganda, Burundi und Ruanda.
Die Kontrolle über dieses Gebiet brachte den Rebellengruppen und den
Besetzerländern die Kontrolle über die Minengebiete, die in dieser Region liegen.
Durch diese Kontrolle kam es zur Ausbeutung der Rohstoffe zum eigenen Nutzen.
Dies veranlasste den Sicherheitsrat der UNO im Juni 2000 ein Komitee einzurichten,
um die illegale Ausbeutung der Bodenschätze und Rohstoffe in der Demokratischen
Republik Kongo zu untersuchen. Das „Panel of Experts on Illegal Exploitation of
Natural Resources and Other Forms of Wealth of the Democratic Republic of
Congo“, das sich aus sechs Experten zusammensetzte, veröffentlichte einen
Endbericht ihrer Untersuchungen Ende 2002. Dieser Bericht bzw. die darin
gefundenen Ergebnisse sorgten international für Aufsehen und das Mandat zu einer
weiteren Untersuchung wurde von der UNO um ein Jahr verlängert. Ende 2003
veröffentlichte die Expertengruppe schließlich ihren endgültigen Abschluss-Bericht
mit Ergänzungen zum Endbericht von 2002. Darin wurde auch beschrieben, welche
Probleme aus dem Bericht 2002 schon gelöst wurden, welche Länder sich kooperativ
zeigten und welche Probleme nach wie vor nicht bearbeitet werden.336
Der (vorläufige) Endbericht von Oktober 2002 listete nach einer zwei-jährigen
Untersuchung
sehr
detailliert
die
Aktivitäten
der
Rebellengruppen,
der
Besetzerländern, der Regierung der DRC und verschiedener damit vernetzter Firmen
335
336
Vgl. Udo, Jacob.
Vgl. UN Doc. S/2003/1027
136
auf. Diese Ergebnisse waren sehr genau und reichten von Berichten von
Kampftätigkeiten über die Möglichkeiten des Verdienstes der jeweiligen Gruppen an
den Bodenschätzen bis hin zur Ausbeutung und genauen Prozedere der Nutzung
von verschiedenen Rohstoffen im eigenen Interesse. Im Bericht kam die
Expertengruppe zum Schluss, dass in diesen illegalen Handel viele Akteure involviert
sind und die Geschäfte, die damit gemacht werden, internationale Ausmaße
annehmen. Es wurde aufgedeckt, dass es auch in einem sehr großen Ausmaß um
Waffenhandel und die damit verbundenen Kämpfe ging. Durch die Untersuchungen
wurde auch deutlich, dass es sich in den Kämpfen nicht ausschließlich um ethnische
Auseinandersetzungen handelte, sondern die Hintergründe die Kontrolle über die
rohstoffreichen Gebiete des Landes darstellten. Als Empfehlungen waren SofortMaßnahmen, Reformen von Institutionen und Beobachtung der Ereignisse im Bericht
vermerkt. Es wurden auch die Wichtigkeit der Umsetzung des Friedensabkommens,
und der damit verbundene Abzug der Truppen der Besetzerländer stark betont.
Schließlich fügten die Expertengruppen im Anhang Listen hinzu, die Firmen und
Privatpersonen enthielten, gegen die man finanzielle Strafen bzw. Reiseverbot
erteilen sollte. Ebenso fanden sich die Namen der internationalen Konzerne, die
gegen die Richtlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (OECD), die als Grundlage der Untersuchungen herangezogen
wurden.337
Die wirtschaftliche Situation entspannte sich ein wenig, als Joseph Kabila die Macht
im Kongo übernahm. Er erneuerte die internationalen Kontakte und konnte durch
seine aktiven Bemühungen im Friedensprozess auch die wichtigen internationalen
Organisationen wie Weltbank und IMF zur Unterstützung bewegen. So wurde seitens
dieser Organisationen Kabilas Regierung Anfang März finanzielle Unterstützung
zugesagt und ein Strukturanpassungsprogramm in Aussicht gestellt, falls diese
binnen sechs Monaten bestimmte Reformen umsetzen würde. Zuerst versuchte man
seitens der Regierung die Inflation zu stoppen, indem man die Währung, den
kongolesischen Franc, um 300 Prozent abwertete.338
Durch die erfolgreichen Verhandlungen von Sun City und der Aussicht auf möglichen
Frieden im Kongo, sagten die Weltbank und weitere Geldgeber anlässlich eines
Treffens Ende 2002 eine finanzielle Unterstützung von 3.9 Milliarden US-Dollar für
den Zeitraum 2004-2006 zu. Dieses Geld würde die finanziellen Ressourcen des
337
338
Vgl. UN Doc. S/2002/1146.
Vgl. Matthiesen, S.67ff.
137
Staates verdoppeln. Dazu bekam der Kongo noch die Millionen, die durch ein zum
damaligen Zeitpunkt laufendes Programm der Weltbank in der DRC noch ausbezahlt
werden sollten. Bei diesem Programm handelte es sich um das Multisektorale
Programm zum Wiederaufbau und der Rehabilitation (PMURR)339. Zudem sollte der
Kongo ab 2004 in den Genuss der HIPC-Initiative340 kommen. Diese sollte 8.95
Milliarden US-Dollar vom damaligen Schuldenstand 13.9 Milliarden tilgen. Der Rest
sollte gestrichen werden.341
Mit dieser Zusage für die finanzielle Unterstützung kam es allerdings auch zu
Schwierigkeiten. Ein Großteil des Geldes – rund 70 Prozent – sollte in Straßenbau,
Wasser- und Stromversorgung fließen. Der Rest sollte für die Entwicklung der
Landwirtschaft, Bildung und Gesundheit verwendet werden. Die Unterstützungen
waren mit Bedingungen verbunden. Die wichtigste, die auch im Bericht der UN als
essentiell beschrieben wurde, war die Demilitarisierung im Osten des Landes. Damit
begannen die Probleme, da bei der oben angeführten Unterstützung kein Geld für
die Demobilisierung vorgesehen war. Dies wurde laut Weltbank schon früher
geregelt. Allerdings ist unklar, wie viel Geld wirklich an den Kongo überwiesen
wurde, da es keine schriftlichen Vereinbarungen gibt. Ebenso ist die Anzahl der
Kämpfer, die es zu entwaffnen gilt, sehr ungenau. Zudem wußte niemand, ob bei den
Subventionen Gelder für die Beamten im öffentlichen Dienst vorgesehen sind. Diese
Verantwortung wurde seitens der kongolesischen Regierung bei den internationalen
Geldgebern gesehen.
Schließlich nahm noch der politische Wettbewerb nach der Zusage der Gelder
erheblich zu. Jean-Pierre Bemba, der Vize-Präsident und ehemalige Rebellenführer,
flog spontan zum Treffen nach Paris, um die internationalen Konzernchefs und
Investoren zu begrüßen und so Lobbying zu betreiben. Dies wurde seitens der
Unterstützer Kabilas als Affront und als eine öffentliche Aktion gegen die Interessen
der Demokratischen Republik Kongo gesehen. Da auch die Verteilung der Gelder im
traditionell über politische Loyalitäten bzw. Intrigen lief, waren die Unternehmer im
Osten mit dem Ergebnis der Verhandlungen nicht sehr zufrieden, weil sie sich von
ehemaligen Mitstreitern, die die Seite gewechselt haben, verraten fühlten. So
339
Vgl. Misser, Francois, Johnson, Dominik (2007). Weihnachtsbescherung für Kongo, in: TAZ, 27.12.2003,
http://www.kongo-kinshasa.de/taz/taz2003/taz_031227.php.
340
The HIPC Initiative is a comprehensive approach to debt reduction for heavily indebted poor countries
pursuing IMF- and World Bank-supported adjustment and reform programs. To date, debt reduction packages
have been approved for 30 countries, 25 of them in Africa, providing US$35 billion (net present value terms as of
the decision point) in debt-service relief over time. Ten additional countries are potentially eligible for HIPC
Initiative assistance and may wish to avail themselves of this debt relief., in: International Monetary Fund (2007).
A Factsheet. Debt Relief under the (HIPC) Initiative, April 2007, http://www.imf.org/external/np/exr/facts/hipc.htm.
341
Vgl. Matthiesen, S.68.
138
bahnten sich im Osten erneut Konflikte an, und es kam nach einem Boykott der
Unternehmer beinahe zu einer Unterbrechung aller Kommunikationsmöglichkeiten
nach Goma. Erst durch ein spätes Einlenken der Regierung kam es zu einer
Einigung, und ein Krieg konnte verhindert werden.342
Das Programm, das der IMF 2002 im Kongo startete, trug den Titel Poverty
Reduction and Growth Facility Arrangements (PRGF). Dieses Programm wurde im
März 2006 noch bevor der letzte Report beendet werden konnte. Der Grund dafür
war, dass die Ziele und Vorgaben, die gefordert wurden, teilweise nicht erreicht
wurden. Manche Reformen konnten nicht rechtzeitig durchgeführt werden. Der IMF
empfahl daraufhin ein Programm durchzuführen, das von April bis Oktober dauern
sollte und den Titel Programme relais du consolidation (PRC) trug. Ziel dieses
Programms war:
„The authorities are requesting a staff-monitored program (SMP) for April 1-December
31, 2006. The main objectives of the SMP are to preserve macroeconomic stability
during the elections and give the authorities the opportunity to establish a track record of
policy implementation, which would pave the way for a successor Poverty Reduction and
Growth Facility (PRGF) arrangement.”343
Ein Report vom März 2007 sieht die Ziele des SMP als nicht erfüllt an. Es kam
demnach zu einer Überschreitung des Budgets und einer entscheidenden
Verschiebung der Umsetzung von Reformen, speziell in der zweiten Hälfte des
Jahres 2006. Generell wurden einige Punkte festgehalten, bei denen die Entwicklung
nicht wie erhofft bzw. geplant voranging.
¾ Das reale Wirtschaftswachstum reduzierte sich auf cirka 5 Prozent.
¾ Die Inflation stieg im Vergleich zum Vorjahr auf 18.2 Prozent an. Die Prognose
lag bei 9.5 Prozent.
¾ Der Kongolesische Franc wurde um 15 Prozent abgewertet.
¾ Die internationalen Reserven sind nach wie vor gering.
¾ Die Preise stiegen um vier Prozent in den ersten beiden Monaten 2007.
342
Vgl. Misser, Francois, Johnson, Dominik (2007).
Vgl.
IMF
(2006).
Democratic
Republic
http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2006/cr06259.pdf.
343
of
the
Congo:
Staff-Monitored
Programme,
139
Der Bericht wies explizit auf die Notwendigkeit von unmittelbarem Handeln hin.
Allerdings wurde anerkannt, dass die neue Regierung zugesichert hat, weitere
Reformen durchzuführen und die Wirtschaft zu stabilisieren. Der IMF bekräftigte
auch sein Interesse, mit der Regierung der DRC zusammenzuarbeiten und tat dies
auch in Form einer beratenden Tätigkeit bei den Budget-Entwürfen.344
6.3.5. Die UN-Mission in der Demokratischen Republik Kongo (MONUC)
Im Jahr 2000 beauftragte der Generalsekretär der Vereinten Nationen eine
Expertengruppe mit einer Analyse der Anforderungen an derzeitige und künftige
Friedensmissionen der UNO. Vorsitzender der Kommission war Lakhdar Brahimi,
weshalb der Bericht auch Brahimi-Bericht genannt wurde. Als Ergebnis definiert der
Bericht drei wichtige Grundvoraussetzungen, die für den Erfolg künftiger Missionen
notwendig seien:
1. die tragfähige politische Unterstützung der UN-Mitglieder;
2. eine rasche Entsendung robust ausgestatteter – also für den tatsächlichen
Gebrauch militarisierter Mittel vorbereitete – Friedenstruppen;
3. eine umfassende Strategie, wodurch der Frieden in der Region dauerhaft
aufrechterhalten werden kann;345
Nach Ausbruch des Zweiten Kongokrieges 1998 reagierte die UNO erst acht Monate
nach Beginn der Kämpfe auf die Situation mit der UNO-Resolution 1234, die eine
Beteiligung der UNO an der Schlichtung und den Bemühungen um ein
Friedensabkommen vorsah. Kritisch wurde diese späte Reaktion auch aus dem
Grund betrachtet, weil die UNO auch in Ruanda vier Jahre346 zuvor den Genozid
nicht verhindern konnte, und man fürchtete, dass die verzögerte Reaktion ähnliche
344
Vgl. IMF (2007). Statement to the Conclusion of an IMF-Mission to the Democratic Republic of the Congo.
Press release No 07/55, 19.3.2007, http://www.imf.org/external/np/sec/pr/2007/pr0755.htm.
345
Vgl. Griep, Ekkehard (2002). Neue Maßstäbe für die UN-Friedensmissionen. Der Brahimi-Bericht und seine
Folgen: eine Bestandsaufnahme, in: Zeitschrift für die Vereinten Nationen, Nr.2, April 2002,
http://www.dgvn.de/fileadmin/user_upload/PUBLIKATIONEN/Zeitschrift_VN/VN_2002/VN_02_2002.pdf.
346
In Ruanda starben nach Schätzungen 1994 zwischen 500.000 und 1.000.000 Menschen, während die
internationale Reaktion auf die Geschehnisse sehr zurückhaltend war. Die UNO war seit dem Friedensabkommen
von Arusha durch Blauhelme vertreten, welche allerdings nicht in den Völkermord, der 1994 stattfand, ein. Sie
wurden schließlich sogar, als das Abkommen scheiterte, im April 1994 durch die Resolution 912 erheblich
reduziert. Hauptverantwortlich für eine Reduktion und nicht, wie vom Generalsekretär der UNO vorgeschlagen,
eine Aufstockung waren die USA. Trotz aller frühen Warnzeichen für den Ausbruch von Gewalt konnte man den
Entwicklungen nicht rechtzeitig entgegensteuern, in: Matthiesen, Fußnoten 264 u. 265, S.76.
140
Folgen haben könnte. Schließlich reagierte auch die UNO und entsandte einen
Sonderbeauftragten, der an den Friedensverhandlungen teilnehmen sollte.347
Man einigte sich schließlich auf das Abkommen von Lusaka, das neben einigen
wichtigen Punkten zum Übergang des Kongo in die Demokratie auch die Einrichtung
einer gemeinsamen Militärkommission vorsah. Der UN-Sicherheitsrat lobte die
Ergebnisse des Abkommens von Lusaka und entschied, als ersten Schritt 90
Beobachter in die Hauptstädte der Unterzeichnerländer sowie die gemeinsame
Militärkommission zu entsenden. Als zweiten Schritt sandte man 500 Beobachter
zum selben Zweck.348 Schließlich beschloss man die Resolution 1291, die
gleichzeitig das Gründungsdokument für die Mission des Nations Unis pour le Congo
(MONUC) darstellten. Diese Mission hatte in Kinshasa ihren Hauptsitz, und die im
Kongo stationierten Blauhelme waren dafür verantwortlich, den Frieden im Osten des
Landes zu sichern. Die Präsenz der UNO war nicht von allen Kongolesen gern
gesehen. Man erinnerte sich an die zweifelhafte Rolle, die die UNO zur Zeit
Lumumbas und in Zusammenhang mit dessen Tod gespielt hatte. Aus diesem Grund
stand man den im Kongo stationierten UN-Truppen sehr skeptisch gegenüber.349
Durch die Situation, die sich in den darauf folgenden Jahren nicht wirklich zum
Positiven veränderte, stieg die Zahl der UN-Soldaten sukzessive an. Die Obergrenze
war 2001 mit 5.500 Mann festgesetzt worden. Diese Grenze war im Jahr 2002 mit
3.800 Mann bei weitem nicht erreicht. Zudem wurde diese Obergrenze Ende des
Jahres 2002 auf 8.700 Mann angehoben. Im Februar 2003 betrug die Stärke des
UN-Kontingents 4.386 Mann.
Die Situation änderte nichts an der Tatsache, dass diese Truppenstärke für die
Größe des Landes350 viel zu gering war. Im Vergleich dazu waren in dem sehr
kleinen Staat Sierra Leone351 über 12.000 UN-Soldaten im Einsatz. Das bedeutete,
dass im Verhältnis im Kongo ein UN-Soldat für 12.688 Einwohner zuständig war und
in Sierra Leone nur für 405 Einwohner. Neben diesem Problem war auch das Mandat
der Schutztruppe nicht ausreichend formuliert. So war es den Soldaten nur erlaubt,
Personen zu beschützen, die einerseits unmittelbar von Gewalt bedroht wurden und
sich andererseits in der Nähe eines Standorts der Blauhelme befanden.352 Dies
347
Vgl. Matthiesen, S.74.
Vgl. UN Doc. S/1999/1279.
349
Vgl. Matthiesen, S.75.
350
2.344.410 km², das ist in etwa vergleichbar mit der Größe Westeuropas. (Anm. d. Autors)
351
71.740 km² (Anm. d. Autors)
352
Vgl. Debiel, Tobias (2002). Friedenseinsätze der UN in Afrika und ihre Folgen. Bilanz, Lehren und (mangelnde
Konsequenzen, in: Zeitschrift für die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen, Nr.2, April 2002,
http://www.dgvn.de/fileadmin/user_upload/PUBLIKATIONEN/Zeitschrift_VN/VN_2002/VN_02_2002.pdf.
348
141
führte dazu, dass trotz der Anwesenheit der UN-Soldaten in den großen Städten wie
Kisangani und Bunia schwere Übergriffe auf die Zivilbevölkerung stattfanden.353
Die Verabschiedung der Resolution 1291 zur Gründung der MONUC basiert nicht auf
den Empfehlungen des Brahimi-Reports. So schreiben die Sachverständigen im
Report:
„As a political body, the Security Council focuses on consensus-building, even though it
can take decisions with less than unanimity. But the compromises required to build
consensus can be made at the expense of specificity, and the resulting ambiguity can
have serious consequences in the field if the mandate is then subject to varying
interpretation by different elements of a peace operation, or if local actors perceive a less
than complete Council commitment to peace implementation that offers encouragement
to spoilers. Ambiguity may also paper over differences that emerge later, under pressure
of a crisis, to prevent urgent Council action. While it acknowledges the utility of political
compromise in many cases, the Panel comes down in this case on the side of clarity,
especially for operations that will deploy into dangerous circumstances. Rather than
send an operation into danger with unclear instructions, the Panel urges that the Council
refrain from mandating such a mission.“354
Die UNO verabschiedete aus diesem Grund im Juli 2003 ein Mandat, in dem die
Mission bis Ende Juli 2004 verlängert und die Truppenstärke auf 10.800 Soldaten
erhöht wurde. Zudem wurde ein Waffenembargo über die östlichen Regionen des
Landes verhängt.355 Die UN-Truppen wurden von Juni bis September 2003 von einer
EU-Truppe verstärkt. Die Mission der EU trug den Titel Artemis und stand unter
französischem Kommando. Insgesamt waren 1.500 Soldaten daran beteiligt, und der
Auftrag war die Unterstützung der UN-Truppen in der Krisenregion Ituri im NordOsten es Landes.356
Das Mandat wurde wiederholt verlängert und schließlich, da es ständig zu Beschuss
von UN-Truppen durch die Rebellen kam, und bei solchen Angriffen immer wieder
Blauhelme getötet wurden, beschloss der UN-Sicherheitsrat am 29.März 2005 die
Resolution 1592. Durch diese Resolution waren die UN-Truppen ermächtigt, alle
notwendigen Maßnahmen zu treffen, um die Bevölkerung und sich selbst im Kongo
353
Vgl. Matthiesen, S.76f.
Vgl. UN Doc. A/55/305-S/2000/809, Ziffer 56, http://www.un.org/peace/reports/peace_operations/.
355
Vgl. UN Doc. S/2003/1493.
356
Vgl. Matthiesen, S.77.
354
142
zu schützen und aktiv gegen bewaffnete Gruppen jeglicher Art im Ituri vorzugehen.357
Die UNO ging daraufhin härter gegen die rund 15.000 Milizen vor, die im Ituri
vermutet wurden, und es gelang den Blauhelmen auch, einen Großteil davon zu
entwaffnen bzw. deren Führer festzunehmen. Die Truppenstärke betrug zu diesem
Zeitpunkt ungefähr 16.700, was in der Resolution 1565 als Maximalzahl beschlossen
wurde.358
Aufgrund der bevorstehenden Wahlen, die im Jahr 2005 immer wieder verschoben
wurden, richtete sich die UNO Ende 2005 an die EU um Unterstützung durch ein
europäisches Kontingent. Der Grund dafür war die Tatsache, dass die Europäer in
dieser Region sehr angesehen und respektiert waren, und die UNO jede Hilfe
gebrauchen
konnte,
um
die
Ruhe
in
der
Hauptstadt
Kinshasa
zu
aufrechtzuerhalten.359
Am 25.April 2006 verabschiedete der Sicherheitsrat der UNO die Resolution 1671,
die einen militärischen Einsatz der EU-Truppen temporär genehmigte. Ursprünglich
war der Einsatz für vier Monate anberaumt, allerdings war eine Verlängerung sehr
wahrscheinlich und wurde aus diesem Grund auch bereits vorab genehmigt. Der
Name der Mission war EUFOR RD Congo. Die Operation sollte von einem
deutschen Kommandanten geleitet werden und die unmittelbare Einsatzleitung hatte
ein französischer Generalmajor über.360 Die Truppe, die eine Stärke von 2.400 Mann
hatte, setzte sich aus Militärs aus 16 Ländern zusammen, wobei die größten
Kontingente aus Frankreich (850) und Deutschland (780) kamen.361
Die Mission endete schließlich wie geplant am 30.November 2006, obwohl sowohl
Frankreich, Belgien wie auch einige INGO wie Oxfam und Human Rights Watch auf
eine Verlängerung drängten. Die Handlungsfähigkeit der EU-Truppen blieb allerdings
noch bis zum 15.Dezember aufrecht.362
Durch die Entwicklungen nach der Wahl verlängerte die UNO ihr Mandat noch
weitere Male. Das derzeitige Mandat läuft bis zum 31.Dezember 2007, dies wurde in
der Resolution 1756 beschlossen. Darin wird auch erwähnt, dass die Verlängerung
des Mandats notwendig ist, da die Vereinten Nationen ihre Aufgabe, die DRC in ihrer
357
Vgl. UN Doc. S/2005/1592.
Vgl. UN Doc. S/2004/1565.
359
Vgl. SPD-Bundestagsfraktion (2006). Kongo hofft auf EU-Hilfe, in: AG Friedensforschung der Unversität
Kassel, 14.3.2006, http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Kongo/eu.html.
360
Vgl. Eufor RD Congo (2006), in: Informationsdienst für Politik. Polixea Kommunal, 7.7.2006,
http://www.polixea-portal.de/index.php/Lexikon/Detail/id/125104/name/EUFOR+RD+Congo.
361
Vgl. Ling, Martin (2006). EUFOR-Mission vor er heißen Phase, Neues Deutschland, in: AG Friedensforschung
der UNI Kassel, http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Kongo/einsatz.html.
362
Vgl. Johnson, Dominik (2006g). EU-Truppe im Kongo trotz des Abzugs aktiv, in: TAZ, 25.11.2006,
http://www.kongo-kinshasa.de/taz/taz2006/taz_061125.php.
358
143
Entwicklung zu unterstützen, realisieren müssten.363 Die derzeitige Stärke der
Truppen ist insgesamt 18.384 uniformiertes Personal. Davon sind 16.619 Militärs,
729
militärische
Beobachter,
1.036
Polizisten.
Diese
werden
durch
930
internationales ziviles Personal, 2.042 kongolesisches Personal und 606 UNVolunteers unterstützt. Bisher forderte der Einsatz in der MONUC 109 Todesopfer.364
6.3.5.1.Exkurs
Während des Einsatzes im Kongo kam es Ende 2004 zu einem großen Skandal, da
den UN-Truppen der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen, Vergewaltigung und
Involvierung in Prostitution vorgeworfen wurde.365 Die UNO startete eine große
Aktion zu Untersuchung der Vorfälle. Schließlich wurde von der UNO eine NullToleranz Politik gegenüber sexuellen Verbrechen gegenüber der Zivilbevölkerung
eingeführt. Da es schon Vorfälle in der Vergangenheit bei anderen UN-Missionen
gab, versuchte man, durch einen strengeren Kodex die UN-Truppen besser
kontrollieren zu können. Neben einer Sperrstunde für das militärische Personal
wurde auch jeglicher Kontakt zur zivilen Bevölkerung außerhalb des Dienstes
untersagt. Ebenso war es dem militärischen Personal untersagt, zivile Kleidung zu
tragen. Personal, das verurteilt wurde, wurde vom Dienst enthoben, und die
Führungen der betroffenen Einheiten wurden ausgetauscht.366
Seit Sommer 2007 gibt es erneut Vorwürfe gegen die UN-Blauhelme in der
Demokratischen Republik Kongo. UN-Soldaten aus Pakistan sollen in einen illegalen
Handel mit Gold und dessen Schmuggel verwickelt sein. Handelspartner sollen dabei
Hutu-Milizen im Osten des Landes gewesen sein. Auch indische Soldaten sollen in
illegale Aktionen verwickelt sein, indem sie Lebensmittelrationen gegen Gold an die
Hutu-Milizen
verkauft
haben
sollen.
Diese
Milizen
sind
auch
unmittelbar
verantwortlich für den Genozid in Ruanda von 1994, in dem ungefähr 800.000
Menschen ermordet wurden. Die Vorwürfe wurden seitens der UNO bestätigt, und es
wurde unmittelbar eine Untersuchung eingeleitet.367
363
Vgl. UN Doc. S/2007/1756.
Vgl. United Nations Organization Mission in the Democratic Republic of the Congo. Democratic Republic of
Congo – MONUC – Facts and Figures, 30.Juni 2007, http://www.un.org/depts/dpko/missions/monuc/facts.html.
365
Vgl. Loconte, Joseph (2005). The U.N. Sex-Scandal, in: The Weekly Standard, 3.1.2005,
http://www.weeklystandard.com/Content/Public/Articles/000/000/005/081zxelz.asp?pg=1.
366
Vgl. Fleshman, Michael (2005). Tough UN line on peacekeeper abuses. Actions initiated to end sexual
misdeeds
in
peacekeeping
missions,
in
Africal
Renewal,
Vol.
19,
April
2005,
http://www.un.org/ecosocdev/geninfo/afrec/vol19no1/191peacekeep.htm.
367
Vgl. Johnson, Dominik (2007). Neue Skandale um die UN-Blauhelme im Kongo, in: TAZ, 16.7.2007,
http://www.kongo-kinshasa.de/taz/taz2007/taz_070716.php.
364
144
6.4.
Allgemeine Informationen und Fakten über die Situation der
Demokratischen Republik Kongo
6.4.1. Geographie
Durch die Größe des Kongo und die Teilung des Landes durch den Äquator ist das
Klima sehr unterschiedlich. Grundsätzlich herrscht das Äquatorialklima, das
kontinuierlich warm und feucht ist. Allerdings unterscheidet sich das Klima je nach
Breitengrad und Höhenlage. Im Norden des Landes ist acht Monate im Jahr
Regenzeit, worauf unmittelbar die Trockenzeit folgt. Im Süden des Landes herrscht
eher westropisches Klima, das sich durch Jahreszeiten auszeichnet und nur drei bis
maximal sechs Monate Trockenzeit hat. In Kinshasa wird der Unterschied zwischen
den Trocken- und Regenzeiten schon sehr deutlich. Die Trockenzeit hier beträgt
maximal vier Monate. Durch die großen Gebirge gibt es allerdings auch teilweise
alpines Klima, und es fällt Schnee auf den höchsten Punkten (3.000m – 5.119m)368
Die Demokratische Republik Kongo ist mit einer Fläche von 2.345.410 km² der
drittgrößte Staat Afrikas. 97 Prozent des Landes sind Festland während nur drei
Prozent Wasser ist. Die DRC hat nur eine 37km lange Küste, die in Zentralafrika
liegt. Die Außengrenzen des Landes sind 10.730 km lang. Die Nachbarländer sind
Angola, Uganda, Ruanda, Burundi, Zentralafrika, Tansania, Sambia und Sudan.369
Der größte und längste Fluss des Landes ist der Kongo und das Kongobecken mit
seinen tropischen Regenwäldern nimmt mit einer Fläche von ca. einer Million km²
ungefähr 50 Prozent des Landes ein. Grundsätzlich sind mehr als zwei Drittel des
Landes mit Regenwald und anderen Wäldern bedeckt. In den Savannen und
Wäldern des Landes findet sich eine ungeheure Vielfalt an Tieren und Pflanzen. Das
bekannteste und von vielen Experten als das gelungenste Experiment bezeichnete
Gebiet ist der Albert-Nationalpark, der 1929 gegründet wurde. Ebenso im Kongo
beheimatet sind die Berggorillas, die berühmtesten Gorilla-Kolonien der Welt.370
368
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geographie, http://www.kongo-kinshasa.de/geografie/klima.php.
Vgl.
Geography
facts
on
Congo,
United
Nations
Permanent
http://www.un.int/drcongo/geography.htm.
370
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Geographie.
369
Missions,
145
Die Demokratische Republik Kongo gliedert sich in zehn Provinzen, wobei Kinshasa
während der Wahlen eine eigene Provinz darstellt.
1. Sud-Kivu
2. Bandundu
3. Bas-Congo
4. Équateur
5. Kasai-Occidental
6. Kasai-Oriental
7. Katanga
8. Kinshasa
9. Maniema
10. Nord-Kivu
11. Orientale
ABB.2. Derzeitige geographische Einteilung der Provinzen der DRC
371
371
Grafik nach Kanu/Indongo-Imbanda, Politisches.
146
Die Anzahl der Provinzen ändert sich drei Jahre nach dem In-Kraft-Treten der neuen
Verfassung, am 18.Februar 2006, in 25. Kinshasa erhält zudem den Status einer
Provinz und beherbergt auch weiterhin die nationalen Institutionen.372
Province
Capital
Province
Capital
1. Kinshasa
Kinshasa
14. Ituri
Bunia
2. Kongo central
Matadi
15. Haut-Uele
Isiro
3. Kwango
Kenge
16. Tshopo
Kisangani
4. Kwilu
Kikwit
17. Bas-Uele
Buta
5. Mai-Ndombe
Inongo
18. Nord-Ubangi
Gbadolite
6. Kasaï
Luebo
19. Mongala
Lisala
7. Lulua
Kananga
20. Sud-Ubangi
Gemena
8. Kasaï oriental
Mbuji-Mayi
21. Équateur
Mbandaka
9. Lomami
Kabinda
22. Tshuapa
Boende
10. Sankuru
Lodja
23. Tanganyika
Kalemie
11. Maniema
Kindu
24. Haut-Lomami
Kamina
12. Sud-Kivu
Bukavu
25. Lualaba
Kolwezi
13. Nord-Kivu
Goma
26. Haut-
Katanga
Abb. 3. Provinzen der DRC nach der neuen Verfassung von 2006373
372
Vgl. Artikel 2, Constitution de la Repbulique du Congo, http://www.presidentrdc.cd/constitution.pdf, abgelesen
am 19.8.2007.
147
Die Souveränität auf dem Staatsgebiet wurde durch den zweiten Kongokrieg 1998
stark angegriffen, als Ruanda, Burundi und Uganda rund zwei Drittel des Landes mit
Hilfe von Rebellentruppen besetzten. Diese Besetzung hinderte die Regierung in
Kinshasa zwar an der Ausübung der Hoheitsgewalt, änderte allerdings nichts an der
territorialen Souveränität. Da diese Souveränität auch die Möglichkeit der Ausübung
der Hoheitsgewalt auf eigenem Territorium voraussetzt, und diese durch die
Besetzung der Rebellentruppen eingeschränkt war, stellte dies eine Verletzung des
Grundsatzes der territorialen Souveränität dar. Die DRC reichte daraufhin eine Klage
beim Internationale Gerichtshof (IGH) ein, wonach Ruanda, Burundi und Uganda das
Gewaltverbot der UNO und der AU verletzt hätten. Die Verfahren im IGH wurden
unterschiedlich behandelt. So erklärte sich der IGH für den Fall Ruanda nicht wirklich
zuständig, da zwar die DRC als Vertragsstaat die Zuständigkeit des IGH für diese
Angelegenheit anerkannte, nicht aber Ruanda.374 Der Fall von der DRC gegen
Burundi wurde auf Anfrage der DRC selbst 2001 aufgegeben375 und im Fall der DRC
gegen
Uganda
kam
es
zu
einer
Urteilsfindung,
die
allerdings
weitere
Untersuchungen empfiehlt.376
6.4.2. Bevölkerung
Die Daten über die Bevölkerung der Demokratischen Republik Kongo sind in den
meisten Fällen nicht aktuell. Dies hängt unmittelbar mit den Entwicklungen und
Schwierigkeiten zusammen, die das Land in den letzten Jahren durchlaufen hat. Die
CIA hat in ihrer Datenbank eine Hochrechnung auf Basis der Zahlen der vergangen
Jahre entwickelt und stellt die aktuellsten Zahlen zur Verfügung, wobei auch hier mit
Ungenauigkeiten zu rechnen ist. Die Zahlen, die in diesem Kapitel angegeben
werden sind teilweise nicht als ganz exakt anzunehmen. Es wird vom Autor versucht
die aktuellsten Zahlen aus verschiedenen Quellen anzugeben, um ein möglichst
373
Grafik
aus
Congo
Planète
18.12.2006,
http://congoplanete.com/pictures/congo/new_congo_map_provinces_1.jpg,; Provinznamen aus Artikel 2 der
Verfassung der Demokratischen Republik Kongo.
374
Vgl. International Court of Justice (2006). Armed Activities on the territory of the Congo (New Apllication: 2002)
(Democratic Republic of Congo v. Ruanda). Summary of the Judgement of 3 February 2006, 3.2.2006,
http://www.icj-cij.org/docket/index.php?sum=642&code=crw&p1=3&p2=3&case=126&k=19&p3=5.
375
Vgl. International Court of Justice (2006a). Armed Activities on the Territory of the Congo (Democratic
Republic
v.
Burundi)
Press
Release
2001/2,
1.Februar
2001,
http://www.icjcij.org/docket/index.php?pr=655&code=cb&p1=3&p2=3&p3=6&case=115&k=1d.
376
Vgl. International Court of Justice (2006b). Case Concerning Armed Activities on the Territory of the Congo,
(Democratic
Republic
of
Congo
v.
Uganda),
19.12.2005,
http://www.icjcij.org/docket/index.php?p1=3&p2=1&code=co&case=116&k=51.
148
vollständiges Bild zu geben, wie die Situation in der DRC heute ist. Dabei wird auch
versucht, einen Vergleich mit früheren Zahlen zu geben, um die Entwicklung ein
wenig darzustellen.
Die errechnete Einwohnerzahl des Kongo wird von der CIA auf 67.751.512
Menschen geschätzt.377 Damit liegt die DRC, was die Anzahl der Bevölkerung
anbelangt an der 19.Stelle weltweit.378
Von der Bevölkerung sind in etwa 47.6 Prozent jünger als 14 Jahre und beinahe die
Hälfte zwischen 14 und 64 Jahre alt. Von diesen knappen 98 Prozent der
Bevölkerung ist die Aufteilung zwischen den Geschlechtern beinahe ausgeglichen.
Erst bei der Bevölkerungsgruppe, die älter als 64 Jahre ist und ungefähr 2.6 Prozent
der Bevölkerung ausmacht, ist der Anteil der Frauen ungefähr eineinhalb mal so groß
wie der der Männer.
Aufgrund dieser Verteilung ist das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung 16.1
Jahre. Der männliche Teil der Kongolesen ist durchschnittlich 15.8 Jahre alt,
wogegen das Durchschnittsalter der Frauen cirka 16.4 Jahre alt beträgt.
Die Wachstumsrate der Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren erheblich
gesteigert. Während die Wachstumsrate 2003 noch ca. 2.9 Prozent pro Jahr379
betrug, waren es 2005 ungefähr 3 Prozent380 und schließlich 2007 3.39 Prozent.381
Die durchschnittliche Lebenserwartung in der DRC war von 2000 bis 2005 erheblich
von den Ereignissen des Krieges beeinflusst. Sie betrug in diesen beiden Jahren, die
als Anhaltspunkte gelten, 42.4 bzw. 44 Jahre382. Die aktuell errechnete
Lebenserwartung für die gesamte Bevölkerung ist 57.2 Jahre. Dabei werden die
Männer durchschnittlich 54.97 Jahre und die Frauen 59.5 Jahre alt.383
Der aktuelle Prozentsatz weist auf eine jährliche Geburtenrate von durchschnittlich
42.96 Babys pro 1.000 Einwohner, also cirka 4.3 Prozent hin. Eine kongolesische
Frau bringt durchschnittlich 6.37 Kinder im Laufe ihres Lebens auf die Welt. Die
377
„note: estimates for this country explicitly take into account the effects of excess mortality due to AIDS; this can
result in lower life expectancy, higher infant mortality and death rates, lower population and growth rates, and
changes in the distribution of population by age and sex than would otherwise be expected.”, in: Central
Intelligence Agency (2007). CIA World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-worldfactbook/geos/cg.html, aktualisiert am 16.8.2007.
378
Vgl.
CIA,
Rank
Order
–
Population,
https://www.cia.gov/library/publications/the-worldfactbook/rankorder/2119rank.html.
379
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Bevölkerung, http://www.kongo-kinshasa.de/bevoelkerung/index.php.
380
Vgl.
The
World
Bank
(2007).
Congo,
Dem.
Rep.
Data
Profile,
April
2007,
http://devdata.worldbank.org/external/CPProfile.asp?SelectedCountry=ZAR&CCODE=ZAR&CNAME=Congo%2C
+Dem.+Rep.&PTYPE=CP.
381
Vgl. CIA (2007). The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/cg.html.
382
Vgl. The World Bank.
383
Vgl. CIA, The World Factbook.
149
Säuglings- bzw. Kindersterblichkeit – eingerechnet werden Todesfälle von Kindern
im ersten Lebensjahr bei 1.000 Lebend-Geburten wird mit 6.5 Prozent angegeben.
Dabei liegt der Prozentsatz bei den männlichen Säuglingen mit 7.15 Prozent deutlich
höher als bei den weiblichen mit 5.93 Prozent.384 Obwohl sich der Prozentsatz von
12.9 Prozent385 bereits deutlich verringert hat, ist die Zahl im internationalen
Vergleich immer noch sehr hoch.
Die Migrationsrate gibt eine Erklärung für die Anzahl aller Personen, die im Laufe auf
1.000 Personen gerechnet während eines Jahres ins Land immigrieren bzw. daraus
emigrieren. Dabei wird die Größe der Bevölkerung in der Mitte des Jahres als Basis
für die Rechnung herangezogen. Die Zahl der Migrationsrate gibt Aufschluss
darüber,
in
wie
weit
die
Zu-
bzw.
Abwanderung
zur
allgemeinen
Bevölkerungswachstumsrate beiträgt.386 Die Migrationsrate in der DRC beträgt 1,28
Prozent pro Jahr387.388
Die Situation bezüglich der Unterernährung in der Demokratischen Republik Kongo
hat sich in den Jahren des zweiten Kongokrieges dramatisch entwickelt. In der DRC
waren in den Jahren 1990-92 cirka 31 Prozent der Bevölkerung unterernährt – die
Einwohnerzahl betrug damals etwa 38.8 Millionen Menschen. Die Hilfs- und
Entwicklungsprojekte hatten unter dem Einfluss des zweiten Kongokrieges keinen
Effekt, und so waren zwischen 2001 und 2003 ungefähr 72 Prozent der in der
Zwischenzeit
auf
51.3
Millionen
Menschen
angewachsenen
Bevölkerung
unterernährt. In absoluten Zahlen bedeutete das, dass zwischen 1990-92 12.2
Millionen Menschen und 2001-03 37 Millionen Menschen an Unternährung litten.389
6.4.2.1. Ethnische Gruppen
Es ist unklar wie viele ethnische Gruppen es in der DRC gibt. Die Schätzungen
gehen von 200390 bis 250391. Der Großteil der Bevölkerung gehört den Bantu an. Die
vier größten ethnischen Gruppen sind die Luba (18%), die Mongo (17%), die Kongo
384
Vgl. CIA, The World Factbook.
Vgl. The World Bank.
386
Vgl.
CIA
(2007).
The
World
Factbook,
https://www.cia.gov/library/publications/the-worldfactbook/docs/notesanddefs.html#2112.
387
Vgl. CIA, The World Factbook.
388
Alle angegebenen Zahlen aus dem World Factbook sind für 2007 errechnet. (Anm. d. Autors)
389
Vgl. Food an Agriculture Organisation of the United Nations (2006). The State of Food Insecurity in the World
2006, ftp://ftp.fao.org/docrep/fao/009/a0750e/a0750e00.pdf.
390
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Bevölkerung.
391
Vgl. CIA. The World Factbook.
385
150
(14%), die alle Bantustämme sind und die Mangbetu-Azande (10%). Diese vier
Stämme machen bereits mehr als 50 Prozent der Gesamtbevölkerung der DRC
aus.392
ABB. 4. Daten über die Entwicklung der Unterernährung weltweit393
Der Prozentsatz der Menschen, die Zugang zu sauberem Wasser hatten lag im Jahr
2004 bei 46 Prozent und hat sich in den zehn Jahren davor nur um drei Prozent
gesteigert. Die Prozentzahl der Menschen mit Zugang zu Sanitäranlagen betrug im
Jahr 2004 30 Prozent, verdoppelte sich aber seit 1990.394
6.4.3. Wirtschaftliche Situation
Die Demokratische Republik Kongo zählt zu den an Rohstoffen reichsten Ländern
der Welt. Allerdings gilt sie gleichzeitig als eines der ärmsten Länder weltweit. Die
Währung des Landes ist der Kongolesische Franc. 1 US-Dollar sind 437
Kongolesische Francs, und 1 Euro sind 597.833 Kongolesische Francs.395 Die
392
Vgl. CIA, The World Factbook und Kanu/Indongo-Imbanda, Bevölkerung.
Grafik von Food and Agricultural Organization.
394
Vgl. United Nations Development Programme (2006). Human Development Report. Beyond scarcity: Power,
poverty
and
global
water
crisis,
Congo,
Dem.
Rep.
of
the,
http://hdr.undp.org/hdr2006/statistics/countries/data_sheets/cty_ds_COD.html.
395
Currency Converter, Stand am Montag, dem 27.8.2007, in: http://www.oanda.com/convert/classic.
393
151
Inflation beträgt 18.2 Prozent. Das jährliche Budget liegt bei ungefähr $700 Millionen
Dollar, wogegen die jährlichen Ausgaben bei zwei Milliarden Dollar liegen.396
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des gesamten Landes wurde 2006 auf $44.44
Milliarden
geschätzt.
Allerdings
wird
diese
Zahl
von
den
internationalen
Wirtschaftsexperten als nicht wirklich passend angesehen, um die wirtschaftliche
Stärke des Landes einstufen zu können. Aus diesem Grund gibt es das BIP, das
auch den Wert der Währung im internationalen Markt mit einrechnet. Nach dieser
Methode betrug das BIP in der DRC 2006 ungefähr $7.98 Milliarden. Dadurch ergibt
sich ein pro Kopf ein BIP von ungefähr $700 und ein jährliches Wachstum von
ungefähr 6.8 Prozent. Die Aufteilung des BIP ergab, dass der Agrarsektor 55 Prozent
des BIP ausmachte, der industrielle Sektor 11 Prozent und der Dienstleistungssektor
34 Prozent.397
Die organisierten Arbeitnehmer bzw. die Gewerkschaften hatten im ganzen Kongo
2006 cirka 15 Millionen Mitglieder. Allerdings gibt es keine Angaben über die
Verteilung der Gewerkschaften auf die drei Sektoren. Ebenso gibt es keine Angaben
über die Höhe der Arbeitslosenrate in der DRC.398
Die wichtigsten Industriezweige sind Bergbau, weitere Verarbeitung von Rohstoffen,
chemische Verarbeitung, Textilindustrie, Zement und Reparaturen von Schiffen.
Produkte, die dabei produziert werden, sind Kaffee, Zucker, Palmöl, Kautschuk, Tee,
Mais,
diverse
Früchte,
Zigaretten,
Schuhe,
verschiedene
Textilien
und
Holzprodukte.399 Die wichtigsten Rohstoffe sind: Kupfer, Kobalt, Coltan, Diamanten,
Uran und Gold.400
Hauptexportgüter sind Diamanten, Kupfer, Kaffee und Kobalt. Aus dem Export dieser
Güter wurden 2004 ungefähr $1.1 Milliarden eingenommen, wobei die wichtigsten
Abnehmerländer Belgien (33,4%), China (24.1%), Chile (8.9%), Finnland (8.2%) und
die USA (5.4%) sind. Gleichzeitig importierte die DRC 2004 Produkte um ungefähr
$1.32 Milliarden. Hauptsächlich kamen die Importe aus Südafrika (19.5%), Belgien
(11.8%), France (9.4%), Kenia (7.5%), Sambia (6.5%) und der Elfenbeinküste (4.8%)
und bestanden aus Lebensmittel, Maschinen zum Abbau von Rohstoffen und
anderen Tätigkeiten, Transportzubehör und Treibstoffe.401
396
Vgl. CIA The World Factbook.
Vgl. CIA The World Factbook.
398
Vgl. CIA The World Factbook.
399
Vgl. CIA The World Factbook.
400
Kanu/Indongo-Imbanda, Wirtschaft, http://www.kongo-kinshasa.de/wirtschaft/index.php.
401
Vgl. CIA. The World Factbook.
397
152
Die Auslandsverschuldung beträgt nach wie vor noch etwa zehn Milliarden USDollar. Allerdings laufen Programme zum Schuldenabbau und der Stabilisierung der
Wirtschaft.
6.4.4. Krankheiten
Die Gefahr, in Kontakt mit tropischen Krankheiten zu kommen, ist im Kongo sehr
hoch. Die häufigsten Krankheiten sind bakterielle und protozoale (infektiöse Diarrhö,
Hepatitis A und Typhus). Diese Krankheiten können sowohl durch Kontakt mit
Wasser als auch durch Nahrungsmittel übertragen werden. Die häufigsten
Infektionskrankheiten sind Malaria, Pest und die Schlafkrankheit. Allerdings ist die
Gefahr, an diesen Infektionen zu erkranken, regional beschränkt, in diesen Regionen
allerdings sehr hoch. Schließlich kann man an Schistosomiasis bzw. Bilharziose,
einer Wurminfektion, erkranken. Eine Übertragung dieser Krankheit ist nur durch
Wasser möglich. Die Sterblichkeitsrate in der DRC beträgt 10.34 pro 1.000
Menschen pro Jahr also umgerechnet 1.03 Prozent. 402
6.4.4.1. HIV/AIDS
Die aktuellste Analyse über die Situation in der DRC bezüglich der Ausbreitung und
der neu- bzw. bereits infizierten Personen sind aus den Jahr 2003 und 2005 im
Vergleich und stammen von der UNAIDS/WHO. Die Zahlen sind – wie in allen
Ländern der Welt nur geschätzt – da man die Dunkelziffer nie genau berechnen
kann.
In der DRC breitet sich das HIV/AIDS Virus sehr rasant aus. Man rechnet mit einer
Ansteckungsrate von cirka vier Prozent jährlich. Die größte Zahl an Infektionen
entsteht durch heterosexuellen Kontakt. Am meisten gefährdet sind Frauen in der
Altersgruppe bis 20 bis 29 Jahre und Männer im Alter zwischen 30 und 39 Jahren.
Sehr stark betroffen sind auch Kinder, denn eine Vielzahl hat einen oder beide
Elternteile schon durch Krankheit verloren, die durch AIDS ausgelöst wurde.
402
Vgl. CIA, The World Factbook.
153
Die höchsten Infektionsraten sind unter Menschen, die im sexuellen Gewerbe tätig
sind, der Armee, Gefangenen, Fernfahrern, Minearbeitern und Blutspendern.403
ABB. 5. Vermutete Zahl der HIV-Erkrankungen Ende in den Jahren 2003 und 2005.
ABB. 6: Vermutete Zahl der Todesopfer aufgrund AIDS in den Jahren 2003 und 2005.
403
World Health Organization (WHO) (2005). Summary Country Profile for HIV/AIDS Treatment Scale-up,
Dezember 2005, http://www.who.int/hiv/HIVCP_COD.pdf.
154
Abbildung 7: Voraussichtliche Zahl der Waisen aufgrund von AIDS in den Jahren 2003 und 2005.
Abbildung 8: Zahl der HIV-Infizierungen bei schwangeren Frauen in Zentralafrika.
155
Die allgemeinen Ausgaben für die Krankenversorgung lagen 2004 bei cirka 4
Prozent verglichen mit dem gesamten BIP des Landes. Die Aufteilung der Kosten
zwischen dem Staat und Privatpersonen lag bei 28.1 zu 71.9 Prozent. Der Staat
verwendete insgesamt nur 7.3 Prozent des gesamten Budgets für die medizinische
Versorgung. Die staatlichen Ausgaben pro Kopf für ein Jahr betrugen je nach
Wechselkurs zwischen 1.3 und 4.3 US-Dollar. Die privaten Ausgaben betrugen
zwischen 4.7 und 15.3 US-Dollar. Dazu ist noch anzumerken, dass es in der DRC
kein Sozialversicherungssystem gibt.404
In der DRC gab es im Jahr 2004 5.827 Ärzte, das bedeutete, dass auf 100.000
Menschen
durchschnittlich
elf
Ärzte
kamen.
Zudem
gab
es
28.789
Krankenschwestern, gleichbedeutend mit 53 pro 100.000 Menschen, und 159
Zahnärzte im ganzen Land.405
6.4.5. Sprachen
Ebenso wie bei den ethnischen Gruppen ist es unklar, wie viele Sprachen in der
DRC wirklich gesprochen werden. Manche Quellen gehen von über 200
verwendeten Sprachen aus. Diese Sprachen unterteilen sich in 25 linguistische
Gruppen. Neben Französisch, das auch die offizielle Amtssprache ist, gibt es noch
vier nationale Sprachen. Diese sind: Lingala, Suaheli, Kikongo und Tshiluga. Lingala
ist die Sprache, die hauptsächlich in der Hauptstadt Kinshasa gesprochen wird.406
6.4.6. Religion
Die große Mehrheit der Bevölkerung, 50 Prozent, gehört dem römisch-katholischen
Glauben an. Ungefähr 20 Prozent sind Protestanten, zehn Prozent zählen sich zum
kimbanguistischen Glauben407, ebenso zehn Prozent Moslems und schließlich
404
Vgl. World Health Organisation (2006a). WHO Statistical Information System, Core Health Indicators the latest
data
from
multiple
WHO
sources,
Democratic
Republic
of
the
Congo,
http://www.who.int/whosis/database/core/core_select_process.cfm?country=cod&indicators=nha#.
405
Vgl.
World
Health
Organisation
(2006b).
World
Health
Statistic
2006,
http://www.who.int/entity/whosis/whostat2006.pdf.
406
Vgl. Kanu/Indongo-Imbanda, Bevölkerung.
407
Vgl. Kumbanguismus ist eine Religion, die ihren Ursprung im Christentum hat und 1921 gegründet wurde. Der
spirituelle Führer, Diangienda, der Sohn von Simon Kimbangu, war der oberste Führer der kimbaguistischen
Kirche von 1959 bis 1992 definiert den Kimbanguismus als „le christianisme le Christianisme résultant de
l'ensemble des actions et enseignements de Simon Kimbangu“. Kimbangu der Namenspatron der Kirche wird als
Prophet angesehen und verehrt. Die Kirche ist vor allem in Afrika vertreten und ein Viertel der Mitglieder sind
156
glauben auch etwa zehn Prozent der Bevölkerung an einheimische Religionen oder
gehören Sekten an.408
6.4.7. Alphabetisierung
Bezüglich der Alphabetisierungsrate bietet die UNESCO Vergleichszahlen zwischen
den Jahren 2001 und 2005. Die Untersuchung bezieht sich einerseits auf Personen,
die älter als 15 Jahre sind und andererseits auf die Teilgruppe der jungen Menschen
zwischen 15 und 24 Jahren. Für das Jahr 1990 stehen keine Zahlen zur Verfügung.
Abbildung 8: Alphabetisierungsrate in der DRC im Vergleich.. 409
Es deutlich zu beobachten, dass die Zahlen in allen Gruppen bzw. bei beiden
Geschlechtern in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen sind. Dies lässt auf ein
Problem am Bildungssektor bzw. zu wenige Ausgaben in diesem Bereich schließen.
Die schulische Bildung ist im Kongo grundsätzlich in Grundschule (Primary level) und
mittlere Bildung (Secondary level) eingeteilt. Beide Stufen laufen jeweils über sechs
Jahre. Die Pflichtschulzeit beträgt jedoch nur acht Jahre. Der Prozentsatz der Kinder,
Kongolesen. Sie orientiert sich in ihrer Lehre sehr stark am christlichen Glauben, in: Kimbanguisme,
Kimbanguisme.net, 2005, http://www.kimbanguisme.net/kimbanguisme/kimbanguisme.htm.
408
Vgl. CIA. The World Factbook.
409
Tabelle von UNESCO Institute for Statistics (2005). UIS Statistics in Brief. Education in Democratic Repulic of
Congo,
http://stats.uis.unesco.org/unesco/TableViewer/document.aspx?ReportId=121&IF_Language=eng&BR_Country=
8920.
157
die sich im Grundschulalter befinden und eingeschult sind, hat in den letzten 20
Jahren rapide abgenommen. Waren 1985 noch ungefähr 86.5 Prozent in Schulen,
sind es 2005 nur noch 61.7 Prozent. Allerdings hat sich diese Zahl in den letzten fünf
Jahren nicht mehr verringert, was auf ein mögliches Entgegenwirken gegen diese
Stagnation schließen lässt. Ungefähr 38.9 Prozent durchlaufen die gesamte Dauer
der Grundschule. Auch diese Zahl stagnierte seit 1990 als noch etwa 46.1 Prozent
alle sechs Jahre Grundschule erfolgreich abschlossen, ist jedoch seit 2000 auf dem
gleichen Level geblieben. Der Prozentsatz der Schüler, die eine Klasse wiederholen
müssen, blieb über die Jahre mit geringen Schwankungen konstant mit leichten
Tendenzen nach unten und lag im Jahr 2005 bei ungefähr 16.3 Prozent.
In der mittleren Bildung ist die Entwicklung über die Jahre nicht so drastisch wie im
Bereich der Grundschule. Waren 1985 noch ungefähr 22.7 Prozent aller Kinder der
Altergruppe im Bereich der mittleren Reife eingeschult, erreichte dieser Prozentsatz
seinen Höhepunkt im Jahr 1995 mit 23.9 Prozent, worauf fünf Jahre später der
Tiefpunkt mit nur 18 Prozent eingeschulte Kinder folgte. Im Jahr 2005 stieg die Rate
wieder auf 22.1 Prozent an.
Im Bereich der höheren Bildung gibt es keine aktuellen Zahlen aus dem Jahr 2005.
Die Zahlen der Weltbank aus dem Jahr 2000 geben einen Prozentsatz von 1.4 an. 410
Im Jahr 2005 kamen im Grundschullevel ungefähr 34.3 Kinder auf einen Lehrer.
Wenn
man
den
stagnierenden
Prozentsatz
der
eingeschulten
Kinder
im
schulpflichtigen Alter heranzieht, könnte man sagen, dass der Prozentsatz in etwa
gleich gebelieben ist. Im Bereich der mittleren Bildungsstufe kamen im Jahr 2005 auf
einen Lehrer ungefähr 14.5 Kinder.
Der Gender Parity Index bezüglich der Einschulung in Grundschule und Mittelschule
beträgt 0.7. Bei einem Wert von eins wäre das Verhältnis zwischen den
Geschlechtern ausgeglichen. Diese Zahl lässt darauf schließen, dass im Jahr 2005 –
wie auch in den Vergleichswerten in den Jahren zuvor – deutlich mehr männliche als
weibliche Kinder eingeschult wurden. Dass die Mehrzahl der eingeschulten Schüler
männlich ist, ergibt sich aus dem Vergleich mit anderen Statistiken411.
Der Prozentsatz der Schüler, die in nicht-öffentlichen Schulen eingeschult wurden,
betrug im Jahr 2005 11.1 Prozent im Bereich der Grundschule und 13.4 Prozent im
Bereich der mittleren Bildung. Dabei ist die Entwicklung im Bereich der mittleren
410
Vgl. The World Bank (2007). Summary Education Profile: Congo, Dem. Rep.,
http://devdata.worldbank.org/edstats/SummaryEducationProfiles/CountryData/GetShowData.asp?sCtr
y=ZAR,Congo,%20Dem.%20Rep.
411
Diese Tatsache geht z.B. aus der Statistik der UNESCO hervor. (Anm. d. Autors).
158
Bildung sehr auffällig, da im Jahr 1995 noch 25.7 Prozent der Kinder in privaten
Schulen eingeschult wurden.412
Die Zahlen über die staatlichen Ausgaben für das Bildungssystem sind in allen
Datenbanken als „keine Angabe“ eingetragen, wodurch sie auch immer wieder mit
null beziffert werden.
6.4.8. Infrastruktur und Kommunikation
Die DRC verfügte 2004 über ein Straßennetz von ungefähr 153.500 km, wovon
lediglich 2.800 asphaltiert waren. Diese Zahlen dürften in der Zwischenzeit
wesentlich höher liegen; allerdings sind das die aktuellsten, die in diversen
Statistiken angeführt werden. Zudem gibt es im Kongo 15.000 km an Wasserwegen
und 5.136km Eisenbahnverbindungen. Weiters gibt es 234 Flughäfen, wovon
allerdings nur 25 asphaltierte Landebahnen haben. Die Pipelines, die durch das Land
verlegt sind, sind für Erdgas 54km und für Erdöl 78km lang. Die demokratische
Republik Kongo verfügt auch über ein Schiff – einen Tanker.413 Die Fluglinien im
Kongo gelten nicht nur aufgrund der unmodernen Flughäfen als äußerst unsicher. Da
sie viele Sicherheitsstandards nicht erfüllen, haben alle Fluglinien ein Flugverbot für
Europa erteilt bekommen, weshalb diese Fluglinien größtenteils nur regional
verkehren.414
Die Kommunikation in der DRC ist sehr schwierig. Es gibt ungefähr 10.500
Leitungen, die in Gebrauch sind. 2005 besaßen cirka 2.74 Millionen Kongolesen ein
Mobiltelefon, allerdings ist die Netzauslastung sehr gering. Es gab 2005 ungefähr
1.778 offizielle Internetstandpunkte, und es wurde mit 140.600 Benützern
kalkuliert.415
6.4.9. Situation der Menschenrechte in der DRC
Die Umsetzung der allgemeinen Menschenrechte, wie sie die Vereinten Nationen in
ihrer Erklärung der Menschenrechte definiert haben, setzt einen funktionierenden
Staat voraus. Dies bedeutet, dass die politische Elite und Machtinhaber die
412
Vgl. The World Bank (2007).
Vgl. CIA. The World Factbook.
414
Tortschanoff, Monika, Emailkorrespondenz.
415
Vgl. CIA. The World Factbook.
413
159
Verpflichtungen, die sie gegenüber dem Völkerrecht haben, akzeptieren und
einhalten. 1981 wurde die Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der
Völker von der AU verabschiedet und trat 1986 in Kraft. Bis 1999 hatten bis auf
Eritrea alle afrikanischen Mitgliedstaaten die Charta übernommen.416
Die Menschenrechte im Kongo wurden in den letzten Jahrzehnten sukzessive
verletzt und missachtet. Unter dem Regime Mobutus kam es zu Standgerichten und
unmittelbaren Todesurteilen, deren Vollstreckungen durch das Militär vollzogen
wurde. Dabei beriefen sich Mobutu aber auch sein Nachfolger Kabila auf die
Notstandssituation, die den Schutz des Individuums außer Kraft setzt. Somit blieb
nur die Militärgerichtsbarkeit in Kraft, wodurch die Aktionen gerechtfertigt waren.
Durch die Übergangsverfassung kam es zu einigen Verfahrensfehlern, während die
neuen Richter und die neue Gerichtsbarkeit ernannt werden sollten, die allerdings
wieder behoben werden konnten.417
Die Demokratische Republik Kongo hat wie jeder Staat das Völkerrecht zu achten
und zu respektieren. Dies gilt für Inländer ebenso wie für Ausländer, die sich auf dem
Staatsgebiet aufhalten. Auch wenn sich der Staat im Krieg befindet, muss ein
Mindeststandard an Menschenrechten gewährleistet werden, da das Völkerrecht als
Gewohnheitsrecht gilt und so einen allgemeinen Rechtsstatus hat.418
Die Instrumente zur Einhaltung der internationalen Pakte haben sich geändert, und
verschiedene internationale Akteure, speziell NGOs, gewannen an Einfluss. So kam
es Ende der 90iger Jahre vermehrt zu Anklagen und Verurteilungen von ehemaligen
Kriegsverbrechern. Jedoch brachte dies auch Unklarheiten über die Immunität der
höchsten Politiker eines Staates mit sich. Die betraf den ehemaligen kongolesischen
Außenminister, der 1998 in Belgien gefangen genommen wurde. Er wurde wieder
freigelassen. Allerdings wurde festgestellt, dass die Immunität der Politiker zwar vor
nationalen Regierungen gilt, solange Personen im Amt sind, aber die internationale
Strafgerichtsbarkeit nicht eingeschränkt werden darf.419
In der DRC wurde in den vergangenen Jahrzehnten unter den verschiedenen
Präsidenten oftmals gegen die Menschenrechte verstoßen. Es gab bis 2006 keine
demokratischen Wahlen bzw. keine offene politische Ebene. Es wurde vielfach, wie
von Human Rights International, Amnesty International und anderen Organisationen
416
Vgl. Matthiesen, S154.
Vgl. Matthiesen, S.155f.
418
Vgl. Matthiesen, S.156f.
419
Vgl. Matthiesen, S.160ff.
417
160
beklagt,
gegen
das
Verbot
der
Folter
verstoßen
und
eine
Vielzahl
an
Menschenrechtsverbrechen begangen.420
In der derzeitigen kongolesischen Verfassung werden die Menschenrechte
anerkannt und es wird betont, diese sind unter allen Umständen zu beachten und
anzuerkennen. Ebenso wird auf das Verbot der Diskriminierung einer Minderheit
festgeschrieben:
„Aucun Congolais ne peut, en matière d’éducation et d’accès aux fonctions publiques ni
en aucune autre matière, faire l’objet d’une mesure discriminatoire, qu’elle résulte de la
loi ou d’un acte de l’exécutif, en raison de sa religion, de son origine familiale, de sa
condition sociale, de sa résidence, de ses opinions ou de ses convictions politiques, de
son appartenance à une race, à une ethnie, à une tribu, à une minorité culturelle ou
linguistique.“421
Zudem wird in der Verfassung darauf hingewiesen, dass die Regierung Maßnahmen
zu ergreifen hat, Bevölkerungsgruppen vor der Diskriminierung zu schützen, aber es
wird nicht erklärt, wie genau diese Maßnahmen aussehen sollen. Ebenso wird
festgehalten, dass die Personen, die gegen diesen Artikel oder einen anderen, der
die Menschenrechte beschreibt, verstoßen, mit Strafverfolgung zu rechnen haben.
Allerdings sind diese Strafen auch nicht festgeschrieben.
Schwierig ist auch die Formulierung Kongolesen, denn – wie an anderer Stelle erklärt
– ist für den Inhalt dieser Studie die Definition einer Minderheit essentiell. Wenn nun
ein Teil des Volkes nicht als Kongolesen anerkannt wird, dann wird der Schutz unter
der Verfassung juristisch schwierig.
6.4.10. Weitere Probleme
In der DRC ist aufgrund der kriegerischen Handlungen seit 1998 die MONUC mit
einer militärischen Truppe anwesend. Zurzeit befinden sich 18.000 Blauhelme im
Kongo, und zwar zum größten Teil im Osten. Eines der größten Probleme sind die
zwischenstaatlichen Konflikte mit den Nachbarländern. Viele der Flüchtlinge suchen
in den Regionen im Osten des Landes Zuflucht. Diese kommen hauptsächlich aus
Angola (106.772), Ruanda (42.360), Burundi (19.032), Uganda(18.954) und dem
420
421
Vgl. Matthiesen, S.162ff.
Article 13, La Constitution de la République Démocratique du Congo.
161
Sudan (11.723). Schwierig ist die Situation im Nord-Osten des Landes, in dem sich
die ULRA im Ituri-Urwald aufhält und über dieses Gebiet nach wie vor noch die
Kontrolle hat. Das Problem in dieser Region ist auch, dass die Grenzziehung nicht
wirklich eindeutig ist. Zu den Flüchtlingen der Nachbarländer kommen noch die
Internally Displaced People (IDP), deren Zahl seit dem Ausbruch der Kämpfe auf
ungefähr 1.1 Millionen geschätzt wird.
Weitere große Probleme sind die große Produktion von Cannabis, welches allerdings
hauptsächlich im Kongo konsumiert wird, wodurch jedoch ein großes Drogenproblem
entsteht. Das korrupte und schwache Banksystem würde sich ideal zur Geldwäsche
anbieten, allerdings ist die Attraktivität für internationale Geldwäscherbanden nicht so
groß, weil das Finanzsystem nicht wirklich funktioniert.422
6.5. Minderheitenschutz durch die neue Verfassung
Dieses Kapitel basiert auf einer Interpretation der neuen Verfassung, die 2006 in
Kraft trat. Es gibt durch die kurze Amtszeit der ersten frei gewählten Regierung keine
Studien und Ergebnisse, in wie weit die neue Verfassung bzw. die aktuelle
Regierung Einfluss auf die Minderheitenpolitik respektive deren Schutz hatte.
Der Verfasser versucht hier aufgrund einer Analyse der Verfassung eine persönliche
Einschätzung der Minderheitenpolitik zu treffen und den Schutz der gewährleistet
wird zu identifizieren.
Das Wort Minderheit kommt in der Verfassung zweimal vor. Das erste Mal in Artikel 3
des ersten Kapitels. Dabei wird festgelegt, dass kein Kongolese aufgrund diverser
Merkmale, Traditionen, Glaubensanschauungen, soziale Umstände etc. diskriminiert
werden darf. In diesem Artikel wird auch festgestellt, dass die kein Kongolese
aufgrund der Zugehörigkeit zu einer kulturellen oder sprachlichen Minderheit
diskriminiert werden darf.423
Der zweite Artikel in dem das Wort Minderheit vorkommt ist der Artikel 51. Darin wird
festgelegt, dass der Staat dafür verantwortlich ist, ein friedliches und harmonisches
Zusammenleben aller ethnischen Gruppen des Landes zu unterstützen und
422
423
Vgl. CIA. The World Factbook.
Vgl. Artikel 13, Kapitel 2 der Verfassung der Demokratischen Republik Kongo, die seit Februar 2006 in Kraft
ist.
162
sicherzustellen. Zusätzlich werden in diesem Artikel die Unterstützung und der
Schutz aller angreifbaren oder verletzbaren Gruppen und Minderheiten des Landes
versichert und ihre Selbstverwirklichung gefördert.424
6.5.1. Analyse:
Zwar findet in der Verfassung – wenn auch nur zweimal – der Begriff Minderheit
Verwendung, allerdings ist nirgendwo eine Definition zu finden. Im Kongo finden sich,
wie an anderer Stelle erwähnt, über zweihundert ethnische Gruppen. Es ist schwierig
zu beurteilen, welche Gruppierungen davon Minderheiten sind und welche nicht.
Ein weiteres Problem ist die Formulierung „kulturelle“ Minderheiten. Der Begriff
kulturell lässt viel Spielraum für Interpretationen, wogegen sprachliche Minderheiten
dem, was man eine Definition nennen kann, am nächsten kommt, da die offiziellen
Landessprachen festgelegt sind. Somit darf laut Verfassung keine Gruppe
kongolesischer Bürger diskriminiert werden, die eine andere Sprache spricht als die
offiziellen Landessprachen.
Dies führt zum nächsten und vielleicht größten Problem bzw. Unklarheit im Bezug
auf Minderheiten in der DRC. Die Formulierung „kein Kongolese“ ist bereits sehr
exklusiv. Dadurch werden jegliche Mitglieder von Gruppen, die keine Staatsbürger
sind, von diesem Artikel nicht erfasst. Somit können auch Gruppen von NichtKongolesen keinen Status einer Minderheit in der DRC erlangen.
Solche Gruppen können aus eben diesem Grund auch nicht vom Artikel 51 erfasst
und dadurch geschützt werden. Neben dieser Exklusivität gewährt allerdings der
Artikel, trotz der Feststellung, dass es Aufgabe des Staates ist für Frieden zwischen
ethnischen Gruppen zu und Minderheiten zu schützen, keinen ausreichenden
Schutzmechanismus. Es wird nicht erwähnt – weder in diesem Artikel noch in einem
anderen der Verfassung – wie diese Minderheiten zu schützen sind und was bei
einem Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot geschieht. Neben dem Fehlen
eines Schutzmechanismus gibt es also auch keinen Sanktionsprozess. Auch die
Verantwortlichkeiten für den Schutz der Minderheiten sind nicht verteilt und klar
definiert.
Diese Tatsache erweckt den Eindruck, dass es keine Bemühungen und
Bestrebungen eines effektiven Minderheitenschutzes angestrebt werden. Dies ist
424
Vgl. Artikel 51.
163
auch nicht möglich, da es zu diesem Zweck eine klare Definition des Begriffs
Minderheit geben müsste, die allerdings nicht formuliert wurde. Dadurch lässt die
Verfassung sehr viel Spielraum für Interpretationen. Die Regierung jedoch ist nicht
gezwungen zu handeln, wenn es sich um keine Kongolesen handelt und kann
generell sehr subjektiv entscheiden, welche Gruppe als Minderheit einzustufen ist, da
sie, wenn sie keine sprachlichen Voraussetzungen erfüllen, kulturelle Eigenschaften
ausweisen müssen, die allerdings ebenso nicht klar definiert sind.
Welche Probleme man als Volk, das auf dem Staatsgebiet der Demokratischen
Republik Kongo lebt haben kann, wenn man als Minderheit nicht anerkannt ist, wird
im folgenden Kapitel anhand des Volkes der Pygmäen beschrieben. Deren Stämme
kämpfen neben der Diskriminierung durch die Bevölkerung auch um die
Anerkennung vor dem Gesetz. Die Gründe dafür werden durch die Analyse der
Formulierungen in der neuen Verfassung offensichtlich.
164
7. Die Pygmäen
Das Volk der Pygmäen, die als Fallstudie für die Minderheitenpolitik und die
Akzeptanz der Minderheiten in der DRC herangezogen wird, wird in diesem Kapitel
behandelt. Neben der Geschichte werden hier auch die unterschiedlichen Stämme
und ihre Siedlungsgebiete angeführt und beschrieben. Obwohl der Fokus in dieser
Studie auf dem Gebiet des Ostens der Demokratischen Republik Kongo liegt,
werden auch die Siedlungsgebiete in Uganda, Ruanda und Burundi partiell
miteinbezogen, da auch in diesen Ländern Pygmäen beheimatet sind. Dies ist
deshalb interessant, da dies verschiedene Stämme sind, die auch teilweise differente
Lebensweisen verfolgen und sich anders in die jeweiligen Gesellschaften integrieren
oder integriert haben. Es wird auch versucht, die unterschiedlichen Gruppen genauer
zu beschreiben. Dabei liegt der Fokus vor allem auf den beiden Stämmen, den
Batwa und Bambuti, die im Kongo ihr Siedlungsgebiet haben.
Es wird auch versucht, die soziale Ordnung, die Lebensweise und die Beziehung
zum Lebensraum darzustellen. Dazu kommen natürlich die Probleme, die sich
hinsichtlich der Akzeptanz bzw. durch Diskriminierung ergeben und mit denen die
Pygmäen
zu
kämpfen
haben.
Dabei
werden
auch
Beispiele
für
Menschenrechtsverletzungen und die Erfahrungen, die die Pygmäen während der
Kriege in der Region machten, angeführt.
Schließlich wird noch versucht, die Zusammenschlüsse in Form von NGOs, die den
Pygmäen gelangen, zu erklären.
Abschließend werden noch einige INGOs und deren Arbeit für die Pygmäen und zu
deren Schutz beschrieben und versucht darzustellen, welche Probleme sie täglich
und kontinuierlich in ihrer Arbeit behindern.
Bis heute gibt es wenige Studien, die das Leben der Pygmäen. Sie leben sehr
zurückgezogen und meist in Regionen, in denen Kriegshandlungen an der
Tagesordnung stehen, wodurch sich die Forscher oftmals nur schwer zu den
Pygmäen vordringen können bzw. sich ständiger Bedrohung von gewalttätigen
Übergriffen
gegenüber
sehen.
Die
meisten
und
aktuellsten
verfügbaren
Informationen gibt es bei unterschiedlichen internationalen Organisationen bzw.
NGOs, die in Projekten zum Schutz oder der Unterstützung der Pygmäen arbeiten.
165
In dieser Arbeit wird auch der Begriff Pygmäen verwendet, da er in der Wissenschaft
der am häufigsten verwendete Begriff für die Gesamtheit der Gruppen ist. Wenn hier
das Leben von spezifischen Gruppen dargestellt wird, dann werden diese namentlich
angeführt. Der Begriff Pygmäen wird hier in keiner Weise als beleidigend oder
erniedrigend verwendet.
7.1. Geschichte der Pygmäen
Moderne DNA-Analysen weisen darauf hin, dass ein Pygmäenstamm, die Mbuti, die
im Kongobecken siedeln, einen der ältesten Vorfahren der Menschheit darstellen.
Aus diesem Volk und den Khoisan, einem Volk aus Botswana – so wird vermutet –
hat sich wahrscheinlich die gesamte Menschheit entwickelt. Die Forscher nehmen
an, dass zwischen den letzten 70.000 und 140.000 Jahren eine Gruppe von 2.000
Individuen dieser beiden Gruppe nach Norden gewandert ist und die heute südlich
der Sahara lebenden Bauernstämme der Bantu begründete. Von da an wanderten
die menschlichen Urahnen auf alle Kontinente. Es wird zwar nicht ausgeschlossen,
dass es noch weitere Populationen in Afrika gab, allerdings gibt es keine Beweise.
Die Entwicklung des Volkes verlief aufgrund der schwankenden natürlichen
Gegebenheiten in Zyklen, und die Populationsdichte stieg erst vor 35.000 Jahren
rapide an.425
Die erste Erwähnung der Pygmäen ist bei den Ägyptern bekundet. Bereits vor 4.000
Jahren waren sie im Ägyptischen Reich bekannt. Händler brachten sie als
Attraktionen für den Pharao mit. Grund dafür war ihre Fähigkeit zu tanzen. Aufgrund
dieser gaben ihnen die Inschriften in Denkmälern den Namen Gottestänzer.426 Die
erste nennenswerte Studie gab es 1933 von Paul Schebesta427. Das Buch „The
Forest People“ von dem amerikanischen Anthropologen Colin Turnbull aus dem Jahr
1961 ist die bisher ausführlichste Studie des sozialen Lebens der Pygmäen.428
425
Vgl. Jahn, Andreas (2003). Nur 2000, in: Spektrumdirekt. Die Wissenschaftszeitung im Internet, 29.Mai 2003,
http://www.wissenschaft-online.de/abo/ticker/619209.
426
Vgl. Mazzucato, Antonio (2002). Die Pygmäen. Geschichte des ältesten Volkes des Urwalds, Gesellschaft für
bedrohte Völker, 13.3.2002, http://www.gfbv.it/3dossier/africa/pigmei-de.html.
427
Vgl. Among Congo Pygmies (Anm. d. Autors)
428
Vgl.
Muis,
Ruud.
Pygmies,
in:
Pygmeen
Kleinood,
Generelle
Information,
http://www.pygmee.nl/pygmy_algemeen.html.
166
7.2. Etymologie bzw. Wortherkunft.
Der Ursprung des Wortes liegt im Lateinischen „pygmaei“ und Griechischen
„pygmaio“ und bedeutet „ein Stamm von Zwergen“. Homer und Herodot nehmen in
ihren Werken auf dieses Volk Bezug und beschreiben ihren Lebensraum mit Indien
oder Äthiopien. Die Bedeutung konnte früher auch auf eine Maßeinheit angewandt
werden, welche die Länge vom Ellenbogen bis zu den Fingerknöcheln bezeichnet
hat. Im 17.Jahrhundert wurde der Ausdruck auf Schimpansen und Orang-Utans
angewandt. Erst 1863 wurde der Begriff durch die Europäer auf die Afrikanischen
Stämme übertragen.429
7.3. Terminologie
Pygmäe ist ein wissenschaftlich verwendeter Ausdruck von kleinwüchsigen Jägern
und Sammlern, früheren Jäger und Sammler-Völkern, die im zentralen Afrika rund
um den Äquator in Regenwäldern leben. Die Pygmäen selbst verwenden diesen
Namen für sich selbst kaum, da sie den Namen sehr häufig in Zusammenhang mit
Beleidigungen und herablassenden Aussagen über sich hören. Einige Aktivisten der
Pygmäen benutzen den Begriff und somit besteht eine schleichende Akzeptanz.
Grund dafür ist der Vorteil, den sie darin sehen, mit den gemeinsamen Urvölkern der
Region, in der sie leben identifiziert zu werden. Zudem wollen sie Solidarität mit
anderen
Stämmen
der
Pygmäen
in
der
Region
zeigen.
Die
meisten
Pygmäenstämme ziehen es vor mit ihren ethnischen Bezeichnungen angesprochen
zu werden, die sie auch bestimmten Regionen zuordnen, wie z.B. Bambuti, der IturiRegenwald (DRC), Baaka, der Lobaye-Regenwald (Zentralafrikanische Republik)
oder
Bambendjelle,
der
Ndoki-Regenwald
(Congo-Brazzaville).430
Wie
die
verschiedenen Pygmäen-Völker selbst bezeichnet werden wollen, ist sehr stark von
der Region abhängig.
Die Pygmäenstämme siedeln in verschiedenen Ländern in Zentralafrika. Ein Beispiel
für einen solchen Stamm sind die Batwa, die sowohl in Uganda, Ruanda wie auch in
der DRC ihre Siedlungsgebiete haben. Durch diese Verstreuung sprechen sie viele
Sprachen und bezeichnen sich je nach Region unterschiedlich. In Nord-Kivu in der
429
Vgl. Harper, Douglas (2001). Online Etymolgy Dictionary, http://www.etymonline.com/index.php?l=p&p=38.
Vgl. Lewis, Jerome (2000). The Batwa Pygmies of the Great Lakes Region. Minority Group International
Report, S.5.
430
167
DRC nennen sie sich wechselweise Batwa oder Bambuti, wobei sich jedoch alle
verschiedenen Gruppen zur Herkunft als Batwa bekennen und sich auch so
größtenteils selbst so bezeichnen. Wie sensibel das Thema „Bezeichnung der
Pygmäen“ ist, zeigt auch die Tatsache, dass der Name Batwa eine ebenso
ambivalente Bedeutung hat wie das Wort Pygmäen. Lediglich der Ton der Stimme,
mit der man das Wort ausspricht, gibt Auskunft darüber, ob man es als Beleidigung
meint oder Respekt bezeugt. Manche der Batwa, die in Burundi leben und sich selbst
als weiterentwickelt sehen, fühlen sich persönlich angegriffen, wenn sie als Batwa
bezeichnet
werden.
Sie
bevorzugen
Abaterambere
(Menschen
die
sich
weiterentwickeln) benannt zu werden.431
Das Wort –twa ist in den Bantu-Sprachen – zu diesen zählen auch die Sprachen der
Pygmäen – eine Bezeichnung für Jäger und Sammler und frühere Jäger- und
Sammler-Völker, die als Ureinwohner der Region gelten. Die Vorsilbe Ba-432
bedeutet Menschen und ist die Form des Plural. Die Vorsilbe Mu- ist die Form des
Singulars, somit ist ein Mutwa eine Person des Stammes der Batwa.433
7.4. Allgemeine Übersicht über die Völker und ihre Siedlungsgebiete
Die Anzahl der Pygmäen wird auf zwischen 150.000434 und 500.000435, teilweise
900.000436 Menschen geschätzt. Die Zahl lässt sich schwer definieren, weil eine
Erfassung durch die Zerstreuung der Stämme und den geringen Wissenstand sehr
schwer ist.
Die Besonderheit, die die Pygmäen auszeichnet, ist ihre Körpergröße, die das Maß
von 1.50m selten überschreitet. Die durchschnittliche männliche Größe der Pygmäen
– der Bambuti der DRC – liegt bei 1.44m, die verglichen mit der Durchschnittsgröße
in der DRC, die bei 1.70m liegt, sehr gering ist.437 Die geringe Körpergröße ist
zunächst in der ersten Wachstumsphase nicht festzustellen. Bis zur Pubertät verläuft
das Wachstum genauso wie bei normalwüchsigen Menschen. Ab diesem Zeitpunkt
431
Vgl. Lewis, S.5.
Vgl. Mazzucato.
433
Vgl. Lewis, S.5.
434
Vgl.
BBC
Online.
In
Pictures:
The
Pygmies-Struggle,
http://news.bbc.co.uk/2/shared/spl/hi/picture_gallery/05/africa_pygmies0_struggle/html/2.stm.
435
Vgl. lmm/re/kr/he (2007). Central Africa: HIV/AIDS a threat to the indigenous forest communities, IRIN, 15.Mai
2007, http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportId=72155.
436
Laut dem Minister für soziale Angelegenheiten gibt es in der DRC 900.000 Pygmäen, in: IRIN, S.23.
437
Vgl. IRIN In-Depth Report (2006).
432
168
wird von den Körpern der meisten Pygmäenvölker weniger Wachstumsfaktor IGF438
produziert, wodurch sie nur geringere Größen erreichen.439 Bis auf dieses Merkmal
gibt es allerdings keinen genetischen Unterschied zu den restlichen afrikanischen
Stämmen und Völkern. Ebenso gibt es kulturell und sprachlich keine spezifischen
Eigenschaften
der
Pygmäen
respektive
keine
eigene
Sprachenfamilie
der
Pygmäenvölker. Die Sprachen gleichen sehr oft denen der nahe gelegenen
Bantudörfern, in deren Nähe die Pygmäen siedeln bzw. mit deren Gesellschaft sie
leben.440
Es gibt viele verschiedene Völker, wobei sich die Unterscheidung der Gruppen
manchmal sehr schwierig gestaltet, weil die Stämme teilweise verwandt sind. Aus
diesem Grund lässt sich schwer feststellen, wie viele verschiedene Völker es gibt
und welche davon nur eine Untergruppe eines anderen Volkes darstellen.
Die Pygmäen verteilen sich auf insgesamt neun Staaten im zentralafrikanischen bzw.
äquatorialen Afrika. Es gibt Siedlungen in Ruanda, Burundi, Uganda, der
Demokratischen Republik Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, Kamerun,
Äquatorial Guinea, Gabun und Kongo-Brazzaville.441
Die wichtigsten Völker sind:
•
Die Bambuti: Sie unterscheiden sich in drei Gruppen. Aka, die im Norden der
DRC und in Teilen der Zentralafrikanischen Republik leben und mit Speeren
jagen. Ihre Sprache heißt Mangbetu. Efe, die im Osten der DRC leben, mit
Hilfe von Pfeil und Bogen jagen und deren Sprache Lese ist. Schließlich noch
die Sua, die hauptsächlich Fischer sind, Bira sprechen und im Süden des
Landes leben.
•
Der Fluss Ubangui teilt den afrikanischen Regenwald in Ost- und Westseite.
Westlich des Flusses lebt ein Pygmäenvolk, dass sich selbst Binga nennt. Auf
der östlichen Seite leben die Batwa. Siedlungen der Batwa finden sich neben
dem Osten der DRC auch in Ruanda, Uganda und Burundi.
•
Die Baka, die ungefähr 40.000 Menschen umfassen und Halbnomaden sind,
leben im Süden und Süd-Osten von Kamerun. Sie sind Jäger und Sammler.
438
Insulin-like growing factor. (Anm. d. Autors)
Vgl. Afrika-Online. Pygmäen, http://afrika-online.com/rkongo/bevoelkerung/pygmaeen/index.html.
440
Vgl. Dembner, S.A., Forest Peoples in the Central African rain forest: focus on the pygmies, Food and
Agricultural Organization of the United Nations, http://www.fao.org/docrep/w1033e/w1033e03.htm.
441
Vgl. Dembner.
439
169
•
Im Süden Kameruns leben auch ungefähr 3.700 Pygmäen, die den Bakoga –
Bagyeli angehören.
•
In Zentral-Kamerun lebt eine kleine Gruppe Pygmäen, die sich Medzan
nennen. Ihre Zahl beträgt weniger als 1.000 Menschen.
•
Die Bangombe und Bambinga leben in Gabun.442
Dies ist nur eine geringe Auswahl der verschiedenen Stämme, die in Zentralafrika
leben. Es gibt noch kleinere, die regional verteilt sind. Alle diese Gruppen
unterscheiden sich nicht nur durch ihre Siedlungsgebiete, sondern haben
unterschiedliche Sprachen, Bräuche und Technologien. Ebenso gibt es Gruppen, die
sich unterschiedlich weit in die Gesellschaft integriert haben und teilweise assimiliert
sind.443
Der Lebensraum der Pygmäen ist beinahe ausschließlich der tropische Regenwald
im zentralen Afrika, weshalb sie auch oftmals als „forest people“ bezeichnet. Es gibt
zwei unterschiedliche Arten von Regenwald, der von den Pygmäen bewohnt wird.
Den Primären Wald, der sich grundsätzlich durch hohe Bäume (30-50m), die durch
ihre dichten Kronen kaum Sonnenstrahlen durchlassen, kennzeichnet. Die
Temperaturen liegen zwischen 25° und 32° Celsius tagsüber und 15° und 20°
Celsius während der Nacht. Es herrscht extrem hohe Luftfeuchtigkeit, die zwischen
77 und 99 Prozent liegt. Der sekundäre Wald bezeichnet Gebiete, die auf Flächen
entstanden, die gerodet wurden und als Landwirtschaftsflächen verwendet und
wieder aufgegeben wurden. Die Vegetation unterscheidet sich zum primären Wald
durch ein wesentlich dichteres Unterholz, das durch Rodungen entstand. Unter den
Bäumen, die teilweise hunderte Jahre alt sind, gibt sehr viele Edelholzbäume wie
z.B. Mahagoni oder Teak, die sich gut zur Herstellung von Möbeln eignen. Zudem
gibt es eine Vielfalt an Tieren, die diesen Lebensraum nutzen und ideale
Lebensbedingungen vorfinden.444
Die Entstehung bzw. Gründung von Nationalparks hatte für die Pygmäen in der DRC
zur Folge, dass die Pygmäen der DRC jetzt größtenteils die Gegend um den KivuSee bewohnen. Die Pygmäen wurden von dem Land, das bereits ihre Vorfahren
schon seit Generationen bewohnten, vertrieben.445
442
Vgl. IRIN In-Depth Report (2006).
Vgl. Dembner.
444
Vgl. Mazzucato.
445
Vgl. Muis, Ruud. Kivu/Virunga, in: Pygmeen Kleinood, http://www.pygmee.nl/pygmy_kivu.html.
443
170
Derzeit gibt es sechs Nationalparks in der DRC, die als Weltkulturerbe der UNESCO
angesehen werden. Der Erste war der Virunga Nationalpark, der 1979 zum
Weltkulturerbe erklärt wurde. Dem folgten 1980 der Garamba und Kahuzi-Biega
Nationalpark und 1984 der Salonga Nationalpark. Schließlich wurde 1996 auch noch
das Okapi Wildlife Reserve zum Weltkulturerbe erklärt. Mit Ausnahme des Salonga
Nationalparks, der im Westen des Landes liegt, befinden sich alle anderen Orte im
Ituri-Urwald im Osten des Landes.446 Diese Nationalparks hatten wesentlichen
Einfluss auf die Umsiedelung der Pygmäen.
7.5. Ausgewählte Völker und ihre Lebensweise
Im folgenden Kapitel wird die Lebensweise der Pygmäen in der DRC dargestellt.
Diese Formen des sozialen Lebens und des Jagdverhaltens werden anhand der
beiden Völker Batwa und Bambuti dargestellt. Während die Batwa neben der DRC
auch in Uganda, Ruanda und Burundi Siedlungen haben, sind die Bambuti bzw. die
Stämme, denen die Bambuti angehören, ausschließlich in der DRC beheimatet. Da
sich deren Lebensweise nicht sehr extrem von der der restlichen Stämme
unterscheidet, wird auch hier der Begriff Pygmäen verwendet.
7.5.1. Die Batwa
Die Batwa sind wahrscheinlich die größte Gruppe der Pygmäen und werden
zwischen 70.000 und 90.000 Menschen geschätzt. Die Population der gesamten
Pygmäen ist schwer festzustellen, weil die Dörfer auf einer cirka 100.000 km² großen
Fläche weit verteilt sind. Die Batwa machen in den Ländern, die sie besiedeln nur
etwa zwischen 0.02 und 0.7 Prozent der Bevölkerung aus und haben kein politisches
Gewicht – welcher Art auch immer.
In den vergangenen Jahrhunderten hatten die Batwa teilweise einen sehr hohen
Stellenwert in ihren Siedlungsregionen. Sie wurden auch als die Eigentümer der
Wälder angesehen. Sie lebten traditionell von der Jagd, Honig sammeln und anderen
Produkten aus den Wäldern. Diese tauschten sie gegen andere notwendige Dinge
aus den Dörfern. Die Batwa-Frauen sammelten Früchte und Gemüse und arbeiteten
446
Vgl. United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation. About World Heritage, Democratic
Republic of Congo, aktualisiert am 31.August 2007, http://whc.unesco.org/en/statesparties/cd.
171
für die Bauern. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts hatten einige Chiefs der Batwa einen
so hohen Status, dass sie sogar Abgaben von ihren Nachbarn fordern konnten. Doch
etwa zu diesem Zeitpunkt begann sich die Situation zu ändern. Durch die
Abholzungen des Regenwaldes verloren die Batwa ihre Unabhängigkeit.447
Die Batwa sehen sich selbst als kolonialisiert. Zuerst wurden sie von Bauern, später
von Viehzüchtern und schließlich von Europäern unterdrückt. Das größte Problem
der Batwa war das Verschwinden ihres Lebensraums, des Regenwaldes durch
Abholzung, und die Unfähigkeit, sich gegen Invasoren erfolgreich zur Wehr zu
setzen. Der Wald wurde in Farm- und Weideland umgewandelt und später für Game
Parks448 und Militärzwecke verwendet. Die Dekolonisation ist nach wie vor eines der
wichtigsten Themen für die Pygmäen, auch nachdem die Europäer das Land bereits
verlassen haben.449
Durch die Abholzung und das Verschwinden ihres Lebensraumes, durch
Desinteresse an langfristigen Strategien entschieden sich die Batwa für die „QuickReturn“ – Methoden, durch sie die Ernte unmittelbar wieder verbrauchten. Sie waren
auch gezwungen, ihre Berufe an die neue Situation anzupassen und verdingen sich
unter anderem als Töpfer, Schmiede, Kesselflicker oder Sänger.450
Die Batwa der DRC sind gegenüber ihren Stammesmitgliedern in den östlichen
Ländern in einer etwas besseren Situation bezüglich ihres Lebensraumes, denn in
der DRC gab es historisch weniger Abholzung als in den anderen Ländern, da kaum
Viehzucht praktiziert wurde. Allerdings beginnt sich die Situation auch in der DRC
sukzessive zu verschlechtern, da auch hier der Regenwald in zunehmendem Maße
abgeholzt wird bzw. Game Parks und Reservate gebildet werden.
Neben den wirtschaftlichen Problemen, die entstanden, nachdem es den Batwa
verboten wurde, ihre traditionellen Lebens- und Arbeitsweisen auszuüben, besteht
eine extreme Diskriminierung gegenüber den Batwa. Die restliche Bevölkerung
vermeidet es, mit den Batwa gemeinsam zu essen oder zu trinken, verweigert ihnen
den Zutritt in ihre Häuser und würde sie nie als Ehe- oder Sexualpartner annehmen.
Grund dafür sind die Stereotypen, mit denen die Batwa zu kämpfen haben. Sie
447
Vgl. Survival International (2007). Survival. The Movement for Tribal People. Discrimination and the „Pygmy“,
http://www.survival-international.org/material/20.
448
Game Parks sind Orte für Touristen und Einheimische in denen sie die Möglichkeit haben, wilde Tiere aus der
Nähe zu beobachten und durch Rundfahrten in Geländewagen möglichst nah an dieser heranzukommen. Die
Tiere werden dabei meist in ihrer natürlichen Umgebung gehalten und es wird nicht in die Nahrungskette
eingegriffen.
449
Vgl. Lewis, S.5.
450
Vgl. Lewis, S.5.
172
werden als unzivilisiert und ungepflegt angesehen und aufgrund ihrer Lebensweise
als unterentwickelt gehandelt.451
Die Batwa haben, wie auch der Rest der Bevölkerung der DRC, sehr stark unter dem
Krieg gelitten bzw. leiden nach wie vor darunter. Im Gegensatz zum Rest der
Bevölkerung haben die Pygmäen keine Reserven. Aufgrund ihrer Lebensweise
haben sie keine Nahrungsmittel oder sonstige Ressourcen in Vorrat, wodurch sie
sich eventuell über Krisenzeiten hinweg retten können. Aufgrund ihrer Lebensweise
sind sie auch sehr leicht angreifbar für jegliche Kriegspartei. Manchmal wurde sogar
versucht, sie in den Krieg mit einzubeziehen, indem man sie zwang Waffen zu tragen
und zu verwenden. Ihre gesamte Situation, die Armut und der mangelnde politische
Schutz, erleichterte die mögliche Manipulation und Ausnutzung der Batwa durch
andere Gruppen erheblich.
Trotz der großen Schwierigkeiten ist es 1991 einigen Batwa in der DRC und Ruanda
gelungen, eine Organisation zu gründen, die sich für die Rechte der Batwa einsetzt.
Die Gründung dieser Organisationen hatte zur Folge, dass auch Batwa in anderen
Ländern begannen, sich zu organisieren, bis sich schließlich auch international eine
unterstützende Gruppe für die Batwa einsetzt. Ebenso gibt es Gruppen, die
gewährleisten, dass die Kommunikation zwischen den Gruppen effektiv funktioniert.
Diese ersten Entwicklungen leiteten einen Prozess ein, in dem sich die Batwa auch
international dafür einsetzen können, dass ihre Rechte geschützt werden und sie
auch gleichzeitig mit Organisationen zusammenarbeiten, die Minderheitenrechte und
Rechte für Indigene Völker als zentrales Thema ihrer Projekte haben.452
Die Batwa zeichnet auch aus, dass sie eine sehr enge Gemeinschaft haben. Sie
ehren ihre Traditionen und Vorfahren. Sie sprechen unterschiedliche Sprachen, sind
sich jedoch bewusst, dass sie eine wichtige ethnische Gruppe der Region sind. Sie
haben einen sehr engen Zusammenhalt und rücken die Tatsache in den
Vordergrund, dass sie alle zu einem Stamm gehören, wodurch sie eine starke
Gemeinschaft bilden, obwohl sie in weiten Teilen des Landes verteilt sind.453
451
Vgl. Lewis, S.5.
Vgl. Lewis, S.6.
453
Vgl. Lewis, S.6.
452
173
7.5.2. Die Bambuti
Die Bambuti leben ausschließlich in der DRC und bewohnen den Ituri-Regenwald,
der cirka 59.000 km² an Fläche umfasst. Sie unterteilen sich in drei Gruppen, die Efe,
die Aka und die Sua, die alle jeweils andere Sprachen sprechen und in anderen
Regionen siedeln.454 Die Intonation der Worte macht es den Bambuti der
unterschiedlichen Stämme jedoch möglich, sich gegenseitig zu erkennen bzw. sich
teilweise sogar zu verständigen.455
Die Population der Bambuti wird zwischen 30.000 und 40.000456 geschätzt, und sie
leben traditionell als Jäger und Sammler. Da sie, wie wissenschaftlich belegt ist, der
älteste Stamm der Pygmäen sind, war es ein Mitglied der Mbuti, das in den
historischen Schriften Ägyptens Erwähnung fand. Nach diesen Erwähnungen fanden
sich auch in Werken Homers und Aristoteles Erwähnungen über die Bambuti;
allerdings waren sie in diesen Wesen eher mythische Personen als reale Menschen.
Im Laufe der Jahre baute sich ein Mythos um die Bambuti auf, der darauf basierte,
dass man so gut wie kein Wissen über die Pygmäen besaß. Man stellte sie als
Monster dar, die durch die hohen Baumkronen des Ituri-Regenwaldes schwebten.
Erst durch die Erforschung des afrikanischen Kontinents im 19.Jahrhundert konnten
diese Mythen korrigiert werden.
Durch die Kolonisierung des Kongo veränderte sich die Situation für die Bambuti im
Ituri extrem. Viele Bauern der Bantu-Völker waren durch die Kolonialisten
gezwungen, ihre Ländereien zu verlassen und an den Rand des Ituri-Regenwaldes
zu siedeln. Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine Art Zweckgemeinschaft zwischen
den Bambuti und den Bantu. Die Bantu sahen die Pygmäen zwar als minderwertige
Heiden aus dem Urwald an, fanden aber einen Nutzen darin, mit den Pygmäen
Handel zu treiben. Grund dafür war, dass die Bantu Angst hatten, im Urwald zu jagen
und nur durch Pygmäen ihre Fleischversorgung sichern konnten. Im Gegenzug
waren die Mbuti ebenfalls abhängig vom Handel, da sie ihre Dörfer mit Dingen
versorgen mussten, die auf den Feldern der Bantu wuchsen. Aus Sicht der Bambuti
bestanden keine Verpflichtungen gegenüber den Bantu, und sie gingen nur auf den
454
Vgl. IRIN In-Depth Report (2006).
Vgl.
Martin,
Marlene
M..
Society
–
Pygmies
–
Mbuti,
http://lucy.ukc.ac.uk/EthnoAtlas/Hmar/Cult_dir/Culture.7865.
456
Diese Schätzung stammt aus dem Jahr 1968. Die aktuelle Zahl ist nicht erfasst. Eine Schätzung aus dem Jahr
1993 geht von einer Zahl um die 16.000 Menschen aus. (Anm. d. Autors)
455
174
Handel ein, wenn sie ihre Forderungen erfüllt sahen. Nachdem ihre Bedürfnisse
befriedigt waren, zogen sie sich wieder in den Regenwald zurück.457
Die Situation wurde allerdings für die Bambuti schwieriger, da sie durch die
Abholzung des Regenwalds und die verschiedenen Kriegen von ihrem Lebensraum
zusehends vertrieben wurden. Die Bambuti mussten in die gleichen Gebiete ziehen,
die die Bantu bewohnten. Diese nutzten die Situation und ihre technische
Überlegenheit aus und begannen, die Pygmäen sukzessive für sich arbeiten zu
lassen.458 Manche Organisationen sprechen von Ausbeutung und Unterdrückung.459
Die Basua, einer der drei Stämme, die zu den Bambuti zählen, leben von der
Fischerei. Durch die Gründung von Nationalparks wurden sie von den für sie
lebensnotwendigen Flüssen abgeschnitten. Sie mussten von den Nationalparks die
Erlaubnis einholen, in den Gebieten weiter fischen, Holz und Kräuter sammeln zu
dürfen. Jagen war generell verboten. Die Basua waren zwischen den 60iger und
80iger
Jahren
zu
einer
Touristenattraktion
geworden,
was
auch
die
Haupteinnahmequelle ihres Lebens wurde, allerdings blieben zu Beginn der 90iger
Jahre aufgrund der Kriegswirren die Touristen zunehmend aus.460
Obwohl die Bambuti politisch kein Gewicht bzw. keine politischen Rechte in ihrem
Land haben, beteiligen sie sich auch an den Zusammenschlüssen und NGOs, die
sich mit den Rechten der Pygmäen auseinandersetzen. Sie haben, ebenso wie alle
anderen Pygmäenstämme, einen sehr starken Bezug zu ihrer Herkunft. Vielleicht ist
dies bei den Mbuti noch tiefer verankert, als bei anderen Stämmen, da sie als
Ältestes der Pygmäen-Völker angesehen werden.
7.5.3. Unterschiede zwischen den Pygmäenstämmen
Die hier beschriebene traditionelle Lebensweise sowie die Bräuche und Werte
werden heute hauptsächlich von den Pygmäen in der DRC praktiziert. Sie stellt zwar
auch die Basis für die anderen Stämme dar, aber es gibt auch Unterschiede
zwischen den Pygmäenstämmen in den unterschiedlichen Bereichen.
Primär unterscheiden sich die Sprachen der einzelnen Stämme, wobei es regional
durchaus Gemeinsamkeiten gibt bzw. eine Verständigung möglich ist. Während
457
Vgl. The Mbuti of ZAIRE, http://www.ucc.uconn.edu/~epsadm03/mbuti.html.
Vgl. Muis, Ruud. Pygmies, in: Pygmeen Kleinood, http://www.pygmee.nl/pygmy_algemeen2.html.
459
Vgl. Mazzucato.
460
Vgl. Survival International (2007).
458
175
manche Stämme ähnliche oder die gleichen Sprachen sprechen, wie ihre
benachbarten
ethnischen
Gruppen,
sprechen
andere
Teile
der
Pygmäen
unterschiedliche Sprachen und Dialekte.
Auch bei Ritualen gibt es Unterschiede. So praktizieren manche Stämme, wie
beschrieben, den Brauttausch, wogegen andere auf eine Mitgift bestehen. Bei der
Jagd, die auch eine Art Ritus darstellt, gibt es ebenso verschiedene Methoden, die
praktiziert werden. So verwenden die Mbuti hautsächlich Netze und es ist das
gesamte Dorf miteinbezogen. Andere Stämme jagen ausschließlich mit Pfeil und
Bogen oder mit Speeren. Die beeinflusst auch die Dauer der Jagd erheblich, denn
während die Netzjagd nur einen Tag dauert, kann die Jagd mit Pfeil und Bogen oder
Speeren mehrere Tage dauern.
Weitere Unterschiede sind noch in der Ernährung, dem Familienleben, der Erziehung
und dem Kontakt mit dem Rest der Bevölkerung zu beobachten. Beim Vergleich der
Stämme ist auch zu beobachten, dass sich die Lebensweise von weit entfernten
Stämmen oft mehr ähnelt als die von regional näheren.461
7.5.4. Traditionelle soziale Struktur und Organisation eines Pygmäenstammes
Die Pygmäen sind zu einem großen Teil noch nomadische Völker und folgen, obwohl
es in manchen ihrer derzeitigen Lebensräume nicht mehr möglich ist, nach wie vor
den Traditionen des Jagens und Sammeln. Allerdings waren sie gezwungen, ihre
Lebensweise den Entwicklungen anzupassen und leben nicht mehr ausschließlich
bzw.
teilweise
überhaupt
nicht
mehr
vom
Jagen
und
Sammeln.
Diese
Veränderungen hatten auch teilweise Auswirkungen auf die ihre sozialen Strukturen
und Organisationen. Größtenteils leben die Pygmäen zwar noch als Nomaden, aber
in zunehmender Zahl werden sie zu Halbnomaden.462
Die Pygmäen leben in zwei Arten von Dörfern bzw. Lagern. Ein Dorf ist meist in der
Nähe eines Bantu-Dorfes, da es den Handel und den Austausch der Güter
erleichtert. Das Jagdlager befindet sich etwa bis zu einer Stunde vom Dorf entfernt,
da dies zu Jagdzwecken weiter im Inneren des Regenwaldes liegt. Es besteht meist
aus Hütten, die aus Zweigen und Ästen gebildet sind.463
461
Vgl.
Hewlett,
Barry
S.
Cultural
http://www.vancouver.wsu.edu/fac/hewlett/cultdiv.html.
462
Vgl. Lewis, S.8.
463
Vgl. Mazzucato.
Diversity
among
African
Pygmies,
176
Eine Dorfgemeinschaft besteht aus ungefähr 60 bis 80 Menschen. Diese bestehen
zu meist nicht mehr als zehn verschiedenen Familien, die jeweils eine der 15 bis 20
Hütten
bewohnen.
gesellschaftlichen
Diejenigen
Zweck
und
Hütten,
werden
die
unbewohnt
von
allen
sind,
dienen
dem
genutzt,
wie
etwa
geschlechterspezifische Erziehung. Weiters gibt es eine Gemeinschaftshütte, die für
gemeinsame Veranstaltungen sowie Schule verwendet wird. In manchen Dörfern gibt
es auch eine Hütte für durchreisende Gäste. Alle Hütten des Lagers sind im Kreis
aufgebaut. In der Mitte des Dorfes bzw. Lagers befindet sich Platz, die hauptsächlich
als Tanzfläche dient.464
Die Hütten in den Dörfern haben eine rechteckige Form und sind 5-6m lang, 3-4m
breit und ungefähr 2-2.5m hoch. Diese werden innerhalb eines Tages von den
Familien gebildet werden. In den Hütten gibt es keine Einrichtungsgegenstände und
die Betten bestehen aus ein bis zwei Bananenblättern, die in der Nähe der
Feuerstelle aufgestellt sind, die in der Mitte der Hütte liegt. Die Familienmitglieder
schlafen nackt oder leicht bekleidet in der Nähe der Glut, und ihre Kleidung ist an
Lianen aufgehängt, die zwischen den Pfählen gespannt werden. Die Töpfe und
Pfannen werden in der Ecke abgestellt oder befinden sich draußen, wo auch ständig
gekocht wird. Der Rauch des Feuers hält die Moskitos fern. 465
Die Jagdlager der Pygmäen sind ähnlich aufgebaut, wie ihre Dörfer. Die Hütten sind
ebenso kreisförmig angeordnet haben aber mit 3-4m Durchmesser und 1.5-2m Höhe
eine geringere Größe. Zum Bau dieser Hütten wird nicht so starkes Material
verwendet. Großer Wert wird auf die Stabilität des Daches gelegt, da es zu sehr
schweren Regenfällen kommen kann. Diese Niederschläge dauern selten mehr als
zwei Stunden an und werden von den Pygmäen als ideale Duschmöglichkeiten
angesehen. Die Eingänge der Hütten sind in die Dorfmitte gerichtet, können
allerdings im Konfliktfall auf die Rückseite der Hütte verlegt werden. Erst nach der
Konfliktbeilegung wird der Eingang wieder nach vorne verlegt. Die Hütten, die
hauptsächlich als Nachtlager zu Erholung von der Jagd dienen, sind ungefähr ein bis
zwei Monate bewohnbar.466
Der Bau eines Hauses ist grundsätzlich die Aufgabe der Frau, obwohl zwischen den
Geschlechtern Gleichberechtigung herrscht. Die Männer, die sich am Hüttenbau
beteiligen, üben nur bestimmte Tätigkeiten aus. Die Frauen suchen den Platz aus,
auf dem die Hütte gebaut wird und die Männer können sich an der Findung sowie
464
Vgl. Mazzucato.
Vgl. Mazzucato.
466
Vgl. Mazzucato.
465
177
dem Bau der Hütte beteiligen, dürfen jedoch, nach der Tradition der Pygmäen den
Frauen ihre Ansichten nicht aufzwingen. Männer sind auch für die schwereren
körperlichen Arbeiten während des Hausbaus verantwortlich. Die Aufgaben sind klar
verteilt und dürfen nicht unfreiwillig geändert werden.467
7.6. Verständnis von Macht, Herrschaft und Demokratie
7.6.1. Hierarchische Strukturen
Die Pygmäen kennen keine Hierarchie im weit verbreiteten Verständnis. Es gibt in
einem Dorf bzw. einer Gemeinschaft keinen Anführer, Häuptling oder sonstigen
Obersten. Neben der Gleichheit der Geschlechter herrscht auch Gleichheit zwischen
den unterschiedlichen Altersgruppen. Jede/r wird als wichtiger Teil der Gemeinschaft
angesehen, der unverzichtbar ist. Aus diesem Grund werden die Entscheidungen in
einer Pygmäengesellschaft auch gemeinsam – dabei sind auch die Kinder
miteinbezogen – und durch einen Konsens getroffen. Es gibt keinen anderen Weg,
zu einer Entscheidung zu kommen.
Es gibt Familienoberhäupter, die allerdings nur eine moralische Funktion haben,
jedoch ebenso wie jeder Andere im Dorf keine Entscheidungskompetenz. Im Dorf
gibt es auch ein Oberhaupt, das sich durch ihre Lebensweisheit auszeichnet.
Allerdings hat auch dieses Mitglied nur eine moralische Vorbildfunktion, da es hoch
geschätzt und seine Lebensweise als richtungweisend angesehen wird. Auch dieses
„Oberhaupt“ hat nur eine Beraterfunktion, da – wie schon erwähnt – die
Entscheidungskompetenz und somit die Macht bei der Gemeinschaft liegt.468
Die Führungspositionen, die es in eingeschränktem Maße gibt, hängen auch von den
jeweiligen Situationen ab, in der Entscheidungen zu treffen sind. Die Gemeinschaften
akzeptieren dann Mitglieder, die eine große Erfahrung in dem zu diskutierenden
Bereich haben, als Autorität in diesem Zusammenhang. Dabei können diese
Personen auch spezielle und teilweise repräsentative Aufgaben erfüllen, wie etwa bei
Ritualen, Feiern oder als Medium zur Außenwelt. Wenn jedoch diese Spezialisten
ihre Kompetenzen überschreiten und zuviel Macht oder Kontrolle ausüben wollen,
kann es zu erheblichem Widerstand in der Gemeinschaft kommen, der in einem
467
468
Vgl. Mazzucato.
Vgl. Mazzucato.
178
Ausschluss gipfeln kann. Die mangelnde Unterstützung kann zu einem Problem
werden, wenn es um gemeinsame politische Repräsentation der Pygmäen geht.
Vielfach wird das System der Pygmäen auch zu einem Problem, wenn es darum
geht, mit der Außenwelt zu kommunizieren. Delegationen wollen oft mit einem
einzelnen Verantwortlichen oder einer Führungsgruppe kommunizieren, was sich bei
den Pygmäen oft sehr schwierig gestaltet. Allerdings sind die Pygmäen, auch wenn
sie ihre eigenen Werte sehr hoch halten, daran interessiert mit der Umwelt zu
interagieren. Sie sprechen viele Bantu-Sprachen, um den für sie notwendigen
Handel treiben zu können.469
7.7.Institutionalismus
7.7.1. Konfliktlösungsmechanismen
Die Pygmäen haben keine regulierten Mechanismen, um Konflikte beizulegen bzw.
zu schlichten. Allerdings gibt es eine Art Gericht, das aus der gesamten
Gemeinschaft besteht. Wenn es ernstere Streitfälle gibt, treten alle Dorfbewohner
zusammen und Jeder, auch die Kinder, kann seine Meinung abgeben. Anschließend
wird von allen gemeinsam unter der moralischen Leitung der Vorsitzenden in dieser
Situation ein Urteil gefällt. Das Urteil soll dazu dienen, den Streit beizulegen, wird
aber unter dem Konsensprinzip gefällt. Zwar hat der Geschädigte das Recht auf eine
Entschädigung, allerdings muss er zum Versöhnungsessen, das traditionell
veranstaltet wird, das Essen beisteuern. Diese Form des Gerichts kommt selten vor
und wird nur dann eingesetzt, wenn es entweder ernste Fälle zu verhandeln gibt,
oder die Probleme auf andere Weise nicht gelöst werden konnten.470
Die Pygmäen sind an einer schnellst möglichen Konfliktlösung interessiert, da sie
eine sehr harmonische Gesellschaft sind und von ihrem Zusammenhalt leben.
Meistens wird erfolgt eine Streitbeilegung durch Humor und Spaß. Dabei gibt es
einen Verantwortlichen im Dorf, der sich als Clown dafür verantwortlich sieht, den
Streit zu schlichten. Er versucht dies durch Scherze oder Mimik, die beide
Streitparteien von dem eigentlichen Thema ablenken und die Aufmerksamkeit auf ihn
richten soll. Er versucht dann durch Späße die Situation zu entschärfen. Colin
Turnbull, ein Anthropologe, der lange Zeit seines Lebens mit den Pygmäen lebte,
469
470
Vgl. Lewis, S.8.
Vgl. Mazzucato.
179
zählte innerhalb eines Jahres 142 Dispute in einen Pygmäendorf. Der Großteil der
Auseinandersetzungen handelte sich um Essen, sexuelle Probleme, Beziehungen zu
Bantu, Diebstahl und Territorium. Die meisten davon lösten sich allerdings sehr
schnell und wurden von den Beteiligten oft ad acta gelegt, bevor sie eskalierten. Die
Pygmäen versuchen auch, Konflikte bzw. Krieg mit anderen Stämmen zu
vermeiden.471
7.8. Soziale Beziehungen und Interaktionen in einem Pygmäendorf
7.8.1. Gesellschaftsstruktur und Sozialisierung innerhalb eines Dorfes
Die Struktur eines Dorfes, der größten zusammen lebenden Gemeinschaft in einem
Pygmäenstamm, besteht aus ungefähr 10 bis 15472 Familien, und höchstens 80
Personen. Jede Familie besteht aus durchschnittlich sechs Personen, den beiden
Eltern und ca. vier Kinder. Jede Pygmäenfrau bringt im Laufe ihres Lebens sieben
bis
acht
Kinder
zur
Welt.
Allerdings
werden
aufgrund
der
schwierigen
Lebensbedingungen und der hohen Kindersterblichkeit durchschnittlich nur vier bis
fünf erwachsen.473 Die Erblinie wird in der männlichen Linie zurückverfolgt bis zu
einem gemeinsamen männlichen Vorfahren.474
Die gesamte Gesellschaftsstruktur der Pygmäen basiert auf der Familie. Primär auf
der Kernfamilie (Vater, Mutter, Kinder) und sekundär auf der erweiterten Familie
(Großeltern, Tanten/Onkel, Cousinen/Cousins). Der erweiterte Kreis der Familie
spielt allerdings eine zweitrangige Rolle. Den höchsten Stellenwert in einer
Pygmäengesellschaft hat das Individuum. Zur guten und sicheren Entwicklung
dieses Individuums ist die Kernfamilie verantwortlich. Zum Wohl der Kernfamilie trägt
wiederum der erweiterte Kreis der Familie bei. Im Vergleich dazu sind bei den Bantu
die Familie und der Clan wichtiger als das Individuum. Der Clan spielt bei den
Pygmäen so gut wie keine Rolle.475
471
Vgl. Peaceful Societies (2007). Peaceful Societies. Alternatives to Violence and War. Encyclopaedia of
Selected Peaceful Societies, Mbuti, http://www.peacefulsocieties.org/Society/Mbuti.html.
472
Im Normalfall gibt es in einem Dorf nicht mehr als 20 Familien. Durch die extrem veränderten
Lebenssituationen gibt es mittlerweile Pygmäen-Dörfer, die auch 50 Familien beherbergen. Allerdings sind das
keine Dörfer, die vom Jagen und Sammeln leben, da dies mit so einer großen Anzahl Menschen nicht möglich
wäre. (Anm. d. Autors)
473
Vgl. Mazzucato.
474
Vgl. Efe and Mbuti, World Cultures, http://www.everyculture.com/wc/Brazil-to-Congo-Republic-of/Efe-andMbuti.html.
475
Vgl. Mazzucato.
180
7.8.2. Familienleben
Obwohl Clans und Gruppen keine wichtige Rolle in der Gemeinschaft der Pygmäen
spielten, ist diese sehr stark auf Teilung von Ressourcen ausgelegt. Es besteht ein
sehr intensives Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb einer Gruppe, was sich unter
anderem in gegenseitiger Unterstützung manifestiert. Es ist moralisch verpflichtend
sich gegenseitig zu helfen, wenn ein anderes Mitglied der Gruppe bzw. des Dorfes in
Not ist. Dafür ist auch keine Gegenleistung bzw. Zurückzahlung zu verlangen. Wenn
notwendig, können die anderen Gruppenmitglieder diese Hilfe auch einfordern. Diese
Teilung der Ressourcen dient dazu sozialen Ungleichheiten aufzuheben und schafft
eine große Ausgeglichenheit im ökonomischen und sozialen Bereich.476
Die Gesellschaft der Pygmäen gilt hinsichtlich der Gleichberechtigung als eine der
am weitesten entwickelten der Welt. In einer Pygmäengemeinschaft gelten Mann und
Frau als gleichberechtigt. Keiner von beiden hat in einer Familie das Recht, über den
anderen zu bestimmen. Entscheidungen müssen in einem Konsens getroffen
werden. Sollte dies nicht gelingen, so kann Jeder nach seinem eigenen Gefühl
entscheiden, wobei diese Entscheidung dem/der anderen nicht aufgezwungen
werden darf.477
Die Aufgaben sind allerdings schon teilweise auf die Geschlechterrollen aufgeteilt.
So ist die Jagd zwar gemeinschaftlich organisiert, aber bestimmte Waffen, wie etwa
Pfeil und Bogen, sind ausschließlich den Männern vorbehalten. Deshalb müssen die
Frauen ebenso wie die Kinder sich mit anderen Waffen ausrüsten, um an der Jagd
teilnehmen zu können. Andererseits ist das Bauen der Hütten, ebenso wie die
Standortbestimmung für diese, die Aufgabe und das Recht der Frauen. Dabei
werden den Männern nur bestimmte Tätigkeiten zugewiesen. Die Kindererziehung ist
die Aufgabe beider Elternteile und wird in den ersten Lebensjahren der Kinder auch
so ausgeübt. Ab dem fünften Lebensjahr werden Beziehungen zwischen Mutter und
Tochter sowie zwischen Vater und Sohn intensiver, da sie ihre Kinder auf die
spezifischen Aufgaben und Lebensbereiche vorbereitet werden. Die Erziehung der
Kinder dauert von der Geburt bis zur Ehe.478
Zum Zeitpunkt des Einsetzens der Pubertät werden Mädchen und Jungen in
getrennte Hütten gebracht und unter der Aufsicht der Erwachsenen gestellt. Dies soll
476
Vgl. Lewis, S.8.
Vgl. Mazzucato.
478
Vgl. Mazzucato.
477
181
verhindern, dass es zu vorehelichem und/oder innerfamiliären sexuellen Kontakt
zwischen den Geschlechtern kommt.479
Ein Dorf, das ausschließlich aus Verwandten unterschiedlicher Grade besteht, hat
einen sehr engen und starken Familienzusammenhalt sowie soziale Verantwortung.
Wenn ein Kind verwaist, wird es sofort von Verwandten der Verstorbenen
aufgenommen. Alle Kinder des Dorfes rufen alle Männer und Frauen des Dorfes mit
Vater und Mutter. Alle, die eine Generation älter sind werden als Großmutter und
Großvater angesprochen, und Jeder der gleichen Generation als Bruder bzw.
Schwester. Die Alten und Kranken werden in der Gemeinschaft gepflegt und
umsorgt, solange sie die Gruppe nicht gefährden. Allerdings muss dieser Entschluss
gemeinsam getroffen werden und es gab auch schon Fälle, in denen schwer
Verwundete trotzdem in der Gemeinschaft behalten wurden. Neben Verwundeten
werden auch behinderte und extrem kranke Menschen von der Dorfgemeinschaft
gepflegt.480
7.8.3. Ehe
Bei den Pygmäen geht das Werben von der Seite des Mannes aus, der sich nach
einem geschlechtsreifen, heiratsfähigen Mädchen umsehen muss. Dabei muss er
allerdings die Verwandtschaftsgrade beachten und darf kein Mädchen zur Braut
nehmen, das enger als zum fünften Grad mit ihm verwandt ist, wodurch er in
Nachbardörfer wandern muss. Wenn er ein Mädchen gefunden und mit ihm eine
Vereinbarung getroffen hat, setzt er seine Familie davon in Kenntnis. Daraufhin folgt
ein Prozess, in dem sich die Familien in sehr diskreter Art und Weise über einander
informieren, um die moralische Integrität der jeweils anderen Familie herauszufinden.
Wenn diese zu beiderseitiger Zufriedenheit ist, informiert die Familie des Jungen die
Familie der zukünftigen Braut, dass auch sie ein Mädchen hätte, das zu verheiraten
wäre. Dies dient dazu, dass es nicht, wie in anderen Gesellschaften eine Brautsteuer
gibt, sondern einen Brauttausch. Hintergrund ist, dass die Anzahl der Dorfbewohner
konstant bleibt. Sobald sich alle Familien aller Brautleute geeinigt haben,
versammeln sich die Mädchen und Jungen aus einem Dorf und ziehen singend und
tanzend in das andere Dorf, wo sie bis zur Hochzeit bleiben. Am Tag der Hochzeit
479
480
Vgl. Mazzucato.
Vgl. The Great Human Diasporas, http://www.mc.maricopa.edu/dept/d10/asb/anthro2003/lifeways/diasporas/.
182
sind alle Verwandten aller Brautleute anwesend und es kommt zu Austausch der
beiden Bräute. Die gesamte Zeremonie und die anschließende Feier dauert einen
Tag und eine Nacht..“481
Ehen verlaufen grundsätzlich monogam, weil es weniger Frauen gibt. Scheidungen
sind allerdings sehr häufig und werden oft von Frauen eingeleitet. Eine Scheidung
kann einfach durch das Packen der Sachen und die Mitnahme der kleinen Kinder
vollzogen werden. Die Frau zieht dabei zurück zu ihrer Familie. Wenn unter den
mitgenommenen Kindern Jungen sind, dann kehren sie, sobald sie alt genug sind,
um zu jagen, zu ihrem Vater zurück.482
Die Beziehungen zwischen Männern und Frauen respektive die Ehen unterliegen
strengen gesellschaftlichen Regeln.
1. Es darf keine Beziehungen zwischen Familienmitgliedern geben, die enger als
der fünfte Verwandtschaftsgrad miteinander verwandt sind.
2. Die Anzahl der Kinder für jedes Paar wird auf der Basis der Dorfgemeinschaft
errechnet. Kein Dorf darf die Größe von 60-80 Personen überschreiten. Es
gibt natürliche Faktoren, die die Zahl der Dorfbewohner immer wieder
reduzieren bzw. beschränken. Einerseits ist dies die hohe Kindersterblichkeit,
die bei 40 Prozent liegt; anderseits muss ein angemessener Abstand
zwischen den Geburten der Kinder eingehalten werden, der bei zwei bis drei
Jahren liegt. In der Zwischenzeit müssen die Paare entweder abstinent
bleiben, oder sich traditioneller Verhütungsmittel, die die Fruchtbarkeit des
Mannes oder der Frau vermindern, bedienen.
3. Die Erziehung ist bis zum ungefähr fünften Lebensjahr die Verantwortung
beider Elternteile, anschließend sind die jeweiligen Geschlechter enger
verbunden, da die Eltern die Kinder auf ihr Leben vorzubereiten haben.
Die Erziehung der Kinder baut auf drei Prinzipien auf:
1. Freiheit. Die Pygmäen legen sehr viel Wert darauf, dass die Kinder ihre
eigenen Erfahrungen machen und schränken sie aus dem Grund auch nicht
ein. Die Kinder werden nie aus Veranstaltungen von Erwachsenen
ausgeschlossen, sei es die Jagd oder diverse traditionelle Feste. Ebenso ist
den Eltern wichtig, dass die Kinder den Umgang mit Werkzeugen, Feuer und
481
482
Vgl. Mazzucato.
Vgl. Efe and Mbuti, World Cultures.
183
Waffen lernen. Kindern jeglicher Altersstufen ist der Zugang zu Waffen erlaubt
bzw. wird teilweise sogar gewünscht.
2. Initiative. Die Kinder werden motiviert, im Laufe ihres Erwachsenwerdens und
ihres Lernprozesses immer wieder selbst Initiative zu ergreifen, neue Dinge zu
lernen und herauszufinden. Dabei wird vor allem auf Spiele gesetzt. Diese
Spiele finden entweder unter den Kindern statt oder zwischen Kindern und
Erwachsenen. Die erwachsenen Pygmäen empfinden es keineswegs als Last,
mit den Kindern zu spielen, vielmehr sehen sie es als notwendige Aufgabe,
um die Kinder entsprechend zu erziehen. Es wird in der Gesellschaft der
Pygmäen auch keine Nachahmung der Kinder bzw. keine so genannte
Babysprache gebraucht.
3. Verantwortung. Die Kinder der Pygmäen lernen sehr schnell, dass sie den
Wald schätzen und seine Gesetze achten müssen. Dabei wird vor allem auf
die Gefahren hingewiesen, die im Regenwald lauern könnten. Diese reichen
von einem Schlangenbiss bis zu einer giftigen Liane. Die Pygmäen haben
einen sehr großen Respekt vor dem Regenwald und sind sich bewusst, dass
sie alles vom Wald bekommen, was sie benötigen.483
Die Eltern haben die Aufgabe, ihre Kinder auf das Leben in der Dorfgemeinschaft
sowie innerhalb einer Ehe vorzubereiten. Neben den Vorbereitungen der Kinder auf
die Jagd und die bestimmten Techniken, die beim Fischfang oder Sammeln diverser
Produkte des Waldes essentiell sind, werden die Kinder auch im Bau von Hütten
unterrichtet. Dabei werden bereits die Geschlechterrollen aufgebaut, weshalb die
Technik nur den Mädchen beigebracht wird. Die Geschlechterrollen an sich sowie
das Familienleben stellen einen eigenen Bereich dar, in dem die Eltern ihre Kinder
unterrichten. Speziell im Initiationsritus wird dieses Thema fokussiert. Dabei werden
die Jungen in den Wald geführt, wo sie alles über die Traditionen und das Wissen
über den Stamm erfahren. Interessant hier ist, dass die Zeremonie von einem BantuAngehörigen geleitet wird, wodurch offensichtlich wird, dass dieses Ritual von den
Bantu übernommen wurde. Schließlich werden die Kinder noch in Gesang und dem
Umgang mit Instrumenten unterrichtet. Diese zählen ebenso wie die Tänze zu den
Fähigkeiten, für die die Pygmäen weltbekannt sind und die auch die Basis für ihre
Kultur bilden.484
483
484
Vgl. Mazzucato.
Vgl. Mazzucato.
184
7.9.
Die unterschiedlichen Lebensweisen und Wirtschaft verschiedener
Pygmäenstämme
Die Gesellschaft der Pygmäen lebt in ihren Traditionen als Jäger und Sammler. Die
Situation hat sich durch die teilweise Umsiedelung und die Vertreibung aus ihren
Wäldern zunehmend verschlechtert, und ihr Lebensstil ist kaum mehr in der
traditionellen Weise umzusetzen. Grundsätzlich kann man die Pygmäen in drei
Kategorien einteilen: Jäger und Sammler, Fischer und Handwerker. Es gibt auch
vereinzelt Bauern, die zwar an Zahl zunehmen, aber noch zu wenige sind, um eine
große Gruppe zu bilden.485
Die
Pygmäen
sind
ein
Volk,
das
über
keine
Aufbewahrungs-
bzw.
Konservationstechniken verfügt. Aus diesem Grund jagen, fischen oder sammeln sie
nur so viel, wie sie als Dorfgemeinschaft für einen Tag brauchen. Grundsätzlich
betreiben die Pygmäen keinen Handel im herkömmlichen Sinn, sondern stellen die
meisten Dinge, die sie zum Leben brauchen, selbst her, z.B. Waffen, Jagdutensilien
und die meisten Alltagsgegenstände.486
Was sie nicht selbst haben, aber unbedingt brauchen wird durch Tausch mit den
Bantu gewonnen. Allerdings gab es in den letzten Jahrzehnten immer wieder
Bemühungen, dieses System zu unterwandern bzw. zu umgehen. Die Pygmäen
wurden auch zu kommerziellen Jagdzwecken missbraucht, da vermehrt Händler ihre
Dörfer passierten und Handel mit den Pygmäen trieben. Hintergrund ist der Anstieg
an benötigtem Fleisch von den Dörfern am Rande des Regenwalds. Durch die
Händler, die das traditionelle System der Handelsbeziehungen zwischen Bauern und
Pygmäen
umgehen,
werden
die
Pygmäen
ebenso
Teil
des
monetären
wirtschaftlichen Systems. Zudem werden die Bestände der Wildtiere durch die
kommerzielle Jagd gefährdet und das System, von dem die Pygmäen zentral
abhängig sind, wird aus dem Gleichgewicht gebracht.487
485
Vgl. Lewis, S.8.
Vgl. Mazzucato.
487
Vgl. Dembner.
486
185
7.9.1. Jäger und Sammler
Die Pygmäen, die im Wald leben und sich vom Jagen und Sammeln ernähren,
nennen sich selbst Impunyu488. Ungefähr 7.000 Impunyu haben keinen direkten
Zugang zum Wald, weil ihnen dieser oftmals durch Verwaltungsbehörden verwehrt
wird. Viele dieser Pygmäen leben am Rand des Waldes und der landwirtschaftlichen
Gebiete und nutzen den Wald nicht mehr wirklich als Lebensraum, sondern nur noch
als Lieferant für die lebensnotwendigen Nahrungsmittel. Die Impunyu leben als
Halbnomaden, was bedeutet, dass sie zwar mit den Tieren mitwandern, aber auch
manchmal längere Zeiträume an einem Ort verweilen, wenn sie genug Produkte für
ihren täglichen Bedarf vorfinden. Neben dem Erwerb ihrer täglichen Nahrungsmittel,
sind die Impunyu auch schon ein Teil des monetären Handelssystems, da sie
Produkte, die sie im Wald finden bzw. Handarbeiten, die sie aus solchen anfertigen
neben dem Tausch gegen andere Sachprodukte auch gegen Geld verkaufen. Zudem
bieten sie ihre Mitarbeit auf den Feldern gegen Geld an.489
Das Grundprinzip der Pygmäen wäre Unabhängigkeit und kein persönliches
Besitztum. Das Prinzip ist, dass jede/r die Dinge, die gejagt bzw. gesammelt wurden,
für sich und die Familie verwenden darf. Allerdings gilt – wie schon an anderer Stelle
erwähnt – das Prinzip des gegenseitigen Helfens und des Teilens. Die Situation wird
jedoch zunehmend erschwert, da von einigen Pygmäengruppen Handel mit Profit
betrieben wird, was absolut gegen die traditionellen Grundsätze der Pygmäen
verstößt.490
7.9.2. Die Jagd
Nachdem bis zum heutigen Tage die Pygmäen größtenteils von der Jagd und vom
Sammeln der Produkte des Regenwaldes lebten, haben sie auch bestimmte
Methoden, Praktiken und Traditionen dafür. Jeder Clan hat das Recht auf eine
Fläche im Regenwald von einer bestimmten Größe. Die Clans dürfen sich zwar frei
auf den Flächen anderer Pygmäendörfer bewegen, haben jedoch kein Recht dort zu
488
Diese Bezeichnung wird von den Batwa für ihr Volk verwendet. Von den Batwa leben ca.7000 in den Wäldern.
Wie weit diese Bezeichnung auch für die Bambuti zutrifft ist nicht genau festzustellen, allerdings ist der Lebensstil
sehr ähnlich und die Umstände für die Jagd bzw. die Methoden die gleichen, wodurch hier generell der Begriff
Impunyu verwendet wird. (Anm. d. Autors)
489
Vgl. Lewis, 8f.
490
Vgl. Mazzucato.
186
jagen oder sammeln.491 Allerdings wird das Jagdgebiet vom jeweiligen Stamm nicht
als Eigen- oder Besitztum angesehen, sondern als Fläche, die der Gemeinschaft die
Existenz sichert. Dem Glauben der Pygmäen nach, kann kein Mensch auch nur ein
einziges Stück Natur besitzen. Im Jagdgebiet befinden sich die Jagdlager, die
ungefähr eine Stunde Fußmarsch voneinander entfernt sind.
Es gibt zwei verschiedene Arten, wie die Pygmäen jagen. Einerseits praktizieren sie
die individuelle Jagd und andererseits jagen sie in Gruppen.
Bei der Individualjagd ist ein einzelner Jäger mit seinem Hund unterwegs. Diese
Hunde spüren kleinere Tiere im Unterholz auf, die dann vom Jäger mit der Lanze
oder Pfeil und Bogen erlegt werden. Die erlegte Beute gehört ausschließlich dem
Jäger und seiner Familie.
Die Gemeinschaftsjagd ist ein Großereignis des Dorfes, woran sich jedes Mitglied
beteiligt. Wenn es Säuglinge gibt, dann werden diese auf den Rücken der Mutter
gebunden und auch mit auf die Jagd genommen. Zur Gemeinschaftsjagd, die auch
zwei bis drei Monate dauern kann, wird das Dorf, das sich in der Regel in der Nähe
einer Bantu-Siedlung befindet kollektiv verlassen und die Dorfgemeinschaft zieht für
die Dauer in die Jagdlager.492
Die eigentliche Jagd findet dann in dem Gebiet statt, das unmittelbar an das
Jagdlager angrenzt, in dem sich die Gemeinschaft gerade befindet. Dieses Gebiet
wird für ungefähr zwei Wochen durchkämmt, dann zieht die Gemeinschaft weiter und
Jagd in einem anderen Teil ihrer Jagdzone. Gejagt wird mit Pfeil und Bogen, Lanzen,
Hunden und Netzen. Dabei werden die Peilspitzen in ein Gift getaucht, um den Tod
der getroffenen Tiere zu garantieren.493
Die Gemeinschaftsjagd wird von einem Jagdführer koordiniert, der, wie andernorts
erwähnt, eine temporäre und spezifische Führungsposition übernimmt, da er über
sehr viel Erfahrung bei der Jagd verfügt. Diese Person kann aber muss nicht die
gleiche sein wie das Oberhaupt des Dorfes. Jegliche Aktivitäten werden von ihm
bestimmt, organisiert und koordiniert. Jedem Mitglied der Gemeinschaft fallen dabei
bestimmte Aufgaben zu. Diese müssen im Zusammenspiel sehr gut funktionieren,
um den Erfolg der Jagd zu garantieren. Sobald ein Tier erlegt wurde, wird es in die
Höhe gehalten, um den Ahnen und Gott zu danken. Die Beute wird zu gleichen
Teilen auf alle aufgeteilt. Einzige Ausnahmen sind der Besitzer des Netzes, der ein
491
Vgl. Lewis, S.9.
Vgl. Mazzucato.
493
Vgl. Mazzucato.
492
187
Bein behalten darf, und derjenige, der das Tier getötet hat, der den Hals behalten
darf. Am ersten Tag wird in der Regel die ganze Beute verzehrt, um innerhalb der
Gemeinschaft die Lust auf Fleisch ein wenig einzudämmen. In den folgenden Tagen
wird ein Teil der Beute geräuchert, um sie später am Markt im Bantu-Dorf gegen
landwirtschaftliche Güter zu tauschen. Zwar ist das ganze Volk zur Jagdphase
unterwegs, allerdings beteiligen sich nicht alle unmittelbar am Beutezug. Meist
bleiben die Älteren im Jagdlager und passen auf die Kinder auf, die nicht zur Jagd
mitgehen. Grundsätzlich steht es allerdings jedem/r frei, an der Jagd teilzunehmen.
Da Pfeil und Bogen ausschließlich Männern vorbehalten sind, müssen sich die
Frauen und Kinder, die an der Jagd teilnehmen mit Macheten oder Stöcken
bewaffnen.494
7.9.3. Sammler
Das Sammeln der Produkte des Waldes ist primär die Aufgabe der Frauen, aber
auch Männer und Kinder beteiligen sich manchmal am Sammeln für die tägliche
Nahrung. Es werden Pilze, Wurzeln, wilde Früchte ebenso wie Insekten und kleine
Tiere gesammelt.
Neben den oben angeführten Dingen, sammeln die Pygmäen auch Honig für den
Eigengebrauch bzw. Handel in den Bantu-Dörfern. Das Sammeln des Honigs ist
stark jahreszeitenabhängig und kann zwischen Juni bis Ende August gesammelt
werden. Beim eigentlichen Prozess des Sammelns bedienen sich die Pygmäen
einfachen aber effektiven Methoden, die Bienen auszuräuchern, um so an den Honig
zu gelangen. Das erste Stück wird in den Wald geworfen, um sich bei den Ahnen zu
bedanken. Danach gönnt sich der Sammler selbst ein wenig Honig als
Entschädigung für die erlittenen Schmerzen.
7.9.4. Fischer
Die Bambuti betreiben den Fischfang eher als Nebenbeschäftigung während es
kleine Gruppen der Batwa gibt, die vom Fischfang leben. Diese Gruppen leben in der
DRC rund um den Kivu-See sowie anderen Seen und auf kleinen Inseln. Ihre Zahl
494
Vgl. Mazzucato.
188
dürfte zwischen 3.000 und 4.000 Menschen liegen, wobei sie kaum genau zu
bestimmen ist. Ihre ganze Ökonomie ist auf die Fischerei ausgerichtet. Sie handeln
mit den Bantu Fische gegen landwirtschaftliche Nahrungsmittel oder Geld. Zudem
stellen sie Paddel, Kanus, Körbe und Fischfallen her, die sie ebenso verkaufen.
Teilweise sind sie auch als Töpfer tätig, leben allerdings nicht hauptberuflich davon.
Die Batwa in diesen Gebieten werden jedoch immer wieder daran gehindert in
Booten auf den Seen zu fischen, da sie keine Lizenz besitzen.495
Der Fischfang der Mbuti wird, wie die Jagd, individuell oder gemeinschaftlich
durchgeführt. Dabei wird nicht zwischen den Geschlechtern und Altergruppen
unterschieden, sondern jede/r kann jede Aufgabe erfüllen. Der Ertrag wird auf Alle
gleichmäßig aufgeteilt.496
7.9.5. Töpfer
Die Pygmäen, die zu dieser Gruppe zählen – größtenteils Batwa – haben
ursprünglich keine große Tradition als Töpfer. Ihre Entwicklung wurde sehr stark von
den
Einwanderern
beeinflusst,
die
prägend
für
die
Veränderung
der
Lebensbedingungen respektive des Lebensraumes der Pygmäen waren. Als
Einwanderer in den Wäldern, die von den Batwa bewohnt wurden, ankamen und
diese in immer größerem Maße in Weide- und Farmland umwandelten, mussten die
Pygmäen ihre Lebensweise an die neuen Bedingungen anpassen. Sie boten neben
ihren Diensten als Jäger und Sammler auch an, die Bauern auf ihren Feldern zu
unterstützen oder diese zu beschützen. Zudem arbeiteten sie als Handwerker und
die Frauen als Töpferinnen. Durch die zunehmende Zerstörung des Regenwaldes
nahm die Abhängigkeit der Einwanderer von den Pygmäen sukzessive ab.
Gleichzeitig verschlechterte sich auch die Meinung über die Lebensweise der
Pygmäen und ihre Diskriminierung nahm zu. Die Batwa versuchten dem
entgegenzuwirken, indem sie sich reiche und einflussreiche Beschützer suchten und
deren Traditionen und Nachnamen annahmen. Sie fungierten auch immer wieder als
Spione oder Überbringer von Nachrichten eingesetzt. Trotzdem es manchen
Pygmäen – speziell in Ruanda – gelang, in hohe Positionen geadelt zu werden, blieb
der Großteil der Batwa in der untersten Bevölkerungsschicht. Der Lebensstil hatte
495
496
Vgl. Lewis, S.9.
Vgl. Mazzucato.
189
sich zu dieser Zeit bereits erheblich verändert, da ein Großteil der Wälder in Farmund Weideland umgewandelt wurde, und die Batwa größtenteils keinen Zugang mehr
zum Regenwald hatten. Durch diese Entwicklung wurden sie in immer größerem
Ausmaß abhängig von der Töpferei der Frauen. Diese Abhängigkeit verdeutlichte
und erhöhte die Wichtigkeit der Frauen in der gesamten Gemeinschaft erheblich, da
die Männer ohne Land und Jagderlaubnis kaum mehr etwas zum Lebensunterhalt
der Familie beitragen konnten. Diese Entwicklung führte auch zu zunehmenden
Problemen innerhalb der Gesellschaft der Batwa, da die Männer durch die geringe
Wichtigkeit in der Gemeinschaft dazu neigen, dem Alkohol zu verfallen. Ebenso
werden viele Ehen geschieden, und die meisten Frauen haben im Laufe ihres
Lebens mehrere Ehemänner. Wenn die Frauen krank sind und nicht arbeiten
können, bleibt der Großteil des Einkommens der Familie aus, und es kommt zu
Problemen und Krankheiten aufgrund von Hunger.497
Die Töpferei hat auch sozial für die Batwa eine sehr große Bedeutung. Wie an
anderer Stelle beschrieben, stehen bei den Pygmäen die gemeinsame Tätigkeit und
die Zusammenarbeit der Dorfgemeinschaft im Vordergrund. Das Töpfern ist –
ebenso wie bei Jagen und Sammeln – eine Tätigkeit, in die beinahe das gesamte
Dorf involviert ist.
Viele der Bauern verweigern den Batwa den Zugang zur Erde, die für die Produktion
essentiell ist. Andere verkaufen sie zu Preisen, die sich die Pygmäen nicht leisten
können. Dieselbe Situation zeigt sich hinsichtlich des Feuerholzes und der Gräser,
die gesammelt werden müssen, um die Feuerstellen erhitzen zu können. Die
Pygmäen riskieren Geldstrafen, körperliche Züchtigungen und Inhaftierung, wenn sie
beim illegalen Sammeln erwischt werden. Obwohl die Töpferei zusehends weniger
Profit für die Pygmäen abwirft, halten sie trotzdem an dieser aufgrund der sozialen
Wichtigkeit für die Gemeinschaft daran fest.498
Durch die schwieriger werdende Situation bezüglich des Zugangs zum notwendigen
Sand, dem Holz und den Gräsern entstehen auch innerhalb der BatwaGemeinschaften Brüche und zunehmende gesellschaftliche Probleme. Neben
Alkoholismus sind die Pygmäen durch die immer geringer werdenden Einnahmen
aus der Töpferei gezwungen, Tagesarbeiten anzunehmen und zu betteln. Neben der
sozialen Isolierung, die durch solche Arbeiten und Geldbeschaffungsmethoden für
die einzelnen Batwa entsteht, sind diese Tätigkeiten nicht besonders ertragreich.
497
498
Vgl. Lewis, S.9f.
Vgl. Lewis, S.10.
190
Zudem kommt es zu Auflösungen von Familien aufgrund der Probleme mit den
Nahrungsmitteln. Hunger und die sozialen Probleme aufgrund des Bettelns und der
geringen Einkommen zerrüttet die Gemeinschaft der Pygmäen zusehends. Die Risse
innerhalb der Gesellschaft führen auch dazu, dass die Gruppen und Gemeinschaften
kleiner werden. In weiterer Folge dazu sind die Pygmäen immer schwerer dazu in
der Lage, sich gegen die Diskriminierung und andere sozialen Probleme zu wehren.
Die veränderte ökonomische Situation erschwert es den Pygmäen auch, sich in einer
Identität wieder zu finden, wodurch sich viele der Batwa zunehmend an die
Gesellschaften der Nicht-Pygmäen anpassen und ihre Traditionen aufgeben.499
7.9.6. Landwirtschaft
In manchen Gebieten sind die Pygmäen auch sesshaft geworden und haben
begonnen, Ackerland zu bebauen. Grund dafür ist unter anderem zu intensive Jagd,
wodurch die Tiere immer weniger werden und nicht mehr für alle ausreichen. Es gibt
jedoch in bestimmten Regionen auch Initiativen und teilweise sogar Schenkungen für
Pygmäen, mit der Aufgabe, als Bauern sesshaft zu werden. Diese Programme sind
allerdings nicht nach den Bedürfnissen oder Traditionen der Pygmäen respektive
ihrer sozialen Beziehungen untereinander sowie zur Außenwelt ausgerichtet. Die
Organisation und Planung dieser Programme ist so unzureichend, dass viele der
Pygmäen nach Ende der Schenkungen und, wenn die Zeit zum Honigsammeln
beginnt, wieder in die Wald und somit in ihre gewohnte Umgebung und ihr
gewohntes Leben zurückkehren.
Es gibt auch Pygmäen, die freiwillig sesshaft geworden sind und in den Dörfern in
der Nähe des Waldes leben und Felder bebauen. Sie haben ihren ursprünglichen
und traditionellen Lebensstil allerdings nicht ganz aufgegeben, sondern verbringen
einen Teil des Jahres im Wald und sind auch von Produkten aus dem Regenwald
abhängig. Die sesshaften Pygmäen, die dem Ackerbau nachgehen, unterstützen in
sehr vielen Fällen ihre Stämme, die nach wie vor in den Wäldern wohnen, was die
große Solidarität und Verbundenheit der Pygmäen untereinander widerspiegelt. Der
Anteil der Bauern unter den Pygmäen ist allerdings nach wie vor sehr gering.500
499
500
Vgl. Lewis, S.10f.
Vgl. Dembner.
191
7.10. Alltagsleben und Traditionen einer Pygmäengesellschaft
7.10.1.Alltag
Ein typischer Tagesablauf in einem Pygmäendorf beginnt um 5.30 Uhr, wenn das
Dorfoberhaupt aufsteht und mit der Glut des Vorabends das Feuer in der
Gemeinschaftshütte (Barca) anzündet. Mit diesem Feuer werden dann die
Feuerstellen in den Hütten angezündet. Anschließend wandert das Dorfoberhaupt
durch das Dorf und verteilt moralische Ratschläge und etwaige Aufgaben für den Tag
an die Dorfbewohner, die sich noch in ihren Hütten befinden. Nachdem alle
aufgestanden sind, wird, sofern welche übrig sind, mit den Essensresten des
Vorabends gefrühstückt. Anschließend gehen die Dorfbewohner ihren jeweiligen
Tagesaufgaben nach. Die Frauen sammeln Früchte und andere Dinge im Wald,
während die Männer jagen, fischen oder ihre Felder bebauen501. Sollten die
Dorfbewohner keiner dieser Tätigkeiten nachgehen, können sie auch die
vorgeschlagenen Aufgaben des Dorfoberhauptes erfüllen. Schließlich gibt es noch
eine Gruppe, die das Dorf nicht verlässt und Netze flickt oder andere Sachen
repariert bzw. neue Waffen herstellt. Die täglichen Arbeiten nehmen ungefähr zwei
bis
drei
Stunden
in
Anspruch.
Anschließend
besteht
der
Alltag
aus
Gemeinschaftstätigkeiten. Die Frauen kochen und bereiten sich auf den abendlichen
Tanz vor, indem sie sich mit Farben bemalen. Die Männer spielen mit den Kindern
oder erzählen von ihren Jagderlebnissen oder von den Ereignissen im Dorf – dabei
werden auch die Geschehnisse im Bantu-Dorf besprochen.
Im Laufe des Tages essen die Dorfbewohner manchmal Kleinigkeiten in Form einer
Banane, denn die einzige richtige Mahlzeit ist am Abend nach Sonnenuntergand
zwischen 18 und 19 Uhr. Nach dem Essen wird getanzt und gesungen und vor der
Barca zusammen gesessen und Unterhaltungen geführt. Viele dieser Tänze dienen
nicht nur zur Unterhaltung, sondern werden auch bei Ritualen aufgeführt.502
501
Viele Pygmäen haben in den letzten Jahren ihren Lebensstil geändert und betreiben Landwirtschaft. Siehe
dazu auch im Kapitel Wirtschaft. (Anm. d. Autors)
502
Vgl. Mazzucato.
192
7.10.2. Nomadentum
Grundsätzlich wird in Nomaden und Halbnomaden unterschieden. Herumziehende
Nomaden haben keinen fixen Platz an dem sie siedeln. Auch wenn ein geringer Teil
konstant sesshaft geworden ist, leben die Pygmäen traditionell als Halb-Nomaden.503
Sie folgen den Tieren und wechseln ihre Lager immer wieder. Dabei wird darauf
geachtet, dass die Lager in der Nähe der Peripherie sind, um mit den Bantu Handel
betreiben zu können.504 Die Pygmäen wechseln ihre Lager innerhalb eines Gebietes,
das
das
jeweilige
Dorf
beaufsichtigt
und
in
dem
ausschließlich
diese
Dorfgemeinschaft das Recht hat zu jagen. Dabei werden manche Lager für eine
bestimmte Zeit unbewohnt zurückgelassen, aber die Pygmäen kehren nach der
Jagd, die meist den Grund für den Wechsel des Lagers darstellt, wieder dorthin
zurück. Die Pygmäen verlassen dieses Gebiet nie freiwillig. Neben der erzwungen
Vertreibung können nur die Eroberung durch ein anderes Volk oder eine
Naturkatastrophe einen Grund für einen Wechsel des Gebietes darstellen.505 Ein
weiterer Grund, warum das Dorf oder Jagdlager aufgegeben wird ist der Tod eines
Dorfmitglieds.506
7.10.3. Religion
Die Pygmäen haben keine Religion, wie sie im herkömmlichen Sinn verstanden wird.
Es gibt keine Priester oder religiösen Kultstätten. Vielmehr sehen die Pygmäen Gott
als allzeit anwesende Kraft und Gesamtheit. Gott drückt sich für sie darin aus, dass
sie in Einklang mit dem Regenwald leben, und dieser ihnen alle Dinge, die sie zum
(Über-)Leben brauchen liefert.507 Man findet in der Religion und Gottesansicht der
Pygmäen auch einen Teil des Glaubens manch anderer afrikanischer Stämme
wieder. Diese sehen auch den wichtigsten Gott Muungu als denjenigen an, der für
die Natur und den Regenwald im Speziellen verantwortlich ist. Aus diesem Grund
bedanken sich die Pygmäen bei erfolgreicher Jagd neben den Ahnen auch bei
Muungu.508
503
Vgl. Mazzucato.
Vgl. The Mbuti of ZAIRE.
505
Vgl. Mazzucato.
506
Vgl. Lewis, S.9.
507
Vgl. Mazzucato.
508
Vgl. Efe and Mbuti, World Cultures.
504
193
7.10.4. Rituale
In der Kultur der Pygmäen spielen Tanz und Gesang eine zentrale Rolle. Es werden
verschiedene Riten ausgeführt, die einen bestimmten religiösen Charakter haben,
aber keinem speziellen Ablauf folgen. An einem beliebigen Ort, der von der
Gemeinschaft ausgewählt wird, wird von einem Dorfbewohner das Ritual geleitet. So
kann etwa um ein Feuer, das am Fuße eines Baumes entzündet wurde, gebetet
werden. Dabei handelt sich um einen beliebigen Baum und das Feuer muss auch
nicht auf bestimmte Weise entfacht werden. Die Gebete sind beliebige Formeln,
keine fixen Verse und richten sich an Gott und die Ahnen. Eine beliebige Person
kann diese Gebete sprechen bzw. das Beten leiten. Dies kann das Dorfoberhaupt
oder der Älteste des Dorfes, der Jagdführer oder ein anderes Mitglied der
Gemeinschaft, das Lust dazu hat. Es werden bei bestimmten Ritualen – wie vor der
Jagd – auch Steine verwendet. Die Steine sind aber nur in dieser Situation heilige
Gegenstände und werden nach dem Ritual liegen gelassen. Auch andere
Gegenstände wie Wasser, Äste etc. sind bei jedem Ritual neu und werden ersetzt.509
Neben der Stärkung der Gemeinschaft wird vor allem zu bestimmten Anlässen ein
Ritual durchgeführt. Dazu gehören unter anderem das Erwachsenwerden der
Mädchen und das Anjo, ein Ritual, mit dem das Wetter beeinflusst werden soll und
man Stürme oder starke Regenfälle bis nach der Jagd hinauszögern will.510
Einer dieser Bräuche ist das Nkubi, das Initiationsritual der männlichen Pygmäen.
Durch diesen Ritus wird der Pygmäenjunge zum richtigen Mann. Dabei werden die
neun bis elf-jährigen Jungen beschnitten und in den Wald gebracht. Erst nach einer
gewissen Zeit werden sie wieder vollständig in die Gesellschaft integriert. Auch
Mädchen haben ein ähnliches Ritual, bei dem sie jedoch nicht in den Wald gebracht
werden, sondern vom gesamten.511
Sobald bei den Mädchen die Menstruation einsetzt, wird von der Gemeinschaft ein
Tanz organisiert, bei dem sich Mädchen und Jungen vor den Augen der
Gemeinschaft gegenseitig umgarnen. Zusätzlich bekommen die Mädchen eine
509
Vgl. Mazzucato.
Vgl. Efe and Mbuti, World Cultures.
511
Vgl. Bideri, Clemence, Gergum, Hans Petter (2004). The Pygmies of the Great Lakes. An assessment of the
Batwa/Bambuti Situation in Burundi and Eastern part of the Democratic Republic of Congo and Batwa/Bambuti
Organisations in Bukavu (DRC) and Bujumbura (Burundi), Norwegian Church Aid Occasional Paper Series No
02/2004, S.13f
510
194
Tätowierung auf die Brust, zum Zeichen, dass sie geschlechtsreif und heiratsfähig
sind.512
Viele der Aktivitäten werden von beiden Geschlechtern ausgeführt, wodurch eine
gegenseitige Akzeptanz und Toleranz essentiell ist. Um spielerisch mit dem anderen
Geschlecht umgehen zu lernen haben die Pygmäen ein Spiel, das sehr stark dem
normalen Seilziehen ähnelt. Dabei stellen sich die Männer und Jungen auf der einen
und die Frauen und Mädchen auf der anderen Seite auf. Sie beginnen zu ziehen.
Wenn die Seite der Männer beginnt zu gewinnen, verlässt ein Mann/Junge seine
Seite und wechselt auf die Seite der Frauen. Er beginnt dabei durch eine imitierte
Frauenstimme die Frauen zu motivieren und anzustacheln. Sobald die Frauenseite
zu dominieren beginnt, wechselt eine Frau oder ein Mädchen auf die Seite der
Männer und spornt diese durch eine imitierte Bassstimme an, stärker zu ziehen. Das
Spiel setzt sich so fort und endet meist in einem gemeinschaftlichen Gelächter.513
Die Pygmäen respektive die Bambuti sehen ihren Wald als heiligen Ort an, und sie
ehren und bewundern diese Schöpfung. Sie sehen ihn als Platz des Friedens und
sind bei jeder kleinsten Störung gewarnt. Wenn etwa während der Nacht etwas im
Dorf passiert, dann glauben die Bambuti, dass der Grund für dieses schlechte
Ereignis die Nachtruhe des Waldes ist. Aus diesem Grund versuchen sie ihn mit
ihren Gesängen zu wecken.514 Für diesen Anlass gibt es ein spezielles Ritual, das
gleichzeitig das wichtigste der Pygmäen ist. Dieses Ritual ist das Molimo. Der Name
bezeichnet einerseits den Brauch an sich und andererseits die Trompete, die dafür
verwendet wird. Die Trompete wird aus Holz angefertigt und wird zwischen den
Gebräuchen in einem Baum aufbewahrt. Das Interessante daran ist, dass trotz aller
Gleichberechtigung innerhalb der Gesellschaft der Pygmäen, dieses Ritual
ausschließlich den Männern und Jungen vorbehalten ist. Am Beginn des Tages, an
dem das Ritual stattfinden soll, wird aus allen Hütten des Dorfes Feuerholz und
Speisen gesammelt. Dies soll die Einigkeit und den Zusammenhalt innerhalb des
Dorfes darstellen. Am Abend entzünden die Männer in der Dorfmitte ein Feuer und
beginnen zu tanzen und zu singen. Die Frauen und Mädchen müssen in ihren Hütten
bleiben und die Türen verschlossen halten. Zu einem gewissen Zeitpunkt während
des Singens und Tanzens verlassen die jungen Männer das Feuer und gehen in den
Wald, um die Molino zu holen. Auf dem Weg zurück stoppen sie immer wieder, um
die Molino in Wasser zu tauchen, sie mit Blättern und Schmutz zu reiben, als
512
Vgl. Mazzucato.
Vgl. Peaceful Societies (2007).
514
Vgl. Peaceful Societies (2007).
513
195
Symbole für alle vier Elemente. Wenn der Gesang am intensivsten ist, zieht die
Jugend in das Dorf und unterstützt mit dem Gesang der Molino die anderen
Dorfbewohner. Das Ritual kann einen bis zu vier Tage dauern.515
7.10.5. Bildung
Grundsätzlich lernen die Kinder der Pygmäen die notwendigen Dinge zum
Überleben. Sie sind in die Tätigkeiten des Alltags eingegliedert und lernen von klein
auf das Leben mit und vom Wald. In Pygmäendörfern gibt es keine Schulen. Diese
sind meist in den benachbarten Bantu-Dörfern und meistens viel zu teuer für die
Pygmäen. Vielen der Pygmäen ist es auch nicht möglich, ihre Kinder in die Schule zu
schicken. Einerseits aufgrund auf der zu hohen Kosten, andererseits tragen durch
die heutige Situation die Kinder meist einen Beitrag zum Lebensunterhalt der Familie
bei, da die Eltern nicht auf die Kinder als Einkommensquelle verzichten können. Die
meisten der Pygmäen sind Analphabeten, und es gibt nur wenige Pygmäen die eine
höhere Bildung als zwei Jahre Grundschule haben. Der Prozentsatz jener, die eine
mittlere Bildung abgeschlossen haben, liegt bei 0.5 Prozent der Bevölkerung516.517
7.10.6. Medizin
Die Pygmäen haben bei ihrer Geburt eine durchschnittliche Lebenserwartung von 16
Jahren. Grund dafür sind die vielen infektiösen Krankheiten, mit denen die Pygmäen
zu kämpfen haben. Es gibt kaum Pygmäen, die älter als 60 Jahre werden, aber
wichtig ist, hier zu erwähnen, dass viele dieser Altersangaben auf Schätzungen
basieren, da Alter, gemessen in Jahren, für die Pygmäen keine Rolle spielt. In Afrika
und
in
der
DRC
ist
der
Zugang
zum
Gesundheitssystem
bzw.
eine
Gesundheitsversorgung sehr schlecht. Die Pygmäen haben keinen Zugang zu
solchen Einrichtungen. Sie pflegen ihre Kranken und Alten in den Dörfern mithilfe der
traditionellen Medizin.518
515
Vgl. The Mbuti of ZAIRE.
Diese Zahl stützt sich auf die Batwa-Pygmäen. Von der gesamten Pygmäenbevölkerung gibt es keine
genauen Statistiken. (Anm. d. Autors)
517
Vgl. Lewis, S.15.
518
Vgl. The Great Human Diasporas, http://www.mc.maricopa.edu/dept/d10/asb/anthro2003/lifeways/diasporas/.
516
196
Viele der infektiösen Krankheiten, die die Pygmäen bedrohen, wurden von
Europäern ins Land gebracht und werden von den Bantu auf die Pygmäen
übertragen. In einer typischen Pygmäengemeinschaft sind 20 Prozent der Menschen
krank. Die am weitesten verbreiteten Krankheiten sind Malaria, Augeninfektionen,
Wurminfektionen, Framboesia519, Lungenentzündungen, Tetanus und andere virile
Erkrankungen. Zudem wird auch HIV/AIDS zu einer zunehmenden Bedrohung für die
Pygmäen. Die meisten Pygmäen sind Analphabeten und sind sich der Gefahr durch
das HI-Virus nicht bewusst bzw. denken, sie könnten davon nicht betroffen werden.
Auch sexuelle Übergriffe durch die Armee und Rebellengruppen verbreiten das Virus
immer schneller innerhalb der Pygmäengruppen. Die medizinische Versorgung ist
sehr limitiert bis nicht vorhanden. 520
7.10.7. Kleidung und Äußeres
Die Pygmäen tragen traditionell Kleidung um ihre Hüften, der Rest des Körpers ist
nicht bekleidet. Diese Kleidungsstücke, die von Männern hergestellt werden,
bestehen aus der inneren Rinde der Kletterpflanze. Der Herstellungsprozess beginnt
nach dem Sammeln der Rinde mit dem Stampfen dieser. Anschließend wird das
Material nass gemacht und so lange bearbeitet, bis es weich ist und als
Lendenschurz verwendet werden kann. Allerdings ist auch bei den Pygmäen
vermehrt der westliche Einfluss zu beobachten, da andere Textilien in zunehmendem
Maße verwendet werden.
Status und Aussehen der Pygmäen werden durch Narben in Gesicht und Körper
gehoben. Frauen tragen teilweise Perlenhalsbänder. Ebenso werden von beiden
Geschlechtern die Zähne geschliffen, um ihr Auftreten zu verbessern.521
519
Das sind himbeerartige Wucherungen auf der Haut. (Anm. d. Autors)
Vgl. lmm/re/kr/he (2007). Central Africa: HIV/AIDS a threat to the indigenous forest communities, IRIN, 15.Mai
2007, http://www.irinnews.org/Report.aspx?ReportId=72155.
521
Vgl. Efe and Mbuti, World Cultures.
520
197
8. Probleme der Pygmäen
In den vergangenen Kapiteln wurden bereits einige der großen Probleme, mit denen
die Pygmäen heute zu kämpfen haben angeführt und erwähnt. Diese sind jedoch nur
ein Teil der langen Liste an Schwierigkeiten, Bedrohungen und Diskriminierungen,
mit denen die Pygmäen in Zentralafrika und respektive der DRC zu kämpfen haben.
Diese Probleme sind ausschließlich durch Einfluss von außen entstanden und haben
neben der schwierigen Position der Pygmäen zur Außenwelt auch die innere
Zerrüttung und Unsicherheit der Bevölkerung zur Folge. In der Folge wird versucht,
diese Bedrohungen für die Kultur und das Volk der Pygmäen darzustellen und zu
beschreiben. Dabei wird auch teilweise die Situation der Pygmäen in anderen
Ländern miteinbezogen. Dies dient einerseits dazu, einen Vergleich zwischen den
unterschiedlichen Pygmäenstämmen und andererseits zwischen Pygmäen vom
gleichen Stamm in unterschiedlichen Ländern darzustellen. Zudem soll ein möglichst
komplettes Bild der Situation der Pygmäen in Zentralafrika gegeben werden, und da
fast alle Stämme mit den gleichen Bedrohungen kämpfen, wird von den Pygmäen als
Gesamtheit gesprochen. Der Fokus liegt allerdings auf den Gruppen in der DRC, und
es wird speziell erwähnt, wenn Gruppen bzw. Stämme aus anderen Ländern
miteinbezogen werden.
Die Pygmäen haben in der heutigen Zeit mit mehreren großen Problemen zu
kämpfen. Grundsätzlich ist das größte Problem die Diskriminierung. Diese entsteht
durch Vorurteile, Ausgrenzung und Verweigerung jeglicher Rechte. Zudem kommt
der Verlust des Lebensraumes, der für die Lebensweise der Pygmäen essentiell ist.
Entweder werden sie aufgrund der Errichtung von Nationalparks und Reservaten
vertrieben, oder der Wald wird abgeholzt und ausverkauft. Diese Gründe führen
schließlich zu Problemen innerhalb der Pygmäengesellschaft. Neben Zerrüttung der
Gemeinschaften, kommt es zum Verlust der Identität der Pygmäen.
8.1. Verweigerung der Rechte
Durch die ACHPR, die auch die Demokratische Republik Kongo anerkannt hat,
sollen jegliche Minderheiten das Recht haben gleich behandelt zu werden. Das
Problem im Fall der Pygmäen ist, dass – bevor man sie schützen bzw. gegen
198
Verletzungen ihrer Rechte vorgehen kann – zu definieren ist, welchen Status das
Volk der Pygmäen ist bzw. ob sie als Minderheit oder Eingeborenenvolk von der
jeweiligen Gesetzgebung geschützt werden. Im Fall der Pygmäen ist diese
Einstufung sehr schwierig. Einerseits sind viele Stämme der Pygmäen in ihren
Ländern nicht als offizielle Bürger anerkannt, andererseits wird zwar in einigen
Ländern von Rechten für Pygmäen gesprochen, diese in Praxis allerdings nicht
angewandt bzw. eingehalten.522
8.1.1. Recht auf Gleichberechtigung bzw. Anerkennung vor dem Gesetz
Während für den Großteil der Pygmäen in den letzten Jahren keine Verbesserung
ihrer Situation bzw. ihrer Rechte festgestellt werden konnte, gibt es doch Länder, in
denen die Pygmäen anerkannt sind und ihnen die gleichen Rechte wie den anderen
Staatsbürgern zugestanden werden. In Kamerun etwa ist dies der Fall, aber das
Problem der Pygmäen ist, dass sie diese Rechte erst in Anspruch nehmen können,
wenn sie im Besitz eines nationalen Personalausweises sind. Um diesen zu
bekommen, müssen sie im Besitz einer Geburtsurkunde sein, was für viele Pygmäen
allerdings unmöglich ist, da sie zu sehr weit entfernten Verwaltungsbüros reisen
müssten, wofür sie weder die Möglichkeiten noch die Zeit haben.523
Zusätzlich sind die Daten über die Pygmäen meist sehr ungenau bzw. nicht
vorhanden, da sie in den Wäldern leben und schwer zu registrieren sind, selbst
selten Kontakt zu administrativen Einrichtungen haben und keine Bemühungen
seitens der Verwaltung unternommen werden, dies zu ändern. Die Kinder der
Pygmäen befinden sich bereits von ihrer Geburt an in einer schwierigen Lage, da sie
nicht als Staatsbürger des Landes respektive der DRC geboren werden sondern
staatenlos sind. Die Situation ist auch für erwachsene Pygmäen diffizil. Ihnen wird
die Freiheit, sich zu organisieren oder umzusiedeln untersagt. Die Eigentümer der
Länder, auf denen sie siedeln, zwingen sie zur Arbeit oder anderen Leistungen.
Ohne die nötigen Personalausweise sind die Pygmäen wie ein staatenloses Volk
innerhalb eines Staates.524 Refugees International beschreibt die Situation in der
DRC folgendermaßen.
522
Vgl. IRIN In-Depth Report (2006).
Vgl. IRIN In-Depth Report (2006).
524
Vgl. Lewis, S.14.
523
199
„While other citizens are issued birth certificates and identity cards free of charge, Batwa
must undergo an involved bureaucratic process. Without these cards, it is difficult do
enrol in schools and receive government-funded health care, which are otherwise
guaranteed to other vulnerable people in the country.”525
Neben den genannten Rechten und Möglichkeiten, die man in der DRC als
Staatsbürger hat, eröffnet ein Personalausweis auch das Recht Land zu erwerben
bzw. zu besitzen. Die Probleme der Landrechte der Pygmäen werden an anderer
Stelle noch ausführlicher behandelt.526
8.1.2. Das Recht zu Jagen und Sammeln
Die Pygmäen sind traditionell Jäger und Sammler. Trotzdem in den meisten
Konventionen,
die
sich
mit
den
Rechten
von
Minderheiten
oder
Eingeborenenstämmen beschäftigen und für das Recht eben dieser Gruppen auf
freie Ausübung ihrer Kultur eintreten, gibt es teilweise Diskrepanzen mit der
normalen Gesetzgebung. In den meisten Ländern und Gebieten ist es generell
verboten zu jagen und zu sammeln. Im Vergleich zu anderen ethnischen Gruppen,
denen die Jagd ebenfalls verboten ist, trifft dieses Verbot die Pygmäen, die ihren
Lebensraum im Wald haben ungleich härter. Das Verbot ihre traditionelle Jagd
auszuüben ist eine Bedrohung für den Lebensstil der Pygmäen, da ihre Kultur Jagen
und Sammeln als zentralen Inhalt hat und zum Überleben vorsieht.527
8.1.3. Das Recht auf die gleiche juristische Behandlung
Auch hinsichtlich dieses Rechts wird die ACHPR nicht eingehalten bzw. respektiert.
Die Pygmäen haben in gerichtlichen Verfahren oft eine sehr geringe bis keine
Chance auf einen positiven Rechtsbescheid für sich. Vielen der Pygmäen, wenn sie
gegen benachbarte Bantu vor Gericht ziehen wollen würden, fehlen die
entscheidenden Mittel und sehr oft auch die Courage. Zudem gibt es viele Berichte
von Pygmäen, wonach sie die Unterstützung eines Nicht-Pygmäen bräuchten, bevor
525
Zitat Refugees International, in: IRIN In-Depth Report (2006).
Vgl. IRIN In-Depth Report (2006).
527
Vgl. Lewis, S.14.
526
200
ihr Anliegen Gehör fände bzw. etwas dagegen getan würde. Es gibt auch Berichte,
denen zu Folge die Richter sich mit den Bantu zusammenschlossen, um Land von
den Pygmäen zu gewinnen oder ernste Menschenrechtsverletzungen zu vertuschen.
Als häufigster Grund für eine ungleiche Behandlung der Pygmäen von der Justiz wird
der nicht-offizielle Status als Staatsbürger angeführt. Ohne Personalausweis oder
offizielles Dokument haben die Pygmäen nur sehr selten die Chance auf Gehör in
Rechtsfragen.528
Beispiel:
Im Jahr 1995 wurden vier Batwa verdächtigt, einen der berühmtesten Gorillas des
Khuzi-Biega Nationalpark getötet zu haben. Seitens der Behörden des Nationalparks
wollte man ein Exempel statuieren, um sicher zu stellen, dass keine Pygmäen mehr
innerhalb des Parks jagen würde. Man inhaftierte die vier Verdächtigen und sie
warteten in der Untersuchungshaft elf Monate, bevor es zu einer Verhandlung kam.
Während dieser Zeit waren sie immer wieder Folterungen und Schlägen ausgesetzt.
Ihr Anwalt beschrieb ihren Zustand wie folgt:
„The sight was horrific, resembling a concentration camp. All the inmates looked
unhealthy and hungry. The author his four clients outside but they seemed to have lost
their power of speech. A green substance was growing on their skin. One of them was
suffering from a seriously infected wound. A few days later … one of them had
recovered his speech and recounted that they had been severely tortured to make them
confess, and that they were unable to get food because many prisoners did not want to
share food with them, on the grounds that they were Pygmies, dirty and uncivilized. In
addition even their families were denied to visits.”529
Während der Verhandlung waren die Pygmäen nicht in der Lage ihre Verteidigung
sehr gut zu organisieren und ihr Recht auf einen Rechtsbeistand wurde nicht
beachtet. Auch von Seiten des Richters wurden keine Bemühungen unternommen,
dieses Recht zu sichern. Schließlich konnte der Staatsanwalt jedoch keine Schuld
nachweisen und die vier Pygmäen wurden entlassen.530
528
Vgl. Lewis, S.14.
Zitat Barume, in: Lewis, S.21f.
530
Vgl. Lewis, S.21f.
529
201
8.1.4. Recht auf medizinische Versorgung
Traditionell leben die Pygmäen in Einklang mit dem Wald und suchen in allen
möglichen Lebenssituationen Schutz im Wald. Der Regenwald stellt auch einen
zentralen Faktor in der Medizin der Pygmäen dar, da sie sich größtenteils auf
traditionelle Heilungsmethoden stützen. Dafür sind drei Gründe zu identifizieren.
Erstens sind die Pygmäen bekannt für ihr Wissen und die Verwendung der Kräuter
und anderer Substanzen des Waldes zur Heilung von Krankheiten. Die traditionellen
Rezepte heilen zwar die meisten aber nicht alle Krankheiten. Für die Erkrankungen,
für die die Pygmäen kein Heilmittel haben, müssten sie moderne Ärzte aufsuchen,
allerdings ist der Zugang zu moderner medizinischer Versorgung extrem schwierig
bzw. beinahe unmöglich für die Pygmäen.
Zweitens haben, wie schon erwähnt, die Pygmäen kaum offizielle Dokumente oder
finanzielle Mittel. Zu diesen offiziellen Dokumenten zählt auch ein Gesundheitspass,
der notwendig ist, um Zugang zu den Kliniken zu bekommen. Wenn den Pygmäen
dies gelingt, haben sie meistens nicht die finanziellen Mittel, um Ärzte bzw.
Untersuchungen zu bezahlen. Nachdem die traditionellen Mediziner sehr oft
Naturalien oder Dienstleistungen als Bezahlung akzeptieren, ziehen die Pygmäen
deren Dienste vor. Außerdem sind die Pygmäen in den Ländern, in denen ihnen
aufgrund ihres Status Zugang zu freien medizinischen Leistungen vom Gesetz her
zustehen würde, oft nicht ausreichend bzw. gar nicht über ihre Rechte informiert bzw.
aufgeklärt.
Der dritte Grund, weshalb die Pygmäen weiterhin auf traditionelle Medizin setzen ist
die Tatsache, dass sie auch in diesem Bereich Opfer von Diskriminierungen sind. In
vielen medizinischen Projekten, werden sie nicht berücksichtigt. Grund dafür ist sehr
oft die schwer zu erreichende Gegend, in der die Pygmäen leben. Pygmäen, denen
es gelang, genug Geld aufzutreiben, um eine Behandlung bezahlen zu können,
berichteten oft von Gewalttätigkeiten und Erniedrigungen gegen sie. Vielen wurde
nicht gestattet, sich in den Warteräumen aufzuhalten wie die anderen Patienten.
Aber auch seitens des medizinischen Personal wurden, Berichten zufolge,
Diskriminierungen gegenüber den Pygmäen offensichtlich. So wurden sie erst an die
Reihe genommen, nachdem alle anderen behandelt wurden oder sie wurden
weggeschickt, wenn sie nicht zur vereinbarten Zeit kamen.531
531
Vgl. Lewis, S.15.
202
8.1.5. Das Recht auf Bildung und Arbeit
Viele Pygmäen haben keine Bildung. Wenige besuchten oder besuchen zumindest
einige Zeit die Grundschule und ganz wenige Ausnahmen haben eine volle
Schulbildung. Grund dafür ist, dass die Pygmäen sich oftmals die Schule nicht leisten
können. Dies hat verschiedene Ursachen; so werden die Jahreszeiten abhängigen
Aktivitäten nicht berücksichtigt – auch wenn es sich um spezielle Schulen für
Pygmäen handelt. Ebenso sind die finanziellen Mittel meist nicht ausreichend,
wodurch die Kinder oftmals nicht länger als ein bis zwei Jahre die Grundschule
besuchen können. Die Eltern müssen auch in vielen Fällen die Kirche besuchen,
damit ihre Kinder in der Schule aufgenommen werden, die von der Kirche erhalten
wird. Dies stellt auch einen kleinen Vorteil für die Kinder dar, da sie in diesen
Schulen in der Regel weniger Erniedrigungen ertragen müssen. Ein weiterer Grund
für die geringe Bildung der Pygmäen ist die Tatsache, dass viele der Kinder von
ihren Eltern zum Betteln in die Dörfer geschickt werden, und die Familien nicht auf
dieses zusätzliche – oft sogar einzige – Einkommen verzichten wollen bzw. können.
Diejenigen Batwa, die genug finanzielle Mittel haben, um in die Schule zu gehen,
werden dort erniedrigt und schlecht behandelt. Dies geht einerseits von den
Mitschülern aus, die das Essen der Batwa auf Verbotenes untersuchen oder nicht mit
ihnen
auf
einer
Diskriminierungen
Bank
von
sitzen
Seiten
wollen.
der
Andererseits
Lehrer,
indem
kommt
sie
es
auch
Provokationen
zu
und
Erniedrigungen durch andere Kinder nicht ahnden bzw. verhindern, weil sie
möglicherweise selbst Antipathie gegen die Pygmäen-Kinder hegen.532
Die Pygmäen, die in den Genuss von höherer Bildung kamen, erfahren
Diskriminierung am Arbeitsmarkt, indem ihnen deutlich vor Augen geführt wird, dass
die Bildung nicht primär ist. In der Regel werden sie abgewiesen, wenn sie sich für
Arbeitsplätze bewerben, für die sich auch Mitglieder anderer ethnischer Gruppen
interessieren. Pygmäen bekommen generell selten normal und regelmäßig bezahlte
Arbeiten, da sie vielfach gegenüber anderen Mitarbeitern benachteiligt werden und
ihnen ihr Lohn/Gehalt nicht rechtzeitig und nicht in vollen Bezügen ausbezahlt wird.
Zudem kommt es auch am Arbeitsplatz zu Diskriminierung sozialer und beruflicher
Art. Durch die schlechte Situation der Pygmäen am Arbeitsplatz wird das Vorurteil
der unintelligenten Pygmäen gestärkt.533
532
533
Vgl. Lewis, S.15.
Vgl. Lewis, S.15.
203
8.1.5. Das Recht zur Selbstbestimmung
In Art. 22 der ACHPR wird festgestellt, dass jedes Volk das Recht auf
Selbstbestimmung und Bestimmung über die eigene Zukunft haben soll bzw. muss.
Dies trifft auf die Pygmäen mehrerer Hinsicht nicht zu. Die Entwicklungspolitik und
Planungen bezüglich der Pygmäen achten, respektieren und beziehen ihre
traditionellen Werte überhaupt nicht mit ein. Die Lebensweise der Pygmäen wird oft
von Außenstehenden falsch eingeschätzt und analysiert wird. So wird ihre Tradition,
als Jäger und Sammler zu leben, als rückständige Entwicklung angesehen, wobei es
allerdings Untersuchungen gibt, wonach die Pygmäen eine bessere Ernährung
haben als die meisten anderen ethnischen Gruppen. Die Modernisierung der
Methoden der Jagd bzw. der Waffen zur Jagd für die Pygmäen wird von Seiten der
Behörden gezielt verhindert, indem man sie keine Schusswaffen erwerben lässt und
sie generell an der Jagd hindert, und auch wenn sie jagen könnten, dürften sie ihre
Fleisch nicht verkaufen. Es werden immer wieder Projekte geplant, die den Pygmäen
neue Erwerbstätigkeiten bzw. andere Lebensstile eröffnen sollen. Allerdings wird
dabei nicht auf die Bedürfnisse der Pygmäen eingegangen bzw. diese werden nie in
die Planung miteinbezogen. In vielen Fällen verschieben sich die Abhängigkeiten der
Pygmäen in Richtung einer Institution, und diese Projekte haben schwere
Auswirkungen auf die Gemeinschaft der Pygmäen, da es zur Spaltung in progressive
und traditionelle Gruppen von Pygmäen kommen kann. Projekte, die Pygmäen durch
Schenkungen zur Landwirtschaft bringen wollten, lösten Konflikte mit den
benachbarten Bauern aus. Viele waren eifersüchtig und sahen die Pygmäen als
Konkurrenten um die ohnehin geringe Ernte. In vielen Dörfern führte dies dazu, dass
Einwohner die Projekte für die Pygmäen zu sabotieren versuchten. Sie setzten
Behörden unter Druck, um die Kontrolle über die Vergabe der Ressourcen für die
unterschiedlichen Projekte zu erlangen und so die Pygmäen benachteiligen zu
können. Die Pygmäen, die durch diese Projekte Erfolg haben und ihre Situation
stabilisieren können, werden zur Zielscheibe für verbale und physische Attacken. In
vielen Fällen wird ihnen Land gestohlen, was teilweise sogar mit dem Wissen der
lokalen Behörden geschieht. Die Situation der Pygmäen wird allerdings in vielen
Fällen auch missbraucht. Es werden Projektpläne aufgestellt und die Förderungen
werden in vielen Fällen veruntreut, wodurch die Pygmäen vielfach sehr misstrauisch
diversen Projektplänen gegenüberstehen. Durch diverse Initiativen seitens der
Pygmäen gibt es auch geringe Erfolge für Projekte, die sich individuell auf die
204
Situation der Pygmäen einstellen. Allerdings wird bei diesen Projekten auf akute
Probleme reagiert, wogegen die Langzeitstrategien und die Interessen der Pygmäen
größtenteils außer Acht gelassen werden. Es gibt kaum Strategien, die eine
Verbesserung und Akzeptanz als Staatsbürger zum Inhalt haben bzw. fördern.534
8.1.6. Die Verweigerung der Landrechte
Die Basis für die Lebensweise der Pygmäen ist der Wald bzw. das Land auf dem sie
leben. Der Boden und die Gegend, in der die Wälder der Pygmäen liegen bieten
einen sehr guten Nährboden für Ackerbau und Weideland. Diese Möglichkeiten
führten auch dazu, dass vor etwa 500 Jahren Bantu die Gegend rund um den
äquatorialen Regenwald zu besiedeln begannen. Diese Siedler begannen den
Regenwald abzuholzen und das Land in Weide- und Ackerland umzuwandeln. Durch
diese Entwicklung verloren die Pygmäen zusehends ihre Landanteile und waren
teilweise sogar gezwungen, ihren Lebensstil zu ändern und andere Berufe
anzunehmen.535
Die Pygmäen sehen sich, den Besitz von Land betreffend, mehreren Problemen
gegenüber. Eines ist die Anerkennung der traditionellen Rechte an der jeweiligen
Fläche Land. Die meisten afrikanischen Länder haben das System der Eintragung in
ein Grundbuch und bestimmten Bezeichnungen und Aufzeichnungen über die
Eigentümer von Ländereien von den westlichen Ländern – primär durch die
Kolonisierung – übernommen. Dadurch wird das traditionelle Besitztum der Pygmäen
bzw. die Weitergabe des Landes von Generationen zu Generationen ignoriert. Die
Pygmäen sind mit der Fläche Land, auf der sie siedeln, sehr eng verbunden, und
jeder Stamm hat sein eigenes Territorium, das von anderen Clans respektiert wird.
Zwar kann man sich frei auf dem Land des anderen Dorfes bewegen, allerdings hat
nur diese Gemeinschaft das Recht dort zu jagen und zu sammeln. Pygmäen
verlassen ihr Territorium auch sehr selten, weil sie mit den dort verfügbaren
Ressourcen sehr vertraut sind und aus diesem Grund eine ideale Lebensgrundlage
vorfinden. Augrund der gemeinsamen Verwaltung bzw. des gemeinsamen Besitzes
des Landes durch die Pygmäen geraten sie in Konflikt mit dem Gesetz. In der DRC
wird durch die Rechtslage kein kollektiver Landbesitz anerkannt.
534
535
Vgl. Lewis, S.15f.
Vgl. Jackson, S.3.
205
„Although the vast mjority of people in sub-Saharan Africa hold land under customary
law, their right to do so are almost never recognized under existing national laws.”536
Allerdings gibt es auch in diesem Fall Ausnahmen, denn neben Individuen ist auch
offiziell anerkannten Institutionen der Besitz von Land erlaubt.537
Ein weiteres Problem ist das Verbot der Jagd in den meisten Gebieten im Regenwald
des zentralen Afrikas. Vielfach wird Jagen und Sammeln als eine Verschwendung
fruchtbaren Landes angesehen. Diese Ansicht führt auch zu der Argumentation, dass
die Eigentumsrechte nicht anwendbar sind, wenn das Gebiet zum Jagen und
Sammeln als gesetzeswidrige Tätigkeiten genutzt wird. Dagegen wird es als nutzvoll
angesehen, wenn die Fläche zur Landwirtschaft genutzt wird, und es garantiert nach
allgemeiner Ansicht die exklusive Nutzung bzw. das Eigentumsrecht über diese
Ländereien. Die Flächen werden meist als frei verfügbar eingestuft und Bauern
eignen sich diese Ländereien ohne Rücksicht auf die Situation bzw. die
Besitztumssituation
der
Pygmäen
an.
Durch
die
basisdemokratische
Gesellschaftsordnung der Pygmäen ist eine effiziente Gegenwehr gegen die
Zwangsenteignung sehr oft unmöglich, da sich die Gruppe nur schwer organisieren
lässt.538
Ein zusätzliches Hindernis, das es vielen Pygmäen in der DRC unmöglich macht
Land zu erwerben ist, die bereits erwähnte Notwendigkeit eines Dokuments, das die
Staatsbürgerschaft nachweist. Viele Behörde verweigern den Pygmäen die
notwendigen Dokumente, oder diese haben aufgrund finanzieller oder anderer
Probleme keine Möglichkeit welche zu erwerben. Diese Verweigerung der
Staatsbürgerschaft ist eine Diskriminierung gegenüber den Pygmäen – aber auch
andere ethnische Gruppen sind betroffen – und ihr Recht auf Landerwerb wird ihnen
dadurch verwehrt.539
Grundsätzlich kann man in drei Arten der Enteignung von Pygmäen hinsichtlich ihrer
Ländereien unterscheiden540:
•
Enteignung durch Übergriffe, Einschüchterung und Diebstahl. Wenn Pygmäen
Land besitzen, dann kommt es immer wieder zu Berichten, wonach die
536
Zitat Nelson, John, Forest Peoples Project, in: IRIN, S.9.
Vgl. IRIN, In-Depth Report (2006), S:9.
538
Vgl. Lewis, S.17.
539
Vgl. IRIN, S:9f.
540
Vgl. Lewis, S.17.
537
206
benachbarten Bauern und Landbesitzer deren Grenzen willkürlich auf das
Land der Pygmäen ausdehnen. Diese Erweiterung des eigenen Besitzes geht
oft schleichend voran, kann aber auch in großen Schritten passieren. Diese
widerrechtlichen Aneignungen werden oft von Einschüchterungen und
Bedrohungen begleitet, wodurch die Pygmäen nur selten lokale Behörden
einschalten. Weitere Gründe für seltene Versuche, die Behörden um Hilfe zu
bitten, ist der Zweifel, ein faires Verfahren zu erhalten und die häufige
Verwicklung dieser in die illegale Enteignung der Pygmäen.
•
Enteignung durch den Verkauf des Landes. Viele Pygmäen, die Ländereien
besitzen, leben nach wie vor nach den Traditionen ihrer Kultur, die des Teilen
in Notsituationen als essentiell und Grundlage der Gemeinschaft der Pygmäen
ansehen. Deshalb geben sie auch immer wieder mittel- und obdachlosen
Pygmäen
Unterschlupf
und
teilen
ihre
Nahrung
mit
den
anderen
Stammesmitgliedern. Das führt allerdings in den meisten Fällen dazu, dass
die Nahrungsmittel nicht reichen und sie Hunger leiden müssen. Diese
schwierige Situation der Pygmäen ruft die Nachbarn auf den Plan. Es wird den
Landbesitzern oft angeboten, ihr Land gegen Nahrung abzukaufen. Aufgrund
der schwierigen Situation sind diese oftmals dazu bereit ihr Land zu
verkaufen. In anderen Fällen wird Alkohol dazu eingesetzt, die Pygmäen zum
Verkauf ihres Landes zu bringen, was in vielen Fällen auch dazu führt, dass
die Pygmäen ihr Land für einen extrem geringen Preis verkaufen. Durch diese
Methoden verloren viele der Pygmäen einen Großteil ihres Landbesitzes.
Auch die Regierungen verkaufen teilweise die privaten Ländereien der
Pygmäen, wenn diese nicht mehr in der Lage sind, die Steuern zu zahlen.
•
Vertreibung. Durch die Zusammenarbeit von internationalen Geldgebern,
Regierungen und lokalen Autoritäten, kam es zur Gründung von Nationalparks
und der gleichzeitigen Vertreibung der lokalen Pygmäenbevölkerung.
Auch, wenn die Pygmäen durch Hilfe von NGOs, der Kirche oder durch
Schenkungen durch die Regierung Land erhalten, so sind dies individuelle
Besitztümer. Diese Situation macht die Pygmäen sehr verwundbar für An- bzw.
Übergriffe auf ihr Eigentum durch Nachbarn oder lokale Behörden. Der Verlust ihres
Landes bedeutet für die Pygmäen oft den Absturz in die extreme Armut.541 Viele
541
Vgl. Jackson, S.3.
207
bleiben allerdings in der Nähe ihrer ehemaligen Besitztümer bzw. des Landes ihrer
Vorfahren und leben als Pächter oder Hausverwalter. In vielen Gebieten in der DRC
werden die Pygmäen auch als Sklaven gehalten, da man die Ansicht vertritt, dass die
Pygmäen, die sich auf dem Land befinden auch dem Landbesitzer als Eigentum
zustehen.542
8.2. Exkurs
8.2.1. Der Regenwald in der Demokratischen Republik Kongo
Die DRC hat die drittgrößten Ressourcen an Regenwald weltweit mit einem Achtel
der gesamten Fläche. Die mehr als 125 Millionen Hektar Wald bedecken ungefähr 52
Prozent des Landes und 47 Prozent des gesamten Kongo-Beckens. Die acht
Nationalparks und Reservate, die es in der DRC gibt, umfassen 180.000 km², also
ungefähr 7.7 Prozent des nationalen Regenwaldes. Die DRC hat viele Konventionen
unterzeichnet, die den Schutz der nationalen Naturgebiete bzw. des Regenwaldes
zum Inhalt haben.543
Der Regenwald in der DRC blieb im letzten Jahrzehnt im Vergleich zu dem anderer
Länder Zentralafrikas zu einem sehr großen Teil vor der Abholzung verschont,
obwohl die Konzession einer Fläche von der Größe Großbritanniens an eine HolzGesellschaft aus Zimbabwe und der DRC verkauft und zur Abholzung freigegeben
wurde. Der Grund für diese Verschonung des kongolesischen Regenwaldes liegt zu
einem sehr großen Teil in dem acht Jahre dauernden Bürgerkrieg, der vor allem in
den Waldgebieten des Landes tobte. Dabei spielte Holz als Ressource keine wirklich
große Rolle als Ursache für den Konflikt, aber der Regenwald an sich war ein
zentraler Teil des Krieges. Viele der Firmen, die mit der Abholzung des Regenwaldes
in der DRC beschäftigt waren, zogen ihre Arbeiter zurück, da die Situation zu
gefährlich war. Die Rebellen, Milizen und Armeen nutzten die großen Waldgebiete,
um sich zu verschanzen und ihre Operationen aus den Verstecken zu koordinieren
und zu führen. Außerdem sahen die im Wald stationierten Truppen das Holz des
Waldes auch als Handelsobjekt, um an Waffen zu kommen und nutzten diese
Situation aus. Ein weiterer Grund für die Firmen, sich aus dem Kongo
542
Vgl. IRIN, In-Depth Report (2006), S.10.
Vgl. Barume, Albert Kwokwo (2003). Le nouveau code forestier congolais et les droits des communautés des
forêts. Atelier sur le Processus de Mise en Oeuvre du Code Forestier de la République Démocratique du Congo
et de ses Normes d’Application, Kinshasa, 17-19 novembre 2003, S.3f.
543
208
zurückzuziehen waren die mangelnden Möglichkeiten des Transports des Holzes.
Die
Rebellen
und
andere
bewaffnete
Gruppen
kontrollierten
die
Flüsse,
insbesondere den Kongo, und das Wegesystem, welches in der DRC sehr schlecht
ausgebildet ist.544
Aus dieser Sicht hat der Frieden eine negative Auswirkung auf die Situation des
Regenwaldes in der DRC. Durch die Friedensabkommen wird das Gebiet wieder
sehr interessant für internationale Holzfirmen. Im Laufe der Friedensverhandlungen
haben sich viele der Gesellschaften wieder mit Firmensitzen in Kinshasa
eingerichtet. Kinshasa aus dem Grund, weil es das Zentrum der Holzverarbeitung ist
und fast alle Transporte von Holz in Kinshasa landen. Das Interesse an den
Ressourcen des Regenwaldes war nach dem Krieg so groß, dass es für viele
kleinere Firmen unmöglich war, den Wettbewerb zu bestreiten, da ihnen die
finanziellen
Mittel
fehlten.
Auch
die
Tatsache,
dass
die
Regierung
der
demokratischen Republik zum damaligen Zeitpunkt als eine der korruptesten der
Welt galt, lockte viele große Konzerne an, die auch an der Abholzung der
südamerikanischen Wälder beteiligt waren.545
Der Code Forestier – Gesetzeskodex über den Regenwald – wurde im August 2002
verschiedet. Dieser neue Gesetzesentwurf war nur eine Überarbeitung des Gesetzes
aus dem Jahr 1941, an dem nur einige institutionelle Änderungen und
Überarbeitungen in der Verwaltungsebene vorgenommen wurden. Insgesamt ist der
neue Entwurf allerdings inklusiver und versucht eine allgemeine Beteilung an dem
Thema Regenwald zu erreichen. Darin wird auch vorgesehen, dass die Vergabe der
Konzessionen genau verwaltet wird und eröffnet den lokalen Verwaltungskomitees
theoretisch erstmals die Möglichkeit der aktiven Mitsprache an der Vergabe der
Konzessionen.546
Drei Monate zuvor konnte sich die Weltbank, die seit dem Beginn der
Friedensverhandlungen 2001 die DRC wieder finanziell unterstützte, und die
Übergangsregierung unter Joseph Kabila auf ein Moratorium einigen, in dem
vereinbart wurde, dass die Regierung die Vergabe von weiteren Konzessionen zur
Abholzung des Regenwaldes aussetzen sollte und alte nicht verlängern sollte. Seit
diesem Zeitpunkt hat die DRC bis April 2006 107 neue Verträge mit Holzfirmen
abgeschlossen,
insgesamt
waren
es
zu
diesem
Zeitpunkt
156
544
Vgl. Baker, Murl, Clausen, Robert, Kanaan, Ramzy, N’Goma, Michel, Roule, Trifin, Thomson, Jamie. Conflict
Timber: Dimensions of the Problem in Asia and Africa, Volume III, African Cases, S.11f.
545
Vgl. Baker, et al. S.11f.
546
Vgl. Baker, et al. S.24f.
209
Einschlagskonzessionen über eine Fläche von insgesamt 21 Millionen Hektar
Regenwald. Im Gegenzug wurden nur wenige Gebiete unter Schutz gestellt. Ebenso
wurden nicht, wie in dem Gesetz von 2002 vorgesehen, die von den Holzfirmen
eingenommenen Steuern für Rekultivierungsprojekte verwendet, da sie in einem
Großteil der Fälle gar nicht bezahlt wurden. Die Weltbank, der vorgeworfen wird,
dass sie nicht wirklich darum bemüht war, die Durchsetzung des Moratoriums zu
überwachen und zu forcieren, führt derzeit Untersuchungen durch, wer die Steuern
bezahlt hat.547
Jährlich könnten laut Prognose in der DRC ungefähr 14 Millionen m³ Holz produziert
werden. Durch die unsichere Situation gewinnt die Produktion erst seit der
Friedensvereinbarung wieder an Gewicht. Die Produktion ist allerdings nach wie vor
nur ein geringer Teil der nationalen Wirtschaft, da pro Jahr nur zwischen 150.000
und 200.000 m3 Holz produziert werden.548
Die wichtigsten Gebiete der Holzindustrie sind im Osten des Landes, wo 80 Prozent
des Holzes produziert werden. Das größte Waldgebiet ist der Ituri-Regenwald im
Nord-Osten des Landes. In dieser Region wird auch deutlich, wie inaktiv die
Regierung bei der Kontrolle der Lizenzvergabe und der illegalen Holzfirmen ist, die in
diesen Gebieten arbeiten. Durch die unterschiedlichen Zahlen ist eine genaue
Berechnung und die Kontrolle der jährlichen Abholzung sehr schwierig. Die vielen
illegalen Holzkonzerne, die in den konzessionierten Regionen der DRC, die beinahe
ein Viertel der gesamten Fläche ausmachen arbeiten, tragen erheblich dazu bei,
dass die Abholzung des Regenwaldes in der DRC immer schneller voranschreitet.549
Der Kodex von 2002 sieht auch den Schutz der Gruppen und Völker, die in den
Wäldern leben vor. Von einer Arbeitsgruppe wurden drei Rechte identifiziert, die
essentiell sind, um ein Volk, das in den Regenwäldern lebt, insbesondere die
Pygmäen zu schützen.
•
Das Besitztumsrecht über die Fläche, auf der sie leben.
•
Das Recht, die Fläche zu benutzen, um ihre ökonomischen, sozialen und
religiösen Traditionen ungehindert leben zu können.
•
Das Recht, die Ressourcen zu nutzen, die auf dem Gebiet natürlich
vorzufinden sind.
547
Vgl. Greenpeace (2007). Angriff auf das grüne Herz Afrikas. Zusammenfassung des Greenpeace-Reports
„Carving up the Congo“, 04/2007, S.1ff.
548
Vgl. Baker, et al., S.64.
549
Vgl. Forests Monitor (2007). The Timber Trade and Poverty Alleviation. Upper Great Lakes Region, June
2007, S.17ff.
210
Diese Arbeitsgruppe untersuchte auch den Kodex von August 2002 hinsichtlich
dieser Punkte. Dabei kam sie zu den Schlüssen, dass das Besitztumsrecht nicht
explizit erwähnt ist. Es gibt allerdings immer wieder Formulierungen, die implizit die
Bevölkerung, die lange dort gelebt hat, als Besitzer identifizieren. Direkt formuliert ist
dies jedoch nicht.
„Les droits d’usage forestiers des populations vivant à l’intérieur ou à proximité du
domaine forestier sont ceux résultant de coutumes et traditions locales pour autant que
ceux-ci ne soient pas contraires aux lois et à l’ordre public. Ils permettent le prélèvement
des ressources forestières par ces populations, en vue de satisfaire leurs besoins
domestiques, individuels ou communautaires.“550
Bezüglich des Rechts der Benutzung der Fläche wird in vier zentrale Bereiche
unterschieden. Es wird Völkern, die dort leben, das Recht zugestanden, die
Ressourcen die sie brauchen, zu nutzen. Die Formulierungen zu diesem Thema
werden als Balanceakt gesehen, um Rechte zu gewähren aber gleichzeitig
Ausbeutung zu verhindern. Im Kodex wird auch erwähnt, dass es den Völkern
möglich ist, die Konzession für ihr Gebiet zu erlangen, um es zu verwalten. Es wird
auch festgelegt, dass die Einwohner keinen Zoll zahlen müssen und die Straßen und
Wege frei benutzen können, zudem ist es ihnen erlaubt, an allen infrastrukturellen
und anderen positiven Entwicklungen des Gebiets teilzuhaben. Schließlich wird noch
die Höhe der Steuer festgelegt, dabei werden keine Kompensationszahlungen an die
einheimische Bevölkerung vorgesehen.
Der letzte Punkt sieht vor, dass die Völker, die im Wald leben in die Pläne und
Projekte
bezüglich
des
Regenwaldgebietes,
in
dem
sie
angesiedelt
sind,
miteinbezogen werden sollen. Im Kodex ist das Recht an der Teilnahme an einem
Beratungskomitee verankert.
Allerdings kommt die Kommission zu dem Schluss, dass ein Regelwerk zur
Überwachung der Gesetze fehlt und einige der Formulierungen sehr unspezifisch
sind und überarbeitet werden müssten.551
Die praktische Umsetzung sieht anders aus, da die Kontrollmechanismen fehlen und
die Vertreibungen der Pygmäen von ihren Ländern von Holzfirmen initiiert und von
550
551
Article 36, Loi 011/2002 Du 29 Aout 2002 Portant Code Forestier, JURICONGO, S.7.
Vgl. Barume, Albert Kwokwo (2003), S.3f.
211
lokalen Behörden in manchen Fällen unterstützt werden. Die zunehmende
Abholzung bzw. der Verkauf der Konzessionen über große Gebiete des
Regenwaldes bedroht die Pygmäen bzw. ihren Lebensraum erheblich.552
8.2.2. Enteignung durch Naturschutzgebiete
In den 90iger Jahren intensivierte man die Bemühungen, die Regenwälder des
zentralen Afrikas zu schützen. Durch viele Projekte in den einzelnen Ländern der
Region begann man mit Hilfe ausländischer Investoren Naturschutzgebiete und
Reservate zu errichten. Durch diese Erlässe, wonach bestimmte Regionen zu
Naturschutzgebieten
erklärt
wurden,
gab
es
erhebliche
Auswirkungen
auf
verschiedene Eingeborenenstämme und insbesondere auf die Pygmäenstämme in
den unterschiedlichen Regionen.553 Ein Beispiel für solche Auswirkungen ist die
Situation der Batwa in der Region des Kahuzi-Biega National Parks.
Der Kahuzi-Biega National Park wurde 1980 von der UNESCO zum Weltkulturerbe
erklärt. Die Räumung des Gebiets begann schon in den späten 60iger Jahren und
man siedelte bis 1980 gewaltsam 580 Batwa-Familien aus der Region aus.
„We did not know they were coming…It was early in the morning. I heard people in
uniforms with guns. Then suddenly one of them forced the door of our house and started
shouting that we had to leave immediately because the park is our land. I first did not
understand because all my ancestors have lived on these lands. They were so violent
that I left with my children.”554
Das Institut Zairois pour la Conservation de la Nature (IZCN) vertrieb zwischen 3.000
und 6.000 Batwa aus ihren Dörfern, ohne dass Vorbereitungen oder Pläne getroffen
bzw. gemacht wurden wie man den Batwa helfen könnte. Die Lebensweise der
Batwa Pygmäen in dieser Region wurde binnen kurzer Zeit unmöglich gemacht, da
sie auf dem Regenwald als Lebensraum, Nahrungslieferant und spirituellem Zentrum
nicht mehr aufgebaut werden konnte. Neben der Vertreibung aus dem Lebensraum,
in dem die Batwa über Jahrhunderte ihre Heimat hatten, wurde ihnen auch noch die
552
Vgl. Greenpeace (2007), S.1ff.
Vgl. IRIN, In-Depth Report (2006), S.10.
554
Zitat einer Mutwa Witwe, in: IRIN, In-Depth Report (2006), S.10.
553
212
Schädigung desselben nachgesagt. Die neu installierten Parkwächter sahen die
Pygmäen als Wilderer und Bedrohung für das Naturschutzgebiet. Als Grund dafür
wurde das Wissen der Batwa über den Regenwald und die Tiere, die darin leben,
angeführt. Wenn es zu Todesfällen in der Tierpopulation des Khahzi-Bielga National
Park kommt, dann stehen in jedem Fall primär die Pygmäen unter Verdacht. Da sie
als akute Bedrohung für das Gebiet angesehen werden, werden Batwa, die die
Regeln des Naturschutzgebietes gebrochen haben, sehr brutal behandelt, um die
Pygmäen in Zukunft davor abzuschrecken, das Gebiet wieder zu betreten. Durch die
schlechte Behandlung der vier Batwa, die beschuldigt wurden, einen der
berühmtesten Gorillas der Regionen getötet zu haben, sollten die anderen Pygmäen
abgeschreckt werden. Trotz unmenschlicher Zustände und der Folter, die die
Gefangen während ihrer Untersuchungshaft erdulden mussten, konnte ihnen keine
Schuld nachgewiesen werden und sie wurden freigelassen. Allerdings sind die
Folgen für die Pygmäen der Region bis heute fatal. Bereits mehr als 50 Prozent der
damals
Vertriebenen
starben
in
der
Zwischenzeit.
Ebenso
ist
die
Säuglingssterblichkeit in diesem Pygmäenstamm extrem hoch.555
„…since we were expelled from our lands, death is following us. We bury people nearly
every day. The village is becoming empty. We are heading towards extinction. Now all
the old people have died. Our culture is dying too.”556
In anderen Regionen, auch außerhalb der DRC, sind ähnliche Vertreibungen zum
Zweck der Gründung von Nationalparks zu beobachten. Die Batwa Bevölkerung hat
neben ihrem Anspruch auf das Land in der Region den Regenwald über
Jahrhunderte nicht geschädigt. Einige der Batwa wurde auch von der UNESCO als
Parkwächter eingestellt, da ihre Fähigkeiten und ihr Wissen über den Regenwald
geschätzt werden. Im Gegensatz zu den Batwa erhielten andere Gruppen, die
Regenwald in Ackerland umgewandelt haben, Kompensationszahlungen und ihre
Rechte auf das Eigentum des Landes wurde anerkannt und respektiert.557
Kompensationen blieben deshalb oft aus, weil die Projekte meist ausschließlich auf
die Natur aufgebaut waren, und die Bevölkerung, die in diesen Gebieten wohnte,
nicht in die Planung miteinbezogen wurde. Während des Projektes kam man nur zu
dem Schluss, dass man die Pygmäen aus der Region aussiedeln müsste, aber es
555
Vgl. Lewis, S.21f.
Zitat einer Mutwa aus Kalehe (DRC), in: IRIN, In-Depth Report (2006), S.9.
557
IRIN, In-Depth Report (2006), S.10.
556
213
gab keine weiteren Planungen zu deren Unterstützung bzw. Hilfe bei deren
veränderter Lebenssituation. Es wird vielfach kritisiert, dass die Projektplaner die
Pygmäen überhaupt nicht in die Projekte mit einbeziehen, sondern ihre eigenen
Ideen der Konservierungsmaßnahmen verwirklichen. Viele sind der Meinung, dass
die Projektplaner sehr stark vom Wissen der Pygmäen profitieren würden. Zudem
wären die Batwa seit sehr langen Traditionen untrennbar mit dem Regenwald
verbunden und es läge auch in ihrem Interesse, den Regenwald zu konservieren,
wodurch sie ein sehr wichtiger Partner für die Projekte wären. Ebenso wäre ihnen
geholfen und sie würden ihren Lebensraum und ihre Traditionen bzw. ihre
Lebensweise nicht verlieren.558
Obwohl es bei manchen Organisationen ein kleines Umdenken erfolgt und es
Initiativen gibt, dass die regionalen Völker und Stämme Entschädigungen bekommen
bzw. in die Projekte miteinbezogen werden, gibt es bei der Umsetzung und
Verteilung der Förderungen bzw. Kompensationen nach wie vor Schwierigkeiten und
viele der Gelder landen bei den falschen Gruppen.559
8.3. Vorurteile
Die Vorurteile gegen die Pygmäen, die auch einige der Hauptgründe für die
Diskriminierung der Pygmäen bzw. ihre schlechte Lebenssituation darstellen,
bestanden, seit man das erste Mal mit den Pygmäen Kontakt hatte bzw. sie
entdeckte. Grund dafür ist ihre kleine Statur und ihre Lebensweise, die von der
Modernisierung beinahe gar nicht beeinflusst wurde. Sie wurden sogar als Affen
bezeichnet und als solche behandelt. Zur Weltausstellung in New York wurde Ota
Benga, ein Pygmäe aus dem Kongo, der damals noch belgische Provinz war,
eingeflogen und ausgestellt. Der damals 23-jährige Benga wurde nach der
Ausstellung in den Zoo in der Bronx in New York gebracht, wo er in einem Affenkäfig
leben musste. Er beging 1916 Selbstmord. 560
Außerhalb Afrikas gibt es nach wie vor Vorurteile gegenüber die Pygmäen. Vor allem
die Tierschützer aus Nordamerika und Europa stigmatisieren die Pygmäen in der
DRC als Wilderer und Gefahr für die vom Aussterben bedrohten Berggorillas. Die
558
Vgl. Lewis, S.22.
Vgl. IRIN, In-Depth Report (2006), S.10.
560
Vgl. IRIN, In-Depth Report (2006), S.10.
559
214
Folgen sind, dass die Parkwächter der Nationalparks die Pygmäen, die in der Nähe
der Schutzgebiete siedeln, regelmäßig attackieren.561
Die Situation der Pygmäen im zentralen Afrika ist von Vorurteilen und Stereotypen
geprägt.
Die
Bantu
haben
die
Handelsbeziehungen
und
ihre
technische
Fortschrittlichkeit gegenüber den Pygmäen ausgenutzt, um diese zu unterwerfen.
Zuerst ein schleichender Prozess wurde die Unterdrückung in den letzten
Jahrzehnten immer offensichtlicher. Durch die Veränderung der Lebensräume durch
einerseits die zunehmende Immigration und andererseits die Abholzung und
Vertreibung des dem Regenwald, wurden die Pygmäen zunehmend abhängig von
den Bantu, wodurch sich ihre Position rapide verschlechterte. Nachdem die Bantu,
die zuerst ebenso von den Pygmäen abhängig waren, sich aus dieser Abhängigkeit
lösen konnten, begannen sich die Ansichten und Meinungen über die Pygmäen zu
verschlechtern.562
Heute werden die Pygmäen als grundsätzlich wild und unzivilisiert angesehen. Man
hält sie für schmutzig, faul, dumm, und es wird allgemein davon ausgegangen, dass
man ihnen nicht trauen kann. Zudem hält man sie für Untermenschen, sozial und
körperlich unterentwickelt sind, weshalb sie auch nur zu niederen Tätigkeiten
herangezogen werden können.563 Die Diskriminierung findet sehr offen statt und man
gibt ihnen Namen, die sie klar als Pygmäen stigmatisieren und herabsetzen564. Der
Lebensstil der Pygmäen wird als abschreckendes Beispiel und als unmoralisch
beschrieben. Sie werden nicht als gleichwertige Menschen angesehen, und dieses
Argument wird auch immer wieder als Rechtfertigung für Gewalt und anderen
Verbrechen.565
Diese Vorurteile führen auch zu einer strikten Trennung der Pygmäen von dem Rest
der Bevölkerung. Dabei werden ihre Lebensgewohnheiten als Begründung
herangezogen, da diese durch das Nomadentum, eher Tieren ähneln würde, als
Menschen. Die Arten der Diskriminierung und Ausgrenzung, die die Pygmäen durch
ihren unmittelbaren Nachbarn erfahren, sind teilweise extremer Natur. Viele
Menschen weigern sich, mit den Pygmäen zu speisen oder mit ihnen auf derselben
561
Vgl. Lewis, S.6.
Vgl. Lewis, S.6.
563
Vgl. Jackson, Dorothy. Indigenous Forest Peoples Under Threat, http://www.indigenous-infokenya.org/publications/Nomadic%20News%207%20Resources%20in%20Indigenous%20Peoples'%20Lands%20
2004/Indigenous%20Forest%20Peoples%20Under%20Threat.pdf, S.1.
564
Solche Namen sind: Abayanda (in der negativen Bedeutung: Menschen die stehlen), Abashenzi (unzivilisierte
Menschen), Abashezi (Hexen/r), Gutyoza (verachtete Menschen), Intarima (Menschen die unfähig sind, als
Bauern zu arbeiten), Abaryantama (Menschen die Hammel essen) und Abaterampango (Menschen, die Antilopen
essen, welche als ekelhaftes Essen gehandelt werden), in: Lewis, S.13.
565
Vgl. Lewis, S.13.
562
215
Bank zu sitzen. Pygmäen müssen auf öffentlichen Plätzen immer am Rand bleiben.
Wenn sie etwas verkaufen, müssen sie weit weg von den anderen Verkäufern sitzen
und müssen ihr Wasser an anderen Quellen schöpfen als der Rest des Dorfes.
Zudem
verweigern
die
meisten
Bantu
jegliche
sexuelle
oder
andere
partnerschaftliche Verbindung mit Pygmäen. Pygmäen haben so gut wie keine
individuellen Rechte. Die Peiniger bleiben oft ohne Strafverfolgung, weil sich die
Pygmäen selbst nur sehr schlecht bzw. gar nicht vor Gericht verteidigen können.566
8.4. Wirtschaftliche Isolation
Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte in den Ländern rund um die Große Seen
Region respektive der DRC hat den Lebensraum und die Lebensweise der Pygmäen
stark verändert und in fast allen Fällen extrem verschlechtert. Diskriminierung, die
wachsende Bevölkerung, die Abholzung des Regenwaldes und die bewaffneten
Konflikte sind dafür verantwortlich, dass viele der Pygmäen ihren Lebensraum
verlassen mussten. Viele von ihnen änderten ihren Lebensstil, scheiterten aber
daran, sich in die Gesellschaft einzugliedern und leben in den meisten Fällen in
Armut als Menschen zweiter Klasse, ohne oder mit kaum Zugang zu medizinischer
Versorgung, Bildung, Landbesitz und Arbeit. Durch die Lebensweise der Pygmäen,
die auf Tauschen aufgebaut ist, haben sie kaum bzw. keine Erfahrung mit Geld bzw.
dem Finanzmarkt. Aus diesem Grund sind auch auf dem wirtschaftlichen Sektor
extrem isoliert.
Das Wissen über den Regenwald und alternative Medizin ist in der neuen sozialen
Umgebung, in der sich viele Pygmäen heute zurechtfinden müssen, wertlos. Zudem
ist ihre Ausgangsposition durch die ethnische Diskriminierung, die sie erfahren
müssen, sehr schwierig und erschwert die Interaktion mit der Außenwelt aus der
Sicht der Pygmäen noch zusehends.567
Durch die Aufsplitterung der Pygmäen in Dörfer und ihre Lebensweise, die keine
Aufsparungen von Ressourcen vorsieht, ist das Kapital der Pygmäen zu investieren
sehr gering bzw. in den meisten Fällen nicht vorhanden. Zudem gibt es bei den
Pygmäen nur kollektiven Besitz, wodurch die ökonomischen Möglichkeiten für den
Einzelnen noch zusätzlich vermindert werden. Dieser Mangel an ökonomischem
566
567
Vgl. Lewis, S.14.
Vgl. IRIN, In-Depth Report (2006), S.11.
216
Gewicht und Einfluss schließt die Pygmäen beinahe vollständig aus der Wirtschaft
des jeweiligen Landes aus.
In einer Studie des International Council on Human Rights (ICHR) wird die
mangelnde Bildung als einer der Hauptgründe für den Ausschluss aus der Wirtschaft
identifiziert. Der mangelnde Zugang zu Bildung zog sich durch die verschiedenen
Regierungsphasen von der Kolonisierung bis zur heutigen Regierung. In der
Vergangenheit
wurde
verabsäumt,
den
Pygmäen
grundlegende
Bildung
beizubringen. Auch die heutige Situation hat den Zugang zu Bildung für die Pygmäen
nicht verbessert. Die Integration der Pygmäen in den Arbeitsmarkt ist durch
Analphabetismus beinahe unmöglich. Die mangelnde Berücksichtigung durch die
Regierung wird auch durch die mangelnde politische Repräsentation der Pygmäen
verstärkt. Das ICHR stuft die Situation in der Zukunft noch schwieriger ein, da sich
die Wirtschaft und die Gesellschaft immer schneller entwickelt und die afrikanische
politische Situation dem internationalen Standard noch unterlegen ist. Aus diesem
Grund werden die Pygmäen aufgrund mangelnder politischer Repräsentation ihre
Lage nur schwer verbessern können und weitere ökonomische Ausgrenzung
erfahren.568
8.5. Mangelnde politische Repräsentation und politisches Desinteresse
Viele der Regierungen in Zentralafrika räumen den Pygmäen keine Rechte ein, sich
selbst zu organisieren oder zu repräsentieren. Durch die dadurch entstandene
Diskriminierung, Gewalt und Armut wurden die Pygmäen sozial isoliert. Sie haben
keinerlei Möglichkeiten, sich politisch Gehör zu verschaffen und verfügen über keine
Institutionen, die ihre Rechte verteidigen könnten. Zwar fühlen sich die Pygmäen
solidarisch
mit
anderen
Pygmäenstämmen,
sie
haben
jedoch
durch
ihre
Aufsplitterung und kleinen Gruppen oft keine Möglichkeiten sich zu organisieren,
wodurch sie politisch kein Gewicht haben. Ein weiteres Problem ist die Machtstruktur
in herkömmlichen Institutionen, die komplett konträr zur Lebensweise der Pygmäen
ist. In der Kultur der Pygmäen gibt es nur Konsensentscheidungen und kein fixes
Oberhaupt
somit
auch
keinen
dauerhaften
Ansprechpartner
für
etwaige
Verhandlungen. Diese Tatsache wird oft kritisiert und führt dazu, dass die Pygmäen
aus Projekten und Initiativen ausgeschlossen werden. Neben der mangelnden
568
Vgl. IRIN, In-Depth Report (2006), S.11f.
217
Führungsstruktur in den Pygmäengemeinschaften, spielen auch die Vorurteile eine
große Rolle in der mangelnden Inklusion in die politische Sphäre. Die Pygmäen
werden als unterentwickelt, unrein und unintelligent angesehen und aus diesem
Grund
regelmäßig
ausgeschlossen.
aus
Dies
Entscheidungen,
führt
dazu,
dass
die
viele
die
Öffentlichkeit
Hilfsprojekte
die
betreffen,
Pygmäen
ausschließen, wodurch sich die Situation für die Pygmäen weiter verschlechtert.569
Obwohl die DRC seit Februar 2006 eine neue Verfassung hat, die den Minderheiten
Rechte und Schutz zusichert, hat sich die Situation für die Pygmäen nicht wirklich
verändert. Viele Pygmäen beklagen die weiterhin andauernde Diskriminierung und
den Ausschluss aus dem öffentlichen und politischen Leben. Ein Beispiel dafür ist,
dass es keinen Abgesandten der Pygmäen in der Regierung oder im Parlament gibt,
das jedoch das ganze Land repräsentieren sollte. Vielfach ist das Problem auch die
mangelnde Information bzw. das mangelnde Wissen über die neue Verfassung bzw.
die Rechte und den Schutz, der damit verbunden ist. Dies liegt einerseits daran, dass
die Pygmäen größtenteils keine ausreichende Bildung haben und andererseits
daran, dass keine Initiativen unternommen werden, die Pygmäen darüber
aufzuklären. Durch ihre Stellung als Randgruppe herrscht unter den Pygmäen ein
Desinteresse an Politik. Sie sehen keine Möglichkeit, aktiv in das politische
Geschehen eingreifen zu können, weil sie gegenüber der sich in der Mehrzahl
befindlichen Bantu im Nachteil sind. Aus diesem Grund hat sich auch kein Pygmäe
zur Wahl aufstellen lassen. Das Desinteresse der Pygmäen an Politik drückt sich
auch in der Zurückhaltung bei der Teilnahme an Wahlen oder Abstimmungen aus.
Wenige Pygmäen ließen sich registrieren, was auch mit dem Prozess der Erlangung
eines Personalausweises zusammenhängt. Neben dem Desinteresse herrscht
innerhalb der Pygmäen vielfach der Glaube vor, dass sie als extrem kleiner Teil der
Gesamtbevölkerung keinen Einfluss auf das Ergebnis haben. Zudem zweifeln sie
daran, dass sie als Volk von der neuen Regierung bzw. den gewählten Politikern
eine Verbesserung ihrer Lage respektive Hilfe erwarten können. Da nur Bantu
gewählt werden können, würden auch nur Bantu profitieren. Aus diesem Grund sei
eine Wahlteilnahme nicht von großem Nutzen, so die Annahme in der
Pygmäengemeinschaft der DRC.570
569
570
Vgl. IRIN, In-Depth Report (2006), S.12.
Vgl. IRIN, In-Depth Report (2006), S.23f.
218
8.6. Verlust der eigenen Identität
Viele Organisationen, speziell Batwa Gruppen, treten vehement für die Durchsetzung
der Rechte der Pygmäen ein, weil sie befürchten, die Pygmäen würden ihre Identität
verlieren. Die verschiedenen Stämme der Pygmäen sind durch die Vertreibung von
ihren Lebensräumen in den Regenwäldern zu Änderungen in ihrer Lebensweise
gezwungen worden. Sie mussten andere Arbeit annehmen und versuchen, sich ihren
Lebensunterhalt anders zu verdienen als durch Jagen und Sammeln. Die Angst der
Pygmäen-Repräsentanten ist die vollständige Assimilation anstelle einer Integration
der Pygmäen. Der Unterschied ist, dass bei der Assimilation die eigene Kultur
verloren geht, wogegen bei der Integration die Kultur der jeweils integrierten Gruppe
respektiert wird und zu großen Teilen erhalten bleibt.571
Die Identität der Pygmäen respektive der Batwa stützte sich in der Geschichte
ausschließlich auf die ökonomischen Praktiken. Die ursprüngliche Identität als
ausschließlich Jäger und Sammler ist heute nur noch in sehr wenigen Stämmen
vorhanden. In vielen Fällen veränderten sich die Tätigkeiten der Pygmäen und sie
wurden Handarbeiter. Somit erweiterte sich die Identität als Jäger und Sammler um
die Identität als Handwerker und Bastler. Als der Tauschhandel mit den
Handarbeitsgegenständen nicht mehr reichte, um den Lebensunterhalt zu sichern,
und das Jagen und Sammeln durch Gesetze verboten wurde und die Pygmäen aus
dem Regenwald vertrieben wurden, wurden in vielen Stämmen die Frauen zu den
Hauptverdienern der Familie indem sie töpferten. Doch auch die Töpferei wird
zusehends schwieriger und wirft oft nicht mehr genug Profit ab, um die Familie zu
ernähren. Sehr viele Pygmäen arbeiten nun als Tagelöhner, Knechte oder betteln,
um an Geld für die Ernährung der Familie zu kommen. Durch diese Situation
befinden sich viele Pygmäen in einer Identitätskrise. Die Männer, die nicht mehr als
Jäger und Sammler leben können und zusätzlich ihre Position als Ernährer der
Familie immer mehr verlieren, und die Frauen, weil sie ihre Tradition als Töpferinnen
nicht mehr so ausüben können und die erworbene Position und wichtigere Stellung
innerhalb der Familie dadurch wieder in Gefahr sahen.
Um dieser Unklarheit und den Zweifeln über die eigenen Identität zu entgehen,
entscheiden sich viele Pygmäen, insbesondere diejenigen, die nicht mehr in den
Wäldern leben, sich zu assimilieren. Teilweise ist diese Entwicklung auch die einzige
571
Vgl. Lewis, S.7.
219
Möglichkeit für die Pygmäen zu überleben. Auch organisierte Gruppen, die in
Städten oder größeren Dörfern, leben treten für eine Assimilierung ein, um die
Situation der Pygmäen zu verbessern. Die Versuche der Assimilierung führen jedoch
in den meisten Fällen nicht zu dem gewünschten Resultat, da die Diskriminierung
weiterhin besteht, und die Pygmäen trotz der Aufgabe ihrer alten Lebensweise nicht
wirklich als gleichberechtigter Teil der Gesellschaft anerkannt werden. Auch
hinsichtlich ihrer Religion gibt es Assimilierungstendenzen. Allerdings liegt dies meist
darin begründet, dass sich die Pygmäen Profite und Almosen erhoffen. Sehr selten
spielt wirkliches Interesse an dem anderen Glauben eine Rolle für die Annahme
einer anderen Religion.
Diese Entwicklungen sind in den östlichen Ländern des zentralen Afrikas stärker zu
beobachten, während in der DRC durch den hohen Anteil der Pygmäen, die noch in
den Wäldern wohnen, weniger andere Lebensweisen vorzufinden sind. Die Pygmäen
der DRC haben im Vergleich zu den anderen Pygmäenstämmen in den
Nachbarländern besseren Zugang zu ihrem ursprünglichen Lebensraum, wobei die
Tendenz zu Vertreibung und Enteignung und in weiterer Folge zum Verlust der
Identität sehr stark denen in den anderen Staaten, in denen Pygmäen leben,
ähnelt.572
8.7. Soziale Probleme
Neben den Problemen, die zwischen den Pygmäen und der Außenwelt bestehen,
gibt es auch innerhalb der Gesellschaft immer öfter Zerrüttungen und Streitigkeiten.
Der Zusammenhalt und die Gemeinschaft sind die Basis für das Überleben und die
Lebensweise der Pygmäen. Die veränderten Situationen wirken sich allerdings auch
auf die einzelnen Dörfer und Familien aus. Der Wechsel zu den Frauen als
Haupternährer der Familie, wie es bei den Töpfer-Gemeinschaften der Fall ist,
stürzte die Männer dieser Gemeinschaften in eine tiefe Krise. Viele der Männer
suchten ihr Heil im Alkohol, wodurch sie auch andere Aufgaben innerhalb der Familie
nicht mehr erfüllen konnten. Dadurch kam es zu vielen Scheidungen und viele
Familien zerbrachen.573
572
573
Vgl. Lewis, S.10f.
Vgl. Lewis, S.10.
220
Die Gemeinschaften werden auch bedroht, da sich die Pygmäen zusehends mit
Bantu mischen. Obwohl es viele der Bantu bzw. anderen ethnischen Stämme strikt
ablehnen, Ehen mit Pygmäen einzugehen, haben die Frauen der Pygmäen teilweise
einen sehr hohen Stellenwert, da man ihnen reinigende Kräfte zugesteht. So
verlieren die Pygmäen ungefähr 14 Prozent ihrer Frauen an andere ethnische
Gruppen, und die Anzahl der Männer und Frauen ist zu Ungunsten der Männer sehr
oft unausgeglichen. Dies führt zu Konflikten und Streit innerhalb der einzelnen Dörfer
und führt oft zu Zerrüttungen.574
8.8. Gesundheitliche Bedrohungen
Die Pygmäen lebten sehr lange isoliert von vielen anderen Bevölkerungsteilen.
Durch die Veränderung des Lebensraumes und der Lebenssituation ist es für die
Pygmäen auch hinsichtlich der Krankheiten und gesundheitlichen Bedrohung
gefährlicher geworden Viele infektiöse Krankheiten, insbesondere HIV/AIDS treten
vermehrt auf. Nach wie vor ist Malaria die häufigste Todesursache unter den
Pygmäen, und es gibt einige Projekte, die die Vorsicht und das Wissen über die
Infektionsmöglichkeiten erhöhen sollen. HIV/AIDS ist in den letzten Jahren immer
gefährlicher für die Pygmäen geworden, da sie, durch die Abholzung des Waldes in
immer engeren und häufigeren Kontakt mit anderen ethnischen Gruppen kamen und
dadurch auch in Kontakt mit HIV/AIDS. Zudem herrscht in der Bevölkerung der
allgemeine Glaube, dass Geschlechtsverkehr mit Pygmäenfrauen eine reinigende
und heilende Wirkung hat, was natürlich erheblich zur Verbreitung beträgt. Der
mangelnde Zugang zu medizinischer Versorgung trägt auch zu der schlechter
werdenden Situation der Pygmäen bei.575
8.9. Die Auswirkungen des Krieges auf die Pygmäenstämme
Der Regenwald um die Großen Seen stellt auch den Hauptschauplatz der
zahlreichen Konflikte der Region dar, in die alle Länder – teilweise zu
unterschiedlichen Zeitpunkten – involviert waren. Dabei stellte der Wald einen
Zufluchtsort für diverse bewaffnete Gruppen dar. Diese Situation hat sich in der DRC
574
575
Vgl. Efe and Mbuti, World Cultures.
Vgl. IRIN, In-Depth Report (2006), S.8.
221
trotz des Friedensabkommens und des Rückzugs der ruandischen und ugandischen
Armee nicht geändert. Nach wie vor verstecken sich die Interahamwe, ruandische
Hutu-Milizen, und Mayi-Mayi, Milizen aus der DRC in den Regenwäldern im Osten
der DRC. Durch die kriegerischen Handlungen und den Unterschlupf, den die
verfeindeten Gruppen in den Wäldern suchen, werden die Pygmäen, die meist genau
in diesen Regionen siedeln, erheblich bedroht. Viele flohen aus der Region und
leben zurzeit weit von ihrem normalen Lebensraum weg. Andere Pygmäen, die ihre
Dörfer nicht aufgaben, sind größtenteils Gefangene im Zentrum des Konflikts. Zu
keiner Seite loyal sind die Pygmäen durch alle kriegerischen Gruppen leicht
verwundbar. Die Interahamwe, die am meisten gefürchtete Miliz in der Region,
überfallen, vergewaltigen und ermorden regelmäßig Pygmäen und schrecken auf
ihrem Weg durch den Regenwald vor keinem Gewaltverbrechen zurück. Die MayiMayi haben laut Berichten die Pygmäen immer wieder dazu gezwungen, dass sie zu
Waffen greifen und aktiv in den Kampf eingreifen. Da die Mayi-Mayi aus dem Wald
heraus attackieren und operieren werden die Pygmäen sehr oft für Mayi-Mayi
gehalten und man nimmt Rache an ihnen, respektive einem ihrer Dörfer. Dabei gab
es Berichte, wonach einige Pygmäen in Standgerichten erschossen wurden und ihr
Dorf niedergebrannt wurde. Wenn die Soldaten sich aus dem Wald zurückgezogen
haben, kommen die Mayi-Mayi Milizen zu den Dörfern der Pygmäen und
misshandeln sie ihrerseits, da sie Kooperationen mit den Soldaten vermuten. Diese
Situation verdeutlicht die Verwundbarkeit und Schutzlosigkeit der Pygmäen
gegenüber beiden, respektive allen Kriegsparteien. Viele der Pygmäen wurden auch
aus diesem Grund zu nationalen Flüchtlingen, allerdings gibt es keine genauen
Zahlen.576
8.10. Beispiele der Situation der Pygmäen in der DRC577
Die
Diskriminierung
der
Pygmäen
sowie
andere
Benachteiligungen
und
Ausnutzungen, die oben angeführt wurden, sind in auch in der DRC an der
Tagesordnung und beeinflussen das Leben der Pygmäen sehr. Die Situation der
Pygmäen in der DRC ist sehr schlecht und das manifestiert sich in unterschiedlichen
Bereichen.
576
Vgl. Lewis, S.25.
Siehe Anhang für einige Beispiele für Übergriffe an der Bevölkerung der Pygmäen in der DRC. (Anm. d.
Autors)
577
222
Auch wenn in der DRC im Vergleich zu anderen Ländern der Regenwaldanteil und
der Anteil der Pygmäen, die in den Wäldern leben noch ziemlich hoch sind, können
auch diese immer schwerer und seltener ihre traditionelle Lebensweise verfolgen.
Grund dafür ist die intensive Abholzung der Regenwälder, die neben der geringeren
Waldfläche auch erhebliche Auswirkungen auf die Tierwelt hat. Aufgrund des Lärms
der Maschinen fliehen die Tiere, und die Pygmäen müssen oft wochelang wandern,
um geeignete Tiere für die Jagd zu finden, wodurch sie oft Hunger leiden. Ebenso
handeln die Abholzungsfirmen gegen das kongolesische Recht, indem sie keinerlei
Unterstützung oder Kompensationen für die Pygmäenfamilien zu Verfügung stellen.
Die Pygmäen werden neben der Abholzung auch aufgrund anderer Bedrohungen
von ihren Wohnflächen vertrieben. Eigentum ist in der DRC nur Staatsbürgern
gestattet. Da die meisten Pygmäen keine offiziellen Papiere besitzen, können sie
kein Land erwerben. Durch diese Situation und die Bedrohung seitens der Bantu, die
oft Vertreibung oder Ländereiendiebstahl zur Folge hat, müssen die Pygmäen oft für
Andere arbeiten und werden dabei oft ausgenutzt und als Sklaven gehalten. Sofern
es Bezahlung gibt, erfolgt diese meistens nur in Form von Essen.
Die Pygmäen haben zu extrem geringer Zahl Zugang zu Bildung. In der Provinz
Orientale haben nur zwei von 1.000 Pygmäen die Möglichkeit, Bildung in Anspruch
zu nehmen. Seitens der Behörden und Politiker wird erklärt, dass es bereits
Initiativen gäbe, diese niedrige Zahl zu erhöhen und die Situation zu verbessern.
Allerdings steht die Verbesserung der Bildungssituation für die Pygmäen schon seit
Jahren auf der Agenda der Regierung ohne verwirklicht zu werden. Diese Tatsache
wird seitens der Regierung auch den Pygmäen selbst zugeschrieben, da diese es
vorziehen, ihre traditionelle Lebensweise zu leben und das Angebot der Regierung,
sie in die moderne Welt einzuführen ausschließen würden.
Ein sehr großes Problem der Pygmäen ist die weit verbreitete Armut. Ohne ihren
traditionellen Lebensraum haben sie oftmals keine Mittel, um zu überleben. Sie
müssen betteln und leben auf der Straße. Obwohl die Regierung betont, dass die
Pygmäen nicht ärmer wären als andere ethnische Minderheiten, gibt es Situationen,
die das Gegenteil offensichtlich machen. Es gibt Familien, die komplett nackt sind
und auf der Straße leben, weil sie keine Möglichkeiten und Mittel haben sich zu
kleiden. Pygmäenkinder, die die Möglichkeit haben, die Schule zu besuchen, haben
oft keine Kreiden und Tafeln und müssen ihre Aufgaben und ihre Mitschrift auf Blätter
ritzen, wodurch sie riskieren, dass alles verloren geht.
223
Der Krieg hatte erheblich Auswirkungen auf die Bevölkerung und deren Leben. Da
sie von allen Kriegsparteien als potentielle Spione und Kollaborateure angesehen
wurde, da man sie für leicht käuflich hielt, wurde sie von allen Seiten attackiert und
missbraucht. Man zwang die Pygmäen dazu, die Soldaten durch den Wald zu führen,
die so einen Vorteil gegenüber den anderen Parteien erlangten. Sie wurden zur
Teilnahme am Krieg gezwungen. Man benutzte sie als menschliche Schutzschilder
und als Träger der Kriegsbeute. Zudem wurden sie als Spione eingesetzt, allerdings
ist das derzeit größte Problem der Missbrauch und die Vergewaltigungen der
Mädchen und Frauen der Pygmäen. Neben den physischen Schäden, die den
Pygmäen zugefügt wurden und werden, sind die unheilbaren psychischen Schäden
oft das viel größere Problem.
Auch in Friedenszeiten werden die Pygmäen als Menschen zweiter Klasse bzw. wie
Tiere behandelt und diskriminiert. Es gibt Berichte von Augenzeugen, die sahen,
dass Pygmäen mit toten Stammesoberhäuptern lebendig begraben wurden. In der
Bantugesellschaft ist es zwar verboten, sexuelle Beziehungen zu Pygmäen zu
haben, allerdings gibt es viele heimliche sexuelle Kontakte, die auch darin begründet
sind, dass den Pygmäenfrauen heilende Kräfte zugeschrieben werden. Sollten
Pygmäenfrauen aus diesen Kontakten schwanger werden, sind sie gezwungen dies
zu verbergen, um keine Züchtigungen oder andere schwere Strafen über sich
ergehen lassen zu müssen. Diese Praktiken sind der Regierung bekannt und in
Stellungnahmen wird darauf hingewiesen, dass diese mittlerweile durch das Gesetz
verfolgt würden, was allerdings in der Praxis nicht oft umgesetzt wird.578
8.11. Beispiele für die veränderten Lebensweisen der Pygmäen
Im Rahmen einer Studie, die von der Norwegian Church Aid durchgeführt wurde,
besuchten die Autoren vier Gegenden, um die Lebenssituation der Pygmäen zu
untersuchen und ihre Bedürfnisse zu definieren.
8.11.1. Idwji Insel
578
Vgl. IRIN, In-Depth Report (2006), S.23.
224
Die Insel Idwji liegt in der Mitte des Kivu-Sees, und es wurden darauf vier Dörfer
besucht. Insgesamt leben ungefähr 6.500 Pygmäen auf Idwji. Die Insel ist unterteilt in
zwei Verwaltungsbereiche, für die jeweils ein Oberhaupt zuständig ist. Die Pygmäen
auf der Insel sind Bambuti und absolut abhängig von der Toleranz des Oberhaupts,
der Besitzer des Landes ist und sie jederzeit von der Insel vertreiben kann. Die
Bambuti leben hauptsächlich als Bauern, Fischer und Handwerker. Sie haben
keinerlei Mittel und leben in sehr einfachen Verhältnissen. Das Oberhaupt akzeptiert
sie auf der Insel solange sie arbeiten und er sie als nutzvoll ansieht. In
Verhandlungen mit dem Oberhaupt konnten sich die Pygmäen auf einen Kauf des
Landes einigen, auf dem sie arbeiten, allerdings können sie den Preis nicht
aufbringen.
Die Fischer haben ein paar kleine Boote mit jedoch sehr wenig Ausrüstung, mit der
sie auf dem See fischen. Für die Benutzung des Sees haben sie eine Gebühr von
fünf US-Dollar zu entrichten, die allerdings für die meisten zu teuer ist. Aus diesem
Grund werden Viele beim Fischen ohne Lizenz erwischt und hart bestraft.
Es gibt auch einige Wildtiere auf der Insel aber bis auf ein paar kleine Tiere, die
erlegt wurden, als sie an den Dörfern vorbeikamen, jagen die Pygmäen nicht, weil es
ihnen nicht erlaubt ist. Alle der besuchten Pygmäen wurden auf der Insel geboren,
weshalb sie auch keinen Bezug zum Wald haben, in dem ihre Vorfahren lebten. Sie
wissen zwar, wie diese lebten, haben aber kein Interesse an dieser Lebensweise.
Die Lebenssituation der Pygmäen ist durch den Mangel an Nahrung und den
geringen Zugang zu Bildung und medizinischer Versorgung sehr schlecht. Es gibt
eine hohe Kindersterblichkeit und die vorhandenen Schulen und Ärzte können von
den Pygmäen aufgrund der zu hohen Preise nicht besucht werden.
Die Liste der Bedürfnisse der vier Dörfer nach Priorität geordnet sieht so aus:
1. Land (dessen Besitz)
2. Bessere Ausrüstung zur Landwirtschaft und Fischerei
3. Bildung
4. Bessere Häuser
5. Gesundheit
8.11.2. Kavumu Gebiet
225
Die Forscher besuchten zwei Dörfer in der Nähe des Kahuzi-Beiga Nationalparks, in
denen die vertriebenen Pygmäen aus dem Gebiet des Parks leben. Diese Pygmäen
hatten traditionell als Jäger und Sammler gelebt und wurden in eine völlig neue und
andere Umgebung vertrieben. Sie haben keinen Zugang mehr zu den Ressourcen im
Park. Wenn sie innerhalb des Parks gefangen werden, droht ihnen Gefängnis oder
eine sehr hohe Geldstrafe (US$ 200). Ein weiteres Problem, unter dem die Pygmäen
leiden, ist die Aufsplitterung der Pygmäengesellschaft aus dem jetzigen Nationalpark
in viele kleine Dörfer. Vor der Vertreibung bestand enger Kontakt zwischen den
Dörfern.
In dem Gebiet, in dem die Pygmäen jetzt leben, sind sie oft Ziel für die Interahamwe
Milizen, die sich in diesem Gebiet verstecken. Die Dorfbewohner berichteten von
Überfällen, bei denen das gesamte Dorf zerstört wurde und alle Ressourcen
gestohlen wurden.
Sie leben in Häusern, die in sehr schlechtem Zustand sind, haben zu wenig
Nahrungsmittel und keinen Zugang zu medizinischer Versorgung, obwohl eine Klinik
in der Nähe ist. Als sie eine Malaria und Cholera Epidemie hatten, wurde ihnen dort
die medizinische Versorgung verweigert.
Trotzdem sie ein gutes Verhältnis zu den Behörden haben, gelingt es ihnen nicht, die
Flächen, auf denen sie wohnen, zu kaufen. Sie fühlen sich wie Flüchtlinge, weil sie
Angst haben, jederzeit aus ihrem Dorf vertrieben zu werden. Immer wieder kommen
weitere Bambuti und finden als Flüchtlinge Unterschlupf in den Dörfern. Befragt nach
ihren Prioritäten, gaben sie folgende an:
1. Bessere Häuser
2. Land
3. Bildung
4. Ausrüstung für Landwirtschaft
5. Medizinische Einrichtungen
8.11.3. Goma, Masisi und die Rutshuru Gegend
In der Region um Goma nahe an Grenze zu Ruanda und Uganda besuchten die
Forscher sechs Dörfer. Bis auf zwei Dörfer waren die Pygmäen in dem Besitz des
Landes auf dem sie lebten. Sie waren entweder schon seit Generationen auf dem
Land, da ihre Vorfahren die Wälder verlassen haben, oder sie waren durch den Krieg
226
gezwungen, ihre Siedlungen im Regenwald zu verlassen. Die Gegend ist noch
immer von militärischen Einheiten besetzt, und es gibt immer wieder Berichte von
Übergriffen an Pygmäen. Die Pygmäen in diesen Dörfern wollen bis auf einige
Ausnahmen nicht mehr zurück in die Wälder, leben aber dennoch in einer sehr
schwierigen Situation. Sie haben keinen Zugang zu Wasser, keine Ressourcen und
keine Ausrüstung, um Landwirtschaft zu betreiben. Ebenso wie in den anderen
Gegenden haben sie keine Möglichkeit auf medizinische Versorgung. Zudem fühlen
sie sich sehr stark von den Bantu diskriminiert Ihre Liste der Prioritäten sah aus, wie
folgt:
1. Land
2. Bessere Häuser
3. Bildung
4. Wasser
5. Medizinische Versorgung579
579
Vgl. Bideri, Clemence, Gergum, Hans Petter (2004). The Pygmies of the Great Lakes. An assessment of the
Batwa/Bambuti Situation in Burundi and Eastern part of the Democratic Republic of Congo and Batwa/Bambuti
Organisations in Bukavu (DRC) and Bujumbura (Burundi), Norwegian Church Aid Occasional Paper Series No
02/2004, S.20ff.
227
9.
NGOs und Projekte zur Hilfe der Pygmäen der DRC
Im folgenden Kapitel werden einige Bewegungen, Projekte und Initiativen nationaler
und internationaler NGOs beschrieben. Aus diesem Grund werden zuerst einige
lokale NGOs und deren Aktivitäten und Initiativen aufgelistet und schließlich ein paar
internationale NGOs, die sich mit den Pygmäen und der Verbesserung ihrer Situation
beschäftigen, beschrieben. Dabei werden auch die Projekte kurz erläutert und die
Ziele bzw. Fortschritte erklärt.580
Die Batwa Organisationen sind seit 1994 in der ständigen Arbeitsgruppe über die
Eingeborenen Völker der Vereinten Nationen aktiv und versuchen, an einer
Verbesserung der Situation für das Volk der Pygmäen sowie einem allgemein
gültigen Regelwerk zu arbeiten. 1998 traten auch die Batwa Organisationen aus der
DRC der Arbeitsgruppe bei und waren bis zu deren Ende 2005 ständige Teilnehmer.
9.1. Ausgewählte Tätigkeiten der Pygmäen
Eine Delegation der Pygmäen aus der DRC forderte in einer Präsentation vor dem
Dauerhaften Forum der Vereinten Nationen für Angelegenheiten der eingeborenen
Völker581:
1. die Weltbank auf, zu erklären, wieso sie sich in einem Projekt zu
unmittelbaren
Unterstützung
Wiedervereinigung (PSURES)
582
der
sozialen
und
ökonomischen
nicht an bestimmte Direktiven für die
Vorgehensweise gegenüber eingeborenen Völker hielt.
2. die PSURES auszusetzen, bis eben dieser Operationsmodus angewandt wird.
3. die Regierung der DRC auf, unmittelbare Maßnahmen einzuleiten, die der
Armut unter den Pygmäen entgegenwirken.
4. die Regierung der DRC auf, eine Analyse einzuleiten, die die Umwelteinflüsse
auf die Pygmäen zu untersuchen, bevor weitere Konzessionen für die
Waldgebiete vergeben werden.
580
Vgl. Lewis, S.7.
Vgl. CAMV (2005). Declaration of the Pygmies’ organization of DRCongo at the 4th session of the United
Nations Permanent Forum for the Indigenous issues in New York, Pygmies Echo, No.18, August 2005, S.7.
582
Projet de soutien d’urgence à la réunification économique. (Anm. d. Autors)
581
228
Es gibt seit einigen Jahren auch Treffen zwischen den jungen Pygmäen aus Ruanda,
Burundi und der DRC in einem der Länder. Dabei werden die aktuellen und
wichtigsten Probleme der Pygmäen erörtert und Theorien zur Beseitigung dieser
besprochen. Diese Treffen finden meist unter der Schirmherrschaft eines
internationalen NGOs statt und werden in Zusammenarbeit mit den lokalen Gruppen
organisiert.
Außerdem sind die Pygmäen mittlerweile immer weitreichender in der Lage, sich zu
organisieren und für ihre Rechte einzutreten. So kam es 2005 zu einem Marsch von
2.300 Pygmäen, die in der Provinz Orientale in der Stadt Isiro für ihre Rechte
demonstrierten. Dies war die erste offizielle Demonstration der Pygmäen. Nach der
Demonstration kam es zu einer offiziellen Kundgebung und der vehementen
Forderung nach mehr Rechten für die Pygmäen.583
Dies sind nur zwei Beispiele für die zunehmende Organisation der Pygmäen. Die
lokalen NGOs sind in großem Maße für diese Organisation mitverantwortlich.
9.2. Lokale NGOs
Trotzdem es in manchen Ländern verboten ist, gelang es in Burundi zu Beginn der
90iger Jahre einigen Pygmäen, sich zu organisieren und eine NGO zu gründen.
Dieser Erfolg zog weitere Gründungen von NGOs mit sich und sukzessive bildete
sich ein Netzwerk von Pygmäen-NGOs, die auch über die Grenzen hinweg
zusammenarbeiteten.584
9.2.1. Centre d’accompagnement des Autochtones pygmees et Minoritaires
Vulnerables (CAMV) 585
Das CAMV wurde am 29. Februar 1995 gegründet und hat seinen Sitz in Bukavu,
einer Stadt in der DRC an der Grenze zu Ruanda. Gegründet wurde es von
gebildeten Bambuti, die einerseits selbst die schwierige Situation der Pygmäen erlebt
haben und andererseits die Leiden anderer Pygmäen beobachten konnten.
583
Vgl. (2004). Declaration of the Pygmies’ organization of DRCongo at the 4th session of the United Nations
Permanent Forum for the Indigenous issues in New York, Pygmies Echo, No.18, August 2005, S.7.
584
Lewis, S.6.
585
Vgl. Bideri, Clemence, Gergum, Hans Petter (2004), S.33ff.
229
Das Hauptziel des CAMV ist die absolute und globale Integration des Volkes der
Pygmäen in die moderne Gesellschaft zu sichern.
Weitere Ziele sind
•
Die Rechte der eingeborenen Pygmäen zu schützen und
zu verteidigen.
•
Die Aufklärung der Pygmäen über ihre Rechte und
Pflichten. Dies soll durch Seminare, Workshops, etc.
geschehen.
•
Den
Pygmäenfamilien
durch
humanitäre
Hilfe
beizustehen.
•
Aktivitäten: Entwicklungshilfe
(Kleidung,
Pflanzen,
Ausrüstung, etc.)
•
Information und Kommunikation (Verfassen von Studien,
etc.)
•
Bildung, Forschung und Training (Die CAMV hat kleine
Büros gegründet, die in verschiedenen Pygmäendörfern,
in denen Freiwillige als Lehrer arbeiten.
•
Arbeit
mit
Themen,
die
mit
Menschenrechten
zusammenhängen.
•
Umweltschutz
•
HIV/AIDS
9.2.1.1. Tätigkeitsbereich
Die Priorität ihres Tätigkeitsbereichs in den östlichen Teilen der DRC und dabei
speziell in der Provinz Süd-Kivu. Allerdings breitet sich ihr Tätigkeitsbereich immer
weiter Richtung Norden aus und es bestehen bereits Komitees der CAMV in der
Provinz Nord-Kivu. Das CAMV ist eine nationale Organisation, die in der ganzen
DRC tätig ist und hat auch regen Kontakt mit Organisationen in Brunundi.
230
9.2.1.2. Netzwerk
Die CAMV verfügt über lokale, regionale und internationale Partner und verfügt somit
über ein sehr fundiertes Netzwerk.
Lokale Partner: CARITAS, RAPY (Netzwerk der Pygmäen für die östliche DRC)
Regionale Partner: IPACC586 (Südafrika), CAURWA587 (Ruanda)
Internationale Partner: MRG588–UK, Rainforest Foundation – UK, ICCO589 (Holland),
Front Line (Irland),
9.2.1.3. Finanzierung
Die CAMV finanziert sich grundsätzlich selbst und bekommt nur geringe
Förderungen von internationalen Sponsoren. Die Finanzierung des NGOs wird auch
intern überprüft und überwacht. Die Finanzierung kann nach Anspruch geändert
werden.
9.2.1.4. Analyse der Arbeit
NCA hat in einem Report das CAMV als eines der wichtigsten und glaubwürdigsten
NGOs, die sich mit Pygmäen beschäftigen, eingestuft. Durch die jahrelange Arbeit
gelang es dem CAMV sich in den Siedlungsgebieten der Pygmäen zu etablieren. Die
Organisation wird auch unter den Pygmäen angesehen und geschätzt, weil sie ihnen
in der Vergangenheit helfen konnten. Zudem wurde das CAMV als glaubwürdig
hinsichtlich ihres Hauptzieles eingestuft. Dies ist deshalb von großer Bedeutung, weil
der Unterschied zwischen Integration und Assimilation oft nicht beachtet wird. Die
Arbeit des CAMV wird hinsichtlich dieser Frage als eindeutig integrativ und somit
Kultur erhaltend eingestuft. Einziger Kritikpunkt der NCA ist die mangelnde
Transparenz im finanziellen Bereich, da es keine externe Kontrolle der Finanzierung
gibt.
586
Indigenous People of Africa Coordinating Committee. (Anm. d. Autors)
Rwandese Community of Indigenous People Organisation. (Anm. d.Autors)
588
Minority Rigths Group (Anm. d. Autors)
589
Interchurch organisation for development co-operation. (Anm. d. Autors)
587
231
9.2.2. Union Pour L’emancipation de la Femme Autochtone (UEFA) 590
Die Etablierung der UEFA war zu Beginn sehr schwierig, da von vielen Männern
nicht toleriert bzw. akzeptiert wurde, dass die NGO sich nur für die Frauen einsetzt.
Die UEFA wurde 1998 gegründet und beschäftigte sich mit Themen wie Gesundheit,
Hygiene und Alphabetisierung. Ein Projekt für Mikro-Kredite scheiterte an
Missverständnissen und zu wenig Information. Andere Projekte scheiterten meist an
der Sabotage und den Attacken der Interahamwe. Ihre Zielgruppe sind die BambutiFrauen in Süd-Kivu.
Ihre Ziele sind:
•
Wieder stärker Bewusstscheinschaffung auf der Ebene der Basis
insbesondere unter Frauen.
•
Unterstützung der sozioökonomischen, legalen und kulturellen
Initiativen für Frauen in der DRC und in Afrika generell.
•
Aufklärung über die Möglichkeiten der gegenseitigen Hilfe unter
Eingeborenenfrauen,
•
Diskriminierung der Bambuti-Frauen
•
Unterstützung langfristiger Entwicklungshilfeprojekte
•
Schaffung von Plattformen auf denen sich Eingeborenenfrauen
Gehör verschaffen können.
•
Mutter/Kind Schutz
Neben aktiver Entwicklungshilfe im Bereich des Aufbaus von Schulen, Unterstützung
bei
der
Umstellung
der
Wirtschaft
auf
Viehzucht
und
Hilfe
bei
der
Handarbeitsproduktion, arbeitet die UEFA auch an der aktiven Aufklärung der
Pygmäen über die respektive ihre Menschenrechte. Zudem arbeiten sie speziell mit
Frauen die Opfer von Gewalt wurden – auch innerhalb der Gesellschaft der
Pygmäen bzw. ihrer eigenen Männer.
590
Vgl. Bideri, Clemence, Gergum, Hans Petter (2004), S.35ff.
232
9.2.2.1. Tätigkeitsbereich
Die UEFA hat Büros in Kinshasa, Bukavu und Goma. Sie haben einige Beobachter in
unterschiedlichen Dörfern der Pygmäen. Ihr Hauptzielgebiet ist die Provinz Süd-Kivu.
9.2.2.2. Netzwerk
Das Netzwerk der UEFA ist nicht sehr groß. Es gibt nicht viele Kooperationen.
Hauptpartner ist RAPY591 aus Ruanda.
9.2.2.3. Finanzierung
Die UEFA hat ihre eigene Finanzverwaltung und übermittelt jedes Jahr einen
kontrollierten Bericht über die finanziellen Tätigkeiten der UEFA. Sie werden als
solide Organisation akzeptiert und haben eine solide finanzielle Basis.
9.2.2.4. Analyse der Arbeit der UEFA
Die NCA stuft die Arbeit der UEFA als sehr wichtig für die Stärkung der Pygmäen
ein, da sich die Organisation primär mit den Frauen beschäftigt. Die Mitarbeiter und
Koordinatoren werden als sehr engagiert eingestuft. Außerdem sieht die Analyse die
Inhalte als essentiell für die Entwicklung der Frauenrechte an und die Organisation
an sich als finanziell gesichert und fundamentiert.
591
Reseau des Associations Autochtones Pygmees – Network of Pygmy Indigenous Organisations. (Anm. d.
Autors)
233
9.2.3. Programme d’Integration et de development du peuple Pygmee au Kivu
(PIDP) 592
Das PIDP, das sich mit Gleichberechtigung, Gerechtigkeit und Entwicklung für die
Bambuti beschäftigt, wurde 1991 gegründet. Die Organisation publiziert alle drei
Monate einen Rundbrief und betreibt eine Radiosendung. In dieser Sendung, die
„Die Stimme der Vergessenen“ heißt wird jeden Montag in Französisch gesendet
Jeden Freitag wird eine Sendung für die Bambuti in Swahili gesendet.
Die Ziele dieses NGOs sind einerseits die Stärkung und der Schutz der Rechte und
der Interessen andererseits und die Anerkennung der Rechte der Bambuti. Des
Weiteren sollen die Pygmäen in einen sozioökonomischen Entwicklungsprozess
integriert werden.
Um diese Ziele zu verwirklichen, unterstützt das PIDP die Pygmäen hinsichtlich der
Wahrung und der Information über ihre Rechte. Es gibt einige Projekte im Bereich
Gesundheit, Hausbau, Bildung und Unterstützung bei Vieh- und Landwirtschaft.
Zudem ist das PIDP auch im Umweltschutz aktiv, um den Lebensraum der Pygmäen
zu erhalten. Ihr Tätigkeitsgebiet ist in Süd- und Nord-Kivu und Maniema tätig.
Das PIPD greift auf ein weltweites aber auch lokales Netzwerk zurück, um bei den
Projekten Unterstützung zu finden. Lokal und regional arbeiten sie mit anderen
NGOs zusammen, die sich mit Minderheitenschutz und speziell den Pygmäen
beschäftigen. Internationale Partner findet das PIDP sowohl in INGOS wie auch IOs.
9.2.3.1. Finanzierung:
Die PIDP hat eine eigene Buchhaltung und übermittelt Berichte über ihren
finanziellen Status und haben, wenn es verlangt wird, externe Prüfer.
592
Vgl. Bideri, Clemence, Gergum, Hans Petter (2004), S.38ff.
234
9.2.3.2. Analyse der Arbeit der PIDP
Durch die organisatorischen Probleme, die es immer wieder innerhalb der
Organisation gab, entstanden Spannungen in den Beziehungen zwischen
dem PIDP und den anderen Organisationen. Zudem wird es als kritisch
angesehen, dass das PIDP nicht Mitglied des RAPY-Netzwerks ist, welches
unter den Pygmäen sehr hohes Ansehen genießt. Allerdings konnte seitens
des PIDP kein Grund genannt werden, wieso man die Mitgliedschaft
zurückzog.
9.3. Internationale NGOs
9.3.1. Pygmee Kleinood593
Diese NGO ist in Holland ansässig und arbeitet seit 1989 mit den Pygmäen in der
DRC. Dabei arbeiten die Mitarbeiter durch regelmäßige Besuche und Initiativen mit
lokalen Unterstützern und Sympathisanten eng zusammen. Diese Unterstützung ist
auch essentiell für den Erfolg der Arbeit der NGO, da sie sehr klein ist. Durch das
große Wissen, dass die Mitarbeiter im Laufe der Jahre über die Pygmäen, der
Lebensweise und Kultur erwerben konnten, sind sie auch für viele andere größere
NGOs wichtige Ansprechpartner und ein wichtiger Bestandteil des Netzwerks für
Pygmäen.
Die Projekte beziehen sich auf die Bildung der Pygmäen im Erwachsenenbereich
und für Kinder, und die Information über die Möglichkeiten und Rechte, eine
Organisation auf der Ebene der Basis zu schaffen. Auch medizinische Unterstützung
ist eines der wichtigsten Projekte, ist aber aufgrund der mangelnden Medikamente
und speziell aufgrund der finanziellen Lage sehr schwierig effizient durchzuführen.
Ein weiteres sehr großes Projekt, das in den letzten Jahren immer mehr an
Bedeutung
gewonnen
hat,
ist
der
Kampf
gegen
die
immer
schneller
voranschreitende Abholzung des Regenwaldes und somit der Zerstörung des
Lebensraumes der Pygmäen.
Die NGO Pygmees Kleinood arbeitet, neben den internationalen NGOs, auch sehr
eng mit einem Informationszentrum CIDOPY in Goma zusammen, mit dem sie auch
in verschiedenen Projekten kooperieren.
593
Vgl. Pygmeen Kleinood, Generelle Information.
235
Die Probleme, mit denen die NGO zu kämpfen hat, sind neben der Finanzierung die
häufige Unwissenheit und die Schwierigkeiten bei der Zusammenarbeit mit den
Pygmäen. Vielfach, so der Leiter des Institutes, sei zu beobachten, dass die
Entwicklungshelfer oder Projektplaner kein Wissen über die Lebensweise der
Pygmäen hätten und aus diesem Grund nicht effizient mit ihnen zusammenarbeiten
könnten.
9.3.2.Rainforest Foundation – UK (RF) 594
Die RF hat mehrere Projekte in den Ländern des zentralen Afrikas, um die Pygmäen
zu unterstützen und den Regenwald zu schützen. Eines der Projekte wurde 2003 mit
lokalen NGOs zusammen gestartet, und hieß „Strengthening the Rights of the Pygmy
People in Cameroon, Republic of Congo and DRC“.
Im Rahmen dieses Projektes gab es große Initiativen, um die Situation der Pygmäen
auf allen Ebenen und Problembereichen, mit denen die Pygmäen zu kämpfen haben,
zu verbessern. Neben der Zusammenarbeit mit den lokalen Partnern kam es im
Rahmen dieses großen Projektes zu intensiver Unterstützung von 40 lokalen NGOs
für deren Projekte.
In einer Analyse des Projektes kam es zu Verbesserungen in einigen Bereichen:
•
Erweiterung des Wissens und Bewusstseinsbildung über die Rechte des
Volkes der Pygmäen unter der verschiedenen Akteuren und den Pygmäen
selbst.
•
Teilweise Änderungen der Wahrnehmungen und Einstellung zu den Pygmäen.
•
Vielfache Installation von effektiven Mechanismen zum Schutz der Rechte der
Pygmäen.
•
Stärkung
der
Möglichkeiten
der
lokalen
NGOs
und
Eingeborenenorganisationen.
•
Information über den Gesetzeskodex über den Regenwald.
•
Beginn der Verzeichnung der Pygmäengemeinschaften auf den Karten.
•
Größere Miteinbeziehung der lokalen NGOs in die Projektplanung.
•
Intensiveres Lobbying im internationalen Bereich.
594
Diese Liste lässt sich sowohl bei den NGOs wie auch bei den IOs noch länger fortsetzen. Hier sind nur einige
Beispiele angeführt. (Anm. d. Autors)
236
Trotz geringer Fortschritte in den oben angeführten Bereichen gibt es nach wie vor
noch sehr viel Handlungsbedarf bezüglich der Rechte der Pygmäen in den
zentralafrikanischen Ländern. In allen Bereichen besteht weiterhin sehr großer
Rückstand auf die anderen ethnischen Gruppen. Die Diskriminierung der Pygmäen
ist weiterhin tagtäglich offensichtlich und die Rechte werden vielerorts weiterhin
ignoriert.595
Es gibt noch weitere zahlreiche internationale NGOs und IOs, die sich mit dem
Schutz der Pygmäen beschäftigen. Einige dieser NGOs sind, IPACC (Südafrika),
Forest People Project oder Survival International. Die Internationalen Organisationen
sind neben der Vereinten Nationen die EU, FAO, UNESCO oder die Weltbank.
595
Vgl. Asfaha, Shoa (2006). Strengthening the Rights of Pygmy People in Cameroon, Republic of Congo and the
Democratic Republic of Congo, Rainforest Foundation, May 2006, S.5ff.
237
10. Analyse
Eine Tatsache überschattet die Diskussion der Wissenschaft sowie der nationalen
und internationalen Gemeinschaft seit Beginn der Diskussion um die Minderheiten im
16.Jahrhundert vor ein Problem, nämlich: „Wie lautet die Definition für Minderheit?“.
Über die Jahre hat sich die Definition von Minderheit stark gewandelt bzw. wurde
verbreitert und damit nicht unbedingt spezifischer. Wurde ersten Jahrhunderten nach
dem erstmaligen vorsichtigen Antasten der Diskriminierung von Volksgruppen der
Begriff Minderheit noch sehr vorsichtig und in Zusammenhang mit dem Grund für die
Diskriminierung, etwa Religion oder Sprache, genannt, so versuchte man im letzten
Jahrhundert eine allgemein gültigere Definition zu schaffen. Um es vorweg zu
nehmen, diese Aufgabe ist meiner Meinung nach aus mehreren Gründen
gescheitert.
Viele Wissenschafter haben versucht Kriterien aufzustellen, die allgemeine Gültigkeit
haben und eine Minderheit als solche zu definieren. Trotz Definitionen, die zwar
anerkannt sind, weil sie der Vorstellung einer Definition am nächsten kommen, gibt
es keine allgemein gültige bzw. keine definitiven Kriterien, die zur Bestimmung der
Minderheiten dienen. Die am meisten anerkannten Definitionen versuchen zwar eine
umfassende und generelle Definition von Minderheiten zu geben, doch das ist
meiner Meinung nach nicht gelungen. Es gibt unzählige Minderheiten rund um den
Globus und dadurch ist es nur schwer möglich vier oder fünf Kriterien zu bestimmen,
die eine Minderheit definieren. Dabei sind grundsätzlich nicht die Kriterien an sich
unzutreffend, sondern man muss die Analyse und Eigenschaften eine Ebene tiefer
ansetzen. Die Merkmale, die Minderheiten, um sie umfassend und generell zu
gestalten, müssen in verschiedene Kategorien aufgespaltet und restrukturiert
werden. Am Ende dieser Studie wird ein Versuch unternommen, dies zu tun, wobei
darauf hingewiesen werden muss, dass diese, von mir erstellten Definitionskriterien
auch keine allgemeine Gültigkeit besitzen. Diese Merkmale erschienen mir als
logische und passend hinsichtlich der hier durchgeführten Analyse der Situation der
Pygmäen. Zudem wird versucht die Definitionskriterien möglichst allgemein gültig zu
bestimmen.
Das Thema Minderheitenschutz hat sich im Laufe der Jahrhunderte parallel mit dem
Begriff entwickelt, was bedeuten soll, sehr langsam und unbestimmt. Die ersten
Bestrebungen,
Minderheiten
zu
schützen
bezogen
sich
nur
auf
religiöse
238
Minderheiten. Später kamen nationale Minderheiten hinzu. Erste Versuche einer
allgemeinen Rechtsgrundlage zum Schutz von Minderheiten wurden im Rahmen der
Gründung des Völkerbundes unternommen. Diese scheiterten ebenso wie spätere
Versuche in den Vereinten Nationen oder anderen internationalen bzw. regionalen
Staatenbünden. Die Verabschiedung der Menschenrechtscharta durch die Vereinten
Nationen ist als Erfolg einzustufen kann aber nicht spezifisch auf Minderheiten
angewandt werden. Dies ist ein allgemein gültiger Rechtskatalog, welcher alle
Menschen umfasst. In Bezug auf Minderheiten muss jedoch in vielen Fällen auf die
jeweiligen Umstände Rücksicht genommen werden, welche es oft verlangen, dass
diese Gruppen geschützt werden.
Erst durch den Internationalen Pakt über die zivilen und politischen Rechte wird das
Thema Minderheiten, wenn auch nicht wirklich zentral, behandelt. Die Vereinten
Nationen
intensivierten
ihre
Arbeit
in
den
80iger
Jahren
und
gründeten
Arbeitsgruppen und Kommissionen, die sich mit dem Schutz von Minderheiten
beschäftigen.
Ein
Grund,
warum
es
keine
allgemeine
Regelung
zum
Minderheitenschutz gibt, ist die Tatsache, dass die Definition, die in den
Diskussionen der Vereinten Nationen verwendet wird, nicht von allen anerkannt wird.
Ebenso sind die Staaten oft sehr unterschiedlich gewillt, Souveränität abzugeben,
wodurch sich nur sehr schwer eine Einigung zum Thema Minderheiten erzielen lässt.
Neben den Bemühungen der Vereinten Nationen gab es auch in Afrika Abkommen
über Minderheitenschutz. Diese Rechte wurde allerdings nicht explizit in einer
Deklaration für den Schutz von Minderheiten festgelegt, allerdings gab es eine
Erklärung über die Rechte der Menschen, worin auch Paragraphen verankert, die
sich mit den Rechten der Minderheiten beschäftigen. Dieses Abkommen ist von allen
afrikanischen Staaten, mit Ausnahme Marokkos, angenommen worden. Trotzdem ist
dies kein effektives Organ, das dem Schutz von Minderheiten dient. Es ist eine
Institution, die sich zwar Verletzungen bezüglich der Menschenrechte erkennen und
feststellen kann, hat aber keinerlei Sanktionsmandat. Die Rechte für die
Minderheiten im Abkommen der Afrikanischen Union sind zwar verankert, aber es
gibt keine wirksamen Mechanismen, um deren Einhaltung zu überprüfen.
Diese mangelnde Effektivität im Bereich Minderheitenschutz hängt klar mit dem
Fehlen einer allgemeinen Definition des Begriffs zusammen. Es ist schwierig etwas
zu schützen, von dem man nicht weiß, was es wirklich ist. Es steht nach wie vor den
Staaten frei, eine eigene Definition für sich zu finden und leider geschieht das oftmals
239
sehr subjektiv. Der Status einer Minderheit wird in vielen Fällen von Fall zu Fall
entschieden bzw. verliehen, wodurch nicht alle Gruppen, die vielleicht andere
Kriterien als die geforderten erfüllen, die sie ebenso zu einer Minderheit machen
würden, geschützt werden. Diese Problematik bestätigt die erste Hypothese, die
dieser Studie zugrunde liegt, wonach es keinen effizienten Minderheitenschutz bzw.
kein Regelwerk hinsichtlich dieses gibt, da bisher keine allgemein anerkannte
Definition des Begriffs Minderheit entworfen werden konnte.
Die Demokratische Republik Kongo, auch ein Mitglied der Afrikanischen Union, gilt
als eines der gefährlichsten und am meisten zerrütteten Länder der Welt. Die lange
Geschichte als Kolonialstaat Belgiens und die damit verbundene Ausbeutung
hinterließen bis heute ihre Spuren.
Mit der Machtübernahme von Mobutu begannen drei Jahrzehnte Diktatur, die von
Ausbeutung, Menschenrechtsverletzungen und Korruption geprägt waren. Während
dieses Regimes durchlief das Land mehreren Richtungswechsel hinsichtlich ihrer
politischen Strategien unterzogen. Nachdem Mobutu sich ursprünglich als Retter der
Nation – für den er sich bis zu seinem Tod 2003 hielt – gab und eine Politik einführte,
die wieder auf die Wurzeln der afrikanischen Traditionen setzte und die Wirtschaft
verstaatlicht wurde, wechselte er aufgrund internationaler Einflüsse gegen Ende
seiner Amtszeit zu einer liberaleren Politik. Diese Wandlung der Politik leitete auch
den Prozess der Transition, wie er theoretisch definiert wird, ein. Mobutu war durch
eine schwächer werdende Machtposition, sowohl aufgrund externer wie interner
Faktoren,
eine
teilweise
Liberalisierung
einzuleiten.
Dadurch
wurde
ein
Transitionsprozess begonnen, der sich in mehrere Phasen gliederte.
Mobutu wurde durch einen Militärputsch, der unblutig durchgeführt wurde, als
Präsident abgesetzt, und sein Nachfolger war Laurent Desirée Kabila. Auch unter
seiner
Herrschaft
kam
es
zu
keiner
realen
Verbesserung,
was
die
Menschenrechtssituation sowie die allgemeine Situation im Land betraf. Da diese
erste Phase bzw. der erste Versuch eines Systemwandels im Kongo nicht von Erfolg
gekrönt war, wurde durch den Versuch der militärischen Machtübernahme und dem
Ausbruch des zweiten Kongokrieges die zweite Phase der Transition eingeleitet.
Während des Krieges und nach dem Scheitern der ersten Friedensbemühungen, die
sehr stark von internationalen insbesondere afrikanischen Akteuren eingeleitet
wurden. fiel L.-D. Kabila einem Attentat zum Opfer und sein Sohn wurde als
Präsident eingesetzt. Die Bevölkerung hoffte auf einen schnellen erfolgreichen
240
Friedensprozess, da der Kongo zu diesem Zeitpunkt sehr stark zerrüttet und von den
Auswirkungen des Krieges gezeichnet war. Dies stellte sich allerdings als sehr
langwierig heraus, weil die Allianzen, die sich in der Zwischenzeit auf beiden Seiten
bebildet haben, durch ihre unterschiedlichen Forderungen nur schwer einigen
konnten. Schließlich kam es durch die Vermittlung Südafrikas und der Afrikanischen
Union zu einer Übereinkunft, die den Truppenabzug der Invasoren vorsah. Diese
Einigung stellte den Übergang in die dritte Phase der Transition dar. Die
Verhandlungspartner einigten sich auf eine Transitionsverfassung und -regierung, die
ihre Arbeit aufnehmen und den Staat auf die ersten freien Wahlen vorbereiten sollte.
Zudem arbeitete man innerhalb der neuen Regierung an einer neuen Verfassung, die
Ende 2005 in einem Referendum mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde.
Diese Verfassung trat dann im Februar 2006 in Kraft. Die Wahlen, die schließlich im
Herbst 2006 stattfanden und die Regierung, die zu Beginn 2007 ihre Arbeit aufnahm
bedeuteten
allerdings
nicht,
wie
vielfach
angenommen
das
Ende
der
Transitionsperiode. Die Theorie geht davon aus, dass die Institutionen, die neu
gegründet werden, effektiv und legitim arbeiten müssen, um eine Demokratisierung
zu gewährleisten. Im Fall des Kongo ist dies allerdings noch nicht vollständig
gegeben. Die Institutionen sind bisher nominell, weil das Prozedere und die
Aufgabenverteilung sowie die Besetzung nach demokratischen Prinzipien verlief.
Allerdings ist die Regierung nicht in der Lage auf dem gesamten Staatsgebiet ihre
Macht auszuüben. Dadurch ist sie in ihrer Handlungsfreiheit und Souveränität
eingeschränkt. Diese Tatsache macht deutlich, dass der Demokratisierungsprozess
noch nicht abgeschlossen ist und sich die DRC nach wie vor im Transitionsprozess
befindet.
Diese Umstände bzw. diese Situation deckt sich mit den Annahmen in den
Hypothesen zwei und drei, die dieser Arbeit zugrunde liegen, wodurch diese
verifiziert werden können.
Dass Kabila versuchte, die DRC wieder international zu etablieren und die Kontakte
und Unterstützung der internationalen Akteure für die Stabilisierung des Landes zu
bekommen, zeigte sich bereits vor seiner Wahl während der Übergangsphase
deutlich. Der internationale Einfluss in der DRC ist seit dem Beginn der
Friedensverhandlungen wieder
Unterstützungen
der
verstärkt worden. So gab es Zusagen für
Weltbank
und
des
IMF,
bei
erfolgreichen
Friedensverhandlungen.
241
Auch die Vereinten Nationen sind in der DRC seit Ausbruch des Krieges 1998 mit
einer Mission namens MONUC vor Ort. Diese Mission umfasst mittlerweile mehr als
18.000 Soldaten und wurde erst kürzlich verlängert. Dabei ist neben der
Stabilisierung und Überwachung der Situation, die Demilitarisierung der Milizen in
den östlichen Urwaldregionen eine zentrale Aufgabe der MONUC-Truppen.
Die internationale Gemeinschaft ist an einem Wiederaufbau des Kongo interessiert
und bemüht sich auch um diesen. Allerdings ist die Unterstützung an die eigene
Initiative der Machtinhaber in der DRC gebunden. Man will dabei seitens der
internationalen Akteure in der Lage sein, sich ohne großen Protest zurückziehen zu
können, wenn sich die Lage wieder verschlechtert. Zusätzlich zu den wirtschaftlichen
Hilfen unterstützt die UN-Friedensmission die kongolesische Regierung auf ihrem
Territorium. Diese Mission jedoch ist seit Beginn durchwachsen und zeigt ebenso die
Unsicherheit der internationalen Akteure, im Kongo aktiv zu werden.
Grundsätzlich ist durch diese Fakten die Hypothese fünf zu verifizieren.
Die Regierung Kabila jun. hat auch mit Hilfe der neuen Verfassung einige
Reformpläne, die sich allerdings in vielen Fällen nur schleichend umsetzen lassen.
Trotz der Mehrheit im Parlament und der Beschlussfähigkeit ist die politische
Landschaft nach wie vor instabil, weil sie aus Koalitionen besteht, die teilweise auch
nicht als sehr stabil angesehen werden können. Ein weiterer Grund für die Probleme
bei der Regierungsarbeit ist, dass die Staatsgewalt, wie bereits erwähnt, nach wie
vor nicht über das ganze Staatsgebiet ausgeübt werden kann. In vielen Gebieten, vor
allem im Osten verschanzen sich weiterhin viele Milizen aus Uganda und Ruanda
sowie Rebellengruppen. Diese kontrollieren viele Gebiete, wodurch die Verwaltung
dieser Gebiete seitens der Regierung sehr schwierig ist.
Die Situation der DRC ist geprägt von sozialen Problemen der Bevölkerung.
Allerdings ist es durch die Größe des Landes und die große Bevölkerung schwer die
gesamte Auswirkungen und die Situationen nur schwer zu analysieren. Ebenso
lassen die Zahlen über Bildung und medizinische Versorgung aus den letzten Jahren
auf eine nach wie vor sehr schlechte Situation schließen. Auch die Tatsache, dass
die Regierung erst seit einem halben Jahr offiziell im Amt ist und die
Übergangsphase von vielen Machtkämpfen geprägt war, trägt zur nach wie vor
schlechten sozialen Situation innerhalb der DRC bei. Ob diverse Initiativen der
Regierung Wirkung zeigen wird sich erst in den Jahren untersuchen lassen, da es an
aktuellen Statistiken und Zahlen mangelt.
242
Somit ist die Hypothese sechs deutlich zu verifizieren.
Die neue Verfassung sieht auch den Schutz von Minderheiten hinsichtlich ihrer
Sprache und Kultur vor. Allerdings werden darin keine Schutzmechanismen an sich
beschrieben. Das bedeutet, dass alle Kongolesen, die einer Minderheitengruppe
angehören, das Recht auf die freie Ausübung ihre Kultur haben, ohne deswegen
diskriminiert zu werden. Schwierig hierbei ist der Begriff Kongolesen. Dies legt nahe,
dass nur Staatsbürger von diesem Schutz betroffen sind. Die fehlende Definition
lässt auch hier sehr viel Spielraum für Interpretationen.
Dieser Teil unterliegt einer persönlichen Analyse der Verfassung des Autors und ist
nicht wissenschaftlich fundiert, da die Regierung noch zu kurz im Amt ist, um
nennenswerte Ergebnisse erkennen zu können. Aufgrund dieser Interpretation der
Verfassung ist die Hypothese sieben grundsätzlich zu verifizieren.
Eine ethnische Gruppe bzw. ein Volk, das in diese Grauzone der Verfassung fällt
sind die Pygmäen. Die Pygmäen sind ein Volk, das aus unterschiedlichen Stämmen
besteht und sich auf mehrere Länder Zentralafrikas, in denen es Regenwalgebiete
gibt, verteilt.
Die Kultur der Pygmäen zeichnet sich durch eine Art Symbiose mit dem Regenwald
aus, da sie alles, was sie zum Leben brauchen, darin finden können. Außerdem ist
die
Gesellschaft
auf
beinahe
absolute
Gleichberechtigung
ihrer
Mitglieder
unabhängig von Geschlecht und Alter aufgebaut. Innerhalb eines Pygmäendorfes
gibt es auch kein Oberhaupt, das heißt Macht im herkömmlichen Sinne ist nicht
bekannt. Das Oberhaupt einer Gemeinschaft ist nur ein aufgrund seiner Erfahrung
angesehener Dorfbewohner, der ausschließlich als moralischer Berater dient. Wenn
Führungsrollen vergeben werden, so geschieht dies ausschließlich temporär und für
spezifische Bereiche. Ebenso wird in den Dörfern basisdemokratisch entschieden,
wodurch jedes Mitglied der Gemeinschaft den gleichen Stellenwert hat. Diese
Konsensentscheidungen sind institutionalisiert und vermutlich das, unserem
Verständnis von Politik am nächsten kommende, Element der Kultur der Pygmäen.
Vielfach besteht keine Bildung und existiert kein Wissen bzw. Verständnis über
politische Prozesse und Vorgehensweisen. Dadurch haben die Pygmäen auch keine
Vorstellung, wie das größere System, in dem sie sich befinden funktioniert. Teilweise
besteht auch kein Interesse dies zu ändern, da sie in ihren Subsystemen und mit
ihren traditionellen Lebensweise bisher erfolgreich waren, wodurch sie keinen Grund
243
sehen, das ändern zu wollen. Diese Ansicht hängt allerdings unmittelbar mit dem
Bildungsgrad zusammen, denn Pygmäen, die in den Genuss von einer höheren
Bildung gekommen sind – und davon gibt es nach wie vor erschreckend wenige –
erkennen den unmittelbaren Zusammenhang der Situation der Pygmäen mit deren
mangelnden Verständnis des Systems. Mangelnde Bildung ist auch der Grund für die
Schwierigkeiten, die eigenen Interessen zu kommunizieren. Dadurch ist eine
Verbesserung der Situation zusätzlich erschwert.
Dies verifiziert Hypothesen acht und neun.
Es gibt Unterscheidungen zwischen den verschiedenen Stämmen der Pygmäen.
Diese sind einerseits sprachlich und andererseits in der Lebensweise begründet.
Viele der Pygmäen, die nicht in der DRC siedeln gehen anderen Lebensformen
nach. Teilweise sind die Pygmäen auch in die Gesellschaft assimiliert, wobei diese
Initiativen oft von den Stämmen selbst ausgingen, da sie ihre traditionelle
Lebensweise nicht mehr ausüben konnten. Weitere Unterschiede liegen in diversen
Riten und Jagdformen. Allerdings ist die Verbindung der Pygmäen zum Wald sehr
traditionell und viele Stämme und Dörfer nach wie vor essentiell.
Es besteht ein Selbstverständnis als Pygmäen, aber diese kulturellen und
sprachlichen Unterschiede erschweren eine wirkliche Homogenität. Vielfach spielt
auch das mangelnde oder Nicht-Wissen über die Situation und die Tatsache, dass
die anderen Stämme mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind dazu, dass die
Organisation erschwert wird. Es gibt Organisationen und Gruppierungen auch von
Seiten
der
Pygmäen
selbst,
allerdings
haben
diese
mit
erheblichen
Kommunikationsproblemen zu kämpfen und schaffen es nur schwer, sich zu
koordinieren. In manchen Fällen mangelt es auch an Unterstützung, weil die
Situation in den verschiedenen Ländern Zentralafrikas unterschiedlich ist. In
manchen Ländern sind die Pygmäen bereits teilweise integriert bzw. wurden
assimiliert, wodurch sie sich in einer anderen Situation befinden als andere Stämme
in Nachbarländern.
Die Pygmäen, die in der DRC leben kämpfen mit erheblichen Problemen, ihre Kultur
erhalten zu können. Viele Dorfgemeinschaften wurden von dem Land, das sie seit
Generationen, teilweise sogar seit Jahrhunderten, bewohnen, vertrieben. Sie wurden
gezwungen, neue Lebensweisen anzunehmen, wodurch viele als Bauern, Töpfer,
Handwerker oder Fischer arbeiten und versuchen, ihren Lebensunterhalt zu
verdienen. Durch diese neuen Lebensweisen waren intensiver mit der restlichen
244
Bevölkerung konfrontiert, die starke Vorurteile gegen die Pygmäen hegt und sie
dementsprechend diskriminiert. Viele der Pygmäen arbeiten, nachdem sie von ihrem
Land vertrieben wurden, als Tagelöhner und Knechte.
Die unterschiedlichen und neuen Lebensweisen führen sehr oft auch zu
innergemeinschaftlichen Konflikten. Viele Pygmäen haben Schwierigkeiten mit ihrer
eigenen Identität, die sie im Laufe der Geschichte immer wieder änderten. Von
Jägern und Sammlern wurden sie teilweise zu Handwerkern, zu Bauern oder
Töpfern. Allerdings war es ihnen durch Diskriminierung teilweise auch nicht möglich,
diese Berufe auszuüben bzw. ihren Lebensunterhalt dadurch zu bestreiten. Die
veränderten Identitäten führten auch innerhalb der Dörfer zu Differenzen, da die
Männer ihre Rolle als Haupternährer der Familie teilen mussten bzw. teilweise
verloren. Aus diesem Grund fühlten sich viele Pygmäenmänner nutzlos und suchten
Trost im Alkohol, was zu weiteren Problemen führte. Viele Familien sind zerrüttet
oder zerbrochen, und die Pygmäen scheitern zusehends daran, ihre eigene Identität
zu finden.
Dadurch werden durch diese Argumentation die Hypothesen neun und zehn
verifiziert.
Als vielleicht größtes Problem neben der Diskriminierung und als Basis aller anderen
Benachteiligungen und Verweigerung aller Rechte ist die Staatsbürgerschaft. In der
DRC gelten die Rechte für alle Staatsbürger, die im Besitz eines Personalausweises
sind. Die Pygmäen, die oft nicht über ihre Rechte aufgeklärt sind, verfügen aus
mehreren Gründen sehr selten über eine Staatsbürgerschaft. In vielen Fällen sind die
Verwaltungsbehörden zu weit von ihren Siedlungsgebieten entfernt. Zudem fehlen
ihnen oft die nötigen Unterlagen bzw. das nötige Geld. Oft wird ihnen die Ausstellung
eines Ausweises auch einfach verweigert. Da viele Pygmäen keinen Ausweis
besitzen, wird sehr oft damit argumentiert, dass ihnen offiziell keine Rechte
zustünden, weil sie keine Staatsbürger der DRC sind.
Der Ausweis und die damit verbundene Anerkennung als Staatsbürger ist auch die
einzige Möglichkeit sich Zugang zum politischen System zu verschaffen. Eine
Registrierung für Wahlen und Abstimmungen ist nur für Bürger der DRC möglich. Es
gibt keine Repräsentanten der Pygmäen auf der politischen Ebene, weder national
noch regional. Viele der Pygmäen interessieren sich nicht für Politik oder sie
resignieren und gehen nicht zu den Wahlen bzw. lassen sich nicht nominieren, weil
sie sich keine Chancen auf einen Gewinn ausrechnen.
245
Die Pygmäen haben kaum Zugang zu Bildung, Arbeit und medizinischer Versorgung.
Sie werden aus ihren Lebensräumen vertrieben und haben keinen Anspruch auf das
Land, obwohl sie es seit Jahrhunderten bewohnen. Ihnen werden ihre Rechte
verweigert, weil sie in vielen Fällen keine offiziellen Staatsbürger der DRC sind.
Zudem sind sie Opfer von Diskriminierungen seitens der restlichen Bevölkerung, die
von Vorurteilen gestützt werden. Die Pygmäen der DRC erfüllen mehrere der, in
dieser Arbeit verwendeten, Kriterien zur Definition von Minderheiten. Dadurch ist
festzuhalten, dass das Volk die Voraussetzungen für die Einstufung als Minderheit in
mehreren
Bereichen
erfüllt,
allerdings
verhindert
die
vielfach
fehlende
Staatsbürgerschaft und die mangelnde Definition einer Minderheit seitens der
Regierung des Kongo einen solchen Status und die damit verbundene Zuerkennung
der Rechte.
Dadurch ergibt sich die Verifizierung der Hypothese elf.
10.1. Persönliche Einschätzung
Im Bereich Minderheitenschutz ist beinahe in jedem Land der Welt ein großer
Handlungsbedarf. In der heutigen Gesellschaft ist Migration ein erheblicher
Bestandteil der Kommunikation und Entwicklung auf internationaler Ebene. Durch
diese Migration entstehen Bevölkerungsgruppen, die sich aufgrund der Fremdheit in
dem Land, in das sie emigriert bzw. immigriert sind, primär zu anderen Mitgliedern
ihres Heimatlandes respektive ihrer kulturellen Wurzeln orientieren. Durch diese
Zusammenschlüsse entstehen neue Gruppen und Teile der Bevölkerung, die als
Minderheiten
angesehen
und
dementsprechend
behandelt
werden.
Diese
Behandlung sieht in vielen Ländern Westeuropas zwar eine relative Gleichstellung
gegenüber der restlichen Bevölkerung des Staates – in manchen Fällen bestehen
auch Rechte bezüglich der Erhaltung der Kultur – vor, allerdings ist diese meist
faktisch und realpolitisch nicht zu beobachten. Viele der Minderheiten werden
teilweise latent, in manchen Fällen auch öffentlich, diskriminiert und benachteiligt,
was zu einer weiteren Verschließung gegenüber der, in diesem Staat beheimateten,
Bevölkerung respektive Mehrheit kommt.
Diese „neuen“ Minderheiten erweitern meistens nur einen Kreis von Minderheiten,
die schon seit langer Zeit in den jeweiligen Ländern beheimatet sind. Durch die, sich
im Lauf der Geschichte immer wieder verändernden, Grenzen, ist es in vielen Fällen
246
sogar so, dass die heute als Minderheiten eingestuften Völker, Volksgruppen und
Stämme schon auf dem Staatsgebiet gesiedelt haben bevor es ein solches war.
Diese Gruppen werden in der Wissenschaft und im internationalen Dialog meist als
Indigene
Völker
bezeichnet.
Allerdings
sind
auch
diese
Gemeinschaften
Minderheiten, die sich nicht nur durch zahlenmäßige Unterlegenheit auszeichnen.
Solche Gruppen werden aufgrund einer oder mehrerer Unterschiede zum Großteil
der Bevölkerung diskriminiert und aus der innerstaatlichen Gemeinschaft latent – in
manchen Fällen auch offensichtlich ausgeschlossen.
Die Tatsache, dass es keine allgemein gültige Definition von Minderheiten gibt ist
meiner Meinung nach in den verschiedenen Arten von Minderheiten begründet. In
der internationalen Gemeinschaft ist es sehr schwer sich auf Definitionen zu einigen,
die von allen Staaten anerkannt werden. Durch die unterschiedliche Erfahrung und
die unterschiedlichen Formen von Minderheiten, die in den einzelnen Staaten leben,
haben die Länder unterschiedliche Vorstellungen wodurch sich eine Minderheit
definiert. Jeder Staat will seine Definition in der allgemeinen enthalten haben. So
wurde auch im Fall der Minderheiten, wie bei anderen Gelegenheiten zuvor, das
Prinzip des kleinsten gemeinsamen Nenners angewandt. Die in den Vereinten
Nationen respektierte Definition stammt von Capotorti und umfasst fünf Kriterien.
Obwohl sie niemand als allgemeine Definition akzeptiert, wird kein Versuch
unternommen, eine adäquatere zu finden. Möglicherweise liegt das daran, dass
einzelne Staaten die Definition des Begriffes bewusst verzögern, da durch diese eine
Deklaration über den Schutz von Minderheiten der nächste Schritt wäre. Dadurch
wären viele Staaten möglicherweise gezwungen, ihre Politik zu ändern, um nicht in
Konflikt bzw. unter den Druck der internationalen Gemeinschaft zu geraten.
Ein internationaler Minderheitenschutz ist realpolitisch in weiter Ferne. Viele Länder
sind nicht gewillt eine allgemein gültige Deklaration zu diesem Thema zu erarbeiten
respektive zu beschließen. Für viele Länder ist die Minderheitenpolitik auch leider nur
ein Randthema, was, meiner Meinung nach, sehr kurzsichtig ist. Viele Probleme, vor
allem auch im sozialen Bereich, liegen in Rissen innerhalb Regional gibt es kleine
Erfolge bezüglich gemeinsamer Regelwerke in diesem Bereich, was auch darin
begründet liegt, dass einerseits weniger Staaten sich auf eine gemeinsame Politik
einigen müssen und andererseits ähnliche Erfahrungen mit vielfach den gleichen
Minderheitengruppen gemacht haben. Allerdings gibt es auch trotz regionaler
Abkommen teilweise keinen wirksamen Minderheitenschutz, da es an Kontroll- und
Sanktionsmechanismen mangelt. Speziell im afrikanischen Raum hat man den
247
Eindruck, dass das Abkommen über die Menschenrechte nur pro forma beschlossen
wurde, da in der Praxis keine Umsetzung zu erkennen ist. Bis zu einem effektiven
Schutz für Minderheiten ist es noch ein weiter Weg. Meiner Meinung nach ist ein
solcher nicht möglich, wenn keine allgemeine Definition von Minderheiten gefunden
wird, die so explizit wie möglich sein muss. Andernfalls würde zu viel Spielraum für
subjektive
Interpretationen
Schutzmaßnahmen
für
gelassen
potentielle
werden
und
Minderheiten
die
innerhalb
Staaten
könnten
ihrer
Grenzen
verschleppen und willkürlich auslegen.
Dass vor allem im afrikanischen Raum der Schutz von Minderheiten sehr wichtig ist,
aber gleichzeitig beinahe unmöglich ist, umzusetzen, ohne Druck von außen zu
erzeugen, liegt in der ethnischen Fragmentierung des Landes begründet. Es gibt
zwar in der Afrikanischen Union ein Abkommen, das die Menschenrechte die Rechte
von Minderheiten festlegt, aber auch hier fehlt eine Minderheitendefinition. Alle
afrikanischen Staaten mit Ausnahme Marokkos haben dieses Abkommen anerkannt
und ratifiziert. Der die Kommission, die von der AU zu diesem Thema eingesetzt ist,
kein aktives Mandat hat, sondern mehr als Untersuchungskommission gesehen
werden
muss,
die
lediglich
Streitschlichtungsverfahren
durchführen
und
Empfehlungen abgeben kann. Faktisch ist die Situation der Minderheiten in allen
afrikanischen Ländern sehr schlecht. Viele der Regierungen sind von Instabilität und
Korruption geprägt, wodurch ihre Priorität auf der Erhaltung der eigenen Politik liegt.
Traditionell wird in den Staaten Afrikas keine nachhaltige Politik betrieben, da sie
entweder despotisch beherrscht werden oder die Überlebensdauer der politischen
Elite zu kurz ist, und die Gesetze von der Nachfolgeregierung wieder geändert
werden.
Eines dieser Länder, das gleichzeitig auch als eines der größten Krisengebiete der
Welt gilt, ist die Demokratische Republik Kongo. Das Land gilt als eines der Länder
mit den meisten Rohstoffen, insbesondere Rohstoffe, die es teilweise nur in der DRC
gibt,
steht
aber
wirtschaftlich
und
international
ganz
unten
auf
den
Entwicklungslisten. Die Situation, die natürlich aufgrund der langen Diktatur und des
anschließenden verheerenden Krieges sehr instabil und nach wie vor von Gewalt
geprägt ist, kann nur durch beträchtliche Hilfe der internationalen Gemeinschaft
verbessert werden. Das gilt für die innen- und die außenpolitische Lage. Oberstes
Ziel muss es sein, die Sicherheit im Osten des Landes insbesondere in den
Regenwaldgebieten
wieder
herzustellen.
Solange
die
Regierung
nicht
die
248
uneingeschränkte Staatsgewalt im gesamten Territorium der DRC ausüben kann, ist
eine effektive Politik nicht möglich.
Die Regierung Kabila jun., die seit etwas mehr als einem halben Jahr im Amt ist,
kann natürlich noch keine konkreten Erfolge verzeichnen, da die Zeit noch zu kurz
ist. Allerdings glaube ich, dass diese Erfolge auch über lange Sicht in Grenzen halten
werden, weil es Kabila nur schwer gelingen wird, die Bevölkerung zu vereinen. Seine
Vorhaben als Präsident und die Reformen, denen er das Land unterziehen will
klingen sehr engagiert, allerdings hat er mit mehr als einem Problem zu kämpfen.
Er hat keine absolut konforme Regierung bzw. Mehrheit im Parlament. Durch die
Notwendigkeit, ein Wahlbündnis mit einzugehen, um die Wahl zu gewinnen, muss es
ihm gelingen, mehrere Interessen zu vereinen. Seinen Unterstützern ist diese
Situation durchaus bewusst, weshalb sie auch ihren Einfluss jederzeit geltend
machen können und ihre eigenen Interessen einfließen lassen bzw. durchsetzen.
Kabila als Präsident hat zwar die Mehrheit bei den Wahlen erhalten, ist aber regional
in den Ballungsräumen teilweise sehr deutlich hinter seinem Konkurrenten Bemba
geblieben. Dies liegt mitunter auch darin begründet, dass er Gerüchten zu Folge kein
geborener Kongolese ist. Dass diese Meinung nicht nur als Verleumdung angesehen
wird, zeigten meine Erfahrungen in Gesprächen mit Kongolesen. Durch diese
mangelnde Akzeptanz ist es für ihn schwer Reformen durchzuführen, hinter denen
die gesamte Bevölkerung steht.
Sein Enthusiasmus bezüglich der Verbesserung des Landes ist zu bewundern,
allerdings muss er, meiner Meinung nach, aufpassen, dass er nicht zu viel zu schnell
will. Es hat den Anschein, dass sehr viele Projekte gleichzeitig angefasst und
durchgeführt werden sollen. Dahinter ist allerdings nicht wirklich eine Strategie zu
erkennen. Durch die mangelnde Erfahrung, die in der DRC im Bereich der
Entwicklung von nachhaltiger Politik und der Durchführung von politischen Reformen
und Projekten besteht, bin ich der Meinung, dass dies nicht der richtige Weg ist.
Das wird auch darin deutlich, dass die Interessen über ein sehr breites Spektrum
gelagert sind. Kabila will das Land international wieder etablieren und pflegt die
außenpolitischen Kontakte. Gleichzeitig will er die Wirtschaft ankurbeln und die DRC
auch auf innenpolitischen Ebene durch soziale Reformen und Veränderungen des
Systems zu stabilisieren. Durch die mangelnde Kontrollmöglichkeit und Loyalität des
Verwaltungs- und Finanzapparates ist der Kongo nach wie vor sehr attraktiv für
Geldwäsche und Korruption. Wodurch das Fortschreiten der Reformen innerhalb des
Landes nur sehr langsam vorangeht.
249
Ein weiteres Indiz dafür, dass die Politik nicht wirklich nachhaltig geplant wird,
sondern sehr stark aus ad hoc Reformen besteht, ist der Ausverkauf des
Regenwaldes, der nach dem Krieg in zunehmendem Maße intensiviert wurde. Trotz
internationaler Bemühungen, die Konzessionsvergabe zu verlangsamen, ist gut ein
Viertel des kongolesischen Regenwaldes an Holz-Konzerne vergeben und somit zu
Abholzung freigegeben. Dadurch wird deutlich, wie stark einerseits der Einfluss der
globalen Wirtschaft ist und andererseits, wie sehr die wirtschaftliche Situation des
Landes im Fokus der politischen Pläne der Regierung steht.
Wichtig für Kabila wird es sein, die internationale Hilfe, die in sehr großem
Finanzrahmen bereits zugesichert und auch teilweise überwiesen wurde effizient und
gezielt einzusetzen. Erst durch innere Stabilität wird die Position des Landes und der
Regierung sicherer. Kabila muss sich bewusst werden, dass er das Volk, auch in den
Ballungsräumen, dazu bringen muss, seine Pläne zu unterstützen. Allerdings muss
er diverse zugesicherte Verbesserungen für das Volk auch verwirklichen, um seine
Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
Des Weiteren muss Kabila die Regierung und das Parlament davon überzeugen,
langfristige politische Pläne zu erstellen und die Reformen nach ihrer Priorität zu
reihen. Er muss erkennen und vor allem akzeptieren, dass keine effektive
Umsetzung der Initiativen möglich ist, wenn in allen Bereichen gleichzeitig gearbeitet
wird. Durch den Krieg und die jahrzehntelange Diktatur fehlt es an vielen Strukturen,
die aufgebaut werden müssen, um eine Basis für weitere Reformen zu schaffen. Hier
sind auch internationale Organisationen gefordert.
Hinsichtlich der Minderheitenpolitik in der DRC gibt es zwar durch die neue
Verfassung juristische Anerkennung und Gleichstellung der Minderheiten. Allerdings
fehlt es an praktischer Umsetzung dieser. Während der ersten Zeit und durch die,
bereits erwähnten, Schwierigkeiten der Ausübung der Staatsgewalt auf dem
gesamten Staatsgebiet, sollte die Regierung der DRC auf die Unterstützung der
MONUC und anderer internationaler Organisationen hinsichtlich des Schutzes von
Minderheiten setzen. Speziell in den östlichen Regionen, wo es nach wir vor immer
wieder Kampfhandlungen gibt, sollten die internationalen Truppen mit der nationalen
Armee bzw. Exekutive zusammen arbeiten, um die Situation zu überwachen. Diese
Zusammenarbeit besteht auch teilweise, allerdings ist auch zu verstehen, dass die
Regierung in Kinshasa die Situation selbst unter Kontrolle bringen möchte. Das ist,
250
meiner Meinung nach, in dieser Situation eine nicht wirklich leicht zu lösende
Aufgabe.
Die Kultur der Pygmäen ist in vieler Hinsicht weiter fortgeschritten, als manche
Gesellschaft in entwickelten Ländern. Die Lebensweise sowie die Fokussierung des
Gemeinsamen sind die Basis für eine enge Verbundenheit innerhalb eines Dorfes.
Zwar ist sehr wahrscheinlich, dass auch bei einer Gewährung von Landbesitz die
Situation für die Pygmäen nicht wirklich leichter wird. Sollten sie in den
Regenwäldern bleiben können, wird ihre Lebensweise über kurz oder lang ihren
Ansprüchen nicht mehr genügen, da sie mittlerweile auf bestimmte Entwicklungen
respektive die Modernisierung angewiesen sind. Ihre Lebensweise hat durchaus sehr
viele moderne Elemente, wie Gleichberechtigung der Geschlechter, Inklusion aller
Mitglieder der Gemeinschaft, Konfliktlösungsmechanismen oder Gewohnheitsrecht.
Auch, wenn man hierzu erwähnen muss, dass die Konflikte, die in Pygmäendörfern
stattfinden, oft von geringeren Problemen gekennzeichnet sind. Trotzdem ist die
Methode der Konfliktvermeidung und die gegenseitige Anerkennung und Akzeptanz
bewundernswert und zeugt von hohen moralischen Grundsätzen.
Primär ist hier die medizinische Versorgung zu erwähnen. Durch den in den letzten
Jahren intensiver gewordenen Kontakt mit der Welt außerhalb ihres eigentlichen
Lebensraums, des Waldes, kamen sie auch mit Krankheiten in Berührung, für die
ihre traditionelle Medizin keine Heilmittel kennt. Auch Bildung ist in diesem
Zusammenhang ein zentraler Punkt, der in der Zukunft sicher notwendig ist, in der
Pygmäenkultur einzuführen. Diese Änderungen sind aus dem Grund notwendig, weil
die Pygmäen, auch bei Beibehaltung ihrer traditionellen Lebensweise, in Zukunft in
sehr engem Kontakt mit der Außenwelt stehen werden. Um annährende gleiche und
faire und gleiche Möglichkeiten in dieser Interaktion zu haben, braucht es einen
höheren Bildungsstandard innerhalb der Gesellschaft der Pygmäen. Diese Bildung
inkludiert auch die Aufklärung über ihre Rechte.
Diese Veränderungen und Modernisierungen müssen allerdings in kleinen Schritten
und sehr vorsichtig durchgeführt werden. Man muss die Lebensweise und Prioritäten
im Leben der Pygmäen versuchen zu verstehen, um bestimmte Neuigkeiten
einführen zu können. Zu viele Veränderungen in zu kurzer Zeit können die
Gemeinschaften zersplittern und die Kultur, die es gilt zu bewahren, nachhaltig
verändern oder zerstören.
251
Allerdings muss auch innerhalb der Pygmäen hinsichtlich ihrer Behandlung und
Initiativen zu ihrem Schutz unterschieden werden, da viele bereits von der
traditionellen Lebensweise abgekommen sind, und in anderen Umgebungen bzw.
Situationen leben. Diese gilt es nun in die Gesellschaft des Kongo zu integrieren und
trotzdem ihre Kultur und Traditionen zu schützen. Das größte Problem, das dabei in
den Griff zu bekommen ist, ist die Diskriminierung und die Vorurteile, die innerhalb
der restlichen Bevölkerung bestehen. Hier liegt es an der Regierung Maßnahmen zu
setzen,
die
solche
Benachteiligungen
und
Erniedrigungen
verbieten.
Das
Entscheidende ist allerdings, dass die Einhaltung dieser Regelungen und Gesetze
auch kontrolliert werden, und bei einer Missachtung bestraft werden. Da die Situation
der Diskriminierung in sehr vielen Fällen auch von den lokalen Verwaltungsbehörden
unterstützt wird, gilt es diese auszutauschen bzw. zu bestrafen, wenn solche Fälle
bekannt werden. Dabei bin ich der Meinung wird es auch notwendig sein, wie bereits
erwähnt, mit den internationalen Truppen zusammenzuarbeiten.
Auch wird notwendig sein, von internationaler Seite Druck zu erzeugen.
Insbesondere, wenn es Menschenrechtsverletzungen, wie es im Fall der Pygmäen
sehr oft geschieht, bekannt werden. Ohne internationalen Druck wird die Regierung
der DRC keine effektiven Maßnahmen gegen die Diskriminierung der Pygmäen
unternehmen. Druck auch hinsichtlich der Anerkennung der Pygmäen als
Staatsbürger der DRC, denn diese mangelnde Anerkennung bzw. die fehlenden
Ausweise für Pygmäen stellen einen Basisgrund für die schlechte Situation dieses
Volkes dar. Es ist natürlich eine schwierige Situation, da man der Regierung eines
Staates nicht vorschreiben kann, wen sie als Staatsbürger zu akzeptieren hat, doch
aufgrund der Menschenrechtsverletzungen kann international Druck ausgeübt
werden, denn diese sind universal gültig. Meiner Meinung nach müsste die erste
Reaktion der DRC sein, die Staatsbürgerschaft der Pygmäen zu sichern, denn erst
dann fällt das Argument weg, wonach ihnen keinerlei Rechte zustünden. Erst, wenn
die Rechtslage klar ist, dann können weitere Maßnahmen unternommen werden.
Hinsichtlich des Landebesitzes ist die Situation schwierig, da dies eine eindeutig
rechtliche Frage ist, die nicht so leicht zu klären ist. Sobald die Konzessionen verteilt
sind, liegt das Recht der Waldnutzung bei den Holzkonzernen. Diese können frei
über das Land verfügen und vertreiben in vielen Fällen die Pygmäen von ihrem Land,
das sie teilweise seit Jahrhunderten bewohnt haben. Zwar ist vorgesehen, dass die
Firmen Maßnahmen zu unternehmen haben, um den Pygmäen zu helfen, sich an die
neue Situation anzupassen, wird dies so gut wie nie erfüllt. Hier ist wiederum die
252
Regierung gefragt, die Einhaltung der Gesetze zu garantieren. Eine Vertreibung oder
Umsiedelung zu verhindern ist in den meisten Fällen schwierig bis unmöglich, sobald
eine Konzession verteilt ist. Allerdings muss gewährleistet sein, dass die Dörfer
adäquate Ersatzlebensräume bzw. Unterstützung, die auch ihrer Lebensweise
entspricht erhalten.
Anders stellt sich die Situation in den Nationalparks dar. Dort ist eine Vertreibung
wider das Recht. In vielen Fällen vertreiben die Verwaltungsbehörden die Pygmäen
willkürlich und unter falschen Anschuldigungen. Die Pygmäen lebten seit
Jahrhunderten in diesen Lebensräumen, ohne ihnen zu schaden, und könnten dies
auch weiter tun. Es ist sehr kurzsichtig, ein Volk, das mit der Lebensweise im
Regenwald vertraut ist, wie nur wenige andere weltweit, aus einem Gebiet zu
vertreiben, das geschützt werden sollte. Die Pygmäen haben sich durch ihre
Geschichte und ihre Lebensweise zu einem Teil des Waldes gemacht. Sie haben
durchaus Rechte auf das Leben in einem geschützten Raum, da es auch gilt ihre
Kultur zu schützen, die eine der ältesten und am geringsten beeinflussten der Welt
anzusehen ist. Da die Rechte der Naturschutzgebiete vielfach weiterhin bei der
Verwaltung der DRC liegt, ist es an der Regierung die Situation so umzusetzen, wie
es im Rechtskodex über den Regenwald verankert ist. Die Waldvölker in die Arbeit
im Regenwald mit einzubeziehen und von ihrem Wissen zu profitieren. Zudem muss
ihnen das Nutzungsrecht zugestanden werden, solange es keine Einigung über die
Ansprüche auf den Besitz des Landes gibt.
Generell liegt es an der Regierung der Demokratischen Republik Kongo die
Pygmäen zu schützen. Dies muss einerseits durch die generelle Anerkennung als
offizielle Staatsbürger geschehen. Dieser Status muss auch ohne Dokumente
bestehen und akzeptiert werden, um eine Diskussion über ein Zugeständnis über
diverse Rechte – medizinische Versorgung, Bildung, Arbeit, etc. – generell zu klären.
Andererseits muss garantiert und überwacht werden, dass diese Rechte auch
eingehalten werden, und die bestehende Diskriminierung sukzessive verringert wird,
um so eine Integration in die Gesellschaft der DRC zu ermöglichen. Die Integration
als gleichwertige Mitglieder der Bevölkerung, die derzeit so gut wie nicht vorhanden
ist, darf allerdings keinesfalls zur Folge haben, dass die Kultur und die Traditionen
der Pygmäen verändert bzw. ausgelöscht wird. Diese Kultur hat so viele Werte und
Verfahrensweisen, die teilweise die sogar in demokratischen Systemen nicht in
dieser
Form
zu
finden
sind
–
Gleichberechtigung
der
Geschlechter,
Konfliktlösungsmechanismen etc.. Solange die Lebensweise der Pygmäen nicht mit
253
der der restlichen Bevölkerung kollidiert bzw. diese erschwert, was aufgrund der
mangelnden Modernisierung bzw. dem zurückgezogen Leben nicht wirklich zu
befürchten ist, muss gewährleistet werden, dass sie dieser auch nachgehen können.
Dies inkludiert auch die Nutzung des Lebensraumes, da ihre Traditionen nur dort
aufrechterhalten werden können. Die Frage des Besitzes muss juristisch geklärt
werden, allerdings muss die Nutzung und die Erlaubnis diese Gebiete weiter
besiedeln zu können garantiert werden.
Hinsichtlich der Menschenrechtsverletzungen, die immer wieder dokumentiert
werden, ist die internationale Gemeinschaft gefordert, Druck auszuüben, um die
Pygmäen zu schützen. Auch, wenn es nur ein kleines Volk ist, gilt auch für sie die
allgemeine Erklärung der Menschenrechte. Diese müssen eingehalten werden und
Verletzungen in jedem Fall und mit aller möglichen Härte verfolgt werden.
Die Bildung des Netzwerkes für Pygmäen, das schon weltweit Mitglieder hat, ist eine
sehr positive Entwicklung. Zwar sind in den lokalen NGOs in vielen Fällen keine
Pygmäen selbst am Werk, allerdings wird die Zahl immer größer. Auch die
Zusammenarbeit mit und Initiativen der internationalen NGOs sind sehr wichtig und
zeigen auch bereits große Auswirkungen auf die Situation der Pygmäen. Viele
Bildungs- und medizinische Projekte sind essentiell für viele der Pygmäendörfer in
der DRC und eine große Unterstützung für deren schlechte Situation. Allerdings
mangelt
es
an
internationaler
Anerkennung
und
Aufmerksamkeit
für
die
Unterstützung dieses Volkes. Vielleicht gelingt es durch die internationalen NGOs
diese Situation in den nächsten Jahren zu verändern und zu verbessern, sowie das
Netzwerk zu vergrößern. Weitere Probleme, wie die Finanzierung der Projekte und
die Zusammenarbeit mit der Regierung bzw. lokalen Behörden, die oft nicht gegeben
ist, sind nur schwer zu verändern bzw. zu verbessern, da es in diesen Bereichen
sehr viel auf äußere Unterstützung bzw. Kooperation ankommt. Die Initiativen
bestehen jedoch, die Projekte auszuweiten und zu intensivieren.
In diesem Fall ist nicht nur die Kultur der Pygmäen, die eine der ältesten der Welt ist,
bedroht, sondern auch die Umwelt und die Einhaltung der Menschenrechte. Die
Pygmäen sind ein Beispiel für eine Minderheit, die keinerlei Rechte besitzt, und diese
Situation gilt es zu ändern und zu verbessern. Nicht nur für die Pygmäen, für viele
Minderheiten der Welt, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Es gilt jedes
254
Menschenleben und jede Kultur zu schützen und zu achten. Bleibt zu hoffen, dass
diese Pflicht bald international verpflichtend und durch entsprechende
Sanktionierungsmaßnahmen geschützt wird, und viele Kulturen, trotz aller
Unterschiede, gemeinsam und miteinander leben können.
255
12. Anhang
12.1. Regierung der Demokratischen Republik Kongo596
Le Président Son Excellence
Joseph KABILA KABANGE
MINISTÈRES
MINISTRES D'ETAT
François Joseph Mobutu
: Agriculture
Nzanga Ngbangawe
596
Intérieur, décentralisation et
Denis Kalume Numbi
:
Antipas Mbusa Nyamwisi
:
Sylvain Ngabu Chumbu
:
Pierre Lumbi Okongo
:
Nkulu Mitumba Kilombo
: Ministre d’Etat près le Président
MINISTRES
:
Godefroid Mayobo Mpwene Ngantien
: Ministre près le Premier ministre
Chikez Diemu
:
Georges Minsay Booka
: Justice
Olivier Kamitatu Etsu
: Plan
Ignace Gata Mavinga
: Intégration régionale
Athanase Matenda Kyelu
: Finances
Adolphe Muzito
: Budget
United Nations Permanent Mission,
http://www.un.int/drcongo/government.htm.
Democratic
sécurité
Affaires étrangères et
de la coopération internationale
Enseignement supérieur et
universitaire
Infrastructures, travaux publics et
reconstruction
Défense nationale et
des anciens combattants
Republic
of
Congo,
the
Government,
256
Jeannine Mabunda Lioko
: Portefeuille
Sylvain Joël Bifwila Tchamwala
: Economie nationale
Toussaint Tshilombo Send
:
Simon Mboso Kiamputu
: Industrie
Kasongo Ilunga
: Commerce extérieur
Jean François Ekofo Panzoko
: Petites et moyennes entreprises
Remy Henri Kuseyo Gatanga
:
Charles Mwando Nsimba
: Développement rural
Maker Mwangu Famba
:
Sylvanus Mushi Bonane
: Recherche scientifique
Victor Makwenge Kaput
: Santé publique
Martin Kabwelulu Labilo
: Mines
Salomon Banamuhere Baliene
: Energie
Lambert Mende Omalanga
: Hydrocarbures
Marie-Ange Lukiana Mufwankol
:
Zéphyrin Mutu
Diambu-di-Lusala Nieva
Martin Bitijula Mahimba
Philomène Omatuku
Atshakawo Akatshi
Information, Presse et
communication nationale
Transports et
voies de communication
Enseignement primaire,
secondaire et professionnel
Travail et
de la prévoyance sociale
: Fonction publique
:
Affaires sociales et
de la solidarité nationale
: Condition féminine
Pardonne Kaliba Mulanga
: Jeunesse et des sports
Liliane Pande Muaba
: Affaires foncières
Laurent-Simon Ikenge Lisambola
: Urbanisme et habitat
Kyamusoke Bamusulanga
Nta-Bote
:
Postes, téléphones et
télécommunications
Didace Pembe Bokiaga
: Environnement
Elias Kakule Mbahingana
: Tourisme
Marcel Malenso Ndodila
: Culture et des arts
Eugène Lokwa Ilwaloma
: Droits humains
257
Jean-Claude Muyambo Kyassa
: Affaires humanitaires
VICE-MINISTRES
Joseph-Davel Mpango Okundo
: Intérieur
Daruwezi Mokombe
: Sécurité
Alain Lubamba wa Lubamba
: Affaires étrangères
Colette Tshomba Ntundu
: Congolais de l’étranger
Nelson Paluku Syayipuma
: Défense nationale
Yvonne Iyamulemye Kabano
: Anciens combattants
Kalinda Mitumbala Odia
: Justice
Ferdinand Essambo Lukye
: Plan
Hangi Binini
: Finances
Célestin Mbuyu Kabango
: Budget
Laure Marie Kawanda Kayena
: Transports
Gervais Ntirumenyerwa Kimonyo
: Travaux publics
Gentiny Ngobila Mbaka
: Agriculture
Modeste Omba Sakatolo
:
Marie-Madeleine Mienze Kiaku
: Enseignement supérieur et universitaire
Ferdinand Ntua Osiamba
: Santé publique
Victor Kasongo Shomary
: Mines
Arthur Sedeya Ngamo Zabusu
: Energie
Télésphore Tsakala Munikengi
: Travail et de la prévoyance sociale
Vincent Okoyo Nembe
: Fonction publique
Enseignement primaire,
secondaire et professionnel
12.2. Beispiele Verbrechen gegen die Pygmäen
12.2.1. Exactions by soldiers.
January 2nd
Soldiers of armed forces of the DRCongo (FARDC) got into the pygmies’ houses in
Muyange village, Kabare territory. They loot importants properties.
258
January 7th
Three soldiers of the FARDC rape the pygmy Faida M’Ntole (19 years), mother of a
18 months child and wife of the pygmy chinzali (22 years) of Chombo/ Buyungule
village.
January 13th
At about 9 o’ clock pm, the Rwandan militia Interahamwe and the Soldiers of FARDC
got successively in Madam Melania’s house, a pygmy subject of Kashodu village,
Kamakombe locality, Bugorhe grouping in the territory of Kabare. They take away a
goat, clothes, kitchen supplies and other possessions.
12.2.2. Expulsion from gold-mines
February 5th
Some Hutu non identified in any other way killed a pygmy near Opiko in Azavillage,
Mahaa district, territory of Wamba, Oriental Province.
Between February 5th and February 8th.
At Kaboneke in the district of Ntambuka on Idjwi Island, 25 pygmies’houses were
destroyed by ten men. The reason of that destruction was the fact that the King
(Mwami) Roger Ntambuka wanted to give the lands of Kaboneke, which belonged to
the Pygmy’s Boroto family, to his brothers “Urbain” and Mukunda.
Februar y 9th
In Kisiza village in South of Idjwi territory, at 5 o’ clock pm, the soldiers of FARDC
attacked at their home the pygmies subjects J.B. and john and caned them seriously.
They obliged the old pygmy Mufi to escort them in the night perquisition in each of
the pygmies’ houses so as to search for sacks of wood-embers. The exploitation of
live coals is a habitual activity of the pygmies on Idjwi Island but it is forbidden by the
customary headman (Kingmwami) Roger Ntambuka.
February 15th
The pygmy Kininga Msafiri of Maeta village in Itombwe forest in the territory of Fizi
was stolen his 180 kg of Cassiterite by the customary chiefs Msafiri and Ngenda.
259
According to these latters, a pygmy does not have the right to possess such a
quantity of ores.
12.2.3. Rapes of girls
March 3 rd
The pygmy Buholo Masesa of Luindi district in the territory of Mwenga is expelled
from his mine of cassiterite by the factory named Mi-Congo.
Soldiers of FARDC lead by Colonnel Samy raped 3 pygmies girls in Kembe village in
the territory of Walikale.
12.2.4. Requisition for transport of ammunitions.
April 2nd
A truck of FARDC made an accident and bent its Cargo near Boroto village in
Walikale territory. With lashings, the Soldiers obliged the pygmies of that village to
load again the ammunitions in their truck.
12.2.5. Murder at the work post.
May 7th
The chair person of the administrative post of Panga in Banalia territory in the
Oriental Pronvince,
M. Lomali, and his policem arrested, undressed and caned at night and pub lically
the Pygmies of Bapele village. These had just killed a leopard which was threatening
them.
May 30th
The pygmy Soda Nyamushi was stabbed with a poniard by a person in civilian
clothes at about 11 o’ clock pm in kitambala’s plantation where he was working on
sentry-duty. Aged of 36 years, he was living in Chombo/Buyungule village in the
grouping of Miti in the territory of Kabare. He left his pregnant wife Jacqueline
M’Nyangirwa with 5 children.
260
12.2.6. Arbitrary arrestations.
June 2nd
Two Soldiers of FARDC non-identified in another way arrested and obliged the
pygmy Bahati Nyamushi of Chombo/Buyungule village in the territory of Kabare to
transport a bunch of bananas to their camp of Civanga. The soldiers deployed in that
area were used to make the pygmies to transport luggages of possessions that they
had looted here and there.
June 9th
The pygmy Leonad Milenga EO, popularizor of forest and mining codes on the way
Mwenga-Itombwe, was seriously beaten and arres ted during 4 hours by the Soldiers
of the 107 th brigade of the FARDC. He was suspected to have much money to buy
ores. For his liberty he paid a fine of 20 American dollars. They also took away his
field pair of shoes and a jacket.597
597
CAMV (2005). The First Half-Year 2005 Painful for the Pygmies in East of DR Congo, Pygmies Echo, No.18,
August 2005, S.14f.
261
14. Literatur
14.1. Primärliteratur
International Labour Organization (2003). ILO Convention on Indigenous and Tribal Peoples
1989 (No.169), A Manual.
Pamphlet No.6 of the UN guide for Minorities. Minority Rights under the African Charter on
Human and Peoples’ Rights.
UN Doc. E/CN.4/Sub.2/112.
UN Doc. S/1999/1279.
UN Doc: S/2002/1146. Final report of the Panel of Experts on the Illegal Exploitation of
Natural Resources and Other Forms of Wealth of the Democratic Republic of the
Congo. United Nations, 16 October 2002.
UN Doc. S/2003/1027
UN Doc. S/2003/1493.
UN Doc. S/2004/1565.
UN Doc. S/2005/1592.
UN Doc. S/2007/1756.
Lucius, Robert von (1999). Kabilas Freunde und Feinde, in Frankfurter Allgemeine Zeitung
(FAZ), vom 2.7.1999, http://fazarchiv.faz.net/webcgi?WID=64243-4210957-72000_1.
14.2. Sekundärliteratur
Arendt Hannah (2003). Macht und Gewalt, TB, München, Zürich.
Asfaha, Shoa (2006). Strengthening the Rights of Pygmy People in Cameroon, Republic of
Congo and the Democratic Republic of Congo, Rainforest Foundation, May 2006.
262
Baker, Murl, Clausen, Robert, Kanaan, Ramzy, N’Goma, Michel, Roule, Trifin, Thomson,
Jamie. Conflict Timber: Dimensions of the Problem in Asia and Africa, Volume III,
African Cases, S.11f.
Bartsch, Sebastian (1995). Minderheitenschutz in der Internationalen Politik. Völkerbund und
KSZE/OSZE in neuer Perspektive, Westdeutscher Verlag, Opladen.
Barume, Albert Kwokwo (2003). Le nouveau code forestier congolais et les droits des
communautés des forêts. Atelier sur le Processus de Mise en Oeuvre du Code
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14.5. Andere Quellen
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dem Autor vor.
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