Leicht faßliche und einfach ausführbare Finger - digi-hub
Transcrição
Leicht faßliche und einfach ausführbare Finger - digi-hub
Lorms, Hieronymus Leicht faßliche und einfach ausführbare Finger-Zeichensprache für Taubstumme, Taube, Taubblinde und Schwerhörige Herausgegeben von Marie Landesmann Friedr. Irrgang Brünn 1908 eBooks von / from Digitalisiert von / Digitised by Humboldt-Universität zu Berlin 4 6 ö -fr - Dr. phil. Heinrich Landesmanns (Hieronymus Loras) leicht faßliche und einfach ausführbare Finger - Zeichensprache für Taubstumme, Taube, Taubbliude und Schwerhörige. Herausgegeben von Marie Landesmann. Magazin I m 2009 Dr. phil. Heinrich Landesmanns (Hieronymus Lorms) leicht faßliche und einfach ausführbare Finger - Zeichensprache für Taubstumme, Taube, Taubblinde und Sclnverliörige. Herausgegeben von Marie Landesmann. EIGENTUMden BDcherei d r s Insli'.u's f:3p S o n d a r s c h c l w e s e T d e r PadjjO'Nsciv^.T raUuUut t o r HumboIcU-Jnivörsuot Cerir» Brünn 1908. Inv.Nr and Verlag von Friede. Iprgang. Von kompetenten ärztlichen Autoritäten dazu angeregt, möchte ich es versuchen, die Fingersprache, durch welche mein des Gehörs wie des Augenlichtes beraubt gewesener Vater sich mit der Außenwelt in Verbindung gesetzt hat, schriftlich und bildlich darzustellen. Bisher war diese SpTache nur unserem Familien- und Bekanntenkreise zugänglich, da sie, von meinem Vater selbst ersonnen, der nichts so sehr scheute als die öffentliche Besprechung seines physischen Zustandes, von uns stets als unser alleiniges Eigentum gehütet wurde. Erst in allerletzter Zeit bekamen durch besondere Zufälle auch einige von gleichen Leiden wie einst mein Vater betroffene Persönlichkeiten, die nicht in direkter Beziehung zu uns gestanden hatten, Kenntnis von jenemVerständigungsmittel. Sie empfinden es als eine wahre Wohltat und treten nun den erwähnten Ärzten bei in demWunsche, daß die Sprache veröffentlicht und hiermit eine größere Anzahl jener Unglücklichen, denen durch ihr Gehörleiden die gewöhnliche Kommunikation mit ihren Mitmenschen versagt ist, dieser Entschädigung teilhaftig werde. Unsere Sprache zeichnet sich durch mehrfache Vorteile vor der bisher bekannten Taubstummensprache aus. Vor allem ist diese nur mittels des Gesichtssinnes wahrzunehmen, während , unser System auf dem Tastsinne beruht, also auch Taubb l i n d e n , deren beispielsweise in Preußen allein gegen 300 existieren, zur Verständigung dienen kann. Daraus ergibt sich dessen Tauglichkeit, auch des Nachts oder in der Dunkelheit überhaupt angewendet zu werden, was bei der Taubstummensprache unmöglich ist. Sodann nimmt die Ausführung der letzteren viel mehr Zeit in Anspruch dadurch, daß sie aus großen Gesten beider Hände besteht; unser Alphabet aber spielt sich sogar um Vieles rascher ab als z. B. gewöhnliches Schreiben und wird nur diirch leichte Berührung der Finger und Handinnenfläche des Leidenden ausgeübt. Diese Manipulation hat nichts Auffallendes, kann also auch in Gesellschaft, im Theater, im Eisenbahncoupe usw. angewendet werden, ohne die Aufmerksamkeit der Fremden besonders auf sich zu lenken. Deshalb könnten sie bei solchen Gelegenheiten auch S c h w e r h ö r i g e '.dem Lautsprechen vorziehen, das alle Anwesenden in das Gesprochene mit einweiht. Einer der größten Vorzüge unserer Zeichensprache ist noch, daß sie sich außerordentlich gut zum Vorlesen eignet, da sie nur e i n e Hand des Vermittelnden in Anspruch nimmt, die zweite aber zum Halten der Druck- oder Schriftseite, zum Umblättern usw. frei bleibt. Nach kurzer Ubungszeit läßt sich eine große Geläufigkeit in dieser Art der Vorlesung gewinnen; man trifft leicht die zu berührenden Stellen der Finger und des Handtellers ohne die Kontrolle des Auges, das auf dem zu vermittelnden Blatte ruhen bleibt, wie ja auch der. geübte Klavierspieler nur auf die Noten und nicht auf die Tastatur zu sehen braucht. Auch Blinde haben sich in der Handhabung der Tastsprache bereits mehrfach erprobt. Nicht zu unterschätzen ist ferner, daß sie Ungebildete, wenn sie nur lesen und schreiben können, durch die Leichtigkeit, mit welcher sie zu erlernen und auszuführen ist, gleichfalls zu beherrschen vermögen, also Dienstleute, Pfleger, Wärterinnen usw. Durch mannigfache Darstellungen der Lebensgeschichte meines Vaters Dr. phil. Heinrich Landesmann (Schriftstellerpseudonym Hieronymus Lorm) ist es, namentlich in literarischen Kreisen, nicht unbekannt geblieben, daß er es nur diesem hier der Öffentlichkeit mitgeteilten vorzüglichen Verständigungsmittel verdankte, trotz des Mangels der beiden Hauptsinne in stets reger Verbindung mit der Außenwelt geblieben zu sein. Mit 16 Jahren war der hochbegabte Jüngling bereits des Gehörs völlig beraubt; bald wurden auch seine Augen angegriffen, so daß ihm nach ijnd nach die Fähigkeit, mit dem Finger in die Luft oder auf den Tisch Geschriebenes durch Beobachtung der Bewegung aufzunehmeri, gleichfalls verloren ging. Da erdachte er sich selbst diese in ihrer Art einzige „Sprache", mittels deren sich fortan seine Umgebung schnell und leicht mit ihm zu verständigen vermochte. Durch die Raschheit und Leichtigkeit der Erlernung und Ausführung übten sich darin auch bald alle Freunde, schließlich nähere und fernerstehende Bekannte völlig ein; mein Vater war dadurch weder vom geselligen Leben ausgeschlossen, noch am beruflichen Verkehre gehindert, und ein eigenes Haus, eine Familie zu gründen, blieb ihm nicht versagt. Seine Ehe gestaltete sich zu einer glücklichen innigsten Gemeinschaft mit Frau und Kindern. Diese lernten von der Mutter, sobald sie fähig waren, Buchstaben aufzufassen und zu Worten zusammenzusetzen, das Alphabet der Fingersprache und bedienten sich ihrer im zartesten Alter mit größter Geläufigkeit, wodurch sie sich im Verkehre mit dem geliebten Vater keines Mangels bewußt wurden. Von der Stunde seiner gänzlichen Erblindung an ließ sich Lorm alle zu seinen schriftstellerischen Arbeiten und Studien notwendige, wie seine Unterhaltungslektüre, auch in fremden Sprachen, durch das Tastalphabet vermitteln. Ursprünglich, infolge seiner großen Begabung daiiir, dem musikalischen Berufe bestimmt, behielt er sein Leben lang das regste Interesse für die künstlerischen Produktionen auf diesem Gebiete und nahm also auch Noten von modernen und alten Kompositionen in der genannten Weise auf. Ebenso konnte er, ein ausgezeichneter Blindlingsspieler im Schach, an diesem Spiel sich bis an sein Lebensende erfreuen, indem Lorm seines Partners Züge in dieser Sprache mitgeteilt wurden. All dies ist, wie gesagt, aus zahlreichen Biographien des Dichters einigermaßen bekannt geworden; ich mache nur von Neuem darauf aufmerksam, um die großen Vorzüge der Tastsprache für alle des Gehörs gänzlich oder zum Teile Beraubten wie für ihre Lehrer und Pfleger erkennen zu lassen. Namentlich die Taubstummenanstalten dürften sich dieses ihnen noch ganz unbekannten Systems gerne bedienen, das vor dem ihnen gewohnten die Einfachheit, Leichtigkeit und Schnelligkeit der Ausführung, wie die Möglichkeit voraus hat, es auch im Dunkeln Blinden gegenüber und zum Vorlesen zu benutzen. Möge dieses neue Verbindungsmittel allen, die seiner zum regeren Kontakte mit der Außenwelt bedürfen und teilhaftig werden, Hilfe und Segen bringen ! Zur Aufnahme der Fingersprache dient die innere Handfläche, die wie eine Schreibtafel dem Sprechenden hingehalten wird, wage- oder senkrecht, schief oder gerade, je nach Bequemlichkeit für beide Personen. Zu längeren Gesprächen oder Vorlesungen empfiehlt es sich, Arm und Handrücken durch Anlehnung oder Auflegen auf eine Tischplatte zu stützen. Beim Gehen wird am besten die Hand, an deren Seite der Begleiter sich befindet, nach außen gewendet in die Höhe gehalten. In jeder Situation ist es am vorteilhaftesten, wenn beide Teile die gleichnamigen Hände benutzen; am leichtesten spricht es sich mit der rechten in die rechte, mit der linken in die linke Hand des Aufnehmenden. Die 22 Zeichen, aus welchen unser Alphabet besteht, lassen sich in zwei große Gruppen einteilen: zur ersten gehören die durch Berührung verschiedener Stellen der Fi n g e r ausgedrückten Buchstaben, zur zweiten diejenigen, welche in den H a n d t e l l e r des Aufnehmenden geschrieben werden. Gruppe I. 1. Die V o k a l e . Sie werden durch Berühren der F i n g e r s p i t z e n ausgeführt, und zwar: a (wie Abbildung zeigt) durch Berühren der Spitze des Daumens, e (in gleicher Art) durch Berühren der Spitze des Zeigefingers, i (in gleicher Art) durch Berühren der Spitze des M i t t e l fingers, 0 (in gleicher Art) durch Berühren der Spitze des R i n g fingers, U (in gleicher Art) durch Berühren der Spitze des k l e i n e n Fingers. 2. Die B u c h s t a b e n b, d, g, h. Diese werden bezeichnet, indem man mit zwei Fingern zugleich das 2. und 3. Glied der betreffenden Finger berührt, und zwar: b (laut Abbildung) durch des Z e i g e f i n g e r s , d (in gleicher Art) durch des M i t t e l f i n g e r s , . g (in gleicher Art) durch des R i n g f i n g e r s , h (in gleicher Art) durch des k l e i n e n F i n g e r s . Berührung des 2. und 3. Gliedes Berührung des 2. und 3. Gliedes Berührung des 2. und 3. Gliedes Berührung des 2. und 3. Gliedes 3. f und p. f: Man drückt Zeige- u n d M i t t e l f i n g e r des Aufnehmenden a n d e n S p i t z e n l e i c h t z u s a m m e n . p: Man legt ihm Zeige- u n d M i t t e l f i n g e r ü b e r e i n ander. 4. t: Man faßt mit zwei Fingern den D a u m e n des Aufnehmenden fest an. Gruppe II. k: Die S p i t z e n a l l e r 5 F i n g e r drückt man z u g l e i c h i n d e n H a n d t e l l e r des Aufnehmenden. 1: Ein S t r e i c h e n mit allen 5 Fingern über die g a n z e H a n d f l ä c h e des andern. m: Man drückt die Spitzen von Zeige-, Mittel- und Ringfinger nacheinander leicht i n d e n H a n d t e l l e r , macht also drei P u n k t e . n: In gleicher Art zwei P u n k t e , mit Zeige- und Mittelfinger i n d e n H a n d t e l l e r . v: I n gleicher Art zwei P u n k t e mit Zeige- und Mittelfinger an der A u ß e n s e i t e des D a u m e n s ; w: I n gleicher Art d r e i P u n k t e mit Zeige-, Mittel- und Ringfinger an der A u ß e n s e i t e des D a u m e n s . r: Zeige-, Mittel- und Ringfinger t r i l l e r n in den H a n d teller. s: Der Zeigefinger beschreibt einen K r e i s in den H a n d teller. z: Der Zeigefinger macht einen Q u e r s t r i c h in den Handteller. ch: Der Zeigefinger macht ein K r e u z in den H a n d t e l l e r . C: Wird je nach Aussprache in dem betreffenden Worte wie k oder wie Z bezeichnet. j und y: Wie i. q: Durch ku ersetzt. x: Durch ks. * * * Falls irgendwelche Lücken oder Undeutlichkeiten in dieser Darstellung gefunden werden, bin ich gerne bereit, an den Herrn Verleger gerichtete und mir durch seine Gefälligkeit übermittelte bezügliche Anfragen direkt schriftlich zu beantworten. Februar 1908. Marie Landesmann. 005411 00021539 Zweigbibliothek R e h a b i l i t a t i o n s w i s s e n s c h a f t e n books2ebooks.eu www.books2ebooks.eu eBooks von / from eBooks on Demand Digitalisiert von / Digitised by Humboldt-Universität zu Berlin