Paradroid

Transcrição

Paradroid
AL
T!
196 Seiten DAS MAGAZIN FÜR KLASSISCHE SPIELE
3/2014
Juni/Juli/August 2014
Deutschland @ 12,90 Österreich
@ 14,20 Schweiz
sfr 25,80
Luxemburg @ 14,85
Gewin
nspiel
1
0
Cinema 0
Spiele warefür
Seite 19 iOS
2
DIE historie von
Cinemaware
Mick Schnelle analysiert die
Faszination von Blue Bytes
bestem Wimmel-Aufbauspiel
BomB Jack
Mit Hits wie Defender of the Crown begeisterte
dieses Studio die Amiga-Generation
Ein Hit in Spielhallen,
auf Konsolen und
Heimcomputern
wird 30 Jahre alt.
Glückwunsch!
R-Type delta
Retro-Revival mit Winnie Forster
Emlyn Hughes
Int. Soccer
■
■
■
Blick hinter die kulissen
Alle Spiele vorgestellt
Das Erfolgskonzept
Pünktlich zur WM spürt
Heinrich Lenhardt einem
der großen FußballspielKlassiker nach
Game Construction Sets
■
■
Paradroid
Andrew Braybrooks
geniale Mischung
aus Taktik und Action
Atari 8 Bit
Kultige Hardware und sensationelle Spiele – 20 Seiten über
Atari 800XL & Co.
Die wichtigsten Spiele-Baukästen
Interview mit „Game Maker“ Garry Kitchen
KingsoftArchive
Fritz Schäfer wollte sein Schachspiel verkaufen – und gründete
einen legendären Spiele-Pionier
arcade | atari | commodore | MSX | NEO GEO | nintendo | schneider | sega | sinclair | SONY
W
illkommen zur neuen Ausgabe des Retro Gamer und ein herzliches
Willkommen einem neuen Autor: Von dieser Ausgabe an schreibt auch
Michael Hengst für Retro Gamer, der vielen von euch sicher noch aus
seligen Power Play-Zeiten ein Begriff ist. Einer seiner Artikel behandelt
eines seiner Lieblingsspiele: Panzer General. Ihr findet den Klassiker-Check gleich
nach dem Inhaltsverzeichnis. Wenn ihr übrigens weitere Wunschautoren für Retro
Gamer habt, nennt sie uns doch einfach per Leserbrief oder E-Mail, wir können gerne
versuchen, sie für unser Heft als Schreiber zu gewinnen.
Anatol
Locker
Heinrich
Lenhardt
Jörg
Langer
Michael
Hengst
Mick
Schnelle
Auch diese Ausgabe des Retro Gamer kommt wieder auf rund 200 Seiten und birst
geradezu vor Highlights. So steuert Heinrich Lenhardt mehrere Klassiker-Checks und
zwei Reports bei (Kingsoft und Game Construction Sets), Winnie Forster seziert zum
dritten Mal den japanischen Spielemarkt für euch (dieses Mal von 1994 bis 2003), und
auch Anatol Locker und Mick Schnelle lassen euch an ihrem reichhaltigen Erfahrungs- und Erinnerungsschatz teilhaben. Wir holen zu Unrecht vergessene Spielehelden aus ihren Pixelgräbern und zeichnen die Entwicklung großer Werke wie Paperboy,
Bomb Jack, Elite, Boulder Dash, Salamander oder Sinistar nach.
Im Foto unten seht ihr mich mit der Android-Version von Defender of the
Crown, passend zur aktuellen Cinemaware-Titelgeschichte. Heutigen Spielern ist
es vermutlich kaum vermittelbar, dass diese pixelige, grobe Grafik vor 28 Jahren das
Nonplusultra darstellte. Doch wer damals schon spielte, kann sich an die Faszination
erinnern, die sie verströmte. Fast alle Titel der nur etwas über fünf Jahre lang wirkenden Cinemaware Corp. vereinten tolle Optik, filmreife Handlung und spielerische
Vielfalt. Wer zwei jener Klassiker auf seinem iPad spielen möchte, kann bei
unserem Gewinnspiel auf Seite 192 mitmachen: Die seit 2012 aktive
„neue“ Cinemaware-Firma war so nett, uns je 50 Geschenk-Codes für
die Vollversionen von The King of Chicago und Rocket Ranger zur
Verfügung zu stellen.
Im vorigen Heft haben wir sehr umfangreich den Commodore 64
behandelt, doch natürlich gab es auch andere wichtige 8-Bit-Computer wie Spectrum oder Schneider CPC. Mein persönlicher Erstkontakt
mit der schönen neuen Welt der Homecomputer fand indes Anfang der
80er mit einem Atari 800 statt – noch ohne „XL“, ich rede von der
schreibmaschinenartigen 1979er-Fassung. Ein Schulfreund hatte
seinen Vater überzeugt, damit besser „lernen“ zu können. In
der aktuellen Ausgabe findet ihr viele Seiten zur Atari8-Bit-Familie, inklusive Extra-Artikel zum Atari XE
Game System. Und in der Außenseiter-Rubrik haben
wir noch diverse spannende Spiele für die nächste
Atari-Generation, den Atari ST, im Überblick.
Übrigens: Selbst Retro Gamer geht mit der Zeit,
folgt uns doch auf facebook.com/retrogamerheft
Viel Spaß beim Schmökern und Spielen!
Jörg Langer
Projektleitung Retro Gamer
Winnie
Forster
» Ab dieser Ausgabe mit
dabei: SpielejournalistUrgestein Michael Hengst.
Inhalt 3/2014
Juni, Juli, August
Klassiker-Checks
006 Panzer General
Michael Hengst über den Hexfeld-Star
034 Die Siedler 2
Mick Schnelle verspürt Wimmel-Lust
082 Wie Activision Geschichte schrieb
Der heutige Riesenkonzern begann als
Indie-Publisher im Wortsinne
144 Bomb Jack
Wir wühlen uns durch 30 Jahre voller
Explosionen und zig Portierungen
112 Emlyn Hughes International Soccer
152Paperboy
Making Of
176 Boulder Dash
Heinrich Lenhardt hat Fußball gespielt
036Paradroid
Einfacher als Gradius, trotzdem klasse
078 Magic Carpet
Molyneux’ Orient-Flugsimulation blieb
kommerziell erfolglos
106Sinistar
Geheim-Dokument: Was alles rausflog
120 Altered Beast
Seitscroller, Prügler & mutierender Held
140 UFO Enemy Unknown
Aus Duell-Taktik wurde Globalstrategie
162 Tempest 2000
Jeff Minter über sein „Chill-out“-Werk
Firmen-Archive
018Kingsoft
Wie aus einem Schach-Programmierer
ein führender deutscher Publisher
wurde
114 Westone Bit Entertainment
Für Wonder Boy / Monster World mixte
das japanische Start-up RPG mit Action
Historie
024Cinemaware
Unsere Titelstory reicht vom Anfang bis
zum Untergang und zeigt alle Spiele
056Elite
Denken & feuern in Braybrooks C64-Hit
066Salamander
David Brabens und Ian Bells Werk
inspirierte viele Klone – und wird mit
Elite – Dangerous fortgesetzt
4 | RETRO GAMER 3/2014
Tür oder Briefkasten? Vom Zeitungsaustragen unter Schwerstbedingungen
Steine, die auf Helden fallen: Aus Physik
und klugem Leveldesign wurde Kult
Retro-Revival
016 R-Type Delta
Winnie Forster trotzt der Kugelhölle
054 The Elder Scrolls: Arena
Schwerpunkte
008 Made in Japan, Teil 3
042 Gaming Construction Sets
Michael Hengst flieht als Bösewicht
Mick Schnelle labert und taktiert
150 The Pawn
Immer Ärger mit lachenden Mönchen
184Midi-Maze
Anatol Locker kämpft im MIDI-LAN
Aussenseiter
052 Die Unkonvertierten
Willow, Slipstream, Nemo u. a.
072 Außenseiter: Acorn Archimedes
Star Fighter 3000, E-Type, Apocalypse
und 16 weitere Perlen
102 Außenseiter: Atari ST
Wings of Death II, StarRay, Zero 5,
Obsession und 15 andere
160 Die Unkonvertierten: Konami
Surprise Attack, Pandora’s Palace,
City Bomber, Hot Chase u. a.
186 Außenseiter: Chinesische RPGs
19 Hits, von denen ihr nie gehört habt
190Retro-Schande
Terminator 2 – Judgment Day: Ein Spiel,
das fassungslos macht
Mit dem Game Maker erfand Kitchen
quasi das Genre der Spiele-Baukästen
094 Die größten Spielehelden-Underdogs
Alle kennen Mario, Lara & Sonic. Wir
aber kümmern uns um die unverdient
vergessenen Pixel-Stars
166 Die Filmlizenz-Retro-Oscars
Jörg Langer in unendlichen Weiten
092Warsong
Heinrich Lenhardt über Game Maker,
ACS, Pinball Construction Set & Co.
046 Auf dem Sofa mit: Garry Kitchen
064 Wizardry IV
Winnie Forster erklärt die Glanzzeit der
japanischen Videospiele ab 1994
Die meisten Filmumsetzungen
taugen nichts. Doch es gibt löbliche
Ausnahmen!
Retro-Hardware
045 Pokémon mini
Nintendos Handheld-Fiasko: technisch
veraltet und so gut wie keine Software
124 Ataris 8-Bit-Ära
13 Jahre lang erschienen Ataris Home
Computer und epochale Spiele dafür
130 Atari: Die perfekten 10
Atari-800XL-Hits, die man haben muss
132 Atari: … und der Rest
56 weitere spielenswerte „A8“-Titel
134 Atari XE Game System
Außen Konsole, innen Computer: Wie
sich Atari beim XEGS verrechnete
Rubriken
003Editorial
192Retro-Feed
194 Vorschau & Impressum
RETRO-HARDWARE
ALTE KONSOLEN NEU BETRACHTET
045
072
016
052
056
112
120
140
152
124
134
006
024
034
036
078
106
176
K L A SSIK E R- CH ECK
» speedball 2: brutal deluxe
» Übersichtlich und doch detaillierte Grafik, komfortable Bedienung und teils
hammerschwere Szenarios machten Panzer General zum Hexfeld-Hit.
D
ank Minimaloptik, einer
im Regelfall verqueren
Benutzerführung und
Tabellenkalkulations­
charme galten frühe Strategie- und
Taktikspiele wie Chris Crawfords
Eastern Front 1941 oder Joel Billings’
Computer Bismarck schon bei der
damals überschaubaren Menge an
Computerspielen als unverbesserli­
che Hardcore-Kost. Fans, die trotz der
Widrigkeiten von kernigen Strategie­
spielen fasziniert waren, galten als
abstruse Sonderlinge, waren also die
Außenseiter unter den Außenseitern.
Während sich Spieler in der
westlichen Hemisphäre noch an
Tastaturen die Finger brachen, konnten
japanische Strategen bereits 1989 in
Konsolenspielen wie dem PC-EngineKlassiker Nectaris Einheiten bequem per
Joypad steuern. Und das ohne Hektik
rundenweise, aber doch spannend,
schon allein der kleinen Kampfanimationen wegen. Über pfiffige Importhändler
schaffte Nectaris auch den Weg nach
6 | RETRO GAMER 3/2014
Europa und in die USA, genauso wie
zwei Jahre später das MonumentalMega-Drive-Modul Advanced Daisenryaku, kurz AMC („Advanced
Military Commander“). Vollgepackt mit
taktischen, technischen, spielerischen
und optischen Finessen begeisterte das
Spiel die Strategiefans auf der ganzen
Welt. Einer der Fans war Joel Billings,
Gründer der renommierten Strategieund Rollenspielschmiede Strategic
Simulation, Inc.
Billings war schon immer von
Wargames und Militärgeschichte fasziniert gewesen. In seinem Büro trafen
sich Mitarbeiter immer wieder, um mit
Zinnminiaturen berühmte Schlachten
des amerikanischen Bürgerkrieges nachzuspielen. Kurzum: Die Begeisterung in
Billings’ Büro war groß, und schon bald
begann man bei SSI, eine eigenständige Computer-Version von AMC zu
programmieren – vor dem Hintergrund
des Zweiten Weltkriegs.
Drei Jahre nach Erscheinen von
Advanced Daisenryaku veröffentlichte
SSI dann das Rundentaktik-Werk Panzer
General – und veränderte damit die
Strategiespiel-Landschaft für immer.
Statt gruseliger Minimalgrafik bot Panzer
General den optischen Charme eines mit
Airfix und Revell-Modellen bevölkerten
Sandkastens. Mit komfortabler Maussteuerung wurden die Truppen auf der
Karte verschoben, kontextbasierte Mauszeiger zeigten notwendige Aktionen. Für
Einsteiger gab es einen mehrstufigen
Schwierigkeitsgrad, und animierte Bildchen zeigten das aktuelle Gefecht. Das
sollte ein Strategiespiel sein? Plötzlich
gehörte ein Hexfeld-Feldherr nicht
mehr zu einem kleinen Grüppchen von
verschrobenen Irren – SSI machte mit
Panzer General das Strategiespiel „en
vogue“. Hex-Felder waren hip!
Der Einfluss von Panzer General
auf Strategiespiele ist bis heute spürbar:
Erfahrungspunkte für Einheiten, das Aufrüsten oder Verbessern von einzelnen
Truppen und eine einfache KontextSteue­rung gehören zum Standardrepertoire eines jeden modernen Genrever-
treters. Selbst in Echtzeit-Taktik-Kollegen
wie StarCraft finden sich Anleihen aus
diesem Klassiker.
Heute schließt sich der Kreis
wieder: Das kleine Grüppchen von
Generälen bleibt wieder unter sich.
Während „Spiele“ wie Clash of Clans
oder Candy Crush die Welt und einen
Massenmarkt erobern, ist die Zeit für
Hobby-Strategen praktisch stehen
geblieben. Immerhin: Das kleine
Grüppchen ist heute sehr viel größer als
Von Heinrich
Lenhardt
damals
und kann
sich nicht zuletzt dank
vieler Indie- oder kleinerer Produktionen
nicht über Rundentaktik-Nachschub
beklagen, seien es The Banner Saga,
Battleworlds: Kronos, DSA Black Guards
und einige andere mehr.
von Michael Hengst
Fakten C
h
Wieso ein Klassiker?
BESTER MOMENT
» speedball 2: bru
tal deluxe
Vorbild Advanced Daisenryaku
Aufrüsten leicht gemacht
Wer Panzer General einen Klassiker nennt, darf das Mega-DriveModul Advanced Daisenryaku nicht vergessen. Im März 1994
fachsimpelte der Autor dieser Zeilen bei SSI über spielerische
Feinheiten und Umfang des Japan-Moduls. Nach dem klaren Vorbild
dieses Spiels erstellte SSI dann ihr Weltkriegs-Rundenspiel, das vor
allem die einfache Bedienung bei großer taktischer Tiefe von der
Konsole auf den PC übertrug. Endlich waren Hexfeldspiele keine
drögen Tabellenkalkulationen mehr – und Panzer General inspirierte
seinerseits zahllose Nachahmer.
Einheiten sind das Salz in der Suppe bei Strategiespielen. Auch
aus diesem Grund wird von Entwicklern gerne der 2. Weltkrieg
hergenommen. In Panzer General gibt’s zehn Truppenklassen, wie
Panzer, Infanterie oder Artillerie, und einige Hundert individuelle
Einheiten. Ob nun der Unterschied zwischen einem Panzer III H und
III J wirklich gravierend ist: Der Heimgeneral freut sich über jedes
Upgrade! Unvergessliche Momente entstanden, wenn man eine
liebewonnene Einheit bis in den Elite-Status brachte – und sie dann
vor der nächsten Schlacht zum nächsten Modell upgraden konnte.
eck
Fakten
» PLATTFORM: MS-DOS, 3DO
» Publisher: Strategic Simulation, Inc.
» ENTWICKLER:
Strategic Simulation, Inc.
MODERNE ALTERNATIVEN
Generäle in Serie
Panzer Corps
WAS WÄRE WENN
Der wohl würdigste Klon ist Panzer Corps des englischen Publishers
Slitherine. Das Grundspiel gibt es für PC und iPad, es kann mittels verschiedener Erweiterungspacks auf die epische Größe von rund 180 Szenarien aufgepumpt werden. Ob die in Missionsumfang und Schwierigkeit
gewaltige Wehrmachtskampagne Grand Campaign, der Feldzug in Afrika
oder die komplette Kampagne der Alliierten: Panzer Corps ist riesengroß
und bietet eine Fülle an Einheiten und Upgrades. Dank des individuell
anzupassenden Schwierigkeitsgrades ist es für geduldige Einsteiger
genauso empfehlenswert wie für erfahrene Generäle.
dt. Alternative
Panzer General eroberte die Strategenwelt im Sturm; Nachschub
musste her. Also rollten nach und nach eine Windows-Version des
ersten Teils, dann Allied General, Panzer General II, Pacific General,
People’s General und Panzer General 3D Richtung Spielerschaft.
Das spielenswerte Fantasy General ließ Sagenwesen statt Panzer
antreten, um eine Märchenwelt zu erobern. Leider machten sich
mit der Zeit generalistische Ermüdungserscheinungen bei der
Spielerschaft breit, Tiefpunkt war der dysfunktionale ScienceFiction-Ableger Star General.
Battle Worlds: Kronos
Militärische Fiktion
Der Bremer Entwickler King Arts verlegt seine Rundenschlacht
Battle Worlds: Kronos in die Zukunft. Spielerische Grundlagen
von Kronos führen auf den Blue-Byte-Klassiker Battle Isle
zurück, enthalten aber auch Anlehnungen an dessen Inspira­
tionsquelle Nectaris. Für Fans wurde mit dem SF-Knaller
Kronos ein Traum wahr, finanzierten sie doch das Spiel
über Kickstarter mit und King Art zeigte, dass knorrige und
anspruchsvolle, rundenbasierende Strategiespiele auch heute
noch auf eine treue Fangemeinde zählen können.
Aber zurück zu Panzer General: Ebenfalls spannend war die
Kampagnenstruktur, denn in bestimmten Schlüsselgefechten
verzweigte sich der Missionsbaum. Je nach Erfolg des Spielers und
der Geschwindigkeit, in der er die normalen Szenarios des Spiels
in der Kampagne absolviert, bietet Panzer General einige fiktionale
Szenarios an, wie beispielsweise die Invasion der USA im Juni 1945
durch deutsche Truppen. Zudem gibt es einige „Was wäre wenn“Szenarios, wie die Invasion Englands im Jahr 1943 oder einen
erneuten Vormarsch auf Moskau, ebenfalls im Jahr 1943.
» Genre: Strategie (Rundenbasierend)
Was die
Presse sagte …
Cover-Artwork: Wikipedia
DIE NACHFOLGER
» VERÖFFENTLICHT: 1994
Power Play 12/94, 89%
»Dass Panzer General nicht
nur für den ausgefuchsten
Hardcore-Strategen gemacht ist,
beweisen der variable Schwierigkeitsgrad und die angenehme
optische Aufmachung sowie
einige technische Gimmicks.
Dass zum Beispiel im Kampf die
Einheiten animiert eingeblendet
werden, hat keinen taktischen
Nutzen, sieht aber verdammt
gut aus und erhöht die Atmosphäre um ein Vielfaches.«
(Michael Hengst)
Was wir denken
Nicht mehr ganz taufrischer General, der aber spielerisch immer
noch für die eine oder andere
spannende Schlacht taugt, auch
wenn moderne Alternativen wie
Panzer Corps mehr Funktionen
und taktische Vielfalt bieten.
Ihr solltet aber zur WindowsFassung greifen, wenn möglich.
RETRO GAMER 3/2014 | 7
Teil
3:
der
Game
-G
ipfel
Die dritte Dekade: 1994 – 2003
Die 1990er sehen japanische Studios und Spielverlage auf dem Höhe­
punkt ihrer Kreativität und Expertise: Erst beherrschen die Modul­
konsolen von Nintendo und Sega mit Sprite- und Scroll-Meisterwerken
die internationale Szene, dann wird der japanische Elektronik-Konzern
Sony mit PlayStation und CD-ROM zum weltweiten Marktführer. Alte
Meister laufen nun zur Höchstform auf, gleichzeitig regt sich gegen Ende
des 20. Jahrhunderts eine neue Gamedesign-Generation, die das Medium
hinterfragen, variieren und ästhetisch erweitern möchte.
Hiroshima
Osaka
Kyoto
Konan (Aichi)
Nach rasantem
Neuaufbau ist
Hiroshima in den
80ern wieder Millionenstadt und Industriezentrum, verliert
den Puzzle- und
Shoot-em-up-Spezialisten Compile
(Puyo Puyo, Aleste)
schnell an den
Großraum Tokio.
Auch Nintendo- und
PlayStation-Lizenznehmer Kemco hat
hier nur kurzzeitig
sein Hauptquartier.
In der Hafenstadt im Süden der
Hauptinsel residieren Majors mit
Arcade-Background wie Konami,
Capcom, Irem und SNK. 1993
wird Yuke’s gegründet, der
weltweit wichtigste Hersteller von
Wrestling- und UFC-Spielen. Mit
Hilfe von Sammy, Sega, Bandai
und Sony starten ein paar SNKund Capcom-Veteranen 2000 das
Entwicklungsstudio Dimps, das
Dragonball- und Sonic-Spiele
für alle Plattformen macht, und
dann und wann einen Automaten,
zuletzt Super Street Fighter IV.
In den Schatten von Nintendo wagt sich kaum
ein japanischer GameVerlag. Eine Ausnahme
sind der Modulhersteller
Video System (der 2001
aufgegeben wird) und
dessen Abspaltung Psikyo, die in Kyoto seit 1992
heiße Baller- und freizügige Mahjong-Automaten
zusammenbastelt.
Die 100.000-Einwohner-Stadt beherbergt
einen der ältesten
SpielautomatenHersteller Japans
und frühen NintendoLizenznehmer: Sunsoft
Japanische Videospiele-Industrie
um 2000
Nagoya
Fukuoka
Die Hauptstadt der
Südinsel Kyūshū bringt
zwei der produktivsten und wichtigsten
PC-Spielehersteller
hervor: den StrategieExperten System
Soft (Daisenryaku)
sowie die AdventureFirma Riverhill, deren
Kreative 1998 Level 5
gründen und mit
Professor Layton zu
Weltruhm führen.
8 | RETRO GAMER 3/2014
Kakamigahara
Sasebo
Mit der Aufgabe von
Tecnosoft Anfang des
21. Jahrhunderts verliert
die 250.000-EinwohnerStadt am westlichen
Zipfel Japans ihre einzig
namhafte Spielfirma.
Kobe
Die Millionenstadt 30
km westlich von Osaka
bleibt weitgehend
studiofrei: Das kurzlebigste Konami-Studio
KCEK arbeitet von 1998
bis 2002 an Castlevania- und MusikspielUmsetzungen.
Die erst 1968 gegründete
150.000-EinwohnerStadt, ein bedeutender
Luftwaffen-Stützpunkt
und -Produktionsort, ist
das Quartier des wohl
wichtigsten 90er-JahreStart-ups außerhalb von
Tokio: Nippon Ichi. Dessen Disgaea-Taktik-RPGs
werden ab 2003 auch im
Westen berühmt.
Die viertgrößte Stadt
Japans beherbergt
den Augusta Golf- und
Hydlide-RPG-Hersteller
T&E Soft, (ab 2002: D
Wonderland). Nachbarn
sind die Nintendo-Abteilung des Harvest-MoonErfinders Natsume und
von 1996 bis 2000 Konami Computer Entertainment Nagoya (KCEN).
1996 wird in Nagoya der
Casual-Experte Digital
Kids gegründet, heute
ein Ubisoft-Studio.
Sapporo
Konami unterhält ab 1997 ein
Studio in der Hauptstadt der
Nordinsel und schluckt 2001
Hokkaidos einzig namhaften
Spieleverlag, den PC-Engineund Bomberman-Erfinder
Hudson.
» Stars der Sprite- und
Scrolling-Hochzeit:
Die KonamiDeserteure Treasure
inszenieren technisch
brillante 16-BitAction wie Gunstar
Heros fürs Mega
Drive.
Tokio
Ab 1990 zentralisiert sich die japanische
Spieleindustrie, alle Wege führen in die
Hauptstadt. Da wären etwa die alteingesessenen Majors Sega, Sammy, Success, Taito,
Data East, Jaleco, Tecmo, Mitchell und
Spielzeugfirmen wie Bandai, Tomy und Takara. Oder erfolgreiche ComputersoftwareVerlage (Enix, Falcom, Pony Canyon, Ascii
und deren Abspaltung Enterbrain) sowie
innovative Mini-Publisher wie Game Arts
und NCS. Aber auch unzählige kleine Firmen
entstehen zwischen 1986 und 1999, etwa
Imagineer, Naxat, Sting, Atlus und Idea
Factory, der RPG-Spezialist From Software
(Dark Souls 2) und die Sega-Tochter Spike.
1997 steigt die Medienfirma Marvelous durch
Übernahme der Game-Studios von JVC
ins Spielgeschäft ein und etabliert einen bis
heute aktiven Crossplattform-Publisher. Im
gleichen Jahr emanzipiert sich der NetzwerkPionier Dwango von seinen US-Eltern und
wird als früher Handy-Spielhersteller zum
heißesten Tokio-Start-up um die Jahrhundertwende. Vom Stadtplan verschwinden
dagegen Automaten-Produzent Toaplan, der
1994 in Arcade-Labors wie Cave, Raizing
und Takumi zerfällt, Naxat (Exitus: 2000),
Compile (2003) und Seta (2004).
Nach der Creative School von
Human öffnen bis 2000 weitere GamedesignHochschulen, darunter die Tokyo Main School
of Konami. Auch das wichtigste KonamiStudio, die Silent Hill- und Pro Evolution
Soccer-Abteilung KCET, hat seinen Sitz in
Tokio, ebenso Zweigstellen wie KCER (das „R“
steht für den Stadtteil Roppongi) und KonamiDeserteure wie Treasure.
Yokohama
Die Handelsmetropole und zweitgrößte Stadt
Japans ist Sitz von Koei und des kleinen
Arcade-Entwicklers Arc System Works, der
mit Guilty Gear and BlazBlue ab 1995 auch als
Publisher auftritt. Konami eröffnet 1997 ein
Studio und 1999 die „Digital Arts“-Spieldesign-Schule in Yokohama. Im 21. Jahrhundert
unterhält hier auch Wrestling-Entwickler
Yuke’s ein Studio.
D
Von Winnie Forster
ie dritte Dekade der japanischen
Spieleindustrie stellt gleichzeitig
die glorreichste dar. Bestimmt
wird sie zunächst einmal von bahnbrechender Hardware.
Die PC-Engine, die NEC 1987 auf
den Markt bringt, und das Sega Mega Drive
ein Jahr später bereiten den Boden für das
letzte und erfolgreichste Spielgerät der 8und 16-Bit-Generation: Mit dem FamicomNachfolger Super Famicom (in Europa ab
1992 als Super Nintendo Entertainment
System, SNES) veröffentlicht Nintendo
Ende 1990 eine wahre Wunderkonsole.
Das Super Famicom holt das Letzte
aus der 80er-Jahre-Technik und -Ästhetik
heraus, liefert ein paar neue Effekte und
protzt mit einem exzellenten Joypad.
Neben D-Pad und vier bunten Buttons
hat der SNES-Controller erstmals zwei
Schultertasten für die Zeigefinger. Die
CPU ist ein aufgepimpter C64-Nachfahre,
die Grafiktechnik dagegen 16-Bit und der
Soundchip eine potente Maßanfertigung
des Audio-Spezialisten Sony. Mehr Farben,
mehr Sprites, mehr Soundkanäle und ein
Grafikmodus nur zur Bitmap-Skalierung:
Trotz lahmer CPU begeistert das SNES die
japanischen Entwickler.
Dank bewährter Famicom-Marken
wie Super Mario, Zelda, Gradius und Contra,
Final Fantasy und Dragon Quest erobert das
Super Famicom sein Heimatland im Sturm.
Am Tag des Verkaufsstarts schließen die
Warenhäuser in Tokio wegen Überfüllung,
300.000 ausgelieferte Geräte verdunsten
binnen 12 Stunden, mehr als eine Million
Bestellungen bleiben anfänglich unerfüllt.
Anfang 1992 sind in Japan 5 Millionen,
Anfang 1994 schon 12 Millionen SuperFamicom-Geräte im Einsatz. Im Westen hat
es Nintendo etwas schwerer und setzt sich
mit dem SNES erst nach hartem Kampf
gegen das Sega Mega Drive als Plattform
Nummer eins durch.
Die letzten Modulkonsolen
Super Famicom und Mega Drive markieren
Reife und Höhepunkt des 2D-Bitmap-Zeitalters und zeigen deutlich die Dominanz japanischer Pixel-Künstler, wenn es um Sprites
und Scrolling geht. Zwischen 1990 und 1994
entstehen die besten 2D-Jump-and-runs
(Super Mario World, 16-Bit-Castlevania,
» Nintendo macht das Super Famicom
(links) durch „Satellaview“-Anbindung
und Flash-Speicher, das N64 mit „Randnet“ und Wechselmedien zur Entertainment-Zentrale – aber nur in Japan.
RETRO GAMER 3/2014 | 9
» Ein digitaler Dino ist das Erste,
was auf Sonys „PlayStation X“
zu sehen war: als interne, echtzeitberechnete Grafik-Demo.
Ab den 1980ern wandelt sich Sony vom Elektronikbauer zum globalen
Entertainment-Giganten, steigt in Hollywood und in den Videospielmarkt
ein. Sony Music, Epic und CBS produzieren Computersoftware und sind
frühe Nintendo-Lizenznehmer. 1990 liefert Sony-Ingenieur Ken Kutaragi
den Soundchip für die SNES-Konsole und macht sich daran, ein Nintendokompatibles CD-ROM-Gerät zu entwickeln. Bevor’s dazu kommt, zerbricht die
Partnerschaft: Statt eine gemeinsame Konsole zu produzieren, werden Sony und
Nintendo Rivalen.
Durch Unterstützung japanischer und westlicher Spieleverlage und
durch geschickte Studio-Übernahmen (in Europa etwa Psygnosis) wird Sonys
PlayStation zum weltweiten Marktführer der späten 90er und des frühen 21.
Jahrhunderts. Sony Electronic Entertainment (SCE) emanzipiert sich von
Sony Music zur eigenständigen Konzernsäule und erhält 2008 auch die
Kontrolle über Sony Online Entertainment (SOE).
Die letzten zehn Jahre verlaufen holprig für SCE und den
Gesamtkonzern. Eine überteuerte PlayStation 3 verliert die
Games-Marktführerschaft, die sich Nintendo mit Wii
zurückholt; ebenso scheitern alle HandheldVersuche gegen DS und iOS.
Megaman X), grandiose Seitwärts-Scroller
(Musha Aleste, Raiden, Thunderforce III
und IV, Gynoug, Last Resort, Viewpoint …),
märchenhafte Action-Adventures, epische
Fantasy-RPGs und ausgebuffte MultiplayerSporttitel. Mit dem Geniestreich Super
Mario Kart startet Shigeru Miyamoto das
Genre der Fun Racer, mit dem 24-MBitKoloss Final Fantasy VI schafft Square 1994
den krönenden Modulabschluss und das
vielleicht bis heute beste Spiel der Serie –
beide Titel gibt’s exklusiv fürs SNES.
Obwohl in Japan auf verlorenem
Posten kämpfend, aktiviert Sega alle Ressourcen, um die Nintendo-Marktherrschaft
zu brechen, kooperiert mit Disney fürs
hübsche Castle of Illusion und erfindet mit
Sonic the Hedgehog einen Hüpfspielhelden, der dreimal so schnell ist wie Mario.
Auch in anderen Genres will Sega an der
Nintendo-Dominanz kratzen: Mit Ken
Naito, seit DragonQuest III ein Star der
japanischen Szene, programmiert Segas
Sonic-Team den smarten Dungeon-Crawler
Shining in the Darkness und die Taktik-RPGs
Shining Force. Doch das hilft alles nichts:
In seinem Heimatland bleibt das Mega
Drive ein kleines Licht, trotz technischer
Innovationen wie Modem (nur Japan, ab
1991), CD-ROM-Laufwerk (1993 in Europa)
und 32-Bit-Upgrade 32X, das 1995 in den
Westen kommt.
Technik-Genies
und Pixel-Künstler
» Totgeglaubte leben länger:
Der Überraschungserfolg
Pokémon vernetzt die jüngste
Generation der Rollenspieler
und beschert dem Game-Boy
ein Revival – ab 1996 in
Japan, dann weltweit!
Von wenigen Ausnahmen wie Miyamoto, Naito,Yuji Horii (Enix) und Hironobu
Sakaguchi (Square) abgesehen, besteht das
große Heer der Techniker und Kreativen
der japanischen Game-Industrie aus kleinen
Nummern und Unbekannten, die selbst
in den Credits der eigenen Spiele nur als
Pseudonyme auftauchen. Das ändert sich
mit dem Durchbruch der 16-Bit-Konsolen: In
der ersten Hälfte der 90er Jahre emanzipieren sich viele Teams von ihren Arbeitgebern,
den in den ersten beiden Folgen unserer
» Obwohl japanische
Entwickler hervorragende 3D-Spiele schaffen
(hier Heavenly Symphony,
Mega CD, 1994), hat SegaHardware in ihrer Heimat
keine Chance gegen
Nintendo und Sony.
10 | RETRO GAMER 3/2014
» Über die erste Hälfte
der 90er Jahre ist das
SuperNES die erfolgreichste Plattform: Mit
englischer Hilfe hebt
Nintendo 1993 in den
Polygon-Weltraum ab
(Starfox).
Serie porträtierten Majors. Neue, unabhängige Entwicklungsstudios schießen aus dem
Boden.
So gründet Naito 1990 sein
Software-Labor Climax, dessen Logo ein
paar Jahre lang Garant für hochwertigen
Spielspaß ist. Als technisch noch versierter
gilt zu dieser Zeit ein Studio ehemaliger
Ko­nami-Programmierer: 1993 schockt Trea­
sure die 16-Bit-Fans mit der Partikel-sprühenden Duo-Ballerei Gunstar Heroes und
bringt das Mega Drive später mit Dynamite
Headdy und Alien Soldier zum Kochen. Leider kommen einige Treasure-Meisterwerke
nicht in den Westen, etwa die Anime-Umsetzung Yuyu Hakusho (1994), eine schlaue
Multitap-Klopperei für vier.
Die 3D- und RISC-Revolution
Während der Mainstream der japanischen
Industrie die Bitmap- und Sprite-Spiele zur
Reife bringt, haben technisch progressive
Firmen wie Namco längst begriffen, dass
die zweite Hälfte der 90er den 3D-Polygonen gehört. Sowohl Sega als auch Nintendo
kooperieren mit westlichen Chip-Firmen und
Simulations-Spezialisten, um ihr Know-how
zu stärken. Nintendo wendet sich an die
englischen 3D-Pioniere Argonaut (bekannt
durch Starglider für ST und Amiga), um den
Polygon-Shooter Starfox (im Westen: Starwing) zu inszenieren und das SNES durch
einen RISC-Chip aufzurüsten. Rare darf für
Nintendo alte Affen mit 3D-Renderings zu
neuem Leben erwecken (Donkey Kong
Country ab 1994). Und den US-WorkstationMarktführer Silicon Graphics (SGI) beauftragt der Konzern damit, eine RISC-Wunderkonsole mit dem Codenamen „Ultra64“
(das spätere N64) zu entwickeln.
Erzrivale Sega wiederum arbeitet
mit dem amerikanischen NASA-Zulieferer
General Electric Aerospace zusammen,
um die revolutionäre Model-1-Hardware
für Virtua Racing zu schaffen. Und mit dem
Luft-und Raumfahrtkonzern Lockheed Martin kooperiert Sega später im Bestreben, die
MADE IN JAPAN–- der Game-Gipfel
» Mit audiovisuell exzentrischen PlayStation-Spielen
wie VibRibbon (1999) surft
Masaya Matsuura auf der
Gamedesign-New-Wave
ins 21. Jahrhundert.
Arcade-Technik mit Texture Mapping zum
legendären Model 2 zu verbessern.
Dass in Japan bereits jetzt das
Zeitalter der Netzwerkspiele, der KreativAnwendungen, ja in gewissem Sinne sogar
der sozialen Medien anbricht, bekommen
wir im Westen kaum mit: Nintendo stellt
in Warenhäusern Download-Automaten
auf und funkt ab 1995 über einen eigenen
Satelliten Spiele und News, Wettbewerbe
und Support in japanische Haushalte. In der
zweiten Hälfte des Jahrzehnts, die Marktführerschaft geht gerade an Sony verloren,
versucht es Nintendo mit MultimediaZubehör für die N64-Konsole, mit dem
beschreibbaren Wechselmedium 64DD,
der Anbindung an den gebührenpflichtigen
Online-Dienst Randnet und einem in England entwickelten Kreativ-Programm. Das
ganze Zubehör verschiebt sich jedoch um
mehrere Jahre und verlässt Japan nicht.
Ebenso bleibt das Phänomen der
„PrintClub“-Kabinen auf Fernost beschränkt
(siehe Atlus-Kasten), das ab Ende 1995
vor allem Mädchen und junge Familien
anspricht. Auch tragbare Telefone werden
in Japan viel früher als im Westen zu
Spielgeräten: 1999 startet das ehemalige
Monopolist NTT seinen iMode-Dienst, der
neben Service und Internet-Shopping auch
Spiele aufs Handy bringt, ab 2001 funken
die ersten iMode-Smartphones. Mehr zu
Java und Co. werden wir in der letzten und
abschließenden Japan-Episode berichten.
CD-ROM-Millionenseller
Die neben 3D-Beschleunigung beherrschende Technik der zweiten 1990er-Hälfte ist
der optische Datenträger CD-ROM, der
auch in Japan zu einer Ablösung in Sachen
Marktführerschaft führt: Da sich Nintendo
der Speicherrevolution verschließt und mit
der Absage an eine CD-Konsole den Partner
Sony verprellt, macht sich dieser auf dem
Videospielmarkt selbstständig und fordert
Nintendo mit der PlayStation heraus. Sonys
Technik ist gut (da mit RISC-Chips auf 3D
Der 1950 gegründete Spielzeug- und Trickfilm-Konzern hält
mit Gundam, Ultraman und Dragon Ball, später auch Sailor Moon,
Power Rangers und Hello Kitty die heißesten Kindermarken Japans. Als
Lizenzgeber und Hersteller steigen Bandai und Töchter wie Yanoman, Banpresto, Yutaka und Bec Mitte der 80er Jahre ins Videospielgeschäft ein, ohne
nennenswerten Erfolg außerhalb Japans. Als 1996 Bandais Konsolen-Versuch
(mit Apples „Pippin“-Hardware) scheitert, munkeln Insider vom bevorstehenden
Zusammenschluss mit Sega. Der Spielzeug-Major bläst die Fusion aber im
letzten Moment ab, weil er dank Tamagotchi-Fieber plötzlich viel mehr wert ist
als der Konsolenhersteller.
2003 ist Bandai die viertgrößte Videospielfirma Japans (nach Nintendo,
Square-Enix und Konami) und stellt die Produktion des Game-Boy-Konkurrenten Wonderswan nach vier erfolglosen Jahren ein. Ende 2004 gründet
der Konzern mit Ex-Sega-Produzent Tetsuya Mizuguchi das Casual-Label
QB. Ein Jahr später macht sich Bandai mit der Übernahme von Namco
zum größten Game-Publisher Japans. Heute sind die Hauptumsatzbringer von Namco-Bandai (NBGI) Dragonball Z, One Piece und
Naruto für PS, 3DS & Co. Spielerisch hochwertig, aber viel
zu selten auf westlichen Geräten, sind Banprestos
Super Robotwars-Spiele (Rundenstrategie
im Weltraum).
und Texture Mapping ausgelegt), ebenso die Vermarktungs- und Third-Party-Strategie:
Schon im Vorfeld schwört Sony
langjährige Nintendo-Partner wie
Namco, Konami, Capcom (die
alle mit den hohen Modulkosten
hadern und nach einer Alternative
zum Nintendo-Diktat suchen) auf die
PlayStation ein. So wird der sensationelle Starttitel Ridge Racer nicht Sonyintern, sondern von Namco entwickelt.
Die Würfel gegen den Pionier
Nintendo und zugunsten des Herausforderers fallen, als Square am 12. Januar 1996
die Seiten wechselt: Der siebte Teil der Final
Fantasy-Serie erscheint nicht für Nintendos
angekündigte Modulkiste Ultra64, sondern
PlayStation-exklusiv. Und zwar nicht zuletzt
deshalb, weil der RPG-Experte traditionell
gewaltige Speichermengen benötigt. Auf
drei CDs wird Final Fantasy VII 1997 ausgeliefert, die 750 MB Programmdaten sowie
mehr als 1 GB Render-Videos enthalten. Da
Square nicht pfuscht, sondern eine vorzügliche Symbiose aus traditionellem JRPG,
Pixel-Charme und moderner Polygon-Animation liefert, wird der Wechsel von Nintendo
zu Sony ein voller Erfolg, der alle kommerziellen Rekorde bricht: Mit fast 10 Millionen
verkauften Einheiten ist Final Fantasy 7 bis
heute der erfolgreichste Teil der Serie.
Auch vom RPG-Blockbuster abgesehen mausert sich Square Ende der 90er
zu einem der weltweit besten Videospielhersteller, mit starken 3D-Beat-em-ups
(Tobal No.1, Bushido Blade, Ehrgeiz), grandioser Rundentaktik (Front Mission, Final
Fantasy Tactics) und vielen experimentellen
Action-RPG- und Action-Adventure-Ansätzen, beispielsweise Parasite Eve, Xenogears
oder Vagrant Story (1999).
Atlus wird 1986 gegründet und schon als Famicom-Lizenznehmer
durch seine okkulten Digital Devil/Megami Tensei-Rollenspiele berühmtberüchtigt. In den 90ern produziert die Firma Automaten, Module und CDs
für alle Plattformen, darunter Außenseiter (Sega Saturn) und Exoten (Virtual
Boy). Ein Hit gelingt Atlus mit lustigen „Print-Club“-Automaten, in denen sich
Schulmädchen, Cliquen und Familien ablichten und als bunt gerahmte Aufkleber
drucken lassen. Die Fotokabinen spülen Mitte der 90er Jahre frisches Geld in die
Atlus-Kasse und die Arcade-Branche.
Nach dem Börsengang wächst Atlus bis 2005 auf 350 Angestellte,
expandiert nach China und Singapur und liefert neben Shin Megami Tensei und
Persona für alle Plattformen vom Handy bis zur Xbox. Dazu kommt ab und
an ein originelles Unikat wie das tückische Story-Action-Puzzle Catherine
(2011) oder das Multiplayer-RPG Dragon’s Crown (2013). Atlus vertreibt die
Ballerspiele von Psykio und Cave (Don Pachi) und über die starke USNiederlassung viele englische PlayStation- und Nintendo-Umsetzungen anderer Hersteller. Vom Umbruch der japanischen Branche
ab 2000 bleibt die Firma nicht verschont, sondern wechselt
mehrmals den Besitzer, bis schließlich Sega-Sammy
die Reste schluckt und Anfang 2014 einen
Atlus-Neustart mit rund 120 Mitarbeitern verspricht.
Veteranen
im Jahr 2000
Betrachtet man die japanische
Industrie und Szene bis dahin, fällt
» PlayStation-Meisterwerke made in
Japan legen den
Grundstein für moderne VideospielGenres, von links:
Resident Evil, Gran
Turismo und Metal
Gear Solid.
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» Das Videospiel wird
modisch: In Spezialläden
wie dem Ende der 90er
Jahre in Tokio eröffneten
„Entertainment Goods
Store“ verkauft Namco
T-Shirts, Kapuzenpullis und
Accessoires.
Die „Shin-Nihon Kikaku Inc“ wird 1978, noch in tiefster Pongund Breakout-Urzeit, gegründet und debütiert im Westen 1982 mit
dem Ballerspiel Vanguard. International bekannt wird die Firma SNK
erst nach 50 Automaten und Nintendo-Modulen durch die Veröffentlichung einer eigenen 16-Bit-Konsole: Mit dem prunkvollen Neo Geo (1990)
hält sich SNK bis ins 21. Jahrhundert in einer Nische klassischer Sprite- und
Bitmap-Action. Hilflos wirkt dagegen SNKs Versuch Ende der 90er, auf den
CD-ROM-Zug aufzuspringen, mit billigeren, technisch schlappen Neo-GeoVarianten. Kurzlebig ist auch die Nachfolge-Plattform NeoGeo 64.
Erfolg hat SNK mit seinen Duell-Prügelspiel-Marken Garou Densetsu
(Fatal Fury), Samurai Shodown und King of Fighters, die auch nach der
3D-Revolution auf 2D-Pixel-Animation setzen, als Erben klassischer Street
Fighter 2-Tugenden gelten und sich seit 1999 zu regelmäßigen SNK vs.
Capcom-Crossovers mit ihren Vorbildern treffen. Die Mobilkonsole
NeoGeo Pocket ist der Sargnagel des Unternehmens, das 2000
zerschlagen wird. 2003 als SNK Playmore wiedergegründet,
produziert die Firma heute mit 200 Mitarbeitern Pachinkound Pachislot-Automaten sowie Samurai Spirits-,
Metal Slug- und KoF-Updates für Windows,
PlayStation und Xbox.
» Für Sony läuft der ehemalige Nintendo-Partner
Square zu Hochform auf und liefert ab 1995
einzigartige 3D-Action (oben Tobal No.1) oder 1997
gefällige Rundentaktik (Final Fantasy Tactics).
» Frühe Dreamcast-Starttitel enttäuschen,
geniale wie Shenmue (rechts) erscheinen viel zu spät (1999, im Westen 2000).
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ihre Stabilität und Konstanz auf. Ganz anders
im Westen: Dort macht fast jeden Tag ein
neuer Publisher auf und ein anderer dicht;
80er-Jahre-Größen wie Accolade, Micro­
prose, SSI und Mindscape, Ocean, US Gold,
Elite und Gremlin verschwinden sang- und
klanglos. Japans Software-Landschaft hingegen ändert sich 20 Jahre lang fast nicht.
Japanische Spielehersteller sind langlebiger
als englische oder amerikanische, namhafte
Branchen-Konkurse sind zwischen 1980 und
2000 im Großraum Tokio kaum zu beklagen.
Die 8- und 16-Bit-Marktführer sind auch
die Majors zu Beginn des 21. Jahrhunderts;
selbst schwächelnde Veteranen wie Taito
oder Hudson halten beim Übertritt ins CDund DVD-Zeitalter noch mit.
Die meisten der Firmen, die bis
1995 Famicom-, Game-Boy- und SNESModule produzieren und vermarkten,
steigern ihr Produkt- und Entwicklungs-Niveau über die PlayStation-Jahre nochmals
beträchtlich: Capcom verhilft 1996 den
Zombies mit Biohazard (alias Resident Evil)
zu einem bis heute anhaltenden Comeback
und erfindet gleichzeitig das SurvivalHorror-Adventure. Konami begründet 1998
mit Metal Gear Solid das Schleich- und
Spionage-Genre. Sony revolutioniert und
reformiert 1997 mit Gran Turismo das 3DRennspiel. Zu diesen weltweiten Madein-Japan-Hits kommen Geheimtipps, die
in Europa nur schwach oder gar nicht vermarktet werden, darunter die SF-Ballereien
Einhänder (1997), Thunderforce V (1997)
und R-Type Delta (1998). Auch Konamis
unerreichte 2D-Fantasie Akumajoo Dracula
X: Nocturne (Castlevania: Symphony of the
Night, 1997) bleibt zunächst ein JapanRenner.
» Ein letztes Mal setzt die Spielhalle den
Trend, als Konami 1997 das Musik- und
Rhythmus-Spiel erfindet und Beatmania
eine neue Zielgruppe anlockt – junge
Frauen und Mädchen.
Niedergang der Spielhalle
Um 1990 ist die Arcade-Branche noch
Trendmotor, zehn Jahre später verfällt sie
in einen beklagenswerten Zustand. Die
letzten technischen Meilensteine gelingen
der Spielhalle zu Beginn des 3D-Zeitalters
mit revolutionären Polygon-Rennspielen wie
Virtua Racing und Ridge Racer sowie den
ersten 3D-Prügeleien Virtua Fighter und
Tekken. Danach fahren Namco, Sega und
Co. ihr Arcade-Engagement stark zurück und
investieren lieber in CD- und DVD-Konsolen,
Handhelds sowie das Internet. Ab dem
Sega Dreamcast (1998), spätestens aber mit
der PlayStation 2 (2000) hat Heim-Hardware
den technischen Vorsprung der Automaten
eingeholt – die Zeiten, in denen es die beste
Grafik und die modernste Action in der
Spielhalle gab, sind vorbei.
Dafür ist mit den jüngsten Heimkonsolen nun der alte Videospieltraum von Optik und Sound „wie im Kino“ zum Greifen
nah. Doch ausgerechnet jetzt, wo moderne
Hardware der Kreativität der Spieldesigner
kaum noch Grenzen setzt und fotorealistische Spielewelten greifbar erscheinen,
setzt eine gegenläufige Bewegung unter
japanischen Designern ein. Während die
meisten US- und Euro-Entwickler die RISCMöglichkeiten durch immer realistischere
Objekte und Abläufe ausreizen, bleiben
einige Spielerfinder in Japan nun stehen
und hinterfragen das bisher Erreichte und
den technischen Stand der Dinge.
Zu nachdenklichen Altmeistern wie
Shigeru Miyamoto oder Hideo Kojima gesellen sich junge Wilde wie Tetsuya Mizuguchi
bei Sega oder Sonys Masaya Matsuura, der
sich 1996 mit dem kalifornischen Künstler
Rodney Greenblat zusammentut. Die bei-
MADE IN JAPAN–- der Game-Gipfel
den schreiben das ulkige PlayStation-Rhythmusspiel Parappa the Rapper, das mit einem
alternativen, völlig unrealistischen Grafikstil,
reduzierter Steuerung und friedlicher Aufgabenstellung überrascht. Matsuuras Abkehr
vom Technik- und Render-Wahnsinn und
seine Hinwendung zu ziviler, familienfreundlicher Action ist weitsichtig. Die US-Forscherin
Dr. Katherine Isbister bemerkt 2009: „Die
Spielwelt ist so fröhlich, erhebend, positiv
und gewaltfrei – eine sonnige Kleinstadt. Mit
Parappas Herausforderungen kann ich mich
identifizieren, verstehe sofort, was zu tun
ist.“ Die Spieltheoretikerin lobt die „vertrauten
Aktivitäten“ von Parappa the Rapper und den
„Raum für Meisterschaft und persönlichen
Ausdruck: Singen wollte ich schon immer!
Oder eine Führerscheinprüfung machen,
jemanden bekochen …“ Der Ansatz „Küche
statt Schlachtfeld“ verfehlt damals noch
den Mainstream, verweist aber direkt in die
Casual-Zukunft des 21. Jahrhunderts.
Der japanische New Wave
Wie Matsuura verwirft die Arcade-Abteilung
von Konami audiovisuellen Realismus und
Hardcore-Gameplay und schafft 1997 mit
der DJ-Simulation Beatmania ein visuell
und spielerisch reduziertes Vergnügen, das
erst im Großraum Tokio, im 21. Jahrhundert
dann auch im Westen zu einem Musik- und
Rhythmusspiel-Boom führt. Nur ein paar
bunte Symbole scrollen in „Bemani“-Spielen
wie DanceDanceRevolution, Pop’n Music
und Guitar Freaks über den Bildschirm, die
der Spieler auf Buttons oder Spezialcontroller
nachspielt oder -tanzt. Die Spiele der BemaniMarke haben Tracks statt Levels, die man
mit Instrument-Samples erweitert, brechen
mit Game-Traditionen, ignorieren HollywoodTrends und pfeifen auf Fantasy-Klischees.
Das Musik- und Tanzspiel wird
damit der wichtigste Impulsgeber für eine
Gamedesign-Strömung, die auch trendbewusste Jugendliche, Erwachsene und sogar
junge Frauen erreicht, denen traditionelle
Videospiele zu technisch und kompliziert sind.
Neben der grafischen Abstraktion und dem
Rhythmus ist die Hinwendung zu einer neuen
Zielgruppe – dem Casual-Mainstream – das
Kennzeichen des japanischen VideospielNew-Waves ab Ende der 90er.
Ebenfalls weg von Gewalt-Action und
visuellem Realismus möchte Tetsuya Mizuguchi. Der Yu-Suzuki-Schüler persifliert 1995
mit seinem Dreamcast-Titel Space Channel 5
klassische Ballermechaniken und lässt die
Heldin Ula im Minirock gegen Außerirdische
grooven. Während die Kollegen dem Rausch
der 3D-Chips erliegen und immer komplexere
Welten ertüfteln, inszeniert der 34-Jährige
ein bewusst simples Vergnügen, friedlich,
schwungvoll und modisch. Noch reduzierter
und origineller ist im selben Jahr Matsuuras
zweites PlayStation-Spiel: Vib Ribbon generiert seine Levels aus Audio-Tracks und kehrt
zu den ästhetischen Anfängen des Videospiels zurück, mit monochromen Strichlandschaften und Vektor-Männchen.
Nach diesen Experimenten erscheint
2000 das ausgewachsene Musik- und
» Nach fast zehn Jahren
als Sega-Maskottchen
erhält Sonic kurz vor der
Jahrtausendwende ein
kraftvolles 3D-Update:
Sonic Adventure
» Shigeru Miyamoto haucht Zelda 2002
durch „nicht-realistisches Shading“
neues Leben ein – ein klassisches
Action-Adventure im frischen Look.
» Traditionelle Sega-Action
verbindet Tetsuya Mizuguchi mit
Rhythmus, Retro-Chic und etwas
Erotik: Space Channel 5 (1999).
» „Quicktime Events“ und RhythmusSpiele halten Einzug in Core Games: In
Nintendos Gamecube-Zelda schwingen
wir 2002 den Dirigentenstab, um den
Windgott gnädig zu stimmen.
» Im Rausch der Farben und
Formen: Mit Rez für Dreamcast
und PS2 bringt Sega ForceFeedback-Vibrationen, Synästhesie und „Flow“ ins Spiel.
New-Wave-Epos Jet Set Radio, das durch
die Kombination frischer Spielelemente und
einen radikalen Grafikstil hervorsticht: Die
futuristische Großstadt, in der sich sprayende
Jet-Skater mit Gangs und Gesetzeshütern
Verfolgungsjagden liefern, ist 3D-modelliert,
aber nicht mit realistischen Texturen, sondern
einfarbigen Flächen belegt. Das wirkt ein
bisschen wie ein animierter Comic oder ein
interaktiver Zeichentrickfilm und wird deshalb
„Cel Shading“ genannt. Von den BemaniSpielen schaut sich Jet Set Radio die „Quick
Time“-Manöver ab: Gelbe Pfeile geben
Schwung des 3D-Sticks vor, mit denen der
Spieler seine Graffitti-Tags auf die Wand legt.
Der korrekte Rhythmus erzeugt einen Flow,
wie im Musikspiel.
Spiel oder Kunst?
Space Channel 5, VibRibbon, Jet Set Radio:
Die japanischen New-Wave-Titel wollen keine
neuen Genres begründen, sondern bestehende Spieletypen – Geschicklichkeit und Puzzle,
Action und Action-Adventure – überdenken
und modernisieren, variieren und kombinieren.
Die neue Welle ist dabei kein alles verneinender Punk, sondern zeigt Respekt vor alten
Meistern und würdigt längst aufgegebene,
alternative Grafikstile, bringt Vektoren und
blanke Polygone, Strichmännchen, 2D-Silhouetten und Scherenschnitt-Animationen auf
den Bildschirm. Um 2000 experimentieren
japanische Gamedesigner mit Tusche, Kreide
und Aquarell, verzichten gerne auf einige oder
gar alle Farben.
In Tetsuya Mizuguchis Rez rast der
Spieler 2001 durch eine Drahtgitter- und
Vieleck-Welt; sein Flug modifiziert einen
treibenden Trance- und Techno-Soundtrack.
Visuell verbeugt sich Mizuguchi vor der grafischen Prägnanz klassischer Videospiele und
widmet die Dreamcast-Entwicklung Wassily
Kandinsky (1866–1944), dem Vordenker der
Synästhesie moderner Medien. Sein Rez
ist Musik zum Sehen und Farbe, die man
hören kann – ein Vorbild für das HDSpieldesign des 21. Jahrhunderts.
Eben jenes werden wir im vierten
und letzten Teil von Made in
Japan erreichen, in Retro
Gamer 4/2014.
Die 1985 gegründete Firma Seta nennen wir als Beispiel für ein nur in
Japan erfolgreiches Unternehmen, das sich als früher Nintendo-Lizenznehmer mit Umsetzungen asiatischer Brettspiele profiliert, statt nach dem
Weltmarkt zu greifen. Seta startet mit einer Shogi-Simulation fürs Famicom
und bringt 1987 die Super Real Mahjong-Serie in die Arcades. Von europäischen Spielern kaum bemerkt, produziert Seta in den 90ern zig Action- und
Baller-, Race- und Sportspiele für NES, Game Boy und SNES (darunter Exhaust
Heat, Nosferatu und Desert Fighter). Schwerpunkt bleiben aber erwachsene
Brettspiel-Simulationen, mit Mahjong und Morita Shogi für alle Plattformen,
vom Mac bis zur PlayStation.
1996 baut Seta zusammen mit dem Shogi-Verband das „Japanese
Shogi Network“ auf und liefert als Mitglied des N64-Dreamteams ein
Shogi-Modul mit eingebautem Modem. 1998 überrascht Seta mit
einem N64-Tetris, dem ein „Bio Sensor“ fürs Ohrläppchen beiliegt!
Die N64-nahe Arcade-Hardware AleC64, auf der unter anderem Hudsons Star Soldier-Remake läuft, ist das letzte
Großprojekt der Firma. 1999 wird sie vom Mitbewerber Aruze geschluckt, geschrumpft
und zehn Jahre später ganz
aufgegeben.
Hardware-Aufnahmen und Fotos: www.gameplan.de
RETRO GAMER 3/2014 | 13
16 | RETRO GAMER 3/2014
R-Type Delta
» retro-revival
Baller-Comeback des Jahrzehnts
» Publisher: Irem
» Erschienen: 1998
» Hardware: Playstation
Von Winnie Forster
Grandiose SF-Shooter, vertikal, horizontal oder in alle Richtungen
scrollend, erleben wir viele in den 8- und 16-Bit-Jahren, in der Spielhalle, auf Konsole und Computer. Mit dem PlayStation-Siegeszug dünnt
das Genre der Sprite- und Pixel-Ballereien dann jedoch aus, die großen
Shoot-em-up-Namen verblassen und verschwinden. Als 3D-Action den
klassischen 2D-Scroller killt, finden wir Fans uns damit ab – und erleben eine donnernde Überraschung kurz vor der Jahrtausendwende!
Vor 30 Jahren bilden Shoot-em-ups die Königsdisziplin des Videospiels, die halbe Welt hängt ballernd am Joystick. 1987 schickt uns der
kleine japanische Arcade-Herstellers Irem im R-Type-Raumschiff gegen die
Alien-Staffeln und Verteidigungsanlagen der Bydo-Galaxie. Mit Parallax-Scrolling und plastischen Explosionen, feinen Farbverläufen auf allen metallischen
Flächen und organischen Strukturen in späten Levels, mit marschierenden
Mechs und ekligen Weltrauminsekten ragt R-Type weit aus der ActionMasse heraus.
Genial wie die Optik ist das Spiel- und Leveldesign, ein Feuerwerk
frischer Ideen: Hält man den Feuerknopf gedrückt, sammelt die Bordkanone
sicht- und hörbar Energie für einen alles zerschmetternden Beam-Schuss.
Dazu kommen ausgefeilte Extrawaffen, Fire-and-forget-Raketen, reflektierende Laser und vor allem ein semi-intelligenter Satellit, der sich aufrüsten
lässt und angekoppelt als Schild oder losgelassen als bissige Angriffswaffe
dient. Weltweit kopieren es begabte Programmierer (in Deutschland Factor 5
und Manfred Trenz mit ihren Gesellenstücken), doch weder sie noch Irems
offizielle Fortsetzungen (1989, 1992, 1994) erreichen die Dramatik und Pixelpräzision des Originals.
Diese Tatsache (und den traurigen Niedergang des HorizontalscrollGenres im 3D-Zeitalter) haben Spieler im Kopf, als Irem vier Jahre nach
dem letzten Lebenszeichen mit einem R-Type-Update überrascht: Klassisch
­scrollend, aber um die 3D-FX der 32-Bit-PlayStation aufgepeppt. Berauschend klingt das Konzept von R-Type Delta nicht, eher wie ein Kandidat in
der langen Reihe missglückter Remakes und Modernisierungversuche. Ein
perfektes Meisterwerk lässt sich auch mit der stärkeren Technik späterer
Dekaden nicht noch besser machen – das haben Spieler längst begriffen.
R-Type Delta glänzt als Ausnahme zur „Vergiss Remakes!“-Regel:
Gut ausbalanciert, spannend und schwer wie alle früheren Episoden der
Serie, hebt das PlayStation-Original die Serie auf den nächsten Level: Die
Polygon-Power der Sony-Konsole nützt Irem nicht für 3D-Grafik, sondern
um klassischer Von-der-Seite-Action mehr Dynamik und Tempo einzuhauchen. Außerirdische Sprites jeder Größenordnung, realistisch zerfallende
Gebäude und berstende Maschinen, Partikel- und Transparenzeffekte, Drehungen der gesamten Landschaft – Shooter-Tradition profitiert von jüngster
RISC-Technik!
Alle Ur-Elemente von R-Type finden sich sensibel und sinnvoll erweitert. Der Beam-Schuss ist zweistufig. Speed-up-Extras gibt’s nicht mehr,
stattdessen regulieren Schultertasten die Flug- (nicht Scroll-)Geschwindigkeit.
Wie im Original entlässt man seinen Satelliten per Knopfdruck, damit er
sich selbstständig in feindliche Panzer und Geschütztürme frisst. Im Prinzip
unverändert, ist der kleine Begleiter noch schlauer und fieser geworden: Im
Angriff sammelt er Delta-Energie, die vom Spieler als Smart-Bomb gezündet
wird – das Raum-Zeit-Kontinuum verbiegt sich, Vektor-Fächer wischen die
Gegner vom Bildschirm!
Zur Nonstop-Action, die ein gutes Auge, eiserne Nerven und immer
auch taktischen Durchblick erfordert, rumpelt das Dualshock-Joypad, ein
infernalischer Soundtrack, Sirenen und Implosionen dröhnen aus den Boxen.
R-Type Delta ist wie die Vorgänger schwer bis zur Frustgrenze und so schnell,
dass uns Hören und Sehen vergeht. Wer eine PS1, TV-Röhre und RGB-Kabel
zur Hand hat, sollte R-Type Final und das Xbox-R-Type Dimensions liegen lassen und sich auf eBay nach dem Irem-Oldie umsehen. Doch Vorsicht: Auch
15 Jahre nach dem Spielstart kommt man kaum über den 5. Level hinaus!
R-Type Delta bleibt ein Höllentrip – und mein Geheimtipp für hochkonzentrierte Baller-Sessions.
RETRO GAMER 3/2014 | 17
karate-kin g
Galaxy
pinball-wizard
sommer-olympia
de
hagar - der sch
rec klic he
grandmaster
space-pilot
emerald mine
Die firmen-
archive
retro gamer GRÄBT DIE AKTEN BEKANNTER ALTER FIRMEN AUS.
Kingsoft
SOFORT-EXPERTE
Eine deutsche Geschichte mit McJob, Schach-Großmeister, Aldi-Computer und Wikinger-Lizenz: Heinrich
Lenhardt erinnert sich im Gespräch mit Firmengründer Fritz Schäfer an den Spiele-Pionier Kingsoft.
D
er Spielekönig von Deutschland
residierte bescheiden in einem
gewöhnlichen Einfamilienhaus im
Dunstkreis von Aachen: Mit Kassetten,
Zettelkasten und Mama am Telefon
wurde Familie Schäfer Anfang der 80er
zu einer der wichtigsten Anlaufstellen
für Computerspieler und Hobby-Programmierer. Als Student Fritz sein auf
dem PET gebasteltes Schachprogramm
für den VC-20 umsetzte, der hochauflösende Grafik zum Schnäppchenpreis
von 900 Mark versprach, schaltet er
1982 erste Anzeigen im Fachmagazin
CHIP. Damit gewann er nicht nur
Schachspieler als Kunden, sondern
lockte auch andere deutsche Programmierer an, die ihre Werke veröffentlichen wollten. Mit wenig Kapital, aber
viel Marktnischengespür wurde King­
soft zu einem der führenden deutschen
Computerspiele-Händler und -Publisher
während der Commodore-Ära.
Auf den Computer kam KingsoftGründer Fritz Schäfer eher zufällig. Anfang
18 | RETRO GAMER 3/2014
der 80er Jahre jobbte er neben dem
Elektrotechnik-Studium bei McDonald’s in
Aachen. Die Buletten-Beschäftigung sollte
weitreichende Folgen haben: Zum einen arbeitete hier auch ein Schichtleiter, der später
zum aufstrebenden Aachener Elektronikhändler Vero GmbH wechselte – aus dieser
Firma wurde schließlich der Computerriese
Vobis. Zum anderen verdiente sich Fritz bei
McDonald’s die D-Mark, mit denen er 1978
einen leicht gebrauchten Commodore-PET-
Von Heinrich Lenhardt
2001-Computer erstand – auch wenn er
zunächst noch nicht so recht wusste, was er
damit anfangen sollte: „Der Verkäufer war
ein bisschen in Geldnot und hatte mir den
PET ziemlich günstig angeboten. Da dachte
ich mir, dass ich den Computer auch ohne
Verlust wiederverkaufen könnte. Aber dann
bin ich an dem Gerät hängen geblieben“.
Fritz begann mit kleinen BASICSpielchen zu experimentieren und brachte
sich schließlich Programmierung in Assem-
» Boss wurde ab
1982 im Direktversand verkauft und
später in Grandmaster
umgetauft. Nach der
PET-Version folgten
Umsetzungen für
VC-20, C16 und C64.
Kingsoft wurde 1982 als
GmbH gegründet, um Fritz
Schäfers Schachprogramm
Boss (später: Grandmaster) per
Postversand zu verkaufen.
Versandhändler und Pub­
lisher: Kingsoft war in der entstehenden deutschen Computerspiele-Landschaft der frühen
80er Jahre eine der ersten
Anlaufstellen für Hobby-Programmierer. Mit eingekauften
Titeln wie Time-Pilot oder Bongo etablierte sich die Wohnzimmer-Firma in der CommodoreSzene.
Entliehene Spielideen bestimmten den Kingsoft-Katalog.
Mehr oder weniger geschickt
wurden beliebte Konzepte aufgegriffen und für Plattformen
adaptiert, denen es am jeweiligen Spieletyp noch mangelte.
So kamen Amiga-Besitzer mit
Emerald Mine in den Genuss
eines besseren Boulder Dash,
und C16-Käufer wurden mit
dem sehr guten Winter-GamesRemix Winter-Olympiade bedacht.
Der erste Aldi-Computer sorgte 1986 für Rückenwind: Im 149 Mark teuren
„Programmierkurs“-Paket lag
neben einem C16-Computer von Commodore auch ein
Kingsoft-Prospekt bei. Im selben Jahr erschien das preisgekrönte Winter-Olympiade
für C16.
Das Ende als Entwickler
folgte im Jahr 1993, um die
Entwicklung kümmerte sich
nun die neu gegründete ­Ikarion
Software GmbH. Kingsoft wurde eine reine Vertriebsfirma
und 1995 von Electronic Arts
übernommen.
de
Winter-Olympia
» Vobis-Gründer Theo Lieven drängte
Schäfer dazu, den Schach-Großmeister
mit dem VC-20 herauszufordern. «
bler bei. Ein anderes Hobby löste eine Idee
aus, welche später das Fundament für die
Kingsoft-Gründung legte: „Schach war
damals ein Thema. Ich war ein interessierter
Gelegenheitsspieler und hätte vielleicht
sogar ziemlich gut werden können. Aber der
örtliche Schachclub traf sich immer sonntags
um 10 Uhr morgens. Komischerweise ist da
mein Interesse eingeschlafen.“
Anfang der 80er Jahre boomte der
Schachcomputer-Markt in Deutschland.
Hunderte von Mark und sogar vierstellige
Beträge wurden für Geräte gezahlt, die
nichts anderes konnten, als menschliche
Gegner mehr oder weniger kompetent matt
zu setzen. Fritz Schäfer fand das Thema
interessant: Warum nicht eine Software entwickeln, die den PET in einen Schachcomputer verwandelt? Er lernte einen weiteren
Gleichgesinnten aus dem Raum Aachen
kennen, und gemeinsam entwickelte man
das Schach-Programm Boss. Bei dieser
Hobby-Programmierei wäre es vielleicht geblieben, hätte Commodore nicht 1981 einen
neuen Computer namens VC-20 veröffent-
licht. Das für Heimanwender konzipierte
Modell hatte den vertrauten 6502-Prozessor
des PET und lockte obendrein mit „hochauflösender“ Farbgrafik: „Das war natürlich
megainteressant“, erinnert sich Fritz, „Da
wollte man einfach mal hübschere Schachfigürchen machen statt der PET-Klötzchen.
Commodore hatte ein paar Spielmodule für
den VC-20 veröffentlicht, aber noch kein
Schachprogramm. Da dachte mir: ‚Ach,
vieleicht will das ja jemand haben.‘ So kam
dann langsam alles ins Rollen.“
Um den Schach-Boss unters VC20- und später auch C64-Volk zu bringen,
gründete Fritz Schäfer 1982 die Firma King­
soft GmbH. Raum für Raum eroberte der
Versandhandel das Elternhaus in Mulartshütte, einem Stadtteil des Aachener Vororts ­
Roetgen. Mutter Schäfer bediente das Telefon, das „Datenbanksystem“ für die Bestellungsbearbeitung bestand aus Schuhkästen
mit Zetteln. Das Schachprogramm wurde
direkt an die Konsumenten verkauft, denn zu
der Zeit gab es noch keine nennens­werten
Händlervertriebsnetze für das neue Medium
» Auf einem Commodore
PET brachte sich
Fritz Schäfer das Programmieren bei und
bastelte an der ersten
Version des Computerschachs Boss. Obiges
Anzeigenmotiv stammt
vom Aachener Händler
Vero, der später unter
dem Namen Vobis
landesweit bekannt
wurde.
RETRO GAMER 3/2014 | 19
die firmen-
archive
Computerspiele. Die Boss-Nachfra­ge wuchs
und zog weite Kreise, zu den Kunden zählte
auch Computerpionier Konrad Zuse.
Durch die McDonald’s-Connection
war Fritz Schäfer mit dem Computerhändler
Vobis in Kontakt gekommen. In dessen erster Filiale in Düsseldorf hatte er während der
Weihnachtsferien gejobbt. In den Heimcomputer-Anfangsjahren eine durchaus strapaziöse Erfahrung, wie sich Fritz erinnert: „VC-20,
TI-99/4A und auch schon der C64 wurden
zu Weihnachten in großen Mengen verkauft.
Dann kamen die Leute nach dem 2. Weihnachtsfeiertag, als ich Vertretung hatte, und
wollten wissen, wie so ein Gerät überhaupt
funktioniert. Es war recht abenteuerlich, was
die Leute so alles reklamierten. Erst nach
einer halben Stunde kamst du darauf, dass
jemand sein Diskettenlaufwerk gar nicht mit
dem Computer verbunden hatte und sich
dann wunderte, dass es nicht funktionierte.“ Der Vobis-Kontakt blieb über die Jahre
erhalten, Fritz Schäfer übersetzte für die
Firma auch englische Computerhandbücher
und half beim Standdienst auf Messen aus.
Letztere Tätigkeit sorgte in Verbindung mit
einem leichtsinnigen Schach-Großmeister
für den großen Durchbruch seines Schachprogramms.
1982 war Fritz auf der Hobbytronic
in Stuttgart am Vobis-Stand beschäftigt. Eine
der Attraktionen der Messe war das Simultanduell des deutschen Großmeisters Theo
Schuster mit mehreren Schachcomputern.
Vobis-Gründer Theo Lieven drängte Schäfer
dazu, doch mal kess zu fragen, ob er da mit
seinem Boss mitspielen dürfte. Die Organisatoren hielten es für eine nette Idee, und so
baute Fritz spontan einen VC-20 mit Fernseher auf – ein Schach-Underdog, der es nicht
mit der Rechenkraft von Mephisto & Co.
aufnehmen konnte. „Die richtigen Computer
hat der Theo Schuster entsprechend ernst
genommen und mühelos niedergemetzelt.
Doch bei meinem Programm hat er einen
besonders schneidigen Angriff geritten, der
um Haaresbreite zum Matt geführt hätte.“
erinnert sich Fritz. Der Großmeister hatte
sich dabei um eine Kleinigkeit verguckt,
verlor ein paar Figuren und Boss überstand
diesen Husarenangriff. Das Resultat: „Er hat
netterweise aufgegeben. Wahrscheinlich
wäre die Partie unentschieden ausgegangen, denn speziell im Endspiel waren wir
noch ziemlich schwach. Aber so hatte ich
ein Resultat, mit dem man jahrelang die
Werbetrommel rühren konnte.“
Dem Großmeister-Schreck Boss
stand nicht nur eine Umsetzung für den
neuen Commodore 64 bevor, sondern auch
eine Namensänderung. In Gesprächen mit
britischen Vertriebspartnern bekam Fritz zu
» Udo Gertz war ein sehr
netter Kerl, der einiges drauf
hatte. Ich habe ihn dann
überredet, Spiele für den
C16 zu machen. «
FRITZ SCHÄFER
hören, dass Boss im Englischen einen leicht
negativen Beigeschmack hat und eher zur
Bezeichnung von fiesen Vorgesetzten verwendet wird. Naheliegender neuer Name:
Grandmaster. Das preiswerte Schachprogramm wurde international lizenziert und mit
einer ordentlichen Verpackung versehen. Vor
allem war es für Kingsoft die Grundlage, um
rasch zum führenden deutschen SpielePublisher aufzusteigen.
„Nach und nach meldeten sich auch
andere Programmierer, die Spiele gemacht
hatten“, berichtet Fritz Schäfer. 1983
veröffentlichte Kingsoft mit Henrik Wenings
Galaga-Klon Galaxy den ersten eingesandten
Titel. „Programmierer gesucht“: Kingsoft
bemühte sich durch Anzeigen in Fachmagazinen um Einsendungen und wurde zu einer
Hauptanlaufstelle für deutsche Spieleentwickler. „Das meiste, was da eingeschickt
» Schnappschüsse der ersten Kingsoft-Stände auf
Publikumsmessen wie der Hobbytronic 1984 und
der Internationalen Funkausstellung 1985.
timeline
Fritz Schäfer
erwirbt einen
Commodore PET
und bringt sich
Assembler-Programmierung bei.
1978
1981
Gründung der
Kingsoft GmbH.
Boss wird für VC-20
umgesetzt und
in Grandmaster
umgetauft.
1982
Entstehung des
Schachprogramm Boss auf
einem Commodore PET 2001.
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1983
Kingsoft etabliert
sich als Anbieter
preiswerter KlonE
von zeitgenössischen
Arcade-Spielen (SpacePilot, Bongo, Zaga).
1984
Mit Galaxy für C64
beginnt Kingsoft mit
der Veröffentlichung
von Spielen externer
Programmierer.
1986
Kingsoft
veröffentlicht
das wohl beste
C16-Spiel, WinterOlympiade von Udo
Gertz.
1986
Ein Kingsoft-Prospekt liegt
dem ersten Aldi-Computer
bei, rund 200.000 C16-„Programmier-Kurse“ werden für
je 149 Mark verschleudert.
1987
Emerald Mine
vom späteren
Siedler-Schöpfer
Volker Wertich
wird ein AmigaHit.
1987
Kingsoft zieht in die
ersten richtigen
Büros um, Beginn
des Vertriebsgeschäftsausbaus.
1993
Im letzten eigenständigen Kingsoft-Geschäftsjahr erzielen
20 Mitarbeiter rund
26 Millionen Mark
Umsatz.
1994
Aufteilung von Entwicklung
und Distribution: Kingsoft konzentriert sich aufs Vertriebsgeschäft, neue Spiele entstehen bei Ikarion Software.

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