Gib Gas, ich will Spass?
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Gib Gas, ich will Spass?
4 VERKEHR BEOBACHTER KOMPAKT 18/2007 GRUNDLAGEN Gib Gas, ich will Spass? Die Zahl schwerer Verkehrsunfälle konnte in den letzten zehn Jahren um gut einen Drittel reduziert werden. Doch noch immer stirbt auf den Schweizer Strassen im Schnitt jeden Tag mindestens ein Mensch, 14 Personen werden schwer verletzt. Text: Iwon Blum D ie Schweiz ist mobil: Die hiesige Bevölkerung legt pro Person und Tag durchschnittlich 37 Kilometer mit dem Auto, Velo, Motorrad, zu Fuss oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurück. Täglich wird auf Schweizer Strassen insgesamt also eine Distanz von rund 260 Millionen Kilometern bewältigt, das entspricht 6500 Erdumrundungen. Knapp die Hälfte der Strecken wird in der Freizeit zurückgelegt, der überwiegende Teil davon im Auto – das ergaben die statistischen Erhebungen zum Verkehrsverhalten des Bundesamts für Statistik (BFS) und des Bundesamts für Raumentwicklung (ARE) im Jahr 2005. Ende 2006 waren in der Schweiz 5,1 Millionen Strassenmotorfahrzeuge zugelassen, über 70 Prozent davon sind Personenwagen. Die Schattenseite dieser Mobilität: Letztes Jahr registrierte die Polizei 21 491 Verkehrsunfälle mit Personenschaden, dabei starben 370 Menschen, 5066 Personen wurden schwer, 21 652 leicht verletzt. Das heisst: Im Schnitt ereignet sich alle 25 Minuten ein Verkehrsunfall mit Verletzten; jeden Tag stirbt mindestens ein Mensch bei einem Unfall, und 14 Menschen werden schwer verletzt. Rund 1700 der Schwerverletzten werden jedes Jahr zu dauerhaft Teil- oder Vollinvaliden. Mal ganz zu schweigen vom Leid der Betroffenen und von deren Angehörigen, verursachen Verkehrsunfälle auch erhebliche volkswirtschaftliche Kosten: Verkehrsunfälle machen laut Beratungsstelle für Unfallverhütung (BfU) acht Prozent aller unfallbedingten Verletzungen in der Schweiz aus. Wegen der Schwere der Verletzungen sind sie aber für 35 Prozent der unfallbedingten volkswirtschaftlichen Kosten verantwortlich – pro Jahr rund sechs Milliarden Franken. Ursache für Verkehrsunfälle sind kaum je technische Mängel oder äussere Einflüsse wie Schnee oder Nebel, sondern in aller Regel menschliches Fehlverhalten (siehe auch «Ursache: Menschliches Versagen», Seite 6). Auf Platz eins der Ursachen für tödliche Verkehrsunfälle liegt überhöhte Geschwindigkeit: Jeder dritte Verkehrstote fiel letztes Jahr einer «Temposünde» zum Opfer. Weitere Hauptursachen sind Unaufmerksamkeit und Ablenkung des Lenkers sowie Alkoholeinfluss. Eine auffällige Zunahme stellt die BfU ausserdem bei der Unfallursache Drogeneinfluss fest. Die gute Nachricht: Obwohl die Wohnbevölkerung in der Schweiz seit 1970 um rund 20 Prozent und die Verkehrsleistungen um über 100 Prozent zugenommen haben, konnte in den letzten 37 Jahren die Zahl der verkehrsbedingten Todesopfer um gut 80 Prozent reduziert werden: 1971 war mit 1773 Getöteten und rund 37 000 Verletzten, die Hälfte davon schwer, das schwärzeste Verkehrsjahr. Bis 1977 lag die Gefahr, bei einem Verkehrsunfall mit Personenschaden getötet oder schwer verletzt zu werden, bei über 50 Prozent. Heute hingegen werden 80 Prozent der Unfallopfer leicht und 20 Prozent schwer verletzt. Die Schweiz gehört hinsichtlich der Verkehrssicherheit zu den führenden Nationen. Doch das Steigerungspotential ist laut BfU beträchtlich: Wäre das Sicherheitsniveau so hoch wie in den Niederlanden, würden auf Schweizer Strassen jährlich rund 140 Menschen weniger sterben. Die führenden Länder wie die Niederlande, Schweden, Norwegen, Dänemark, Grossbritannien und Japan haben ihr hohes Sicherheitsniveau nicht günstigeren Bedingungen wie zum Beispiel einer tieferen Verkehrsdichte zu verdanken, sondern ihren Präventionsmassnahmen. Auch die grundsätzlich positive Tendenz in der Schweiz ist nach Einschätzung der BfU vor allem in gesetzlichen Massnahmen (siehe auch «Via sicura», Seite 30) und in der Sensibilisierung der Öffentlichkeit begründet: w Pflicht zum Tragen der Sicherheitsgurten auf Vordersitzen (seit 1981) und Rücksitzen (seit 1994); w Helmpflicht für Motorradfahrer (seit 1981) und Mofafahrer (seit 1990); w Einführung von Tempo 50 innerorts (seit 1984); w Einführung von Tempo 80/120 ausserorts und auf Autobahnen (seit 1985); w Blutalkoholgrenzwert 0,5 Promille und anlassfreie Atemalkoholkontrollen (seit 2005). Wesentlich zur Reduktion schwerer Unfälle beigetragen haben laut BfU auch: w Verbesserungen in der Fahrzeugtechnik wie ABS, ESP, Airbag (siehe auch «Sicherheit hat System», Seite 16); w Verbesserungen im Rettungswesen; w verkehrstechnische Massnahmen wie Ausbau des Autobahnnetzes, Sanierung von Gefahrenstellen und Verkehrsberuhigungen; w bessere Ausbildung der Fahrzeuglenker (siehe auch «Wenn sie wissen, was sie tun», Seite 12). Im weltweiten Vergleich kommen in der Schweiz besonders viele Motorradfahrer im Strassenverkehr um (siehe «Die Schwachen machen sich stark», Seite 24): Die hiesigen Gebirgspässe locken Motorradfahrer beim ersten Sonnenschein scharenweise auf die Strassen – einige Freizeitbiker überschätzen dabei ihr Können. Die Sicherheit der Schweizer Radfahrer entspricht dem internationalen Durchschnitt, wohingegen bei der Fussgängersicherheit gemäss BfU von einem «tiefen Niveau» gesprochen werden muss. Wenn man bedenkt, dass wir fast die Hälfte der Verkehrsstrecken in unserer Freizeit zurücklegen, kann man in der Tat von einem recht gefährlichen Hobby sprechen. Doch Verkehrsunfälle sind nicht «Schicksal». Jeder Verkehrsteilnehmer kann dazu beitragen, die Strassen zu einem sichereren Ort zu machen. Wie, erfahren Sie auf n den nächsten Seiten. w Buochs, 1965