sagenhafterh ö n - Medienzentrum Fulda

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sagenhafterh ö n - Medienzentrum Fulda
Sagenhafte Rhön - Legenden und Sagen aus Fulda und dem Fuldaer Land
SAGENHAFTE
RHÖN
Legenden und Sagen aus
Fulda und dem Fuldaer Land
Medienzentrum Kreis- und Stadtbildstelle Fulda
Medienzentrum Kreis- und Stadtbildstelle Fulda
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Sagenhafte Rhön
Zusammenstellung, Redaktion und Layout: Rainer Wendel
Fotos: Medienzentrum Kreis- und Stadtbildstelle Fulda
Technische Unterstützung: Rudolf Karpe
Fulda 2012
Sagenhafte Rhön
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den Saujörg in der Koneburg in Empfang nehmen. Er fand aber nur noch den
Leichnam des Verbrechers: Der Teufel hatte ihm in der Nacht zuvor den Hals
umgedreht und dem Henker das Nachsehen gegeben. Dieser steckte nun die
Leiche in einen Sack und schleifte sie mit seinen Knechten zum Galgenberg, wo
sie eingescharrt wurde. Den blutig gewordenen Sack wuschen sie daraufhin in
einer nahe gelegenen Quelle aus. Sie lag auf der Wiesenfläche des so genannten
„Weißen Berges“.
Seit dieser Zeit meiden die Bewohner des Ulstergrundes die Quelle. Das
Wasser ekelt sie. Auch sollen die, die doch davon trinken, anschließend einen
Kropf oder bösartige Blutgeschwülste bekommen.
Kopiererlaubnis zum schulischen Gebrauch
58. Der „Höhlbrüller“
Zwischen dem kleinen Fischbach und dem Hundsbach bei Tann wird eine
Stelle am Grenzwall „Höhl“ der „Stillstand" genannt. Hier bekam vor einigen
hundert Jahren ein verwilderter Förster mit den Bauern einen heftigen Streit
über die Grenzen des Besitzes und fluchte und tobte dermaßen, dass die armen
Leute darüber erschraken.
Als ihn einer der Bauern auf das Entsetzliche seiner Flüche und auf sein
Unrecht aufmerksam machte, sprang der Unmensch plötzlich von seinem Pferd
und riss einem der Leute die Hacke zum Roden aus der Hand. Er schlug sie hohnlachend in den Boden, um den Ort zu bezeichnen, wo der neue Grenzstein hingesetzt werden sollte. Dann rief er: „Da, Teufel, hast du meine Seele!"
Stumm vor Entsetzen standen die Bauern da. Der Förster aber warf die
Hacke verächtlich zur Seite und bestieg wieder sein Pferd. Kaum hatte er sich
aber mit diesem einige Schritte entfernt, als der Gaul stürzte und samt seinem
Herrn das Genick brach.
Seit jener Zeit muss der dem Bösen verfallene Förster als scheußliches
Gespenst ohne Kopf auf seinem ebenfalls kopflosen Ross in der Geisterstunde am
Höhl unheimlich brüllend auf- und abwärts reiten.
Unter dem Namen „Höhlbrüller"ist er im Volk heute noch gefürchtet.
Alle vorliegenden Sagen sind auch zu hören
auf der Doppel-CD „Rhön, sagenhaft“:
www.pitundlandshop.de
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Sagenhafte Rhön
Sagenhafte Rhön
56. Scherben als Lohn
In der Walpurgisnacht wollte ein Musikant von Tann nach Dermbach gehen. Auf der Hochebene der Rhön bei Andenhausen verirrte er sich.
Da trat unerwartet ein feiner Jägersmann herzu und erbot sich, ihn
zu der breiten Linde auf der Klingser Hut zu führen. Von dort könnte er sich
leicht zurechtfinden. Dankbar nahm der Musikant das Anerbieten an.
Wer aber beschreibt sein Erstaunen, als er bei der breiten Linde eine
lustige Gesellschaft gewahrte. Sie schien den Jäger längst erwartet zu haben. Dieser schenkte dem zur Seite stehenden Musikanten eine prächtige Klarinette und
dazu eine Handvoll harter Taler. Dann bat er ihn, der Gesellschaft zum Tanz
aufzuspielen. Der Musikant ließ sich nicht zweimal bitten. Der Jäger suchte sich
gleich beim ersten Tanz die Schönste unter den Frauen aus und wirbelte
mit ihr im raschen Reigen um die Linde. Die anderen Paare folgten ihm auf
dem Fuß. Es begann ein wildes Tanzen, dass der Staub nur so wirbelte. So ging
es einige Stunden lang.
Als aber die Nacht zu weichen begann, entließ die heitere Gesellschaft den Musikanten. Mit einer Tasche voll Geld und der schönen Klarinette, die ihm der Herr geschenkt hatte, kam er wohlbehalten in seiner Wohnung an. Müde vom langen Marsch und vom Spielen legte er sich sofort schlafen.
Als er erwachte, hatte sich seine Klarinette in einen langen schmutzigen
Knochen verwandelt, und aus den blinkenden Silbermünzen waren lauter
Scherben geworden.
Da erkannte er, dass er in der Walpurgisnacht unter der breiten
Linde auf der Klingser Hut den Hexen zum Tanze aufgespielt hatte und zum
Lohn dafür von ihnen noch hereingelegt worden war.
57. Die Quelle auf dem „Weißen Berg“
In Tann lebte einmal ein Schweinehirt, den man den „Saujörg" nannte. Er
war ein boshafter, heimtückischer Geselle und war einen Bund mit dem Teufel
eingegangen. Da er durch eigene Schuld unglücklich in der Ehe lebte, vergiftete
er eines Tages seine rechtschaffene Frau mit den Wurzelknollen des Schierlings.
Das Verbrechen kam aber sofort an den Tag. Der Saujörg wurde in einen
Schlossturm eingesperrt, der die „Koneburg" genannt wird. Dann wurde ihm der
Prozess gemacht, und er wurde zum Tod durch den Strang verurteilt.
Als endlich der Tag der Exekution festgesetzt war, wollte der Henker
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RHÖN
Legenden und Sagen aus
Fulda und dem Fuldaer Land
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Sagenhafte Rhön
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54. Das vermauerte Kirchenfenster
Inhalt
Seite
Bei Äbten, Mönchen und Geistern (Stadt Fulda)
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
Der Bonifatiusbrunnen
Die Überführung des Leichnams
Die Ermordung des Abtes Bertho
Das goldene Rad im Dom
Der Bau der Domkuppel
Die Pestsäule
Der schwarze Fuhrmann
Die Lange Brücke
Der gespenstische Mönch
Das Gespenst am Schultor
Der Österreicher im „Roten Löwen“
Geister am Hexenturm
„Zur Schwarzen Raab“
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14
Teufelsborn und Heiliger Wendelin (Künzell und Petersberg)
- Sagenhaftes vor den Toren der Stadt 14.
15.
16.
17.
18.
19.
Die Rettung des Florenberges
Der Bildstock bei Pilgerzell
Der Teufelsborn
Sankt Wendelin
Propst Reiffenberger
Der lange Hannes
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17
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18
19
In Bütte und Grüner Delle (Burghaun, Eiterfeld, Hünfeld, Nüsttal, Haunetal)
- Gespenstisches rund um das Hessische Kegelspiel 20.
21.
22.
23.
24.
25.
Rettung in der Bütte
Tod am Wehr
Der wilde Jäger
Das Gespenst in der Grünen Delle
Der Schatz im Feld
Die Kapelle auf dem Bettelstein
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Ritter, Geister, Teufel (Ebersburg und Eichenzell)
26. Der Eber
27. Das Franzosenbörnle
28. Die Geisterkutsche
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Der durch seinen Eifer für Luthers Lehre bekannte Eberhard von der
Tann hatte in seiner Herrschaft die Reformation eingeführt. Auf einer seiner
Reisen zum Kaiser holte ihn ein Bote ein. Er berichtete, dass während seiner
Abwesenheit seine Gegner die Gelegenheit genutzt hätten, den lutherischen
Geistlichen zu verjagen. An seine Stelle hätten sie einen katholischen Priester
gesetzt.
Der mutige Ritter Eberhard besann sich nicht lange. Er kehrte eiligst
nach Tann zurück. Gerade, als der Priester die Messe las, erschien er in der Kirche.
In Todesangst nahm der Geistliche Reißaus durch das nahe Fenster. Zum Zeichen, dass der Katholizismus mit diesem Priester aus der Tanner Kirche vertrieben sei, ließ Eberhard das Fenster vermauern.
Es ist heute noch hinter dem Altar zu finden.
55. Die weiße Frau
In dem so genannten „Alten Hof", den Gutsgebäuden des Gelben Schlosses in Tann, wohnte vor langen Jahren eine Frau von Wildungen mit ihrer Magd.
Jedes Jahr in der Nacht zum Aschermittwoch wanderte dort eine weiß
gekleidete Dame mit verschimmeltem Gesicht, aufgelöstem Haar, einem
Schlüsselbund am Gürtel und Pantoffeln an den nackten Füßen durch sämtliche
Zimmer des Gebäudes. Wenn sie in das Schlafgemach der Frau von Wildungen kam, trat sie an deren Bett und beugte sich über sie. Sie betrachtete
sie einige Minuten lang und trat dann ebenso geräuschlos wieder den Rückzug an. Wenn Frau von Wildungen von der Erscheinung sprach, so nannte sie
sie nur das „Fräulein Kätchen“.
Einmal aber änderte sich der Verlauf. Die weiße Frau beugte sich nicht,
wie gewöhnlich, über die Adlige, sondern blieb an der Tür stehen und blickte die
im Bett Liegende scharf an. Dann verneigte sie sich und winkte mit der Hand.
Frau von Wildungen starb noch im gleichen Jahr.
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Sagenhafte Rhön
Der Spuk dauerte so lange, bis die Bewohner in der Nähe der Mühle
einen Bildstock aufrichten ließen. Seitdem hat man von der Alten nichts mehr
gehört und gesehen.
53. Seltsame Wesen
In Eckweisbach lebte ein Bauer,
der neben seiner häuslichen Arbeit im
Winter auch das Hausschlachten bei
Verwandten und Bekannten besorgte.
Einmal hatte er im Nachbardorf geschlachtet. Wie früher üblich, wurden
für den Abend die Nachbarn eingeladen, um die Wurst zu probieren.
Der Hausschlachter hatte dem
Schnaps tüchtig zugesprochen und trat
nun gegen Mitternacht den Heimweg
an. Als er durch den Wald ging, stockte
sein Fuß plötzlich an einer kleinen Kreuzung. Vor sich bemerkte er leuchtende
Gestalten, die zu schweben schienen.
„Geister! Gott steh' mir bei!" dachte er,
während er seine Schritte beschleunigte.
Zu allem Unglück war er nun auch noch
vom Weg abgekommen. Rings um ihn die schwarze Wand des Waldes und vor
ihm die Geister. Schneller und schneller wurden seine Schritte. Doch so
viel er auch lief, die leuchtenden Wesen blieben. Bald waren sie rechts,
bald links, bald vor ihm, bald hinter ihm.
Gerade als der Mann die Hoffnung aufgeben wollte, die Geister wieder loszuwerden, lichtete sich der Wald. Und mit den letzten Bäumen blieben
auch die seltsam leuchtenden Wesen zurück.
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29. Der Teufel auf der Leiter
30. Die wilde Fahrt
31. Der Bildstock bei Altenhof
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Beim Riesen Mils (Hofbieber)
32.
33.
34.
35.
36.
37.
Das Grab des Riesen
Der Milseburger Hannes
Der Teufelstein
Der Tanz mit den Elfen
Das Marienbild
Das Bubenbad
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31
31
31
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Höllenhund und Feuermann (Gersfeld und Poppenhausen)
- Zwischen Steinwand und Wasserkuppe 38.
39.
40.
41.
42.
43.
Die Steinwand
Der Kuppenmann
Der Feuermann
Das Steinkreuz im Wiesengrund
Das Himmelsgericht
Der Höllenhund in der Christnacht
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35
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Düsteres aus den Mooren (Ehrenberg, Rotes und Schwarzes Moor)
44.
45.
46.
47.
48.
49.
50.
Untergang im Roten Moor
Es braust im Schwarzen Moor
Die Moorjungfern
Hoch über Wüstensachsen
Tod im Braunen Moor
Goldene Kohlen
Das hartherzige Burgfräulein
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Mühlenspuk und Weiße Frau (Hilders und Tann)
- Geheimnisvolles aus dem Ulstertal 51.
52.
53.
54.
55.
56.
57.
58.
Tod in der Ulster
Mühlenspuk
Seltsame Wesen
Das vermauerte Kirchenfenster
Die Weiße Frau
Scherben als Lohn
Die Quelle auf dem „Weißen Berg“
Der „Höhlbrüller“
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Bei Äbten, Mönchen und Geistern
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(Stadt Fulda)
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Mühlenspuk und Weiße Frau
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(Hilders und Tann)
- Geheimnisvolles aus dem Ulstertal 1. Der Bonifatiusbrunnen
Der heilige Bonifatius kniete einst, von der
Hitze des Tages ermüdet, an einer Stelle nahe dem
Frauenberg bei Fulda nieder und las andächtig die
Horen. Als er mit dem Gebet zu Ende war, fühlte er
brennenden Durst. Er schaute sich nach allen Seiten
um, doch nirgends waren eine Quelle oder ein Bach
zu entdecken. Da griff er zum Stab, und als er ihn
aus der Erde zog, sprudelte eine Quelle, an deren
kristallhellem Wasser sich der Bischof dankbaren
Herzens labte.
Die Quelle ist bis heute noch nicht versiegt.
Zur Erinnerung daran, dass Bonifatius hier die Horen
gelesen hatte, wurde die Ansiedlung, die in der Nähe
der Quelle entstand, „Horas“ genannt.
2. Die Überführung des Leichnams
Nachdem Bonifatius von den Friesen erschlagen worden war, brachte
man den Leichnam zur Beisetzung nach Utrecht. Dort aber geschah es, dass man
die Bahre nicht von der Stelle bewegen konnte, so schwer war sie plötzlich. Da
erkannte man, dass es nicht der Wille des Märtyrers sei, in Utrecht zu bleiben.
Der Mainzer Erzbischof Lullus, der von den Vorgängen in Ostfriesland Kunde erhalten hatte, schickte Hado und Hadela mit dem Auftrag nach Utrecht, den
Leichnam des Heiligen nach Mainz zu bringen. Die Einwohner Utrechts sträubten
sich zuerst gegen dieses Ansinnen, gaben aber nach, als eine Glocke in der Kirche
ohne jede menschliche Hilfe zu läuten begonnen hatte.
Mit einem Schiff wurden die sterblichen Überreste des Märtyrers nach
Mainz gebracht, und Lullus ließ sie feierlich in die Domgruft hinabsenken. Aber am
nächsten Morgen stand der Sarg wieder oben in der Kirche, obwohl kein Mensch
ihn berührt hatte.
Nun kam Abt Sturmius mit vielen Mönchen seines Klosters nach Mainz, um den
Leichnam nach Fulda zu bringen, wie es der Heilige bestimmt hatte. Aber Erzbischof Lullus zögerte. Inzwischen hatte Otpertus, ein angesehener Diakon, einen
51. Tod in der Ulster
Die letzte Gräfin des Geschlechtes von Auersberg wollte eines Tages
mit der Kutsche ihren Nachbarn einen Besuch abstatten. Als sie an die stark
angeschwollene Ulster kam, erklärte der Kutscher seiner gestrengen Herrin,
dass die Überfahrt bei dem hohen Wasser nicht möglich sei. Die Dame jedoch
wollte unbedingt hinüber.
Als der Kutscher nochmals seine Bedenken wiederholte, wurde die
Gräfin so erbost, dass sie im Zorn die Worte ausstieß: „Fahr zu in Teufels Namen!" Darauf rief der Knecht: „Nein, nein, aber in Gottes Namen!" Damit trieb
er die Pferde in die brausende Ulster. Doch bald zerrissen die rollenden Gesteine das Geschirr. Der Wagen schlug um. Die Gräfin ertrank und wurde mit
dem Wagen flussabwärts getrieben. Der Knecht jedoch erreichte mit seinen
Pferden wohlbehalten das jenseitige Ufer.
Einige hundert Schritte unterhalb der nach Eckweisbach führenden steinernen Brücke liegt an der Ulster eine Wiese, die „Rosengarten" genannt wird.
Dort erblickt man noch ein altes steinernes Kreuz. Es soll die Stelle bezeichnen,
an welcher die Gräfin ihren Tod in den Fluten gefunden hat.
52. Mühlenspuk
Vor vielen Jahrzehnten starb plötzlich in der am Fuß des Schafsteins
gelegenen „Bäckemühle" eine alte Frau und wurde beerdigt. Im Grab fand sie
aber keine Ruhe. Sie hatte nämlich etwas versprochen und nicht halten können.
In jeder Nacht kam sie nun in ihrem Alltagsgewand vom Gottesacker zur
Mühle. Dort lief sie unruhig durch alle Räume, und die Türen sprangen vor dem
Spuk von selbst auf. Die Mühlenbewohner wussten vor Angst weder ein noch
aus. Eine beherzte Magd legte sich einmal, um den Geist von den Wohnräumen fernzuhalten, mit ihrem Bett quer vor die Tür. Es half aber nichts: Als
die Alte in der Nacht zur gewohnten Stunde kam, sprang die Tür mit einem
gewaltigen Ruck auf und schleuderte das Mädchen samt ihrem Lager fast an
die gegenüber liegende Wand.
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in den Behausungen der Untertanen. Alle Winkel wurden nach verstecktem Getreide durchsucht. Erbarmungslos nahm man mit, was man vorfand.
Die Geduld der ausgeplünderten Menschen war jetzt zu Ende. Ein junger
und verwegener Mann rief seine Leidensgenossen zusammen. Sie fassten den
Plan, die Burg zu stürmen, die verhasste Herrin zu ermorden und sich das Getreide wieder zu holen. In einer dunklen Nacht schlichen vermummte Gestalten
lautlos an die Burg heran. Als
der Wächter Alarm schlug, hatten schon einige herzhafte
Männer über angelegte Leitern
die Burgmauer erstiegen. Andere folgten mit Pechfackeln
und Waffen. Es kam zu einem
harten Kampf, und die gesamte
Burgbesatzung büßte mit dem
Leben. Aus dem Dach des Gebäudes schlugen bald die Flammen und erhellten die Nacht.
Das Burgfräulein indessen hatte sich, als der Sturm losbrach, durch einen versteckten Ausgang ins Freie
retten können. Sie schwang sich auf ihr Pferd und brauste davon. Dabei rief sie
ihren Rächern zu: „O Ehrenbach, o Ehrenbach, Reuebach sollst du von jetzt an
heißen!“ Damit verschwand sie und wurde nie mehr gesehen. Die Bauern aber
holten sich ihr Getreide wieder. Die Burg brannte vollkommen aus und verfiel
mit der Zeit.
Der Dorfname „Ehrenbach" wurde zunächst in „Reuebach" und später
in „Reulbach" verwandelt.
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ne Vision gehabt, in der ihn Bonifatius beschworen hatte, seinen Leichnam nach
Fulda bringen zu lassen. Diese Erscheinung musste Otpertus nun mit einem Schwur
bekräftigen. Ehe jedoch die Leiche an Sturmius und die Fuldaer Mönche übergeben wurde, ließ Lullus sie waschen und in Leinwand wickeln. Dabei floss Blut aus
den Wunden, als ob sie neu geschlagen wären. Das hierfür gebrauchte Wasser
wurde in einem irdenen Gefäß gesammelt. An der Stelle, wo die dem Heiligen geweihte Kirche steht, wurde es in der Erde vergraben.
Man setzte nun den Leichenschrein auf einen Wagen, und die Mönche
begleiteten das Gefährt. Sie zogen durch die Wetterau und den Vogelsberg, und
überall dort, wo man Rast gemacht hatte, entstanden Bonifatiuskreuze und
Bonifatiuskapellen. Die letzte Kapelle vor Fulda heißt Kleinheiligkreuz.
Als sich der Leichenzug aber der Stadt näherte, erklangen die Glocken von
selbst, ohne dass sie jemand in Bewegung gesetzt hatte.
Der Leichnam des Heiligen fand seine letzte Ruhe in der Klosterkirche, und in
der folgenden Zeit geschahen an diesem Grab viele Wunder.
3. Die Ermordung des Abtes Bertho
In der kaiserlosen Zeit im 13. Jahrhundert wurden viele Ritter des Hochstifts Fulda zu Raubgesellen. Abt Bertho von Leibolz ging mit unnachsichtiger Strenge gegen sie vor. Als er einen dieser Ritter, Hermann von Ebersberg, in Fulda hatte
enthaupten lassen, erbosten sich die anderen und schworen dem Abt blutige Rache.
In Steinau am Brunnen trafen sich etliche von ihnen und würfelten darum, wer den ersten Dolchstoß gegen den Abt führen sollte. Das Los traf einen von
der Tann.
Zur verabredeten Zeit zogen die Verschwörer nach Fulda. Als fromme Beter
getarnt, schlichen sie in die Jakobskapelle. Abt Bertho las hier gerade die Messe.
Nach der Epistel stürzten sich die Verschwörer auf ihn und töteten ihn mit 26 Dolchstichen. Sterbend erkannte der Abt den von der Tann und sprach einen Fluch über
ihn aus.
Als die Mordgesellen am Weihnachtsfest des Jahres 1271 das Gotteshaus in Kirchhasel plünderten, wurden sie von den bewaffneten Reisigen des neuen
Fürstabts gestellt. Der befestigte Friedhof wurde erstürmt, und die Ritter wurden zur
Ergebung gezwungen. Ein furchtbares Blutgericht brach über sie herein: Alle Gefangenen wurden getötet, nur zwei Ebersberger zur öffentlichen Bestrafung zurückbehalten. Sie wurden auf kaiserlichen Befehl gerädert.
Zur ewigen Schande mussten die von Ebersberg und von Steinau drei Rä-
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der in ihre Wappen aufnehmen.
Auch den von der Tann ereilte bald sein Schicksal. Als er mit seinem
Pferd über die Ulster sprengte, wurde er abgeworfen, fiel ins Wasser und wurde
nie wieder gefunden. Überall sagten die Leute, der Teufel habe ihn geholt.
Die Stelle aber, wo er ertrunken war, wurde seitdem das „Teufelsloch"
genannt. Auf dem Rasen am Steinauer Brunnen, wo das Bündnis gegen den Abt
geschlossen worden war, wuchs von nun an kein Gras mehr.
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zündete sich nicht. Der Mann kehrte um, ergriff ein zweites Kohlenstückchen und
legte auch dieses auf den Tabak. Bald musste er jedoch feststellen, dass die Pfeife
immer noch nicht brannte. Trotzdem behielt er sie im Mund.
Auf dem Ritterhof angekommen, bat er um Feuer. Als der Mann aber die
Pfeife anstecken wollte, sah er zu seinem großen Erstaunen auf dem Tabak zwei
Goldstücke liegen. Nun wusste er, dass der angebliche Kohlenhaufen ein geheimnisvoller Goldschatz war, von dem die Leute oft redeten. Schnellen Schrittes eilte
er zu diesem zurück, fand ihn aber nicht mehr wieder.
4. Das goldene Rad im Dom
Ein deutscher Kaiser war einmal mit seiner Gemahlin vom Papst in
den Bann getan worden. Was sie verbrochen hatten, weiß niemand mehr.
Auf ihrer Bußfahrt kamen die beiden auch nach Fulda, um am Grabe
des hl. Bonifatius zu beten. Ganz erschöpft erreichte das Büßerpaar das Kloster
und bat den Bruder Pförtner flehentlich um Einlass. Als dieser in den Bittenden
aber Gebannte erkannte, warf er ihnen die Pforte vor der Nase zu. So wankten
sie, gestützt auf Pilgerstäbe, zum Dom, wo sie um Zutritt baten. Aber auch hier
wurden sie unter dem Vorwand zurückgewiesen, es sei Gebannten nicht erlaubt,
an der heiligen Stätte zu beten. Außerdem, so fügte der Pförtner noch hinzu, sei
es keiner Frau gestattet, die Schwelle zum Grab des heiligen Bonifatius zu überschreiten. Die Kaiserin geriet darüber in Zorn. „Gut“, sagte sie, „so werde ich dennoch, und zwar zu Pferd, an der heiligen Stätte erscheinen. Darüber besteht kein
Verbot."
Die Tür flog krachend ins Schloss, und kurz darauf ritt wirklich die verwegene Kaiserin in den Tempel des Herrn. Die Strafe folgte der Freveltat auf dem
Fuß. Kaum hatte die Kaiserin das Portal im Rücken, schlugen Flammen überall aus
dem Fußboden und leckten an den Wänden empor. Bald schien der ganze Dom
zu brennen, und das Gewölbe war vom Einsturz bedroht.
Entsetzen packte die Kaiserin. Händeringend flehte sie zu Gott und
gelobte, den durch das Feuer entstandenen Schaden tausendfach zu ersetzen und
alles viel köstlicher herrichten zu lassen, als es gewesen war. Kaum hatte sie dieses Gelübde getan, so verlosch das Feuer.
Die Kaiserin hielt, was sie gelobte. Außerdem ließ sie noch zum Gedächtnis
an die wunderbare Errettung aus ihrem reichen Schatz ein großes goldenes Rad
mit tausend silbernen Schellen für den Dom anfertigen und im Gewölbe aufhängen.
50. Das hartherzige Burgfräulein
Ein Ritter von Eberstein hatte eine Tochter, die war unverträglich und
streitsüchtig. Um diesen Hausdrachen loszuwerden, hielten die Ebersteiner Ausschau nach einem Freier für sie. Sie ritten von Burg zu Burg, aber alle Mühe war
vergeblich. Keiner wollte sie haben.
Das Burgfräulein jedoch gab die Hoffnung nicht auf. Sie bat ihren Vater,
ihr das zustehende Erbteil zu geben und eine Burg für sie zu bauen. Der alte Ebersteiner schenkte seiner Tochter das Dorf Ehrenbach mit allem, was dazugehörte.
Auf dem Ehrenberg sollte die Burg gebaut werden.
Kaum war der Winter vorüber, da wurden alle arbeitsfähigen Untertanen
der Ebersteiner Herrschaft, sogar Frauen und Kinder, zum Frondienst gezwungen.
Schon am frühen Morgen verließ das Burgfräulein den Eberstein, schwang sich
auf ihren Schimmel und ritt zur Baustelle am Ehrenberg. Rücksichtslos trieb sie
die Arbeiten voran. So ging es Tag für Tag, den ganzen Sommer hindurch. Die
Bauern konnten ihre Feldarbeiten nicht verrichten, so dass auf den Äckern mehr
Unkräuter als Getreidehalme wuchsen. Die Ernte fiel schlecht aus. Dennoch verlangte die hartherzige Ebersteinerin die restlose Ablieferung des festgesetzten
Zehnten. Den Bauern blieb nur sehr wenig zum Leben übrig.
Noch bevor der Winter kam, war der Bau vollendet. Das Burgfräulein
konnte in die Burg einziehen. Sie nannte sich jetzt „Freifrau von Ehrenberg". In
der Hoffnung, nun einen Bräutigam zu finden, besuchte sie zunächst einmal die
Ritterburgen im weiten Umkreis. Da ihr aber niemand ins Netz ging, wurde sie
noch giftiger. Die Ehrenbacher Untertanen bekamen das zu spüren: Zusätzliche
Pflichten wurden ihnen aufgebürdet. An eine ordnungsgemäße Bestellung der
Felder war kaum noch zu denken. Bittere Armut zog in die Häuser ein. Trotz allem
forderte die Burgherrin die restlose Ablieferung des Zehnten. Die Bauern aber
waren dazu nicht mehr imstande.
Da erschien eines Tages die Burgherrin mit ihrem Vogt und den Knechten
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48. Tod im Braunen Moor
Einst hauste auf dem Teufelstein der wilde Reiter Heinz, vor dem niemand sicher war. Er hatte es vor allem auf junge, schöne Mädchen abgesehen,
die er auf seine Burg schleppte und oft gewaltsam entehrte. War er ihrer müde,
so ließ er sie in einem festen Turm verschmachten.
Dieses Schicksal stand auch der schönen Else bevor. Sie suchte Johanniskräuter und geriet nichts ahnend in die Nähe der Burg. Da stieß sie in einem
Dickicht auf den Ritter. Der Wüstling gab sich alle Mühe, das Mädchen zu seiner
Burg zu locken. Else wies ihn jedoch ab. Ritter Heinz indessen wurde immer leidenschaftlicher und versuchte zuletzt Gewalt anzuwenden.
Das aber bekam ihm
schlecht, denn als er Else umschlingen wollte, packte ihn ein
schauerliches Gerippe mit den
Worten: „Halt, deine Zeit ist
um!" Es presste ihn so heftig
an sich, dass dem Ritter Hören
und Sehen verging. Als das
Gerippe endlich von ihm abließ, waren seine Sinne verwirrt.
Den ganzen Tag strich
er in der Gegend umher, bis er in der Dunkelheit auf das „Braune Moor“ geriet
und im Schlamm versank.
Sein Geist aber findet dort keine Ruhe. Um Mitternacht steigt er aus
dem Moor empor, seufzt und schreit um die Wette mit den Eulen, die ihn umschwärmen. Die Burg aber zertrümmerte der Teufel in der gleichen Stunde, als
der Ritter seinen Geist aushauchte.
49. Goldene Kohlen
Ein Einwohner von Wüstensachsen wollte einst auf dem nahen
„Ritterhof“ dreschen helfen. Auf dem Weg dorthin stopfte er seine Pfeife, fand
aber in seiner Tasche keinen Anzünder. Da fiel sein Blick auf einen kleinen Haufen glühender Kohlen, der seitwärts auf einer Wiese lag. Er trat hinzu, nahm eines der Stückchen und legte es auf seinen Tabak. Dann setzte er seinen Weg
fort. Doch so oft er auch an dem Mundstück der Pfeife zog, der Tabak ent-
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5. Der Bau der Domkuppel
Als der Meister, der die Kuppel des Domes baute, den Schlussstein einsetzte, trat unerwartet der Satan auf ihn zu. Er schlug ihm einen Pakt auf Leben
und Tod vor und sprach: „Meister, du hast ein kühnes Werk vollbracht. Doch
wenn du willst, dass das alles Bestand haben soll, so unterzeichne hier diesen
Pakt. Machst du es nicht, so sorge ich dafür, dass das Gewölbe auseinanderbricht.
Dann werden dich Schimpf und Schande ein ganzes Leben lang bedecken."
Der Meister aber trat unbekümmert trotz der Rede des bösen Feindes
zurück und begann die Stützen wegzunehmen. Als er an der letzten war, sank er
auf die Knie und bat Gott von Herzen um Schutz und Segen für das vollbrachte
Werk. Danach fiel auch die letzte der Stützen. Und Gott segnete die Arbeit des
Meisters: Die Kuppel stand fest.
Der Satan aber fuhr mit schrecklichem Hohngelächter für immer aus
dem Tempel des Herrn.
6. Die Pestsäule
In der Stadt Fulda wütete die Pest, und kaum
eine Familie blieb verschont. Da beschloss der Fürstabt,
eine große Prozession gegen das Sterben zu veranstalten. Die Gemeinde versammelte sich zuerst in der Stiftskirche und zog dann unter Glockengeläut in Richtung
Frauenberg. Der Prozession wurde das Allerheiligste
vorangetragen.
Auf dem Weg fiel noch mancher im Zug tot zu
Boden, der letzte aber kurz unterhalb des Berges.
Danach kam kein weiterer Pestfall vor. Der
dankbare Fürstabt errichtete an der Stelle, an der der
letzte Kranke gestorben war, ein Denkmal. Es ist eine
vierkantige Säule, die eine Marienstatue trägt. Sie wird
die „Pestsäule“ genannt.
7. Der schwarze Fuhrmann
Im 30-jährigen Krieg zog ein Fuhrmann aus Fulda, namens Kurt,
mit dem Kriegsvolk im Reich umher und plünderte und raubte. Das so erworbe-
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Sagenhafte Rhön
worbene Gut brachte er jedes Mal nach Fulda und vergrub es in seinem Hausgarten. Bevor Kurt jedoch die letzte Fuhre nach Fulda brachte, starb er, ohne
seine Sünden bereuen zu können.
Seitdem muss er als höllischer Spuk alle dreißig Jahre den Weg zu seinem Garten fahren, um zu sehen, ob seine Schätze noch dort liegen. Dabei rast
er mit seinem von sechs kopflosen Rappen gezogenen Wagen durch die Ohmstraße. Die Fuhre ist so schwer beladen, dass alle Fensterscheiben wegen der
Erschütterung klirren. Wenn er am Kaiserkump angekommen ist, lenkt der
schwarze Fuhrmann ab und ist plötzlich verschwunden. Er kann erst erlöst werden, wenn die Schätze einmal gehoben und zu milden Zwecken verwendet werden.
8. Die Lange Brücke
Als der Abt von Fulda beschloss, eine große steinerne Brücke über die
Fulda zu bauen, bewarben sich zwei Baumeister um die Arbeit. Beide sollten
gemeinsam die Brücke errichten. Weil sie sich aber nicht einigen konnten, erhielt derjenige den Auftrag, der am billigsten war.
Der Abt und die Bürger waren mit dem Werk sehr zufrieden. Überall
wurde der Baumeister gelobt. Darüber ärgerte sich der andere. Eines Nachts
schlich er heimlich auf die Brücke und schlug mit einem Beil alle Ecken und Kanten ab. Als am nächsten Morgen die ersten Sonnenstrahlen auf die Brücke fielen,
wurde der Schaden entdeckt. Der Abt wurde zornig und ließ nach dem Missetäter suchen. Bald fand man ihn und stellte ihn vor Gericht. Das Urteil lautete:
„Dem Frevler ist mit dem Beil die Hand abzuhauen, mit dem er die Brücke beschädigte. Hand und Beil sind jedem zur Warnung in einen Brückenstein einzumeißeln." So geschah es auch.
Die Brücke wurde im letzten Krieg zerstört. Als man sie erneuerte, wurde aber der alte Stein mit der Hand und dem Beil wieder mit eingemauert.
9. Der gespenstische Mönch
Prinz Wilhelm Friedrich von Oranien, einst Herr von Fulda, wollte für arme
Kranke ein geräumiges Haus herrichten, in dem sie Pflege und ärztlichen Beistand erhalten sollten. Es fand sich aber gerade kein geeigneter Platz. Da machte
einer der Räte den Vorschlag, die Kapuzinermönche zu verjagen und deren Kloster in ein Krankenhaus zu verwandeln. So geschah es auch. Nur ein alter
Sagenhafte Rhön
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46. Die Moorjungfern
Nur drei Jungfrauen aus dem versunkenen Ort Moor war es gestattet,
zuweilen aus den Teichen emporzusteigen. Sie kamen regelmäßig zur Kirmes
nach Wüstensachsen. Sie tanzten dann mit und sangen recht lieblich. Aber jedes
Mal um die zwölfte Stunde kam eine Taube und rief sie ab. Sie folgten ihr, zogen
singend zum nächsten Berg und verschwanden. Sie wurden in der Umgegend die
„Moorjungfern“ genannt.
Einmal aber wurden sie im Dorf von jungen Männern über die Zeit zurückgehalten. Da verließen sie traurig den Tanzplatz. Am anderen Morgen war
einer der Teiche blutrot gefärbt. Die Moorjungfern hat seitdem keiner mehr gesehen.
In nächtlicher Stunde aber schweben die Seelen der drei Moorjungfern
mit denen der anderen dort Versunkenen als Irrlichter herum und tanzen auf der
Moorfläche. Sie sehen aus wie Flammen und schweben auf und ab.
47. Hoch über Wüstensachsen (Text: Rhönklub-Liederbuch, Fulda 1886, gekürzt)
(Die Sage vom Schwarzen Moor)
Hoch über Wüstensachsen da liegt ein tiefes Moor,
da taucht zur nächt´gen Stunde manch bleiches Licht empor.
Einst stand auf jener Höhe ein Dorf sehr reich und groß,
das sank zur Sündenstrafe jäh in der Tiefe Schoß.
Des Dorfes Mädchen waren sehr sittsam, hübsch und fein,
drum durften sie erscheinen noch in der Tänzer Reih´n.
Doch sind sie stets verschwunden vom Tanzsaal dann, sobald
die mitternächt´ge Stunde im letzten Schlag verhallt.
Einst habe sie im Tanze jedoch sich leicht und froh
gedreht, bis früh am Morgen die dunkle Nacht entfloh.
Da hat ein jähes Bangen sie plötzlich all erfasst.
Sie sind davon gegangen, erschreckt in großer Hast.
Und sind nie mehr gekommen zu Tanz und Spiel und Sang.
Das Moor, das blutigrote, zur Strafe sie verschlang.
Des Nachts zur Geisterstunde im fahlen Nebelmeer
die „Moorjungfrauen“ schweben als Irrlichter umher.
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Düsteres aus den Mooren
Sagenhafte Rhön
(Ehrenberg, Rotes und Schwarzes Moor)
44. Untergang im Roten Moor
Eine Schar Nonnen
war mit einem Wagen unterwegs, auf dem sich ein
Schrein mit Reliquien und
der Klosterschatz befanden.
Unter einer Linde im „Roten
Moor“ ruhten sie sich aus.
Da stürzten plötzlich die Einwohner des benachbarten
Dorfes Poppenrode aus einem Versteck hervor und
beraubten die Nonnen. Sie
verhöhnten sie und ihren Gottesglauben und ertränkten sie im Dorfteich.
Nun aber brachen die wilden Wasser aus der Tiefe hervor und füllten
den Teich. Sie bedeckten die ganze Flur und rissen den Ort mit all seinen Bewohnern hinab in den Abgrund.
Seit dieser Zeit lebt der Ort Poppenrode nur noch im Gedächtnis der
Nachwelt und in der Sage.
45. Es braust im Schwarzen Moor
Auch dort, wo sich heute das „Schwarze Moor“ ausbreitet, stand einst
ein Dorf, das Moor genannt wurde. Es versank ebenfalls, weil die Bewohner ein
gottloses Leben führten und von ihren Sünden nicht abließen. An die Stelle der
Häuser und Hütten trat nun ein unergründlich tiefer, schwarzer See, der nach
und nach bis auf die wenigen dunklen Löcher von einer dichten Moordecke
überzogen wurde.
In der Tiefe des Moores jedoch ist das Leben noch nicht erstorben.
Denn wenn die Bewohner des versunkenen Ortes zu ihrer Kirche eilen und dort
reuevoll um Erlösung beten, dann braust es im Moor gewaltig. Schwarzes,
schlammiges Wasser gärt aus den sogenannten „Teichen". Auch haben manche,
die sich am Rand des Moores niederlegten, zuweilen noch die Turmuhr schlagen
und die Hähne aus der Tiefe krähen hören.
Sagenhafte Rhön
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Mönch wollte nicht weichen. Da fand man ihn eines Tages während des Umbaus tot unter dem Schutt.
Lag nun jemand in dem neuen Krankenhaus im Sterben, so erschien der
Geist dieses Kapuziners. Er schritt an das Bett des Kranken, faltete die Hände
und sprach ein stilles Gebet, bis der Todeskampf zu Ende war. Darauf verschwand das Gespenst jedes Mal wieder.
Später übernahmen die Barmherzigen Schwestern die Pflege im Haus.
Als wieder einmal einer mit dem Tod rang, sah die diensttuende Schwester zu
ihrem Schrecken den Kapuziner geräuschlos ins Zimmer treten und auf den
Kranken zuschreiten. Die Schwester aber blickte dem Mönch vertrauensvoll ins
Gesicht und ließ sich in ihrem andächtigen Gebet nicht weiter stören.
Als der Mönch dies sah, wich er vom Lager zurück. Mit verklärtem
Gesicht beobachtete er die eifrig Betende, erhob segnend die Hände und
schied für immer aus jenen Räumen.
10. Das Gespenst am Schultor
Wer früher von der Langen Brücke her durch die Vorstadt Hinterburg
in die Stadt Fulda wollte, musste ein altes überbautes Tor durchschreiten, auf
dem sich die Schule und die Räumlichkeiten für den Lehrer befanden. Dieser
Durchgang wurde daher das „Schultor“ genannt. Im Torweg befindet sich ein
Gnadenbild, Maria unter dem Kreuz.
An dieses Schultor kam zur Kriegszeit in mitternächtlicher Stunde ein
betrunkener Soldat, klopfte und verlangte Einlass. Da aber alles schlief und
man dem Begehren des ungestümen Kriegers nicht sofort nachkam, wurde er
wütend. Unter grässlichem Fluchen hieb er nach dem Gnadenbild und richtete
zuletzt sogar sein Gewehr darauf. Darüber erschrak sein Pferd, bäumte sich
auf und warf den Reiter ab. Er brach das Genick und war auf der Stelle tot.
Der Reitersmann hat nun keine Ruhe im Grab. Jede Nacht kommt er
als schwarzes Gespenst in der zwölften Stunde in den Torweg gesprengt, wirft
einen flehenden Blick zum Gnadenbild und jagt dann wieder zurück.
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Sagenhafte Rhön
11. Der Österreicher im „Roten Löwen“
Das Haus „Zum Roten Löwen" in Fulda wechselte oft seinen Herrn. Eines
Tages nun erwarb ein „Feldherr", der in österreichischen Diensten gestanden
hatte, den „Roten Löwen" als Eigentum. Der neue Besitzer, ein adliger Herr,
hatte einen hohen militärischen Rang eingenommen und lebte nun dort mit einer
alten tauben Haushälterin. Er war ein menschenscheuer und verschlossener Sonderling, hatte mit niemandem Kontakt und ließ auch keinen Menschen an sich
herankommen.
Der „Rote Löwe", der so manches rauschende Fest gesehen hatte, lag
da wie ausgestorben. Türen und Fenster waren immer fest verschlossen. Bald
ging das Gerücht in der Stadt um, dass mit dem Besitzer irgend etwas nicht
stimme. Nachbarn beobachteten, wie er nachts ruhelos im Haus umherwanderte, auch hörten sie zuweilen Ächzen und Stöhnen. Nie sah man den Herrn vom
„Roten Löwen" in der Kirche oder beim Abendmahl.
Die Personalien des Mannes befanden sich bei den Rathausakten: Stand
und Rang waren genau verzeichnet und auch, dass er die Taufe als Mitglied der
römisch katholischen Kirche erhalten habe. Seine Abgaben und Steuern entrichtete der adlige Herr pünktlich und gewissenhaft. Jedoch hätte der Rat der Stadt
den unheimlichen Bewohner des „Roten Löwen" trotzdem gerne aus der Stadt
gewiesen, aber es fand sich dazu keine rechtliche Begründung.
Aus den Selbstgesprächen des Österreichers, wie er in der Stadt genannt
wurde, hatte man etwas herausgehört: In der Schlacht hatte er einige Gegner töten lassen, obwohl diese um Gnade gebeten hatten. Sich selbst hatte
er an der Beute bereichert. Seitdem ließen ihm die Geister der Erschlagenen
keine Ruhe mehr. So erklärten sich die Fuldaer sein seltsames Wesen.
Eines Nachts hörten die Bewohner der Nachbarschaft ein schauerliches
Stöhnen und Röcheln. Es kam aus dem Schlafzimmer des Österreichers, das nach der
engen Gasse hin lag. In der frühen Morgenstunde holte dann die Haushälterin
einen Geistlichen und den Arzt. Beide konnten aber nichts mehr tun. Der Besitzer
des „Roten Löwen" war tot, sein Kopf war ihm ins Genick gedreht. Die Haushälterin wurde im Rathaus verhört, sie wusste jedoch nichts über den gewaltsamen
Tod ihres Herrn.
Das Testament des Verstorbenen enthielt die Anordnung, dass die
Haushälterin lebenslang eine bestimmte Menge Geldes nutzen dürfe. Das gesamte riesige Vermögen selbst aber vermachte der Österreicher einem nahe
gelegenen Kloster. Bedingung war, dass seine sterblichen Reste feierlich vor dem
Hochaltar der Klosterkirche beigesetzt würden.
Während man nun den Toten in sein Grab legte, sahen die entsetzten
Sagenhafte Rhön
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43. Der Höllenhund in der Christnacht
Es war in den vierziger Jahren des vorigen Jahrhunderts, da hatte eine
Bauernfamilie in Poppenhausen die Christmette verschlafen. Aus diesem Grund
waren auch die geweihten Kerzen nicht angesteckt worden, die zur Verscheuchung der bösen Geister in dieser Nacht immer brennen mussten. Wegen dieser
Versäumnisse war die Familie in großer Sorge und konnte keinen Schlaf mehr
finden.
Gegen vier Uhr morgens hörte der in der Kammer liegende Bauer aus der
Wohnstube ein Geräusch, das leisen Tritten glich. Weil er am Abend die Haustür
aber selbst verriegelt hatte, konnte er sich im Augenblick das Geräusch nicht erklären. Als er nun immer weiter die seltsamen Schritte hörte, beschlich ihn eine
böse Ahnung. Zögernd stand er auf und machte Licht, um nachzusehen.
Als er die Wohnstube betrat, fuhr er entsetzt zurück und ließ die Kerze
aus der Hand fallen. Seine inzwischen aufgestandene Frau steckte das Licht erneut an, und gemeinsam gingen sie in die Stube. Hier sahen sie etwas, was sie
noch nie vorher erblickt hatten: Ein großer Hund mit zwei tellergroßen Augen lief
in der Stube umher und knurrte zornig bei ihrem Anblick. Vorsichtig schlichen die
Eheleute in ihre Kammer zurück und warteten den hellen Tag ab. Der Schreckenshund verkroch sich unter den Tisch. Der Bauer machte nun Tür und Fenster auf
und versuchte den Hund ins Freie zu locken. Der blieb aber ruhig an seinem Platz
liegen.
Gegen Mittag holte der Bauer aus einem anderen Dorf einen Mann, der
sich auf die Vertreibung von Geistern verstand. Dieser sprach auf den Hund ein
und rief ihm die Worte zu: „Bist du von Gott, so geh zu Gott! Bist du vom Teufel,
so geh zum Teufel!“
Da sprang der Hund auf und flog unter fürchterlichem Heulen zum Fenster hinaus und durch die Luft davon. Dabei hörte man eine Menge kleiner, unsichtbarer Hunde heulen.
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Sagenhafte Rhön
nahen Gebüsch der abgewiesene Knecht hervor
und erschlug die junge Frau.
Zur Erinnerung daran steht noch heute im Wiesengrund, nahe der Straße nach Gersfeld, ein verwittertes Steinkreuz. Unter den Menschen von
Altenfeld ist es als Sühnekreuz bekannt.
42. Das Himmelsgericht
Einst stand in Hettenhausen ein Zollhaus. Der Zollbeamte, der hier lebte, sorgte sich
pflichteifrig um die zu verzollenden Güter. Er
hatte aber auch enge Beziehungen zu einer verheirateten Frau. Das blieb deren Ehemann eines
Tages schließlich nicht mehr verborgen. Da überlegte der verliebte Zollbeamte,
wie er den Mann seiner Angebeteten wohl am besten beiseite schaffen könnte.
Als man eines Nachts bei einem jüdischen Textilhändler im Ort einbrach, beschuldigte der Zollbeamte am anderen Tag den Ehemann des Einbruchs. Dem Beamten schenkte man gern Glauben. Da auch sonst keine andere
Spur zu finden war, hielt man den Unschuldigen im Weyherser „Landgericht"
alsbald für überführt. Man verhängte den Richtspruch: Tod durch den Strang.
Am folgenden Tag strömten die Leute aus Hettenhausen und den umliegenden Ortschaften zu einem kleinen Küppel zwischen Ried und Lütter, den man
noch heute den „Galgenberg" nennt. Dort wollte man dem grausigen Hinrichtungszeremoniell beiwohnen.
Der Verurteilte bereute alle seine Sünden, und der Henker band dem
bedauernswerten Opfer einer bösen Intrige das dunkle Tuch vor die Augen. Da
rief der Todgeweihte mit seiner ganzen Kraft vom Galgengerüst hinunter in die
Volksmenge: „Ich bin wirklich unschuldig, der Himmel soll mit mir weinen!"
Kurz darauf baumelte der Verurteilte am Galgen. Eben hatte er mit einem letzten Seufzer das Zeitliche für immer gesegnet, da brach plötzlich ein unheimliches Gewitter los. Blitz und Donner entluden sich mit unbeschreiblicher
Gewalt über der Volksmenge.
Da merkten alle, dass sie der Hinrichtung eines Unschuldigen beigewohnt hatten.
Sagenhafte Rhön
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Nachbarn den Verstorbenen am Fenster des „Roten Löwen“ stehen und sein Geld
zählen. In der Kirche selbst gingen sämtliche Kerzen aus. So oft man sie auch anzündete, sie erloschen immer wieder. Auch bei dem feierlichen Requiem blieb
keine Kerze brennen, und nach der Kommunion erlosch sogar das Ewige Licht.
Das wurde als kein gutes Zeichen gedeutet. Drei Ordensbrüder wachten
deshalb in der Nacht an dem frischen Grab und beteten für die Seelenruhe des
Verstorbenen. Drei Nächte lang hörten sie Wehklagen und Jammern. Die Brüder
machten ihrem Oberen Meldung. In der nächsten Nacht kam ein eigens bestimmter Mönch. Er verrichtete die vorgeschriebene Gebete und Beschwö-rungen.
Dann stellte er Fragen an die Seele des Verstorbenen. Nun antwortete diese folgendes: „Ich liege als Unwürdiger an diesem heiligen Ort, begrabt mich in der
nächsten Nacht außerhalb des Gotteshauses."
Der Sarg wurde von den Mönchen aus der Gruft gehoben, und um Mitternacht stand ein Bauer aus Haselstein mit seinem Ochsenfuhrwerk vor dem
Portal des Klosters. Auf die Frage, was er hier wollte, erklärte der Bauer, ein Ordensbruder habe ihn in der vergangenen Nacht aufgefordert, mit seinem Fuhrwerk
vor das Kloster zu fahren. Die verwunderten Mönche stellten Fragen nach dem
Aussehen des Mönchs. Die Beschreibung ergab, dass ein vor einigen Wochen
verstorbener und in der Klosterkirche begrabener Mitbruder den Auftrag erteilt
hatte. Sie betrachteten dies erneut als Zeichen und luden den Sarg auf den Wagen. Die Tiere zogen sofort an und liefen, ohne anzuhalten oder auszuruhen, bis
in den Wald, den man die „Geishecke" nennt.
Die Mönche gingen betend neben dem Fuhrwerk her. An einer Stelle kamen
die Zugtiere nicht mehr vom Fleck. Die Mönche hoben den Sarg vom Wagen und
fanden seitlich im Wald ein frisches Grab ausgehoben. So wurde der seltsame
Bewohner des „Roten Löwen" ein zweites Mal begraben und fand in der Geishecke
in ungeweihtem Boden seine letzte Ruhe. Über dem Grab errichteten die Mönche
ein steinernes Kreuz.
12. Geister am Hexenturm
Ein reicher und vornehmer Herr verschleuderte sein ganzes Hab und
Gut bei großen Trinkgelagen, auf kostspieligen Reisen, durch teure Geschenke an Freunde und Freundinnen, beim Karten- und Würfelspiel. Durch Lügen
und Betrügen verschaffte er sich aber immer wieder neues Geld.
Einst ermordete er mit seinem gleichgesinnten Diener den reichen
Propst von Blankenau. Sie beraubten ihn und schafften das Geld noch in derselben Nacht in den Fuldaer Hexenturm. Wegen der Geistererscheinungen wag-
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Sagenhafte Rhön
te sich kein Mensch dort hin.
Nun ging's ans Teilen. Aber der Teufel legte seine Hand auf den
Schatz, und sie konnten nicht einig werden. Sie zankten und stritten sich, als
plötzlich unter Donner, Blitz und Schwefelgestank der Boden zu ihren Füßen
auseinanderklaffte. Mit Haut und Haaren sausten sie unter dem schallenden
Hohngelächter des Teufels in die Hölle.
Aber ihre Seelen finden keine Ruhe. In der Walpurgisnacht, mit dem letzten Schlag der zwölften Stunde, kommt eine vermummte Gestalt und geht zum
Turm. Das ist der Diener. Er tritt zum Tor, klopft und murmelt unverständliche
Worte. Aber niemand öffnet. Drinnen jedoch, bei dem bläulichen Licht einer
alten Lampe sitzt sein Herr, zählt und klirrt mit dem Geld. Jedes Mal, wenn es
drinnen klirrt, fährt der Diener draußen zusammen und kratzt mit langen dürren
Krallenfingern an der Tür. Er fährt an der Mauer rauf und runter, stöhnt jammervoll auf wie eine wütende Katze und wird lang und länger. Plötzlich saust er mit
einem grässlichen Schrei am Turm hinauf. Im selben Augenblick fährt dann mit
einem gellenden Pfeifen sein Herr aus einem der Fenster. Dann fauchen und
geifern sie sich mit glühenden Augen an, sausen um den Turm herum, manchmal
hoch hinauf zum nächtlichen Himmel. Aber sie kommen nicht vom Turm los, weil
ihre Füße daran kleben. Mit langen Knochenfingern hauen sie nach den Goldstücken, und jeder kratzt und scharrt auf seine Seite, so viel er fassen kann.
Aber noch ehe sie fertig sind, schlägt es eins vom nahen Domturm. Mit
einem unheimlichen, tierischen Schrei fahren sie auseinander mit krampfhaft
steif in die Luft gestreckten Armen und Händen. Dann ist es still und stumm wie
zuvor.
Sagenhafte Rhön
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40. Der Feuermann
Vor über 100 Jahren rasselte ein Bauernwagen, der in der Rhön eine
Holzfracht abgeladen hatte, eine steile Bergstraße hinab. Es dunkelte schon auf
der Höhe, und so trieb der Fuhrmann seine Pferde zu einer schnelleren Gangart
an, um vor Einbruch der finsteren Novembernacht noch sein Heim zu erreichen.
In fröhlicher Stimmung sang er ein lustiges Liedchen und ließ zwischendurch
manchmal seine Peitsche knallen.
Plötzlich flog er in hohem Bogen in den Straßengraben. Was war geschehen? Ein Wagenrad war herausgeflogen, da der Draht, der den Sicherungsstift
von unten absicherte, vom Rost zerfressen war und sich gelöst hatte. Im Schein
der Wagenlaterne war die Buchse zwar schnell gefunden, aber den Stift konnte
der Bauer beim besten Willen nicht entdecken. Ohne ihn konnte der Fuhrmann
die Fahrt aber nicht fortsetzen, da er dann mit Sicherheit mit einem neuen Sturz
rechnen musste. Nun war guter Rat teuer.
Plötzlich tauchte in einer Waldlichtung im dampfenden Wiesennebel
eine in Flammen stehende Gestalt auf. In seiner großen Not rief der Fuhrmann:
„Hilf mir den Stift suchen!" Der Gerufene war in wenigen Augenblicken zur Stelle
und überreichte dem Bauern das gesuchte Stück. Im Nu war der Wagen wieder in
Ordnung gebracht und konnte weiterfahren. Zum Feuermann gewandt, der ihm
dabei stillschweigend zugeschaut hatte, sagte der Fuhrmann, bevor er sich auf
den Sitz schwang: „Vergelt's Gott, Feuermann!"
Bei diesen Worten verschwand die Gestalt.
41. Das Steinkreuz im Wiesengrund
13. „Zur Schwarzen Raab“
Vor langer Zeit wohnte in Fulda eine vornehme Dame. Sie trug einen
goldenen Ring mit einem strahlenden Diamanten. Es war ein altes Erbstück, das
ihr von allem Schmuck das liebste war.
Eines Tages rüstete sich die Dame zu einem Besuch. Sie legte den Ring
und andere Schmucksachen auf den Putztisch, der am Fenster stand, um sie nach
dem Umkleiden anzulegen. Aber ehe sie sich versah, war der Diamantring verschwunden.
Die gesamte Dienerschaft suchte fieberhaft, jedoch vergebens. Der Verdacht fiel auf Erich, den blonden Edelknaben, der in Diensten der Bestohlenen
stand. Da Treulosigkeit eines Dieners in jener Zeit mit dem Tod bestraft wurde,
verließ Erich in der Frühe heimlich das Haus seiner Herrin und flüchtete. Bald
Der Bauer vom „Dreschenhof“ in der Gemarkung Altenfeld hatte eine
schöne Tochter, in die sich der Hofknecht über alle Maßen verliebt hatte. Er
besaß aber nichts außer seiner Kleidung und dem kargen Unterhalt, den ihm der
Bauer für seine mühselige Arbeit zukommen ließ. So war er in den Augen des Hofeigentümers nicht der rechte Mann für das hübsche junge Mädchen. Es dauerte
auch nicht lange, und der Bauer hatte für seine Tochter, die er über alles liebte,
einen standesgemäßen Mann gefunden. Mit viel Aufwand wurde die Vermählung
gefeiert.
Am Tag der Hochzeit ging die junge Braut mit einem Holzgefäß hinunter
zur Quelle, um ihren Gästen einen frischen Trunk heraufzuholen. Sie beugte sich
über den munter sprudelnden Born, dessen Wasser für seine Klarheit und seinen Wohlgeschmack unter den Dorfleuten bekannt war. Da stürmte aus einem
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Höllenhund und Feuermann
Sagenhafte Rhön
(Gersfeld und Poppenhausen)
- Zwischen Steinwand und Wasserkuppe -
38. Die Steinwand
Als die Menschen in der Rhön noch Heiden waren, kamen fromme Männer und verkündigten ihnen das Evangelium. Aus dem ganzen
Gebirge strömten die Leute herbei, hörten andächtig der Predigt zu, glaubten und ließen sich
taufen.
Das ärgerte den Teufel, der bis dahin allein Herr im Land gewesen war. Einst hatte er sich
oben auf einem Berg hingelagert. Da hörte er, wie
ein Haufen Volk heraufkam und zu Gottes Lob ein
Lied sang. Schnell ließ der Teufel vor der Hohen Rhön eine Wand aus Stein entstehen. Er kleidete sich wie ein Geistlicher, stellte sich oben auf die „Steinwand“
und fing an zu predigen. Er sprach aber nicht vom lieben Gott, sondern von sich
selbst. Lange hörte ihm das Volk verwundert zu.
Auf einmal erschien über dem Berg ein Kreuz. Das fromme Volk kniete
nieder und betete. Da floh der Teufel voller Zorn. Die Steinwand aber steht noch
heute. Sie besteht aus säulenartig zerklüfteten Felspartien, welche auf ihrer Südseite einer großen, alten Mauer gleichen.
39. Der Kuppenmann
Vor undenklichen Zeiten trieb ein trotziger und mürrischer Riese täglich
seine Herden auf die Triften der „Dalherdaer Kuppe“. Er hatte eine böse Gewohnheit: Bei der geringsten Gelegenheit fluchte und wetterte er so, dass selbst
der Teufel eine Gänsehaut bekam. Die abscheulichsten Fluchworte und Verwünschungen entfuhren seinem Mund. Er lästerte Gott und alle Heiligen und
schimpfte über die Priester und das ganze Menschengewürm.
Da traf ihn eines Tages der gerechte Zorn des Himmels. Gott verwandelte ihn zur Strafe in eine Steinsäule als warnendes Beispiel für alle Lästerzungen. So steht der „Kuppenmann" am Nordhang der Dalherdaer Kuppe bis heute,
eine gut zwei Meter hohe trotzige Phonolithsäule in Gestalt eines Menschen.
Sagenhafte Rhön
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wurde er aber ergriffen und nach Fulda zurückgebracht. Er wurde so lange gefoltert, bis er im Übermaß der Qualen das Verbrechen gestand.
Das Gericht sprach das Todesurteil über ihn. Als der Tag anbrach, an dem
sein unschuldiges Haupt auf dem Rabenstein fallen sollte, eilte Jung und Alt zur
Richtstätte. Weil das Gedränge so groß war, kletterten Fuldaer Jungen auf die Erlen,
Pappeln und Birken, um von da aus die Vollstreckung des furchtbaren Urteils
beobachten zu können.
Hoch oben in der Krone eines Birnbaumes war ein Rabennest. Einer der
neugierigen Jungen kletterte hinauf. Als der Rabe ausgeflogen war, erblickte der
Knabe den vermissten Ring. In großer Freude schrie er dem Scharfrichter entgegen: „Halt ein, halt ein! Hier ist der gestohlene Diamantring, Erich ist unschuldig!"
Das Todesurteil an dem schönen Edelknaben wurde nicht vollstreckt.
Erichs Angehörige aber erbauten zur steten Erinnerung an dieses Ereignis
an der Stelle, wo der Birnbaum stand, ein hübsches Haus. Auf einem Schild ließen
sie einen schwarzen Raben darstellen, unter dem die Inschrift „Zur schwarzen Raab"
stand. Der Knabe aber, welcher den Ring in dem Rabennest gefunden hatte, erhielt das Haus als Eigentum.
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Teufelsborn und heiliger Wendelin
Sagenhafte Rhön
(Künzell und Petersberg)
- Sagenhaftes vor den Toren der Stadt -
14. Die Rettung des Florenberges
Im Jahre 915 hatten
die Ungarn die kurz zuvor verstärkten Mauern des Benediktinerklosters Fulda vergeblich
berannt und sich dabei blutige
Köpfe geholt. Nun blickten sie
begehrlich nach dem wohlbefestigten Florenberg, wo in
der Kirche die Reliquien der
heiligen Flora aufbewahrt
wurden, der Schutzpatronin.
Sie hofften, in der Kirche Gold
zu finden.
Beim Näherkommen vernahmen sie aber plötzlich das Meckern von
hungrigen Ziegen. Man hatte diese in der Eile in der Zufluchtstätte zusammengetrieben. Ein dumpfes Gemurmel des Unwillens ging durch die Reihen der Kämpfer, als wollten sie ihrem Anführer sagen: „Lasst uns von dannen ziehen!“ Und
schon schwangen sie sich behände in die Sättel und ritten weiter.
Das Kirchlein der heiligen Flora war durch die Klagelaute einfältiger Ziegen gerettet worden, während auf dem nahen Petersberg alles in Flammen aufging.
15. Der Bildstock bei Pilgerzell
Eine Bäuerin aus Pilgerzell nahm einmal ihr kleines Töchterchen mit
hinaus auf den Weizenacker. Da das Kind eingeschlafen war, errichtete sie
aus Garben einen Schutz gegen die Sonnenstrahlen. Sie legte die Kleine an die
schattige Stelle und ging wieder an die Arbeit.
Als die Bäuerin fertig war, blieb sie plötzlich freudig erschrocken und
wie gebannt stehen. Ein wunderbarer, von Licht umflossener Knabe saß an der
Seite ihres Kindes. Doch während die Bäuerin noch verdutzt dastand, ver-
Sagenhafte Rhön
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37. Das Bubenbad
Eine Frau hatte ihrem Mann sechs Töchter geboren. Er grollte darüber,
dass kein Sohn darunter war. Als die arme Frau zum siebten Mal niederkommen sollte, grämte sie sich und schlich heimlich immer zur Waldkapelle, um zu beten. Aber einmal erschien ihr dort ein Engel. Sie fiel in tiefe Ohnmacht.
Als sie aufwachte, erkannte sie, dass sie einem Kind das Leben geschenkt
hatte - und wieder war es ein Mädchen. Sie nahm das kleine Wesen und wankte
nach einer nahen Quelle, um ihm die Taufe zu spenden. Mühsam nur schleppte sie sich mit dem Kind im Arm nach Hause und gab das Kleine weinend dem Vater. Staunend fragte er, woher sie denn mit dem Knäblein käme.
Und wirklich: Das Kind hatte sich durch die Taufe im heilkräftigen Born
von einem Mädchen in einen Knaben verwandelt.
Seitdem heißt der Brunnen das „Bubenbad“.
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Sagenhafte Rhön
Er sah dem Spiel lange Zeit zu, und immer näher kamen die Tänzerinnen. Ohne dass er wusste, was er tat, sprang der Ritter vom Pferd und umschlang eine der Tänzerinnen. In seliger Lust wirbelte er dahin, bis die Elfen mit
dem Morgennebel wieder verschwanden. Der Ritter hatte nun weder Ruhe noch
Rast. Er vernachlässigte sein junges Weib und kehrte sich nicht an deren Bitten
und Tränen. Abend für Abend verließ er die Burg, eilte zu der Wiese und tanzte
lustig mit den Elfen.
Von Eifersucht getrieben, schlich ihm einmal seine junge Gemahlin
nach. Sie mischte sich unbemerkt unter die Elfen und näherte sich dem Ritter.
Unerkannt wurde sie von ihm im Kreis geschwenkt und vernahm dabei Liebesworte aus seinem Mund. Endlich gab sie sich ihm zu erkennen und sagte, er könne das gleiche Glück wie hier an ihrer Seite auf der Burg finden.
Der Ritter war beschämt und ging nie wieder zu den Elfen, denn er hatte
das Glück im eigenen Haus gefunden.
Jener Platz aber wurde von da an die „Tanzwiese" genannt. Später entstand dort der Ort „Danzwiesen".
36. Das Marienbild
Der Weg von Danzwiesen zur Milseburg war früher ein schmaler, steiniger Pfad und wurde Kirchweg genannt. Dort steht ein buntes Muttergottesbild in einer kleinen Steingrotte. Das Bildnis stand schon vor langer Zeit dort,
damals allerdings nur mit einem Schutzdach versehen. Es zeigt Maria mit dem
Heiland auf dem Schoß.
Weil das Bild auf der Höhe den Unbilden des Wetters ausgesetzt war,
wollten es fromme Christen vor Sturm und Regen schützen. Deshalb bauten
sie eine kleine Kapelle, in der sie das Muttergottesbild aufstellten. Als sie am
nächsten Tage nachschauten, stand es wieder an der alten Stelle. Sie brachten es daraufhin zurück zur Kapelle. Am folgenden Tag aber war das Bild erneut an der alten Stelle. Dies geschah insgesamt dreimal.
Da erkannten die Menschen schließlich den Willen des Bildes und beließen es an dem früheren Standort.
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schwand auf einmal der schöne Junge wie ein Nebelbild vor ihren Augen.
„Das war das liebe Jesuskind", sagte die Mutter mit freudig klopfendem Herzen, nahm die Kleine auf ihren Arm und schritt dem Dorf zu. Das Kind
aber weinte Tag und Nacht und verlangte nach seinem lieben Spielgenossen. Bald
schlossen sich die kleinen Äuglein für immer.
Die fromme Mutter aber ließ zum ewigen Gedächtnis an der Stelle, wo
die beiden Kinder zusammen gespielt hatten, einen Bildstock aufrichten.
16. Der Teufelsborn
In der Nähe von Pilgerzell befindet sich im Wald eine Quelle. Man hört
das Rauschen im Inneren der Erde, aber kein Bach ist zu sehen. Dichtes Gestrüpp wuchert an dieser Stelle. In einem entfernten Wiesengrund tritt das
Wasser dann hervor und fließt als Bächlein munter durch die grüne Aue. Im Volksmund trägt die Quelle den Namen „Teufelsborn“.
Diese Quelle bildete einst die Grenze zwischen den Waldwiesen zweier
Bauern. Eines Tages gerieten die beiden in Streit, weil jeder der Eigentümer des
Bornes sein wollte. Schließlich kamen sie vor Gericht. Der eine Bauer war gottlos
und schwor einen Meineid. Er gewann dadurch den Streit und wurde Eigentümer
der Quelle. Dem anderen Bauern ging der Verlust so nahe, dass er dahinsiechte
und starb.
Der Herrgott aber ließ dieses Verbrechen nicht ungestraft. An einem heißen Sommertag ging der Meineidbauer hinaus, um das Bächlein auf seine Wiese
zu leiten. Plötzlich aber stiegen schwere Gewitterwolken auf. Der Himmel verdunkelte sich, und Blitz auf Blitz zuckte hernieder. Die Leute im Dorf beteten vor
Angst, zündeten geweihte Kerzen an und verbrannten geweihte Kräuter. Der Meineidbauer flüchtete in den Wald, um dort unter einer alten Eiche Schutz zu suchen. Da zuckte ein feuriger Strahl vom Himmel und zerschmetterte den Baum. Der
Bauer fand dabei den Tod.
Unter der zerschmetterten Eiche wurde er später entdeckt, und seine
Schwurhand wies hin zu der Quelle.
17. Sankt Wendelin
In Steinhaus lebte einmal ein armer Mann. Aus Holz und Stein formte
er allerlei Figuren und verkaufte sie an fromme Leute. Besonders viele Abnehmer
fand sein Sankt Wendelin, den er als Hirten darstellte.
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Sagenhafte Rhön
Nun kam aber eine schreckliche Viehseuche
nach Steinhaus. Da erschien Sankt Wendelin dem armen
Künstler im Traum und forderte ihn auf, am Kreuzweg
bei Steinhaus eine Kapelle zu bauen, damit das Sterben
aufhöre.
Vom Petersberger Propst erhielt er Platz, Holz
und Steine geschenkt und begann mit eigenen Händen
den Bau. Pfosten und Wände zierte er mit Schnitzwerk,
formte Heilige darauf und Tiere und allerlei andere
Dinge. Täglich kamen nun die Leute zur Kapelle, um
Hilfe für ihr krankes Vieh zu erflehen, und ließen die Gebetsketten als Opfergaben zurück. Der Künstler aber, der
den Bau geschaffen hatte, blieb arm wie zuvor.
Seine Frau ärgerte das. So redete sie ihm zu,
die geopferten Ketten zu holen, um sie zu verkaufen.
Hans ging in der nächsten Nacht mit seiner Frau zur
Kapelle. Sie beluden sich mit so vielen Ketten, wie sie
tragen konnten, und verbargen sie in ihrer Kammer.
Dann legten sie sich zu Bett. Kaum aber waren sie eingeschlafen, als ein gewaltiges Getöse Mann und Frau wieder
erwachen ließ. Sankt Wendelin stand im Hirtenkleid vor
ihren Betten und forderte seine Ketten zurück. Diese aber flogen, wie vom Wirbelwind getrieben, klirrend in der Stube herum. Sie zerrten die Eheleute aus dem Bett
und hingen sich ihnen auf den Rücken.
So mussten die Diebe sie noch in derselben Nacht in die Kapelle zurücktragen.
18. Propst Reiffenberger
Auf dem Petersberg wohnte einst ein Propst namens Reiffenberger. Er
war kein Mann nach dem Herzen Gottes. Seinen geistlichen Pflichten kam er
nicht im gehörigen Maß nach. Wurde er vom Fürstabt dazu ermahnt, so schlug
er diesem jedes Mal ein Schnippchen. Das üppige und liederliche Leben mit seinen losen und leichtfertigen Kumpanen setzte der Propst dann noch ärger fort als
bisher.
Selbst die stille Zeit des Advents schien er nicht beachten zu wollen. Eines Abends wollte er wie gewöhnlich trotz eines heftigen Sturms zu einer
Schwelgerei in die Stadt fahren. Er stieg in seine prächtige Kutsche, und mit
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33. Der Milseburger Hannes
Zur Zeit, als der heilige Gangolf auf der Milseburg lebte, wohnte hier
auch ein Einsiedler von riesenhaftem Körperbau. In der Gegend hieß er der
„Milseburger Hannes“. Zu ihm flüchtete sich der heilige Gangolf, als er es bei
seinem bitterbösen Weib nicht mehr aushalten konnte. Der Einsiedler richtete
dem Heiligen eine Klause her, mit einem Beetgärtchen daneben. Ebenso half der
Milseburger Hannes dem Heiligen auch, als dieser sich vornahm, hoch oben auf
dem Berg eine Kapelle zu bauen.
Wenn die beiden zusammen einen schweren Stein oder Balken tragen
mussten und an eine gefährliche Stelle des Weges kamen, warnte der Riese jedes Mal den Gangolf, der ja viel schwächer war, und rief: „Hopp, Gangel, hopp!"
Die Spuren der Klause sind noch heute auf dem Berg zu sehen. Und in
dem Beetgärtchen blühen die schönsten und duftigsten Blumen, ohne dass sie
durch Menschenhand angesät oder gepflanzt wurden.
34. Der Teufelstein
Als der Teufel nun sah, dass auf der Milseburg eine Kirche erbaut wurde,
versprach er einem Bewohner der Gegend, er wolle auf einem benachbarten Berg
ein Wirtshaus für ihn errichten. Der Mann gelobte ihm dafür sich und seine Seele.
Das Wirtshaus müsse jedoch einen Tag früher vollendet sein als die Kirche.
Beim Bau der Kirche auf der Milseburg aber war der heilige Gangolf
selbst behilflich. Auf sein Gebet hin fügten sich die Steine schneller zusammen als
die des Teufels. Deshalb wurde das Kirchlein fertig, als der Teufel gerade mit seinem letzten Stein durch die Lüfte geflogen kam. Als er sah, dass er seine Wette
und obendrein eine Seele verloren hatte, schleuderte der Teufel den mächtigen
Felsblock auf das Wirtshaus herab und zerstörte den ganzen Bau.
Die Trümmer sind heute noch zu sehen. Die Felsen liegen übereinander
wie gespaltene Eichenstämme in einem Holzhaufen oder die Reste einer alten
Burg. Das ist der „Teufelstein“.
35. Der Tanz mit den Elfen
Ein jung vermählter Ritter von der Milseburg ritt eines Abends bei hellem Sternenschein nach Hause. Als er nun die große Wiesenfläche unter der
Milseburg erreicht hatte, da erblickte er auf einmal eine Schar lieblicher weiblicher Gestalten, die sich dort in fröhlichem Reigen drehten.
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Beim Riesen Mils
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(Hofbieber)
32. Das Grab des Riesen
Als die ersten Glaubensboten in
das heidnische Buchenland kamen, lebte in der Rhön ein
Riese namens Mils.
Auf einem mächtigen
Berg stand seine Felsenburg. Dieser Riese
erschwerte den heiligen Gottesmännern
ihre Bekehrungsarbeit, setzte den neu
Getauften nach und
quälte und bedrückte diese und ihre Lehrer.
Da machte sich der heilige Gangolf mit einigen Rittern auf, um den Riesen in seiner Burg zu bezwingen. Den Belagerern stand nur eine einzige Wasserquelle zur Verfügung, die einem geizigen Bauern gehörte. Der Besitzer aber wollte sich an der Not der Kämpfer Christi bereichern und verlangte für die Benutzung seines Brunnens eine hohe Abgabe. Gangolf und seine Getreuen konnten
diese Geldsumme aber nicht aufbringen.
Zum letzten Mal füllte Gangolf nun seinen Helm am Brunnen, kehrte in
das Lager seiner Mannen zurück und schüttete das Wasser auf den Boden. Sofort entsprang hier eine Quelle, die heute noch Gangolfsbrunnen heißt. Der
Brunnen des Bauern aber versiegte im selben Augenblick.
Von neuem begann der Sturm auf die Feste des Riesen Mils. Als dieser
sah, dass keine Rettung mehr möglich war, gab er sich in der Verzweiflung selbst
den Tod. Da warf der Teufel, dem Mils sein Leben lang gedient hatte, riesige
Steine als Grab über den Leichnam des Selbstmörders.
Dieser Grabhügel schaut noch heute als Milseburg weit über die Lande.
Das Kreuz aber siegte auch in diesem Teile des Buchenlandes und steht triumphierend auf dem Gipfel, den einst die heidnische Riesenfeste beherrschte.
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lautem Peitschenknall ging es den Petersberg hinunter. Da aber schlug die Kutsche um und schleuderte ihn so hart gegen das Gestein, dass sein Kopf zerschmettert wurde.
So fuhr der Propst, wie er in Sünden gelebt hatte, auch in Sünden dahin.
In den Adventsnächten muss er nun zu seiner Schande und zum Schrecken aller,
die ihm begegnen, ohne Kopf in seiner Kutsche sitzen und mit seinen ebenfalls
kopflosen Pferden den Weg vom Petersberg zur Stadt hin- und zurückjagen.
19. Der lange Hannes
Das Gegenteil des Propstes Reiffenberger war ein Prälat auf dem Petersberg, der gerne allzeit den Armen ein Helfer und Freund war. Keiner, der sich in
seiner Not schriftlich oder mündlich an ihn wandte, wurde abgewiesen. Sein Diener Johannes, der wegen seiner Körpergröße der „lange Hannes“ genannt wurde,
stand dem Prälaten in Ausübung der Werke christlicher Nächstenliebe ratend
zur Seite.
Als der Diener sich erbot, den Armen selbst die Gaben ins Haus zu
bringen, konnte sein Herr ihm dies nicht gut abschlagen. So gingen all die reichen Geschenke für die Armen zunächst in die Hand des Johannes. Leider missbrauchte er das Vertrauen des Prälaten und behielt die wertvollsten Gaben für
sich. So kam er im Lauf der Zeit zu ansehnlichem Reichtum. Er wusste aber
dafür zu sorgen, dass seine Unterschlagungen geheim und dem Prälaten verschwiegen blieben.
Seine Seele findet nun wegen seiner bösen Taten keine Ruhe. Um Mitternacht rennt er vom Petersberg über den alten Ziegelberg, an Ziehers vorüber,
nach Fulda. Weil er aber auch dort keine Ruhe finden kann, rennt er wieder zurück. Davon weiß mancher zu erzählen, der in später Nachtstunde diesen Weg ging
und vom „langen Hannes" so vom Weg abgedrängt wurde, dass er im Straßengraben
liegen blieb.
So büßt dieser ungetreue Diener noch heute seine sündhaften Taten.
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In Bütte und Grüner Delle
(Burghaun, Eiterfeld, Hünfeld, Nüsttal u.
Haunetal)
- Gespenstisches rund um das Hessische Kegelspiel -
20. Rettung in der Bütte
Auf dem Stoppelsberg liegen die Trümmer des Schlosses Hauneck.
Dieses gehörte den Rittern von Haune, die sehr kriegs- und raublustig waren. Von
ihrer Burg liefen Verbindungsgänge zu einigen anderen Schlössern in der Nachbarschaft. Deren Besitzer halfen ihnen streiten, rauben und plündern. Wenn Kaufleute mit ihren Waren durchs Tal zogen, fielen die Raubritter über sie her und
nahmen ihnen alles fort. Einzelne Reisende wurden ausgeplündert und in den
Burgturm geworfen. Man ließ sie erst wieder frei, wenn sie ein hohes Lösegeld
gezahlt hatten.
Vor langer Zeit hauste auf Hauneck ein Ritter, der war der schlimmste
von allen. Darum hieß er nur der „wilde Haune“. Eines Tages kam ein vornehmer
Edelmann im Tal heraufgezogen. Der wilde Haune hatte dies erfahren. Er lauerte
ihm mit seinen Spießgesellen im Hinterhalt auf und überfiel ihn unerwartet. Der
Edelmann wehrte sich zwar tapfer mit seinen wenigen Reisigen, aber vergeblich.
Er wurde gefangen genommen, auf das Felsennest geschleppt und in einen finsteren Turm eingesperrt. Viele Tage und Nächte musste er darin sitzen. Jeden
Morgen und Abend brachte ihm eine junge Magd Speise und Trank.
Das Mädchen hatte großes Mitleid mit dem schönen jungen Mann
und nahm sich vor, ihn zu retten. Sie musste jeden Abend, wenn sie den Gefangenen versorgt hatte, ins Tal hinunter und in einer großen Bütte Wasser herauftragen, da sich auf dem Schloss kein Brunnen befand.
Eines Tages ging es wieder recht lustig auf der Burg her, und da konnte
sie unbeobachtet ihren Plan ausführen. Des Abends in der Dämmerung ging das
Mädchen, die Bütte auf dem Rücken, wieder den Schlossberg hinab. In dem
Fass aber saß der Gefangene. Am Fuß des Berges stieg er heraus. Beide versteckten die Bütte im Gebüsch und flohen nach Fulda.
Als man am anderen Morgen auf dem Schloss merkte, dass der Gefangene geflohen war, geriet der wilde Haune in heftigen Zorn. Er setzte sich mit einigen seiner Knechte sofort auf die Pferde und jagte den Flüchtlingen nach. Aber
diese waren schon längst hinter den schützenden Mauern der alten Stadt in
Sicherheit, und die Räuber hatten das Nachsehen.
Der dankbare Edelmann nahm seine Retterin zur Gemahlin und führte
sie auf sein Schloss.
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31. Der Bildstock bei Altenhof
An der Straße, die an der Gemarkung Altenhof vorbei führt, steht einige
Meter abseits im Feld ein schlichter Bildstock mit Steinsockel, Schaft und Kreuz.
Dort in der Nähe war einmal eine Magd allein auf dem Feld.
Diese Magd führte einen liederlichen Lebenswandel, und man erzählte
sich viel Schlechtes über sie. Sie selbst brüstete sich damit, dass sie ihre Seele
dem Teufel verschrieben habe. Die Dorfbewohner verachteten sie, vor allem,
nachdem sie noch Mutter eines unehelichen Kindes geworden war. In ihrer großen Bedrängnis versuchte sie nun, sich vom Satan zu lösen. Dieser ließ ihr aber
keine Ruhe.
Als sie nun auf dem Feld war, trat er wieder an sie heran. Da floh sie zu
dem in der Nähe stehenden Bildstock. Sie sprang auf den Sockel, fasste das Kreuz
an und bekreuzigte sich mehrmals.
Darauf ließ der Satan von ihr ab. Er stieß noch einen schrecklichen Fluch
aus und schlug mit seinem Pferdefuß nach dem Bildstock. Da fiel an einer Kante
ein Stück vom Stein ab. Diese Scharte ist heute noch zu sehen.
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fel von der Wand holte", wie sich die Dorfbewohner damals erzählten.
30. Die wilde Fahrt
Es mögen über hundert Jahre her sein, da gingen zwei junge Männer
aus Motten an einem Sonntagnachmittag nach Altenhof, um dort ihre Bräute zu
besuchen. Eine halbe Stunde vor Mitternacht trafen sie sich wieder und gingen
froh gelaunt ihrem Heimatdorf zu.
Als sie an einem an der Straße stehenden Kreuz vorüberkamen, erhob
sich plötzlich ein gewaltiger Sturm. Von allen Seiten hörte man Hundegebell,
obwohl kein Tier zu sehen war. Mit einem Mal war es ringsum stockdunkel. Die
beiden Freunde hielten sich gegenseitig fest, um vom Sturm nicht von der Straße
geweht zu werden. In ihrer Angst sprach keiner ein Wort.
Plötzlich sahen sie vor sich einen hellen Schimmer, und unter donnerähnlichem Getöse kam ein Wagen angefahren. Auf dem etwa zwei Meter hohen
Bock saß der Kutscher, der wie wahnsinnig auf die schweißbedeckten Pferde
einhieb.
Als das Gefährt an den beiden schreckensbleichen Freunden vorüberraste, wurde der an der rechten Seite gehende Mann von unsichtbarer Hand
erfasst, emporgehoben und in den Wagen geworfen. In sausendem Galopp ging
die unheimliche Fahrt weiter. Dem zu Tode erschrockenen Mann schwanden vor
Angst fast die Sinne. Er konnte sich später nicht mehr erinnern, wie lange die
Fahrt gedauert hatte. Als er jedenfalls wieder zu sich kam, lag er auf einer Wiese
in der Nähe von Rothemann. Es war heller Tag, und die Bauern waren auf den
Wiesen beim Mähen.
Erst gegen Abend kam er in seinem Heimatdorf an und fragte nach seinem Freund. Den hatte der Sturm abseits getrieben. Dann war er in einer Hecke
hängen geblieben.
Keiner konnte ihnen das Geschehen erklären, aber sie haben das Vorgefallene nie vergessen.
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21. Tod am Wehr
Joachim Heinrich, genannt „Jochemhenner“, war ehemals Besitzer der
Haunmühle in Hünhan. Oft wurde ihm von den Fluten der Haune das Wehr eingerissen, das er dann mit großen Unkosten wieder herstellen lassen musste. Als
einst bei einer großen Überschwemmung das Wehr von neuem zertrümmert wurde und er traurig an der Unglücksstelle stand, trat ein unbekannter Mann zu ihm.
Der sagte: „Wenn du dein eigenes Kind lebendig in das Wehr einmauerst, wird
dieses für immer standhalten.“
Der Müller entsetzte sich zwar anfangs bei dem Gedanken, sein eigenes
Fleisch und Blut so unmenschlich zu behandeln. Der Fremde aber redete so lange
auf ihn ein, bis er endlich einwilligte und die unselige Tat vollführte. Als der Vater
den Steinsarg zudeckte, rief ihm das darin befindliche Kind noch die Worte zu:
„Vater, wir sehen uns wieder."
Nach der Tat hatte der Jochemhenner keine Ruhe mehr. Die letzten Worte seines Kindes klangen ihm immer in den Ohren. Auch erkannte er jetzt, dass
der Fremde, der ihn zu der verbrecherischen Tat verleitet hatte, der Teufel gewesen war. Rast- und ruhelos irrte der Müller umher, bis er in einer stürmi-schen
Nacht nahe an der Stelle, wo er das Kind eingemauert hatte, seinen Tod in der
Haune fand.
Aber auch jetzt hat er keine Ruhe. Zu nächtlicher Stunde muss er aus den
Fluten emporsteigen und als Gespenst umgehen. Manchmal kommt ein Wanderer zur Nachtzeit auf dem schmalen Pfad, der dicht am Wasser entlang führt, vom
Weg ab und stürzt. Dann zieht der Jochemhenner ihn ins Wasser und lässt ihn
ertrinken.
22. Der wilde Jäger
Einst fuhr ein Bauer mit dem Bruder des Bräutigams einen Brautwagen in einen zwei Stunden entfernten Ort. Sie mussten durch den Wald bei
Großentaft, das sogenannte „Quecksmoor“.
Als sie eine Strecke gefahren waren, kam aus dem Wald ein stattlicher Herr, als Jäger gekleidet, auf das Fuhrwerk zu. Er sprach kein Wort mit
den Fuhrleuten, ließ den Wagen vorüber und setzte sich hinten auf. Die Pferde
fingen an zu schwitzen und zu scheuen, die Männer aber waren vor Schreck
wie gelähmt. Keiner konnte ein Wort sprechen. Nach einiger Zeit merkten sie,
dass die Pferde wieder leichter gingen, und als sie sich umsahen, war die Gestalt vom Wagen verschwunden. Es war der „wilde Jäger" gewesen.
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Sagenhafte Rhön
Das junge Ehepaar aber, für das der Brautwagen bestimmt war, hatte
in seinem Ehestand kein Glück. Beide Eheleute starben früh.
23. Das Gespenst in der Grünen Delle
An dem Weg von Hünfeld nach Eiterfeld liegt im Wald ein kleines Tal,
das „die Grüne Delle" genannt wird. Vor Zeiten lag dort ein schönes Bauerngut, das die Eigentümer von den Herren von Buchenau zu Lehen trugen.
Nun heiratete einer der Buchenauer, ein gar schwacher Mann, eine
bösartige, habgierige Frau. Als diese einmal auf den in der „grünen Delle"
liegenden Hof kam, gefiel er ihr besonders gut. So versuchte sie, ihn auf jede
mögliche Weise an sich zu bringen. Der Bauer aber hielt hartnäckig an seinem
Besitz fest und ließ sich durch alle Quälereien der Buchenauer Gerichte nicht
irre machen. Diese aber brachten den Streit so verdreht nach Wetzlar, dass
das Reichskammergericht der Frau von Buchenau das Gut zusprach und dem
Bauern obendrein alle Kosten auflud.
Ausgepfändet und ruiniert nannte dieser das Verfahren „Räuberei"
und verfluchte und verwünschte die vornehme Dame so, dass sie sofort ihren
Fronvogt in die Grüne Delle schickte, um den Wütenden gefesselt in das Burgverlies nach Buchenau abführen zu lassen.
Als der Bauer die Dame hier erblickte, rief er ihr in seiner gerechten Entrüstung noch zu: „Ich weiß nun, dass ich meinen rechtlich durch Erbschaft erworbenen Hof nie wiedersehen werde, dafür aber sollst du, Räuberin meines Gutes, keine Ruhe im Grab finden und ewig als Gespenst in der Grünen
Delle umgehen." So bösartig auch die Edelfrau war, so drang ihr doch dieser
Fluch durch Mark und Bein. Alle Versuche, den Bauern zu bewegen, den Fluch
zurückzunehmen, scheiterten an seinem festen Sinn. Seine Antwort war im mer: „Ich fürchte sie nicht mehr." Selbst Peitschenhiebe, Krummschließen
und Hunger brachten ihn nicht zum Widerruf.
So saß der Bauer lange gefangen. Und während dieser Zeit wälzte
sich die Frau von Buchenau ganze Nächte lang schlaflos auf ihrem Lager.
Schon war der Lenz ins Land gezogen, da befahl die Frau eines Morgens, den
widerspenstigen Bauern aus dem Verlies zu entlassen.
Bald darauf aber erschien der Vogt schreckensbleich vor seiner Herrin und berichtete ihr, dass der Gefangene tot, aber mit geballter Faust, im
Kerker gefunden worden sei. Da entsetzte sich die Frau von Buchenau dermaßen, dass sie mit weit geöffneten Augen tot zu Boden stürzte.
Noch in der gleichen Nacht sah man sie schon als weiß verschleiertes
Sagenhafte Rhön
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nicht mehr an seine Schwüre. So oft das Mädchen sich ihm nahen wollte, wurde
sie jedes Mal von dem hochmütigen Junker vom Schloss gehetzt. Einige Monate
später gebar sie im Rieder Grund ein Knäblein, das aber bald darauf starb.
Kurze Zeit später stand das Mädchen als Kindesmörderin auf der Richtstätte, hinter ihr der Scharfrichter mit seinem Schwert. Eben sollte der Sünderin
die Binde vor die Augen gelegt werden, da vernahm sie ein Wagenrasseln. Zugleich erklang ein lautes, unwilliges Murmeln unter der zahlreichen Menge, die
das Schafott umstand. Da die junge Frau noch auf Gnade im letzten Augenblick
hoffte, schlug sie die Augen auf: Der Herr von Weyhers mit seiner Dienerschaft war
auf seiner prächtigen Kutsche angekommen. Vor Entsetzen und Wut versagte der Unglücklichen bei dem Anblick des Scheusals die Stimme, dann aber raffte sie ihre Kraft
zusammen. Sie deutete mit der Hand auf den Junker und sprach einen schrecklichen Fluch über ihn aus.
Dieser Fluch erfüllte sich. Der Herr von Weyhers hatte von da an keine Ruhe mehr. Allnächtlich muss er als Spukgestalt in der Kutsche von seinem
Schloss durch den Rieder Grund bis zur Stelle des ehemaligen Hochgerichtes fahren.
29. Der Teufel auf der Leiter
Da, wo heute das Gasthaus „Auerhahn" in Rothemann steht, befand sich
bis zum großen Brand ein anderes Haus. Dort wohnten vor mehreren hundert
Jahren die „Boaste“, was wohl von einem Hausbesitzer namens Sebastian kommen mag.
Es war Erntezeit, und die Männer waren beim Dreschen. Die Arbeiter
erhoben sich gerade vom Mittagstisch, warfen ihre Kittel über und gingen zur
Scheune. Da gewahrten sie zu ihrem Erschrecken, wie eine schwarze Gestalt
in Windeseile die Leiter zur Tenne emporkletterte und sich dort oben wie in
Nichts auflöste.
Die Männer, denen man sonst eigentlich so leicht nichts vormachen
konnte, waren wie gebannt. Sie ließen vor Schreck ihre Dreschflegel ins
Stroh fallen und bekreuzigten sich dreimal. Erst als ein Mönch vom Frauenberg
in die Rhöngemeinde gerufen wurde, um die seltsame Erscheinung zu verbannen, trat wieder Ruhe ein.
Dann aber ließen die Hauseigentümer ein kunstvolles Holzrelief
schnitzen, das den heiligen Erzengel Michael darstellte, der dem Satan die
Lanze bis zum Schaft in den Höllenrachen stieß. Das Schnitzwerk hing bis
zum Jahr 1927 an der einen Giebelwand des „Boaste“-Hauses, bis der große
Brand in Rothemann auch dieses Wohnhaus einäscherte und man den „Teu -
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wollte er mit der Axt erschlagen.
Es dauerte auch nicht lange, bis ein einzelner junger Franzose erschien.
Der Krämer stellte sich mit seiner Holzaxt auf die Lauer. Kaum hatte der junge
Soldat arglos die Ladentür geschlossen, da brach er unter einem furchtbaren Schlag
zusammen. Ein neuer Streich sauste erbarmungslos nieder, und das tödliche
Werk war vollbracht.
Bald setzte ein fieberhaftes Suchen nach dem Vermissten ein. Schnell
steckte der Mörder die Leiche samt Spaten in einen Sack, warf ihn über die Schultern und eilte schwer keuchend mit seiner unheimlichen Last in das Dunkel der
Nacht. Wie von Furien gejagt, ging es auf Schleichwegen ins freie Gelände. Doch
nirgends fand er Rast und Ruhe, überall tönten Lärm und Waffengetöse. In seiner
Fantasie sah der Flüchtling schon die Schatten der Soldaten, die sich rächend an
seine Fersen hefteten.
Endlich erreichte er auf Umwegen Memlos und glaubte, für seine Totengräberarbeit den rechten Ort gefunden zu haben. Schon hatte er den Spaten
zitternd angesetzt, als wieder in der Nähe Stimmen laut wurden und ein Geklirr von Waffen an sein Ohr drang. Wie ein gehetztes Wild, den kalten Todesschweiß auf der Stirn, rannte der Täter ins ungewisse Dunkel der Nacht, bis ihn
tiefe Stille und Einsamkeit umfing. Er erreichte mit schlotternden Knien einen
weichen Wiesengrund am „Motzhauk“ bei Memlos, in dessen Nähe eine
Quelle entsprang. Da machte der Mörder endlich halt und bettete reuig unter
stillem Gebet den Leichnam in die kühle Erde.
Seit der Zeit nennt man die Quelle das „Franzosenbörnle“.
28. Die Geisterkutsche
Vor langer Zeit lebte in Ried ein junges Mädchen, das sich durch seine
Schönheit und ein sittsames Leben auszeichnete. Von diesem hörte der junge
Herr von Weyhers und entbrannte, als er es gesehen und gesprochen hatte, in
heftiger Liebe. Der Junker erschien von da an fast täglich in der ärmlichen Hütte
der Jungfrau und sprach in den süßesten Worten von seiner Liebe zu ihr. Je
leidenschaftlicher aber der von Weyhers wurde, desto mehr hielt sich die Jungfrau von ihm zurück.
Als der Junker nach längerer Zeit endlich einsah, dass er so nicht ans Ziel
seiner Wünsche gelangen konnte, gelobte er ihr, sie zu ehelichen und sie in
sein Schloss als Freifrau von Weyhers heimzuführen. Nun gestand ihm das Mädchen unter heißen Küssen seine Liebe. Die Reue blieb aber nicht aus. Denn als der
Junker sein Ziel erreicht hatte, vergaß er bald die Unglückliche und erinnerte sich
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Gespenst in der Grünen Delle unruhig hin und her irren. Und das muss sie auch
bis auf den heutigen Tag noch tun.
24. Der Schatz im Feld
Einst hatte sich ein Mann von Treischfeld, der in Oberufhausen bei Verwandten zu Besuch gewesen war, bei der Heimkehr verspätet. Nun schritt er
eiligst in der Nacht nach Hause. Da sah er plötzlich auf dem Spielberg, einem
Hügel bei Soisdorf, ein Feuer. Beherzt, wie er war, ging der Mann auf das Feuer zu
und entdeckte dort eine Gestalt mit glühenden Augen und pechschwarzen Haaren. Seinen derben, knorrigen Eichenstock fester packend, fragte der nächtliche Wanderer den unheimlichen Gesellen, was er da tue und warum er mitten auf dem
Feld ein Feuer angezündet habe.
Der Unheimliche hatte gar keine Furcht erregende Stimme. Mit bittenden Augen sah er den Wanderer an und erzählte ihm sein Leid. „Ich muss hier
liegen und einen Schatz hüten. Ich darf erst dann weiterziehen und bin erlöst,
wenn der Schatz gehoben wird. Es müssen aber vier Männer sein, die Johannes
heißen, und keiner darf dabei ein Wort sprechen."
Der Bauer schmunzelte in sich hinein und freute sich, endlich das Geheimnis des vergrabenen Schatzes erfahren zu haben. Da man am Tag noch
nie eine Feuerstelle auf dem Acker gesehen hatte, fürchtete er, am nächsten
Morgen den Platz nicht mehr zu finden. Deshalb trat er mit seinem Stiefel ein
paar Mal fest in den Boden und ging vergnügt heimwärts. Unterwegs suchte er sich
in Gedanken die vier Johannes zusammen. Das war leicht. Er selber hieß so, dazu
sein Ältester, dann sein Knecht und sein Schwager. Noch am selben Abend holte
er die drei zusammen und weihte sie in sein Geheimnis ein. Sie beschlossen
sogleich, früh am anderen Morgen loszuziehen und den Schatz zu heben.
Unterwegs begegnete ihnen niemand, darum brauchten sie keine Sorge zu
haben, dass ihnen ein Wort entschlüpfte. Sie fanden den Platz, sahen die Stiefelabdrücke und waren sich ihrer Sache sicher. Von der Feuerstelle aber war keine
Spur zu sehen. Eifrig fingen sie an zu graben, keiner ließ ein Wort verlauten. Endlich stießen sie nach langer, harter Arbeit auf etwas Festes. Es klang dumpf unter
den Schlägen. Noch eifriger wühlten sie, und wirklich fanden sie einen Kessel, der
bis oben hin mit den schönsten Goldstücken gefüllt war. Fast hätten sie ein
Freudengeschrei angestimmt, aber sie wussten, was dann geschah. So taten sie
weiter stillschweigend ihre Arbeit.
Es galt nun, den Schatz aus dem tiefen Loch an die Oberfläche zu heben.
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Sagenhafte Rhön
Mit übermenschlicher Kraft zerrten und hoben sie. Doch nur ganz langsam konnten sie den schweren Kessel bewegen. Endlich, nach stundenlangem Mühen und
Arbeiten, waren sie so weit, schwer schnaufend und schweißtriefend. Es war
nur noch eine letzte Kraftanstrengung nötig. Da rutschte der Bauer aus, dem
das Geheimnis verraten worden war. Er fiel rückwärts hin, und seinen Händen
entglitt der Kessel. Der Schreck fuhr ihm in die Knochen, als er den Kessel sich
neigen sah. In größter
Angst schrie er: „Hannes, pack zu!"
Kaum aber war
das Wort verklungen,
war auch schon der Kessel verschwunden. Verdutzt und entgeistert
schauten sich die Schatzgräber an. Die Grube
war leer, und von dem
Schatz war nichts zu
entdecken. Nur ganz
weit entfernt hörten
sie ein lautes Auflachen. Nun wussten sie, dass sie umsonst geschafft und gewühlt hatten.
25. Die Kapelle auf dem Bettelstein
Im 30-jährigen Krieg wurde ein Tillyscher Reiter von schwedischen Soldaten verfolgt und floh von Sargenzell in Richtung Hünfeld. Plötzlich stand er vor
einem jähen Abgrund und sah sich in größter Gefahr. In seiner Angst gelobte er,
am Abhang eine Kapelle erbauen zu lassen, wenn er die steile Felswand unversehrt hinunter käme. Im letzten Augenblick gab er dem Pferd die Sporen und
setzte mit einem gewaltigen Sprung den Berg hinab bis über die Haune. Pferd
und Reiter kamen glücklich im Tal an.
Der Mann hielt sein Versprechen. Südwestlich von Hünfeld ließ er über
der Haune in der steilen Felswand, die Bettelstein genannt wird, ein Kapellchen
erbauen. In dessen Inneren befindet sich ein kleiner Altar mit einem aus Holz
geschnitzten Muttergottesbild.
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Ritter, Geister, Teufel
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(Ebersburg und Eichenzell)
26. Der Eber
Schon vor dem 11. Jahrhundert stand auf dem Ebersberg
eine Fliehburg. Beim Anrücken
der räuberischen Ungarn im Jahre 915 verteidigten sich die Insassen wohl tapfer, doch sank ihnen
angesichts der großen Zahl der
Feinde bald der Mut.
Da verfiel der Burgherr
auf eine List, um die Belagerer zu
täuschen und ihnen die Sinnlosigkeit ihres Vorhabens vor Augen zu führen. Täglich ließ er sein einziges Schwein,
einen klapperdürrer Eber, fesseln, als solle er zur Schlachtbank geführt werden.
Das Tier stieß bei der sich wiederholenden Prozedur ein mörderisches Gequieke
aus, dass es weit über Berg und Tal schallte. Da sagten die Klügsten unter den
Ungarn: „Wenn die in der Burg da drinnen sich den unerhörten Luxus leisten können, täglich ein fettes Schwein zu schlachten, dann wollen wir diese unnütze Belagerung aufheben!"
Eines Morgens war zur hellen Freude der Bedrohten die Umgebung
feindfrei. Nach dem Vorfall bei der Belagerung durch die Ungarn aber erhielt der
Berg seinen heutigen Namen „Ebersberg“.
27. Das Franzosenbörnle
Es war in der Zeit, als die Franzosen nach der Schlacht von Leipzig auch die
Umgebung von Fulda und die seitlich der großen Heeresstraße gelegenen Siedlungen schwer heimsuchten. In Welkers und Lütter gab es laute Klagen über die
Soldaten. Freche Diebstähle und Räubereien waren an der Tagesordnung.
Einem kleinen Krämerladen in Lütter spielten die fremden Uniformierten
besonders schlimm mit. So stand der Besitzer mit finsterer Miene in seinem ausgeplünderten Laden und wusste sich keinen Rat. Was hatte er noch zu verlieren? Der
Hass gegen die Fremden brannte in seinem Herzen, und er beschloss, sich nicht
mehr wehrlos ausplündern zu lassen. Jeden Feind, der sich seinem Haus näherte,

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