Auftragsvergabe im kommunalen Bereich

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Auftragsvergabe im kommunalen Bereich
Gutachtlicher Leitfaden
für die Auftragsvergabe der öffentlichen Hand
mit Hinweisen für den kommunalen Bereich
Az. I 1 10.03.02.02
Potsdam, 14. Mai 2008
Inhaltsverzeichnis
Seite
1
Vorbemerkungen ......................................................................................................4
2
Feststellung von Vergabeverstößen durch den Landesrechnungshof
(LRH)..........................................................................................................................5
3
Übersicht über die rechtlichen Grundlagen...........................................................6
3.1
Überblick ....................................................................................................................6
3.2
Schwellenwerte ..........................................................................................................7
3.3
Verfahren oberhalb der Schwellenwerte ....................................................................8
3.4
Verfahren unterhalb der Schwellenwerte ...................................................................9
4
Vergabearten ..........................................................................................................11
4.1
Offenes Verfahren ....................................................................................................11
4.2
Nichtoffenes Verfahren.............................................................................................11
4.3
Verhandlungsverfahren ............................................................................................12
4.4
Wettbewerblicher Dialog ..........................................................................................12
4.5
Hierarchie der Vergabeverfahren .............................................................................12
5
Verfahrensschritte eines Vergabeverfahrens ......................................................13
6
Besonderheiten im kommunalen Vergabeverfahren ..........................................18
7
Zusammenstellung einzelner Empfehlungen des LRH für eine
ordnungsgemäße Auftragsvergabe......................................................................22
8
Weitere Arbeitshilfen .............................................................................................23
2
Abkürzungsverzeichnis
BbgVerf
Brandenburgische Verfassung
BbgMFG
Gesetz zur Förderung des Mittelstandes im Land Brandenburg
(Brandenburgisches Mittelstandsförderungsgesetz)
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BVerfG
Bundesverfassungsgericht
BvR
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts
EStG
Einkommensteuergesetz
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
GemHVO
Gemeindehaushaltsverordnung des Landes Brandenburg
GG
Grundgesetz
GKG
Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg
GO
Gemeindeordnung des Landes Brandenburg
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
HOAI
Honorarordnung für Architekten und Ingenieure
LHO
Landeshaushaltsordnung
LKrO
Landkreisordnung für das Land Brandenburg
LRH
Landesrechnungshof Brandenburg
MI
Ministerium des Innern des Landes Brandenburg
MW
Ministerium für Wirtschaft des Landes Brandenburg
OLG
Oberlandesgericht
VgRÄG
Gesetz zur Änderung der Rechtsgrundlagen für die Vergabe
öffentlicher Aufträge (Vergaberechtsänderungsgesetz)
VgV
Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge
(Vergabeverordnung)
VOB/A
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A
(Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Bauleistungen)
VOB/B
Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil B (Allgemeine
Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen)
VOL/A
Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A (Allgemeine Bestimmungen
für die Vergabe von Leistungen)
VOL/B
Verdingungsordnung für Leistungen, Teil B (Allgemeine
Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen)
VOF
Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen
VV
Verwaltungsvorschriften
3
1
Vorbemerkungen
Der Vorsitzende des Ausschusses für Inneres des Landtages Brandenburg bat den
Landesrechnungshof Brandenburg (LRH) mit Schreiben vom 19. Dezember 2007 um
einen gutachtlichen Leitfaden, wie eine ordnungsgemäße, nicht zu beanstandende
Auftragsvergabe im kommunalen Bereich Schritt für Schritt abgewickelt werden sollte.
Anlass waren die aus Presseberichten vom 12. / 13. Dezember 2007 bekannt gewordenen Unregelmäßigkeiten bei der kommunalen Auftragsvergabe. Diese Berichte ließen befürchten, dass vielerorts vergaberechtliche Bestimmungen unter besonderer
Berücksichtigung des § 9 der Gemeindehaushaltsverordnung (GemHV) und der einschlägigen kommunalrechtlichen Vorschriften, insbesondere § 35 Abs. 2 Nr. 19 der
Gemeindeordnung (GO), nicht beachtet würden.
Die kommunale Vergabepraxis geriet bereits seit Mitte des Jahres 2005 immer stärker in das Blickfeld der Europäischen Kommission. Mindestens fünfzig EUVertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen Verstößen gegen vergaberechtliche Bestimmungen im Bereich der Abfall- und Wasserwirtschaft, Gasversorgung und Elektrizität lagen lt. Presseberichten vor.
Ziel einer ordnungsgemäßen, nicht zu beanstandenden Auftragsvergabe ist die Gewährleistung eines transparenten, diskriminierungsfreien und effizienten Verfahrens.
Ein transparentes Verfahren dient vor allem der Vermeidung und Bekämpfung von
Korruption und Vetternwirtschaft; ein diskriminierungsfreies Verfahren verlangt die
Gleichbehandlung aller Bieter, verbietet die Berücksichtigung sachwidriger Vergabekriterien und gewährleistet so einen fairen Wettbewerb; ein effektives Vergabeverfahren
führt
zu
wirtschaftlichen
Vertragsabschlüssen
und
vermeidet
unnötige
Verfahrenskosten. In erster Linie bezweckt das kommunale Vergaberecht somit, die
Wirtschaftlichkeit der kommunalen Haushaltsführung bei der Beschaffung von Gütern
und Leistungen zu gewährleisten.
Mit dem Gebot eines transparenten und diskriminierungsfreien Vergabeverfahrens
wird deutlich gemacht, dass es sich hierbei um für alle Vergaben geltende grundlegende Prinzipien handelt, die bei der Auslegung und Anwendung der vergaberechtlichen Regelungen zu beachten sind. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in
seiner Entscheidung vom 13. Juni 2006 (1 BvR 1160/03, Rn 64 f.) klargestellt, dass
der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG staatliche Stellen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bindet. Jeder Mitbewerber muss eine faire Chance erhalten, nach
4
Maßgabe der für den spezifischen Auftrag wesentlichen Kriterien und des vorgesehenen Verfahrens berücksichtigt zu werden.
Der LRH gibt zunächst einen Überblick, welche grundsätzlichen Vergabeverstöße er
bei seinen Prüfungen festgestellt hat (Tz. 2).
Danach stellt er die wichtigsten Rechtsgrundlagen des Vergaberechts und der
Schwellenwerte dar (Tz. 3).
Unter Berücksichtigung der unter Tz. 2 festgestellten Vergabeverstöße werden die
unterschiedlichen Arten der Vergabe (Tz. 4) und
die einzelnen Verfahrensschritte eines Vergabeverfahrens erläutert (Tz. 5).
Ferner werden Besonderheiten im kommunalen Bereich dargestellt. In diesem Zusammenhang werden in einem Exkurs auch die o.g. kommunalrechtlichen Bestimmungen gesondert behandelt (Tz. 6).
Anschließend sind einzelne Empfehlungen des LRH für eine ordnungsgemäße Auftragsvergabe zusammengestellt (Tz. 7). Schließlich erfolgt ein Hinweis auf weitere
Arbeitshilfen (Tz. 8).
2
Feststellung von Vergabeverstößen durch den Landesrechnungshof (LRH)
Der LRH hat bei seinen Prüfungen wiederholt festgestellt, dass kommunale und andere Gebietskörperschaften gegen geltende Vergabevorschriften verstoßen. Beispielhaft sind folgende Verstöße zu nennen:
•
unvollständige, fehlerhafte oder nicht eindeutige Leistungsbeschreibungen,
Verstöße gegen das Gebot der produktneutralen Ausschreibung,
•
Wahl der falschen Vergabeart, z. B. Durchführung einer freihändigen Vergabe
oder einer beschränkten Ausschreibung ohne Vorliegen der Voraussetzungen
nach § 3 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen, Teil A
(VOB/A) bzw. der Verdingungsordnung für Leistungen, Teil A (VOL/A),
•
ungenügende Prüfung der Eignung, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit
von Bietern vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe bei freihändiger Vergabe und beschränkter Ausschreibung,
5
•
Verzicht auf eine losweise Vergabe ohne Darlegung der technischen und wirtschaftlichen Gründe (§ 4 VOB/A),
•
Wertung von Angeboten ohne Berücksichtigung von Ausschlusskriterien,
Preisverhandlungen mit Bietern nach der Eröffnung der Angebote, Zuschlagserteilung nicht auf das wirtschaftlichste (nicht das billigste) Angebot,
•
Zuschlagserteilung unter vergabefremden Aspekten (z. B. Bevorzugung ortsansässiger Bieter),
•
Dokumentationsmängel (z. B. unvollständiger Vergabevermerk, unvollständige Niederschrift über den Eröffnungstermin, fehlende Kennzeichnung der Angebote im Eröffnungstermin),
•
mangelhafte Gestaltung der Bau- und/oder Lieferverträge (z. B. bei Sicherheitsleistungen, Abrechnungsverfahren bei Mengenänderungen, Durchsetzung von Vertragsstrafen),
•
Abschluss von Pauschalverträgen ohne Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 5 VOB/A,
•
Interessenkollision bei der Auftragsvergabe (z. B. persönliche Verflechtung
zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer),
•
erheblicher Anteil an Nachträgen (Ursachen: Planungsmängel, unvollständige
und fehlerhafte Leistungsbeschreibung, unzureichender Planungsstand zum
Zeitpunkt der Ausschreibung, unzureichende und nachträgliche Nutzerforderungen, Zusatzleistungen), fehlende Prüfung der Angemessenheit der Kosten
bei Nachtragsleistungen.
3
Übersicht über die rechtlichen Grundlagen
3.1
Überblick
Die wichtigsten Rechtsgrundlagen für die Vergabe von Bau-, Liefer- und Dienstleistungsaufträgen gestalten sich im Überblick wie folgt:
6
Richtlinien der EU (2004/17/EG und 2004/18/EG)
Verordnung der Europäischen Union Nr. 1422/2007
Vergabeverordnung (VgV)
Vergabe- und Vertragsordnung für
Bauleistungen
VOB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB)
Verdingungsordnung
für Leistungen
VOL
Verdingungsordnung
für freiberufliche
Leistungen
VOF
Bewerber und Bieter haben einen Anspruch auf Einhaltung der Vergabevorschriften
(§ 97 Abs. 7 GWB – subjektives Recht). Sie können in einem besonderen Verfahren
die ordnungsgemäße Einhaltung der Vergabevorschriften überprüfen lassen. Ein einklagbarer Rechtsschutz ist nur bei Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte
gemäß der Entscheidung des BVerfG vom 13. Juni 2006 (1 BvR 1160/03, Rn 64 f.)
gegeben (Umkehrschluss aus § 100 GWB).
3.2
Schwellenwerte
Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) regelt in seinem Vierten Teil
die Vergabe öffentlicher Aufträge bei Auftragswerten (ohne Umsatzsteuer), welche
die Schwellenwerte erreichen oder überschreiten (§ 100 Abs. 1 GWB).
Für europaweite Vergabeverfahren gelten seit dem 1. Januar 2008 neue Schwellenwerte. Sie ergeben sich aus § 2 Vergabeverordnung (VgV) i. V. m. der Verordnung
1422/2007 der Europäischen Union (EU) vom 4. Dezember 2007, die unmittelbar in
Deutschland gilt.
7
Auftragsinhalt
Auftragswert (ohne Umsatzsteuer)
Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Bereich der
Trinkwasser- oder Energieversorgung oder im
Verkehrsbereich
412.000 €
(Vergabeverfahren für Sektorenauftraggeber)
Liefer- und Dienstleistungsaufträge zentralstaatlicher Stellen (nicht kommunal)
133.000 €
alle anderen Liefer- und Dienstleistungsaufträge
der öffentlichen Auftraggeber
206.000 €
(Vergabeverfahren nach VOL und VOF)
Lose von Dienstleistungsaufträgen außerhalb des
Bereichs der Trinkwasser- oder Energieversorgung
und des Verkehrsbereichs
80.000 € oder
Auslobungsverfahren, die zu einem Dienstleistungsauftrag führen sollen
dessen Schwellenwert
übrige Auslobungsverfahren
der Wert, der bei Dienstleistungsaufträgen gilt (412.000 € bzw. 206.000 €)
Bauaufträge
5.150.000 €
bei Losen unterhalb 80.000 € ist der Auftrag beginnend ab 20 v. H. des geschätzten Gesamtauftragswerts aller Lose
europaweit zu vergeben
(des Dienstleistungsauftrags)
(Vergabeverfahren nach der VOB)
Lose von Bauaufträgen
1.000.000 € oder
bei Losen unterhalb 1.000.000 € ist der
Auftrag beginnend ab 20 v. H. des geschätzten Gesamtauftragswerts aller Lose europaweit zu vergeben
Öffentliche Auftraggeber i. S .d. GWB sind insbesondere Gebietskörperschaften und
andere juristische Personen des öffentlichen Rechts, die zu dem besonderen Zweck
gegründet wurden, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art
zu erfüllen.
3.3
Verfahren oberhalb der Schwellenwerte
Für nationale Verfahren ab Erreichen der Schwellenwerte sind Teil A Abschnitt 2 der
VOB bzw. VOL (Basisparagraphen mit zusätzlichen Bestimmungen für EU-Verfahren)
anzuwenden; gehört der Auftraggeber zu den sog. „ausgenommenen SektorenAuftraggebern“, sind die Abschnitte 3 und 4 einschlägig.
Die VOF findet Anwendung auf die Vergabe von Leistungen, die im Rahmen einer
freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden, vollumfänglich ab Erreichen des Schwellenwertes von 206.000 Euro.
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Sie sieht das Verhandlungsverfahren, das Verfahren für Wettbewerbe und Planungswettbewerbe vor. Wettbewerbe sind Auslobungsverfahren, die dazu dienen,
dem Auftraggeber einen Plan oder eine Planung zu verschaffen.
Im Gegensatz zu Verfahren nach der VOB/A bzw. VOL/A sind in Vergabeverfahren
nach der VOF Verhandlungsverfahren und Wettbewerbe keine Preis-, sondern reine
Leistungswettbewerbe. Geltendes Honorarrecht (z. B. Honorarordnung für Architekten und Ingenieure - HOAI) ist zu beachten. Der Wettbewerb darf nicht dazu missbraucht werden, Preise zu erzielen, die gegen geltendes Honorarrecht verstoßen.
Freiberufliche Dienstleistungen sind nach der VOL/A zu vergeben, wenn sie eindeutig
und erschöpfend beschreibbar sind (z. B. Leistungen der Abschlussprüfer).
Zu den Leistungen der Freien Berufen gehören:
•
die Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, beratender Volks- und Betriebswirte, vereidigter Buchprüfer, PR-Berater und ähnlicher Berufe, sowie
•
die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, künstlerische, unterrichtende
oder erzieherische Tätigkeit.
Diese Aufzählung ist nicht abschließend; zur Definition der freiberuflichen Tätigkeit
verweist die VOL/A auf § 18 Einkommensteuergesetz (EStG).
3.4
Verfahren unterhalb der Schwellenwerte
Für nationale Verfahren unterhalb der Schwellenwerte ist Teil A Abschnitt 1 der VOB
bzw. VOL anzuwenden (Basis-Paragraphen). Auch unterhalb der Schwellenwerte
sind die allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, insbesondere das Diskriminierungsverbot und das Transparenzgebot, zu beachten, sofern es sich um eine
binnenmarktrelevante Auftragsvergabe handelt. Darüber hinaus gelten verfassungsrechtliche Vorgaben wie der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 12 Abs. 1 der Brandenburgischen Verfassung (BbgVerf).
Daneben regeln landesrechtliche Vorschriften das öffentliche Auftragswesen. Das
sind insbesondere:
•
die Gemeindeordnung (GO),
9
•
die Landkreisordnung (LKrO),
•
das Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit (GKG),
•
die Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO)
•
die Landeshaushaltsordnung (LHO) sowie
•
das brandenburgische Mittelstandsförderungsgesetz (BbgMFG).
Für den kommunalen Bereich ist insbesondere § 25 a GemHVO zu beachten, der die
Vergabe öffentlicher Aufträge in den kommunalen Gebietskörperschaften regelt und
sich stark an die VV zu § 55 LHO anlehnt.
Danach sind öffentliche Aufträge in einem transparenten und diskriminierungsfreien
Verfahren zu vergeben. Dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen muss eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des
Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen.
Verträge über Bauleistungen sind nach den Vorschriften der §§ 1 bis 30 des ersten
Abschnitts der VOB/A zu schließen. Dies gilt bis zum 31. März 2010 mit der Maßgabe, dass eine beschränkte Ausschreibung auch zulässig ist, wenn der Auftragswert
(einschließlich Umsatzsteuer) 206.000 Euro nicht überschreitet, und eine freihändige
Vergabe zulässig ist, wenn der Auftragswert (einschließlich Umsatzsteuer) 20.000
Euro nicht überschreitet (§ 25 a Abs. 2 GemHVO).
Verträge über Lieferungen und gewerbliche Dienstleistungen sind nach den Vorschriften des ersten Abschnitts der VOL/A zu schließen. Dies gilt bis zum 31. März
2010 mit der Maßgabe, dass eine freihändige Vergabe auch zulässig ist, wenn der
Auftragswert (einschließlich Umsatzsteuer) 20.000 Euro nicht überschreitet (§ 25 a
Abs. 3 GemHVO). Weiterhin ist geregelt, dass bei Aufträgen bis 500 Euro (incl. Umsatzsteuer) auf einen Vergabevermerk verzichtet werden kann (§ 25 a Abs. 4 GemHVO). Schließlich dürfen öffentliche Aufträge nicht allein zu dem Zweck aufgeteilt
werden, eine öffentliche oder beschränkte Ausschreibung zu umgehen (§ 25 a Abs. 5
GemHVO).
Nach § 55 LHO muss dem Abschluss von Verträgen über Lieferungen und Leistungen eine öffentliche Ausschreibung vorausgehen, sofern nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Zusätzlich sind die
VV zu § 55 zu beachten.
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Eine weitere wichtige Vorschrift ist § 5 BbgMFG, der die Beteiligung an öffentlichen
Aufträgen regelt. Danach sollen öffentliche Auftraggeber wirtschaftliche Leistungen,
die von privaten Unternehmen zweckmäßig, ordnungsgemäß und kostengünstig ausgeführt werden können, soweit wie möglich an solche vergeben. Am Verfahren zur
Vergabe und Weitervergabe öffentlicher Aufträge sind unter Beachtung der VOB bzw.
der VOL kleine und mittlere Unternehmen angemessen zu beteiligen (§ 5 Abs.1 und
2 BbgMFG).
4
Vergabearten
Die VOB/A und die VOL/A sehen im Wesentlichen drei unterschiedliche Verfahrensarten vor. Je nachdem, ob es sich um Verfahren ab den Schwellenwerten (europaweite Verfahren) oder unterhalb der Schwellenwerte (nationale Verfahren) handelt,
werden sie unterschiedlich bezeichnet. Inhaltlich stimmen sie jedoch in wesentlichen
Teilen überein. Der öffentlichen Ausschreibung in nationalen Vergabeverfahren entspricht bei europaweiten Vergaben das offene Verfahren, die beschränkte Ausschreibung gleicht dem nichtoffenen Verfahren und die freihändige Vergabe dem
Verhandlungsverfahren.
4.1
Offenes Verfahren
Bei einem offenen Verfahren bzw. einer öffentlichen Ausschreibung wird eine unbeschränkte Anzahl von Bietern durch öffentliche Bekanntmachung zur Abgabe von
Angeboten aufgefordert. Der Bewerberkreis wird nicht eingeengt, so dass alle interessierten Unternehmen die Möglichkeit haben, ein Angebot einzureichen. Dieses ist
das Regelverfahren, das durch strenge Form- und Fristvorschriften gekennzeichnet
ist.
4.2
Nichtoffenes Verfahren
Das nichtoffene Verfahren bzw. eine beschränkte Ausschreibung unterhalb der
Schwellenwerte ist nur zulässig, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Nr. 3
VOB/A bzw. des § 3 Nr. 3 VOL/A erfüllt sind. Oberhalb der Schwellenwerte ist das
Verfahren nur unter Beachtung der §§ 3 a VOB/A bzw. 3 a VOL/A zulässig.
Bei dieser Verfahrensart dürfen nur die Bieter ein Angebot abgeben, die der Auftraggeber hierzu auffordert (begrenzter Bewerberkreis). Dem nichtoffenen Verfahren ist
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dabei ein "öffentlicher Teilnahmewettbewerb" zwingend vorgeschaltet, d. h., Unternehmen werden öffentlich aufgefordert, einen Antrag auf Teilnahme am nichtoffenen
Verfahren zu stellen. Bei der beschränkten Ausschreibung wird nur unter bestimmten
Voraussetzungen ein Teilnahmewettbewerb vorangestellt. Auch für diese Verfahren
gelten zwingende Formvorschriften.
4.3
Verhandlungsverfahren
Das Verhandlungsverfahren bzw. die freihändige Vergabe unterhalb der Schwellenwerte ist nur zulässig, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Nr. 4 VOB/A
bzw. des § 3 Nr. 4 VOL/A erfüllt sind. Oberhalb der Schwellenwerte ist das Verfahren
nur unter Beachtung der §§ 3 a VOB/A bzw. 3 a VOL/A zulässig.
Bei diesem nicht förmlichen Verfahren fordert der Auftraggeber in der Regel mindestens drei Bewerber zur Angebotsabgabe auf. Beim Verhandlungsverfahren ist in der
Regel ein öffentlicher Teilnahmewettbewerb vorangestellt, beim nationalen VOLVerfahren kann dies zur Markterkundung zweckmäßig sein.
4.4
Wettbewerblicher Dialog
Bei der Vergabe besonders komplexer Aufträge, deren Auftragswerte die Schwellenwerte überschreiten, sieht § 101 GWB die Vergabe im Rahmen eines wettbewerblichen Dialogs vor. Der Dialog enthält Elemente des nichtoffenen Verfahrens und des
Verhandlungsverfahrens.
4.5
Hierarchie der Vergabeverfahren
Es ist dem öffentlichen Auftraggeber nicht gestattet, frei zu entscheiden, welches der
vorgenannten Vergabeverfahren zur Anwendung kommt. Es gilt der Grundsatz der
Hierarchie der Vergabeverfahren. Danach ist grundsätzlich im offenen Verfahren
bzw. öffentlich auszuschreiben. Das nichtoffene Verfahren bzw. die beschränkte Ausschreibung haben Vorrang vor dem Verhandlungsverfahren bzw. der freihändigen
Vergabe. Die Rangfolge dient dazu, einen möglichst breiten Wettbewerb zu fördern
und ein transparentes Verfahren zu schaffen. Die Voraussetzungen für das nichtoffene Verfahren bzw. die beschränkte Ausschreibung, das Verhandlungsverfahren bzw.
die freihändige Vergabe sind abschließend im § 3 der VOB bzw. VOL geregelt.
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5
Verfahrensschritte eines Vergabeverfahrens
Das Vergabeverfahren ist entsprechend den dargestellten Rechtsgrundlagen durchzuführen.
a) Vorbereitung und Zusammenstellen der Vergabeunterlagen
Die öffentliche Auftragsvergabe führt nur bei gründlicher Vorbereitung und Durchführung des Vergabeverfahrens zu wirtschaftlicheren Vergabeentscheidungen. Hierfür
ist eine sorgfältige Planung unumgänglich. Fehlen der Vergabestelle die notwendigen
fachlichen und technischen Voraussetzungen zur Durchführung des Verfahrens, bieten sich insbesondere für kleinere Kommunen die Einschaltung qualifizierter Planungsbüros und von Sachverständigen an. Das ist bei VOB-Aufträgen die Regel. Auf
die Beratungsaufgabe der Rechtsaufsichtsbehörden wird hingewiesen.
Gemäß § 16 VOB/A, § 16 VOL/A soll die Kommune erst dann ausschreiben, wenn
die Verdingungsunterlagen fertig gestellt sind und innerhalb der angegebenen Fristen
mit der Ausführung begonnen werden kann. Hieraus folgt, dass auch die Finanzierung des Vorhabens gesichert sein muss. Auch eine Ausschreibung nach der VOF
setzt eine gesicherte Finanzierung voraus.
b) Bekanntmachung
Vergaben im Bereich unterhalb der Schwellenwerte werden durch die kommunalen
Gebietskörperschaften gemäß den Regelungen in der Hauptsatzung ortsüblich bekannt gemacht. Die für Vergaben eingerichtete Veröffentlichungsplattform der Landesverwaltung http://vergabemarktplatz.brandenburg.de steht daneben auch der
mittelbaren Landesverwaltung, den Gemeinden und Gemeindeverbänden, deren Anstalten, Einrichtungen und Unternehmen in allen Nutzungsformen zu gleichen Bedingungen zur Verfügung.
c) Bekanntmachung europaweiter Ausschreibungen
Im Bereich oberhalb der Schwellenwerte sind Ausschreibungen vorrangig im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften zu veröffentlichen. Die weiteren Einzelheiten ergeben sich aus den Bekanntmachungsbestimmungen der
VOB/A, der VOL/A sowie der VOF.
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d) Leistungsbeschreibung
Voraussetzung für ein ordnungsgemäßes und effektives Vergabeverfahren ist eine
eindeutige Leistungsbeschreibung. Diese legt den späteren Vertragsinhalt fest und ist
Grundlage für die Bemessung der Vergütung, die Vergleichbarkeit, Prüfung und Wertung der Angebote. Alle Bewerber müssen die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen können.
Die Leistungsbeschreibung hat den Vorgaben des § 9 VOB/A i. V. m. der VOB/C und
des § 8 VOL/A zu entsprechen. Bei der Aufnahme weiterer auftragsbezogener Kriterien sind die Diskriminierungsbestimmungen des § 2 VOB/A und des § 2 VOL/A zu
beachten.
e) Öffnung der Angebote
Bei der Vergabe von Leistungen nach der VOB/A im Wege der Ausschreibung werden die Angebote im Rahmen eines Eröffnungstermins geöffnet, in dem die Bieter
und ihre Bevollmächtigten zugegen sein dürfen (§ 22 VOB/A). Die Öffnung sollte daher nicht in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung des Gemeinderats, sondern
durch ein nach den Vorgaben des § 22 VOB/A besetztes Eröffnungsgremium vorgenommen werden.
Bei der Vergabe von Leistungen nach der VOL/A ist die Teilnahme der Bieter und ihrer Bevollmächtigten allerdings nicht zugelassen (§ 22 VOL/A).
f) Kennzeichnungspflicht und Verwahrung
Die Kennzeichnung der Angebote soll einen ordnungsgemäßen und fairen Wettbewerb sicherstellen, die nachträgliche Manipulation der Angebote verhindern und eine
Überprüfung der Angebotsphase ermöglichen.
Bis zur Öffnung sind die Angebote gemäß § 22 Nr. 1 VOB/A bzw. § 22 Nr. 1 VOL/A,
§ 4 Abs. 8 VOF zum Zeitpunkt des Eingangs bei der Vergabestelle mit einem Eingangsvermerk zu kennzeichnen und bis zum Zeitpunkt der Öffnung ungeöffnet unter
Verschluss zu halten.
Bei der Öffnung sind die Angebote in allen wesentlichen Teilen gemäß § 22 Nr. 3
Abs. 2 VOB/A bzw. § 22 Nr. 3 Buchst. b VOL/A zu kennzeichnen.
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Die Kennzeichnung erfolgt üblicherweise durch Datierung und Lochung. Elektronische Angebote sind entweder auszudrucken und auf herkömmlichem Wege zu kennzeichnen oder durch entsprechende Kennzeichnungssoftware zu markieren, vgl. § 22
Nr. 1 VOB/A, § 22 Nr. 1 VOL/A, § 4 Abs. 8 VOF.
Die Vergabestellen haben die geöffneten Angebote und ihre Anlagen sorgfältig zu
verwahren und vertraulich zu behandeln. Kennzeichnung und Verwahrung bzw.
Speicherung obliegen ausschließlich einer am Vergabeverfahren nicht beteiligten
Person. Die Verletzung der Kennzeichnungspflicht stellt einen gravierenden Vergaberechtsverstoß dar, der bei entsprechender Beanstandung im Regelfall die Aufhebung
der Ausschreibung nach sich zieht.
g) Verhandlungen mit Bietern
Bei Ausschreibungen (öffentliche und beschränkte Ausschreibung bzw. offenes und
nichtoffenes Verfahren) darf nach Öffnung der Angebote gemäß § 24 Nr. 1 VOB/A
bzw. § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A mit Bietern nur zum Zwecke der Unterrichtung und Aufklärung verhandelt werden.
Bei freihändiger Vergabe bzw. im Verhandlungsverfahren und wettbewerblichen Dialog bestehen umfassende Verhandlungsmöglichkeiten. Allerdings sind auch hierbei
das Diskriminierungsverbot und der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten.
h) Vergabe nach Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit
Nach § 2 Nr. 1 VOB/A bzw. § 2 Nr. 3 VOL/A haben kommunale Auftraggeber Leistungen nach den Kriterien der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der
Bewerber (Eignung) zu angemessenen Preisen zu vergeben. Bei beschränkter Ausschreibung und freihändiger Vergabe mit öffentlichem Teilnahmewettbewerb ist die
Eignung vor der Aufforderung der Bewerber zur Angebotsabgabe zu prüfen. Für Bauleistungen ist dies in § 8 Nr. 4 VOB/A ausdrücklich niedergelegt.
Fachkundig ist ein Bewerber, der umfassende Kenntnisse auf dem speziellen Sachgebiet hat, mit dem der zu vergebende Auftrag in Zusammenhang steht.
Zuverlässig ist ein Bieter, der seinen gesetzlichen Verpflichtungen, auch zur Entrichtung von Steuern und Abgaben, nachgekommen ist und aufgrund der Erfüllung früherer
Verträge
(Referenzen)
eine
einwandfreie
Ausführung
einschließlich
Gewährleistung erwarten lässt. Bieter oder Bewerber, die nachweislich eine schwere
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Verfehlung begangen haben, die ihre Zuverlässigkeit als Vertragspartner in Frage
stellt, dürfen von der Teilnahme am Wettbewerb ausgeschlossen werden. Zur Prüfung der Zuverlässigkeit dürfen Auftraggeber von den Bietern oder Bewerbern entsprechende Bescheinigungen oder Erklärungen verlangen (§ 8 Nr. 5 VOB/A, § 7 Nr.
5 VOL/A). Als Zuverlässigkeitsnachweis dient insbesondere die Vorlage eines Gewerbezentralregisterauszugs.
Leistungsfähig ist ein Bieter, der von seiner Größe und Organisation her geeignet und
in der Lage ist, den zu vergebenden Auftrag ordnungsgemäß auszuführen. Hierfür
sind kaufmännische, technische, personelle und finanzielle Belange maßgeblich.
i)
Wertung der Angebote
Im Rahmen der Wertung der Angebote ist gemäß § 25 VOB/A bzw. § 25 VOL/A eine
vierstufige Prüfung vorzunehmen:
1. Stufe:
formale Angebotswertung
(Ausschluss von Angeboten unter den Bedingungen des § 25 Nr. 1
VOB/A bzw. 25 Abs. 1 VOL/A)
2. Stufe:
Eignungsprüfung
(erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit, Zuverlässigkeit, ausreichende technische und wirtschaftliche Mittel)
3. Stufe:
Prüfung der Angemessenheit der Preise
(kein Zuschlag auf unangemessen hohen oder niedrigen Preis)
4. Stufe:
Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots
(unter Berücksichtigung u.a. von Qualifikation, Preis, technischem Wert,
Ästhetik, Zweckmäßigkeit, Umwelteigenschaften, Betriebs- und Folgekosten, Rentabilität, Kundendienst)
Auf das ausgewählte wirtschaftlichste Angebot ist der Zuschlag zu erteilen. Dieses ist
anhand der vom Auftraggeber in der Bekanntmachung und/oder den Vergabeunterlagen angegebenen Zuschlagskriterien und ggf. deren Gewichtung auszuwählen.
j)
Aufhebung der Ausschreibung
Zwischen dem Ausschreibenden und dem Bieter wird spätestens mit der Anforderung
der Ausschreibungsunterlagen ein auf eine mögliche Auftragserteilung gerichtetes
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vorvertragliches Vertrauensverhältnis begründet, dessen Verletzung Ansprüche auf
Ersatz des Schadens auslöst, den der Bieter im Vertrauen auf die Durchführung des
Vergabeverfahrens erlitten hat (vgl. § 126 GWB, §§ 280, 311 BGB). Die Aufhebung
einer Ausschreibung begründet nur dann keine Ersatzansprüche, wenn sie durch einen der in § 26 VOB/A bzw. § 26 VOL/A genannten Gründe gerechtfertigt ist und die
Vergabestelle diesen Grund nicht zu vertreten hat.
Zudem ist die Aufhebung nach der aktuellen Rechtsprechung trotz ihrer das Verfahren beendenden Wirkung korrigierbar: Im Bereich oberhalb der Schwellenwerte können Bieter die Prüfung der Aufhebung einer Ausschreibung beantragen. Die
Vergabekammern sind ggf. zur Aufhebung einer ungerechtfertigten Aufhebung der
Ausschreibung berechtigt.
Im Bereich unterhalb der Schwellenwerte sind die Rechtsaufsichtsbehörden bzw.
Nachprüfungsbehörden ebenfalls befugt, die Aufhebung einer Ausschreibung zu korrigieren. Ein einklagbarer Rechtsschutz besteht für den Bereich unterhalb der
Schwellenwerte gemäß Urteil des BVerfG, Beschluss vom 13. Juni 2006 - 1 BvR
1160/03 -, jedoch nicht.
k) Sicherheitsleistung
Von der Möglichkeit zur vertraglichen Vereinbarung von Sicherheitsleistungen sollte
zur Vermeidung finanzieller Verluste der Kommune in angemessenem Umfang
Gebrauch gemacht werden. Sicherheitsleistungen sind nur zu fordern, wenn sie ausnahmsweise für die sach- und fristgemäße Durchführung der verlangten Leistung
notwendig erscheinen. Die Sicherheit soll nicht höher bemessen und ihre Rückgabe
nicht für einen späteren Zeitpunkt vorgesehen werden als nötig ist, um den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren. Sie soll fünf vom Hundert der Auftragssumme nicht
überschreiten.
Es wird empfohlen, bei Baumaßnahmen die Notwendigkeit einer Sicherheitsleistung
unter Berücksichtigung der finanziellen Leistungsfähigkeit des Auftraggebers und des
Risikos in jedem Einzelfall zu prüfen.
l)
Vergabevermerk
Über die Vergabe ist ein Vermerk nach Maßgabe der §§ 30 VOB/A bzw. 30, 30a
VOL/A, 18 VOF zu fertigen. Im Vergabevermerk sind die wichtigsten Entscheidungen
der Vergabestelle zu dokumentieren. Für die Überprüfung des Vergabeverfahrens
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stellt der Vergabevermerk daher den wichtigsten Anknüpfungspunkt dar. Nur ein aussagekräftiger Vergabevermerk genügt dem Transparenzgebot. Durch die im Vergabevermerk niederzulegende Begründung für die Entscheidungen können sich die
Vergabestelle und die Vergabebediensteten selbst überprüfen, rechtfertigen und ggf.
entlasten. Insbesondere bei freihändiger Vergabe von Aufträgen kommt der Dokumentation der Vergabeentscheidungen infolge der geringeren Transparenz des Verfahrens maßgebliche Bedeutung zu.
m) Rahmenvereinbarungen
Rahmenvereinbarungen sind gemäß § 3 Abs. 8 VgV Vereinbarungen des Auftraggebers mit einem oder mehreren Unternehmern, in der Bedingungen für die spätere
Vergabe bestimmter Einzelaufträge festgelegt werden, die im Laufe eines bestimmten Zeitraums vergeben werden sollen, insbesondere über den in Aussicht genommenen
Preis
und
gegebenenfalls
die
in
Aussicht
genommene
Menge.
Rahmenvereinbarungen dürfen nicht dazu missbraucht werden, den Wettbewerb einzuschränken. Der Vertragspartner für eine solche Rahmenvereinbarung ist daher im
Wettbewerb zu ermitteln.
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Besonderheiten im kommunalen Vergabeverfahren
a) Vergabe in öffentlicher Sitzung
Die Entscheidung über die Vergabe kommunaler Aufträge, die nicht den Geschäften
der laufenden Verwaltung zuzuordnen sind, ist der Gemeindevertretung vorbehalten,
soweit die Hauptsatzung keine abweichende Regelung trifft. Die Hauptsatzung enthält hierzu nähere Bestimmungen.
Über die Vergabe ist grundsätzlich in öffentlicher Sitzung zu beraten und zu beschließen. Die Vorschriften der Gemeindeordnung über die Öffentlichkeit von Gemeinderatssitzungen haben Vorrang gegenüber den Geheimhaltungsvorschriften der
Verdingungsordnungen. Die Angebote und ihre Anlagen sind daher nur in dem nachstehend aufgezeigten Umfang geheim zu halten.
Nichtöffentlich darf gemäß § 44 GO nur insoweit verhandelt werden, als es das
öffentliche Wohl oder berechtigte Interesse Einzelner erfordern. Maßstab ist insoweit,
ob die Sitzung Informationen zum Gegenstand hat, die den am Vergabeverfahren
Beteiligten zu verwehren sind. Dies ist der Fall, wenn vertrauliche betriebsinterne
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Fragen, Kalkulationsgrundlagen oder Bedenken gegen die Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit von Bietern erörtert werden, nicht dagegen bei der Bekanntgabe der Angebotssummen der einzelnen Bieter und bei der Beschlussfassung
über die Vergabe, gegebenenfalls nach vorangegangener Beratung in nichtöffentlicher Sitzung über die Einzelheiten der Angebote. Auf die einschränkenden Regelungen des § 27 VOL/A sowie des § 17 VOF wird hingewiesen. Soweit in der
öffentlichen Sitzung Fragen der genannten Art zur Sprache kommen, die nicht bereits
in der nichtöffentlichen Vorberatung geklärt wurden, muss gegebenenfalls die öffentliche Sitzung unterbrochen und in nichtöffentlicher Sitzung weiter verhandelt werden.
Um derartige Sitzungsunterbrechungen zu vermeiden, sollten solche Fragen bereits
in den nichtöffentlichen Sitzungen der vorberatenden Ausschüsse erörtert werden.
b) Ausschluss von der Mitwirkung am kommunalen Vergabeverfahren
Bei der Beratung und Beschlussfassung über die Auftragsvergabe sind die kommunalen Befangenheitsvorschriften zu beachten. Weitergehende und konkretere Anforderungen enthält § 16 VgV.
c) Gemeinsame Vergabe von Aufträgen durch mehrere Kommunen
Kommunen können sich zum Zwecke der Kosteneinsparung gemäß §§ 2 und 3 des
Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit im Land Brandenburg (GKG) zu
kommunalen Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen, um mittels einzuleitender
Gemeinschaftslösungen eine möglichst wirtschaftliche und zweckmäßige Erfüllung
der Aufgaben in einem größeren nachbarlichen Gebiet sicherzustellen. Dazu zählen
auch Ausschreibungen.
d) Mittelstandsförderung durch Losbildung
Gemäß § 5 Abs. 3 BbgMFG sind bei öffentlichen Aufträgen Leistungen, soweit es die
technischen und wirtschaftlichen Voraussetzungen zulassen, schon bei der Ausschreibung und bei der freihändigen Vergabe nach Menge oder Art so in Teillose zu
zerlegen, dass sich kleine und mittlere Unternehmen an der Angebotsabgabe beteiligen können. Durch die Streuung von Aufträgen sind kleine und mittlere Unternehmen
im Rahmen der bestehenden Vergabevorschriften in angemessenem Umfang zu berücksichtigen (siehe Tz. 2).
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Die Aufteilung eines Auftrags in Lose beeinflusst nicht die Vergabeart. Insbesondere
kann die Losbildung nicht zur Ermöglichung der freihändigen Vergabe genutzt werden, da für die zu wählende Vergabeart der Gesamtauftragswert maßgeblich ist.
e) Keine Bevorzugung lokaler Unternehmen
Eine Bevorzugung lokaler Unternehmen im Rahmen des Vergabeverfahrens ist nicht
zulässig. Insbesondere darf von den Bietern nicht verlangt werden, dass sie bereits
bei Angebotsabgabe am Leistungsort ihren Sitz oder eine Niederlassung haben. Allein die Kenntnis des regionalen Markts und die räumliche Nähe lokaler Unternehmen
zum Leistungsort bieten in einer Vielzahl von Vergabeverfahren bereits marktimmanente Vorteile im Wettbewerb um den zu vergebenden Auftrag gegenüber auswärtigen Bietern.
f) Kommunale Zusammenarbeit
Kooperationsvereinbarungen zwischen Kommunen können nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und der Europäischen Kommission (EUKommission) öffentliche Aufträge oder Konzessionen enthalten, die dem Binnenmarkt
nicht von vornherein entzogen werden dürfen, wenn es sich hierbei um eine marktfähige bzw. marktübliche Leistung handelt.
Die genaue Abgrenzung, wann die Übertragung einer Aufgabe im Rahmen kommunaler Zusammenarbeit eine nicht dem Vergaberecht unterfallende verwaltungsinterne
Organisationsentscheidung oder eine im Wege der Auftragsvergabe am Markt zu beschaffende Leistung darstellt, ist rechtlich noch nicht abschließend geklärt.
g) Bauträgerverträge
Der Erwerb von Grundstückseigentum durch die Kommune fällt im Grundsatz nicht
unter das Vergaberecht (§ 100 Abs. 2 lit. h GWB). Soweit mit dem Grundstückskauf
jedoch gemischtvertraglich die Erteilung eines Auftrags zur Erbringung von Bauleistungen durch den Verkäufer verbunden wird (Bauträgervertrag), kommen die vergaberechtlichen Bestimmungen zur Anwendung. Sobald die zu erbringende Bauleistung
neben dem Grundstückserwerb wirtschaftlich bedeutsam ist, handelt es sich vergaberechtlich um einen nach den allgemeinen Bestimmungen zu vergebenden Bauauftrag. Nur bei völlig untergeordneter Bedeutung der Bauleistung lässt sich ein solcher
Vertrag noch als bloßer Erwerb einstufen. Bei dem Umbau bestehender oder der Er-
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richtung neuer Gebäude auf dem zu erwerbenden Grundstück kann von einer solchen untergeordneten Bedeutung nicht gesprochen werden.
Exkurs: Einzelne kommunalrechtliche Bestimmungen
Im kommunalen Bereich sind insbesondere die Vorschriften der Gemeindeordnung
(GO), der Gemeindehaushaltsverordnung (GemHV) und der Landkreisordnung
(LkrO) zu beachten. Die besondere Bedeutung des § 25 a GemHV für die Vergabe
öffentlicher Aufträge wurde bereits unter Tz. 3.4 behandelt.
Grundsätzlich ist die Gemeindevertretung für alle Angelegenheiten der Gemeinde zuständig, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist (§ 35 Abs. 1 GO). Der eingangs erwähnte § 35 Abs. 2 Nr. 19 GO regelt beispielsweise die alleinige
Entscheidungsbefugnis der Gemeindevertretung beim Abschluss, der Änderung und
Aufhebung von Grundstücksgeschäften sowie anderen Vermögensgeschäften, es sei
denn, es handelt sich um ein Geschäft der laufenden Verwaltung oder der Wert des
Vermögensgegenstandes übersteigt einen in der Hauptsatzung bestimmten Betrag
nicht.
Der Begriff des „Geschäfts der laufenden Verwaltung“ zieht sich wie ein roter Faden
durch das Kommunalrecht und bedarf daher näherer Erläuterung (s. bereits Tz. 6 a).
Hierunter versteht man eine Routineangelegenheit bzw. Angelegenheit von geringer
finanzieller Bedeutung, die für die Kommune oder den Landkreis nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist und daher im Regelfall von der Verwaltung nach feststehenden
Regeln erledigt werden kann, ohne dass sich ein Kollegialorgan gesondert damit befassen muss. Es handelt sich um einen Sammelbegriff, unter den alle Aufgaben fallen, die nicht gesondert umschrieben und einem bestimmten Organ zugewiesen sind.
Auf die kommunalrechtliche Einordnung der Aufgabe kommt es nicht an. Beispiele
von der Gemeindeebene sind der Einkauf von Büromaterial, das Ausstellen von Personalausweisen oder der Erlass von Verwaltungsakten. Die finanzielle Bedeutung
hängt von der Finanzkraft und somit indirekt von der Größe bzw. der Einwohnerzahl
der jeweiligen Gebietskörperschaft ab. Regelmäßig wird hierfür eine Wertgrenze festgelegt. Die Gemeindevertretung kann sich darüber hinaus allerdings die Beschlussfassung über einzelne Geschäfte vorbehalten.
Der eingangs ebenfalls erwähnte § 9 GemHV legt Grundsätze für die Voraussetzungen bei Investitionen im kommunalen Bereich fest. Hierin wird gefordert, dass bei Investitionen, insbesondere die sich über mehrere Jahre erstrecken, neben dem
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veranschlagten Jahresbedarf die voraussichtlichen Ausgaben für die gesamte Maßnahme anzugeben sind. Wichtig ist zudem, dass die wirtschaftlichste Lösung zu ermitteln ist, bevor die Gemeinde Investitionen von erheblicher finanzieller Bedeutung
beschließt (§ 9 Abs. 2 GemHV). Schließlich dürfen Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen für Bauten und Instandsetzungen an Bauten erst veranschlagt werden,
wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, insbesondere Kostenermittlungen vorliegen. Ausnahmen hiervon sind nur bei Vorhaben von geringer finanzieller Bedeutung und bei Eintritt unabwendbarer Instandsetzungen zulässig (§ 9 Abs. 3 und 4
GemHV). Hervorzuheben ist, dass diese beiden Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen.
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Zusammenstellung einzelner Empfehlungen des LRH für eine ordnungsgemäße
Auftragsvergabe
Der LRH hat im Ergebnis seiner Prüfungen von Baumaßnahmen (Zuwendungsbaumaßnahmen, bei denen die Kommunen Maßnahmenträger und Zuwendungsempfänger waren) die öffentlichen Auftraggeber, insbesondere auch Kommunen, ausgehend
von den unter Tz. 2 beschriebenen Mängeln aufgefordert, ihr Verwaltungshandeln bei
der Ausschreibung, Vergabe und Abrechnung von Bauleistungen nach den geltenden
Vorschriften, insbesondere der VOB/A, auszurichten. Die nachfolgenden Empfehlungen berücksichtigen darüber hinaus bauvertragliche Probleme zwischen Arbeitgeber
und Arbeitnehmer nach VOB/B.
Der LRH empfahl beispielsweise Folgendes:
•
Vor der Bekanntmachung der Ausschreibung ist eine sachgerechte Begründung vorzulegen, warum bei beschränkten Ausschreibungen / freihändigen
Vergaben die Einschränkung des Wettbewerbs gerechtfertigt ist.
•
Bei größeren Mengenüberschreitungen (> 10 %) bedeutender Leistungspositionen sind mit dem Auftragnehmer Preisverhandlungen zu führen. In jedem
Fall ist die Möglichkeit der Herabsetzung der entsprechenden Einheitspreise
zu prüfen und das Ergebnis in den Bauakten zu vermerken.
•
Die Auftraggeber haben die Bauausgabe- und Bautagebücher ordnungsgemäß zu führen.
•
Die Abnahme der Vertrags- und Mängelbeseitigungsleistungen ist ordnungsgemäß durchzuführen und zu dokumentieren.
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•
Für erbrachte und zu vergütende Bauleistungen sind transparente, vollständige und prüffähige Nachweise vorzulegen.
•
Die Auftraggeber haben die Verdingungsunterlagen gründlich und umfassend
zu prüfen, um eine ordnungsgemäße Verfahrensweise und wirtschaftliche
Vergabe der Leistungen sicherzustellen. An die Qualität der Leistungsbeschreibungen sind aufgrund ihrer umfassenden Bedeutung und Verbindlichkeit hohe Anforderungen zu stellen.
•
Die Durchführung der Angebotseröffnung („Submission“) wird ordnungsgemäß erfolgen und dokumentiert.
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Weitere Arbeitshilfen
Das Ministerium des Innern überarbeitet gegenwärtig die vorliegenden vergaberechtlichen Rundschreiben an die untere Verwaltungsebene (Landkreise, Städte und Gemeinden) mit dem Ziel, kurzfristig die bisherigen Empfehlungen zusammenzufassen,
um eine einheitliche Verfahrensweise bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu gewährleisten. Eine Übersicht über die derzeit bestehenden Runderlasse ist beigefügt.
Der überarbeitete Runderlass soll – gemeinsam mit dem Vergabehandbuch des Ministeriums für Wirtschaft – die Grundlage der Vergabehandlungen in der unteren
Verwaltungsebene bilden.
Anlage
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