Alleinerziehende - Potenziale für Unternehmen
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Alleinerziehende - Potenziale für Unternehmen
Perspektiven für Alleinerziehende – Gute Arbeit für Alleinerziehende Alleinerziehende Potenziale für Unternehmen Ein Angebot der Netzwerk Lippe gGmbH in Kooperation mit dem Jobcenter Lippe Herausgegeben in Kooperation mit dem Netzwerk Wiedereinstieg in Lippe Die Dokumentation Unterstützung langzeitarbeitsloser lippischer Alleinerziehender Die Dokumentation Inhalt Vorwort 3 Alleinerziehende in Lippe 4 Interview mit Arbeitgeber Andreas Lindau 5 Das Projekt ULLA 6 Kooperationsprojekte Alleinerziehenden-Treff in Lage Seminarreihe für Alleinerziehende in Detmold 2 Stimmen aus dem Netzwerk Wiedereinstieg 10 Interview mit dem ULLA-Team 13 Beispiel einer erfolgreichen Vermittlung 16 Portrait einer ULLA-Teilnehmerin 18 Weitere Aussagen von Arbeitgebern und ULLA-Teilnehmerinnen 20 Ausblick 22 Vorwort Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser, Lösungen auf dem Arbeitsmarkt müssen für Unternehmen und Beschäftigte „passen“. Alleinerziehende gehören zu den Personengruppen, die es schwerer als andere haben. Männer und Frauen ohne Betreuungsaufgaben werden häufig bevorzugt eingestellt. So werden viele Chancen vertan, denn die Alleinerziehenden stellen nachweislich ein wertvolles Potenzial dar. Gemeinsam mit dem Jobcenter Lippe haben wir überlegt, wie eine Unterstützung für Alleinerziehende aussehen könnte bzw. welche Möglichkeiten es geben müsste, damit sie sich dem Arbeitsmarkt annähern oder sich in diesen integrieren können. Die Erfahrungen des Jobcenters mit Alleinerziehenden im SGB II waren eine wichtige Grundlage für unsere Projektentwicklung ULLA, die vom Jobcenter Lippe begleitet wurde. Dr. Wolfgang Sieber Bereichsleiter Arbeitsmarktintegration Netzwerk Lippe gGmbH In dieser Dokumentation wird aus der Perspektive von Unternehmen und Beschäftigten dargestellt, wie die Chancen genutzt werden können. Möglich wurde dies durch das Projekt „ULLA – Unterstützung langzeitarbeitsloser lippischer Alleinziehender“ im Rahmen des Programms „Gute Arbeit für Alleinerziehende“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Der langfristige Dialog mit den Unternehmen ist dabei ebenso wichtig wie der Aufbau von Vertrauensbeziehungen zu den Alleinerziehenden. Die konkrete Arbeit mit den Teilnehmenden und deren Vermittlung in den Arbeitsmarkt ist eingebettet in ein Netzwerk der Zusammenarbeit vor Ort. Ob Arbeitsverwaltung, Jugendämter, Beratungsstellen, Bildungsträger – alle leisten ihren Beitrag zur Lösung. So wurde ein lippisches Modell entwickelt, das in engem Austausch mit anderen Projekten in Westfalen steht, die mit der Zielgruppe der Alleinerziehenden arbeiten. Auch dies ist wegweisend und modellhaft. 3 Alleinerziehende in Lippe Alleinerziehende in Lippe Im Kreis Lippe leben rund 6.900 Alleinerziehende*, Tendenz steigend. Immer wieder stellen die SingleEltern, meistens Frauen, unter Beweis, wie viel sie beruflich und privat leisten. Und doch stehen sie finanziell oft schlechter da und sind auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt, weil die geforderten Arbeitszeiten nur schwer mit der Familie vereinbar sind. Im Kreis Lippe sind rund 40 Prozent der alleinerziehenden Familien auf Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV) angewiesen. In Zahlen ausgedrückt sind das ca. 2.800 Alleinerziehende, die langzeitarbeitslos sind oder trotz Arbeit aufstockende Transferleistungen benötigen. Schwierige Rahmenbedingungen Unzureichende Kinderbetreuung ist ein zentrales Problem bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zwar ist das Angebot im Kreis Lippe in den vergangenen Jahren weiter ausgebaut worden, doch Kindertagesstätten und offene Ganztags- 4 schulen haben maximal bis 17 Uhr geöffnet. Das deckt sich längst nicht immer mit den Arbeitszeiten. Nicht nur bei Vollzeitstellen wird eine hohe zeitliche Flexibilität gefordert, sondern auch im Teilzeitbereich, bei Minijobs und erst recht im Schichtdienst. Mangelnde Mobilität ist ein weiteres Hindernis, gerade in der ländlichen Region Lippe. Meistens dauert der Weg mit Bus oder Bahn deutlich länger als mit dem Auto, nicht selten ist der Arbeitsplatz zu bestimmten Zeiten überhaupt nicht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar. Nicht zuletzt kommen private Sorgen hinzu. Durch Trennung und Scheidung geraten viele Alleinerziehende in eine belastende Situation und müssen vielfältige Probleme bewältigen. Wenn das Privatleben aus den Fugen geraten ist, wirkt sich das auf die Arbeit und die Arbeitssuche aus. Unterstützung für Alleinerziehende Das Netzwerk Lippe greift diese Problemfelder auf und unterstützt Alleinerziehende, trotz schwieriger Umstände im Beruf wieder Fuß zu fassen. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass die Hilfe gut investiert ist. Alleinerziehende sind meistens hoch motiviert, im Alltag gut organisiert und haben oft eine Berufsausbildung. Diese Kompetenzen und Qualifikationen werden auf dem Arbeitsmarkt dringend gebraucht. Genauso wichtig ist es, dass Alleinerziehende eine berufliche Chance bekommen, um durch eigene Arbeit finanziell unabhängig zu werden und im Job Anerkennung und Bestätigung zu erfahren. Das Projekt ULLA will in Lippe dazu beitragen, dass dies gelingt und beide Seiten gewinnen, Alleinerziehende und Arbeitgeber. *Quelle: Landesbetrieb Informationen und Technik NRW, Stand 2010, hochgerechnete Zahlen Interview mit Arbeitgeber Andreas Lindau „Alleinerziehende können managen“ Andreas Lindau beschäftigt mehr als 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, zwei davon sind alleinerziehend. Aus Unternehmersicht schildert er seine Erfahrungen mit Alleinerziehenden und dem Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Warum haben Sie Alleinerziehende eingestellt? Andreas Lindau: Alleinerziehend oder nicht, das war kein entscheidendes Kriterium. Allerdings spricht für Alleinerziehende, dass sie managen können. Zeitmanagement, das haben sie einfach drauf. Ich habe selbst Kinder und weiß, was das heißt. Alleinerziehende müssen sich noch einmal straffer und besser organisieren und alles alleine stemmen. Ich sehe das als klaren Vorteil. Alleinerziehende sind einfach gut organisiert. Merken Sie das auch am Arbeitsplatz? Lindau: Ja, das merkt man in der täglichen Arbeit. Natürlich gibt es auch mal Ausfälle, wenn die Kinder krank sind. Aber für mich ist viel entscheidender, dass die Arbeit gut läuft. Das ist viel wichtiger als eine kurze Fehlzeit. Unterm Strich ist die Arbeitsleistung besser. Was tun Sie als Arbeitgeber für Familienfreundlichkeit in Ihrem Unternehmen? Lindau: Eine alleinerziehende Entwicklerin hat zum Beispiel einen Heimarbeitsplatz eingerichtet bekommen. So kann sie sich ihre Arbeitszeiten flexibel einteilen und entweder zu Hause oder in der Firma arbeiten. Einzige Bedingung: Sie muss wenigstens ein Mal pro Woche zu Besprechungen ins Büro kom- men. Insgesamt versuche ich, ein gutes Betriebsklima zu schaffen. Im Notfall können auch mal die Kinder mitkommen, aber das geht natürlich nicht die ganze Zeit. Ich glaube, dass die Mitarbeiter das Entgegenkommen honorieren. Das ist ein Geben und Nehmen. Was müsste sich Ihrer Meinung nach in der Wirtschaft ändern, damit Familie und Beruf besser vereinbar werden? Lindau: Das hängt natürlich von der Branche und dem Arbeitsinhalt ab, aber ich denke, viele Tätigkeiten, gerade im Büro, könnten flexibler gestaltet werden. Gut wäre mehr Einsicht und Mut bei den Arbeitgebern, das einfach mal auszuprobieren. Vieles wird einfach zu streng und unfair gehandhabt. Ich bin überzeugt, dass auch die Unternehmen davon profitieren. Wer Eltern entgegen kommt, der bekommt als Arbeitgeber viel zurück - in Form von höherer Motivation und besserer Arbeit. Das bügelt viele Nachteile wieder aus. Selbst wer als Unternehmer nur an den Kommerz denkt und nicht ans Betriebsklima, sollte Eltern und speziell Alleinerziehenden bessere Möglichkeiten bieten, weil es sich auszahlt. Und auch politisch sollte es Anreize geben, zum Beispiel Förderprogramme, wenn Alleinerziehende eingestellt werden. Andreas Lindau Chef des Detmolder Software-Unternehmens deltra Business Software 5 Unterstützung für Alleinerziehende ULLA steht für „Unterstützung langzeitarbeitsloser lippischer Alleinerziehender“. Der Name ist Programm: In dem freiwilligen Angebot werden Alleinerziehende im Arbeitslosengeld II - Bezug beruflich gefördert und erhalten gleichzeitig umfassende soziale Unterstützung. Projektlaufzeit vom 01.01.2010 bis 31.12.2012 In dieser Zeit sollen 900 Alleinerziehende erreicht werden. Die TeilnehmerInnen kommen über das Jobcenter Lippe ins Programm und werden vom Netzwerk Lippe betreut. Während der gesamten Projektlaufzeit werden die TeilnehmerInnen individuell und intensiv beraten. Das ULLA-Team geht auf die Lebenssituation ein und entwickelt mit den Teilnehmenden ein passgenaues Angebot. Gemeinsam werden berufliche Perspektiven erarbeitet, persönliche Probleme wie Schulden oder gesundheitliche Störungen angegangen, Lösungen für die Kinderbetreuung gesucht und berufliche Weiterbildung initiiert. Das ULLA-Team kooperiert mit externen Fachleuten und informiert die Teilnehmenden über weitere Beratungsstellen und Hilfeeinrichtungen im Kreis Lippe. Ergänzend zum individuellen Coaching gibt es regelmäßige Treffen in Kleingruppen. Die TeilnehmerInnen können hier Kontakte knüpfen und ein Netzwerk aufbauen, um sich gegenseitig zu unterstützen. Sie entscheiden, welche Themen in dieser Gruppe bearbeitet werden sollen. Das ULLA-Team geht auf diese Bedarfe ein. TeilnehmerInnen, die eine Arbeit aufnehmen, werden bei Bedarf in der ersten Zeit weiter begleitet. Das ULLA-Team ist Ansprechpartner für ArbeitnehmerInnen und Arbeitgeber, vermittelt bei Problemen und will verhindern, dass die Teilnehmenden nach dem Start im neuen Job in ein „Betreuungsloch“ fallen. Die Schwerpunkte von ULLA im Überblick: ! • • • • individuelles Coaching und Problemlösung aktuelle Informationen zum Arbeitsmarkt und Unterstützungsmöglichkeiten regelmäßige Gruppentreffen Expertentage zu relevanten Themen wie Leistungsrecht im SGB II, Unterstützungsangebote der Jugendämter, Kommunikation, Motivation u.v.m. • berufliche Orientierung • Unterstützung bei der Arbeitssuche durch individuelle Akquise und Stellenrecherche 6 Das Projekt ULLA Das fünfköpfige ULLA-Team betreut Alleinerziehende in Detmold und in den Außenstellen Bad Salzuflen, Blomberg und Lemgo. Eine Teilnahme an dem freiwilligen Angebot ist für maximal 12 Monate vorgesehen. Im Einzelfall können Alleinerziehende aber auch länger im Projekt bleiben. Sie beziehen in dieser Zeit weiterhin ihr Arbeitslosengeld II. „Toll, dass es so etwas gibt. Ich finde neue Perspektiven und habe jederzeit Unterstützung vom ULLA-Team. Ich sage Danke, denn ich habe eine Arbeitsstelle gefunden und den Mut, mich zeitlich flexibler anzupassen, weil ich weiß, ich kann auch weiterhin Unterstützung bekommen. Mein Leben hat sich verändert – aber Ich schaffe das.“ „Es gab direkt gute Ideen und Vorschläge. Da arbeiten Menschen, die sich wirklich Mühe geben, einem zu helfen. Meinen Job habe ich durch gezielte Bewerbungen auf Stellen, die wirklich zu mir passen, gefunden. Bedenken seitens der Arbeitgeber wurden durch zielgerichtete Gespräche vom ULLA-Team ausgeräumt. Ohne ULLA hätte ich das nicht geschafft!“ Sandra M. aus Schlangen (28 J.), 1 Kind Silke F. aus Detmold (47 J.), 1 Kind „ULLA wurde mir vorgestellt und ich war sofort mit einer Teilnahme einverstanden: freiwillige Teilnahme, Gruppentage und Einzelunterstützung finde ich klasse! Ich fühle mich nicht mehr alleine und bin selbstsicherer geworden.“ Mariella I. aus Lage (43 J.), 3 Kinder Die Teilnahme an ULLA ist freiwillig. ULLA setzt auf individuelle Unterstützung. ULLA gibt Alleinerziehenden die Eigenverantwortung zurück, ohne zu überfordern. ULLA steht für gute Teamarbeit und den Mut, immer wieder neue Wege zu gehen. „ULLA ist zielorientiert und motivierend: durch ULLA lerne ich mich besser kennen und kann meine beruflichen Ziele besser verfolgen und bestimmt bald verwirklichen.“ Anna B. aus Detmold (35 J.), 1 Kind 7 Kooperationspartner: Fachgruppe Jugend der Stadt Lage, Projekt „Lernen vor Ort“ (Kreis Lippe) und die Ev. Familienbildung der Diakonie. Unterstützung ist gut, mehr Unterstützung besser. Damit Alleinerziehende in Lippe wohnortnah Anlaufstellen und Kontaktmöglichkeiten haben, sind weitere Angebote entstanden: Alleinerziehenden-Treff in Lage Pubertät, Ärger in der Schule und eigene private Sorgen - der Bedarf, sich mit anderen auszutauschen, ist bei den ULLA-TeilnehmerInnen groß. Aus dieser Erfahrung heraus ist in Lage ein regelmäßiger Alleinerziehenden-Treff entstanden. Interessierte aus dem ULLA-Projekt und darüber hinaus können hier in zwangloser Atmosphäre miteinander reden und bekommen gleichzeitig Tipps und Informationen. Den Auftakt bildete die Seminarreihe „Starke Eltern in Lage“ zu Themen wie Erziehung, Zeitmanagement, Unterhalt und Sorgerecht. Inzwischen legen die teilnehmenden Frauen die Themenschwerpunkte selbst fest. „Wir wollen den Alleinerziehenden ein Forum bieten und ihnen lebenspraktische Tipps an die Hand geben, um den Alltag besser bewältigen Zahlen und Fakten ste Größe in ilien sind eine fe am -F rn te El nEi Deutschland en Kindern mit minderjährig ilie m Fa te nf fü de den Mutter • Fast je ner alleinerziehen ei it m ilie m Fa ist eine r (19 Prozent). ziehenden Vate er in le al m ne ei ist der alleinoder llen (90 Prozent) Fä hn ze n vo un • In ne teil die Mutter.* erziehende Eltern 8 zu können“, fasst Sozialarbeiterin Rabea Raschke vom Projekt „Lernen vor Ort“ zusammen. Kreative Methoden zur Selbst- und Fremdwahrnehmung gehören ebenso dazu wie Informationen zum neuen Bildungsund Teilhabepaket. Auch der elterliche Umgang mit dem Thema „Legale und illegale Drogen“ bildet einen Schwerpunkt. Um die Erziehungskompetenz der Eltern in der herausfordernden Phase „Pubertät“ zu stärken, wurde eine Frauenärztin eingeladen, die einen Erfahrungsaustausch angeregt und Wissenswertes aus medizinischer Sicht vermittelt hat. Die Alleinerziehenden treffen sich dienstags vormittags im Jugend- und Bildungszentrum HoT am Werreanger in Lage. ihren ende verdienen Viele Alleinerzieh t selbst Lebensunterhal n Frauen r alleinerziehende • Rund 60 Prozentigt ,de42 Prozent davon in Vollzeit. sind erwerbstä leinerziehende erwerbstätige al erwerbsDamit arbeiten ger in Vollzeit als ufi hä ch tli en es Mütter w ozent). arfamilien (27 Pr ufiger tätige Mütter in Pa t sind nich nur hä r te Vä de en eh • Alleinerzi als alleinerziehende Mütter. Sie tigkeit erwerbstätig oft einer Vollzeittä so t el pp do ch gehen au t).* nach (87 Prozen Kooperationsprojekte Seminarreihe für Alleinerziehende Auch die Stadt Detmold geht neue Wege, um Alleinerziehende zu erreichen und besser zu unterstützen. In Zusammenarbeit mit dem Projekt ULLA, dem städtischen Jugendamt und dem SOS Berufsausbildungszentrum ist zunächst ein dreitägiger Kochkurs für ULLA-TeilnehmerInnen angeboten worden. Unter dem Motto „Kochen-Quatschen-Kennenlernen“ haben zwölf Frauen unter Anleitung eines Kochs gemeinsam Mahlzeiten und Snacks zubereitet, gegessen, sich ausgetauscht und ganz nebenbei viel über gesunde und preiswerte Ernährung für sich und die Familie erfahren. Aus diesem Kochkurs hat sich inzwischen eine feste Gruppe gebildet, die sich regelmäßig trifft und Themen bespricht, zum Beispiel Erziehungsfragen und Alltagsprobleme. „Wir reden aber nicht nur über Probleme, sondern geben auch Impulse und Hil- festellung, um Lösungen aufzuzeigen“, sagt Gerlinde Reuter von dem Projekt „Lernen vor Ort“. Schritt für Schritt wächst so ein vertrauensvoller Kontakt der Frauen untereinander, außerdem werden Berührungsängste mit dem Jugendamt abgebaut. „Das Jugendamt kann Alleinerziehende in vielen Fragen gut beraten und präventive Angebote machen“, sagt Andrea Ahrens vom Jugendamt Detmold. Die Seminarreihe für Alleinerziehende soll dazu beitragen, dass Frauen über diese Möglichkeiten informiert sind und die Hilfen auch nutzen können. Kooperationspartner: Stadt Detmold Jugendamt, Projekt „Lernen vor Ort“ (Kreis Lippe) und SOS Berufsausbildungszentrum. haben ein Alleinerziehende srisiko erhöhtes Armut shalte in erziehenden-Hau in le Al r le al t en f Leistungen • 41 Proz im Jahr 2009 au en ar w nd la ch Deuts sen. cherung angewie , die Leisaus der Grundsi Ki dürftigen nder be lfe hi r de fte äl lebt in Ein• Die H B II bekommen, SG m de ch na tungen n (53 Prozent). Eltern-Haushalte stisches Bundes tur für Arbeit und *Quelle: Bundesagen Stati ! amt, Stand 2009 9 Welchen Mehrwert bietet ein Netzwerk? Bärbel Klöckner Koordinatorin Netzwerk W im Kreis Lippe [email protected] 05231 / 5699799 Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Netzwerkstrukturen allen Akteuren einen großen Vorteil bringen. Vom Zusammenspiel der unterschiedlichen Einrichtungen und Institutionen, die sich im Netzwerk zusammengeschlossen haben, profitieren Projekte wie ULLA, aber auch die anderen Mitglieder z.B. durch gemeinsame Veranstaltungen und das Nehmen und Geben von Informationen und Kontakten. Da wir uns dem Thema „Alleinerziehende im Kreis Lippe“ intensiver als bisher widmen möchten, haben wir ein Arbeitsgremium gegründet, das sich aus Vertreterinnen des Projektes ULLA, der Gleichstellungsbeauftragten des Kreises Lippe, der Agentur für Arbeit, des Jobcenters Lippe und der Beratungsstelle FAIR zusammensetzt. Aus diesem Arbeitskreis heraus entstand auch die Idee, diese Broschüre zu erstellen. Welche Erfahrungen macht das Jobcenter mit Projekten wie ULLA? Norbert Priesel Jobcenter Lippe Norbert.Priesel@ jobcenter-lippe.de 05231 / 4599-229 10 Das Jobcenter Lippe legt seit Beginn ein besonderes Augenmerk auf die berufliche Weiterbildung und die Fachkräftesicherung in der Zukunft. Frauen, im Besonderen Alleinerziehende, bringen oftmals die am Arbeitsmarkt geforderten sozialen Kompetenzen wie Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit, hohe persönliche Flexibilität, Zuverlässigkeit und Motivation in hohem Maße mit. Um in eine versicherungspflichtige Beschäftigung einmünden zu können, fehlen jedoch vielfach noch besondere fachliche Qualifikationen, Berufsabschlüsse und bzw. oder eine qualitativ gut gesicherte Kinderbetreuung sowie die adäquate Beratung und Begleitung auf dem Weg in den Job. Im Projekt ULLA wird auf die spezifischen Bedarfe der einzelnen Teilnehmenden eingegangen. So können ganz eigene und für die jeweilige persönliche Situation passende Wege in versicherungspflichtige Beschäftigung beschritten werden. Wo berufliche Abschlüsse oder Teilqualifikationen fehlen, werden in Rücksprache mit den Fachkräften des Jobcenters Lippe tragfähige Konzepte zur beruflichen Weiterbildung entwickelt. Spezielle Projekte und Maßnahmen für Frauen und Alleinerziehende sind deshalb aus arbeitsmarktpolitischer und gesellschaftlicher Sicht ganz wichtig und werden auch in der zukünftigen Arbeit des Jobcenters Lippe eine besondere Rolle spielen (bis zum 31.12.2011 lag die Zuständigkeit bei Ulrike Grabow, Jobcenter Lippe). Stimmen aus dem Netzwerk Wiedereinstieg Wie unterstützen Sie als Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Lippe Alleinerziehende konkret? * Natürlich unterstütze ich Alleinerziehende durch das Angebot von Beratungsgesprächen. Dies gilt besonders für Frauen, die aus Orten ohne eigene Gleichstellungsbeauftragte kommen. Als Gleichstellungsbeauftragte des Kreises ist es darüber hinaus meine Aufgabe, in Netzwerken mitzuarbeiten, die sich um die Interessen von Alleinerziehenden kümmern oder aber zusammen mit anderen Institutionen solche Netzwerke aufzubauen. Hier im Kreis gibt es mit dem Projekt ULLA, dem Netzwerk W und dem Arbeitskreis Frauen und Sozialpolitik bereits gut funktionierende Arbeitszusammenhänge, die sich parteilich für Alleinerziehende einsetzen. Regina Pramann Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Lippe [email protected] 05231 / 62 - 763 Wie hoch ist der Anteil der Alleinerziehenden in der Beratung und welche Beratungsanliegen haben sie? Der Anteil der Alleinerziehenden liegt bei den Beratungen zum Wiedereinstieg bei ca. 50 Prozent, bei den Existenzgründerinnen nur bei ca. 20 Prozent. Vorrangig geht es hier um die Möglichkeiten flexibler Kinderbetreuung, möglichst auch zeitnah, wenn eine Einstellung erfolgt ist oder die Geschäftstätigkeit beginnen soll. Sind aus Ihrer Sicht die Angebote für Alleinerziehende in Lippe ausreichend oder gibt es weiteren Bedarf? Die Situation für Alleinerziehende in Lippe hat sich in den letzten Jahren zunehmend verbessert. Es gibt Angebote in Form von Projekten, wie z. B. ULLA, sowie Ansprechpartnerinnen in den Familienzentren und es gibt Beratungsstellen, wie FAIR, zu denen Frauen mit ihren Anliegen kommen können. Wichtig ist, dass die Institutionen sich noch mehr über ihre Angebote austauschen und an den Schnittstellen arbeiten. Hierzu bietet der Arbeitskreis Alleinerziehende im Netzwerk W eine gute Grundlage. Silke Quentmeier FAIR - Frau und Arbeit in der Region [email protected] 05231 / 954 - 210 11 Welches arbeitsmarktpolitische Potenzial sehen Sie in der Gruppe der Alleinerziehenden? Viele Alleinerziehende in Lippe sind gut ausgebildet, verfügen über Berufserfahrung, sind hoch motiviert und stellen somit ein hohes Potenzial für den Arbeitsmarkt dar. Der Arbeitsmarkt in Lippe hat sich in den letzten Monaten positiv entwickelt, die heimische Wirtschaft zeigt sich konjunkturell sehr stabil. Der Anteil der zu besetzenden Stellen ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen. Mittel- und langfristig wird sich die Fachkräftesituation, unabhängig von konjunkturellen Einflüssen, verschärfen. Die Arbeitgeber werden in zunehmendem Maß auf das Potenzial der gut ausgebildeten Alleinerziehenden zurückgreifen. Meike Kohlbrecher Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt, Agentur für Arbeit Detmold [email protected] Sind Arbeitgeber bereit, Alleinerziehende einzustellen und wenn ja, 05231 / 610 - 202 wie gehen sie mit Hemmnissen um? Ja, Arbeitgeber sind bereit Alleinerziehende einzustellen. Insbesondere wenn die Qualifikationen der Alleinerziehenden den Anforderungen der Arbeitgeber entsprechen, spielt der familiäre Hintergrund eine untergeordnete Rolle. In einigen Wirtschaftsbereichen werden sehr flexible Arbeitszeiten gefordert, hier steigen die Chancen für die Alleinerziehenden, wenn sie ihre Arbeitszeiten entsprechend flexibel gestalten können. Allerdings sind Arbeitgeber auch zunehmend bereit, flexiblere Arbeitszeitmodelle anzubieten, besonders in den Wirtschaftsbereichen, in denen der erhöhte Fachkräftebedarf schon heute spürbar ist. Immer mehr Betriebe unterstützen die Alleinerziehenden auch bei der Suche nach Kinderbetreuungsmöglichkeiten. 12 Interview mit dem ULLA -Team „Der Bedarf der Alleinerziehenden ist für uns entscheidend“ Vier Frauen und ein Mann - das ist das ULLA-Team rund um Projektleiterin Christa Blume. Im Gespräch berichten sie von ihrer Arbeit und den Erfahrungen im Projekt. Was sind wichtige Erkenntnisse? Christa Blume: Für uns war doch überraschend, wie viele Teilnehmende soziale und psychische Probleme haben. Nach der Trennung müssen Alleinerziehende ein komplett neues Lebensmodell aufbauen. Die Kinder müssen sich an die neue Situation anpassen, vielleicht gibt es Sorgerechtsstreitigkeiten. Zu Anfang haben wir nicht gedacht, dass das Ausmaß der psychischen Probleme so groß ist. Katalin Jakab: In der Anfangsphase haben wir auch viel ausprobiert, Sprechzeiten verändert, Seminare umstrukturiert, unser Angebot den Bedürfnissen der Teilnehmenden angepasst. Stephanie Wallbaum: Dabei war der Zusammenhalt der Alleinerziehenden in den Gruppen von Anfang an phänomenal. Das ist ein Grundpfeiler unserer Arbeit. Die Alleinerziehenden helfen und unterstützen sich ganz stark gegenseitig. Das habe ich in anderen Maßnahmen so noch nicht erlebt. Christa Blume: Die meisten schätzen auch, dass das Angebot freiwillig ist und sind umso motivierter und verlässlicher dabei. Unsere Abbruchquote ist verschwindend gering, ca. ein Prozent. Ulrike Rehm: Viele zeigen einen starken Willen zu arbeiten. Das erfordert häufig einen langen Atem und viel Kraft, denn gerade in den klassischen Frauenberufen wie Pflege, Einzelhandel etc. sind ja die Arbeitszeiten alles andere als familienfreundlich. Da müssen immer wieder individuelle Lösungen gefunden werden. 13 Wo brauchen Alleinerziehende denn besondere Unterstützung? Dr. Detlev Füchtenbusch: Die Bedarfe sind ganz unterschiedlich. Die eine Kundin hat persönliche Probleme, die erst mal bereinigt werden müssen. Die Nächste sagt, sie möchte einen Job und erwartet Unterstützung bei der Stellensuche. Ein anderer muss die Kinderbetreuung noch etwas optimieren, etc. etc. Wallbaum: Die individuelle Beratung ist ja auch ein Kernpunkt unserer Arbeit, der uns auszeichnet. Der Bedarf der Alleinerziehenden ist für uns entscheidend. Sie bestimmen auch über Inhalte mit. Wenn zum Beispiel Konflikttraining für eine Gruppe wichtig ist, bereiten wir dieses Thema für das nächste Treffen vor. Das gilt auch für den reinen Informationsbedarf – da sind wir gefragt! Jakab: Das kommt positiv an. TeilnehmerInnen sagen immer wieder: Endlich werde ich ernst genommen und bekomme die Unterstützung, die ich wirklich brauche. Manchmal ist es erstaunlich, wie wenig Hilfe nötig ist. Für viele Alleinerziehende ist es schon gut zu wissen: Da ist jemand, an den kann ich mich wenden, wenn ich ein Problem habe. Rehm: Viele Frauen sind auch überfordert und zweifeln stark an sich selbst und ihren Möglichkeiten. Da geht es häufig erst einmal darum, das Selbstvertrauen aufzubauen und Perspektiven zu erarbeiten. 14 Wie setzen sich die Teilnehmenden im ULLA-Projekt zusammen? Jakab: Mehr als 90 Prozent sind Frauen, die Altersspanne reicht von 20 bis 54 Jahre. Schätzungsweise 40 Prozent haben eine Berufsausbildung und sind gut qualifiziert. Die anderen dagegen haben meist mehrere Vermittlungshemmnisse, z.B. keine Berufsausbildung, psychische Probleme, kranke Kinder. Da ist zuerst einmal eine Therapie, eine Schuldnerberatung oder ein anderes Hilfsangebot angesagt, bevor an den Arbeitsmarkt zu denken ist. Wie wichtig ist der Austausch mit anderen Institutionen und Einrichtungen? Blume: Wir arbeiten eng mit Hilfeeinrichtungen in der Region zusammen. Über das Netzwerk W hat sich außerdem der Arbeitskreis Alleinerziehende in Lippe gebildet. Hier tauschen wir uns mit allen wichtigen Akteuren im Kreis aus. Auch darüber hinaus haben wir Kontakte aufgebaut. Einen guten Austausch gibt es mit dem Kreis Minden-Lübbecke sowie den Vereinen RE/init in Recklinghausen und IN VIA in Herford. Wir profitieren ganz stark von den Erfahrungen der anderen und lernen voneinander. Die eine oder andere Idee kann vielleicht ins eigene Projekt übernommen werden. Wie ist die Bereitschaft bei den Unternehmen, Alleinerziehende einzustellen? Blume: Alleinerziehend ist eigentlich kein Kriterium. Wenn Qualifizierung und Arbeitszeiten passen, dann ist eine Vermittlung kein Problem. Aber oft passen die Arbeitszeiten eben nicht. Wir haben viele qualifizierte BewerberInnen, die gut acht Stunden arbeiten können, aber nicht im Schichtdienst oder am Wochenende. Ich denke da an examinierte Altenpflegerinnen oder Verkäuferinnen. Die werden gesucht, aber es scheitert häufig an den Arbeitszeiten. Selbst Teilzeit- oder Minijob-Angebote liegen oft in den Randzeiten. Es ist eher selten, dass ein Arbeitgeber den Arbeitsplatz für Alleinerziehende passend macht, es sei denn, der Bedarf ist sehr groß. Dann wird es auch mal möglich, in Teilzeit vormittags zu arbeiten. Je größer eine Firma ist, desto eher sind flexible Modelle möglich. Für kleinere Firmen ist das einfach schwierig. Müssen Arbeitgeber vor dem Hintergrund des demografischen Wandels nicht umdenken? Stichwort Fachkräftemangel. Wallbaum: Wir haben im Projekt viele fitte, gut qualifizierte und hoch motivierte Leute. Die bleiben unentdeckt und sie sind als Arbeitskräfte für die Unternehmen verloren, wenn sich das Bewusstsein nicht ändert. Rehm: Außerdem bringen Alleinerziehende oft so genannte soft skills mit. Wer Kinder alleine groß zieht und gleichzeitig arbeitet, der muss Prioritäten setzen und hat gelernt, sich gut zu organisieren und in Stresssituationen ruhig zu bleiben. Jakab: Unsere TeilnehmerInnen sind oft lange raus aus dem Beruf. Wenn sie wieder eine Stelle finden, können Arbeitgeber sicher sein, dass sie sehr motivierte und loyale Mitarbeiter gewinnen. den Abendstunden oder früh morgens. Und bessere Qualifizierungsmöglichkeiten für Alleinerziehende, zum Beispiel in Teilzeit. Jakab: Ich wünsche mir, dass Mütter und Väter in der Eltern- und Erziehungszeit den beruflichen Wiedereinstieg nicht ganz aus den Augen verlieren. Je länger man raus ist, desto schwieriger ist es wieder einzusteigen. Blume: Mehr Austausch und Vernetzung für Erziehende und speziell für Alleinerziehende. Es gibt viele Unterstützungsmöglichkeiten in Lippe, viele wissen das nur nicht. Rehm: Ganz klar: weiterhin adäquate Unterstützungsangebote für Alleinerziehende, eine familienfreundlichere Arbeitswelt – überhaupt eine bessere gesellschaftliche Anerkennung der Erziehungsarbeit. Christa Blume Teamleiterin Dr. Detlev Füchtenbusch Detmold Katalin Jakab Bad Salzuflen Ulrike Rehm Lemgo Stephanie Wallbaum Blomberg und Detmold Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Füchtenbusch: Ganz eindeutig, dass Arbeitgeber flexibler auf Alleinerziehende eingehen. Wallbaum: Flexiblere Kinderbetreuung, auch mal in 15 „ULLA hat mein Selbstbewusstsein gestärkt“ Iris Matter aus Detmold (31 J.), 1 Tochter, Rechtsanwaltsfachangestellte in der Kanzlei Füsting-Müller 16 16 „Das ist ein ganz gutes Gefühl zu wissen: Ich kann mich selbst und das Kind versorgen.“ Iris Matter ist stolz, dass sie als alleinerziehende Mutter eine feste Stelle gefunden hat und ihr eigenes Geld verdient. Seit April 2011 arbeitet die ehemalige ULLA-Teilnehmerin als Teilzeitkraft in einer Kanzlei in Lemgo. Vor rund drei Jahren, frisch nach der Trennung, war sich die 31-Jährige dagegen gar nicht so sicher, ob sie Beruf und Familie unter einen Hut bekommt. Als die Ehe von Iris Matter auseinander ging, war ihre Tochter knapp drei Jahre und die Elternzeit fast zu Ende. Die Trennung verarbeiten, der Tochter Halt geben, mit den privaten Sorgen fertig werden und dann auch noch die eigene berufliche Zukunft nicht aus den Augen verlieren - „damals konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, wie ich das alles schaffen soll.“ Eines war Iris Matter aber immer klar: „Ich wollte wieder arbeiten, und zwar möglichst schnell. Je länger man aus dem Beruf raus ist, desto schwieriger wird es.“ Doch die Rückkehr in den Job war nicht einfach, ihr alter Arbeitsplatz war inzwischen neu besetzt. Über eine Freundin erfuhr Iris Matter, die inzwischen auf Arbeitslosengeld II angewiesen war, von ULLA und kam in das Programm. „Ich habe dort viele Kontakte zu anderen Müttern bekommen und gemerkt: Meine Situation ist gar nicht so schlecht.“ Iris Matter wurde sich bewusst, was sie alles mitbrachte, zum Beispiel eine abgeschlossene Ausbildung als Rechtsanwaltsfachangestellte und Berufserfahrung. „ULLA hat mein Selbstbewusstsein gestärkt, und ich habe meine Stärken und Schwächen besser kennen gelernt. Das tat mir einfach gut. Die Unterstützung war für mich ganz wichtig.“ Relativ schnell fand Iris Matter eine Teilzeitstelle in der Kanzlei von Elisabeth Füsting-Müller und kann heute selbstbewusst sagen: Beruf und Familie, das schaffen auch Alleinerziehende! Beispiel einer erfolgreichen Vermittlung „Vereinbarkeit von Beruf und Familie - da sind auch Arbeitgeber gefordert“ Eine Bewerberin mit Kind? Für Elisabeth FüstingMüller ist das ein klarer Pluspunkt. Die Anwältin mit dem Schwerpunkt Familienrecht hat viele Mandanten mit kleinen Kindern. „Da ist es wichtig, dass meine Mitarbeiterinnen Verständnis haben für die Familiensituation und Empathie entwickeln können, wenn bei einem Telefonat im Hintergrund mal Kinder rufen oder mit in die Kanzlei gebracht werden.“ Ob verheiratet, mit Partner oder alleinerziehend, das spielt für die Arbeitgeberin dagegen keine Rolle. „Berufstätige Mütter haben einfach gelernt, ihren Alltag zu organisieren“, sagt die Anwältin, die im Frühjahr eine neue Teilzeitkraft fürs Büro suchte. Als sich Iris Matter vorstellte, war ihr sofort klar: Das passt. Telefonate annehmen, Termine machen, Schriftsät- ze tippen und Unterlagen vorbereiten - von 8:45 bis 13 Uhr sorgt Iris Matter jetzt dafür, dass in der Kanzlei alles rund läuft. Die Zeiten sind ideal für die Alleinerziehende. Um 14 Uhr holt sie ihre Tochter aus dem Kindergarten ab, der Nachmittag gehört der Familie. Rechtsanwältin Füsting-Müller hat selbst drei Kinder und weiß, wie wichtig feste, verlässliche Arbeitszeiten für berufstätige Mütter sind. Dementsprechend ist die Kanzlei organisiert. Fristsachen auf den letzten Drücker? „So etwas muss nicht sein“, sagt die Anwältin entschieden. Auch wenn die Kinder krank sind, zeigt die Chefin Verständnis. Ausgenutzt habe das noch keine Mitarbeiterin. „Im Gegenteil. Ich glaube, dass das Entgegenkommen honoriert wird. Das ist ein Geben und Nehmen“, sagt Elisabeth Füsting-Müller und fügt hinzu: „Wenn wir eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf wollen, sind auch die Arbeitgeber gefordert.“ Elisabeth Füsting-Müller Rechtsanwältin aus Lemgo, Arbeitgeberin von Iris Matter 17 „Berufliche Ziele wieder klar im Blick“ Seit fünf Jahren ist Marita Schwier alleinerziehend. Den Haushalt organisieren, für ihre beiden Söhne da sein, die Kinder versorgen und das Einkommen der Familie sichern - all das erfordert viel Kraft, es hat Marita Schwier aber auch stark gemacht. „Alleinerziehende entwickeln durch ihre Lebenssituation viele Stärken und Kompetenzen“, ist die 52Jährige überzeugt. „Und mit Hilfe von ULLA weiß ich jetzt auch, wie ich diese persönlichen Stärken in berufliche Ziele umwandeln kann.“ Im Alltag waren diese Ziele schnell aus den Augen geraten. „Ich war zwar immer auf der Suche nach etwas, wo ich mein Können und meine Erfahrung einbringen kann, aber es hieß nur: Sie sind zu alt oder wir brauchen eine Vollzeitkraft.“ Die geforderten Arbeitszeiten waren meistens nicht mit der Familie vereinbar. Nach einer schwierigen Trennung war für Marita Schwier klar, dass die Kinder sie jetzt doppelt brauchen und nicht den ganzen Tag alleine sein können. Also arbeitete sie nebenbei als Dekorateurin und nahm kleine Jobs an, das reichte aber nicht, um die Familie zu ernähren. Von ihrem Arbeitsvermittler im Jobcenter erfuhr sie dann vom Projekt ULLA und wurde neugierig. „Es war ein freiwilliges Angebot. Das fand ich gut“, sagt sie. „Vor allem aber wurde ich bei ULLA nicht nur als Arbeitskraft gesehen, die möglichst schnell in einen Job vermittelt werden muss, sondern als 18 Mensch. Wie sieht meine persönliche Situation aus? Was können wir an Unterstützung bieten? Darum ging es, und dadurch bekommen die Teilnehmerinnen auch wieder mehr Selbstbewusstsein.“ Marita Schwier erlebt mit, wie viele Frauen bei ULLA neuen Mut fassen und aufblühen. Alleinerziehend, das ist inzwischen zwar ein ganz normales Lebensmodell, trotzdem fühlen sich viele Betroffene als Versagerin, so die Beobachtung der 52-Jährigen. Die Beziehung ist gescheitert, ich habe den Kindern den Vater genommen, solche und ähnliche Selbstvorwürfe kommen schnell. „Bei ULLA ist es genau anders herum. Da wird geguckt: Wo sind die Stärken und wie können wir darauf aufbauen.“ Im Projekt hat Marita Schwier endlich auch Zeit, sich auf sich selbst zu konzentrieren und über ihre Stärken nachzudenken - für viele Alleinerziehende, die ihre eigenen Bedürfnisse jahrelang hinten anstellen, ein wahrer Luxus. Ihr wird klar, wie viele Schicksalsschläge sie schon bewältigt hat, wie viele Jahre Berufserfahrung sie mitbringt, dass sie im Job erfolgreiche Phasen erlebt hat, aber auch Mobbing und Intrigen. „In meinem Leben gab es immer wieder Brüche und Neuanfänge. Dabei habe ich gelernt, mich auf das Positive zu konzentrieren und zu gucken: Wo finde ich Kraft? Wo finde ich Unterstützung?“ Portrait einer ULLA-Teilnehmerin ULLA ist für sie so ein Ort zum Kraftholen. In den Gesprächen mit der Beraterin kristallisiert sich schnell heraus, dass Marita Schwier beruflich noch einmal ganz neu anfangen und selbst Coach werden möchte. Im Projekt bekommt sie sogar die Möglichkeit, diesen Berufswunsch zu testen und ein Coaching-Angebot für andere Teilnehmerinnen zu gestalten. Eine Gruppe von Frauen reflektiert unter Anleitung von Marita Schwier an acht Vormittagen eigene Lebensziele und hält die Wünsche und Träume in „Zielbildern“ fest. „Wir haben gemalt und ganz kreative Bilder und Collagen geschaffen“, sagt Marita Schwier, die inzwischen die Ausbildung zum Coach angefangen hat und überzeugt ist, die richtige Aufgabe gefunden zu haben. „Das ist ein Beruf, wo ich meine ganze Berufs- und Lebenserfahrung und mein künstlerisch-kreatives Talent einbringen kann“, sagt die 52-Jährige, die für sich selbst auch ein Zielbild gemalt hat. Das Bild in Gelb und Grün mit einer Spirale hängt in ihrem Wohnzimmer, für jede Etappe, die Marita Schwier auf ihrem Weg zum Ziel geschafft hat, kommt ein Schmetterling hinzu. Vier Schmetterlinge sind schon da, weitere werden folgen, davon ist Marita Schwier überzeugt. Denn ihr eigenes berufliches Ziel, das hat sie jetzt fest im Blick. Marita Schwier aus Detmold (52), 2 Söhne, selbstständig 19 „Ehrlich gesagt bin ich in das Projekt gegangen, damit ich weniger Druck vom Jobcenter habe. ULLA hat mich dann aber von Anfang an überzeugt. Ich wurde ernst genommen, das Team nahm sich Zeit für mich und meine Anliegen. Leider waren meine Abschlussnoten als Erzieherin nicht so gut. Die Kita Klüt gab mir trotzdem die Gelegenheit einer Hospitation und ich konnte überzeugen. Ich bin glücklich, dass ich nun einen Jahresvertrag bekommen habe. Mein Leben hat sich sehr geändert. Alles ist stressiger geworden, ich muss auch zeitliche Abstriche in meiner Familie machen. Aber wir nutzen die gemeinsame Zeit viel intensiver und bewusster. Jetzt ist finanziell ja auch mal ein Kinobesuch drin oder in den Ferien Ausflüge. Als ich das erste Mal mein volles Gehalt auf dem Konto sah, das war ein unbeschreibliches Gefühl.“ Mareike M. aus Detmold (29 J.), 1 Tochter, Erzieherin, wenig Berufserfahrung ! „Der Status alleinerziehend war kein Kriterium. Wir hatten Zweifel wegen der Noten, aber bereits der telefonische Kontakt war sehr sympathisch, so dass wir uns zu einer Hospitation entschlossen. Mareike M überzeugte uns von ihrer persönlichen Eignung. Sie fand direkt guten Kontakt in der Gruppensituation. Nach dem ersten Vertrag als Krankheitsvertretung konnten wir ihr einen weiteren Vertrag bis Juli 2012 anbieten. Es scheint so, dass Alleinerziehende durch ihre eigenen Lebenserfahrungen oftmals über höhere soziale Kompetenzen verfügen und ein besseres Organisationsgeschick haben.“ „Mir geht es persönlich einfach besser, seitdem ich wieder mehr arbeite. Im Projekt ULLA wurde meine Bewerbung optimiert. Beim REWE-Markt in Steinheim konnte ich durch mein Probearbeiten überzeugen und arbeite jetzt 130 Stunden im Monat.“ Tanja T. aus Horn-Bad Meinberg (41 J.), 2 Kinder, Floristin „Tanja T. überzeugte uns durch ihre offene, ehrlich Art. Bereits beim Probearbeiten brachte sie sich persönlich ein und setzte ihre Ideen um. Heute fragen sogar Kunden speziell nach ihr. Sie sagt offen, welches Material sie benötigt und fordert dies auch ein. Das finden wir gut. Hohe Motivation, persönliches Engagement, gesundes Selbstbewusstsein und eigenständiges Mitdenken sind Erwartungen, die wir an unsere Mitarbeiter haben. Gerne stellen wir bei Bedarf wieder eine Alleinerziehende ein.“ REWE in Steinheim „Ich habe mich für ULLA entschieden, um nicht an anderen beliebigen Maßnahmen oder Bewerbungstrainings teilnehmen zu müssen, die bisher leider keinen Erfolg brachten. ULLA motiviert mich, stärkt mein Selbstvertrauen und meinen Glauben daran, auch als alleinerziehende, zweifache Mutter einen Beruf zu finden, der mir Freude macht.“ Johanna B. aus Blomberg (33 J.), 2 Kinder, Arzthelferin Kita Klüt in Detmold „ULLA ist für mich ein Rückhalt. Hier bekomme ich Unterstützung und Bestätigung.“ 20 Annett R. aus Augustdorf (40 J.), 2 Kinder, Industriekauffrau Weitere Aussagen von Arbeitgebern und ULLA-Teilnehmerinnen „Mein Alltag hat sich geändert und ich habe mich geändert. Ich bin selbstbewusster geworden und kann meinen Kindern ein gutes Vorbild sein. Durch die tatkräftige Unterstützung des ULLA-Teams wurde ein Kontakt mit der Firma 2-K-Paletten hergestellt. Ich bekam einen Vorstellungstermin und wurde als Lkw-Fahrerin eingestellt.“ Lidia. R. aus Lage (43 J.), 4 Kinder, ohne Berufsausbildung, unterschiedliche Berufserfahrungen „Für uns waren die schnelle Verfügbarkeit, regionale Kenntnisse und die Lkw-Erfahrung ausschlaggebend. Dass die Bewerberin alleinerziehend ist, hat uns nicht interessiert. Wir handhaben Einstellungen unabhängig vom Familienstatus. Die Arbeitsleistung zählt. Frau R. arbei„Das ULLA-Team hat mich nicht nur bei den Bewertet wie alle anderen bungen und Vorstellungsgesprächen unterstützt, auch.“ sondern auch im sozialen und familiären Bereich. 2-K Paletten GmbH in Lage „ULLA ist zielorientiert und motivierend. Durch ULLA lerne ich mich besser kennen und kann meine beruflichen Ziele viel definierter verfolgen und hoffentlich auch verwirklichen.“ Anna-Tara B. aus Detmold (35 J.), 1 Kind ohne Berufsausbildung, Berufspraxis in der Gastronomie Lidia. R. aus Lage (43 J.), 4 Kinder, ohne Berufsausbildung Bei ULLA findet man immer ein offenes Ohr. Der erste Kontakt zu meinem jetzigen Arbeitgeber erfolgte durch ULLA. Mir geht es gut in meinem Job, die Arbeit macht mir richtig Spaß. Ich habe nette Menschen um mich herum und eine Aufgabe.“ Jeannette H.-W. aus Detmold (35 J.), 2 Kinder, ohne Berufsausbildung, unterschiedliche Berufserfahrungen „Frau H.-W. stellte sich bei uns überzeugend vor und bekam somit die Stelle. Alleinerziehende sind flexibler als wir glauben. Sie können unheimlich gut organisieren und sich zudem schnell ungewohnten Situationen anpassen.“ DetCon GmbH, Freibad Detmold-Heidenoldendorf „Ich fühle mich nicht mehr alleine. Durch die informativen Gruppenveranstaltungen, Einzelgespräche und Übungen, zum Beispiel Vorstellungsgespräche, bin ich sicherer geworden.“ Sylke. F. aus Detmold (47 J.), 1 Kind, Wirtschaftskauffrau 21 Ausblick Und es geht doch! Das ULLA-Team zieht zur Halbzeit des Projektes eine positive Zwischenbilanz. Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, das ist für alle Eltern eine Herausforderung, erst recht, wenn sie ihre Kinder alleine groß ziehen. Aber es ist möglich, das belegen viele Beispiele im ULLA-Projekt. Manchmal braucht es nur etwas mehr Zeit und Unterstützung, damit Alleinerziehende auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß fassen. Was bislang geschah . . . In den ersten beiden Jahren sind rund 600 Alleinerziehende in Lippe unterstützt und aktiviert worden. 25 Prozent davon haben den Sprung in den Arbeitsmarkt geschafft. Das Projekt ULLA zeigt aber auch, dass viele alleinerziehende Langzeitarbeitslose zunächst einmal eine Reihe von privaten und sozialen Problemen bewältigen müssen, bevor überhaupt an Arbeit zu denken ist. Das langfristige Ziel von ULLA ist zwar die Arbeitsvermittlung, jedoch wird erst auf die Lebenssituation geschaut. Es geht darum, diese zu verbessern, Selbstwert und Motivation zu steigern und so die Voraussetzung für berufliche Perspektiven zu schaffen. . . . was sich im Projekt gezeigt hat „Das große Plus von ULLA ist, dass sich das Team ausreichend Zeit nehmen und die Alleinerziehenden ganz individuell unterstützen kann.“ Diese Zeit ist gut investiert, davon ist das ULLA-Team überzeugt. Mit intensiver Unterstützung lassen sich viele Probleme aus dem Weg räumen, die sich für die Betroffenen zuvor zu einer schier unüberwindbaren Hürde 22 aufgebaut hatten. Sich Zeit nehmen heißt auch, Potenziale entdecken und Fähigkeiten aufspüren, die im Alltag oft nicht beachtet wurden, die auf dem Arbeitsmarkt aber wertvoll sein können. Es lohnt sich, genau hinzuschauen, das ist eine wichtige Erkenntnis aus der bisherigen Arbeit. … und wie es weitergehen kann Keine Frage: Es gibt noch viel zu tun. Flexible Arbeitszeitmodelle, gute Kinderbetreuung, berufliche Qualifizierung und Ausbildung in Teilzeit, Verständnis für Familien, Kontakt- und Austauschmöglichkeiten für Alleinerziehende, all das sind wichtige Forderungen. ULLA will Mut machen, sich dafür einzusetzen. Vor allem aber will das Projekt Alleinerziehenden Mut machen, dass sie es schaffen können, Beruf und Familie zu vereinbaren. Und es will Arbeitgebern Mut machen, das Potenzial Alleinerziehender in ihren Unternehmen zu nutzen. Denn es geht doch! IMPRESSUM Herausgegeben von der Netzwerk Lippe gGmbH verantwortlich: Dr. Wolfgang Sieber (Bereichsleiter Arbeitsmarktintegration) Braunenbrucher Weg 18, 32758 Detmold in Kooperation mit dem Netzwerk Wiedereinstieg Frauen fördern Frauen e.V. verantwortlich: Bärbel Klöckner Bad Meinberger Str. 1, 32760 Detmold Texte und Interviews: Silke Tornede, Journalistin, Bielefeld Gestaltung: Renate Hüsers, Mediengestalterin / Design, Hannover Druck: PPS-ProPrintService GmbH, Detmold 1. Auflage 01/2012, 2.000 Stück Katarzyna L. aus Detmold (36 J.), 1 Kind, an ihrem neuen Arbeitsplatz Und es geht doch! 23 Die Dokumentation