Die Kraft der Enzyme Für Achillessehne und Knie Dopingfreies

RATGEBER | Blutegeltherapie
von Anne Kirchberg
M
it der sogenannten Blutegeltherapie kennt sich Dr. Valeska
Mohr, Ärztin für Orthopädie an der
Media Park Klinik in Köln, bestens
aus. „Vor allem im 18. und 19. Jahrhundert wurden bis zu 100 Blutegel
pro Patient massiv zur blutverdünnenden Behandlung von beispielsweise
Thrombosen eingesetzt“, so Mohr über
die bereits im 2. Jahrhundert vor Christus angewandte Methode. Nach der
Erfindung des künstlichen Heparins
geriet der Egel für kurze Zeit in Vergessenheit, bis er in den 1970er-Jahren
zur Reduzierung von lokalen Schwellungen bei plastischen Eingriffen wieder verwendet wurde. „Die Ärzte waren von den guten Resultaten beeindruckt, wodurch der Blutegel in weiteren Gebieten zum Einsatz kam“,
weiß Mohr.
Die Kraft der Enzyme
Die Wunderkraft der „Hirudo medicinalis“ liegt in der Zusammensetzung ihres Speichels. Über 100
Enzyme sind dort vorhanden,
von denen die Wissenschaftler
40
allerdings erst circa 40 entschlüsseln
konnten. Unter anderem fanden sich
in beeindruckender Konzentration das
blutverdünnende und gerinnungshemmende Hirudin, das durchblutungsfördernde Kalin und das entzündungshemmende Eglin. Die ein bis
anderthalb Milligramm Hirudin, die der Egel pro Biss
absetzt, reichen zum Beispiel
aus, um 60 Milliliter Blut für 24 Stunden ungerinnbar zu machen. Außerdem wirkt der Natursaft gefäßerweiternd, entkrampfend, abschwellend sowie schmerzlindernd und das leichte
Ziepen des Bisses lenkt als Signal ans
Rückenmark von Schmerzen im Körper
ab.
Für Achillessehne
und Knie
Genauso vielfältig wie die Inhaltsstoffe
des Blutegelspeichels sind ihre Einsatzmöglichkeiten. Der Enzymcocktail
wirkt wissenschaftlich nachgewiesen
positiv bei Schmerzpatienten mit Arthrose (Verschleißerscheinungen der
Gelenke), akuten und chronischen Gelenksentzündungen, wie bei Gicht oder
Rheuma, Muskelverspannungen und
Verhärtungen, Prellungen und Zerrungen. Daneben hilft die wundersame
Flüssigkeit bei unzureichender Durchblutung wie Venenentzündungen,
Thrombosen, Krampfadern, Schlaganfällen, Tinnitus und Kopfschmerzen.
Zudem können typische Beschwerden
von Läufern mit dem Blutegel behandelt werden. „Gerade an der Achillessehne erzielen wir gute Ergebnisse, da
man die dortige Durchblutung mit anderen Mitteln sehr schwer steigern
kann“, berichtet Valeska Mohr. „Auch
die unterschiedlichen Schmerzbereiche
am Knie, wie Sehnenansatzentzündungen durch Fehlstellungen oder Laufschuhe, werden mit einer rasch erfolgenden Behandlung schnell gelindert.“
Fast keine Risiken und
Nebenwirkungen
Wie viele Blutegel zubeißen dürfen,
hängt vom Alter, dem Gewicht und
der Krankheitsart des Patienten sowie
von der Größe des Egels ab. „Es
können bis zu zehn Blutegel
verwendet werden, wodurch
man bis zu 500 Milliliter Blut verlieren
kann, was einer gewöhnlichen Blutspende entspricht“, erläutert die Medizinerin. Damit lassen sich die empfohlenen Vorsichtsmaßnahmen nach
Nicht günstig,
aber effektiv
Es ist jedoch nicht ganz einfach, einen
Arzt zu finden, der auf die Blutegeltherapie spezialisiert ist. „Hier im gesamten Kölner Raum bin ich die einzige
Orthopädin, die Blutegel ansetzt“, sagt
Valeska Mohr. „Aber viele Heilpraktiker greifen ebenfalls auf diese Behandlungsmethode zurück.“ Die Kosten
von 100,– bis 120,– Euro pro Sitzung
übernehmen nur private Krankenkassen, Beihilfen und Heilpraktiker-Zusatzversicherungen. Eine Behandlungsmöglichkeit in der Umgebung lässt
sich beispielsweise über das Verzeichnis
der europaweit größten und anerkannten Blutegelzucht Biebertaler bei Gießen (www.blutegel.de) finden. „Die
Tiere werden von dort sogar mit
Medikamenten-Beipackzettel geliefert“, erzählt Dr. Valeska Mohr
schmunzelnd.
Dopingfreies
Naturheilverfahren
Viele Sportler ziehen die Blutegel den
konventionellen Medikamenten vor,
da man mit ihnen ganz sicher nicht
die Gefahr von Doping eingeht. Das
hundertprozentige Naturheilverfahren
nutzen in der Praxis von Frau Dr. Mohr
zahlreiche Profi-Fußballer, die häufig
ihre Prellungen direkt am Entstehungstag behandeln möchten. „Dadurch läuft
der betroffene Bereich nicht mit Blut
voll, sondern die Flüssigkeit wird sofort
nach außen getragen“, weiß die Expertin. Der eigentliche Behandlungsvorgang ist simpel: Der Egel wird an
der entsprechenden Stelle platziert,
saugt sich 30 bis 60 Minuten fest und
fällt ganz von alleine ab, sobald er satt
ist. „Die Egel sehen wie etwas größere
Regenwürmer aus und fühlen
sich zu Beginn auf der
Haut ein wenig kalt an“,
erklärt Mohr. „Die Patienten
verspüren beim Biss lediglich ein leichtes und kurz anhaltendes Brennen, wie
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FOTOS: 123RF.COM
Man mag es auf den ersten Blick vielleicht nicht glauben,
aber Blutegel sind echte Wohltäter. In ihrem durch den Biss
übertragenen Speichel sondern die zur Gattung der Ringelwürmer zählenden Tiere einen Mix aus 100 Enzymen ab, der
auch bei vielen typischen Läuferkrankheiten Besserung und
Linderung verschaffen kann.
dem sanften Aderlass erklären: Die Patienten sollen sich nicht körperlich anstrengen und viel trinken. Gegen einen
eventuell auftretenden Juckreiz helfen
milde Salben wie bei Mückenstichen.
Die selten auftretenden Nebenwirkungen sind meist harmlos, wie Kreislaufschwäche, leichtes Nachbluten oder
kleine Wundinfektionen. Nicht von einem Blutegel beißen lassen sollten sich
Menschen mit Blutarmut, Allergien gegen die enthaltenen Enzyme, Immunsuppression oder bei der gleichzeitigen
Einnahme von Mitteln zur Blutgerinnung sowie quecksilberhaltigen Medikamenten. Daneben müssen sich
Schwangere, Menschen mit Tendenz
zu extremer Narbenbildung und mit
Abwehrschwäche von einem erfahrenen
Therapeuten beraten lassen.
MOHR
beim Berühren einer Brennnessel.“ Der
anfängliche Ekel vor den Egeln ist bei
den meisten Patienten schnell verflogen.
„Niemand muss bei der Behandlung
zusehen“, so die einfühlsame Ärztin,
die in ihrer Praxis zur Ablenkung Augenklappe und Musik anbietet. „Meiner
Erfahrung nach sitzen die Patienten allerdings nach zehn Minuten schon fasziniert vor dem an ihnen saugenden
Blutegel und versuchen mit dem Handy
das beste Foto zu machen!“
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