(D-Lenggries): Veränderungen der Auen an der Oberen Isar
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(D-Lenggries): Veränderungen der Auen an der Oberen Isar
Die Veränderung der Auen an der Oberen Isar Vortrag anlässlich der 3. RiverConference: Biodiversity Research at the Tagliamento 2015.05.19 Franz Speer stellv. Vorsitzender der Notgemeinschaft Rettet die Isar jetzt, Lenggries www.rettet-die-isar.de Die Isar in ihrer Kinderstube im Hinterautal/Karwendel Fließrichtung der Isar Gesamteinzugsgebiet der Isar von den Quellen im Karwendel in Tirol bis zur Mündung in die Donau. Tirol 8960 km² Gesamteinzugsgebiet Die Isar entspringt auf einer Höhe 1162 m ü. NN. Sie mündet bei Deggendorf in die Donau auf einer Höhe von 310 m ü. NN. Der Höhenunterschied beträgt 852 m. Die Isar hat 285 Flusskilometer , davon 22 km in Tirol/Österreich Man spricht von dem Ursprung bis München von der Oberen Isar, von München bis Landshut von der Mittleren Isar und von Landshut bis zur Mündung von der Unteren Isar. Hier der engere Raum, den ich Ihnen vorstellen will Isar zwischen Mittenwald und Wolfratshausen ein Auszug aus google sat An Hand verschiedener Flussabschnitte werden die Veränderungen der Isarauen chronologisch dargestellt. Sie fanden ausschließlich auf bayerischen Gebiet statt, nicht in Österreich bzw. Tirol. Es geht um das Flussbett bei Mittenwald, den Flussabschnitt zwischen Lenggries-Bad Tölz, den Fluss-abschnitt Sylvensteinsee bis Jachenmündung sowie den Flussabschnitt Ascholdinger und Pupplinger Au. Mittenwald und Isar 1820 Bayer. Landesamt für Digitalisierung, Breitband u. Vermessung In der Karte unten rechts sieht man den Ort Mittenwald mit der noch natürlich fließenden Isar. Isar-Korrektion bei Mittenwald von 1859 bis 1906 (Quelle WWA WM) Die Isar fließt auf dieser Planung von links nach rechts. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts war man technisch in der Lage Wildflüsse einzudämmen, zu kanalisieren. Die Isar in Mittenwald heute Ehemalige Isaraue E So sieht die Isar heute in Mittenwald aus. Die ehemalige Isaraue ist größtenteils verbaut mit Bahnanlagen und Siedlung. Die Isar selbst fließt kanalartig gerade am rechten Rand der blauen Fläche . Die Isarauen zwischen Lenggries und Bad Tölz Wildflusslandschaft Karte oben 1920 Auswirkungen der Mittelwasserregulierung, Karte unten 1935 Karte I 1920 Karte II 1935 Aus der natürlichen Furkationsstrecke wurden künstliche Mäander. Mittelwasser-Regulierung zwischen Lenggries und Tölz 1912 – 1938 (Quelle WWA WM) Mit der Mittelwasserregulierung strebte man Landgewinnung an. Wie sollte die ablaufen? Man schaffte der Isar einen neuen Flusslauf und verbaute jeweils die Prallhänge. Das meiste Hoch-wasser sollte innerhalb der Verbauung ablaufen, der Rest in der Aue. Damit wurde die Aue anfangs bei jedem größeren Hochwasser überströmt. Die Querbauten sollten das Hochwasser bremsen damit sich Feinstoffe absetzen. Mit dem zunehmenden Bewuchs sollten dieser zusätzlich das Hochwasser aus-kämmen und den Aueboden verbessern. Man hatte die Rechnung ohne die Isar gemacht. Sie grub sich sehr schnell in dem verkürzten Lauf ein und nahezu das gesamte Hochwasser hatte nun Platz. Der größte Teil der Aue wurde zur Trockenaue. Veränderungen der Isarauen zwischen Lenggries und Bad Tölz zwischen 1875 und 1977 Isarauen zwischen Lenggries und Bad Tölz Legende der folgenden 5 Karten Die Vegetation von 1977 wurde im Gelände kartiert und an Hand der aktuellen Luftbilder abgegrenzt. Um die Sukzession der Isarauen aufzuzeigen, wurden Vegetationsformationen ausgewiesen. Die in den Luftbilder deutlich zu unterscheiden waren. Sie könnten heute Lebensraumtypen genannt werden. Die 1958er, 1935er, 1920er Karten wurden über Luftbildern interpretiert. Veränderungen der Isarauen zwischen Lenggries und Bad Tölz zwischen 1875 und 1977 Karte 3 basiert auf Luftbildern Karte I 1875 von 1935, dort werden die Auswirkungen der Mittelwasserregulierung sehr Karte II 1920 deutlich. Aus einer verzweigten Furkationsstrecke wurde ein einziger Karte III 1935 Flusslauf. Durch die Verkürzung des Flusslaufs und der verstärkten Schleppkraft Karte IV1958 tiefte sie sich innerhalb zwei Jahrzehnte um mehr als zwei Meter ein. Damit Karte V 1977 konnte nahezu das gesamte Hochwasser innerhalb der Verbauungen ablaufen. Der erwünschte Effekt der Meliorierung trat nicht ein. Vielmehr entwickelte sich eine Trockenaue mit Brennen. Diese Sekundärbiotope sind nicht weniger interessant, was die Vegetation und die Insektenfauna betrifft. Karte 4 (1958) und 5 (1977) zeigt den zunehmenden Bewuchs der Auenflächen. Der früher überwiegende Kiesflächenteil, typisch für einen alpinen Wildfluss ist heute verschwindend gering. Pflanzen der Isarauen Schneeheide (Erica carnea), Silberwurz (Dryas octopetala), herzblättrige Kugelblume (Globularia cordifolia), Heideröschen oder Rosmarinseidelbast (Daphne cneorum) und Fliegenragwurz (Ophrys insectifera) in der Spalier- und Zwergstrauchheide. Weitere Pflanzen der Isarauen Frauenschuh (Cypripedium calceolus) im SchneeheideKiefernwald Deutscher Enzian (Gentiana germanica) im Magerrasen z. T. auch in der Spalier- und Zwergstrauchheide Deutsche Tamariske (Myricaria germanica) in Sand und Kies nahe dem Fluss Rotflügelige Schnarrheuschrecke Gefleckte Schnarrschrecke (Bryodemella tuberculata), stellvertretend für die Tierwelt in den vegetationsarmen Auen der Oberen Isar. Diese Leitart der Wildfluss-Landschaft hat hier ihr letztes größeres Verbreitungsgebiet in ganz Deutschland. Einzugsgebiete und damit Abflüsse, die der Isar durch Ableitungen entzogen wurden (Quelle LFU, ergänzt) 1918-1924 wurde das Walchenseekraftwerk gebaut. Dabei nutzte man den 200 m Höhen-unterschied von Walchensee und Kochelsee. Schon bei den ersten Planungen 1904 erkannte man, dass das Einzugsgebiet des Walchensees zu klein ist und plante die Überleitung der Isar und des Rißbaches. Der natürliche Abfluss, die Jachen wurde abgesperrt. Durch den Wider- stand von Gabriel von Seidl wurde auf den Rißbach verzichtet. 1924 bis 1928 entstand das Achensee- Kraftwerk. Es nutzt die 400 m Höhenunterschied ins Inntal. Auch hier wurde der Abfluss, die Seeache bzw. Walchen abgesperrt und immer mehr Bäche beigeleitet. Kurz nach dem 2. Weltkrieg kam es immer wieder zu Stromausfällen. Die Alliierten verboten den Wiederaufbau von zerstörten Kraftwerken, die intakten durften ertüchtigt werden. Damit wurden die alten Pläne aktuell, die Ableitung des Rißbaches wurde 1947-1949 realisiert. Im Gegenzug durften die Österreicher die Dürrach, ebenfalls ein wichtiger Zufluss zur Isar, 1951 in den Achensee ableiten. Insgesamt werden der Isar zwischen Krün und Wolfrats-hausen mehr als die Hälfte des natürlichen Abflusse entzogen. In Wolfratshausen kommt über die Loisach (durchfließt den Kochelsee) das abgeleitete Isarwasser wieder in die Isar. Isar zwischen Vorderriß und Wallgau 1967 (Foto Otto Kraus) Die Folge war: 18 km Flussbett waren trocken, das Grundwasser bis auf 17 m unter Grund abgesenkt. An über 320 Tagen im Jahr floss hier kein Wasser. Nur die geschiebeführende Hochwasser hat man dem natürlichen Flussbett gelassen. Das ist noch heute ein wirtschaftlicher Grund. Wenn man diese bettbildenden Hochwasser ableiten würde, brächte der Geschiebetrieb Kies in den Werkkanal, wie der Ableitungskanal heißt, und in die Stollen. Diese zu räumen, bedeutet einen erheblichen Aufwand. Isar zwischen Vorderriß und Wallgau heute Heute fließt zwischen Krün und Vorderriß wieder ein durchgehender Fluß . Seit 1990 wird kontinuierlich Restwasser in das natürliche Bett geleitet: 4,8 m³/s im Sommer und 3,0 m³/s im Winter. Dies war bisher der größte Erfolg der Notgemeinschaft Rettet die Isar, die 1974 gegründet wurde. Heute zeigt sich dort eine Wildflusslandschaft mit einem sehr interessanten Patchwork von Pflanzeneinheiten. Allein die Menge an Schwemmholz zeigt wie intakt der Wildfluss hier ist. Die Isar fließt auf den Fotografen zu. Im Westen, d.h im Hintergrund liegt das Wetterstein-Massiv mit der Zugspitze. Der Rißbach auf bayerischer Seite Die Folge der Ableitung des Rißbaches 1949 ist, dass er noch heute an über 300 Tagen pro Jahr auf knapp 5 Flusskilometer kein Wasser fließt. Willdfluss-Landschaft der Isar zwischen Vorderriß und Sylvensteinspeicher Die Isar zwischen Vorderriß und Sylvensteinspeicher bei ablaufendem Hochwasser. Es hat neben Geschiebe viel Wild- bzw. Schwemmholz gebracht. Die Isar kann in diesem Abschnitt mit dem Tagliamento verglichen werden. Sie nimmt die gesamte Talfläche ein und ist in mehre Flussarme aufgespalten. Das Flussbett verändert sich nach jedem bettbildendem Hochwasser. Dies ist die letzte alpine WildflussLandschaft Deutschlands auf einer Länge von …km und einer Fläche von …..km². Der Sylvensteinspeicher wurde zwischen 1954 und 1959 gebaut, um Hochwasserspitzen zurück zu halten und um das Niederwasser zu erhöhen Die zahlreichen Ableitungen erforderten den Sylvensteinspeicher zu bauen. Damit können bei Hochwasser die Spitzen gekappt werden, was sich bis Landshut auswirkt. In den niederschlagreichen Sommermonaten wird Wasser zurückgehalten. Im Winter wird der Abfluss durch Schneefall verringert, was zum natürlichem Niederwasser führt. Durch Abgabe aus dem Speicher wird diese Niedrigwasser erhöht. Das sind die positiven Eigenschaften des Sylvensteinspeichers. Für die Auen war er neben den Regulierungen einer der gravierendsten Eingriffe. Der Sylvensteinspeicher ist eine Geschiebefalle: 60.000 m³/a Kies bleiben durchschnittlich an den Einläufen liegen. Dieser Kies fehlt unterhalb und beeinträchtigt die Dynamik des Wildflusses. Die Isarauen unterhalb des Sylvensteinspeicher Dammes 1958 Noch 1958 war die Isar direkt unterhalb des Staudammes eine Wildfluss-Landschaft. Frau Dr. Eva Siede von der Bayerischen Landesstelle für Wasserwirtschaft kartierte damals diese Flächen bis zur Jachenmündung. Es war eine Zustandskartierung, die eigentlich mit der heutigen Situation verglichen werden müsste. Die Isar unterhalb des Sylvensteindammes 2013 Grundablass/Auslauf Damm insbesondere wenn der See nach Hochwasser abgelassen wird. Dieses von Geschiebe geklärte Wasser gräbt sich in die Tiefe, obwohl hier nie Längsverbauungen eingebracht wurden. So sieht diese Fläche heute, 2013 aus. Die Isar unterhalb des Sylvensteindamms ist ein einziger Flussschlauch. Die Isar hat sich wegen des fehlenden Geschiebes eingetieft. Trotz Sylvensteinspeicher haben wir hier hohen Abfluss, Pupplinger Au vor dem Bau des Sylvensteinspeichers Hier die Pupplinger Au Ende der 1950er Jahre, Foto Erika GrothSchmachtenberger. Das Foto zeigt die Pupplinger Au von der Weißwand nach Süden. Große Kiesfelder, wenig Bewuchs. Hier war die Geschiebenachfuhr noch intakt Ascholdinger und Pupplinger Au Kartierung von Dr. Thomas Schauer Verbauungstrecke 1925 1962 1985 Auch hier zeigt sich der Einfluss des Sylvensteinspeichers und des Tölzer Flusskraftwerks (erbaut 1956-1958) deutlich. Durch die Sukzession eroberte große Flächen der bisher freien Kiesbänke. Es zeigt sich auch eine ähnliche Entwicklung wie zwischen Sylvenstein-speicher und JachenMündung, obwohl nur ein kleiner Teil (gerade Fluss-Strecke) verbaut wurde. Ascholdinger und Pupplinger Au 1995 Über diese riesigen Flächen (die Aue ist dort bis zu 1,5 km breit) kann sich der Fluss ausbreiten. Durch viele Eingriffe des Menschen, die insbesondere durch eingeschränkten Abfluss (Walchensee-Kraftwerk) und durch Geschieberückhalt (Sylvensteinspeicher und Tölzer Kraftwerk) wurde dieses einmalige Gebiet in seiner Dynamik stark beeinflusst. Bei den Extremhochwässern 1999, 2005 und 2013 hat sich die Isar neue Wege gesucht und so diese Wildflusslandschaft neu belebt. Isar-Renaturierung bei Lenggries 1997 In den 1990er Jahren begann man an der Oberen Isar mit Renaturierungsmaßnahmen. Hier wird der Bewuchs entfernt und der humosen Boden abgetragen. Das Ziel ist die Remobilisierung der Kiesbank beim nächsten Hochwasser. Das konnte für ca. 10 Jahre erreicht werden. Aber sobald die bettbildenden Hochwasser ausbleiben, wachsen die Kiesflächen wieder zu. Was mittlerweile wieder geschehen ist. Entbuschung und Beweidung 2003 wurden zwei Flächen orographisch rechts, im Norden von Lenggries entbuscht, insgesamt 2,2 ha. Dabei wurden nur höherwachsende Gehölze gefällt und entnommen. Seit 2005 wird die nördlich gelegene Fläche mit Ziegen beweidet. Vergleich der zwei beweideten Auenflächen Die beweidete Fläche am 13.05.2015 Die nicht beweidete Fläche am 13.05.2015 Ergebnis: Der Weidenaufwuchs wird unterbunden. Auf die seltenen Arten, wie Orchideen hat das keinen Einfluss, weil erst Ende Mai aufgetrieben wird Ausgleichsmaßnahme zu Gunsten der Isarauen zwischen Lenggries und Bad Tölz 2013, Arzbach Gewerbegebiet Arzbach B 13 Hier wurde von 2012 bis 2015 insgesamt eine 12 ha große Fläche der Isarau, orographisch links, maschinell entbuscht. Es war eine Ausgleichsmaßnahme für den Schneiteich am Brauneck/Lenggries (Foto: Juni 2013). Blick von Hochalm auf das Isartal mit der Gemeinde Lenggries Trotz der vielen Eingriffe, ist die Obere Isar immer noch ein attraktives Ziel für Erholungssuchende. Resümee Durch Korrektionen wurden die größten Eingriffe vorgenommen. Durch Ableitungen wurde die Aue streckenweise ausgetrocknet. Durch Rückleitung/Restwasser wurde die Aue von Pflanzen zurückerobert. Durch Renaturierungen (Rückbau der Verbauungen, Aufweitung des Flusses, Gehölzentnahme und Remobilisierung von Kiesflächen) versucht man der Sukzession entgegenzuwirken und dem Fluss wieder mehr Raum zu geben. Durch die Beweidung will man ebenfalls der GehölzSukzession entgegenwirken. Mit diesem Foto von der letzte großflächigen alpinen Wildfluss-Landschaft Deutschlands zwischen Sylvensteinspeicher und Vorderriß beschließe ich meinen Vortrag. Vielen Dank für Ihr Interesse! (Soweit nicht besonders gekennzeichnet alle Fotos vom Verfasser)