News_09-2015_D - Auktionen Dr. Crott
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News_09-2015_D - Auktionen Dr. Crott
Auf die Verpackung kommt es an Dr. Crott versteigert Uhren in Emailgehäusen der Familie Huaud Realisierter Preis 54.500 € D e r Name Huaud beziehungs weise Huaut, gelegentlich auch Huault, steht für Email malerei von höchster Qualität. Die von Mitgliedern der Familie verzier ten Emailgehäuse wurden in ganz Europa sehr geschätzt. Das ist bei den heutigen Sammlern nicht an ders. Nächste Gelegenheit, Uhren mit Huaud-Gehäuse zu kaufen, ist die bevorstehende Auktion bei Dr. Crott. Vor vierzig Jahren hielt das Auktionshaus, damals als Dr. Crott 8 Schmelzer noch in Aachen ansässig, seine erste Versteigerung ab. Seit 1993 leitet Stefan M user das Unter nehm en, das seinen Sitz nun in Mannheim hat. Die Auktionen fin den aber traditionell in Frankfurt statt. Zum Jubiläum am 15./16. Mai kommen nun zwei Taschenuhren mit Emailarbeiten von Jean Pierre Huaud beziehungsweise Les freres Huaud zum Aufruf. Die Tradition der Emailkunst, die schon im alten Ägypten bekannt war, hat auch in Frankreich eine lange Geschichte, die im 12. Jahr hundert in Limoges eine erste Blüte erlebte. Im 17. Jahrhundert entwi ckelte sich die etwa 180 Kilometer südlich von Paris gelegene Stadt Blois ebenfalls zu einem wichtigen Zentrum. Viele der - hugenotti schen - H andwerker Frankreichs mussten allerdings aufgrund reli giöser Verfolgung das Land verlas sen; etliche davon fanden Zuflucht in Genf. Zu ihnen gehörte der 1612 in Chätellerault bei Poitiers als Sohn eines Goldschmieds geborene Pierre Huaud, der sich 1630 in Genf niederließ. Dort w aren drei seiner insgesam t elf Kinder nachweislich als Emailmaler tätig. Neben Pierre II (1647-1698) lernten auch JeanPierre (1655-1723) und Ami (1657-1724) die hohe Kunst des Verzierens in der väterlichen Werk statt. Pierre II m achte sich 1680 selbständig und zwei Jahre später gründeten seine beiden Brüder ebenfalls eine eigene Werkstatt. Sie signierte fortan ihre Arbeiten mit „Les freres H uaud“, „Les deux fre- Merkmal aller Huaud-Gehäuse ist, dass alle Flächen bemalt sind res H uaud“, gelegentlich auch „Fra tres H uaud“ (s. G. H. Baillie, Watches, London, 1929, S. 147; Hans Boeckh, Emailmalerei auf Genfer Taschenuhren, Diss. Freiburg 1982, S. 73 ff.). Obwohl die Mitglieder d er Fami lie Huaud in erster Linie für ihre Uhrgehäuse bekannt sind, begegnet man auf Auktionen auch anderen von ihnen dekorierten Gegenstän den. Man findet Miniaturen auf Kup fer, mit mythologischen oder religiö sen Motiven oder mit Porträts, etwa von Wilhelm III., Prinz von Oranien. Dazu dekorierten sie Tabatieren und anderen Preziosen. Das wohl unge wöhnlichste Zeugnis ihrer künstleri schen Tätigkeit ist eine Kupfer-undGoldcmail-Tasse mit Untertasse, die mit Darstellungen mythologischer Liebespaare dekoriert ist und sich seit dem späten 19. Jahrhundert im Victoria 8 Albert Museum in London befindet. Merkmal aller Huaud-Uhrgehäuse ist die Tatsache, dass alle Flächen bemalt wurden. Während viele ihrer Kollegen und Nachfolger häufig nur die Sichtfläche auf der Rückseite des Gehäuses verzierten, waren bei Huaud-Uhren Gehäusewandung und Innenschale bemalt, manchmal auch die Zifferblattmitte. Die Innen bemalung, meist eine Landschaft, kam nur zum Vorschein, wenn der Besitzer das mit einem Scharnier befestigte Werk herausgeklappt hat te - ein zusätzlicher Bonus, sozusa gen. Auf der Wandung befand sich häufig eine kleine Kartusche mit der Signatur. Die beliebtesten Motive auf der Außenseite waren religiöse oder biblische Szenen. Bei vielen konnte die gedruckte oder gemalte Vorlage identifiziert werden. Bahn brechende Arbeit auf diesem Gebiet hat Hans Boeckh geleistet, dessen oben erwähnte Dissertation von 1982 bis heute als unverzichtbares Standardwerk gilt. Huaud-Emailarbeiten wurden in viele Länder exportiert. Uhrmacher aus Frankreich, den Niederlanden, Großbritannien, der Schweiz und Deutschland haben Gehäuse bezo gen und mit ihren Werken versehen. 1686 folgten die beiden Brüder dem Ruf nach Berlin, wo sie zu Hofma lern des Berlin-brandenburgischen Abb.: Dr. Crott, Mannheim T A X E 3 0 0 0 0 € Goldemail Spindel taschenuhr „Die Heilige Familie auf der Flucht nach Ägypten", Gehäuse Jean Pierre Huaud, Werk Henry Massy, London, ca. 1710, 0 4cm, 58g 519 * / Les Freres H uaut / Abb.: Dr. Crott, Mannheim T A X E 3 5 0 0 0 € Doppelgehäuse Goldemail Spindeltaschenuhr „Die Anbetung der Hirten", Gehäuse Les Freres Huaut, ca. 1687, Werk Thomas Rayment, London, 0 4,9cm, 99g Kurfürsten ernannt wurden. Laut Ar chivalien erhielten die Brüder je weils 200 Thaler im Jahr, wobei 1691 das Gehalt von Jean-Pierre ver doppelt wurde. Bis 1700 blieben die M alerbrüder in Berlin, kehrten dann zusammen nach Genf zurück, wo sie bis zum Tod von Jean-Pierre im Jahr 1723 arbeiteten. Ein Jahr später ver starb auch Ami Huaud. Ihre Signaturen blieben vielfäl tig, reflektierten aber ihre neue Po sition in Berlin, so auch bei d er ers ten jetzt von Dr. Crott für 35000 Euro angebotenen Uhr. In einer Kartusche steht - schw er leserlich - „Les deux freres Huaud peintre de Son Aütessel [TlEllecteur] de Brandebourlgl“. Das Motiv, das sie für dieses Gehäuse wählten ist „Die Anbetung der H irten“ (Abb.). Die Komposition basiert auf einem 1620 von Johannes Vosterman (Vorsterman) ausgeführten Kupferstich nach dem gleichnam igen RubensGemälde, das der M aler für die ehe malige Kapuzinerkirche in Aachen anfertigte. Das Gemälde befindet sich seit 1802 im M usee des BeauxArts in Rouen (s. Boeckh, S. 105). Ein nahezu identisches Gehäuse ge hört zum Inventar des Pariser Mu see des Arts Decoratifs. W ährend das Gehäuse in die Zeit um 1687 datiert w erden kann, ist das Werk der jetzt angebotenen Uhr etwas jünger. Es stam m t von dem Londoner U hrm acher Thomas Rayment, der 1708 seine Lehre be gann und von 1719 an als Mitglied der Uhrm acherzunft „Clockmaker’s Company“ verzeichnet ist (s. Brian Loomes, Watchmakers and Clockmakers of the World, London, 2006, S. 642). 1744 w ar e r zw ischenzeit lich bankrott, schien sich ab er spä ter finanziell erholt zu haben: Seine M itgliedschaft in d er Zunft dauerte bis 1768. Es sind nicht viele seiner A rbeiten erhalten, ab er e r hinter ließ durchaus komplizierte Uhren, die zum Teil mit Repetition ausge stattet sind. Nach alter Sammlerregel gelten Uhren, bei denen Werk und Gehäu- Die Gehäuse waren so kostbar, dass man sie nicht einfach entsorgte se nicht zeitlich zusam m enpassen, sogenannte Marriages, als m inder wertig. Bei den frühen Emailgehäu sen aus Blois oder Genf ist die Lage anders. Die Gebrüder Huaud ver kauften ihre Gehäuse an Uhrm acher in vielen Ländern, die dann ein pas sendes Werk entw eder selbst anfer tigten oder einkauften. Dieser Pro zess konnte m ehrere Jahre dauern. Es gibt aber auch Uhren, bei denen das Werk etliche Jahrzehnte jünger als das Gehäuse ist. Auch das lässt sich leicht erklären: Die von den Huauds verzierten Gehäuse waren schon im 17. und 18. Jahrhundert so kostbar, dass man sie nicht einfach entsorgte, wenn das Uhrwerk nicht m ehr funktionierte oder technisch veraltet war. Namhafte Uhrmacher wurden beauftragt, „neue“ Werke anzufertigen, damit die Besitzer weiterhin in Genuss der dekorativen Zeitm esser bleiben konnten. Das Werk d er ersten in Frankfurt offerierten Huaud-Uhr ist definitiv sp äter entstanden. Im Fall der zwei ten spricht ab er seh r viel dafür, dass es nahezu zeitgleich gefertigt wurde. Der Uhrmacher, der das Em ailgehäuse bezog, w ar Henry Massy, d er in London zwischen 1692 und 1745 nachw eisbar ist. Er hatte interessanterw eise eine fami liäre Beziehung zum französischen Emailzentrum Blois. Denn sein Va ter, d er U hrm acher Nicholas II Massy, w ar dort 1641 geboren. 1682 floh er aus Frankreich, wählte allerdings nicht Genf, sondern Lon don als Zufluchtsort. Das Emailgehäuse der Uhr, die auf 30000 Euro taxiert ist, wird vom Auktionshaus Jean Pierre Huaud zu geschrieben, dessen M onogramm in einer kleinen Kartusche zu finden ist. Als Außenmotiv malte er „Die Heilige Familie auf der Flucht nach Ägypten“ (Abb. S. 12); die Innen schale ist mit einer altmeisterlichen Landschaft verziert, wohl inspiriert von einem niederländischen Maler, möglicherweise Paul Bril (1556— 1626). JO N A T H A N w . F R A N K S -> DR. CRO TT Frankfurt a. M., Auktion 15./16. Mai, Besichtigung 14.-16. Mai www.uhren-muser.de