Nicht auf Strassen angewiesen

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Nicht auf Strassen angewiesen
Technik 47
118 swissfire.ch 8|2011
Einsatzfahrzeug für Schmalspur-Eisenbahntunnel
Nicht auf Strassen
angewiesen
Mit Schienenführungen versehen nutzt der
­Kawasaki sowohl das Bankett wie auch die
­Schienen als Fahrflächen.
Drei Halterungen für Korbtragen ermöglichen
den Patiententransport in liegender Position.
Für das Meterspurnetz der Zentralbahn
steht kein Lösch- und Rettungszug zur Verfügung. Darum brauchte die Stützpunktfeuerwehr Stans für den Einsatz im 4,1 Kilometer langen Tunnel Engelberg mit einer
105‰-Steigung ein geeignetes Fahrzeug.
Weil ein rein schienengebundenes Fahrzeug für die Miliz-Fahrzeugführer aus zulassungstechnischen Gründen nicht infrage
kam, war eine unorthodoxe Lösung gefragt. «So kamen wir auf die Idee, mit zwei
Rädern auf dem seitlichen Tunnelbankett
und mit zwei Rädern auf den Schienen zu
fahren», umreisst Feuerwehrkommandant
Bäni Achermann den Lösungsansatz.
Eine erste Knacknuss war allerdings die
Wahl des Grundfahrzeugs, die durch ver-
schiedene Vorgaben eingeschränkt wurde.
Es musste über Allradantrieb verfügen, eine
grosse Nutzlastkapazität aufweisen und für
den Tunnelbetrieb mit Dieselmotor ausgerüstet sein.
Neuland betreten
Das Geländefahrzeug Kawasaki MULE
4010 erfüllte diese Anforderungen. Im Auftrag der Zentralbahn und in enger Zusammenarbeit mit der Feuerwehr baute es die
Tony Brändle AG um und machte es für den
Einsatz auf dem Bahntrassee fit. «Für uns
war der Auftrag in mancher Hinsicht interessanter als ein grosses TLF, weil wir damit Neuland betraten», sagt Fredy Röthenmund, Leiter Technik und Entwicklung
beim Ostschweizer Fahrzeugausrüster.
Als grösste Herausforderung bezeichnet
Röthenmund die Führungen, die nötig sind,
damit die Räder nicht von den Gleisen rutschen. Sie müssen stabil sein, schnell und
einfach montiert werden können und dürfen die Nutzlast nicht vermindern. Zu diesem Zweck ergänzte Brändle den Kawasaki
vorne und hinten mit Geräteträgern, die in
der Höhe verstellt werden können. Daran
kann die Feuerwehr Stahlstützen montieren, die mit Kunststoffrollen versehen sind.
Konzept im Tunnel getestet
Während der Entwicklungsphase durch­
geführte Testfahrten bestätigten, dass sich
das Fahrzeug auf dem Bankett und einer
Schiene äusserst stabil verhält. Der Anpressdruck der Reifen auf die Schienen genügt, um auch bei voller Beladung in der
Steigung anzufahren und zu bremsen. Auch
die Weichen und die Zahnstange waren
keine Hindernisse. Bahntechnische Instal-
Fotos: Edi Ettlin
Für den Eisenbahntunnel nach Engelberg erhielt die Stützpunktfeuerwehr Stans ein Rettungs-, Lösch- und Transportfahrzeug. Der Kawasaki
MULE kann im Nu mit Schienenführungen ausgerüstet werden. Einen
willkommenen Zusatznutzen bringt das Fahrzeug mit der HochdruckLöschanlage überall dort, wo für ein TLF Endstation ist.
48 Technik
W Technische Daten
Kawasaki MULE 4010 Diesel
Motor
Dreizylinder Viertakt-Diesel
953 cm3, 24 PS bei 3600 U/min,
52 Nm bei 2800 U/min
Getriebe
Automatik mit Untersetzung und
Rückwärtsgang, zuschaltbarer
4 WD, Sperrdifferenzial vorne mit
­zuschaltbarem Hinterachssperrdif­
ferenzial. Riemenwandler, Höchst­
geschwindigkeit ca. 45 km/h; vorne
und hinten hydraulische Trommelbremsen
Abmessungen (L × B × H)
3005 × 1575 × 2150 mm; Radstand
1870 mm; Spurbreite V 1160 mm,
H 1180 mm; Bodenfreiheit
175 mm; Wenderadius 3400 mm;
Leergewicht 790 kg; Gesamtgewicht
1528 kg; ­Anhängelast: 545 kg
Schweizerische Feuerwehr-Zeitung
Der 100 Meter lange, dünne Schlauch der
­Hochdrucklöschanlage ermöglicht ein rasches
­Vorrücken.
lationen an den Schienen machten hingegen geringfügige Änderungen an den Führungsrollen nötig.
Für den Löscheinsatz ist das vom
Brändle-Team «Tunnelblitz» getaufte Fahrzeug mit einer Oertzen-Hochdrucklösch­
anlage ausgestattet. Auf der Fronthaspel
­befinden sich 100 Meter Schlauch. Dank
feiner Zerstäubung werden die 140 Liter
Wasser optimal genutzt. Buchstäblich im
Handumdrehen kann der Rohrführer von
Sprühstrahl auf Schwerschaum umschalten.
Vielseitig nutzbar
Der Pritschenaufbau ist für verschiedenste
Anforderungen beim Personen- und Materialtransport flexibel ausgelegt. Die seitlichen Sitzbänke lassen sich zusammenklappen. Wahlweise können Halterungen für bis
zu drei Patienten-Korbtragen angebracht
Löschtechnik
Hochdrucklöschanlage
HDL 250 Diesel, 10 PS; Wassertank ca. 140 l mit Fremdeinspeisung; Betriebsdruck 250 bar, 25 l/
min; Schaumzumischung für Netzmittelbetrieb oder Schaumbetrieb;
Schlauchhaspel 100 m an der Fahrzeugfront montiert
Ausrüstung und Material
Alu-Pritschenaufbau mit seitlichen
Sitzbänken; Halterungen für drei
Krankentraghalterungen; vier Rollenführungen für den Bahnbetrieb;
­Umfeldbeleuchtung, Lichtmast 5 m,
Suchscheinwerfer; Stromerzeuger
2 kVA; Seilwinden an Fahrzeugfront
und Fahrzeugheck; Materialbehälter
für Frontmontage
Der «Tunnelblitz».
werden. Seilwinden vorne und hinten sowie
umfangreiche Beleuchtungsmöglichkeiten
vervollständigen die Ausrüstung. Für den
Transport des «Tunnelblitz» und des Zubehörs an den Einsatzort steht ein befahrbarer
Anhänger bereit.
Alle Aufgaben, für die das Fahrzeug im
Tunnel vorgesehen ist, kann es auch auf
dem übrigen Streckennetz sowie offroad
oder in engen Verhältnissen erfüllen. In
Parkhäusern ist die Hochdrucklöschanlage
beispielsweise eine gute Alternative zu den
Löschposten. Mit dem Inhalt des Wassertanks lässt sich die Zeit überbrücken, die
der Aufbau einer langen Angriffsleitung ab
TLF benötigt. Dem Stützpunkt Stans bringt
das Fahrzeug auf diese Weise einen doppelten Nutzen.
Auch Konstrukteur Fredy Röthenmund
zeigt sich zufrieden mit dem Resultat: «Wir
konnten sehr kreativ sein und zusammen
mit der Feuerwehr alle Ideen verwirklichen.» f
Edi Ettlin, Korrespondent NW