Kraftwerksbau einst und jetzt am Beispiel der Kraftwerksgruppe

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Kraftwerksbau einst und jetzt am Beispiel der Kraftwerksgruppe
Österr. Tunneltag 2008
Kraftwerksbau einst und jetzt
am Beispiel der Kraftwerksgruppe Glockner/Kaprun
und des PSW Limberg II in Kaprun
DI Andreas Hager, G. Hinteregger & Söhne Baugesellschaft mbH
DI Erich Wagner, Verbund - Austrian Hydro Power AG
Zusammenfassung
Die Kraftwerksanlage Glockner/Kaprun wurde in den Jahren 1946 bis 1955 errichtet.
Die Anlage besteht aus der Haupt- und Oberstufe mit einer Leistung von in Summe
353 MW. Seit 2006 wird die bestehende Kraftwerksgruppe Glockner/Kaprun von der
Verbund - Austrian Hydro Power um das Pumpspeicherwerk Limberg II erweitert. Es
wird ein neues Kavernenkraftwerk mit zwei reversiblen Pumpturbinen zu je 240 MW
Leistung unterirdisch errichtet. Im Laufe von 50 Jahren haben sich die technischen
Hilfsmittel und die Vortriebstechniken entscheidend entwickelt, der Personaleinsatz
wurde dadurch wesentlich reduziert. Die Bauarbeiten im Hochgebirge sind damals
wie heute von außergewöhnlichen Erschwernissen infolge der Höhenlage gekennzeichnet. Für die Aufrechterhaltung des Baubetriebes ist eine präzise Arbeitsvorbereitung und ausgereifte Baustellenlogistik erforderlich.
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Abb. 1 - Schemaübersicht Oberstufe PSW Limberg II
1. Kraftwerksanlage Glockner/Kaprun
Der Spatenstich für die Kraftwerksanlage Glockner/Kaprun erfolgte bereits vor dem
2. Weltkrieg. Mit dem Bau wurde ebenfalls noch vor dem Krieg begonnen, infolge der
Kriegwirren mussten die Arbeiten jedoch unterbrochen werden. In den Jahren 1946
bis
1955
wurde
im
Auftrag
der
Tauernkraftwerke
die
Kraftwerksgruppe
Glockner/Kaprun fertig gestellt. Die Anlage besteht aus der Haupt- und Oberstufe
und wurde in zwei Bauetappen errichtet:
HAUPTSTUFE, 1946 – 51: Als wesentliche Bauteile wurden die Limbergsperre mit
dem Kraftabstieg vom Maiskogel und dem Krafthaus der Hauptstufe errichtet und in
Betrieb genommen. Der Druckstollen von der Sperre zum Maiskogel wurde bereits in
den Kriegsjahren zwischen 1939 und 1942 im bergmännischen Vortrieb mit vier
Angriffspunkten aufgefahren [1].
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OBERSTUFE, 1950 – 55: Nach dem 2. Weltkrieg wurde die Kapruner Hauptstufe um
die Oberstufe erweitert, die Finanzierung erfolgte durch Gelder aus dem Marshall
Plan. Es wurden der Speicher Margaritze südlich des Alpenhauptkammes zur Beileitung des Abflusses der Pasterze, die Mooser- und Drossensperre, inkl. dem
Druckstollen und -schacht gebaut. Das Krafthaus der Oberstufe wurde talseitig der
Limbergsperre situiert. Die Inbetriebnahme der Oberstufe erfolgte im Jahr 1955 [2].
In den beiden Werken der Haupt- und Oberstufe wird seither durchgehend Strom
produziert. Die beiden Speicher Wasserfallboden und Mooserboden verfügen über
einen Speicherinhalt von jeweils ca. 80 Mio. m³, die Leistung der gesamten Anlage
beläuft sich auf 353 MW.
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Abb. 2 - Limbergsperre mit Hohen Tauern
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2. PSW LIMBERG II
Zwischen 2006 und 2011 wird die bestehende Kraftwerksgruppe Glockner/Kaprun
von der Verbund - Austrian Hydro Power AG um das Pumpspeicherwerk Limberg II
erweitert. Es wird ein neues Kavernenkraftwerk mit zwei neuen Pumpturbinen zu je
240 MW Leistung unterirdisch errichtet. Die beiden Speicher Mooserboden und Wasserfallboden werden über einen neuen 4,4 km langen Triebwasserstollen und einen
knapp 0,7 km langen Druckschacht verbunden. Im Speicher Mooserboden und im
Speicher Wasserfallboden wird je ein Ein-/Auslaufbauwerk errichtet, die Verbindung
zum Wasserfallboden erfolgt über einen 400 m langen Unterwasserstollen.
Zusätzlich wird der eigentliche Kraftwerksbereich auf 1.500 m Seehöhe über eine
5,5 km lange unterirdische Zufahrt vom Kapruner Hintertal aus erschlossen. Im Bereich Höhenburg wird der Triebwasserstollen über einen 1,2 km langen Zugangstunnel erreicht [3].
Die gesamten Hauptbauarbeiten im Projekt werden im Auftrag der Verbund Austrian Hydro Power AG von der Arbeitsgemeinschaft PSW LIMBERG II, bestehend
aus den Firmen G. HINTEREGGER & Söhne, ÖSTU-STETTIN, PORR Tunnelbau
und SWIETELSKY Tunnelbau, ausgeführt.
Allgemeiner Vergleich der Projekte:
Kaprun- Hauptstufe
-Oberstufe
Bauzeit:
Fertigst. 1946-51
1951 -55
2006-11
Personalstand, Mittelwert:
3.000 Mann
2.000 Mann
250 Mann
Personal am Mooserboden:
800 Mann
1.000 Mann
140 Mann
Eingebaute Betonmenge:
520.000m³
>1.000.000m³
100.000m³
Bauvertrag, LV:
2.400 Pos.
2. 500 Pos.
1.700 Pos.
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3. Lage der Baustelle
Das Kapruner Tal ist in der Nord-Süd Erstreckung eines der kürzesten Tauerntäler
und entwickelt sich vom Salzachtal nahe Zell am See nach Kaprun in Richtung Süden. Das Tal ist von den steil aufragenden Felswänden an den östlichen und westlichen Flanken gekennzeichnet.
Die heutige Baustelle erstreckt sich von der Wüstlau, nahe der Talstation der Kapruner- Gletscherbahn, über die Limbergsperre bis zum Mooserboden auf einer Länge
von 10 km und einem Höhenunterschied von 1.200 Höhenmetern. Die Bauarbeiten in
Kaprun sind damals wie heute von den außerordentlichen Erschwernissen infolge
der Höhenlage der Baustelle geprägt. Nahezu der gesamte Baubereich befindet sich
im hochalpinen Gelände, der Baubetrieb wird ganzjährig von Naturgefahren beeinflusst. Die Lawinengefahr ist aufgrund der Höhenlage der Baustelle im engen Tal
zwischen Oktober und Juni gegeben, während der Sommermonate werden die
Zufahrten von Steinschlag und Vermurungen gefährdet.
Weiters sind die Erschwernisse durch die langen und schwierigen Transportwege zur
Höhenbaustelle zu nennen. Eine Versorgung der Höhenbaustelle während der Wintermonate ist radgebunden nicht möglich. Daher müssen sämtliche Gerätschaften
und Verbrauchsmaterial bereits mit Ende des Sommers im Bauteil Höhenburg eingelagert werden.
Beispielsweise mussten für den Winterbetrieb 2007/08 bereits mit Ende Oktober
2007 folgende Baumaterialien im Bereich Höhenburg vorgelagert werden:
18.000 t
Zuschlagstoff
3.000 t
Zement
10.000 Stk.
Felsanker
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800 Stk.
Sohltübbinge mit einem Einzelgewicht von 12to/Stk.
300.000 l
Diesel
Abb. 3 - Materialdepot Sohltübbinge Mooserboden 2007
Auf der Baustelle wird ein eigener Arbeitstrupp bestehend aus 18 Mann ganzjährig
als Systemerhalter für Baustellen-Zwischentransporte und Versorgungsarbeiten beschäftigt. Zusätzlich werden 16 Mann für die Schneeräumung im Winter und die Verkehrsregelung während der Sommermonate eingesetzt.
Trotz bester Arbeitsvorbereitung war es bisher in über 35 Fällen erforderlich, unbedingt notwendige Schwertransporte mit einem Lastenhubschrauber durchzuführen,
da ein Transport am Straßenweg auch in den Sommermonaten aufgrund der Witterung nicht möglich war.
4. Baustelleneinrichtungsflächen
Aufgrund der eingeschränkten Platzverhältnisse und der Lawinengefahr während der
Wintermonate stehen naturgemäß nur sehr wenige Flächen für die Baustelleneinrichtung und den Materialumschlag zur Verfügung. Damals wie heute bedient man sich
der selben Flächen, als Beispiel sei hier die BE-Fläche auf der Heidnischen Kirche in
2.060 m Seehöhe erwähnt.
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Im Bereich der Heidnischen Kirche waren in den Jahren 1951 bis 1955 beim Bau der
Oberstufe ganzjährig um die 1.000 Mann untergebracht, heute sind es 140 Personen. Im Bereich des Kapruner Winkels wurden für den Bau der Haupt- und Oberstufe
ein Baulager mit Arbeiterquartieren, Werkstätten, Büros, Kantinen und sogar ein eigenes Werksspital betrieben.
Die Hauptbaustelleneinrichtung für das Projekt PSW Limberg II umfasst Wohnlager
für Angestellte und Arbeiter, Werkstätten, einen Materialumschlagplatz, Büros und
eine Kantine. In diesem Bereich arbeiten ganzjährig etwa 200 Personen.
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Abb. 4 - Hauptbaulager Gletscherbahn mit Zufahrtsstraße 2007
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In den ersten Baujahren der Nachkriegszeit fehlte es an Fachpersonal und allen
Baumaterialien. Die damalige Bauleitung legte auf ordentliche Arbeits- und Sozialbedingungen größten Wert, Zitat der Bauarge 1950 [4]: „In den acht Unterkunfstlagern
wurden weitgehende hygienische Maßnahmen, wie einwandfreie Trinkwasserversorgung und ausreichende Bereitstellung von Warmwasser-Brausebädern getroffen,
ferner Schuhreparaturwerkstätten, Flickstuben, Waschküchen usw. eingerichtet. Die
Abgabe von Verpflegung in schmackhafter und ausreichender Form zum Selbstkostenpreis wurde durchgeführt. Die Unterbringung der Arbeiter erfolgte in Mehrbettstuben mit zur Verfügungsstellung von Bettwäsche, Kopfpolstern und mehreren Wolldecken in einwandfreier Art und Weise. Zur Zerstreuung der Mitarbeiter wurden Kinosäle und eine Bibliothek betrieben.“ Diese Dinge waren in der Nachkriegszeit keine
Selbstverständlichkeit und stellten einen Anreiz für die Mitarbeiter dar. Wenn es nach
dem Wunsch der Belegschaft heute geht, müssten die Wohnlager neben oben angeführten Selbstverständlichkeiten auch über eine Wellnessanlage verfügen.
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Abb. 5 - Bau der Hauptstufe 1948
5. Zufahrtswege
Die Erschließung des Hinteren Kapruner Tales endet am Straßenweg nach der Gletscherbahn beim sog. Kesselfall-Alpenhaus auf ca. 1.000 m Seehöhe. Zur Überwindung einer 400 m hohen Steilstufe wurde für den Bau der Limbergsperre ein 9 to
Schrägaufzug mit einer Länge von 870 m errichtet. Für den Bau der Oberstufe wurde
die Anlage in den Jahren 1952/53 auf eine Zugkraft von 60 to ausgebaut.
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Die Anlage ist ein technisches Meisterwerk und wird bis zum heutigen Tag mit einer
Transportkapazität bis 20 to betrieben. Die Anlage wird noch heute vom Tourismusbetrieb während der Sommermonate in der bestehenden Form genutzt, es werden
über 100.000 Touristen zwischen Juli und September über diesen Aufzug befördert.
Während des ersten Baujahres im Projekt Pumpspeicherwerk Limberg II wurde im
Jahr 2006 die gesamte Versorgung des Baubereichs Höhenburg über den Lärchwand Schrägaufzug sichergestellt. Es erfolgte der Transport sämtlicher Baumaterialien, Gerätschaften, Container, Silos und Wohnlager über diesen Schrägaufzug, in
Summe wurden an die 20.000 to über diesen Aufzug transportiert. Aufgrund des
Tourismusbetriebes konnte der Schrägaufzug allerdings nur in der betriebsfreien Zeit
zwischen 18.00 und 08.00 Uhr für Bautransporte genutzt werden. Ab 2007 ist das
neue Kavernenkraftwerk Limberg II in 1.500m Seehöhe durch die neu errichtete Erschließung der Zufahrtstunnel am Straßenweg problemlos erreichbar.
Der Weitertransport bis in den Baubereich Heidnische Kirche Mooserboden erfolgt
auf der so genannten Mooserbodenstraße, die bereits vor dem 2. Weltkrieg errichtet
wurde und im Zuge der Errichtung der Oberstufe in den 1950er Jahren ausgebaut
wurde. Die Tunnel der Mooserbodenstraße sind durch die extrem kleinen Querschnitte gekennzeichnet. Beim Transport der Tunnelbohrmaschine im Jahr 2007 stellte die
lichte Höhe von 3,60 m und die Breite von 2,60 m eine besondere Herausforderung
dar. Die Maschine weist mit dem Nachlauf eine Gesamtlänge von 240 m und ein
Gewicht von 1.000 to auf. Der Bohrkopf mit einem nominalen Ausbruchsdurchmesser
von 7,03 m wurde in fünf Teilen zerlegt in diesen Baubereich angeliefert.
Im Projekt PSW LIMBERG II sind jedoch nicht alle Bauteile am Straßenweg erreichbar: Für den Vortrieb der Wasserschloss Oberkammer musste von der Baustelle im
Sommer 2007 eine eigene Versorgungsseilbahn mit einer Transportkapazität bis 14
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to errichtet werden. Das Portal befindet sich auf der Ostseite des Kapruner Tales auf
2.060 m Seehöhe. Die Talstation der Seilbahn liegt an der Mooserbodenstraße auf
1.700 m Seehöhe, die Bergstation liegt direkt über dem Portal in einem 35° steilen
Hang im hochalpinen Gelände. Für die Bauarbeiten mussten sämtliche Gerätschaften und Baumaterialien mit der Seilbahn zum Einsatzort transportiert werden. Die
konventionellen Vortriebsarbeiten konnten im Herbst 2007 abgeschlossen werden.
Abb. 6 - Seilbahn Wasserschloss-Oberkammer 2007
6. Vortriebsarbeiten
Bei den Vortriebsarbeiten hat sich natürlich im Laufe von 50 Jahren einiges geändert.
Während in den 50er Jahren sämtliche Vortriebsarbeiten im konventionellen Sprengvortrieb durchgeführt wurden, erfolgt der Vortrieb im Projekt Pumpspeicherwerk Limberg II sowohl im konventionellen Sprengvortrieb, als auch im maschinellen Vortrieb.
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Der Druckschacht und der Triebwasserstollen wurden mit offenen HartgesteinsTunnelbohrmaschinen aufgefahren. Die TBM am Triebwasserstollen weist einen
Ausbruchsdurchmesser von 7,03 m auf, die Schutterung erfolgt gleisgebunden. Die
Maschine im Druckschacht musste bei einem Ausbruchsdurchmesser von 5,80 m
und einem Gesamtgewicht von über 600 to inkl. Nachlauf eine Steigung von 45° überwinden. Bei diesen Eckdaten ist die Maschinentechnik an der Grenze des Machbaren angelangt! Auch der Vertikalkrümmer wurde im Fräsvortrieb durchfahren. Die
Vortriebsarbeiten konnten im Februar 2008 mit dem Durchschlag in die Wasserschloss Oberkammer abgeschlossen werden.
Abb. 7, Druckschacht TBM
Die gesamten Zufahrtstunnel vom Tal als auch am Mooserboden, sowie die Kraftund Trafokaverne in Limberg wurden im konventionellen Sprengvortrieb ausgebrochen.
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Vortriebsgeräte
Bedingt durch die maschinentechnische Entwicklung im Laufe von 50 Jahren kam es
bei den eingesetzten Vortriebsgeräten zu deutlichen Entwicklungsschritten. Der markanteste Fortschritt bei den konventionellen Vortriebsgeräten fand am Bohrwagensektor statt.
Beim Bau der Hauptstufe wurde noch händisch mit Lufthämmern gebohrt. Zitat der
Tauernkraftwerke [5]: „Ein Versuch die Bohrung mit Wasserspülung einzuführen,
scheiterte am entschiedenen Widerstand der Mineure, die die Gefährdung durch den
Staub der Unannehmlichkeit des Wassers und der damit verbundenen Anfälligkeit für
Rheumatismus vorzogen“.
Beim Bau der Kapruner Oberstufe in den 1950er Jahren wurden ein gleisgebundener
Bohrwagen entwickelt und eingesetzt. Dieser Vorläufer der heutigen Bohrwägen hatte drei Arbeitsplattformen und bis zu sieben Hammerbohrmaschinen mit Wasserspülung. Damit konnte die gesamte Ortsbrust gleichzeitig abgebohrt werden.
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Abb. 8, Bohrwagen 1951
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Heute werden alle Bohrarbeiten mit einem vollhydraulischen zwei- oder dreiarmigen
Bohrwagen durchgeführt. Die Einhaltung der Profilgenauigkeit wird durch computergesteuerte Programme unterstützt.
In den 50er Jahren erfolgte die Schutterung gleisgebunden mit Kippern mit einem
Fassungsvermögen von 2 m³ und Dieselloks mit einer Leistung bis 50 PS. Die Materialaufgabe auf den Zug erfolgte mit Stollenbagger oder Wurfschaufellader, mit einem
Fassungsvermögen von ca. 0,80 m³ / Schaufel. Alle Geräte wurden im Stollen gleisgebunden bewegt. Heute werden die Schutterarbeiten vom Radlader durchgeführt
und das Ausbruchsmaterial mittels Dumper wegtransportiert.
Abb. 9, Wurfschaufellader 1950
Die erzielten mittleren Vortriebsleistungen im Sprengvortrieb haben sich im Vergleich
der Hauptstufe zum Projekt Limberg II nahezu verdoppelt, wobei auch der Ausbruchsquerschnitt wesentlich größer ist. In den Jahren 1939 bis 42 wurde beim Bau
des Druckstollens für die Hauptstufe eine Tagesleistung von 4,80 m/AT erzielt. Diese
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Leistung ist besonders erwähnenswert, wenn man bedenkt, dass die Bohr- und
Schutterarbeiten händisch erfolgten. Beim Bau des Druckstollens für die Oberstufe in
den 50er-Jahren lag die Tagemittelleistung bei 15 m² Ausbruchsfläche bereits bei
7,50 m/AT. Im Projekt PSW Limberg II erhöhte sich bei den konventionellen Vortrieben der Zufahrtstunnel bei 33 m² Ausbruchsfläche die Mittelleistung auf 9,13 m/AT;
Spitzenleistungen von über 15 m/AT konnten erreicht werden.
Im Vergleich dazu lag beim maschinellen Vortrieb des Triebwasserstollens mit einem
Ausbruchsdurchmesser von 7,0 m und einem Querschnitt von 38,5 m² die Mittelleistung bei 14,83 m/AT, Maximalleistungen von über 40 m/AT wurden erzielt.
Vergleich der konventionellen Vortriebe:
Druckstollen Hauptstufe
Oberstufe
Zufahrt bis Limberg II
Baujahr
1939 - 42
1949 - 51
2006 - 07
Stollenlängen
8.000 lfm
4.000 lfm
3.300 lfm
Querschnitte
16m²
15m²
33m²
Kubaturen
128.000m³
60.000m³
110.000m³
Tagesmittelleistung
4,80m/AT
7,50m/AT
9,13m/AT
Überprofil
17,50%
19%
15%
Sprengstoffverbrauch
4,90kg/m³
4,80kg/m³
4,60kg/m³
Vergleich Druckschacht:
Oberstufe
PSW Limberg II
Baujahr:
1949 - 50
2007 - 08
Stollenlängen
460 lfm
770 lfm
Durchmesser
3,30 - 3,50m
5,80m
Kubaturen
4.500m³
24.000m³
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Steigung
51°
45°
Vortriebsart
konventionell
maschinell
Tagesmittelleistungen Vollausbruch
2,50m/AT
4,85m/AT
Betongeräte:
Auch im Betonbetrieb gibt es wieder viele Gemeinsamkeiten. Die Schalungen hatten
bereits in den 50er Jahren einen vergleichsweise hohen Standard. Die Stahlschalungen verfügten über Hydraulik, Luftversorgung und Außenrüttler. Der Beton wurde in
Zwangsmischern in Mischanlagen am Portal trocken gemischt und mit einem Betonzug in den Stollen transportiert. Vor Ort erfolgt die Wasserbeigabe in einem 800 l Mischer. Der Weitertransport in die Schalung erfolgte mit Betonpumpen bei einer Leistung von 8-10 m³/h. Der Zementgehalt lag bei ca. 250 kg Zement /m³ und entspricht
damit dem heutigen Standard.
Betonbetrieb Triebwasserstollen:
Oberstufe
PSW Limberg II
Betonmengen Triebwasserstollen
25.000m³
30.000m³
Betonierleistungen DM 3,40 m
20 m/AT
progn. 30 m/AT
7. Sicherheit am Bau
Auch bei den Sicherheitseinrichtungen am Bau waren die Baustellen in Kaprun stets
Vorreiter. So wurde beispielsweise beim Bau der Hauptstufe bereits ein eigenes
Werksspital mit einer permanenten Besetzung eines Ärzteteams betrieben. Heute
übernehmen dauerhaft stationierte Rettungshubschrauber die Bergung von Verletzten. Die Werksgruppe Kaprun betreibt eine eigene Werksfeuerwehr, die in Hinblick
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auf den Fahrzeugpark den Vergleich mit jeder Berufsfeuerwehr aufnehmen kann.
Diese Einrichtungen stehen auch bei Bedarf für Einsätze auf der Baustelle zur Verfügung.
Der Lawinenwarndienst in Österreich nahm auf den Kapruner Baustellen seinen
Ausgang. Beim Bau der Oberstufe kam es im Jahr 1955, kurz vor der Fertigstellung,
zu einem tragischen Lawinenunfall mit 13 Todesopfern. Aus diesem Grund wurde
von den Tauernkraftwerken (TKW) noch im selben Jahr ein Lawinenwarndienst gegründet, der seit dieser Zeit besteht und alle Arbeiten der Werksgruppe regelt. Kaprun ist in diesem Sinne Initialpunkt für alle weiteren Lawinenwarndienste, die in späterer Zeit die Arbeit aufnahmen, beispielsweise im Land Salzburg erst im Jahr 1965.
Im Projekt PSW LIMBERG II betreibt der AN- Bau ausschreibungsgemäß einen eigenen Lawinenwarndienst, der die gesamten Arbeiten im Projekt regelt. Eine Kommission, der ein Lawinen-Sachverständiger vorsteht, erstellt täglich spezifisch für die
einzelnen Bauteile einen Lagebericht, der die Arbeiten in Abhängigkeit von der Witterung freigibt. Das Lawinenwarnsystem der Bau- Arge gilt vertragsgemäß auch für alle
anderen Auftragnehmer im Projekt.
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Abb. 10, Lawinensprengungen 2007
Seit Baubeginn im März 2006 wurden 600 Lawinenlageberichte erstellt und über 150
Hubschrauberbefliegungen durchgeführt. Zur Sicherung der Baustelle wurden über
2.000 Lawinensprengungen durchgeführt. Im Lawinenwarnsystem sind ganzjährig
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fünf Personen beschäftigt. In Summe mussten die Arbeiten im Baubereich Höhenburg an 25 Arbeitstagen aufgrund der Witterungsverhältnisse eingestellt werden.
7. Resümee
Die Baustellen im Hochgebirge stellen damals wie heute in Hinblick auf die logistische Versorgung eine außerordentliche Herausforderung an alle Beteiligten dar.
Die Auftraggeberin ist bereits in der Ausschreibungsphase gefordert, alle Risiken aus
der Höhenlage der Baustelle (Winter-, Lawinen-, Versorgungserschwernisse, etc.)
bestmöglich zu beschreiben und in LV-Positionen zu erfassen. Im Besonderen muss
der geplante Bauablauf auf diese Randbedingungen sorgfältig abgestimmt sein. Die
Aufwendungen für die Systemerhaltung und Versorgung in Hinblick auf den Winterbetrieb sind erheblich und sollten von den Bietern auf dieser Grundlage erfasst und
kalkuliert werden können.
In der Bauabwicklung ist der Auftragnehmer bei der Arbeitsvorbereitung besonders
gefordert, gilt es doch, die erforderliche Lagerhaltung noch vor dem Winter zu planen
und zur Höhenbaustelle zu transportieren. Dazu ist eine frühzeitige Disposition und
Bereitstellung der Gerätschaften und Baumaterialien erforderlich. Weiters muss eine
auf den Winterbetrieb ausgerichtete leistungsstarke Transportflotte permanent vorgehalten werden.
Die Bauarbeiten der Haupt- und Oberstufe wurden in jeweils weniger als sechs Baujahren realisiert. Für die Realisierung des Projekts PSW LIMBERG II ist etwa die
gleiche Zeitspanne anberaumt. Unter Berücksichtigung der technischen Hilfsmittel
der 1940er und 50er Jahre verdienen die damals erbrachten Leistungen allergrößten
Respekt und ganz besondere technische wie menschliche Hochachtung. Die
Vortriebsleistungen konnten durch die Entwicklung leistungsfähiger Baumaschinen
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beinahe verdoppelt werden, die Mannschaftsstärke der Arbeitsdrittel ist aus dem selben Grund deutlich gesunken.
Autoren
DI Andreas Hager, G. Hinteregger & Söhne Baugesellschaft mbH, Bergerbräuhofstr.
27, A-5020 Salzburg, Österreich, e-mail: [email protected]
DI Erich Wagner, Austrian Hydro Power AG, Verbund – Austrian Hydro Power AG,
Am Hof 6a, A-1010 Wien, Österreich, e-mail: [email protected]
Quellennachweis
[1] Hrsg.: TKW: Die Hauptstufe Glockner-Kaprun, 1951, Zell am See
[2] Hrsg.: TKW: Die Obertstufe Glockner-Kaprun, 1955, Zell am See
[3] Hrsg.: Felsbau 05/2007: PSW Limberg II, Wagner, Hager, Blauhut, 2007
[4] Die Bauarbeiten für die Hauptstufe des Tauernkraftwerkes Glockner Kaprun,
Arbeitsgemeinschaft Kraftwerk Kaprun, 1948, Kaprun
[5] Druckstollen, Wasserschloss und Schrägstollen der Kapruner Hauptstufe, DI Fritz
Gschaider, Tauernkraftwerke AG, 1946, Zell am See
Bilddokumente
Abb. 1, Schemaübersicht Oberstufe PSW Limberg II
Abb. 2, Limbergsperre mit Hohen Tauern
Abb. 3, Materialdepot Sohltübbinge Mooserboden 2007
Abb. 4, Hauptbaulager Gletscherbahn mit Zufahrtsstraße 2007
Abb. 5, Bau der Hauptstufe 1948
Abb. 6, Seilbahn Wasserschloss-Oberkammer 2007
Abb. 7, Druckschacht TBM
Abb. 8, Bohrwagen 1951
Abb. 9, Wurfschaufellader 1950
Abb.10, Lawinensprengungen 2007
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