We better go outside.
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We better go outside.
„Lernen durch Tun“ ist das Motto bei den so genannten Outdoor Aktivitäten, die mehrere Ziele haben: Klienten sollen die Konsequenzen ihres Handelns einschätzen können, ihre Freizeit sinnvoll und konstruktiv gestalten lernen und Probleme bewältigen können. Grenzen, Stärken und Schwächen sollen erkannt werden – und letztlich sollen alle Erkenntnisse in den Alltag übertragen werden. Herbert Janusch von der NEUSTART Bewährungshilfe Leoben berichtet über seine Erfahrungen mit sport-, freizeit- und erlebnispädagogischen Elementen in der Sozialarbeit. „We better go outside.“ von DSA Herbert Janusch, Bewährungshelfer, NEUSTART Leoben ([email protected]) sport-, freizeit- und erlebnispädagogische Elemente in der betreuenden Sozialarbeit Seit vielen Jahren beschäftige ich mich mit der Thematik von sportpädagogischen, freizeitpädagogischen und erlebnispädagogischen Elementen in der Sozialarbeit. Es hat sich gezeigt, dass der Untertitel dieses Angebots die Professionisten aus der betreuenden Sozialarbeit (zum Beispiel der Bewährungshilfe) einerseits neugierig macht, sie aber andererseits auch ein wenig davon abgeschreckt werden: „Geht das denn? Kann ich das denn? Ist das nicht zu gefährlich?“ Diesen zweifelnden Bemerkungen liegt der Irrtum zugrunde, dass es sich bei diesen Elementen immer um „großartige, gefährliche, spektakuläre“ Unternehmungen handeln muss – meistens noch inklusive Übernachtung in der Wildnis mit dürftigen Hilfsmitteln. Das ist natürlich nicht so. Schon mit kleinen sport-, freizeit- oder erlebnispädagogischen Elementen kann viel in Bewegung gesetzt werden beziehungsweise können gänzlich neue Erkenntnisse gewonnen werden. Grundsätzlicher Zugang Lernen durch Tun ist (auch lerntheoretisch betrachtet) der erfolgreichste Zugang zu diesem weiten Feld. Somit sind die gewonnenen Erfahrungen aus dem Tun, dem Handeln und unternommenen Aktivitäten nachhaltiger im Bewusstsein verankert als bloß Gehörtes oder Gesehenes. Diesen Umstand kann man sich natürlich zu Nutze machen und zielgerichtet bestimmte Erfahrungen erwerben lassen, um anhand dieser Erfahrungen einen Transfer von Fähigkeiten und Kenntnissen (auch über sich selbst) in den Alltag zu erzielen, was in weiterer Folge wiederum eine Verhaltens-, Einstellungs- oder Motivationsänderung bewirken und unterstützen kann. Wichtig ist dabei jedenfalls die Zielorientiertheit. In der Planungsphase muss genau analysiert werden, was ich mit wem mache, um welches Ziel zu erreichen. Das heißt, das Ziel wird als Erstes formuliert – erst dann stellt sich die Frage der passenden Methode und Aktivität für die jeweilige Person oder Gruppe. Die nachfolgende Reflexion ist organischer Bestandteil des zielorientierten Ansatzes. In ihr geht es darum, einerseits den Lerneffekt sichtbar zu machen, andererseits den Transfer in den Alltag zu initiieren und zu unterstützen. Umsetzung in der Klientenarbeit Der erlebnisorientierte Ansatz bietet die Chance, näher an der Problemwelt der Probanden zu sein, da gerade deren Wahrnehmungen und Lernmodelle handlungsorientiert sind. „Lernen durch Tun“ steht im Vordergrund. Grund dafür ist unter anderem, dass sie oftmals im traditionellen (Schul)Lernen große Schwierigkeiten haben und hatten und dies durch ein Scheitern im Schulsystem gekennzeichnet ist. Gemeinsames Tun und Erleben kann als Motor für die Umsetzung inhaltlicher Ziele und den Aufbau beziehungsweise die Vertiefung der Betreuungsbeziehung genutzt werden. Sport-, freizeit- und erlebnispädagogische Elemente finden in anderen Settings als die traditionelle, gesprächszentrierte Betreuung statt. Dadurch können bestimmte Ziele (leichter) erreicht werden. Dies heißt nicht, dass das Gespräch als wesentliche Betreuungsmethode ausgedient hätte, sondern lediglich, dass es sinnvoll ist, sich immer wieder zu überlegen, ob entsprechende Aktivitäten nicht eine Möglichkeit wären, Ziele zu thematisieren und zu erreichen. Dazu kommt, dass viele unserer Klienten große Probleme haben, ihre Freizeit mit sinnvollen Aktivitäten zu füllen. Darum ist dies auch eine Möglichkeit, den Klienten verschiedene Freizeitmöglichkeiten nahe zu bringen, um in weiterer Folge eine sinnvolle, erfüllte, weniger destruktive Freizeitgestaltung zu bewirken. Wesentlich ist auch hier wieder die Zielorientiertheit. Was mache ich mit wem wozu! Weiters ist hier natürlich zu beachten, dass nur Aktivitäten angeboten werden dürfen, bei denen die Sicherheit hundertprozentig gewährleistet ist und der betreuende Sozialarbeiter selbst nicht in eine Situation gerät, wo er überfordert ist. Jedenfalls gilt die Faustregel: „Mache nichts mit Klienten, das du vorher nicht schon selbst gemacht hast.“ Beispiel depressive Klienten Es ist oft erfolgreich, diese Klienten vorerst körperlich in Bewegung zu bringen – Spaziergang/kurze Wanderung – um dadurch eine höhere psychische Beweglichkeit zu bewirken. Beispiel jugendliche Klienten Basketball „eins gegen eins“ oder „zwei gegen zwei“ birgt viele Möglichkeiten, die Themen- und möglichen Problemkreise „Einhaltung von Regeln“, „Akzeptanz von Grenzen“ und „Notwendigkeit von Teamwork“ praktisch zu bearbeiten beziehungsweise in weiterer Folge die gewonnenen Erfahrungen in den Lebensalltag zu übertragen. Theoretischer Hintergrund Die Arbeit mit einem erlebnisorientierten Ansatz öffnet Pforten zur Wahrnehmungswelt des Probanden, die ansonsten oftmals verschlossen blieben. Dabei stehen folgende Schritte im Vordergrund: ... Erprobung der (sozialen und gemeinschaftlichen) Bewältigung von Herausforderungen ... eigenes Tun und Handeln und seine Konsequenzen einzuschätzen und zu akzeptieren kann gelernt werden ... Eigene Möglichkeiten der Problembewältigung können realistischer erkannt, Erfolge und Misserfolge angemessener eingeschätzt werden, da das Handeln im Vordergrund steht Erlebnisorientierte Aktivitäten haben das Ziel, beim Probanden ... Eine Einstellungsänderung zum eigenen Handeln, das in Straffälligkeit mündete, zu bewirken ... Durch herausfordernde Anforderungen Grenzbereiche zu erreichen ... Schwächen und Stärken besser erkennen zu können ... Diese Erkenntnisse in den Lebensalltag zu übertragen Erfahrungen für Sozialarbeiter Um sport-, freizeit- und erlebnispädagogische Aktivitäten durchführen zu können, muss man selbst Erfahrungen damit gemacht haben. Umso mehr, als ja im Kontext der Zielorientiertheit eine geeignete Methode ausgewählt werden soll. Die Planung und Vorbereitung von entsprechenden Aktivitäten (mit besonderem Augenmerk auf Zielorientiertheit und pädagogischem Konzept) und die Notwendigkeit der Reflexion der Aktivitäten mit dem Klienten und der Übertragung/Transformation von gewonnenen Erfahrungen in den Lebensalltag müssen geübt und trainiert werden. Ein Aspekt ist jedenfalls das praktische Lernen und die Umsetzung von verschiedenen erlebnispädagogischen Aktivitäten mit besonderem Augenmerk auf die Alltagstauglichkeit. Ein Teilaspekt ist, auch selbst Erfahrungen als Mitglied einer Gruppe zu machen, um Dynamiken besser nachvollziehen zu können, die in Gruppenprozessen zum Tragen kommen - zumal viele unserer Probanden sich in Gruppen bewegen und auch in diesen Gruppen Delikte setzen. Seminare mit Ehrenamtlichen Im Oktober fanden zwei Seminare zu dieser Thematik mit ehrenamtlichen Kolleginnen und Kollegen der Einrichtungen Leoben und Salzburg statt. Ein Inhalt war, Aktivitäten, die mit Klienten sehr einfach durchgeführt werden können, kennen zu lernen und zu erproben. Ein weiterer Inhalt war: durch eigene Erfahrungen (mit zum Beispiel eingeschränkten Wahrnehmungsmöglichkeiten) oder als Teil einer Gruppe, die eine Aufgabe zu lösen hat, andere Perspektiven einnehmen zu können; um so das Handeln und die Erlebniswelt unserer Klienten besser zu verstehen und zielgerichtet und erfolgreich agieren und intervenieren zu können. „Blindübungen“ schärfen die Sinnesorgane und ermöglichen die Erfahrung und Erkenntnis, dass man viel kleinere Schritte machen muss. Alltagstransfer: Ein Klient mit eingeschränkten Möglichkeiten muss in kleineren Handlungsschritten zum Beispiel zum Sozialamt „geleitet“ werden. Ein „Fühlparcours“ ermöglicht alternative Erfahrungen der Wahrnehmung, man „spürt“ sich. Alltagstransfer: Klienten, die zu Autoaggression neigen, haben Schwierigkeiten, sich „zu spüren“. Um das zu erreichen, kann man diese Übung einsetzen. Interaktive Gruppenaufgaben (hier Spiderweb und Seilquadrat) machen Kommunikations- und Führungsstrukturen sichtbar, die unter Umständen auch nur informell vorhanden sind. Weiters öffnen sie die Erfahrungswelt als Mitglied einer Gruppe mit allen innewohnenden dynamischen Prozessen. Alltagstransfer: Erlebt zu haben, wie sich unsere Klienten als Teil von Gruppen erleben (mächtig, ohnmächtig, akzeptiert, übergangen, et cetera). Nach jeder Übung gab es Reflexionsrunden, um tatsächlich einen Alltagstransfer zu ermöglichen beziehungsweise zu erleichtern. Theorie-Inputs in freier Natur zur Notwendigkeit des zielorientierten Umgangs mit Aktivitäten, sowie Übungen, um Gruppenidentität zu stiften, rundeten die Seminare ab. Angebot Seminare zu dieser Thematik werden von mir, auch über den NEUSTART Zentralbereich Personal und Personalentwicklung als Rufseminar, angeboten. Mögliche Zielgruppen sind haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter der betreuenden Sozialarbeit. Schwerpunkte können im Erlernen und Erproben von Aktivitäten, die mit Klienten durchführbar sind, liegen, aber auch im Erwerben eigener Erfahrungen, um veränderte Perspektiven nutzen zu können. Weiters ist es auch möglich, ein solches Seminar zur Gruppen-/Teamfindung und –entwicklung zu nutzen.