Warum ist Gott unsichtbar?

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Warum ist Gott unsichtbar?
Viele Menschen haben
darüber nachgedacht, ob bzw. wie
sie beweisen könnten, dass Gott existiert.
Aber Beweisen ist eine Vorgangsweise, die sich
weder auf die Beziehung zwischen Menschen (Beweise, dass du mein Freund bist, mich liebst!) noch
zwischen Gott und den Menschen anwenden lässt.
Hinweise auf die Existenz Gottes gibt es allerdings in Hülle und Fülle: Wer auf die Nähe Gottes
vertraut, entdeckt sie in der Natur, im Nächsten,
in der Gemeinschaft, aber auch in den eigenen
Talenten und Begabungen. Mit solchen
Augen betrachtet, wird alles, was ist,
durchsichtig auf Gott hin.
Warum ist Gott unsichtbar?
C
omputer abdrehen, essen
kommen!“ Papas Stimme klingt
nicht gerade einladend.
„Peter, komm schon! Ich
will nicht nochmal rufen müssen!“,
tönt es ungeduldig aus der Küche.
Minuten später: „Jetzt
reicht’s!“ Papa pfeffert das Geschirrtuch auf den Tisch und starText:
tet zu Peters Zimmer durch. Peter
Wolfgang
merkt von all dem nichts.
Wagerer
„Du sollst abdrehen! Du bist
Fotos:
Heinz Helf svd, lang über der vereinbarten Zeit. Mir
Sepp Hollweck reicht’s!“ Das klingt nicht so, als
svd, pixelio.de gäbe es eine andere Möglichkeit.
Peter war in der Welt des
Internet versunken.
„Was machst du denn da?
Was suchst du?“, fragt Papa.
„Gott!“
„Gott?“
„Mama hat gesagt, im Internet findet man alles“, erklärt Peter.
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„55.200.000 Einträge zu Gott, aber
nichts Brauchbares dabei!“
Papa nimmt Peter am Arm.
„Jetzt komm einmal essen. Was
möchtest du denn wissen?“
„Warum Gott unsichtbar ist!
Ich find das schade, ich würd ihn
gern mal sehen!“
„Aber sehen kann man doch
nur materielle Dinge“, erklärt Papa.
„Das, was Gott geschaffen hat. Warum möchtest du ihn denn sehn?“
„Weil Flo sagt, er glaubt
nicht, dass es ihn gibt, solang er
ihn nicht gesehen hat!“
„Ein ungläubiger Thomas!“,
knirscht Oma. „So was gibt’s!“
„Aber irgendwer muss ihn
doch gesehen haben, sonst ist er
ja vielleicht wirklich nur eine Erfindung“, sagt Peter nachdenklich.
„Das haben die ersten
Kosmonauten, das waren die
russischen Weltraumpiloten, auch
gesagt: ‚Wir waren jetzt im Himmel
und haben Gott nicht gesehen, also
gibt es ihn nicht!‘ Nicht sehr klug!“,
Oma schüttelt den Kopf.
„Worum geht’s diesmal?“,
fragt Sabine, die gerade von Judo
kommt, und setzt sich zum Tisch.
„Flo glaubt nicht, dass es
Gott gibt. Sonst müsste ihn schon
wer gesehen haben!“, erklärt Peter.
„Und wer meinst, hat die
ganze Welt geschaffen und das
Weltall und die Sterne?“, fragt
Sabine.
„Alles Zufall! – sagt Flo“,
dröhnt Peter.
„Und Zufall, dass alles so
funktioniert?“, fragt Sabine zurück.
„Hat sich so eingespielt
über Jahr-Millionen, meint der Flo!
Am Anfang ist ohnedies viel schief
gegangen!“, gibt Peter wieder.
Das Telefon läutet. Papa
hebt ab. „… kann man nichts
machen.“ – „Schmarrn! Mama
kommt später. Jetzt zerkochen sich
die Knödel auch noch …“
„Stell sie überm Dunst
warm!“, schlägt die Oma vor.
„Esst einmal! Ich warte auf
Mama.“ Papa rauscht in die Küche.
„Jetzt ist er grantig“, sagt
Oma.
„Das sieht man!“, sagt Peter.
„Weil das mit dem Versöhnungsessen nicht klappt,“ vermutet
Sabine. „Die beiden haben in der
Früh ganz schön gestritten. “
„Versöhnung sieht man
auch nicht“, sagt Oma. „Aber man
merkt die Auswirkungen.“
„Genauso wie Freundschaft,
Liebe, Vertrauen, Freude usw.“,
sagt Sabine. „Niemand hat die
Freundschaft selbst gesehen. –
‚Grüß Gott, Frau Freundschaft!‘ –
Aber man spürt ihre Auswirkungen.“
„Und so ist es vergleichsweise auch mit Gott“, sagt Papa
Was ich schon immer
fragen wollte ...
A
uch die Verfasser der Bibel
wissen: Niemand hat Gott
je gesehen, aber es gibt Möglichkeiten ihn zu erfahren: Zum Beispiel, wenn Menschen einander
lieben, dann steckt dahinter die
Liebe Gottes: Wo zwei oder drei in
meinem Namen versammelt sind,
da bin ich mitten unter ihnen.
Mt 18,20
und teilt die Knödel an die Anwesenden aus. „Man sieht ihn nicht,
spürt aber seine Auswirkungen.“
„In der Natur zum Beispiel …“, ergänzt Sabine.
„Das kann ja auch Einbildung sein – behauptet der Flo!“
„Dann sag dem Flo, er soll
sein Hirn anstrengen: Alles, was
sichtbar ist, ist geschaffen. Gott ist
aber nicht geschaffen, sondern er
selbst schafft die Menschen und
die Dinge. Deshalb kann er nicht
genauso sichtbar sein, wie alles
andere“, erklärt Oma mürrisch.
„Weil er aber sozusagen hinter
allem steht, was ist, ist er auch
durch alles, was ist, erfahrbar.“
„Dann steckt Gott überall
drinnen?“, fragt Peter.
„Drinnen nicht, aber dahinter“, erklärt Oma. „Alles, was ist,
verdankt ihm sein Dasein!“
„Ich verdank mein Leben
Mama und Papa“, widerspricht
Peter. „Auch wenn sie streiten!“
„Wir können Leben weiter-
Im ersten Johannesbrief wird klar:
Niemand hat Gott je geschaut;
wenn wir einander lieben, bleibt
Gott in uns und seine Liebe ist in
uns vollendet.
1 Joh 4,12
Im Zusammenhang mit dem
„ungläubigen Thomas“ preist die
Bibel gerade diejenigen selig,
„die nicht sehen und doch glauben.“
Joh 20,29
schenken“, sagt Papa. „Aber nur
weil wir diese Anlage geschenkt
bekommen haben. Selbst können
wir Leben nicht herstellen!“
„Schon gar nicht dich!“,
wirft Sabine ein.
„Aber du verlässt dich in
deinem Leben ständig auf Kräfte,
die du nicht siehst. Schon einmal
die Schwerkraft gesehen? Trotzdem
rechnest du mit ihr. Oder die
Anziehungskraft …“, fragt Papa.
„Das werd ich Flo sagen!“
„Oder du fängst mit
deinem Fotoapparat die schönsten
Schmetterlinge ein – und bist ganz
begeistert, wie toll die Natur ist ...!“
Da rauscht Mama bei der
Tür herein. „Tschuldigung!“ Und als
sie ihre Lieblingsspeise riecht, sagt
sie: „Was feiern wir heute?“
„Siehst du das nicht?“, fragt
Peter.
„Sehen nicht“, sagt Mama.
„Aber ich hab eine Ahnung, wer
dahinter steckt!“, und umarmt
Papa, der gerade ihren Teller bringt.
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