Holzskelettrahmen als Möbel-Tragwerk Japanische Tradition trifft

Transcrição

Holzskelettrahmen als Möbel-Tragwerk Japanische Tradition trifft
Bautechnik Holzskelettrahmen als
Möbel-Tragwerk
Japanische Tradition tr ifft
Schweizer High-Tech
Jörg Pfäfflinger, Volkertshausen
den mit drei 40 mm starken Ovalplatten aus
Buchensperrholz verstärkt, die in das Brettschichtholz eingeleimt wurden. „Mit dieser
Detailkonstruktion konnte die konzentrierte
Lasteinleitung im Hinblick auf den Querdruck
kontrolliert werden“, erläutert Antemann.
Um diese drei Platten zu positionieren, wurde eine Zange im finalen Querschnitt mit
240 mm Breite aus zwei Stücken mit 120 mm
zusammengesetzt. Die Zangen sind auf
einem oval geformten Buchenfurnierdübel
aufgebracht, der satt in einer ovalen Ausfräsung der Stütze sitzt. Für die kontrollierte
Aufnahme stützenseitiger Lasten kommen
zwei 40 mm starke ovale Buchenfurnierplatten zum Einsatz. Sie dienen auch zur Bewehrung des Knotens. Antemann zur Präzision
des Tragwerks: „Der Ovaldübel aus Buchen-
Der Haupttrakt des Neubaus von 38 m
Länge und 18 m Breite besteht aus acht Achsen mit je vier Stützen und zehn quer liegenden Zangen. Die Gebäudehülle ist eine vorgehängte Glasfassade, die den Blick auf die
unverkleidete Holzkonstruktion ermöglicht.
Jede der 21 m hohen Stützen ist 3-fach
blockverleimt, misst 440 x 440 mm im Querschnitt und endet auf dem Niveau des Dachgeschossbodens. Nach Aussage von Martin
Antemann, Mitglied der Geschäftsleitung des
Holzbauunternehmens Blumer-Lehmann AG
und Leiter des Bereiches Timber Construction
LTC, wurden drei Verbindungsarten ausgeführt, um die Vertikalkräfte abzuleiten:
Erstens die sogenannten Regelknoten
zwischen Stützen und den Zangen, also den
horizontalen Deckenträgern: Die Zangen wur-
Foto: Robert Mehl
Der japanische Architekt Shigeru Ban plante
im innerstädtischen Bereich Zürichs ein
7-geschossiges Bürogebäude für einen Verlag. Die Statik übernimmt ein Holzskelettbau, der seine komplette Struktur im fertigen Gebäude offen zeigt. Die Verbindungen
der Holzelemente sollten weder stählerne
Elemente enthalten noch miteinander verleimt werden, sondern in Anlehnung an die
japanische Tradition lediglich gesteckt werden. Neben der Realisierung des Neubaus
wurde der benachbarte Altbau mit ähnlicher
Holzbauweise aufgestockt. Hermann Blumer,
Holzbauingenieur aus Waldstatt/CH und das
Holzbau-Unternehmen Blumer-Lehmann AG
konnten auf Erfahrungen mit Objekten von
Shigeru Ban zurückgreifen und seine ungewöhnlichen Anforderungen umsetzen.
Das 7-geschossige Verwaltungsgebäude der Tamedia in Zürich schreibt Holzbaugeschichte. Hinter der vollverglasten Fassade ist das Holztragwerk nicht eingekapselt, sondern bleibt komplett sichtbar
50
465 1–3
Schnitt, M 1 : 500
Fotos (2): Blumer-Lehmann
Die vorgefertigten Rahmen wurden auf der Baustelle Achse für Achse von
einem Kran in die richtige Position gehoben
sperrholz hat die Funktion, die Lasten aus
den Zangen in die Stütze zu übertragen – das
ist eine klassische Kontaktverbindung. Die
Herausforderung dabei war, dass die Toleranz
im finalen Zustand gegen null ist. Dafür wurde bei der Montage festgelegt, welcher der
lastübertragenden Bereiche passgenau sein
muss, größtenteils betrug die Montagetoleranz nur 4 mm.“
Die zweite Verbindungsart ist der 3,70 m
hohe Dachrahmen, der als Zweigelenkrahmen mit biegesteifen Ecken ausgeführt ist.
Er bildet das Dachgebinde über eine Spannweite von 18 m. Fertigungstechnisch ist hier
die Verbindung von zehn Bauteilen, darunter
vier teils abgeschrägte Buchenfurnierplatten
in einer Blockverleimung, erwähnenswert.
Die dritte Verbindungsart befindet sich im
Eingangsbereich. Um im EG stützenfreien
Raum zu schaffen, nimmt ein Sprengwerk
im 1. OG die Kräfte auf: Dort befindet sich
ein Knoten, über den alle Lasten der darüber
liegenden Geschosse in die Eckpfosten umgeleitet werden. Auch hier wurden Speziallösungen gefunden: So bestehen die Knotenpunkte in den Streben des Sprengwerks aus
speziell geformten Buchenfurnierdübeln. Die
doppelt gekrümmte Abgratung dieser Streben ist der Vorgabe geschuldet, dass die
Stützenabschnitte horizontal sein sollten,
die Stützen im Grundriss aber nicht parallel
zueinander stehen. Für diese Bauteile kamen
spezielle Planungswerkzeuge in der 3D-Modellierung zum Einsatz.
Tragwerk in Möbelqualität
Eine besondere Anforderung war die nach
unbedingter Homogenität der Oberflächen
ohne Nachbehandlung. Die Beteiligten sprechen hier von einem „Möbel-Tragwerk“, da
eine gehobelte Oberfläche erwartet wurde,
DBZ 7 | 2013 DBZ.de
Das Traggerüst besteht aus präzisen Einzelelementen, die vor Ort zusammengesteckt wurden. Nur die 21 m hohen Stützen sind aus einem Stück
bei der ein Nachschleifen als Reparatur –
auch bei kleinen Beschädigungen während
Transport und Montage – nicht möglich gewesen wäre. Daher wurden alle Elemente,
auch die 2,5 t schweren Stützen, nach ihrer
Bearbeitung mit einem hydrophobierenden
Wetterschutzanstrich versehen und noch in
der Fertigungshalle in UV-beständige Folie
verpackt, um später ein gleichmäßiges Nachdunkeln sicherzustellen. Auf der Baustelle
wurden die Stützen dann zum Schutz nochmals mit einer temporären OSB-Ummantelung versehen.
Durch den Einsatz durchgehender Stützen
werden Setzungen vermieden, die durch
Druck quer zur Faser entstehen könnten. Daher konnten die Aufhängungen für die Glasfassade bereits im Werk in die äußeren Stützen integriert werden wie auch die Einlagen
für die Befestigung der inneren Glastrennwände und die Konsolen für die Stahlbetonzwischendecken und Treppen. Die Horizontalaussteifung erfolgt über Deckenscheiben mit
45 mm 3-Schichtplatten, die an die zwei massiven Treppenkerne im Haupt- und im Nordtrakt angeschlossen werden. „Das Besondere
des Holztragwerkes lag u. a. darin, dass es
sehr hohe Oberflächenanforderungen gab
wie auch die Schwierigkeit, dass es keine Verkleidungen geben durfte und damit nichts kaschiert werden konnte. Sogar abgehängte Decken waren nicht geplant“, äußerte Antemann.
Brandschutz
Die Brandschutzanforderungen wurden über
Geometrien und Materialqualität umgesetzt,
u. a. durch die Verleimungen mit Buchenfurnierplatten und Blockverleimungen. Nach positiv verlaufenen Brandversuchen bewilligte
die Brandschutzbehörde der Stadt Zürich den
in Vorschriften nicht geregelten 7-geschos-
Detailschnitt,
o. M.
51
Fotos (3): Jörg Pfäfflinger
Bautechnik | Konstruieren mit Holz
Jeder handwerkliche Knoten ist gesteckt und
könnte wieder auseinander genommen werden
Der Regelknoten an einer der durchlaufenden
Stützen zwischen zwei Zangen
Das ovale Loch sorgt dafür, dass sich der Träger
nicht verdreht und die Verbindung biegesteif bleibt
sigen Holzbau. Da es keine abgehängten Decken gibt, wurden die Gebäudeinstallationen
auf der darüberliegenden Geschossdecke geführt. Dafür mussten die brandabschnittsbildenden Geschossdecken (REI 60) mit rund
3 500 Durchdringungen ausgestattet werden.
Im Werk wurden die Bohrbereiche in den
Deckenelementen vorbereitet und später auf
der Baustelle gebohrt. Auch der Anschluss
der REI 60 Glastrennwände an den Holzbau
folgte dem Brandschutzkonzept: Da das System nur auf Anschluss an mineralische Baustoffe geprüft ist, wurde das Problem eines
zu befürchtenden Hinterbrands an den Anschlussstellen zum Holzbau durch die Einlage
von furnierten Brandschutzplatten gelöst.
rung aller Gewerke nur eine Fahrspur zur
Verfügung. Entsprechend wurde ein Anlieferungsplan gepflegt, in dem die Lieferungen
aller Gewerke koordiniert wurden und just in
time erfolgen mussten. Für den Holzbau bedeutete das bis zu vier Anlieferungen pro
Tag. Für den Vertikaltransport standen bis zu
drei Krananlagen mit 8 t Hebekraft und einer
Reichweite von bis zu 45 m zur Verfügung.
Zuerst wurde die erste Reihe Zangen an
genau eingemessenen Konsolen am Betonkern fixiert, dann die vier Stützen in die fünf
übereinander liegenden Zangen eingeschoben. Abschließend wurde die zweite Reihe
Zangen über alle Geschosse montiert. Die
Buchenfurnierdübel sind hierbei in die Stützen vormontiert. Alles zusammen ergibt ein
Holzskelettrahmen mit einem Gesamtgewicht
von 25 t.
Der erste montierte Skelettrahmen war
Montageschablone für den zweiten. Dieser
wurde vom Mobilkran wenige Zentimeter
angehoben und 5,5 m weiter zur finalen
Position in der nächsten Achse versetzt. Dort
wurde er mit leichtem Winkel zur Vertikalen
gehalten, so dass die ovalen Koppelstäbe
aus Fichte Geschoss für Geschoss eingefahren und der Rahmen hierbei immer mehr
in die Vertikale gestellt werden konnte. Nach
dem Ausrichten und Justieren der Konstruktion wurden die Deckenelemente ebenfalls
achsenweise über alle Geschosse eingefahren.
Da das Mittelfeld eines Rahmens etwa 3,5fach so weit gespannt ist wie die beiden Außenfelder, wirkt auf die Außenstützen eine
abhebende Vertikalkraft. Durch das Aufsetzen
des biegesteifen Dachbinders werden die Außenstützen durch das Gewicht des Daches in
Nullposition gedrückt. Erst jetzt konnte die
Montage der Fassade beginnen. Als temporärer Witterungsschutz wurden großflächige
Notdachelemente angebracht, in der Verti-
kalen schützen herabhängende Netze die
Holzkonstruktion vor Schlagregen.
Bei einem 2-jährigen Gesamtterminplan
für das Gebäude standen für den Holzbau
nur vier Monate zur Montage und anschließende zwei Monate zum Innenausbau zur
Verfügung.
Qualitätssicherung
An die Brandschutz-Bewilligung waren hohe
Auflagen gebunden, u. a. die Klassifizierung
in die höchste Qualitätssicherungsstufe 4.
Das hatte zur Folge, dass die Planung, Produktion und Montage von einem externen
Fachingenieur geprüft und freigegeben werden mussten. Dabei spielten Passgenauigkeit
und Geometrie des Tragwerkes eine große
Rolle. Etwa 80 % der Gewerke sind vorgefertigt, neben dem Holzbau auch Glasfassaden,
die Treppen, die inneren Glastrennwände und
die Deckenelemente. Die über 1 400 HolzbauElemente sind größtenteils Einzelstücke. Hier
waren ein hoher Grad an Vorplanung, frühzeitige Entscheidungen und eine sehr genaue
Abstimmung der Gewerke bezüglich der
Montageabläufe und Toleranzen notwendig.
Seitens des Holzbaus wurde ein komplettes
3D-Model erstellt, auf dem auch Folgegewerke aufbauen konnten.
Montage
Auch die Logistik auf dem innerstädtischen
Bauplatz war eine Herausforderung, denn
es stand hier für die Anlieferungen und Lage52
Altbau aufgestockt
Zusätzlich zum Neubau wurde der benachbarte Altbau, der mit Durchgängen verbunden ist, um zwei Geschosse aufgestockt.
Dabei musste die Last der zwei neuen Geschosse über zusätzlich installierte Stahlstützen in der Fassade in die Gebäudefundamente aus den 1930er-Jahren abgeleitet
werden. Die ehemalige Dachdecke aus 10 cm
starkem Stahlbeton machte Abstützungen
unmöglich. Das Materialkonzept mit den
Oberflächen-Anforderungen wurde dort weiter verfolgt, jedoch mit Vereinfachungen: In
den Knoten dort gibt es Stahlblechverbindungen.
Autor
Jörg Pfäffinger, Jahrgang 1950, lebt seit 1980
in der Bodensee-Region
und ist als Journalist und
Fotodesigner tätig. Nach
redaktionellen Arbeiten
und Publikationen im
Bereich Fototechnik ist
er seit 20 Jahren als
Fachredakteur im Bereich
der Bautechnik etabliert
und führt zusammen mit
seiner Frau ein Redaktionsbüro in der Nähe von
Singen (Hohentwiel). Er
schreibt mit den Schwerpunkten „Holzbau“ und „Energieeffizientes Bauen“ in diversen Fachzeitschriften.
Informationen unter: www.blumer-lehmann.ch

Documentos relacionados