Sie sind die Aush„ngeschilder des Saarlandes

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Sie sind die Aush„ngeschilder des Saarlandes
SPORT REGIONAL
MONTAG, 25. JUNI 2007
WND
NR. 144
SEITE C9
J U G E N D F U SS BA L L I M SA A R L A N D
Quelle: Saarbrücker Zeitung, 25.06.2007
Zurück!
Sie sind die Aushängeschilder des Saarlandes
Patrick Herrmann aus Uchtelfangen und Boris Becker aus Primstal sind Stammspieler im U16-Nationalteam
Diese beiden Jungs vertreten das
Saarland in der deutschen U16Nationalmannschaft:
Patrick
Herrmann und Boris Becker. Ihr
Ziel ist klar: Sie wollen in den
Profifußball – notfalls auch außerhalb ihrer Heimat.
Von SZ-Mitarbeiter
Thorsten Klein
Der
Fußball-Klassiker Deutschland
gegen Frankreich im Olympiastadion Berlin: Pass von Boris Becker auf Patrick Herrmann. Herrmann gibt weiter zu Felix Kroos.
Kroos fackelt nicht lange, zieht ab
und trifft zum 1:0-Sieg für
Deutschland im prestigeträchtigen Duell – und baut damit die
Vormachtstellung im europäischen Fußball aus.
Primstal/Uchtelfangen.
Beide sind Steinbock
Ein unglaubliches Fußball-Jahr
fand für die deutsche U16-Auswahl vor zwei Wochen ihren vorläufigen Höhepunkt – dank zweier Saarländer. Boris Becker aus
Primstal und Patrick Herrmann
aus Uchtelfangen waren am Siegtreffer beteiligt. Beide teilen sich
bei der Jugend-Nationalmannschaft auch das Zimmer. Beide
sind Sternzeichen Steinbock, Boris ist nur drei Tage älter.
Die beiden 16-Jährigen sind
derzeit das Aushängeschild des
saarländischen Jugendfußballs.
Hans-Peter Becker, der Verbandsjugendleiter im Saarländischen Fußballverband, war DFBDelegationsleiter der U16 und
lobt: „Sie werden, wenn sie sich
nicht rückwärts entwickeln, auf
längere Zeit zum Stamm gehören. Sie haben riesiges Potenzial,
um international mitzuspielen.“
Zehn Siege und ein Unentschieden in elf Spielen haben die
beiden Saarländer in der Saison
2006/2007 mit der deutschen
U16-Auswahl eingefahren. Patrick war immer dabei, Boris fehlte nur einmal verletzt. Eines unterscheidet beide noch: Patrick
spielt im Saarland beim 1. FC
Saarbrücken, Boris hat sich vor
der Runde für den 1. FC Kaiserslautern entschieden. Boris sagt:
„Ich hatte Angst, dass Saarbrücken mit der B-Jugend nicht in
die Bundesliga aufsteigt. In die
Regionalliga wollte ich nicht.“
In Lautern fühlt sich Becker
wohl, dankt seinen Jugendtrainern beim VfL Primstal, Lothar
Pesch und Albrecht Holz. „Ich
habe noch ein Jahr Vertrag, will
unbedingt meine Schule fertig
machen“, sagt der Neuntklässler
der Realschule Primstal. Das ist
stressig: Für gewöhnlich kommt
er um 13.30 Uhr aus der Schule,
wird um 15.30 Uhr zum Training
abgeholt und ist gegen 21.30 Uhr
wieder zu Hause. Der Abwehrspieler möchte nach der Mittleren Reife am liebsten Fuß fassen
im Profi-Fußball und schwärmt
vom Fußball „auf der Insel“: „Ich
will so früh wie möglich nach
England. Die sind eine Liga höher
als der deutsche Fußball.“ Nach
seiner möglichen Karriere möchte er dann zurück zum VfL Primstal, weil es ihm hier gut gefällt.
Profifußball im Blick
Auch für Patrick Herrmann lautet das Ziel Profi-Fußball. Nächstes Schuljahr schließt er die Handelsschule am KBBZ Neunkirchen mit der Mittleren Reife ab.
Schon jetzt haben große Vereine
bei ihm angeklopft: Werder Bremen, FC Schalke, Hertha BSC
und auch sein Lieblingsverein,
der FC Bayern. „Ich will meine
Schule fertig machen“, sagt Patrick, „und der FCS spielt mit der
B-Jugend in der Bundesliga. Da
habe ich keinen Grund, zu wechseln.“ Gerne würde er bei seiner
Familie in Uchtelfangen bleiben,
„Das Saarland muss ein großes
Leistungszentrum werden“
Wer Talent hat, wird seiner Betreuung nicht entgehen: Volker
Müller (Foto: SZ) ist der Verbandstrainer des Saarländischen Fußballverbandes. Im Gespräch mit SZ-Mitarbeiter Thorsten Klein spricht der 66-Jährige
über die Stärken und Schwächen
in der Nachwuchsförderung.
Herr Müller, wie erfolgreich ist der Nachwuchs im
saarländischen Fußball?
Volker Müller: Die Ergebnisse sprechen für
sich. Wenn im Großkader
des DFB (U15, aktuell
Jahrgänge 1990 bis 1992,
Anm. der Red.) zwei bis Volker
sechs Saarländer sind, Müller
sind wir als Saarland
überproportional stark vertreten.
In den Vereinen wird gute Arbeit
geleistet. Wir bewegen uns da im
Rahmen des Möglichen.
ZUR PERSON
Volker Müller (66), geboren in Saarbrücken, war
von 1960 bis 1963 Vertragsspieler beim 1. FC
Saarbrücken. Müller spielte für die FCS-Amateure,
war ein Jahr auch Spielertrainer und wechselte dann
1971 als Trainer zum Saarländischen Fußballverband
(SFV). Bis vor acht Jahren
arbeitete er parallel als
Sportlehrer im Schuldienst
und als Verbandstrainer.
Seit 1999 ist er „nur“ noch
in Diensten des SFV tätig.
In sein Aufgabengebiet fallen Training und Betreuung
der U13 bis U19, gerade bei
zahlreichen Turnieren national und international.
Ihm assistieren die lizenzierten Trainer Christian
Meyer, Axel Hoffmann und
Rudi Klaus.
thk
Warum sollte ein talentierter Fußballer im Saarland bleiben?
Müller: Dafür wäre wichtig,
dass wir in der U19-Bundesliga
vertreten sind. Auch die U17Bundesliga ist wichtig. Aber die
persönliche Situation des Spielers kriegen wir nicht in den Griff:
Wir brauchen Ausbildungsplätze,
Eliteschulen würden helfen. Niveau und Struktur
des einen oder anderen
Großvereins müsste der
Wirklichkeit
entsprechen. Das ist derzeit nur
Wunschdenken.
Wie schwierig wird es, dies
umzusetzen?
Müller: Vieles ist mit
Geld verbunden, vieles
mit Ideen. Ideen sind da, auch im
Verband. Wir sind bereit, ein
Leistungszentrum mit einem
Trainingsplatz und einem neuen
Gebäude hinter der Leichtathletik-Halle der Sportschule mitzutragen, das den Vereinen zugute
kommt.
Was muss sich ändern?
Müller: Das wird einigen nicht
schmecken, aber wir müssen uns
im Klaren sein, dass wir im Saarland die Qualität nur für einen
Verein haben. Die Konzentration
muss in einem Großverein stattfinden. Der FCK ist die größte
Spielgemeinschaft im Südwesten, bei uns dürfen Spielgemeinschaften nicht einmal aufsteigen.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Müller: Dass eingesehen wird:
Wenn wir Leistungsfußball im
Saarland haben wollen, müssen
wir an einem Strick ziehen: Verein, Verband, Eltern, Spieler, Medien, Wirtschaft, Politik. Wir sind
nicht einmal ein Prozent des
DFB; das Saarland muss ein großes Leistungszentrum werden.
Zimmernachbarn und Teamkollegen in der deutschen U16: Patrick Herrmann (links) vom 1. FC Saarbrücken und Boris Becker aus der Jugend des 1. FC Kaiserslautern.
Foto: SZ/Krämer
aber dazu fehlen die Voraussetzungen im saarländischen Fußball, allen voran beim 1. FC Saarbrücken. Patrick wünscht sich:
„Der FC müsste mit der A-Jugend
in die Bundesliga, mit der Ersten
Mannschaft auch. Und am besten
neue Kabinen bauen.“
Bis dahin kann er immerhin
mit Zwillingsbruder Pascal hinter’m Haus kicken. Dort, wo seine
noch junge Karriere begann. Im
August sind Herrmann und Becker beim nächsten DFB-Lehrgang, reisen dann zum Vier-Länder-Turnier nach MecklenburgVorpommern und starten im
Herbst in die EM-Qualifikation.
Dort wollen sie Fußball-Europa
weiter das Fürchten lehren.
HINTERGRUND
Die Erfolge saarländischer Vereinsmannschaften im Jugendfußball (männlich) auf Bundesebene:
Deutsche Meisterschaft:
A-Jugend:
1969: Finale am 13. Juli im Stadion Kieselhumes in Saarbrücken:
1. FC Saarbrücken - VfL Bochum 3:5 (3:0).
B-Jugend:
1980: Viertelfinale SV Merchweiler - 1. FC Kaiserslautern 2:2
(Hinspiel), 0:1 (Rückspiel).
1996: Finale am 21. Juli in Dortmund: Borussia Dortmund - 1. FC
Saarbrücken 6:1.
DFB-Kicker-Pokal:
1987: Halbfinale: 1. FC Nürnberg - Borussia Neunkirchen 1:0.
1994: Viertelfinale: FC Augsburg - FC Homburg 5:2.
1999: Finale am 3. Juli in Magdeburg: 1. FC Magdeburg - 1. FC
Saarbrücken 6:1.
thk
Zurück!
Yannick schläft in Bayern-Bettwäsche
Sohn von Etepe Kakoko hofft auf die große Karriere – Vom FCS über Metz nach München
ersten Stock hat er es sich gemüt- Unglaublich stark erinnert er an
lich gemacht. Er schläft in Bay- seinen Vater Etepe, Nationalspieern-Bettwäsche, im Zimmer liegt ler der Demokratischen Republik
– natürlich – ein Fußball, er liest Kongo und in den 80er Jahren
ein Buch über David Beckham Publikumsliebling beim FCS. Die
und hat etliche DVDs und Videos Lebensfreude hat Etepe Kakoko
wohl an seinen Sohn
über Zinedine Zidane.
weitergegeben. „Ich
„Giovane Elber ist
hatte mit 17 schon
München.
Yannick
Kakoko mein Lieblingsspie„Zidane hat
vier Mal die Schule
strahlt an jenem Frühlingstag mit ler“, sagt Yannick mit
auch mal klein gewechselt“, erzählt
der Münchener Sonne um die ähnlich verschmitzYannick,
„alleine
Wette. Es macht dem 17-Jährigen tem Lächeln wie das
angefangen.“
schon deshalb hätte
überhaupt nichts aus, dass sein des einstigen brasiliaYannick Kakoko
ich nie gedacht, dass
Tag komplett durchgeplant ist: nischen Bayern-Stürich mal hier lande.“
6.30 Uhr aufstehen, 7.10 bis 7.20 mers. „Aber Zidane ist
Denn der FC Bayern
Uhr Frühstück, 8.10 Uhr bis 13.15 einfach nur WeltklasUhr Schule, 13.50 Uhr bis 14.30 se. Die DVDs hab ich mir zig Mal legt großen Wert auf die schuliUhr Essen im Bayern-Restau- angeschaut. Er war auch auf der sche Ausbildung seiner Nachrant, 15 bis 17 Uhr Nachmittags- Straße, auf den Straßen von Mar- wuchsfußballer. „Herr Cichlar
betreuung, 17 bis 19 Uhr Training, seille. Er hat auch mal klein an- passt auf, dass ich weiter hart arbeite“, verrät Yannick, „ich bin
23 Uhr Bettruhe. Nein, das macht gefangen.“
Gerne würde Yannick die Paral- noch nicht sooo gut in der Schule,
ihm gar nichts aus. Denn, wie er
betont: „Ein Traum ist für mich lele ziehen. Denn auch er hat als aber ich werde weiter üben, üben,
typischer Straßenfußballer be- üben.“
in Erfüllung gegangen.“
Auch wenn der Tagesablauf reSeit dem 24. Juli 2006 wohnt gonnen – in Saarbrücken. Beim
und lebt Yannick Kakoko in Mün- ESV Saarbrücken spielte er bis lativ starr ist, gibt es noch Dinge
chen, im Jugend-Internat des FC zur E-Jugend, wechselte dann zu organisieren. Yannick erzählt:
Bayern. Dort, wo die Stars von zum 1. FC Saarbrücken und nahm „Wir putzen unsere Schuhe noch
morgen heranwachsen sollen. für zwei Jahre in C- und B-Ju- alleine, nicht so wie die“, und
Auch Yannick soll bald dazu ge- gend das Angebot des FC Metz deutet auf das imposante Gebäuhören. Im Appartement 09 im an. Dann ging es zu den Bayern. de, in dem Kahn und Makaay einund ausgehen. „Und jeden Dienstag können wir unsere Wäsche
abgeben.“ Ausgestattet worden
ist er mit einem Ausgehanzug sowie für den Trainingsbetrieb mit
jeweils vier Hosen, Jacken, Pullis,
T-Shirts, vier Paar Stutzen, zwei
Fleece-Jacken, einer Mütze und
einem paar Handschuhen. Die
Schuhe werden ausgetauscht,
wenn notwendig.
Abends steigt gerne mal ein
Play-Station-2-Turnier – wie bei
den Profis mit Rensing, Schweini,
Poldi und Co. „Ich fühle mich
richtig wohl hier“, sagt Yannick,
„in der Schule war ich erst Klassensprecher und nach zwei Monaten Schülersprecher für die
ganze Schule. Keine Ahnung, wie
ich das gemacht habe.“ Aber gut
hat er es gemacht.
thk
Yannick Kakoko in seinem Zimmer in München.
Foto: thk
Sein Vater war einst Publikumsliebling beim 1. FC Saarbrücken.
Und Yannick Kakoko, der Sohn
von Etepe, spielte auch schon
beim FCS. Inzwischen lebt und
trainiert er in München – in der
Jugend des großen FC Bayern.
Primstal, Limbach
und Hasborn sind
Sternvereine des FCK
Kaiserslautern. Der 1. FC Kaiserslautern hat seine Fühler nach
jungen, hungrigen Talenten ausgestreckt – und drei Saar-Vereine
machen mit und arbeiten zu: Der
VfL Primstal, Palatia Limbach
und SV Hasborn nennen sich ab
der neuen Saison „Sternverein“
des FCK. Insgesamt haben neun
Vereine rund um Kaiserslautern
einen Dreijahresvertrag unterschrieben. Sie verpflichten sich
damit, dem FCK zwei Mal im
Jahr Bericht über ihre Jugendarbeit zu erstatten. Die „Roten Teufel“ wollen so vermeiden, dass ihnen ein Talent durch die Lappen
geht. Im Gegenzug hat der FCK
vertraglich zugesichert, mit den
Profis ein Freundschaftsspiel bei
ihren Sternvereinen auszutragen. Sternvereine dürfen zwei
Mal im Jahr das Trainingsgelände am Fröhnerhof nutzen, Trainer zur Weiterbildung nach Lautern schicken, Testspiele mit der
FCK-Jugend vereinbaren, und
zudem stellt der FCK ihnen ein
Kontingent an Freikarten für
Heimspiele in der 2. Bundesliga
zur Verfügung.
Die Freude beim Saarländischen Fußballverband hält sich
über die Kooperation mit einem
Verein aus dem Nachbarland verständlicherweise in Grenzen. Die
neuen Sternvereine haben aber
so gehandelt wie der SV Hasborn.
Dessen Jugendleiter Rudi Huber
sagt: „Gute Spieler werden früher
oder später eh umworben und
sind dann sowieso weg. Wenn
Lautern anruft, können wir sie eh
nicht halten.“
thk
Im Internet:
www.fck.de
Talent aus Ensdorf
entscheidet sich gegen
den großen Club
Ensdorf. Beinahe hätte das Saar-
land ein großes Fußball-Talent
verloren. Im letzten Moment allerdings hat sich Kevin Feiersinger (Foto: Hartung) dann doch
für den 1. FC Saarbrücken entschieden.
Der
FC
Schalke 04 lockte
den 15-Jährigen
zu sich. Kevin hatte sich irgendwie
schon mit dem
Gedanken angefreundet, bald im Kevin
Ruhrpott auf To- Feiersinger
rejagd zu gehen.
Es überwog aber die Vernunft.
„Ich will hier bleiben und meine
Schule fertig machen“, sagt der
Realschüler, „und ich wohne weiter zu Hause bei meinen Eltern.“
Das wäre auf Schalke anders gewesen: Dort hätte er die Gesamtschule besucht, ein Jahr noch in
einer Gastfamilie gelebt und wäre
dann ins Internat gezogen – und
auf sich alleine gestellt gewesen.
Vor vier Jahren kam Kevin Feiersinger von seinem Heimatverein FC Ensdorf zum FCS, schaffte
schnell den Sprung in die Saarauswahl und wurde so auf einem
Turnier in Bad Blankenburg von
Talentspähern entdeckt und wenig später auch in den Kader der
deutschen U15-Nationalmannschaft berufen. In der kommenden Saison wird der Stürmer mit
der U17 des FCS in der neu gegründeten B-Jugend-Bundesliga
an den Start gehen. Auch die Qualifikation des FCS für die Bundesliga sei ein Grund gewesen, im
Saarland zu bleiben.
thk
Produktion dieser Seite:
Kai Klankert
Mark Weishaupt
Sport
Telefon:
Fax:
E-Mail:
(06 81) 5 02 22 63
(06 81) 5 02 22 59
[email protected]
Team Sport: Wulf Wein (in, Leiter),
Patrick Griesser (pg), Klaus Kalsch (kk),
Kai Klankert (kai), Gerhard Klotz (gk),
Walter Koster (kos), Mark Weishaupt
(mwe), Peter Wilhelm (wip)