Hochschulpastoral

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Hochschulpastoral
Hochschulpastoral
März 2012
Institut für Fort- und Weiterbildung von ReligionslehrerInnen
Campus Krems-Mitterau
3500 Krems, Dr. Gschmeidler-Str. 28
„Lichtblicke“
Univ. Doz. Dr. Franz Schmatz
Als ich vor einiger Zeit einen jungen Mann mit Querschnittlähmung nach einem Verkehrsunfall begleitete, sagte
er in einem Gespräch zu mir: „Wissen Sie, mein Motto vor meinem Unfall war: schneller, immer schneller. Jetzt
ist mein Motto: langsam, ganz langsam!“ Dann folgte ein langes Schweigen, in dem ich seine Hand in meiner
Hand liegen hatte. Auch ohne Worte spürte ich, dass unser beider Frage war: ob das wohl zu schaffen ist?
Die Parolen unserer Leistungsgesellschaft sind klar: Beschleunige, wo es geht! Leiste noch mehr! Hole heraus,
was möglich ist! Sei stark! Übertriff die Konkurrenz! Sei besser als die anderen! Verkaufe dich gut! Suche
deinen Vorteil! Tu alles für Erfolgsoptimierung und Gewinnmaximierung! Steigere das Tempo!
Mit diesen Überlegungen bin ich in der vorösterlichen Zeit, oft immer noch „Fastenzeit“ genannt, angekommen.
Sie auch?
Da hören wir biblische Texte wie „Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade“ (2 Kor 6,2), auch übersetzt mit den
Worten „Jetzt ist sie da, die ersehnte Zeit“.
Wie kann man diese Zeit vor Ostern („Fastenzeit“) mit so schönen und einladenden Worten umschreiben? Als
ich jung war, haben wir die Fastenzeit eher bedrückend erlebt. Dreimal in der Woche haben wir an
Kreuzwegandachten teilgenommen, leidfixierte Lieder gesungen und deprimierende Texte gesprochen. Die
Rede von Blut, Schmerz, Qual, Pein, Sünde, Schuld und Strafe haben uns Kinder und Jugendliche seelisch
halb erdrückt! Erst in langer schwerer Krankheit habe ich begonnen, mich von diesen oft neurotischen
Leidensbildern zu lösen, um mir in Gebet und Meditation immer mehr Lebens-bilder schenken zu lassen.
Heute kann ich besser verstehen, warum die vorösterliche Zeit als Zeit der Gnade und als ersehnte Zeit
wahrgenommen werden kann. Weil es eine Zeit der Unterbrechung und des Kontrastes ist, die mich einladend
fragt, wie und wofür ich lebe, ob ich ganzheitlich gesehen überhaupt lebe, und wie ich durch Innehalten und
Veränderung Heilung finden kann.
Heute können mich leidfixierende Bilder, Lieder und Texte nicht mehr mit Angst und Drohung erfüllen. Ganz im
Gegenteil, die vorösterliche Zeit lädt mich ein, überall Lebensquellen zu suchen und zu finden. Nicht weil ich
mich vor Bestrafung fürchte, sondern weil ich wertvoll, solidarisch, teilend und qualitätsvoll leben möchte,
suche ich das Innehalten, die Unterbrechung, die Veränderung, den Kontrast, das Los-lassen und die reifende
Erneuerung.
Nicht die Lust am Leiden, nicht das Suchen des Schmerzes, nicht die Fixierung auf Schuld und schon gar nicht
die Angst vor einem strafenden Gott bewegen mich zur Umkehr, sondern die Erfahrung göttlicher Liebe in ihrer
unendlichen Vielfalt lädt mich ein, Gott und dem Leben zu trauen, Ursprünglichkeit zu leben und darauf zu
vertrauen, dass alles gut wird.
Es geht in dieser vorösterlichen Zeit um Hinwendung zur Mitte des Lebens, um aus ihr heraus den neuen
Aufbruch zu wagen: Schmerz soll gelindert, Krankheit geheilt, Sinnleere mit Hoffnung erfüllt werden und
Schulderfahrungen sollen zu Bausteinen für Reifung und Entwicklung verwandelt werden.
Und was berechtigt zu diesem Glaubens- und Lebenswandel? Es ist die österliche, befreiende und
aufrichtende Zusage und Erfahrung, dass Erlösung geschehen und der Karfreitag in letzter Konsequenz
überwunden ist, weil die göttliche Liebe alles durchwirkt.
Jetzt ist sie da, die Zeit der Gnade! Jetzt ist sie da, die ersehnte Zeit! Werde ich sie im Sinne des Kontrastes,
der Unterbrechung, der Entschleunigung und der Erneuerung nützen? Die Einladung steht und Ostern
erwartet!
Mit allen guten Wünschen
Ihr
Franz Schmatz
Foto: Eva Dafert