Abiturprüfung 2011
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Abiturprüfung 2011
Abiturprüfung 2011 KUNST als Leistungskursfach Arbeitszeit: 315 Minuten (einschließlich Einlesezeit) Der Prüfling hat eine der vier Aufgaben nach seiner Wahl zu bearbeiten. Rechts neben jeder Teilaufgabe steht die maximal erreichbare Anzahl der Bewertungseinheiten (BE). 2 Aufgabe mit bildnerisch-praktischem Schwerpunkt Aufgabe I Stilles Leben - Gestaltung eines Stilllebens, dessen Atmosphäre von Stille bestimmt ist Wir wissen die Dinge kaum mehr richtig anzuschauen, wir haben dafür keine Zeit. Unsere Sinne entgleiten uns vor dem Übermaß an Belastungen aller Art, an Buntheit, Verwirrung, Lärm. Wir müssen das Ursprüngliche zurückerobern: Die Fähigkeit zur Kontemplation. Antoni Tapies 1. Zeichnerische Annäherung [12 BE] Vor Ihnen liegen ein Paar Gummihandschuhe und ein Stück Seife. Untersuchen und betrachten Sie als erstes die Gummihandschuhe im Hinblick auf ihre Material- und Formeigenschaften! Notieren Sie Ihre Feststellungen wie auch Ihre Assoziationen auf einem Notizzettel! Wählen Sie nun für Ihre Skizzen und Ihre Studie, die Sie auf einem Blatt gemeinsam erarbeiten, geeignete grafische Mittel und ein entsprechend großformatiges Papier! a) Skizzen Gummihandschuhe können unendlich viele Formen annehmen, je nachdem wie mit ihnen umgegangen wird, z. B. sauber gefaltet, achtlos hingeworfen, zerknüllt. Erstellen sie eine Reihe linearer Skizzen, die die Gummihandschuhe in verschiedenen Zuständen zeigen! b) Studie Legen Sie einen Gummihandschuh so vor sich hin, dass er eine Form einnimmt, die ihn deutlich als Handschuh erkennen lässt! Fertigen Sie von dieser Ansicht eine Studie an, die den Handschuh in Originalgröße zeigt und in der auch die Eigenarten des Materials und die Plastizität deutlich werden! Achten Sie auf eine konsequente bildnerische Präsentation von Skizzen und Studien auf einem Blatt! Arbeiten Sie hier auch Ihre eingangs erstellten Notizen als Beschriftungen der Zeichnung ein! 2. Kompositionsskizzen [8 BE] Ordnen Sie nun, ausgehend von Ihren zeichnerisch gewonnenen Erfahrungen, die Gummihandschuhe und das Seifenstück zu einem gezielt arrangierten Stillleben an! Fügen Sie es dann gedanklich in ein Umfeld ein, das „Stille“ zum Ausdruck bringt! Skizzieren Sie drei mindestens DIN A5 große, deutlich unterschiedliche Kompositionsentwürfe! Sie sind dabei nicht an eine rein naturalistische Darstellungsweise gebunden, sondern können auch abstrahierende Möglichkeiten wählen oder Collageelemente einplanen. Stellen Sie in jedem Fall ein absichtsvolles Zueinander der Formen her! 3 3. Ausführung der Bildgestaltung [20 BE] Entscheiden Sie sich für eine Ihrer Kompositionsskizzen, die Sie nun zur endgültigen Gestaltung weiterentwickeln! Wählen Sie dafür geeignete Techniken und ein sinnvolles Format! Achten Sie in Ihrer Darstellung auf einen bewussten Einsatz der bildnerischen Mittel, um den Eindruck von Stille zu erreichen! 4. Kunstgeschichtliche Reflexion [20 BE] Wie der abstrakt arbeitende Künstler Antoni Tapies (vgl. Zitat zu Beginn der Aufgabe) schufen auch andere Künstler seit Beginn des 20. Jahrhunderts Werke, deren Wirkung deutlich im Gegensatz zur ständigen Reizüberflutung des Alltags stehen. Dies kann von unterschiedlichen künstlerischen Positionen aus geschehen. Stellen Sie je eine Arbeit von zwei verschiedenen Künstlern vor, die der Forderung Tapies nachkommen, aber gleichzeitig unterschiedliche künstlerische Ansätze vertreten. Beschreiben Sie die Werke und stellen Sie im Vergleich dar, mit welchen Mitteln die Wirkung von Stille erzeugt wird! [Summe: 60 BE] Materialien und Hilfsmittel Ein Paar weiße Gummihandschuhe oder Einmalhandschuhe und ein Stück Kernseife Blei- oder Graphitstifte versch. Härtegrade, Kreide, Kohle, Buntstifte, Pastell- oder Ölpastellkreiden, Gouache- oder Acrylfarben, Klebstoff, Schere; Zeichenpapier in verschiedenen Farben und Größen (bis DINA1), Malkarton (bis DINA2) 4 Aufgabe mit bildnerisch-praktischem Schwerpunkt Aufgabe II „Junge Graphik“ - Ausstellungsplakat für eine Galerie Zur Eröffnung einer neuen Galerie, die sich auf Graphik spezialisiert hat, soll ein Plakat entworfen werden. Für das erwartete junge Publikum zwischen 15 und 30 Jahren wünscht sich der Galerist eine Darstellung, bei der charakteristische Werkzeuge der Graphik wie z. B. Tuscheglas, Feder, Bleistift, Filzstift, Radiergummi, Kugelschreiber, Spitzer oder digitale Medien zum Blickfang werden. Wählen Sie aus den Ihnen zur Verfügung stehenden Gegenständen einige geeignete aus und prüfen Sie diese im Hinblick auf Ihre Eignung als Plakatmotiv! 1. Vorbereitende Skizzen zu Bildmotiv und Schrift [10 BE] a) Bildmotiv Fertigen Sie eine Reihe von Konturskizzen an, mit denen Sie sich die Formeigenschaften einiger grafischer Werkzeuge klarmachen! b) Schrift Entwerfen Sie für den Plakattitel „Junge Graphik“ markante Buchstaben, welche die Zielgruppe ansprechen sollen! Experimentieren Sie dabei mit verschiedenen Schriftarten, Schriftgrößen und Schriftfragmenten! Ordnen Sie Ihre Skizzen und Schrifterprobungen übersichtlich auf einem Zeichenblatt (etwa in der Größe von DIN A2) an! 2. Konzepte für ein Ausstellungsplakat [10 BE] Entwickeln Sie ausgehend von Ihren vorbereitenden Arbeiten mindestens drei unterschiedliche Konzepte für das Plakat! Legen Sie dazu kleinformatige Entwürfe, die Bildmotiv und Schrift enthalten, auf einem großen Zeichenblatt (DIN A3 bis DIN A2) an! Experimentieren Sie dabei mit Detailvergrößerungen von Gegenständen, ungewöhnlichen Blickwinkeln, Größenverhältnissen und mit Kombinationen verschiedener Motive! Wählen Sie geeignete Schriften aus und führen Sie diese mit Ihren Motiven grafisch wirksam zusammen! Achten Sie auf ein stimmiges Verhältnis von Bild- und Schriftelementen! 3. Plakatentwurf [20 BE] Gestalten Sie nun einen wirkungsvollen, auf die Zielgruppe hin abgestimmten Plakatentwurf für die Galerie „Junge Graphik“! Entscheiden Sie sich zunächst für einen Ihrer Entwürfe als Ausgangspunkt für Ihr weiteres Vorgehen! Bei der Ausführung Ihres Plakatentwurfs (Format DIN A3 bis DIN A1) können Sie rein zeichnerisch arbeiten, aber auch verschiedene graphische Mittel kombinieren und 5 auch mit Mitteln der Papiercollage arbeiten! Legen Sie Ihren Plakatentwurf so an, dass Bild und Schrift in einem spannungsvollen Verhältnis stehen und eine effektvolle Gesamtwirkung erzielt wird! 4. Kunstgeschichtliche Reflexion [20 BE] Zahlreiche Maler der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts lehnten sich in ihrer Malerei an die Plakatkunst an und erweiterten damit ihre Ausdrucksmöglichkeiten. In ihren großflächigen, starkfarbigen Kunstwerken, die vor allem auf Fernwirkung abzielen, verliert die Tiefenräumlichkeit dabei häufig an Bedeutung. a) Stellen Sie je ein Werk von zwei Künstlern aus dieser Zeit vor, die auf unterschiedliche Art und Weise in ihren Arbeiten mit plakativen Mitteln in der Fläche arbeiteten! Beschreiben Sie die beiden Werke und erläutern Sie die jeweilige künstlerische Position! b) Führen Sie im Kontrast dazu eine Arbeit einer Malerin oder eines Malers aus dem gleichen Zeitraum an, in welcher der Tiefenraum, beziehungsweise eine illusionistische Wirkung von besonderer Bedeutung ist. Charakterisieren Sie dieses im Vergleich zu den beiden Gemälden nach sinnvollen Gesichtspunkten! [Summe: 60 BE] Materialien und Hilfsmittel Bleistifte verschiedener Härtegrade, Tusche und Federhalter, Faserschreiber (Fineliner und Marker), Kugelschreiber, Kohle, farbige Kreiden, weiße und farbige Papiere in verschiedenen Größen und Stärken, Klebstoffe, Scheren, Cutter, PC-Mäuse 6 Aufgabe mit schriftlich-theoretischem Schwerpunkt Aufgabe III Analyse und Interpretation Pablo Picasso (1881-1973): Guernica, 1937, Öl auf Leinwand, 351 x 782 cm, Madrid, Nationalmuseum Centro de Arte Reina Sofía Pablo Picasso erhielt 1937 von der amtierenden spanischen Regierung den Auftrag für ein Bild, das den spanischen Pavillon während der Weltausstellung in Paris schmücken sollte. Zu dieser Zeit hatten jedoch bereits rechte Kräfte in Spanien gegen die Regierung geputscht und mit ausländischer Hilfe einen Bürgerkrieg entfesselt. Am 26. April 1937 bombardierte die sogenannte „Legion Condor“, eine deutsch-italienische Luftwaffeneinheit zur Unterstützung der aufständischen Faschisten die Hauptstadt des Baskenlandes, Guernica. Der Angriff galt weniger militärischen Zielen als vielmehr der Demoralisierung und Vernichtung der Zivilbevölkerung. Unter dem Eindruck dieses Geschehens verwarf Picasso seine ursprünglichen, bereits entwickelten Bildkonzepte. Er malte „Guernica“ für den Pavillon. 1. Erster Eindruck und Beschreibung [5 BE] Formulieren Sie Ihre Empfindungen, die Sie beim Betrachten des Bildes haben! Beschreiben Sie in knapper Form, was Sie auf dem Gemälde sehen! 2. Bildnerische Auseinandersetzung [20 BE] Legen Sie die folgenden Skizzen und Studien auf einem großformatigen Blatt an! Notieren Sie neben bzw. in den Zeichnungen stichpunktartig zentrale Begriffe und Erkenntnisse! a) Detailstudie Fertigen Sie eine vergrößernde, lineare Zeichnung nach der vorliegenden Reproduktion an! Arbeiten Sie einen selbstgewählten Bereich innerhalb dieser Zeichnung im Sinn einer Detailstudie nach Hell-Dunkel aus und verdeutlichen Sie hierbei auch den charakteristischen Umgang mit Formen! b) Komposition Untersuchen Sie in stark verkleinernden Kompositionsskizzen die Organisation der Bildfläche! 3. Schriftliche Analyse [10 BE] Geben Sie Aufschluss über die Organisation von Bildfläche und Bildraum, Farbigkeit und Hell-Dunkel sowie den besonderen Umgang mit Formen! Erklären Sie, anknüpfend an Ihre bisherigen Erkenntnisse, wie es Picasso innerhalb des großen Formats gelingt, das komplexe Formengebilde zu ordnen! 7 4. Interpretationsansatz [10 BE] Setzen Sie sich auf der Grundlage Ihrer bisher angestellten Beobachtungen und Analysen in einem Interpretationsansatz mit der Intention Picassos auseinander, die in dem Bild zum Ausdruck kommt! Gehen Sie hierbei auch auf das Symbolische identifizierbarer Bildinhalte ein! Überlegen Sie, weshalb gerade dieses Bild bis heute seine besondere Wirkung entfaltet und starke Reaktionen auslöst! 5. Reflexion [15 BE] a) Picasso erneuerte 1937 mit Guernica die in der Moderne seltener gewordene Gattung des Historienbildes. Beschreiben Sie knapp ein weiteres Historienbild aus dem 19. oder 20. Jahrhundert und stellen Sie dar, wie der von Ihnen gewählte Künstler Geschichte thematisiert und bildnerisch umsetzt! b) Über die öffentlichen Medien erreichen uns heute täglich Bilder von Kriegsschauplätzen und zeigen uns menschliches Elend. Erörtern Sie knapp, wie heute mit derartigen Bildern umgegangen wird! [Summe: 60 BE] Materialien und Hilfsmittel Abbildung Zeichenpapiere und Zeichenkarton (bis DIN A2), Bleistifte verschiedener Härtegrade, Farbstifte, Kreiden 8 Aufgabe mit schriftlich-theoretischem Schwerpunkt Aufgabe IV Vergleichende Analyse und Interpretation Alberto Giacometti (1901-1966): Stehende Frau, 1948/49, Bronze, 125 x 20 x 34 cm, Staatsgalerie Stuttgart Unbekannter Bildhauer: Apoll von Tenea, Mitte 6. Jhd. v. Chr., Marmor, Höhe 153 cm, München, Glyptothek Alberto Giacomettis Bronzefigur aus den Jahren 1948/49 steht in einer langen Reihe von Arbeiten, in denen sich der Bildhauer mit der menschlichen Gestalt auseinandersetzte. Der sog. „Apoll von Tenea“, der früher irrtümlicherweise als Götterstatue angesehen wurde, stammt aus der archaischen Phase der griechischen Kunst der Antike. Man nimmt heute an, dass die Statue auf einem Grab stand. Betrachten Sie beide Figuren aufmerksam! Stellen Sie sich dabei vor, sie würden um sie herum gehen, sie aus der Ferne und aus der Nähe betrachten - soweit dies von den Abbildungen her möglich scheint! 1. Erste Eindrücke und Beschreibung [8 BE] Geben Sie erste, persönliche Eindrücke wieder, die Sie beim Betrachten der beiden Statuen haben! Scheuen Sie sich dabei nicht, Ihre Empfindungen zu schildern und Assoziationen zu äußern! Beschreiben Sie sodann sachlich, knapp und präzise das Äußere der beiden Figuren und gehen Sie dabei kurz auf die jeweilige Herstellungstechnik ein! 2. Zeichnerische Annäherung und Analyse [20 BE] a) Zeichnerische Untersuchungen: Drei Handstudien Betrachten Sie zunächst Ihre eigene Hand! Skizzieren Sie nun diese etwa in Originalgröße! Arbeiten Sie einen Bereich davon differenziert aus, indem Sie Hell-Dunkel-Werte und Oberflächenqualitäten schildern! Stellen Sie der eigenen Hand zwei Hände (etwa in Größe der eigenen Hand) gegenüber, die den Anschein haben, als hätte sie einerseits der archaische Bildhauer, andererseits Alberto Giacometti geschaffen! Arbeiten Sie auch hier Details aus, die zeigen, wie plastische Formen modelliert und Oberflächen ausgearbeitet wurden! b) Studien zum Aufbau der Figuren Fertigen Sie von jeder der reproduzierten Plastiken eine etwa postkartengroße Zeichnung an! Verdeutlichen Sie in diesen Zeichnungen die Zusammensetzung der Figuren aus Körpermassen und Detailformen, sowie die Anlage von Proportionen und Körperachsen! Zusätzliche kleine Skizzen können dazu beitragen, bestimmte formale Aspekte aufzuzeigen. Für das weitere Vorgehen ist es hilfreich, die von Ihnen beobachteten formalen Eigenarten auf dem Zeichenblatt zu notieren. Ordnen Sie Ihre Studien auf einem großen Zeichenblatt übersichtlich an! 9 3. Schriftliche Analyse [12 BE] Untersuchen Sie, ausgehend von Ihren Beobachtungen und zeichnerischen Erkundungen, wie die Bildhauer ihre Figuren formulieren! Klären Sie dazu vorher die dafür relevanten Beobachtungskriterien! 4. Interpretationsansatz zu „Stehende Frau“ von Giacometti [12 BE] Seit Jahrtausenden formulieren Bildhauer die menschliche Gestalt immer wieder neu und geben damit Aufschluss über das jeweilige Selbstverständnis des Menschen. Entwickeln und begründen Sie eine These dahingehend, welche Position hier Giacometti einnimmt! Greifen Sie bei Ihren Überlegungen auf Ihre bisherigen Beobachtungen und auf die bei der Analyse gewonnenen Erfahrungen zurück! 5. Kunstgeschichtliche Reflexion [8 BE] Stellen Sie ein Werk eines weiteren Bildhauers vor, der sich im 20. Jahrhundert intensiv mit der menschlichen Figur auseinandergesetzt hat! Beschreiben Sie das Werk! Zeigen Sie, wie er die plastische Form ausarbeitet und wie er eine spezifische Wirkung erzeugt! [Summe: 60 BE] Alberto Giacometti (1901-1966): Stehende Frau, 1948/49, Bronze, 125 x 20 x 34 cm, Staatsgalerie Stuttgart (Raumansicht) 10 Materialien und Hilfsmittel Zwei Abbildungen Zeichenpapiere und Zeichenkarton DIN A3 bis DIN A2, Bleistifte verschiedener Härtegrade, Farbstifte, Kreiden