Eine Liebeserklärung an Rudolstadt | OTZ

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SAMSTAG, 18. OKTOBER 2014
Eine Liebeserklärung an Rudolstadt
18.10.2014 - 10:00 Uhr
Das Kunsthaus Wendl in Rudolstadt steht vor seiner 80. Auktion. An diesem Wochenende beginnen die Vorbesichtigungen
Das Ehepaar Anke und Martin Wendl im Kunstauktionshaus Wendl in Rudolstadt inmitten ihrer Auktionsware.
Wer in das Kunst-Auktionshaus Wendl in Rudolstadt durch die reich verzierte Flügeltür und über den roten Teppich im Haus!ur
schreitet, der betritt eine eigentümlich-schöne Welt, in der es wuselig ist und weltmännisch-geschäftig zugeht. Aber auch ein bisschen
wie im Museum oder in einer Galerie.
Das Haus in der August-Bebel-Straße macht etwas her. Es wurde 1877 im neoklassizistischen Stil von dem Rudolstädter Konsul
Maximilian Damm gebaut, der in Mexiko mit Silber- und Schwefelbergwerken sein Geld machte. Das Rudolstädter Anwesen könnte
tolle Geschichten vom Konsul erzählen. Oder auch aus Schillers Zeiten, denn der parkartige Garten hinter der Villa mit Blick zur
Heidecksburg war einst Teil der Lengefeldschen Gärten, in denen sich Schiller und Goethe erstmals begegneten. Oder auch jene
Geschichten aus DDR-Zeiten, als sechs Mietparteien hier lebten, der wunderschöne Auktionssaal mit Kronleuchter und Stuckdecke als
Lager zweckentfremdet wurde und die Bausubstanz zu leiden hatte. Oder die Geschichten, als das Ehepaar Wendl einzog, regelmäßig
Auktionen stattfanden und eine Vielzahl an Kunstobjekten aus Renaissance, Barock, Biedermeier, Gründerzeit, Jugendstil und Art Déco
erst in die Rudolstädter Villa hinein- und dann wieder hinausgetragen wurden.
Vom 23. bis 25. Oktober veranstalten die Wendls ihre 80. Kunstauktion. Von heute bis Donnerstag, kurz vor Versteigerungsbeginn,
ö"nen das Ehepaar und seine elf Mitarbeiter, darunter fünf Kunsthistoriker, das Haus für Vorbesichtigungen der Auktionsware. Ein
toller Grund, vorbeizuschauen. Gastfreundschaft wird stets groß geschrieben bei den Wendls, jeder Besucher ist willkommen. Gern
möchten sie den Rudolstädtern, den Ostthüringern, den Neugierigen die Schwellenangst nehmen. "Man braucht kein dickes
Portemonnaie. Der große Teil der Posten geht zu ganz vernünftigen Preisen weg. Obendrein ist eine Auktion an sich schon ein
Erlebnis", wird Martin Wendl nicht müde zu betonen. Und es gibt eine Menge Kunst zu bestaunen.
Ab 1973 betrieb Martin Wendl, damals als Lektor im Greifenverlag tätig, in Rudolstadt mit seiner damaligen Frau Bettina eine kleine
angesehene "Antiquitätenstube". Er hatte Kontakte und Kunden im ganzen Land. Doch dann kam 1987 die "Zwangsenteignung zwecks
Devisenbescha"ung". Um die komplette Existenz beraubt, blieb im Mai 1989 nur noch die Ausreise gen Westen. Doch mit dem
Mauerfall lies Martin Wendl die alten Kontakte wieder au!eben, kam zurück in die Heimat und legte den Grundstein für das jetzige
Kunst-Auktionshaus, das nicht nur Thüringens größtes ist, sondern auch international bei Sammlern bekannt.
Am 9. November 1991 fand in der Rudolstädter Saalgasse 4, in einem ehemaligen Gasthaus die erste Auktion statt. Und seitdem war
es fortan Anke Wendl, die durch die Versteigerungen führte. Damals, mit 20 Jahren, war sie die jüngste Auktionatorin deutschlandweit.
Nur die eigene Tochter Julia Marie unterbot später mit 18 Jahren ihre Mutter. Der erste Katalog - vergleichsweise dünn und
bescheiden. Doch der Erfolg war gigantisch. "Von 615 Positionen wurden 612 versteigert, eine Quote von 99,9 Prozent", erzählt Martin
Wendl. Aus der Gasse wurde sogar durchs Fenster mitgeboten. Ein toller Erfolg, der die Wendls anspornte.
Schon damals setzten Wendls auf Computer für einen reibungslosen und professionellen Verlauf der Auktion. Das verwunderte. Und
es verblü"t auch heute noch, wie routiniert und konzentriert Anke Wendl, die Auktionatorin, bei 4600 Losen an drei Tagen das gleiche
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Prozedere ausführt: Aufrufen, Nennen des Mindestgebots, Entgegennahme von Geboten aus dem Saal, am Telefon, im Internet und
von schriftlichen Geboten. Dann der Zuschlag. Zwischen 15 und maximal 30 Sekunden. Höchste Konzentration, schief gehen darf
nichts. Dennoch betont die Mutter zweier erwachsener Kinder stets: "Es macht unglaublich viel Spaß."
Auch mit der zweiten Auktion im Frühjahr 1992 setzten Wendls ein Ausrufezeichen: Ein mit 8000 D-Mark limitiertes, aus Rudolstadt
eingeliefertes Gemälde von Emil Rau wurde von einem bayrischen Bieter für 36"000 D-Mark ersteigert. Die Medien und Kunden
horchten auf. Im November 1993 kaufen Wendls die Villa in der August-Bebel-Straße 4, stecken unglaublich viel Zeit, Geld und Arbeit
in die denkmalgeschützte Villa und können genau vor 20 Jahren, im September 1994 ihre zehnte Auktion im eigenen Auktionssaal
veranstalten. Seitdem gibt es jährlich drei Auktionen mit rund 4000 Objekten und Kunden auf der ganzen Welt.
Die Liste der besonderen Objekte der vergangenen 20 Jahre, ist freilich lang. Es sind "Ausreißer" darunter, ein "Schinkelsekretär" um
1800/1825 für 80"000 Euro beispielsweise. Oder eine goldene Drehgang-Uhr aus der Glashütter Uhrenfabrik Union für 65"000 Euro.
Fällt es nicht schwer, sich selbst die ganzen Kostbarkeiten in die Wohnräume zu stellen? "Zum Glück sind wir nicht so veranlagt", sagt
Anke Wendl. Sie erfreuen sich an ihren Objekten, wie in einer ständig wechselnden Ausstellung. In ihrem Hausrat #nden sich viele
Familienstücke mit Erinnerungen, die nicht ersetzt werden sollen. Generell sind Anke und Martin Wendl der Heimat und Kultur
verbunden, engagieren sich zum Gemeinwohl im Theaterförderverein und im Bündnis "Rudolstadt blüht auf". "Wir lieben Rudolstadt
und wollen der Stadt etwas zurückgeben." Darunter fällt auch das Bene#zkonzert "Klavier & Kontrabass", das heute Abend, 19 Uhr, im
Festsaal der Heidecksburg statt#ndet - organisiert von den Wendls. Freiwillige Spenden aus dem Konzert !ießen in die Restaurierung
des Schallhauses.
Ulrike Kern / 18.10.14 / OTZ
Z0R0004763391
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