Erfahrungsbericht - Universität Heidelberg

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Erfahrungsbericht - Universität Heidelberg
Verena Schneider
Erfahrungsbericht
über zwei Auslandssemester an der Universität Montpellier 1 im Studienjahr 2010/2011
Erfahrungen
konnte
ich
während
meiner
zwei
Auslandssemester
(im
5.
und
6.
Hochschulsemester) an der Faculté de Droit et Science Politique der Universität Montpellier 1 in
vielerlei Hinsicht sammeln. Auf diese sowie auf praktische Hinweise, die den zukünftigen
Stipendiaten hilfreich sein mögen, möchte ich im Folgenden eingehen.
I. Ausgangspunkt – Motivation
Aufgewachsen im Dreiländereck (Freiburg), „in der Nachbarschaft zu Frankreich“, liegen mir
die französische Kultur und Gesellschaft, die Sprache und die Geschichte Frankreichs besonders
am Herzen. Bis in die Oberstufe hat mich Französisch begleitet. Daher wollte ich die
Gelegenheit nutzen, auch im Rahmen meiner universitären Ausbildung das (noch) sehr national
ausgerichtete deutsche Rechtsstudium mit entsprechenden juristischen wie menschlichen
Kenntnissen zu erweitern und meine Sprachkenntnisse zu perfektionieren. Meine Entscheidung
für Montpellier als Studienort rührte auch und vor allem daher, dass die Faculté de Droit in
Frankreich einen sehr guten Ruf genießt und die Universität meiner Zielsetzung eines Studiums
mit europäischer und internationaler Ausrichtung gut zu entsprechen schien. Darüber hinaus zog
mich die Lage Montpelliers, zu den Zentren Südfrankreichs gehörend, die südfranzösische
Atmosphäre mit vielen kulturellen Angeboten sowie die interessante Umgebung an. Auch habe
ich mich bewusst für Montpellier als große und bedeutende Universitätsstadt entschieden, die
keine Millioneneinwohnerstadt wie Paris ist, um die Möglichkeit zu nutzen, schneller und
leichter mit der Bevölkerung, insbesondere mit anderen Studenten in Kontakt zu treten und um
lediglich kürzere Wegstrecken im studentischen Alltag zurücklegen zu müssen.
II. Erfahrungen an der Universität
Ein Auslandsaufenthalt bietet sich idealerweise regelmäßig nach erfolgreichem Abschluss des
Grundstudiums an. Denn derart erhält man sich die Möglichkeit, auch im Ausland Scheine zu
erwerben. Daneben konnten die deutschen Jurastudenten ihre Kurse frei aus dem gesamten
Angebot der juristischen Fakultät auswählen. Hierbei möchte ich darauf hinweisen, dass noch in
Heidelberg die Kurswahl anzugeben ist (learning agreement). Es handelt sich hierbei allerdings
nur um eine vorläufige, unverbindliche Angabe, da man erst einige Wochen nach Semesterstart
in Montpellier seine endgültige Wahl treffen muss. Das Vorlesungsverzeichnis hängt vor Ort in
1
Verena Schneider
der Fakultät aus (im Bâtiment 1, im 2. Stock in der Nähe des Bureau des Relations
Internationales oder im Erdgeschoss des Bâtiment 2). Es ist zudem, etwas versteckt, auch auf der
Internetseite der Fakultät abrufbar.1 Zu Beginn des Semesters habe ich in einige Kurse
reingehört, um mir einen Überblick zu verschaffen. Ich denke, es ist vorteilhaft, keine voreilige
Wahl zu treffen, gerade auch weil manche Vorlesungen (z.B. Organisations européennes, Droit
européen) mehrmals von verschiedenen Professoren gehalten werden.
Die ausschließlich französischsprachigen Vorlesungen sind weniger interaktiv als in
Deutschland. Der monologartige Vortrag des Dozenten wird von den Studenten eifrig und im
Grunde genommen wörtlich mitgeschrieben, d.h. größtenteils auf ihren Laptops festgehalten.
Zwischenfragen werden auf kleinen Zetteln notiert und nach vorne gereicht – ein amüsanter
Vorgang. Doch auch in zwei meiner Kurse wurde Powerpoint benutzt und die Masterkurse mit
weniger Studenten (im Vergleich zu den überfüllten unteren Licence-Kursen) sind persönlicher
und daher besonders interessant. Wohl eher in Ausnahmefällen werden zu Beginn des Kurses
auch Unterlagen ausgeteilt. Hat man Bedenken gegenüber lückenhaften Mitschriften, wird sich
schnell ein freundlicher französischer Kommilitone finden lassen, der einem seine erstellten Skripte
zukommen lässt. Außerdem bietet sich hier auch wieder einmal eine Gelegenheit, Bekanntschaften
zu schließen.
Grundsätzlich sind die Prüfungen für ausländische Studenten mündlich und beziehen sich auf
das in der Vorlesung Gesagte, es sei denn man möchte, wie ich es getan habe, auch Scheine
erwerben (Seminarschein, Großer Schein). Zunächst sollte man in dieser Hinsicht, die
Voraussetzungen einer Anerkennung auf der Seite der Juristischen Fakultät nachlesen2 oder
direkt mit Herrn Kaiser, Leiter des Prüfungsamts, in Kontakt treten.
In meinem Fall, wurden die zusätzlichen Leistungen, schriftliche Prüfungen und Hausarbeiten
von den Professoren gerne gestellt. Trotzdem empfiehlt es sich, möglichst frühzeitig, also zu
Beginn des jeweiligen Semesters beim Professor anzufragen.
Bei Fragen ist regelmäßig das Bureau des Relations Internationales die richtige Anlaufstelle,
deshalb ist es ratsam, sich am Tag der Einschreibung dort vorzustellen. Zudem habe ich dort ein
„Begrüßungsgeschenk“ erhalten, eine Mappe mit allerlei Informationen. Zu Beginn meines
Aufenthaltes gab es eine Informationsveranstaltung sowie (ein paar Wochen später) einen
1
http://www.univ-
montp1.fr/l_universite/ufr_et_instituts/ufr_droit_et_science_politique/scolarite/emplois_du_temps
2
http://www.jura-hd.de/anerkennung_auslandischer_studienleistungen.html
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„apéro“ für die ausländischen Studenten, eine nette kleine Begrüßungsfeier in der Fakultät mit
Getränken und feinen Häppchen.
Für Erasmus-Studenten wird ein Sprachkurs angeboten, welchen die „Pôle Université“
ausrichtet. Ich habe den zweiwöchigen Intensiv-Sprachkurs Anfang September belegt. Dieser
bietet den Vorteil zu Beginn Kontakte mit Studenten anderer Studienrichtungen zu knüpfen.
Inhaltlich war er für mich jedoch nicht besonders gewinnbringend. Zudem fand der Kurs nicht,
wie angekündigt zwei Wochen vor Beginn der Vorlesungszeit statt, so dass er sich mit den ersten
Kursen in der Uni überschnitt. Alternativ kann man an dem semesterbegleitenden Sprachkurs
teilnehmen.
Schließlich möchte ich noch auf die Universitätsbibliothek im Quartier Richter hinweisen, denn
das Bâtiment 3 der Faculté bietet zwar einen Internetzugang, hat aber lediglich einen
überschaubaren Präsensbestand. Zum Lernen oder um Material für eine Hausarbeit zu finden,
empfiehlt es sich daher, zur Bibliothek Richter zu fahren, welche dank ihrer vielen Glasscheiben
zahlreiche helle Arbeitsplätze zur Verfügung stellt.3
II. Montpellier und Umgebung
Montpellier ist mit ca. 250 000 Einwohnern eine der größten Städte an der französischen
Mittelmeerküste, sowie die Hauptstadt der Region Languedoc-Roussillon. Die Stadt ist nur
ungefähr 10 km vom Mittelmeer entfernt, so dass man den Strand, beispielweise von Palavas les
Flots auch gut mit dem Fahrrad erreichen kann. Die vielen Studenten prägen das Stadtbild der
Partnerstadt Heidelbergs und lassen erkennen, dass Montpellier auch eine der größten
Studentenstädte Frankreichs ist (über 60 000 Studenten). Diese lebendige Studentenstadt mit
südlichem Charme versteht es, moderne Architektur mit historischer Tradition zu kombinieren.
Die Innenstadt ist mittelalterlich geprägt, es ist gelungen zahlreiche historische Spuren zu
bewahren. Viele großzügige Plätze mit Straßencafés, malerische enge Gassen, Gebäude und
Kirchen aus hellem Sandstein, prunkvolle Bauten des 18. Jahrhunderts sowie zahlreiche Parks
und Springbrunnen erzeugen ein schönes harmonisches Bild und eine angenehme Atmosphäre
der Stadt. Das Leben spielt sich, bedingt durch das milde Klima, auch in der „kalten“ Jahreszeit,
viel auf den Straßen ab, so dass die Restaurants, Cafés und Bars, insbesondere am Place de la
Comédie, im Freien gut besucht sind. Dieser Platz symbolisiert die Dynamik der Stadt und ist
daher das charakteristische Zentrum Montpelliers.
3
http://www.biu-montpellier.fr/florabium/servlet/LoginServlet
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Als Stadt der altüberlieferten Universitätstradition, ist Montpellier heute ein Zentrum des
kulturellen, wissenschaftlichen und künstlerischen Austauschs. Dabei ist auch die historische
Bedeutung der Rechtswissenschaften hervorzuheben, denn bereits 1260 sammelten sich Juristen
in Montpellier und 1289 wurde eine Universität gegründet, deren studium generale auch Jura
umfasste.
Montpellier ist beispielslos vorbildhaft in der städtebaulichen Entwicklung und der Umsetzung
zukunftsträchtiger Bauprojekte, die gekonnt in oder an die Stadt eingegliedert werden (neuer
Stadtteil Antigone, Olympisches Schwimmbad, Campus Richter, neues Rathaus, um nur einige
Beispiele aufzuzählen). Dieses Stadt legt unheimlichen Wert darauf, gesellschaftlichem
Miteinander Platz zu geben, ihre Vielseitigkeit hervorzuheben und ihre internationale
Attraktivität noch zu erweitern (z.B. neue Tramlinie zum Strand). Dementsprechend eröffnen
sich jedem Bewohner und insbesondere den angelockten (internationalen) Studenten dieser Stadt
unzählige Freizeitangebote in jeglicher Richtung (hierzu lassen sich auf der Veranstaltung
„Antigone des associations“4 Informationen einholen).
Darüber hinaus lockt Montpellier auch mit seiner exzellenten Lage. Von der Stadt aus erreicht
man schnell und preiswert mit dem Zug (Card 12-25 empfehlenswert) interessante Städte wie
Nîmes, Marseille oder auch Avignon, Arles, Sète. Auch Barcelona ist nicht weit entfernt
(Eurolines-Verbindung). Zudem organisiert „Asso Erasmus“ einige Reisen und Ausflüge.
Persönlich kann ich auch eine Reise nach Korsika empfehlen (Fährüberfahrt z.B. von Marseille
aus), die sich mit einem Aufenthalt an der Côte-d’Azur hervorragend verbinden lässt.
IV. Praktische Hinweise
1. Vorbereitung und erste Einrichtungen
Wichtig ist es, im Vorfeld die Krankrenversicherung zu kontaktieren, wenn, wie bei mir, von der
privaten Krankenversicherung ein Bestätigung angefordert werden muss, dass der Schutz sich
auch ins Ausland erstreckt. Dabei sollte sowohl der Zeitraum genannt werden, als auch die
Information, dass diese Bestätigung das Formular E128 ersetzt. Mit einer solchen Bestätigung
auf Französisch hatte ich keinerlei Probleme bei der Einschreibung an der Uni. Welche
Unterlagen für die Immatrikulation zudem erforderlich sind, ist dem Erasmusinfomaterial zu
entnehmen (an lettre d’acceptation und Passfotos denken).
4
http://assos.montpellier.fr/2901-antigone-des-associations.htm
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Zu Beginn des Aufenthaltes ist es erforderlich ein Konto zu eröffnen. Dies gestaltete sich bei mir
bei „le Crédit Lyonnais“ problemlos. Für Studenten werden zwei lohnenswerte Versicherungen
angeboten, zum Einen für verloren gegangene Gegenstände, zum Anderen für die Wohnung/das
Zimmer für jeweils gerade mal 1 €. Eine Kontoeröffnung setzt allerdings einen Mietvertrag
voraus, der Mietvertrag wiederum eine abgeschlossene Versicherung für das Zimmer – ein
bekannter Teufelskreis. Mit etwas Glück und Überredung lässt sich dieser durchbrechen.
Jedenfalls sollte man es zunächst bei der Bank mit ihrem „Verischerungsschnäppchen“
versuchen. Denn Versicherungen bei Axa oder Areas sind um einiges teurer. Von Areas würde
ich eher abraten, hoher Preis, aber dafür werden nicht mehr Leistungen geboten. Außerdem wird
verlangt, bei der Kündigung eine Auszugsbestätigung vorzulegen (ich habe sie nachgereicht).
Handyverträge können in Frankreich normalerweise bei Verzug ins Ausland außerordentlich
gekündigt werden. Man sollte jedoch vor Vertragsschluss nachhacken und den Vertrag unter die
Lupe nehmen. So konnte ich meinen Vertrag bei Virgin (mit beigelegten Unterlagen) problemlos
kündigen. Prepaid-Karten sind dort vergleichsweise teuer, was darauf zurückzuführen ist, dass
das Guthaben nach wenigen Tagen oder Wochen verfällt.
2. Wohnen
Nach Erhalt einer ersten Email des Bureaus des Relations Internationales der Fakultät, konnte
ich im Antwortschreiben angeben, einen Studentenwohnheimsplatz zu wünschen. Dann bewarb
ich mich konkret um einen Platz in der cité universitaire „les Arceaux“ beim Studentenwerk
Crous. Die Zusage ließ einige Zeit auf sich warten (eine späte Nachricht, wenigen Wochen vor
der Ankunft ist wohl normal).
Ein privates Zimmer zu finden ist nicht ganz einfach, auch muss man bereits früher vor Ort
suchen oder das Risiko eingehen, ein Zimmer zu mieten, ohne es zuvor gesehen zu haben. Daher
habe ich mich für die oben geschilderte Vorgehensweise entschieden und ein Zimmer in les
Arceaux bezogen. Ein preiswertes Wohnen - man muss dafür allerdings auch bereit sein, gewisse
Abschläge zu machen, denn die Zimmer sind klein (ca. 10 qm) und dürftig eingerichtet (auch ein
chambre avec confort, denn das heißt nur so viel wie Zimmer mit eigenem Bad). Auf jedem
Stockwerk gibt es eine Gemeinschaftsküche, welche im Vergleich zu anderen Wohnheimen,
noch recht geräumig und wohnlich (Tische) eingerichtet sind und daher die Möglichkeit bietet
schnell mit anderen Studenten in Kontakt zu kommen. Positiv zu vermerken ist auch die Lage
der grünen cité – direkt am Aquädukt, unter welchem häufig boule gespielt wird, und nur wenige
Gehminuten von der Faculté de Droit und dem Parc Peyrou entfernt, hinter welchem die
Innenstadt beginnt.
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3. Freizeit
Der oben erwähnte Intensivsprachkurs zu Beginn des Semesters war Teil des Programms von
„Campus européen d’été 2010“. In dessen Rahmen wurden u.a. eine Begrüßungsfeier organisiert
und ein Ausflug an den Pont du Gard, nach Nîmes und in das Haribo Museum unternommen.
Ein interessantes vielseitiges Programm und für insgesamt 50 € sehr preiswert, und daher sehr zu
empfehlen.
Im Heidelberghaus (siehe Städtepartnerschaft der zwei Städte Heidelberg – Montpellier), werden
Tandempartner vermittelt. Dafür ist ein kleiner Betrag zu zahlen (ca. 5 €). Wer Interesse an
einem solchen Sprachtandem hat, möge sich am besten direkt an das Heidelberghaus wenden.5
Ich hatte großes Glück beim „Losverfahren“ und habe viele interessante Treffen bei einem
Kaffee mit meiner Tandempartnerin erlebt.
Wie angesprochen, hat Montpellier kulturell viel zu bieten. Der Kauf des pass culture lohnt sich,
wobei dieser bei mir im Preis des Campus européen d’été bereits enthalten war. Immer
rechtzeitig informiert über jegliche Veranstaltungen wird man bei der Lektüre von „Direct
Montpellier“, einer kostenlosen Tageszeitung bzw. Lokalblatt, welches täglich in der ganzen
Stadt verteilt wird (auch in der Faculté zu finden). Ansonsten bietet sich dementsprechend auch
die Internetseite der Stadt an.6 An dieser Stelle möchte ich noch auf das geschichtliche Museum
Montpelliers hinweisen. Der Eingang befindet sich am Place Jean Jeaurès, dieser ist allerdings
etwas unscheinbar. Lediglich drei Glasscheiben weißen auf die Steintreppe hin, die in das
unterirdische Museum führt.
5. Persönliches Fazit
Zu guter Letzt möchte ich jeden ermutigen, den Schritt ins universitäre Auslandsabenteuer zu
wagen, falls demgegenüber noch gewisse Zweifel bestehen. Denn meine zwei Auslandssemester,
die mich auf beruflicher sowie auf persönlicher Ebene weiterentwickelt haben, möchte ich nicht
missen. Auch sind meiner Meinung nach zwei Semester in Montpellier sinnvoll, um im 2.
Semester vom „gebauten Nest“, dem herrlichen Wetter und dem sich vertraut gemachten
Universitätsalltag sowie Prüfungsablauf profitieren zu können. Berücksichtigt werden sollte
zudem, dass das 1. Semester nur knapp vier Monate lang ist.
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http://www.maison-de-heidelberg.org/
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http://www.montpellier.fr/
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