Junkers schafft mit der JU/EF-132 die Grundlagen
Transcrição
Junkers schafft mit der JU/EF-132 die Grundlagen
Der Kampf um das Junkers-Wissen Junkers schafft mit der JU/EF-132 die Grundlagen für russische Großbomber chon beim Entwurf der Ju 287 hatte sich ganz automatisch die Frage nach der effektivsten Größe eines strahlgetriebenen Flugzeuges gestellt. Zunächst blieb die Projektgruppe von Dr. Kurt Cramer aus den bekannten Gründen bei der Größenordnung der Ju 288. Doch der mehr als doppelt so hohe Kraftstoffverbrauch der Strahltriebwerke zwang zum Nachdenken über größere Flugzeuge, um mehr Platz für Kraftstoff zu schaffen. Die parallel arbeitende Projektgruppe von Hans Wocke untersuchte deshalb schon im Frühjahr 1944 zusammen mit der Abteilung Leistungsrechnung unter Edgar Dannecker die Möglichkeit einer geometrischen Vergrößerung beruhend auf den Konstruktionsdaten der Ju 287. Das Hauptziel war natürlich eine erhebliche Reichweitensteigerung, denn die 1.700 km der Ju 287 ergaben ja nur einen Aktionsradius von 800 km. Sollte das Flugzeug aber einigermaßen Wirkung erzielen, mußten vier Tonnen Bomben über 3.600 km befördert werden können. Im August 1944 legte Wokke eine dreifach vergrößerte Ju 287 vor mit erheblich mehr relativer Kraftstoffzuladung. Die Vergrößerung der Zelle erbrachte nebenbei nicht nur mehr Platz für Treibstoff, sondern auch Raum zur Unterbringung der Triebwerke im Flügel. Bei diesem Projekt vom 14. August 1944, das auf den ebenfalls erstmal rechnerisch vergrößerten Triebwerken Jumo 004 beruhte, ist im Gegensatz zur Ju 287 der Flügel im Streckungsverhältnis verkleinert für S 232 Der direkte Nachfolger der Ju 287 war die Junkers EF-132, die im deutschen Flugzeugbau den Schritt zum Großbomber vollzog. Wesentliche Erkenntnisse zur EF-132 waren bis Kriegsende erarbeitet. Im Herbst 1945 begannen Hans Wocke, Alfred Losch, Peter Bonin, Edgar Dannecker, Dietrich Harms und Martin Schrecker mit der Neuprojektierung zur EF-132 B (Abbildung). Holger Lorenz: Kennzeichen «Junkers», Ingenieure zwischen Faust-Anspruch und Gretchenfrage, Technische Entwicklungen und politische Wandlungen in den Junkerswerken von 1931 bis 1961 mehr Verdrehsteifigkeit und geringere Flächenbelastung (V-Winkel von 8,5 0 wurde beibehalten), der Flügel aber als Schulterdecker angesetzt. Es gelang außerdem, das Leitwerk gewichtlich zu erleichtern, aber wahrscheinlich auf Kosten der Aerodynamik. Entscheidend war jedoch die Veränderung des Rumpfquerschnitts, der geringeren Widerstand bei vergrößerten Räumlichkeiten ergab. Das Flugzeug bekam ein Bugfahrwerk mit Zwillingsreifen und zwei Fahrradfahrwerke als Hauptfahrwerke sowie eine Vollsichtkanzel. Nach der Flugerprobung des Originalflügels der Ju 287 ab 16. August 1944 bei Abfangbögen und im Kurvenflug ergab sich jedoch die Erkenntnis, daß der vorgepfeilte Flügel bei noch schwereren Flugzeugen in Bezug auf Gewicht, Torsion und der damit zusammenhängenden Ruderumkehr immer ungünstiger wird. Prinzipiell aber war klar, daß der Nachfolger der Ju 287 im Startgewicht von etwa 80 Tonnen weit über dem der Boeing B-29 (52-60 t) zu liegen kommen würde und erst da das Reichweitenkriterium erfüllen konnte. Langstrecken-Bomber Junkers JU/EF-132 B-2 Dessauer Projekt vom 8. Juni 1946 6 x Jumo 012 A mit je So=2.750 kp b=34,6 m F=240 m2 Λ=5,6 Reichweite: Startmasse: Reisegeschwkt.: 4.000 km 89 t 850 km/h Bewaffnung: Bombenzuladung norm.: Bombenzuladung max.: 4.000 kg 16.000 kg 2 fest eingebaute nach vorn feuernde 2-cm-Kanonen 2 einziehbare Zwillingstürme mit 2-cm-Kanonen 1 Heckstand mit 2-cm-Kanone Dieses Computerbild eines Junkers-132BVerbandes demonstriert eindrucksvoll die Modernität der EF-132 B in einer Zeit (1946), als nur die USA (aber auch nur auf Grund des Junkerswissens) in der Lage war, das Konkurrenzmodell Boeing B-47 zu entwickeln. 234 Der Sprung von der Ju 287 zur EF132 erwies sich letztlich als so umfassend, daß von der EF-132 grundsätzlich immer drei Entwürfe parallel in Arbeit waren. Das war 1944 schon so, und auch 1946 bis 1948. Es gab einen vorgepfeilten und rückgepfeilten Entwurf, es gab Entwürfe mit gepfeiltem und ungepfeiltem Leitwerk, und es gab Ent- Holger Lorenz: Kennzeichen «Junkers», Ingenieure zwischen Faust-Anspruch und Gretchenfrage, Technische Entwicklungen und politische Wandlungen in den Junkerswerken von 1931 bis 1961 würfe mit verschiedenen Fahrwerken in Verbindung mit verschiedenen Triebwerkseinbauten. Im Juni 1946 hatte sich das Projekt JU/EF-132 B durchgesetzt, von dem in Dessau eine 1:1-Attrappe und diverse Baugruppen-Attrappen von besonders schwierig auszuführenden Konstruktionen erstellt wurden. Das Flugzeug und die Attrappen beiendruckten die Sowjets so sehr, daß sie das Projekt mit aller Gewalt vorantreiben ließen. Die Ju 132 B wies gegenüber der sowjetischen Luftfahrttechnik einen Vorsprung von mindestens fünf, wenn nicht sogar zehn Jahren auf. Und selbst die im selben Jahr projektierte Boeing B-47, zu der die EF-132 B die einzige direkte Kon- Junkers schafft mit der JU/EF-132 die Grundlagen für russische Großbomber kurrenz gewesen wäre, baute auf dem Beutematerial aus Dessau auf. Der erste Entwurf zur B-47 war wie eine auf Strahltriebwerke umgestellte B-29 ohne Pfeilflügel, gepfeiltes Leitwerk und Zwillingspylonen. Die Junkers EF-132 wird in den folgenden Jahren zum Sinnbild für die Weitergabe des Junkerswissens an die Feier zu Martin Schreckers 50. Geburtstag am 9. November 1949 im russischen Podberesje: vorn v.l.n.r.: Entwurfsleiter Hans Wocke, Frau Stiller, Chefaerodynamiker Dr. Georg Backhaus, zwei Ehefrauen, Führerraumkonstrukteur Fritz Stiller. In der hinteren Reihe: Rumpfkonstrukteur Fritz Riedel, Entwurfsing. Martin Schrecker, Hilmar Stottmeister und Entwurfsingenieur Alfred Losch. Die Grafik zeigt die geometrische Vergrößerungsfähigkeit der EF-131 zur EF-132 und mögliche Zwischenwerte, wo sich der Zuladungsanteil von 30 auf 40 Prozent erhöht. sowjetischen Konstruktionsbüros. Doch zunächst hatte das Projekt selbst an der Verlagerung nach der UdSSR und an der Trennung von den Junkers-Triebwerkern schwer zu leiden. Das Projekt 132 war am Tag der Deportation (22.10.46) Holger Lorenz: Kennzeichen «Junkers», Ingenieure zwischen Faust-Anspruch und Gretchenfrage, Technische Entwicklungen und politische Wandlungen in den Junkerswerken von 1931 bis 1961 235