Checkliste zum Headshaking
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Checkliste zum Headshaking
Checkliste Kopfschütteln Lästiges Kopfschütteln und Kopfschlagen Wenn Pferde pausenlos die Köpfe schwenken, kann das mehr als 60 Gründe haben. Es dient als Ventil gegen Stress, wird durch Reiten, Zahnfehler oder Licht ausgelöst. Wie kommen Sie der Ursache systematisch auf die Spur? Wenn Pferde ständig mit dem Kopf schlagen, vergeht Reitern das Lachen und Pferden die Lust: Eine stetige Anlehnung ist nicht mehr möglich; das Reiten wird für beide zur Qual. Oft werfen die Pferde ihren Kopf so hoch, dass der Reiter mit blutiger Nase oder blauem Auge absteigt. Viele Tiere schnicken so heftig, dass sie nicht mehr geritten werden können. Headshaking, englisch für Kopfschütteln, wird dieses Verhalten auch genannt. Heute sind rund 60 Ursachen bekannt, die es von mild bis heftig auslösen können. Gegen Headshaking helfen weder Zwang noch Strafe, wenn dahinter eine Krankheit oder ein schlechter Reiter steckt. Um herauszufinden, was ein Pferd zum Schlägertypen macht, ist Scharfsinn gefragt. Sie müssen daher zusammen mit Ihrem Tierarzt in alle Richtungen ermitteln. TIPP: Um herauszufinden, warum Ihr Pferd beim Reiten, im Stall oder auf der Weide mit dem Kopf schlägt, führen Sie am besten Tagebuch. Notieren Sie, zu welcher Tageszeit Ihr Pferd mit dem Kopf schlägt, wie häufig und stark, aber auch welches Wetter am jeweiligen Tag herrscht und welche Pflanzen blühen. Um planvoll nach den Auslösern zu suchen, bietet sich eine Unterteilung in die Gruppen Körper, Psyche und Reiter an. Auslöser Nr. 1: Der Körper Ursachen: Schmerzen durch zwickenden Sattel oder unpassendes Gebiss. Auch Kletten im Ohr oder ein gerissenes Trommelfell können fürs Headshaking verantwortlich sein. Karies und entzündete Zahnwurzeln sind weitere mögliche Ursachen, ebenso Milben und entzündete juckende Hautstellen. Bei manchen Pferden wird das Schnauben durch einen Eiterherd in der Stirnhöhle ausgelöst. Andere schütteln, weil ihre Halswirbel blockiert sind oder weil der Rücken verspannt ist. Wieder andere schlagen mit dem Kopf, weil sie Schnupfen oder eine Allergie haben. Es wird viel spekuliert, was außer diesen Ursachen noch Headshaking auslösen kann. „Im dringenden Verdacht steht der große Gesichtsnerv – der Trigeminus“, sagt Dr. Katy Taylor, die an der britischen De Montford Universität forschte. Der Nerv steuert die Kaubewegung und nimmt Licht, Berührungen und Gerüche wahr. Kopfschlagen bei Pferden wird von Tierärzten in Verbindung mit der Trigeminusneuralgie beim Menschen gebracht, weil sich die Symptome ähneln. Beim Menschen löst schon leichter Gesichtskontakt Schmerzen aus. Häufig sind sie so stark, dass sich die Patienten nicht mehr waschen können. Auch helles Licht, Wind, Regen, Pollen, Staub und EHV1-Viren, die sich in den Nervenzellen vor der Immunabwehr des Körpers verstecken, können den großen Gesichtsnerv reizen. Therapie: Manchmal stellt schon ein Wechsel von Sattel und Gebiss das Schnicken ab. Auch eine Zahnbehandlung, Akupunktur zur Lockerung der Muskulatur und die Therapie anderer vorliegender Erkrankungen können helfen, das Kopfschlagen zu stoppen. Durch die Betäubung des Gesichtsnervs kann der Tierarzt sehen, ob das Kopfschlagen durch den gereizten Trigeminus ausgelöst wird. Therapieversuche mit Antibiotika, Steroiden oder ein Nervenschnitt erwiesen sich bei Headshakern als wenig hilfreich. Gute Erfolge machten Wissenschaftler der Tierärztlichen Hochschule in Hannover mit einem Nasennetz (siehe Bild links unten), das die Nüstern vor Pollen schützt und anscheinend den Trigeminus-Nerv beruhigt. Schnicken Pferde bei starkem Lichteinfall, können Reiter ihnen auch Hauben aus Spezialgewebe aufsetzen oder getönten Kontaktlinsen verwenden. Schlägt das Pferd trotz dieser Maßnahmen mit dem Kopf, verabreichen Tierärzte das Human-Medikament Cyproheptadin. Laut einer Untersuchung an der Universität von Kalifornien in Davis bessern sich die Beschwerden bei 70 Prozent der Tiere. Feuert der Gesichtsnerv aus unbekannten Gründen, kann Carbamazepin helfen, dass Menschen mit Gesichtsschmerz oder Epilepsien verordnet wird. Englische Wissenschaftler der Universität von Liverpool stellten fest, dass eine Kombination beider Medikamente die höchste Erfolgsquote hat. Da der Auslöser für hartnäckiges Headshaking in 90 Prozent der Fälle unklar ist, finden Tierärzte häufig keinen Therapieansatz. Was noch hilft: Reiten Sie in der Halle, um Sonne, Wind und Pollen zu meiden. Ist Ihr Pferd lichtempfindlich, sollte es besser tagsüber im abgedunkelten Stall bleiben und nur nachts auf die Weide kommen. Dr. Stefan Brosig aus Stuttgart empfielt für Headshaker, bei denen der Tierarzt keinen Auslöser finden kann, gemahlenes Süßholz. „3 bis 8 Gramm pro 100 Kilogramm Körpergewicht und Tag können die Symptome lindern“, so Brosig. Das Süßholz gibt es beispielsweise bei Senger Naturrohstoffe (www.naturix24.de). Die Fütterung sollte von einem Tierarzt überwacht werden. Auslöser Nr. 2: Die Psyche Frust: Pferde machen schlenkernde Bewegungen mit dem Kopf, wenn sie gefrustet sind oder sich ärgern. Beispiel: Ein Hengst, der eine Stute decken möchte, aber nicht darf. Langeweile: Wenn Pferde scheinbar grundlos den Kopf herumschwenken, sollten Sie den Trainingsplan und die Haltung überprüfen. Viele Pferde langweilen sich, vor allem, wenn sie im Paddock herumstehen. Gegen die Tristess helfen einfache Mittel: Kontakt zu Artgenossen, ausreichend Bewegung und Abwechslung bei der Arbeit bringt Pferde auf andere Gedanken und beschäftigt sie. Äste und Pferdebälle auf dem Paddock sorgen für zusätzliche Anreize. Doch Vorsicht: Es gibt auch hier Tiere, die mit dem Kopf schlagen, weil der Mensch von ihnen zu viel verlangt oder weil zu viel Unruhe oder Stress in der Herde ist. „Manche Pferde werden gemobbt, können nicht in Ruhe fressen oder schlafen und leben in ständiger Angst“, sagt Dr. Willa Bohnet, Verhaltensexpertin an der Tierärztlichen Hochschule in Hannover. Ungeduld: Kreisende Kopfbewegungen können auch auftreten, wenn sich Pferde auf etwas freuen und ungeduldig sind. „Wenn sie wissen, dass es gleich ein Leckerli gibt“, sagt Bohnet. Oder wenn Pferde auf die Weide geführt werden. In dieser Situationen sollten Sie ruhig bleiben und die Leckerlis durch Streicheleinheiten ersetzen. Stress: Sind Pferde gestresst, schlagen sie mit dem Kopf oder schütteln sich. Einer neuen Studie zufolge schnicken Dressurpferde häufiger als Spring- und Vielseitigkeitspferde. Die französischen Autoren vermuten als Ursache, dass Dressurpferde angespannter sind und öfter in Konflikte mit dem Reiter geraten. Kopfschlagen aus Stress entsteht auch durch Unsicherheit. „Ängstliche Pferde sollte man daher nicht am langen Zügel bummeln lassen“, sagt Westerntrainer Herbert Quast aus Langerwehe/NRW. „Anlehnung gibt ihnen Sicherheit.“ Auslöser Nr. 3: Der Reiter Zügel: Viele Pferde schlagen mit dem Kopf, wenn der Reiter stark am Zügel zieht. Andere schnicken paradoxerweise, wenn der Zügel durchhängt. „Wird ein Pferd im Schlabberlook angeritten, zieht man sich mit großer Wahrscheinlichkeit einen Kopfschläger heran“, sagt Trainerin Gaby Hans aus Reken/Nordrhein-Westfalen. „Das Pferd wehrt sich, wenn der Reiter plötzlich die Zügel aufnehmen will.“ Daher rät sie, schon junge Pferde behutsam an den Zügel zu treiben und sofort wieder nachzugeben, ohne die Verbindung aufzugeben. Balance: Kommt der Reiter aus dem Gleichgewicht, spüren das Pferde sofort und reagieren darauf. Um nicht umzufallen, fuchteln einige mit Hals und Kopf durch die Luft. Wie Sie Ihre Balance testen und zugleich gezielt trainieren, beschrieb CAVALLO ausführlich in Heft 7/2009. Tempo: Gehfreudige Pferde schlagen oft mit dem Kopf, wenn sie untertourig geritten werden. „Das Problem löst sich häufig, wenn der Reiter die Bremse lockert und vorwärts reitet“, sagt Ausbilder Hans-Jörg Radandt aus Edelsfeld/Bayern. Absolut tabu: Das Pferd darf nicht lernen, dass Kopfschlagen ein Befreiungs-Schlag ist, Sie daraufhin die Zügel hingeben, womöglich absteigen und das Training beenden. „Die Pferde merken sich, dass sie mit diesem Verhalten den Menschen einschüchtern“, sagt Westerntrainer Herbert Quast. Das hilft: Sie lassen beim Kopfschlagen die Hand stehen, treiben und lassen erst dann locker, wenn das Tier den Kopf ruhig hält. Hört ein hartnäckiger Kopfschläger für wenige Minuten damit auf, beenden Sie am Anfang nach dieser guten Phase das Training und loben. Da viele Pferde erst mit dem gewohnheitsmäßigen Kopfschlagen beginnen, wenn sie aufgewärmt sind, sollten Sie das Nachgeben auf Zügeldruck bereits vor dem ersten Trab üben. Herbert Quast nennt diese kurze Anfrage „Checken“. „Dabei stellen Sie das Pferd nach innen und verlangen von ihm, dass es ans Gebiss herantritt“, erklärt er. „Der Check ist sozusagen die verwahrende Zügelhilfe.“ Sie beginnen, indem Sie die Zügel leicht in den Händen halten und dabei das Pferd vorwärts reiten. Reagiert es nicht, steigern Sie den Zügelzug langsam, bis es seinen Hals wölbt und für wenige Schritte ans Gebiss herantritt. „Danach lassen Sie die Zügel aus der Hand kauen, das Pferd in Dehnungshaltung gehen, belohnen es und wiederholen die Übung nach einer kurzen Pause“, sagt Quast. Klappt es im Schritt, können Sie auch im Trab und Galopp checken. „Oft sind kopfschlagende Pferde wie ein Paket verschnürt“, beobachtet Westerntrainer Herbert Quast. „Ich nehme solchen Kandidaten als erstes den Sperrriemen ab und lockere den Nasenriemen.“ Aus Erfahrung weiß Quast, dass viele verschnürte Pferde den Kopf hochreissen, weil sie nach Luft ringen. Martingal, Chambon und Schlaufzügel sind für Headshaker tabu. „Sie kaschieren das Problem nur kurzfristig“, sagt Ausbilderin Gaby Hans. Bei manchen Pferden verschlimmert sich dadurch sogar der Schüttelreiz.