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„ADIEU LA VIE“
Antikriegsfilme während
des Vietnamkriegs
Brigitte SIMON
Paper zur Präsentation am 20. März 2015.
47. AFK-Kolloquium 2015 „ "Stell dir vor, es ist Krieg..." Zum wissenschaftlichen
Umgang mit kriegerischer Gewalt
EINLEITUNG
Das fiktionale Spielfilme nicht nur kurzweilige Zerstreuung für die Massen bietet, sondern
auch für verschiedene Zwecke instrumentalisiert werden können, ist mittlerweile
unumstritten. Unter anderem wurden sie auch immer wieder eingesetzt um Kriege zu
legitimieren und die Meinung der Bevölkerung dementsprechend zu manipulieren.
Das bekannteste Beispiel hierfür ist selbstverständlich der Zweite Weltkrieg, wo nicht nur die
Nationalsozialisten mit Filmen wie „Jud Süß“ (R: Veit Harlan, D 1940) und „Kohlberg“ (R:
Veit Harlan, D 1945) antisemitische Ressentiments schürten, sondern auch die Filmindustrie
in Großbritannien und den USA zur Kriegspropaganda herangezogen wurde. So wurde
damals etwa die Sherlock Holmes Reihe ab dem dritten Film („Sherlock Holmes and the
Voice of Terror“, R: John Rawlins, USA 1942) vom 19. Jahrhundert in die damalige
Gegenwart versetzt und Holmes zum Bekämpfer der Nazis, der an das Durchhaltevermögen
der Bevölkerung appellierte oder „The Canterville Ghost“ (R: Jules Dassin/Norman Z.
McLeod, USA 1944) zu einer Geschichte über einen US-Soldaten im Zweiten Weltkrieg, der
seine Tapferkeit unter Beweis stellen muss, um seinen britischen Ahnen von seinem Fluch zu
erlösen. Schätzungsweise zwischen 30 und 40% der US-Kinofilme sollen sich damals mit
dem Krieg beschäftigt haben, darunter Klassiker wie „The Great Dictator“(R: Charlie
Chaplin, USA 1940), „Casablanca“ (R: Michael Curtiz, USA 1942), „To Be Or Not To Be“
(R: Ernst Lubitsch, USA 1942), „Hangmen Also Die!“ (R: Fritz Lang, USA 1943) oder „The
Conspirators“ (R: Jean Negulesco, USA 1944).
Nur wenige Dekaden später, während des Vietnamkrieges, sieht die Lage völlig anders aus,
da Hollywood nun nicht mehr als Teil der Kriegsmaschinerie so eingesetzt werden konnte wie
früher. Das lag zum einen an Veränderungen in der Filmbranche selbst, aber zum anderen
auch an dem massiven, schier unüberwindbaren Widerstand gegen diesen Krieg. Zum ersten
Mal in der Geschichte der USA soll dieser pazifistische Massenproteste ausgelöst haben. 1 Die
Gründe für diese so konträre Reaktion auf diese Kriege liegen auf der Hand: Während man in
Zweiten Weltkrieg als Retter vor einem faschistischen Regiment (das mit Hitler eine ideale
Symbolfigur des Bösen hervorbrachte) eintrat, dessen Anliegen und zerstörerische
Auswirkungen eindeutig zu erkennen, relativ gut dokumentiert und in Nachrichten verbreitet
wurden und somit schon vor dem Kriegseintritt der USA die Rollen klar definiert waren,
handelte es sich bei Vietnam um einen Krieg ohne klaren Anfang, ohne klares Ende und vor
allem ohne klar erkennbaren Sinn, da man hier für etwas relativ abstraktes, als Beschützer der
1
Stefan REINECKE, Hollywood Goes Vietnam. Der Vietnamkrieg im US-amerikanischen Film, Marburg 1993, 18.
2
vermeintlich freien Welt vor dem Kommunismus auftrat und keine direkte Bedrohung für die
USA zu sehen war.2 Dazu kommt noch der Zeitgeist der 60er Jahre, in der sich eine
facettenreiche,
überwiegend
aber
liberal
bzw.
links
orientierte,
Gegenbewegung
herausbildete, die zum Teil dem westlichen Kapitalismus kritisch gegenüberstand und eine
pazifistische Grundhaltung vertrat. Die Angst vor einem möglichen Ausbruch eines (im
schlimmsten Fall sogar nuklearen) großen Krieges zwischen den USA und der Sowjetunion
und ihrer verbündeten Staaten spielte auch eine nicht zu unterschätzende Rolle, weswegen
große Teile der Bevölkerung diesem Krieg kritisch gegenüberstanden.
Auch in der Armee selbst hatte man mit Problemen zu kämpfen, da viele der eingezogenen
Soldaten ebenfalls kein Interesse an diesem Krieg hatte. Stefan Reinecke schreibt: „Noch nie
in der Geschichte des US-Militärs war die Führung mit einem solchen Ausmaß an
Drogenkonsum, passivem Widerstand, Erosion der Militärhierarchie, Disziplinlosigkeit bis
hin zu Attentate auf Vorgesetzte und Desertationen konfrontiert“3,
Bereits 1955 beschäftigte sich Graham Greenes Roman „The Quiet American“ mit Vietnam,
welchen man als eine Warnung vor dem Engagement der USA in Vietnam interpretieren
kann.4 Die 1958 in die Kinos gekommene Verfilmung (R:Joseph L. Mankiewicz, USA 1958)
jedoch drehte die Kernaussage des Buches in sein Gegenteil um.
Bis 1975 entstand nur ein einziger großer Hollywoodblockbuster, der die Involvierung der
USA in diesen Krieg befürwortete: „The Green Berets“ (R: Ray Kellogg/John Wayne/Mervyn
LeRoy, USA 1968), der mit der Unterstützung der Regierung (insbesondere des Department
of Defense) gedreht und an deren Wünsche angepasst wurde.5 John Wayne wandte sich mit
seinem Vorhaben auch direkt an Präsident Lyndon B. Johnson und schrieb unter anderem in
einem Brief an ihn: „(…) I know it is not a popular war, and I think it is extremely important
that not only the people oft he United States, but those all over the world, should know why it
is necessary for us to be there.“ 6. Dieser Propagandafilm kam zwar bei den Kritikern nicht
sehr gut an, er wurde jedoch trotzdem zu einem der erfolgreichsten Filme an den USKinokassen des Jahres.
2
Es gab hierfür keine Kriegserklärung und die USA waren schon lange vor 1964, in immer weiter wachsendem
Ausmaß, in die Geschehnisse in Vietnam verwickelt. Siehe auch REINECKE, Hollywood Goes Vietnam.17.
3
REINECKE, Hollywood Goes Vietnam 19.
4
Peter BÜRGER, Napalm am Morgen. Vietnam und der kritische Kriegsfilm aus Hollywood, Düsseldorf 2003, 2022.
5
Siehe ROBB 277-284. BÜRGER X 5-8
6
ROBB 281.
3
KRIEGSKRITIK WÄHREND VIETNAM
In anderen Filmen, die während des Vietnamkriegs entstanden sind, wird der Krieg zwar
vereinzelt angesprochen, allerdings geschieht das meist kurz, eher beiläufig oder als Teil der
Rahmenhandlung, so etwa hört man in „The Wild Angels“ (Roger Corman, USA 1966) im
Hintergrund einen Beitrag in den Radionachrichten oder in „Alice’s Restaurant“ (Arthur
Penn, USA 1969) wurde die Handlung des Songs „Alice’s Restaurant Massacree“ (1967) von
Arlo Guthrie integriert, die davon handelt, dass man bei seiner Musterung aufgrund einer
Vorstrafe wegen Entsorgens von Müll an einem dafür nicht vorgesehen Ort, Bedenken wegen
seiner moralischen Eignung für die Armee machte und er den Sergeant am Ende damit
konfrontierte:
I went over to the sergeant, said, "Sergeant, you got a lot a damn gall to ask me if I've
rehabilitated myself, I mean, I mean, I mean that just, I'm sittin' here on the bench, I mean I'm
sittin‘ here on the Group W bench 'cause you want to know if I'm moral enough join the army,
burn women, kids, houses and villages after bein' a litterbug!" He looked at me and said,
"Kid, we don't like your kind, and we're gonna send you fingerprints off to Washington."7
Während der humoristisch überzeichnete Song mit Ratschlägen endet, wie man trotz
Einberufungsbefehl der Einrückung entgehen kann, spielt Vietnam im Film sonst keine Rolle.
Dezidierte Kritik am Vietnamkrieg findet man zu der Zeit eher in Songs als in Spielfilmen.
Das liegt zum einen daran, dass Lieder sich als geeigneteres Medium anbieten um schnell und
kurzfristig auf bestimmte Ereignisse zu reagieren. Denn während diese lediglich geschrieben,
aufgenommen und veröffentlicht8 bzw. auf einem Konzert aufgeführt werden müssen und
somit schon Tage bis maximal Monate später einem Publikum präsentiert werden können, ist
der Film wesentlich langsamer, wo zunächst Vorarbeiten wie unter anderem das Schreiben
eines Drehbuchs, Casting, Organisation von Drehorten und Equipment anfallen, bevor mit
dem Dreh begonnen werden kann. Anschließen folgt noch die post-production Phase und
selbst nach der Fertigstellung des Filmes kann es noch passieren, dass der Film beispielsweise
beim Testpublikum durchfällt oder das Filmstudio Einwände hat und daher noch Änderungen
vorgenommen werden, was den Veröffentlichungstermin noch weiter in die Ferne rutschen
lässt. Independent oder low-budget Produktionen können zwar auch in nur Monaten
entstehen, aber in der Regel, und insbesondere bei großen Hollywoodproduktionen, vergehen
zwischen der Idee zum Film und dessen Release ein oder mehrere Jahre.
7
8
Arlo Guthrie „Alice’s Restaurant Massacree“ (1967).
Wozu man selbstverständlich auch eine Plattenfirma benötigt, die bereit ist den Song zu veröffentlichen.
4
Zum anderen unterliegen Spielfilme, vor allem in den USA, einer viel strengeren
Überwachung von Seiten des Staates, auch wenn man diese Manipulation des filmischen
Outputs Hollywoods nicht öffentlich zugibt, aber „(…) the Pentagon has worked to not just
change the portrayal of the military but the portrayal of history for Americans“9.
Schon Drehbücher werden durchgesehen und Änderungen angeregt.
Beispielsweise sind Kriegsfilme, besonders wenn sie über kein großes Budget verfügen, sind
mitunter auch auf die Unterstützung des Militärs angewiesen, um etwa an die notwendige
Ausrüstung zu kommen. Durch ein indirektes „threads or rewards“10 System hat man ein
Druckmittel und kann die Filmproduktion zu einem gewissen Grad kontrollieren.
Zahlreiche Filme – nicht nur Kriegsfilme – wurden aufgrund von Einwänden von
militärischen oder staatlichen Einrichtungen abgeändert oder gar nie veröffentlicht. Autor
Raymond Chandler etwa musste für Paramount sein Drehbuch für „The Blue Dahlia“ (R:
George Marshall, USA 1946) umzuschreiben, da die Navy das Filmprojekt nicht frei geben
wollte, da es sich bei dem Mörder um einen psychisch gestörten Kriegsveteranen handeln
sollte. So wurde nun ein Zivilist zum Mörder und Inhalte abgeschwächt bzw.
herausgenommen, die darauf anspielten, welche psychischen Auswirkungen der Krieg auf die
Veteranen hatte und somit, wie Chandler beklagte, aus dem Film einen gewöhnlichen
whodunit-Krimi.11
Es entstand während des Krieges kein einziger in Vietnam spielender Kriegsfilm, der sich
kritisch mit dem Krieg auseinandersetzte. Die vorhin angesprochene Überwachung der
Spielfilmproduktion in den USA ist ein Grund, der es praktisch unmöglich machte sich direkt
mit dem Thema zu beschäftigen, weswegen man eine „Phase der Tabuisierung bis etwa
1975“12 vorfindet bzw. gab es laut Burkhard Röwekamp nur eine kurze Phase während derer
„Kriegskritik allenfalls im Modus des Filmkomischen als Satire möglich“13 war.
Auf diese Phase konzentrieren sich auch die sechs exemplarischen Beispiele, die im
Folgenden genauer beleuchtet werden, die zwischen 1967 und 1972 entstanden sind, wobei
9
David L. ROBB, Operation Hollywood. How The Pentagon Shapes and Censors the Movies, New York 2004, 13.
Siehe auch ROBB 17 zum Einfluss des US-Militärs auf Änderungen und Zensur.
10
ROBB, Operation Hollywood, 16.
11
James NAREMORE, From Dark Films to Black Lists, in: Ders., More Than Night. Film Noir in its Contexts,
Berkeley 2008, S.96-135.
107-114. Auch die Production Code Administration hatte Einwände gegen das Drehbuch und veranlasste
Änderungen.
12
REINECKE, Hollywood Goes Vietnam, 27.
13
Burkhard RÖWEKAMP, Antikriegsfilm. Zur Ästhetik, Geschichte und Theorie einer filmhistorischen Praxis,
München 2011, 212.
5
die beiden späteren Beispiele („Johnny Got His Gun“, R: Dalton Trumbo, USA 1971 und
„Chato’s Land“ R: Michael Winner, UL 1972) sich nicht mehr dieses Modus‘ bedienen.
Diese sechs Filme, die Kritik am Vietnamkrieg sowie am Krieg im Allgemeinen üben, sind
alle in früheren Kriegen angesiedelt bzw. im Wilden Westen. Wie auch in früheren Phasen
der Geschichte, in denen künstlerisches Schaffen einer strengen Zensur unterlag, fand man
auch hier Möglichkeiten diese zu Umgehen. So etwa in Österreich unter dem Metternichschen
Systems im Vormärz, als Johann Nestroy in kritisch-bissigen Satiren der Gesellschaft den
Spiegel vorhielt, Ferdinand Raimund seinen Geschichten einen irrealistisch-fantastischen
Anstrich verpasste oder Franz Grillparzer sich historischen Stoffen zuwandte, um so indirekt
auf die Gegenwart Bezug nehmen zu können.
Alle drei Strategien findet man auch in diesen Filmen, die, wie bereits erwähnt, in früheren
Zeiten angesiedelt sind, größtenteils auch komödiantische (vor allem satirische) Mittel
einsetzen und zum Teil auch mit surrealen Elementen, wie auch der Auflösung der
klassischen linearen Erzählstruktur und verschiedenen Bewusstseinsebenen spielen.
Wie Reinecke, mit Verweis auf Kracauer, bemerkt, sind Filme ein Spiegel der Gesellschaft
und um sie entsprechend entschlüsseln zu können muss man sie in ihre in sozialen,
historischen und ästhetischen Kontexte einbetten.14
DIE USA
Alle drei hier vorgestellten US-Spielfilme fallen in eine Epoche, die als New Hollywood
bezeichnet wird. Allerdings herrscht keine Einigkeit was genau, was damit gemeint ist und
von wann bis wann sie dauerte. Laut Renate Hehr gibt es drei gängige Eingrenzungen. 15 So
kann darunter etwa eine kurze Phase von etwa den späten 60er Jahren bis 1971 verstanden
werden, welche von einer kurzfristige Unterwanderung Hollywoods, welche durch linke
Gegenkultur beinflusst wurde, die jedoch bald an den Grenzen des Systems scheiterte. Andere
verstehen darunter die große Zeit der Autorenfilmer, zu denen auch Robert Altman und Mike
Nichols gezählt werden, die bis etwa der Mitte der 70er Jahre dauerte.16 Eine weitere
Definitionsmöglichkeit wäre ein größerer Generationswechsel, der seine Hauptzeit von Mitte
bis Ende der 70er Jahre hatte.17 Andere, wie Geoff King gehen sogar noch einen Schritt weiter
und zählen alle Filme seit dem Ende des klassischen Hollywoodkinos ind den 60er Jahren zu
14
REINECKE, Hollywood Goes Vietnam 11.
Renate HEHR, New Hollywood. Der amerikanische Film nach 1968, Stuttgart/London 2008, S.6.
16
Des Weiteren zählen dazu auch u.a. Stanley Kubrick, John Cassavetes, Arthur Penn, Francis Ford Coppola
oder Martin Scorsese.
17
Zu den Regisseuren dieser Phase zählt sie u.a. Martin Scorsese, Steven Spielberg, George Lucas, Peter
Bogdanovic, Brian De Palma und William Friedkin.
15
6
New Hollywood, was es so gut wie unmöglich macht, sich darunter etwas konkretes
Vorzustellen, da der Begriff somit auch völlig gegensätzliches wie konservative Blockbuster
und radikale Nischenfilme bezeichnet.18
Die Entstehung New Hollywoods ist jedenfalls von Veränderungen im sozialen, kulturellen
und geschichtlichen Kontext und in der Filmindustrie beeinflusst.19
Zu den größten Unterschieden zwischen dem alten Hollywood und New Hollywood, gehört
laut Hehr u.a. das ersteres die bestehende soziale Ordnung und ihre Institutionen sowie den
diesen zugrundeliegenden Werte und das Selbstbild der Amerikaner bestätigte, während New
Hollywood all das in Zweifel zieht und demontiert und seine Weltanschauung aus dem
Scheitern der Gegenkultur und der davon übrig gebliebenen Wut und Trauer über Verlust des
amerikanischen Traums gewann und deshalb Anti-Helden in den Mittelpunkt rückte, oft auf
Happy-Ends verzichtete, gerne schockierende Sex- und Gewaltszenen provozierte sowie
gegen Sehgewohnheiten und Genreerwartungen verstieß.20 Tatsächlich dürfte der Tatverhalt
aber wesentlich komplexer sein und kein so klarer Bruch zwischen altem und neuem
Hollywood verlaufen, denn auch seit den späten 60er Jahren sind die meisten großen
Hollywoodproduktionen de facto Affirmationen des Establishments und der dominanten
gesellschaftlichen und filmischen Normen. Und nicht erst das Scheitern der Gegenbewegung,
sondern auch die Gegenbewegung selbst, ihre verschiedenen Fraktionen, wie etwa die
afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung oder die Friedensbewegung, und die damit
verbundene psychedelische Ästhetik, haben ihre Spuren hinterlassen und Filmschaffende in
den späten 60er Jahren beeinflusst.
Ein Haupthindernis, das es früheren Filmen erschwerte sich gegen Konventionen der
Filmproduktion und der Gesellschaft aufzulehnen oder gar das herrschende politische System
in Frage zu stellen, war der in den 30er Jahren eingeführte Production Code, war in seiner
Prägung sehr konservativ. Offiziell sollte er vor „propaganda disguised as entertainment“ 21 in
Filmen schützen, in Wirklichkeit diente er aber vor allem dazu ein konservatives Weltbild
aufrecht zu erhalten. Drehbücher wurden auf Punkte wie Sex, Alkohol, Gewalt oder
Glücksspiel (die wenn möglich nicht vorkommen sollten, weswegen Filme oft mit Symbolen
und Auslassungen arbeiteten) sowie die Darstellung von Autoritäten wie Banker, Ärzte,
18
Geoff KING, New Hollywood Cinema. An Introduction, London [u.a.] 2002, 1.
KING, New Hollywood Cinema, 2. Detailierter geht Kind darauf in einzelnen Kapiteln des Buches ein.
20
HEHR, New Hollywood, 102.
21
NAREMORE, From Dark Films to Black Lists, 96.
19
7
Polizisten, christliche Geistliche, etc. untersucht.22 Auch durften Verbrecher am Ende des
Films nicht ungestraft davon kommen. Nachdem der Production Code ab Mitte der 50er Jahre
langsam gelockert wurde, wurde er 1965 völlig überarbeitet, 23 bevor er 1968 durch das
MPAA rating system abgelöst wurde.24 Bis dahin sollten Filme familientauglich sein, nun
wurden verschiedene Altersfreigaben für Filme eingeführt.
Die
amerikanische
Filmindustrie
befand
sich
in
einer
noch
umfassenderen
Transformationsphase. So kam es zur Auflösung des Studiosystems, welches den wenigen
großen Filmstudios ein Monopol über die Produktion, den Vertrieb und die Aufführung der
Filme gewährte. Hier kam es zu einer Reorganisation sowie einem Generationswechsel an der
Spitze25. Set den 50er Jahren gewannen unabhängige Produktionsgesellschaften, die teilweise
mit den großen zusammengearbeiteten und neue, spezifischere Zielgruppen 26 wie Jugendliche
und Intellektuelle ansprachen, zunehmend an Bedeutung, was größere Unabhängigkeit und
künstlerische Freiheit ermöglichte.27 Die Director’s Guild of America DGA forderte 1966 für
Regisseure die volle künstlerische Kontrolle über das Endprodukt, was zwar nicht erreicht
wurde, aber bezeichnend für die damalige Aufwertung der Arbeit der Regisseure ist.28
Der Film hatte laut Hehr noch mit zwei weiteren Problemen zu kämpfen. Das eine war die
Konkurrenz durch das Fernsehen, das andere, das Hollywood falsch und zu spät auf
gesellschaftliche Veränderungen, welche die Ära des Teenagers in den 50ern und die
Gegenkultur der 60er Jahre mit sich brachten, reagierte und man weiterhin auf Altbewährtes
und große Blockbuster setzte.29 In den späten 60er bis frühen 70er Jahren durchlief die
Filmindustrie eine Krise, während derer sich weniger kommerzielle Mainstreamfilme, dafür
aber mehr die diesen bewusst den Rücken kehrten, in den erfolgreichsten Filmen der Jahre
finden lassen.30 Schon 1972 machte sich ein allmählicher Aufschwung bemerkbar und das
Jahr 1974 übertraf den alten Umsatzrekord aus 1946 an den Kinokassen.31
22
Siehe dazu auch NAREMORE „From Dark Films to Black Lists“, 97-135.
Thomas SCHATZ, Introduction, in: Steven Jay SCHNEIDER (Hg.), New Hollywood Violence, Manchester 2004,
1-10, 6.
24
KING, New Hollywood Cinema, 29-32.
25
HEHR, New Hollywood, 16.
26
Ebenda 10.
27
Ebenda 12.
28
Ebenda 26.
29
Ebenda 8
30
SCHATZ, Introduction 7.
31
HEHR, New Hollywood, 20.
23
8
Das Ende des Production Codes und der kulturelle Kontext brachten auch mit sich, dass ab
Ende der 60er Jahre aggressivere und grafische Darstellungen von Gewalt zunahmen und in
den 60er und insbesondere den 70er Jahren auch eine Aufwertung des Horror Genres
erfolgte.32 Das färbte auch auf das Genre der Komödie ab, wo in dieser Zeit einige „biting
black comedies and satires“33 entstanden und New Hollywood bewusst mit dem verstörenden
Effekt der Kombination von Comedy mit grafischer Gewalt setzte.34 Zwar ist es nicht
ungewöhnlich, dass Comedy mit Gewalt verbunden wird, allerdings unterliegt dort die
Filmrealität nicht den Regeln der realen Welt, weswegen diese Handlungen oft „no „real“
implications within the diegetic universe“35 haben. 36 Gewalt im komödiantischen Kontext ist
– unter anderem weil sie von den Konsequenzen realer Gewalt befreit ist – daher oft auch ein
Mittel um sich von der dargestellten Gewalt zu distanzieren, was auch durch ästhetische
Mittel wie schnelle Schnitte oder Zeitlupe erwirkt werden kann, die zwar einerseits den Effekt
auf den Zuseher verstärken können, gleichzeitig aber auch deutlich machen, dass das
Dargestellte nicht echt sondern inszeniert ist.37 Filmen, die Comedy und Gewalt kombinieren,
wird manchmal die Trivialisierung letzterer vorgeworfen und wenn das Mischungsverhältnis
unklar ist oder gar realistische Gewaltdarstellungen zu finden sind, führt das mitunter dazu,
dass die Filme Kontroversen hervorrufen. 38 Besonders häufig findet man solche Verstöße in
Satiren, die Komödien mit einem ernsten Hintergrund sind, deren Kritik sich üblicherweise
gegen gesellschaftliche oder politische Ziele richtet.39 Die Satire verlangt vom Zuseher eine
kritische, intellektuelle Auseinandersetzung mit dem behandelten Thema. Robert Kolker
schreibt: „The satyrical mode requires observation and judgment rather than identification
(…) the conventions of psychological realism and character motivation are removed.“ 40.
Was in den späten 60ern und frühen 70ern in den Hintergrund rückt ist der klassische
Kriegsfilm.41
Es
entsteht
eine
„neuartige,
selbstbewusste
und
geradezu
„zielgruppenorientierte“ Kritik am Krieg, die in dieser Form neu ist“42, in Form von
32
Ebenda 66. SCHATZ, New Hollywood Violence 5 SLOCUM Mwe Hollywood Violence 17.
Geoff KING, Film Comedy, London [u.a.] 2002, 95.
34
Geoff KING, „Killingly Funny“. Mixing Modalities in New Hollywood’s Comedy-with-Violence, in: Steven Jay
SCHNEIDER (Hg.), New Hollywood Violence, Manchester 2004, S.126-143, 126.
35
KING, New Hollywood Violence, 126.
36
Siehe auch KING, Film Comedy, 187.
37
KING, „Killingly Funny“, 129-130.
38
Ebenda 139-140.
39
Ebenda 139-140 und 126, sowie KING, Film Comedy, 93.
40
KING, Film Comedy, 103.
41
HEHR, New Hollywood, 58
42
RÖWEKAMP, Antikriegsfilm, 127.
33
9
Komödien mit respektlosem und anarchistischem Sinn für Humor.43 Röwekamp meint Ende
der 60er sei Kriegskritik nur in Modus der Komödie möglich gewesen zu sein und nennt als
Beispiele hierfür „M.A.S.H.“ (R: Robert Altman, USA 1970), „Catch-22“ (R: Mike Nichols,
USA 1970) und „How I Won The War“ (R: Richard Lester, UK 1967), „drei Filme, die ihre
subversive
kriegskritische
Wirkung
aus
heiter-grotesken
und
aberwitzig-surrealen
44
Arrangements beziehen“ . Auch Hehr meint die Darstellung von Kriegen erfolgte damals in
Form von Satiren wie „M.A.S.H.“ und „Catch-22“, die sich „über den Militarismus der
Amerikaner und die Gepflogenheiten der Armee lustig machen und das amerikanische
Selbstwertgefühl ernsthaft in Frage stellen“.45
M.A.S.H.
R: Robert Altman (USA 1970)
Obwohl mit relativ geringem Budget gedreht, sowie kurzfristig auf Army Stützpunkten
verboten und von politischen und religiösen Konservativen kritisiert,46 wurde „M.A.S.H.“
1970 der dritterfolgreichste Film an den Kinokassen47 und wurde für fünf Oscars nominiert,
wobei nur der für das Drehbuch gewonnen wurde.48 Dieses stammte von Ring Lardner jr.,
welcher während der McCarthy Ära zu den brüchtigten Hollywood Ten gehörte, die aufgrund
ihrer politischen Gesinnung auf eine blacklist gesetzt wurden und sich weigerten mit dem
House Committee on Un-American Activities zu kooperieren.49 1968 hatte Lardner die Idee
den Roman „M.A.S.H.“ von Richard Hooker zu verfilmen, dessen anti-establishment
Grundton ihm sehr zusagte. 15 Regisseure hatten abgelehnt, bevor Robert Altman zusagte, da
er hier eine Möglichkeit sah seinen visuellen Stil und seine politische Überzeugungen
umzusetzten. Ein typisches Merkmal für Altman ist das Überlagern von Dialogen, was dazu
führt, das man nicht jedes Wort verstehen kann, was aber laut Altmann zum Realismus
beiträgt.50 Außerdemließ er die Darsteller und Darstellerinnen die Dialoge größtenteils
improvisieren, weswegen sie stark vom Drehbuch abwewichen, was Lardner erzürnte, der
Altmann vorwurf „You ruined my film!“.51
43
HEHR, New Hollywood, 82.
RÖWEKAMP, Antikriegsfilm, 123.
45
HEHR, New Hollywood, 58
46
Robert ALTMAN, Audiokommentar.
47
KING, New Hollywood Cinema, 46.
48
Backstory M.A.S.H. (R: Michele Farinola, USA 2008)
49
BÜRGER, Napalm am Morgen, 47.
50
ALTMAN, Audiokommentar.
51
Backstory.
44
10
Um möglichst wenig Beachtung von 20th Century Fox, die im selben Jahr die big-budget
Kriegsfilme „Patton“ und „Tora! Tora! Tora!“ produzierte, zu erhalten, versuchte er nicht
aufzufallen und castete überwiegend unbekannte Schauspieler und Schauspielerinnen.52
Die Handlung ist in einem Kriegslazarett während des Koreakriegs angesetzt, wobei im Film
ursprünglich auf direkte Koreaverweise verzichtet wurden, da laut Altman Korea hier als
Stellverstreter für Vietnam dienen sollte, aber das Studio bestand darauf klar zu machen, dass
das Korea ist, weswegen sich am Anfang eine Einblendung sowie zwei Zitate von Douglas
McArthur und Dwight D. Eisenhower mit klarem Koreabezug finden lassen.53
Die Hauptfiguen des Films sind drei Ärzte „Duke“ Forrest, „Trapper John“ McIntyre und vor
allem „Hawkeye“ Pierce. Der Film beginnt mit Hawkeye’s Anfahrt zum Lazarett und endet
mit seiner Abreise.54 Was sie im Film machen beschreibt Filmkritiker Richard Schickel als
„Letting humour out through transgressive rebellious acts“55 bzw. meint Renate Hehr, dass
die Ärzte, die nicht aus patriotischen Gründen sondern wegen ihres Einberufungsbefehls in
Korea sind, „fest entschlossen sind, das Beste aus der Situation zu machen, in dem sie sich
die Zeit mit infantilen Streichen, makaberen Scherzen und Golfspielen vertreiben oder ein
Football-Match organisieren, um bei den Wetten abzukassieren“56.
Die Kritik an der als lächerlich empfundenen militärischen Hierarchie und Autorität, 57 wird
beispielsweise durch Col. Henry Blake, der das Kriegslazarett leitet, aber ein
durchsetzungsschwacher Charakter ist, der sich primär nur fürs Angeln interessiert, aber vor
allem auch durch Frank Burns und Margaret O’Houlihan unterstrichen. Beide sehen sich als
Repräsentanten der army morale in dem Sündenpfühl in dem sie hier gelandet sind,
entpuppen sich aber als kein bisschen besser. Frank wird noch dazu als nahezu fantatischer
Christ präsentiert, der viel betet, was die anderen dazu veranlässt die Frage in den Raum zu
werfen, ob er schon immer so war oder erst hier durchgeknallt ist. Auch ein Close-up von
Franks Augen während des Gebets inszeniert ihn als verschlagenen. Er kann sich auch Fehler
nicht eingestehen, so seien etwa dafür wenn einer seiner Patienten stirbt entweder jemand
anderer schuld (in einem Fall beschuldigt er einen verunsicherten Jugendlichen) oder handelt
es sich dabei um Gottes Wille. Als er Trapper John, nachdem ihn dieser provoziert hatte,
52
Backstory.
ALTMAN, Audiokommentar.
54
Auch wenn ALTMAN im Audiokommentar meint der Film habe kein Ende, so ist das doch ein eindeutiger
Abschluss, der die am Beginn geöffnete Klammer schließt.
55
Backstory.
56
HEHR, New Hollywood, 58.
57
BÜRGER, Napalm am Morgen, 47.
53
11
schlägt wird er in einer Zwangsjacke angeführt. Margaret, die von Hawkeye als „regular
army clown“ betitelt, passt sich dann aber doch den anderen an, schläft mit Duke und lässt es
sich gefallen beleidigt zu werden, nachdem sie vorher im Film, einem Nervenzusammenbruch
nahe, geschrieen hat: „This isn’t an hospital, this is an insane alsylum!“
Auch wenn laut Altman der Film hinterfragen soll, was es für einen Sinn macht, Leute zu
heilen um sie dann erneut an die Front zu schicken, wo sie wieder in Stücke zerrissen werden,
kommt das in dem Film nicht unbedingt klar heraus.58
Wie Röwekamp schreibt, ist das Problem von „M.A.S.H.“, dass er sich zum Ende hin
offenbar „zur belanglosen Militärklamotte zu entwickeln scheint“59, was seiner Meinung nach
auch eine gleichgültiger Anpassung an das Grauen des Krieges, die fatalistische Korruption
des Individuums durch die Umstände des Krieges, oder eine Allegorie des Krieges sein kann.
Altman selbst sagt, dass das Credo des Films schlechter Geschmack lautete und er bewusst
auf geschmacklosen Humor setzte, was u.a. die männlichen Egos der Ärzte, die die Mentalität
14-jähriger besitzen, reflektieren soll.60 Teil davon ist auch deren Sexismus und Homophobie.
So befürchtet der Zahnarzt, nachdem er einmal eine Erektionsstörung hatte, dass er
homosexuell sein könnte, weswegen er seiner Meinung nach kein Mann mehr sei. Er möchte
deswegen Selbstmord begehen und fragt die anderen nach einer effektiven Methode. In einer
Szene, die kompositorisch an Leonardo Da Vincis Letztes Abendmahl angelehnt ist,
verabschiedet er sich von den anderen Männern bevor er eine vermeintlich tödliche Pille
einnimmt. Hawkeye bittet daraufhin eine Krankenschwester mit dem Zahnarzt zu schlafen um
ihn zu heilen. Der Titelsong des Films, „Suicide is Painless“ wird während des letzten
Abendmahls gesungen, somit nicht in direkter Verbindung mit dem Kriegsgeschehen, obwohl
jemand zu seinem freiwilligen Suizid meint: „That’s what being a soldier is all about“.
In „M.A.S.H.“ dreht sich aber nicht alles um Sex, Alkohol, Football, Golf oder Sonnenbaden.
Das Kriegsgeschehen an der Front wird zwar nicht dargestellt, aber der Film beinhaltet einige
Szenen, die im Operationssaal spielen. Ein Chirurg diente für diese als technischer Berater
und der Einsatz von Zoomlinsen ermöglichte es größere Aufnahmen zu machen ohne mit der
58
In der von Altman wenig geschätzten, und insgesamt weniger radikalen Serie M.A.S.H. (USA 1972-1983)
hingegen wird die Frage immer wieder direkt aufgeworfen, was, ebenso wie eine stringentere Entwicklung der
Charaktere, durch die lange Laufzeit der Serie besser umsetzbar war.
59
RÖWEKAMP, Antikriegsfilm, 126-127.
60
ALTMAN, Audiokommentar. KING, Film Comedy, 73, bezeichnet ihn als einen Vorläufer der gross-out
comedy.
12
Kamera näher heranfahren zu müssen.61 Die zum Teil sehr grafischen Darstellungen, wie
etwa eine spritzende Halsschlagader wurden von 20th Century Fox zunächst als zu grausam
empfunden und hätten herausgeschnitten werden sollen, kamen jedoch beim Testpublikum
gut an.62 Gerade diese Szenen dass „M.A.S.H.“ als Mischung aus schockierendem Realismus
und schwarzem Humor gefeiert wird. Hier werden Dinge wie Stromausfälle oder die
Unterschiedliche Behandlung von Offizieren und Soldaten angeprochen (je nachdem
bekommen sie kleine oder große Nähte) und als sich Margaret darüber beschwert, dass sie
einen Kriegshäftling operieren wird ihr entgegnet: „So are you sweetheart, but you don’t
know it!“. Sätze die direkte Kritik am Krieg äußern sind zwar relativ selten, aber die
Einstellung des Films wird am Ende noch einmal verdeutlicht. Um einen roten Faden für die
aus dem Stunden an Material ausgewählten Szenen zu finden, wurden nachträglich
Lautsprecherdurchsagen eingefügt.63 Am Schluss kommt zuerst die Durchsage: „Attention!
Tonight’s movie has been M.A.S.H, follow the zany antics of our combat surgeons as the cut
and stitch their way along the front lines, operating as bombs and bullets burst around them,
snatching laughs and love between amputations and penicillin“ auf die eine Auflistung der
Darsteller und Darstellerinnen folgt. Als letztes sieht man jemanden, der nur eine kleine Szene
hat un darin den Satz: „God damn Army!“ spricht, worauf auf den Lautsprecher ertönt:
„That’s all.“
CATCH-22
R: Mike Nichols (USA 1970)
Diese „dunkle, bittere Satire über die Absurditäten des Krieges“ 64 kam kurz vor „M.A.S.H.“
in die US-Kinos, was dazu führte, dass die beiden Filme damals wie heute immer wieder
miteinander verglichen werden. Geoff King sieht die Parallelen darin, dass es sich bei beiden
um schwarze Komödien mit satirischen Dimensionen handle, „M.A.S.H.“ jedoch sicherer und
bequemer für die Zuseher sei, wo sie in den Hauptprotangonisten einen Bezugspunkt finden
können, während im absureren und dunkel surrealistischen Catch-22 die einsame und
erfolglose Hauptfigur, die eine individuelle Rebellion gegen institutionalisierte Absurdität
führt, das nur bedingt bieten würde.65
61
ALTMAN, Audiokommentar.
Backstory.
63
Ebenda.
64
HEHR, New Hollywood, 58.
65
KING, Film Comedy, 105.
62
13
Es gibt aber noch einige andere Aspekte, die den Erfolg des films bei einem breiten Publikum
verhinderte,66 wovon ein paar noch angesprochen werden sollen. Preview and during run not
cmpletely connecting with the audience
Das Buch „Catch-22“ wurde von Joseph Heller 1961 verfasst und hierin, wie auch im Film,
entsteht der Widersinn des Krieges nicht aus der sinnzerstörerischen Kraft kriegerischer
Handlungen, sonern ist bereits in der militärischen Bürokratie verankert.67
Die Geschichte handelt von Yossarian, einem Captain der Air Force, der während des
Zweiten Weltkriegs in Italien stationiert ist und nicht mehr fliegen möchte, aber die Anzahl
der Einsätze wird laufend angehoben. Er möchte sich vom Arzt für verrückt erklären lassen
um Flugverbot zu erhalten, jedoch gibt es dabei einen Haken: „There is a catch.“ – „A
catch?“ – „Sure, Catch-22. Anyone who wants to get out of combat isn’t really crazy, so I
can’t ground him.“ – „Okay, let me see if I got this straight. In order to be grounded, I’ve got
to be crazy and I must be crazy to keep flying. But if I ask to be grounded, that means I’m not
crazy any more and I have to keep flying.“- „You’ve got it! That’s Catch-22.“
Die Narration hat eine zirkuläre Grundstruktur. Man sieht zu Beginn wie jemand auf
Yossarian einsticht, was folgt ist eine im Wesentlichen chronologische Erzählung von
Ereignissen die bis dahin passiert sind, die wiederrum von Traumsequenzen und Flashbacks
unterbrochen wird. Wieder bei dem Messerattentat angekommen, fährt der Film nach einem
letzten Flashback chronologisch fort. Das führt dazu, dass die Handlung konfus wirkt und
nicht leicht nachvollziehbar ist.
Besonders häufig erscheint eine Rückblende auf ein besonders traumatisches Erlebnis, als
Yossarian nach einem Abschuss alleine mit einem scheinbar am Bein verletzten neuen,
jungen Gunner, Snowden, auf Hilfe wartet.
Für den mit relativ großem Budget und Aufwand über gedrehten Film hat Nichols auf
Statisten verzichtet und weitestgehend auch auf Filmmusik.68 Musik wird in Filmen gerne
eingesetzt, um Emotionen beim Zuseher zu wecken bzw. die gezeigten Bilder emotional
aufzuladen. Der Verzicht auf Musik, aber auch die langen shots, welche die Handlung
66
NICHOLS spricht im Audiokommentar darüber, dass der Film sowohl bei der Preview, als auch während
seiner Laufzeit in den Kinos beim Publikum nicht gut an kam, da er es nicht schaffte dieses anzusprechen.
67
RÖWEKAMP, Antikriegsfilm, 127.
68
Er spricht zwar im Audiokommentar von keiner Filmmusik, aber es gibt doch vereinzelte Szenen, wo Musik im
Film oder aus dem Off zu hören ist.
Zur emotionalen Wirkung von Musik siehe auch: Hauke EGERMANN, Emotionen@Musik. Was Musikhörer
empfinden - eine Internet-Studie zur Emotionsmessung, Marburg 2008.
14
entschleunigen, und das überwiegend kalte Farbschema tragen zur kühlen, relativ
emotionslosen Atmosphäre des Films bei, die zwar einerseits „loneliness and seperation from
each other“69 unterstreicht, aber es auch andererseits den Zuseher schwer macht eine
emotionale Verbindung herzustellen und sich Yossarian, wie von Geoff King angemerkt, nur
bedingt als Bezugspunkt anbietet.
Den anderen Charakteren des Films kommt nicht derselbe Stellenwert zu wie Yossarian,
dessen Geschichte und psychischer Zustand im Mittelpunkt des Filmes stehen. Nachdem am
Anfang zuerst nur einer der Männer, Orr, als Verrückter vorgestellt wird, der jedes Mal im
Meer landet, wird es schnell klar, dass die Vorgesetzten wahnsinnige, zum Teil groteske
Figuren sind. So möchte der Major (namens Major Major) jeder Verantwortung entgehen und
ist daher nur dann zu sprechen wenn er nicht da ist und der Colonel, der Leute auch während
er auf der Toilette sitzt zu sich reinbittet, ist alleine auf Prestige bedacht, weswegen er die
Einsätze ständig erhöht und etwa vom unbeholfen wirkenden Kaplan verlangt, dass er sich
„nice snappy prayers“ einfallen lässt, die er vor jedem Einsatz sprechen soll, er einen Artikel
darüber gelesen hat und er auch in die Zeitung kommen möchte. Im Laufe des Films
entpuppen sich auch immer mehr der Männer als nicht bei klarem Verstand bzw. verlieren sie
die Fassung. So will beispielsweise Dobbs den Colonel erschießen, als dieser nicht stoppt die
Zahl der Einsätze zu erhöhen, während sich Nately darüber freut, da er sich in eine
italienische Prostituierte verliebt hat. Milos kapitalistischer Ergeiz treibt ihn sogar so weit
Geschäfte mit den Nazis einzugehen. Aber die Situation in der sie sich befinden stellt nicht
nur eine große psychische Belastung dar, sondern kostet den meisten das Leben.
Gegen Ende wird Yossarian zwar ein Deal angeboten, der es ihm ermöglichen würde nach
Hause gehen zu können, den er aber moralisch nicht vertreten kann. Verzweifelt liegt er dann
im seinem Krankenhausbett, wo er sich über den Verlust aller seiner Freunde die er hier hatte
beklagt und mit dem Gedanken spielt zu dessertieren. Als er dann jedoch erfährt, dass der
vermeintlich verrückte Orr nicht verstorben ist, sondern seine Bruchlandungen auf Meer
bewusst kalkuliert waren und er nach der letzten mit einem Boot bis nach Schweden gerudert
ist, springt Yossarian aus dem Fenster, läuft zu einem Gummiboot und paddelt damit zu den
Klängen von „The Stars and Stripes Forever“ auf das Meer hinaus.
69
NICHOLS, Audiokommentar. Wie er im Audiokommentar auch anmerkt, fehlen hier zwischenmenschlichen
Beziehungen und Subtexte, was für ihn sonst untypsich ist.
15
In „Catch-22“ lassen sich verschiedene Abstufungen von Humor finden, von infantilem, wie
der Reaktion der lüsternen Männer beim Anblick der sexy Begleitung des Generals über
harmlose visuelle Gags wie dem sich ständig ändernden Portät an der Wand des Büros des
Colonels und den Weißwandreifen am Flugzeug des Generals bis hin zu schwarzen Humor als
man etwa einen Mann, der von Kopf bis Fuss in Gips und Bandagen ist, hilflos, mit einem
Schlach für seinen Urin, im Krankenhaus liegen sieht.
Man findet auch subversiven Humor, der sich mitunter auf typisch amerikanisches bezieht,
etwa als der Colonel meint, wenn Atheismus schon nicht gegen das Gesetz sei, ist er
zumindest unamerikanisch oder man Yossarian fragt: „Haven’t you got any patriotism?
Wouldn’t you give your life for your country? Wouldn’t you give your life for Colonel Korn
and me?“
Auch die Absurdität der Kriegsführung wird in komischer Weise thematisiert, als sich
beispielsweise Yossarian weigert die strategisch unbedeutende Stadt, in der sich nichts außer
einem Kloster und Zivilisten befindet, zu bombardieren und stattdessen die Ladung über dem
Meer abwirft, wird diese Befehlsverweigerung vom Colonel, der unbedingt einen Erfolg
verzeichnen wollte, umgedeutet und so bekommt Yossarian vom General für einen „direct hit
on the ocean“ einen Orden verliehen. Zu der Verleihung erscheint er übrigens nackt, ebenso
wie zu der Beerdigung von Snowden, während derer er ohne Uniform auf einem Baum sitzt.
Manchmal sind die Situationen aber auch so surreal, düster oder brutal, dass das
Mischungsverhältnis zwischen bitterem Ernst und Comedy ambivalent.
Beispielweise gibt es eine Szene, in der der Doktor Yossarian bittet den Platz eines
Verstorbenen im Krankenhausbett einzunehmen, da dessen Familie kommt um ihn ein letztes
Mal zu sehen und diese nicht erkennt, dass das nicht ihr Sohn ist, was aber nichts macht, denn
„One dying boy is just as good as another… or as bad.“, was laut Nichols ausdrücken soll,
dass die Männer in der Army austauschbar sind, zumindest soweit es ihre Vorgesetzten
betrifft.
In einer anderen Szene sieht Yossarian eine tote junge Frau auf dem Gehsteig liegen und
erblickt oben am geöffneten Fenster Aardvark sehen, den er damit konfrontiert und meint,
dass er dafür ins Gefängnis kommen werde. Aardvark entgegnet, dass er sie nur einmal
vergewaltigt habe und er nicht glaubt verhaftet zu werden:, „I don’t think they’ll make such a
fuss about one Italian girl when thousands of lives are lost every day.“ Tatsächlich erscheint
auch sofort die Militärpolizei, aber nicht wegen Aardvark, sondern wegen Yossarian der
AWOL ist. Hier übertönt die schreckliche Situation die Pointe am Ende der Szene.
16
Sehr dunklen und brutalen Humor findet man auch als Hungry Joe stirbt, dessen Körper in
zwei geteilt wird, woraufhin zuerst der Oberkörper ins Meer fällt bevor der untere Teil
zusammensackt.
Nur eine Szene ist in seiner Brutalität noch intensiver, die jedoch frei von jeglicher Form von
Humor ist. Im letzten Flashback sieht man wieder die Szene mit dem scheinbar nur am Bein
verwundeten Snowden, die diesmal aber etwas weiter geht und offenbart, was passiert ist, das
Yossarian so traumatisierte. Als ihn er ihn am Torso angreift, quellen plötzlich Snowdens
Eingeweide heraus. Auch Nichols selbst meint, dass er sich diese Szene, mit der er beim Dreh
kein Problem hatte und er so realistisch wie möglich hinbekommen wollte, nicht ansehen
kann.70 „The intensity of violence is located to a large extend in the degree to which it is
presented as immediate and impactful on the viewer.“71, schreibt Geoff King und in diesem
Fall ist ist die Gewaltdarstellung so grafisch, überraschend und wirkungsvoll inszeniert, dass
sie „too disturbing for enjoyment“ 72, ist.
Der Film nimmt zwar keinen Bezug auf Vietnam, sondern man hat es hier mit einer
universellen Kritik an der Absurdität von Kriegen zu tun. Da der Film aber während des
Vietnamkriegs gedreht wurde, ist aber unvermeidbar ihn in diesem Kontext zu betrachten.
Nichols gehörte damals auch zu denen, die sich gegen diesen ausgesprochen haben, was er
somit auch indirekt mit diesem Film tut. Er zählt im Audiokommentar auch davon, dass John
Wayne einmal den Flughafen des Sets benutzt hatte und er nur nur deswegen nicht
hingegangen ist um ihn zu grüßen, weil er er in Wayne einen reaktionären, politischen Gegner
sah.
JOHNNY GOT HIS GUN
Dalton Trumbo (USA 1971)
Den Roman „Johnny Got His Gun“ hatte Dalton Trumbo bereits 1938 geschrieben,
beeinflusst von den damaligen Umständen in Europa kurz vor Ausbruch des Zweiten
Weltkrieges.73 Wegen seiner linken politischen Gesinnung wurde er, wie Ring Lardner jr., ein
Opfer der McCarthy Ära und wurde wegen seiner unkooperativen Haltung vom HUAC auf
70
NICHOLS, Audiokommentar.
KING, „Killingly Funny“,129.
72
Ebenda.
73
„Dalton Trumbo. Rebell in Hollywood“ (R: Robert Fischer, D 2006). 1940 wurde das Stück erstmals im Radio,
mit James Cagney, aufgeführt.
71
17
die blacklist gesetzt.74 Außerdem musste er 1950 für 10 Monate ins Gefängnis.75 Drehbücher
konnte er in diesen Jahren nur unter Pseudonymen verfassen, bevor er um 1960 wieder
rehabilitiert wurde.76
1964 wollte er den Stoff gemeinsam mit Louis Bunuel verfilmen, das Projekt ist jedoch
gescheitert.77 1970, als der Vietnamkrieg seinen Höhepunkt erreichte, entschloss er sich das
Buch zu verfilmen und dabei auch zum ersten Mal Regie zu führen. Der Film wurde mit
geringem Budget und mit wenigen Ausnahmen, wie Donald Sutherland, der kurz davor die
Rolle des Hawkeye Pierce in Altmans „M.A.S.H.“ gespielt hatte und den Trumbo durch ihr
gemeinsames Engement gegen Vietnam kennengelernt hat, unbekannten Darstellern und
Darstellerinnen. Der Film war zwar kein kommerzieller Erfolg, gewann aber zahlreiche Preise
auf Filmfestivals.
Wie Röwekamp anmerkt, hat sich hier der Tonfall gegenüber den Kriegssatiren drastisch
geändert und man konzentriert sich wieder auf das soldatische Individuum.78
Der Film beginnt mit der Einstellung einer Kanonenmündung und es wird dann historisches
Bildmaterial aus dem Ersten Weltkrieg zu Trommelmusik und roten Titeln auf schwarzen
Grund gezeigt, was die düstere Grundstimmung des Films vorgibt. Nach dem Einschlag einer
Granate erfolgt ein Schnitt und man sieht für eine Weile nur ein schwarzes Bild und hört
jemanden Atmen, bevor aufgeblendet wird und man in Untersicht drei Ärzte sieht, die sich
unterhalten. Die Perspektive versetzt den Zuseher einerseits in die Position des auf dem OPTisch liegenden, andererseits lässt sie die drei Figuren auch bedrohlich erscheinen. Sie reden
offenbar über den Verwundeten, man erfährt, dass ein Teil seines Gehirns nicht geschädigt ist
und er ein nicht indentifizierbarer Dezerebierter ist, den sie als interessanten Fall beobachten
möchten um daraus lernen zu können, wie man anderen helfen könnte. Da er so gefühls- und
gedankenlos sei wie ein Toter, sind seine Bewegung als Muskelreflexe zu deuten und mit
Beruhigungsmittel zu behandeln.
Dananach wird das Bild wieder schwarz, man hört eine Uhr ticken und nach einem
Paukenschlag wird langsam wieder aufgeblendet und die Kamera fährt auf die nicht
erkennbare Figur, Joe, im Krankenbett zu, die nun zu reden beginnt. Von da an zieht sich sein
74
RÖWEKAMP, Antikriegsfilm, 129.
Dalton Trumbo. Rebell in Hollywood.
76
Ebenda.
77
Dalton Trumbo. Rebell in Hollywood. Auch die anderen Hintergrundinformationen zur Entstehung des Films
sind dieser entnommen.
78
RÖWEKAMP, Antikriegsfilm, 128.
75
18
Voice-Over durch den Film und auch einen großteil der Handlung sieht man aus seiner
Perpektive, was die Identifikation des Zusehers mit Joe verstärkt.
Nach und nach erfährt man so, was er fühlt und auch selbst gerade erst realisiert. Er
beschreibt, wie es sein Blut pumpen, den Schweiß, die Bandagen und das vibrieren von
Schritten fühlt. Er bemerkt ziemlich schnell, dass er taub ist. Als man die Klammern aus
seinen Körper entfernt, stellt er erschreckt fest „The end of my arm is as high as my
shoulder!“, was ihn sehr trifft, denn ein Mann mit nur einem Arm ist ein Krüppel. Doch auch
den zweiten Arm hat man ihm amputiert, ebenso wie seine Beine. Als er letzteres bemerkt,
schreit er innerlich, obwohl er nicht mehr reden kann und somit nach außen hin still ist. Sein
Gesicht sieht man nur bedeckt, doch er stellt schließlich auch fest, dass er nicht nur durch
Schläuche gefüttert wird und atmet, sondern, dass er auch keinen Kiefer, keine Zunge, keine
Zähne, keine Nase, keine Augen, sondern nur noch Loch hat.
Auf Anweisung hin hat man Joe in einem kleinen Abstelltaum untergebracht, wo ihn niemand
sehen kann und nur wenige scheinen in ihm noch einen Menschen zu sehen, wie eine
Oberschwester, die bei seinem Anblick Mitleid mit ihm hat und zumindest dafür sorgt, dass er
eine Bettdecke statt nur eines Lakes bekommt und etwas Sonnenlicht hereinkommt. Das Licht
der Sonne kann er spüren, was ihm ermöglicht Tag und Nacht zu unterschieden und so die
Tage, Wochen, Monate und sogar Jahre zu zählen, die vergehen.
Eines Tages kommt eine neue Schwester, der sein Schicksal offenbar sehr zu Herzen geht und
die feststellt, dass er noch bei Bewusstsein ist und regieren kann, woraufhin sie z.B. mit ihm
zu kommunizieren versucht indem sie auf seinen Bauch mit ihrem Finger Buchstaben
nachfährt um ihm fröhliche Weihnachten zu wünschen.79
Im Film gibt es verschiedene Bewusstseinsebenen, die unterschiedlich visualisert wurden.80
Da gibt es die Wirklichkeit, die in nüchternen schwarz-weiß Bildern gezeigt wird. Diese
Szenen sehen wir als außenstehender Betrachter. Daneben gibt es zum einen Flashbacks, die
in natürlich bunten Farben gezeigt werden und fantastische Szenen, die von den verabreichten
Drogen ausgelöst wurden bzw. Träume, die mittels satter Farben und dem Einsatz diverser
Filter, die einen anderen Bewusstseinszustand suggerieren sollen, dargestellt werden.
Manchmal verwischen aber auch die Grenzen, vor allem zwischen Erinnerung und Fantasie.
79
Sie sorgt auch dafür dass er ein neues Bett mit einem Kopfkissen bekommt und dieses ins Licht gestellt wird.
Außerdem küsst sich auch seine Stirn sowie später seinen Torso und gibt ihn soagr einen Handjob.
80
Siehe dazu auch Dalton Trumbo. Rebell in Hollywood.
19
Aus den Flashbacks erfährt man wer er ist und von seiner Vergangenheit. Im ersten sieht man
den sehr jungen Mann mit seiner Freundin in der Nacht vor seiner Einrückung zum Krieg. Sie
möchte nicht, dass er geht und ist sehr besorgt. Beim Abschied sagt sie noch zu ihm: „Wrap
your arms around me, both of them.“ – ein Satz der in etwas abgewandelter Form auch
beispielsweise in einer Szene mit seinem Vater vorkommt und auch während einer
Weihnachtsfeier in der Backwarenfabrik meint jemand, zwei Arme, zwei Beine, ein Mädchen
– was mehr kann jemand wollen?
In einer Rückblende sieht man auch, wie es dazu kam, dass Joe hier gelandet ist. Er war bei
einer britischen Einheit und hat gerade im Graben einen Brief an seine Freundin geschrieben,
als sich ein hoher Offizier über den Gestank – der von einem toten Bayern, der im
Stacheldraht hängt – kommt beschwert. Als Joe mit ein paar anderen diesen entfernen soll,
werden sie von einer einschlagenden Granate getroffen. Rückblickend meint Joe „I shouldn’t
have been there and the poor Bavarian either – we might have been friends“.
In seiner Fantasie erscheinen ihm immer wieder religiöse Figuren, wie etwas auch Jesus. In
einer Szene sieht man Soldaten beim Kartenspiel mit ihm zusammensitzen, deren Schicksal
längst besiegelt ist und feststeht wer von ihnen sterben wird und wer noch nicht.
Ein anderes Mal träumt er davon Teil einer Freakshow auf einem Jahrmarkt zu sein.
Manchmal fällt es Joe auch schwer zwischen Traum und Realität zu unterscheiden. So glaubt
er beispielsweise einmal, dass eine Ratte an seinem Kopf nagt, obwohl ihm in Wirklichkeit
dort gerade eine Klammer herausgenommen wird.
Mit Jesus, der diesmal als Zimmermann dargestellt wird, unterhält er sich darüber, was er tun
kann um festzustellen, ob all das nur ein Traum oder real ist. Doch der Rat zu schreien, was
ihn aufwecken soll, nützt ihm nichts, da er gar nicht mehr schreien kann. Jesus kann ihn nicht
helfen.
Joe verliert allmählich seinen Glauben, mit dem und was ihm dort vermittelt wurde, er sich
jetzt auseinandersetzt. Sätze wie „God is love“ oder Predigen darüber, dass Materie
unwirklich und vergänglich sei, sind ihm kein Trost. Am Ende des Films stellt er für sich fest,
dass es keinen Gott gibt. Die Frage nach seinem Zustand beschäftigt ihn fortwährend, so
meint er einmal: „I’m just like a piece of meat that keeps on living“ und ein anderes Mal:
„Now I’m a dream“.
20
Am Ende findet Joe doch noch einen Weg um zu kommunizieren. Er benützt seinen Kopf um
im Morsecode zu klopfen. Nachdem ihm aber Mitgeteilt wird (durch Klopfen auf die Stirn),
dass er hier nicht raus könne, hat er nur noch einen Wunsch: zu sterben. Die Ärzte und
Militärangehörigen sind aber nicht dazu bereit und der anweswende Geistliche, den man fragt,
ob er nicht eine Botschaft für Joe hat meint nur: „I will not risk testing his faith against your
stupidity.“. Die Schwester will ihn zwar seinen Wunsch erfüllen, das wird aber verhindert, sie
des Zimmers verwiesen und Instruktionen gegeben, dass das Fenster geschlossen bleiben
müsse und ihn keiner sehen dürfe.
Am Ende des Films sieht man wie Joe ständig „S.O.S. Help me!“ morst, während die Kamera
langsam weg fährt.
Im Abspann erscheint dann noch folgende Einblendung:
War dead since 1914: über 80,000,000
Missing or mutilated: over 150,000,000
„Dulce et decorum est pro patria mori“
Die Kritik an Kriegen und deren Sinnlosigkeit zieht sich durch den gesamten Film. So auch
etwa in einer Szene in der der junge Joe seinen Vater fragt, was Demokratie sei: „It‘s got
something to do with young men killing each other.“. Als ihn dann noch fragt, ob er wolle,
dass er eines Tages in einen –Krieg ziehe antwortet der Vater: „For democracy any man
would give his only begotten son.“.
Röwekamp schreibt über diesen Film: „Die Radikalität, mit der Johnny zieht in den Krieg
vermittels des physisch durch multiple Amputationen entindividualiserten – d.h. auch: visuell
kaum noch als menschliche Identifikationsfigur wahrnehmbaren – und psychisch in eine
geradezu solipsistisch überdeterminerte Situation gezwungenen Individuums ein paradox
konstruiertes Sinnbild für den genuinen Antihumanismus des Sytem Krieg erfunden hat, bliebt
filmhistorisches Unikat der Kriegskritik.“81
GROSSBRITANNIEN
Auch in Großbritannien spielte die Gegenbewegung in den 60er Jahren eine große Rolle und
hinterließ ihre Spuren im Filmschaffen. Schon in den 50er Jahren, während der Free Cinema
Bewegung, vollzog sich hier allerdings eine Aufwertung der Regisseure und bereits Ende der
81
RÖWEKAMP, Antikriegsfilm, 130.
21
50er Jahre begann mit der sog. britischen New Wave ein Generationswechsel im Film und
Theater, der zum Teil ähnliche Resultate mit sich brachte wie New Hollywood. 82
Obwohl es auch in Großbritannien keine uneingegrenzte künstlerische Freiheit gibt, so findet
man hier doch nicht die selbsen strengen Zensurbestimmungen und Kontrollorgane wie in den
USA. 1912 wurde das British Board of Film Cencors BBFC83, eine freiwillige Selbstkontrolle
der Filmwirtschaft gegründet, welches Filme nach verschieden Kategorien klassifizierte, des
weiteren warf auch das Innenministerium ein Auge auf das Filmschaffen und lokale Behörden
konnten selbst entscheiden, welche Filme sie nicht zeigen möchten. In 60ern wurden die
Bestimmungen hier nochmals deutlich liberaler und auch die staatlichen Behörden zeigten
sich gegenüber künstlerischen Anspruch toleranter, solange man nicht gegen bestehende
Gesetzte verstieß.84 Diese weniger strengen Kontrollen und Eingriffe führten dazu dass immer
wieder US-amerikanische Filmschaffende wie Joseph Losey oder Jules Dassin vor den
Studiozwängen oder der McCarty Ära (kurzfristig) nach Großbritannien flüchteten. 85 Auch
Stanley Kubrick schuf hier seinen Klassiker „Dr. Strangelove or: How I Learned To Stop
Worrying and Love The Bomb“ (UK 1964), mit dem er dem laut Helbig dem Antikriegsgenre
eine „neue Note“86 verpasste, die von Satire, schwarzem Humor, einer bewussten Stilisierung
und offenem Sarkasmus geprägt war. Frühere Kriegstragödien hingegen hätten ihre „Wirkung
durch eine realistische Darstellung und eine emotionale Beteiligung der Zuschauer“87
erreicht.
HOW I WON THE WAR
Richard Lester (UK 1967)
Lester wurde zwar in den USA geboren, zog aber in den frühen 50er nach Großbritannien und
sieht sich selbst als Briten. 88 Viele deiner Filme aus 60er Jahren sind von der damaligen Popund Jugendkultur sowie der Gegenbewegung beeinflusst, darunter der Film „A Hard Days
Night“ (UK 1964), den er mit geringem Budget in kürzester Zeit gedreht hatte und ein großer
Erfolg wurde.89 In den späten 60er schuf er unter anderem die Satire „The Bed-Sitting Room“
(UK 1969), der größtenteils auf einer Müllhalde gedreht wurde und zeigt, wie nach einem
82
HELBIG, Geschichte des britschen Films, 203-206.
Ebenda, 16-21.
84
Ebenda.
85
Ebenda, 223.
86
Ebenda.
87
Ebenda.
88
Ebenda, 181-182.
89
Ebenda, 183. Zwischen Drehbeginn und der geplanten Premiere lagen nur vier Monate.
83
22
nuklearen Krieg die wenigen überlebenden Personen in Großbritannien irrsinniger Weise
versuchen das alte System (von der Klassengesellschaft über polizeiliche Autorität bis hin zur
traditionellen Familie) beizubehalten.90 Zwei Jahre davor schuf er den m Zweiten Weltkrieg
spielenden Film „How I Won The War“. Helbig bezeichnet beide als „surrealistische, vom
absurden Theater beeinflusste Anti-Kriegsfilme“91 und Röwekamp schreibt zu Letzterem,
dass dieser „personelle Inkompetenzen und hanebüchene Befehlslogiken der militärischen
Führung“92 persifliert.
Aufgrund der ähnlichen problematisierten Thematiken und non-linearen Erzählstruktur,
ergeben sich hier einige Parallelen mit dem späteren „Catch-22“, dessen Regie Lester
angeboten wurde.93
Der Film beginnt zunächst mit der Hauptfigur, Lieutenant Goodbody, auf einem Gummiboot
am Rhein, dort wird er von den Deutschen gefangengenommen und erzählt von da an seine
Memoiren, die in Rückblenden gezeigt werden, angefangen davon wie er 1939 sofort als
Offiziersmaterial ausgewählt wurde, bis hin zu der Schlacht bei Arnheim, nach der er hier
gelandet ist. Von da an geht der Film zunächst chronologisch weiter bevor er am Ende einige
Jahre weiter springt.
Goodbody ist zwar der zentrale Charakter und fungiert als Erzähler, der nicht nur einem NaziOffizier, sondern auch den Zusehern seine geschichte mittels Voice-Over, aber auch
Durchbrechen
der
vierten
Wand,
erzählt.
Normalerweise
wäre
er
somit
eine
Identifikationsfigur, aber nicht nur seine Worte und Handlungen, sondern auch die
Kommentare der von ihm befehligten Männer, die sich ebenfalls manchmal direkt an den
Zuseher wenden, lassen ihn zur inkompetenten Witzfigur verkommen, die man kritisch
beobachtet, womit etwas erfüllt wird, das King als eine Hauptzutat der Satire nennt, die
kritische Distanz zu Hauptprotagonisten.94 Diese ist in den beiden anderen Satiren,
„M.A.S.H.“ und „Catch-22“ so nicht gegeben.
Goodbody kommt zwar aus einfachen Verhältnissen, ist aber sehr darum bemüht posh zu
wirken und freut sich darüber als Offizier in den Kriegg ziehen zu dürfen. Als er den Auftrag
bekommt nach Ägypten zu gehen und dort hinter den feindlichen Linien bei einer Oase ein
Cricketfeld zu errichten, ist er begeistert davon etwas Action zu sehen und sagt voller
90
Der Protest gegen Nuklearwaffen und die Angst vor einem nuklearen Krieg spielte eine zentrale Rolle in der
britischen Gegenbewegung der 60er Jahre.
91
HELBIG, Geschichte des britschen Films, 187.
92
RÖWEKAMP, Antikriegsfilm, 124.
93
Jörg HELBIG, Geschichte des britschen Films, Stuttgart [u.a.] 1999, 187. Mit Kameraman David Watkin gibt es
eine personelle Verbindung zwischen den beiden Filmen.
94
KING, „Killingly Funny“, 140.
23
Enthusiasmus: „Sir, I’d give my right arm and leg!“.Er findet einiges Positives am Krieg,
etwa die interessanten Geschichten, die man später seinen Kindern erzählen kann und die
großen Fortschritte in der Chirurgie. Goodbody leidet an völliger Selbstüberschätzung und
entpuppt sich als sehr ungeschickt und naiv, was einige seiner Männer das Leben kosten wird.
Bei diesen, die (mit Ausnahme des Sergeants) ein unmotivierter und undisziplinierter Haufen
sind, ist er alles andere als beliebt und die erste Reaktion darauf, dass er ihr Kommandant
wird lautet: „No, we’re all gonna die!“. Als der Sergeant bei ihrem letzten Einsatz stirbt sind
seine letzten Worte: „I should have shot that stupid little bleeder a long time ago. I always
wanted to as you know. You shoot one though you’ve got to shoot the lot before they take their
exames and are taught virtue and industry. Cor! Stone a little colonel, eh?“
Die Kampfszenen unterscheiden sich von dem Rest des Films. Am Anfang wird meist eine
Sammelkarte mit dem Namen einer Schlacht eingeblendet und danach sieht man eine
Montage in der Szenen, in der die Handlung linear und in Farbe weiterverläuft, mit originalen
Aufnahmen aus dem zweiten Weltkrieg und welchen, die von Lester in schwarz-weiß gedreht
und ebenso wie das historische Material in einer Farbe (für jede Schlacht eine andere)
getüncht wude, die Figuren und das was gerade geschieht im Film in ein anderes Setting, das
der jeweiligen Schlacht, verlagert, vermischt werden. Die Toten spielen aber weiter im Film
mit, erscheinen nun aber von Kopf bis Fuss in der Farbe der Schlacht, in der sie gefallen sind
und reden nicht mehr (zumindest bis kurz vor dem Schluss). Goodbody nimmt von deren Tod
keine Notiz, im Gegenteil, er wendet sich sogar einmal an einen und sagt zu ihm: „I wish I
had twenty like you, Corporal Dooley.“
Zwei der Männer stechen besonders heraus: Juniper ist „working his ticket“, versucht also als
verrückt aus der Army entlassen zu werden, wie der Sergeant versucht Goodbody zu erklären
und ihm rät ihn zu ignorieren. Dazu setzt er sich Juniper etwa eine rote Clownsnase auf,
behängt sich mit zahlreichen Oden und auch einem Hakenkreuz oder trägt statt normaler
Campuflage Blackface. Er unterhält aber auch die Truppe mit seinen Witzen, während derer
Soundeffekte, wie canned laughter, aus dem Off kommen, was die Illusion genauso zerstört,
wie die Schlachtszenen und das Durchbrechen der vierten Wand.
„There have been too many unwounded prisoners taken in this war. (…) Don’t let it happen
again. Cut your throats next time!“ oder „You, when you find yourself surrounded by the
enemy with virtually no hope of survival, you must organise yourself into a defensive locality
and hold out. By doing so, you will add enormously tot he enemy’s difficulties. (…) You will
also save yourself spending the rest of the war years in the bag, I mean, the box. Prisoner-of24
war-camp.“, sind Scherze, die er ihnen an einem Abend präsentiert. Als er dann sagt: „Let us
go into the ring in this, our first round, with the light of battle in our eyes and the strength of
the righteous in our hearts.“ Meint Goodbody zum ersten Mal Juniper sei nicht verrückt,
während ihm der Sergeant widerspricht, der dann aber gleich wieder seine Meinung revidiert
als Juniper fortfährt: „Keep the first three rows for the officers.“. Der Sergeant ist zwar ein
Berufssoldat, steht der Army und dem Krieg nicht unkritisch gegenüber. So erzählt er, dass
das Töten immer leichter fällt und er ihnen dafür die Schuld gibt, denn früher hätte er
nichteinmal etwas zu essen runtergekriegt wenn er eine tote Katze auf Straße sah.
Später schlägt Juniper Goodbody und wird deshalb angeklagt. Als Verteidiger sucht er sich
einen einfachen Soldaten, der als Feigling aufgefallen ist und sich immer wieder seiner
Uniform entledigt und sich vor den Schlachten drückt. Dieser sagt zu den Vorsitzenden, den
von Goodbody verehrten höheren Offizier Grapple: „What is wrong with the army in general
is that there is not enough humanity in it.“, worauf dieser antwortet: „Shut up! I fit wasn’t for
the British army you wouldn’t be here today! Humanity!“
Als Goodbody Jahre nach dem Krieg alle Mitglieder seiner Truppe versammeln möchte, ist
nur noch der Feigling am Leben. Auch Juniper ist nicht im Gefecht gefallen, da er vor dem
letzten Einsatz schon in einer Zwangsjacke steckte.
Die einzige Figur im Film der sich Goodbody verbunden fühlt ist der Nazi-Offizier, mit dem
er sich nach seiner Festnahme unterhält. Wie er sagt, ist er der einzige mit dem er sich im
ganzen Film unterhalten konnte. Zwischen den beiden entsteht ein Band, auch wenn der Nazi
einmal entsetzt nach einer Aussage Goodbodys sagt „You are a fascist!“ und Goodbody kann
ihm die letzte intakte Brücke über den Rhein abgekaufen. Als der deutsche Offizier dann von
einem Panzer überrollt wird, ist das der einzige Tod im Film, der Goodbody offensichtlich
nahe geht.
Die verwendetetn Formen von Comedy sind mannigfaltig und reichen von physischer
Comedy (vor allem in der Darstellung Goodbodys) über Slapstickklassiker wie eine Variation
der Bretts, das jemand versehentlich vor den Kopf geschlagen bekommt, über surrealistischen
Humor, wenn etwa Grapple davon spricht wie sehr ein Pferde liebt, sich dabei aber auf einen
Panzer bezieht und meint, dass man ihnen normalerweise einen Gnadenschuss gibt, bis hin zu
dunkelsten schwarzen Humor. Nachdem der Wagen in der Wüste über eine Mine gefahren ist,
kann Grapple unverletzt aussteigen, den anderen Mann, dem beide Beine ab den Knien
abgerissen wurden, lässt er unbeachtet liegen. Zu diesem eilt seine Frau, die sich dann an die
25
Kamera wendet und zu sprechen beginnt: „It is impossible to tell all the touching and heroic
stories of courage and patience we come across…“, er unterbricht sie: „It hurts, Flo.“,
worauf sie sagt:„Run them under the cold tap, love.“.
Selbstverständlich gibt es auch sehr viele satirische Elemente und zynische Kommentare,
beispielsweise vom im Sterben liegenden Gripweed: „I fought for three reasons, I can’t
remember what they were. The first reason gets you in, and the reason when you’re in is
staying alive. I won’t know the reason they find afterwards but it will be a very good one
(…).“.
Der Film war kein Erfolg, denn „die pazifistische Botschaft löste wütende Proteste aus und
wurde von Kriegsveteranen und Politikern als Verhöhnung der nationalen militärischen
Leistung diffamiert.“95 Der Film wurde in Großbritannien scheinbar nur in Bezug auf den
dargestellten Zweiten Weltkrieg rezipiert, dabei ist das der einzige der sechs Filme, der auch
direkt auf Vietnam bezug nimmt, als sich gegen Ende zwei der Toten unterhalten: „What are
you doing next? I heard there’s this Vietnam thing coming up.“ – „Yeah, I know that.“. Wäre
der Film ein Jahr später, nach dem My Lai Massaker, dass den Vietnamkrieg im weltweiten
Beusstsein präsenter macht und auch außerhalb der USA zu Protesten führte, hätten die
reaktionen möglicherweise etwas anders ausgesehen.
OH! WHAT A LOVELY WAR
Richard Attenborough (UK 1969)
„Oh! What a Lovely War“ begann als Radiostück, geschrieben von Charles Chilton, was
später mit Joan Littlewood für das Theater umgeschrieben wurde.96 Attenborough, der damals
schon ein großer Star des britischen Kinos, aber kein Regisseur war, war ein Fan des Stücks
und wurde von John Mills und Len Deighton angesprochen, die ihn gerne wollten, dass er bei
einer Verfilmung regie führt. Wie Attenborough schildert, war es schwierig hier für einen
independent Film Geld zu bekommen, aber er hatte Glück, der Vorsitzende von United Artists
hat ihn auf einen „raving loonatic“97, Charles Bluhdorn, verwiesen, der gerade Gulf +
Western gekauft hat. Dieser war bereit den Film zu finanzieren, wenn Attenborough ihm vier
bis fünf große Namen bieten könnte. Tatsächlich hat sich eine große Anzahl an britischen
Superstars, von Laurence Olivier, über Ralph Richardson, John Gielgud, Michael Redgrave
95
HELBIG, Geschichte des britschen Films, 187.
Die Informationen zur Entstehungsgeschichte des Films stammen alle aus der Dokumentation (R: Lancelot
Narayan, UK 2006).
97
Ebenda.
96
26
bis hin zu Dirk Bogarde bereit erklärt für ein geringes Gehalt mitzuwirken, da vom Stoff des
Films überzeugt waren.
„Oh! What A Lovely War“ ist ein Musical, mit – wie man am Titel erkennen kann –
satirischen Einschlägen, das die Geschichte des Ersten Weltkriegs von seinem Ausbruch bis
Ende erzählt, welche durch die Lieder kommentiert wird.98 Musicals, wie auch Komödien,
gelten generell als „safe and unthreatening“99, was sie auf den ersten Blick ungeeignet für die
Behandlung eines so ernsten Themas erscheinen lässt.
Der Film versucht gar nicht ein realistisches Kriegsepos zu sein, sondern vermischt bewusst
Fakt und Fantasie.
Gedreht wurde vor allem in Brighton am West Pier, sowie am Palace Pier Theatre und etwas
außerhalb auf einer Müllhalde wurden die Szenen im Graben gedreht. Bei den Frisuren und
Kostümen war man um größtmögliche Authenzität bemüht und als visuelle Inspiration für die
Ästhetik des Films dienten dokumentarische Fotografien dieser Zeit, Gemälde von
Christopher Nevinson, sowie Monet Mohnblumengemälde.100
Die Geschichte wird chronologisch erzählt und beginnt, nach dem Vorspann, damit den
historischen Kontext zu beleuchten. In dieser fiktiven, fantastischen Szene sieht man
diplomatische Figuren aus verschiedenen Ländern, die, so Attenborough, „in ridiculous
phoney terms of supposed diplomacy“ sprachen, „frocks, coats and fancy uniforms“ trugen,
aber selbst nicht am Krieg teilnahmen, sondern dem mit „ignorance or disinterestness“
gegenüberstanden.101 Als sie sich für ein Gruppenfoto zusammenstellen, werden dem
Erzherzog Franz Ferdinand und seiner Frau von einer fiktiven Figur, die immer wieder im
Film auftaucht, Mohnblumen übergeben, bevor diese tot zusammensinken. Hier wird ein
wichtiger Punkt des Films etabliert, er verzichtet völlig auf die Darstellung von Blut und
Horror und benutzt stattdessen diese Blumen als Symbole für den Tod. In Großbritannien ist
diese Verbindung leichter nachvollziehbar, wo am Rememberance Day, an dem den
gefallenen des Ersten Weltkriegs gedacht wird, (künstliche) Mohnblumen als Anstecker
getragen werden. Der Verzicht auf die grafische Darstellung von Gewalt war auch eine
98
Dokumentation.
KING, Film Comedy, 2.
100
Dokumentation.
101
ATTENBOROUGH, Audiokommentar.
99
27
bewusste Entscheidung, da es nicht passend wirken würde, von diesen realistischen,
grausamen Szenen in Songs überzugehen.102
Nachdem Graf Berchtold Kaiser Franz Josef dazu brachte die Kriegserklärung zu
unterschreiben, sieht man die Diplomaten wieder im Pavillon, diesmal auf einer großen
Europalandkarte stehen, wo jeder seine Position einimmt.
Nun beginnt der Krieg, der hier am West Pier angesiedelt ist über dem mit großen
leuchtenden Buchstaben „World War One“ steht, der sich hier als eine Art Vergnügungspark
präsentiert, in den die Leute in Scharen einströmen, die von Feldmarschall Haig begrüßt
werden. Hier lernt der Zuseher die eigentlichen Hauptfiguren des Films und des Krieges
kennen, die fiktive Familie Smith, die stellvertretend für jede andere steht. Während die
großen Figuren des Ersten Weltkriegs von den Stars gespielt werden, wurden die Rollen der
einfachen Leute, deren Namen nicht in den Geschichtsbüchern auftaucht, bewusst mit damals
unbekannten Darstellern und Darstellerinnen besetzt.103
Noch haben sie keine Ahnung, was auf sie zukommen wird und in der Music Hall, wo Lieder
gesungen werden um Männer dazu zu bewegen sich für den Krieg zu melden, melden sich
viele mit Begeisterung für den glorifizierten Kriegseinsatz.
In einer anderen Szene am Pier sieht man ein Karussell auf dem Marionetten bzw. dann
Soldaten auf Karussellpferden sitzen, die fröhliche Stimmung, die vom Songs „Belgium Put
The Kibosh On The Kaiser“ begleitet wird, schlägt dann aber um und die Marionetten fallen
zu Kanonendonner und Rauch von den Pferden, was dann übergeht in eine realistisch
gedrehte Szenen, in der man erschöpfte, verwundete und sterbende Soldaten auf beiden Seiten
zeigt.
Diese Mischung auf fantastischen, scheinbar fröhlichen Szenen und realistischen
Darstellungen findet man im gesamten Film, dessen Ton – so wie der des Krieges – immer
düsterer wird. Vorbei ist die anfänglich euphorische Stimmung, die Marshkapellen und die
fahnenschwenkenden Menschen verschwinden von der Bildfläche. Die Männer lassen sich
nicht mehr für recruiting songs begeistern, sondern hören melancholisch zu, wie „Adieu la
vie“ gesungen wird, oder singen selbst eigene Lieder bzw. eigene Texte, so etwa während
eines Gottesdienstes, als die Offiziere „What A Friend We Have In Jesus“ singen, hört man
von den Soldaten „When This Lousy War Is Over“, was den Unterschied zwischen denen, die
102
103
Ebenda.
Ebenda.
28
das Kommando haben und den Truppen „who are going in to slaughter“104 betonen soll. Bei
den Liedern handelt sich um tätsächliche Songs dieser Zeit.
Gezeigt wird unter anderem, wie Verwundete Männer nach Hause und dann wieder an die
Front geschickt werden, sie versuchen den Mut und Sinn für Humor nicht zu verlieren, sie
versehentlich unter Beschuss von eigener Seite geraten, in Massengräben verschart werden;
reale Ereignisse wie die Ankunft der Amerikanischen Streitkräfte, Proteste der von Sylvia
Pankhurst und George Bernhard Shaw angeführten Antikriegsbewegung oder auch
Weihnachten 1914.
Letzterem ist eine längere Szene gewidmet, in der man ein schottisches Regiment sieht, die
auf der anderen Seite die Deutschen „Stille Nacht, Heilige Nacht“ singen hören, nachdem sie
hier zuerst nur laut rufend (und sich gegenseitig frohe Weihnachten wünschend) in
verbindung setzten, kommen zuerst die deutsche und dann die britische Truppe (die Soldaten
wie die Offiziere) aus ihren Gräben und trifft sich im Niemandsland um sich zu unterhalten
und zusammen zu trinken. Doch die Versöhnung hielt nicht lange an, da sie noch am selben
Tag von ihren eignen Leuten, auf Befehl des Oberkommandos, bombardiert wurden. Wie
Attenborough ausführt, wurden diejenigen, die identifiziert wurden erschossen, dabei hätte
dieser Fortschritt seiner Meinung nach zum Ende des Krieges oder zumindest zu
Verhandlungen führen können.
Auch die andere Seite, das britische Oberkommando, wird im Film immer wieder gezeigt. Sie
sind nicht an der Front sondern beobachten die Entwicklung aus sicherer Ferne und die
aktuellen Statistiken werden auf einem Cricket scoreboard angezeigt. Z.B. steht einmal auf
der Tafel: 1916 Battle The Somme, losses first day: 60.000 men, ground gained: 0 yards.
Für Haig scheint es egal zu sein, wie viele Männer fallen, er schickt immer mehr an die Front,
denn das einzige das seiner Meinung nach am Ende zählt und ihnen den Sieg bringt, ist dass
sie mehr Männer haben, so soll tatsächlich überliefert sein, dass Haig sagte, dass sie noch
immer 10.000 haben werden, wenn die anderen nur noch 5.000 haben.105 Die Männer sind nur
Kanonenfutter.
Der Einsatz eines Cricketboards lässt sich auch schon in „How I Won The War“ finden, wo
zu beginn sehen ist wie Hitler an den Zahlen dreht, während Goodbody davon schwärmt, dass
der Krieg das nobelste aller Spiele sei.
104
105
Ebenda.
Ebenda.
29
Der Film endet mit der Unterzeichnung des Friedensabkommens, durch welche Szene im
Hintergrund ein Mitglied der Familie Smith zu seinem vorbestimmten Ende geht, wo er sich
zu den anderen männlichen Mitgliedern der Familie in eine Mohnblumenwiese legt, während
nur die weiblichen Familienmitglieder, von denen eine als Krankenschwester im Krieg diente,
übrig ist. Das kleine Mädchen fragt ihre Großmutter: „Granny, what did daddy do in the
war?“, bevor die Körper mit weißen Kreuzen ersetzt werden. Die Kamera fährt immer weiter
weg vom Geschehen und man sieht die Frauen umgeben von einer riesigen Masse an weißen
Kreuzen. 16.000 Kreuze (und für jedes musste aufgrund des harten Bodens ein kleines Loch
gegraben werden) wurden dazu aufgestellt, was wie Attenborough anmerkt, weniger sind als
die Verluste an einem einzigen Tag einer Schlacht.106
„Oh! What A Lovely War“ iat ein Film, der bisher in der wissenschaftlichen Behandlung des
Themas Antikriegsfilm kaum Beachtung fand, obwohl selbst von ihm überzeugt ist: „And so
„Oh! What a Lovely War“ was not only the most passionate cri de coeur, the most
unequivocal plea against the lunacy of war, the futility of war, the bestiality and outrageous
cruelty, the sacrifice of human beings.“107
CHATO’S LAND
Michael Winner (UK 1972)
Wenig beachtet wurde auch „Chato’s Land“, über den zumindest Stefan Reinecke schrieb,
dabei aber außer acht ließ, dass es sich hierbei um keine Hollywood-, sondern eine britische
Produktion handelt. Da Western in Großbritannien ein eher unübliches Genre sind, ist es
durchaus von hoher Relevanz, das man sich ausgerechnet für ein Western entschied um Kritik
an den USA und ihrer Rolle im Vietnamkrieg zu üben. Somit ist auch sein Fazit nicht korrekt
wenn er schreibt „Kaum ein anderer kommerzieller amerikanischer Film dieser Zeit lieferte
eine ähnlich schroffe, genaue Analyse des Vietnamkrieges.“108.
Reinecke meint, der Film sei eine spiegelverkehrte Version von „The Green Berets“, den
während dieser ein Vietnamfilm nach dem Genreregeln des klassichen Western sei, ist
„Chato’s Land“ ein neuer Western in Vietnam.109.
106
Ebenda.
Dokumentation.
108
REINECKE, Hollywood Goes Vietnam, 26.
109
Ebenda, 24
107
30
In der Anfangsszene im Saloon pöbelt der Sheriff Halbblut Chato an. „This is a white man’s
saloon and this is white man’s liquor. I’m telling you to crwal yourself out of here breed…
before I’ll kill you! Do you hear you red skinned nigger?“. Als er dann schießen will ist
Chato schneller und erschießt ihn.
Captain Quincey wird darüber informiert und sagt nur: „An Indian you say?“, bevor er zu den
Klängen der Titelmusik eine Truhe offnet und seinen Säbel sowie seine Südstaaten Uniform
herausholt und diese lächelnd anzieht.
Nun macht er sich daran eine Posse zusammenzustellenmit der er Chato verfolgen will. Die
Männer schließen sich aus unterschiedlichsten Gründen an, Abneigung gegen Indianer, ein
generell schlechter, gewaltbereiter Charakter, oder auch nur weil man das Gefühl hat
mitmachen zu müssen: „We have to go, what would they think of us? We’ve got to do what’s
expected of us.“. Außerdem nehmen sie noch einen Mexicaner als Fährenleser mit, dem
manche aber auch misstrauen. Es gibt aber auch Leute die sich dagegen stellen, etwa ein
Vater und sein Sohn die meinen: „I won’t ride with your kind!“ – „He [der Sheriff] was a
redneck with a loud mouth and a gun!“
Da einer vom Pferd stürzt und sich sein Bein bricht, somit untauglich ist, darf er mit einem
zweiten umdrehen, der dann zu ihm sagt: „I got the feeling we’re well out it anyway.“.
Die Verfolgungsjagt läuft nicht wie geplant und in dem ihnen unvertrauten Territorium
werden sie schnell vom Jäger zum Gejagten, auf deren Pferde Chato aus dem Hinterhalt
schießt und dessen Wasserflaschen er eines Nachts zersticht. Dass er sich so unbemerkt
ranschleichen kann macht manchen Angst: „He could have cut out throats!“ – „Maybe he’s
not the killing type.“ – „He’s half Apache!“, was wie weiter ausgeführt wird, so ist als würde
man einen Hund mit einem Wolf kreuzen.
„Die Verfolger sind eine lärmende, verrottete Bande, die sich unbeholfen durch die feindliche
Landschaft bewegt und Chato, der mit der Natur verschwistert scheint, nicht zu sehen
bekommt (ebenso wie die GIs den Vietcong).“110
Nebenbei brennen sie auch noch ein Mescalero Dorf mit der Brgründung, dass sie Tiere sind,
nieder und als sie Chatos Haus entdecken vergewaltigen einige von ihnen seine Frau,
wogegen nur einer Einwände hat während die anderen das einfach hinnehmen, weil: „Did you
see what Indians do when get a white woman?“. Chatos Bruder wird von ihnen angeschossen,
110
Ebenda, 25.
31
an Füßen aufgehängt und über einem Feuer verbrannt, was Quincey dann doch zu weit geht
und er sich entschließt ihm einen Gnadenschuss zu geben.
Nachdem es Chato gelungen ist seine Frau zu befreien und mit ihr und seinem Kind
davonzureiten, werden die Spannungen innerhalb der Verfolgergruppe immer deutlicher als
Quincey meint die Frau und das Kind zu verschonen, während ein anderer, Earl, unbedingt
die Frau für sich haben will und sich daher schon alleine aufmacht um Chato zu verfolgen,
was er mit seinem Leben bezahlt.
Je länger sie ihn verfolgen, desto öfter kommt es zu Streit und ziehen einige – auch Quincey –
Rückzug in Erwägung: „He got us beat, can’t you see that?“. Manche haben moralische
Bedenken, da das was sie gemacht haben nichts mit Gerechtigkeit zu tun hat. Aber
insbesondere die Earls Brüder sind auf Rache aus. So kommt es dazu, dass nicht nur Chato
langsam einen nach den anderen tötet, sondern sie sich auch Gegenseitig erschießen. Die
letzten beiden, die ohnehin nie aus Überzeugung dabei waren, treten zwar den Rückzug an,
aber Chato folgt ihnen und tötet den eingen und am Ende sieht man den letzten, an Durst
leidend und von Chatos Anblick verängstigt, durch die Landschaft irren.
Der Film beinhaltet sehr viele grafische Gewaltdarstellungen, in denen beispielsweise Chato
eine Klapperschlange häutet oder Geier auf toten Pferden oder Menschen sitzen und scheinbar
von ihnen essen. Humor hat hingegen in diesem Film keinen Platz mehr.
Die zahlreichen Parallen zu Vietnam sind hier unübersehbar, weswegen der Film als Allegorie
des Vietnamkriegs gedeutet werden kann.
Interessant ist auch Chatos Erscheinungsbild. Nicht nur, dass er sich ab der Stelle nach der
Befreiung seiner Frau seiner dem weißen Mann angepassnten Kleidung entledigt, Charles
Bronsons Augen mit ihren Schlupflidern und sein Schnurrbart, der hier schon etwas in
Richtung Fu Manchu geht, verleihen ihm vor allem in Close-ups ein etwas 'asiatisches'
Aussehen.
RESÜMEE – (UN)MÖGLICHKEIT ANTIKRIEGSFILM
Alle sechs vorgestellten Filme können als Filme verstanden werden, die sich gegen den
Vietnamkrieg bzw. Kriege allgemein richten verstanden werden. Die Bezeichnung des
Antikriegsfilms ist aber problematisch. Es gibt zwar etliche Definitionsversuche111, aber in
111
Siehe z.B. RÖWEKAMP, Antikriegsfilm, 31-36.
32
der Regel ist es, wie Peter Bürger auch anspricht,112 häufig nicht möglich eine klare Linie
zwischen affirmativen Kriegsfilm und Antikriegsfilm zu ziehen, da beispielsweise auch ein
Kriegsfilm Momente enthalten kann, in denen der Krieg kritisch betrachtet wird und
umgekehrt kann es bei als Antikriegsfilmen konzipierten Filmen vorkommen, dass sie
Elemente enthalten, die den Krieg glorifizieren, ihn als aufregendes, von Kameradschaft und
Heldentum geprägtes, Abenteuer präsentieren.
Ein großes Problem ist die Darstellung von Gewalt. Manche Filme würden den Krieg zwar
verbal verdammen, aber ich optisch feiern, den Tod nur in der Totalen oder als dekoratives
Moment zeigen, aber auch ungeschminktere Gewaltdarstellungen sind keine Garantie für eine
abschreckende Wirkung,113 Das zu Grunde liegende Dilemma ist, dass diese Filme
„affirmativ fast immer auch ein Publikum bedienen, das sie sich gar nicht wünschen oder das
sie gerade nicht in seinen Anschauungen bestärken möchten!“114 Wie Freud schon vor
hundert Jahren schrieb, haben wir den Tod in die Welt der Fiktion gedrängt, wo er sicher
konsumiert werden kann, obwohl in unserem Unterbewusstsein noch immer eine urzeitliche
Mordlust vorhanden ist, die dadurch befriedigt werden kann.115 Damit das „spectacle of
violence“ aber eine „source of pleasure“ werden kann, sind normalerweise „distancing
frameworks“ notwendig.116 Es lässt sich aber nie ausschließen, dass jemand selbst an den
drastischten Gewaltdarstellungen noch gefallen findet, denn wie Korte schreibt, sieht jeder
Zusehers im Kopf seinen eigenen Metafilm117 Die Schwierigkeit die eigentliche Intention
richtig zu entschlüsseln, hatte Stuart Hall in seinem Aufsatz über das Encoding und Decoding
beleuchtet.118 Sowohl im Stadium der Verschlüsselung, der Vermittlung als auch der
Entschlüsselung spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle, die im Endeffekt dazu führen, dass
Missinterpretationen entstehen können.
Daher können Filme auch nur im begrenzten Ausmaß Auswirkungen auf öffentliche
Meinungsbildungsprozesse haben, was aber nicht bedeutet, dass die Produktion von
kriegskritischen bedeutungslos ist. Gerade in Zeiten in denen viele Filme vor Propaganda
112
BÜRGER, Napalm am Morgen, 15.
RÖWEKAMP, Antikriegsfilm, 29-31.
114
BÜRGER, Napalm am Morgen, 12.
115
FREUD Sigmund FREUD, Zeitgemäßes über Krieg und Tod (1915). 1. Die Enttäuschung des Krieges, 2. Unser
Verhältnis zum Tod, in: Studienausgabe Bd. 9, Fragen der Gesellschaft – Ursprünge der Religion, Frankfurt, 3160, 51.
116
KING, „Killingly Funny“,129.
117
Helmut KORTE: Filmwahrnehmung – Filmanalyse, Grundlagen, in: Ders. (Hg.), Einführung in die
systematische Filmanalyse. Ein Arbeitsbuch, Berlin 2004, 13-68, 16.
118
Stuart HALL, Encoding and Decoding in the Television Discourse. In: Simon During (Hrsg.), The Cultural
Studies Reader, London [u.a.] 1999, 90-103.
113
33
triefen, wie es auch seit 9/11 in Hollywood wieder stark der Fall ist, ist es wichtig auch
Gegenstimmen zu haben.
LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS
Peter BÜRGER, Kino der Angst, Stuttgart 2007
Peter BÜRGER, Napalm am Morgen. Vietnam und der kritische Kriegsfilm aus Hollywood,
Düsseldorf 2003
Hauke EGERMANN, Emotionen@Musik. Was Musikhörer empfinden - eine Internet-Studie
zur Emotionsmessung, Marburg 2008
Sigmund FREUD, Zeitgemäßes über Krieg und Tod (1915). 1. Die Enttäuschung des Krieges,
2. Unser Verhältnis zum Tod, in: Studienausgabe Bd. 9, Fragen der Gesellschaft – Ursprünge
der Religion, Frankfurt, S. 31-60
Stuart HALL, Encoding and Decoding in the Television Discourse. In: Simon During (Hrsg.),
The Cultural Studies Reader, London [u.a.] 1999, S.90-103
Renate HEHR, New Hollywood. Der amerikanische Film nach 1968, Stuttgart [u.a.] 2003
Jörg HELBIG, Geschichte des britschen Films, Stuttgart [u.a.] 1999
Geoff KING, Film Comedy, London [u.a.] 2002
Geoff KING, „Killingly Funny“. Mixing Modalities in New Hollywood’s Comedy-withViolence, in: Steven Jay SCHNEIDER (Hg.), New Hollywood Violence, Manchester 2004,
S.126-143
Geoff KING, New Hollywood Cinema. An Introduction, London [u.a.] 2002
Helmut KORTE: Filmwahrnehmung – Filmanalyse, Grundlagen, in: Ders. (Hg.), Einführung
in die systematische Filmanalyse. Ein Arbeitsbuch, Berlin 2004, S.13-68
James NAREMORE, From Dark Films to Black Lists, in: Ders., More Than Night. Film Noir
in its Contexts, Berkeley 2008, S.96-135
Stefan REINECKE, Hollywood Goes Vietnam. Der Vietnamkrieg im US-amerikanischen
Film, Marburg 1993
David L. ROBB, Operation Hollywood. How The Pentagon Shapes and Censors the Movies,
New York 2004
Burkhard RÖWEKAMP, Antikriegsfilm. Zur Ästhetik, Geschichte und Theorie einer
filmhistorischen Praxis, München 2011
Thomas SCHATZ, Introduction, in: Steven Jay SCHNEIDER (Hg.), New Hollywood
Violence, Manchester 2004, S.1-10
34
J. David SLOCUM, The „Film Violence“ Trope. New Hollywood, „the Sixties“, and the
Politics of History, in: Steven Jay SCHNEIDER (Hg.), New Hollywood Violence,
Manchester 2004, S.13-33
DVDs:
CATCH-22 (R: Mike Nichols, USA 1970) Süddeutsche Zeitung / Cinemathek
Mit Audiokommentar von Mike Nichols und Steven Soderbergh
CHATO’S LAND (R: Michael Winner, UK 1972) MGM Home Entertainment
HOW I WON THE WAR (R: Richard Lester, UK 1973) MGM Home Entertainment
JOHNNY GOT HIS GUN (R: Dalton Trumbo, USA 1971) Arthaus
Mit Dokumentation „Dalton Trumbo. Rebell in Hollywood“ (R: Robert Fischer, D
2006)
OH! WHAT A LOVELYWAR (R: Richard Attenborough, UK 1969) Paramount
Mit
dreiteiliger
Dokumentation
(R:
Lancelot
Narayan,
UK
2006)
und
Audiokommentar von Richard Attenborough
M.A.S.H. (R: Robert Altman, USA 1970) Twentieth Century Fox Home Entertainment
Mit Backstory M.A.S.H. (R: Michele Farinola, USA 2008) und Audiokommentar von
Robert Altman
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