da war der - rhoen
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Kindheit um 1920 Hintergrundinformationen zur museumspädagogischen Einheit des Fränkischen Freilandmuseums Fladungen Stand: 12.10.2007 Monika Dreykorn Hirschenstr. 44 90762 Fürth [email protected] www.dreykorn.info Doris Hefner M.A. Frauwiesenweg 15a 82205 Gilching [email protected] www.culturalive.de 2 Inhalt Allgemein I. Die Hofstelle aus Trappstadt - Das Haus - Familie Ambros und Rosina Bader II. Das Freilandmuseum und seine Aufgaben III. Verhaltensweisen im Museum Themen der Führung I. Kleidung der Kinder um 1920 II. Wohnen - Kinderzimmer - Schlafen - Hygiene III. Schule um 1920 IV. Kinderarbeit/-pflichten V. Spielen und Freizeit Ohne Erwähnung bei der Führung I. Essen Anhang I. Literaturverzeichnis II. Konzept für die Führung III. Zeitleiste IV. Historische Spiele: Spielanleitungen 3 Allgemein I. Die Hofstelle aus Trappstadt (Lkr. Rhön-Grabfeld, nordöstlich von Bad Königshofen) Das Haus - Erbaut 1724 - Ins Museum übertragen 1985/86 - Besitzer: Bauern, wahrscheinlich mit Nebenerwerb (u.a. Schneider) - Ab 1842 im Besitz der Familie Bader (bis in die 1970er Jahre) - Gewählter Zeitschnitt der musealen Präsentation: 1922/1924 - Haustyp: Streckhof, d.h. Scheune liegt firstgleich hinter dem Haupthaus, das in diesem Fall eingeschossig ausgebildet ist und bei dem Wohnräume und Stall auf einer Ebene unter einem Dach liegen - Küche: Russischer Kamin hat früheren Deutschen Kamin ersetzt, Milchkammer anschließend - Stall: Hühner, Kühe, Schweine - Dachboden: Abstellkammer, die auch als Schlafkammer genutzt werden konnte und Getreideschüttboden - Scheune: Lager für ungedroschenes Getreide und Schafstall Familie Ambros und Rosina Bader - 1908 erwarb Ambros Bader den Hof von seiner verwitweten Mutter Susanna - er bewirtschaftete ihn bis zu seinem Tod im Jahr 1930 mit seiner Ehefrau Rosina - in seiner Zeit Verdopplung des Grundbesitz des Hofes von 1,7 ha auf 3,3 ha - 1922 lebten drei Personen im Haus: Ambros, seine Frau Rosina und die Tochter Pauline - sie bewohnten zusammen das Erdgeschoss des Hauses - die Tochter war damals schon Jugendliche, daher keine Spielsachen-Präsentation in ihrer Kammer - relativ ungewöhnlich, dass nur ein Kind in der Familie (1860 durchschnittlich 5 überlebende Kinder, 1920 noch durchschnittlich 2; aber auch Familien mit 5-7 Kindern waren keine Seltenheit 4 II. Das Freilandmuseum und seine Aufgaben - Museum für alte Häuser und Gebäude, die zeigen, wie Menschen einer bestimmten Region früher gelebt, gewohnt und gearbeitet haben - damit man sich das besser vorstellen kann, werden die Häuser mit Möbeln, Arbeitsgeräten, Textilien, Geschirr und Maschinen ausgestattet, die aber nicht zwingend aus dem jeweiligen Haus stammen; oftmals werden Dinge aus der selben Zeit von anderen Orten/Häusern für die Ausstattung verwendet - Häuser kommen aus verschiedenen Ortschaften in Unterfranken - sie wurden an ihrem ursprünglichen Platz abgebaut und in aufwendigen „Versetzungsaktionen“ ins Museum gebracht - jedes Haus steht für eine bestimmte Zeit, einen bestimmten Ort oder einen bestimmten Beruf - solche Häuser werden heute nicht mehr gebaut, irgendwann sind sie nur noch im Museum zu sehen - sie müssen hier aufwendig erhalten werden III. Verhaltensweisen im Museum - im Museum werden die Häuser nun gut gepflegt, weil es immer weniger solcher Häuser gibt - für uns heißt das: - nichts anfassen, außer wenn es explizit erlaubt ist - nicht an die Wände lehnen - nicht in den Häusern toben - nicht rempeln - nichts kaputt machen 5 Themen der Führung I. Kleidung der Kinder um 1920 Mädchen in Kittelschürze und Jungen in Alltagskleidung und Holzschuhen, aus: Imke Tappe, Kinderleben in Lippe, Westfälisches Freilichtmuseum Detmold, Münster-Hiltrup 1989 - Bei Ärmeren musste die Kleidung der größeren Geschwister aufgetragen werden - Großer Unterschied zwischen Sonntags- und Alltagskleidung - Mädchen: - keine Hosen, nur Röcke - Schürzen über dem Kleid zum Schutz gegen Verschmutzung - erst Anfang des Jahrhunderts setzte sich die Unterhose durch, zunächst als „Stehbrunzerhose“ (Hosen mit offenem Schritt) Stehbrunzerhose, aus: Hemden-Hosen-Unterwäsche, Informationsblätter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, o.J. 6 - Jungen: - kleine Jungen trugen auch Röcke (der einfacheren Hygiene halber) - manchmal ebenfalls „Stehbrunzerhose“ (Hosen mit offenem Schritt) - später kurze Lederhose oder Knickerbocker - Joppe im Winter - Schuhe: - Besonders teuer - Ärmere Kinder gingen im Sommer barfuss, im Winter höchstens mit Holzschuhen (die hatten hinten Lederriemen und wurden manchmal mit Stroh ausgestopft) - Lederschuhe nur an hohen Festtagen getragen - Kleidung oft vielfach repariert und geflickt; aus kaputten Kleidungsstücken nähte man etwas anderes z.B. aus Kleidern Schürzen, aus Hemden Taschentücher, aus Vorhängen Kissenbezüge etc. - 1920 konnte man aus der Kleidung noch die soziale Schicht und die Herkunft aus Stadt oder Dorf ablesen (vereinfachend: Tracht/Matrosenanzug) Kleiner Junge im Kleid, aus: Imke Tappe, Kinderleben in Lippe, Westfälisches Freilichtmuseum Detmold, Münster-Hiltrup 1989 7 II. Wohnen Kinderzimmer - Keine eigenen Kinderzimmer (gibt es erst seit den 60er Jahren) - mehrere Kinder teilten sich ein Zimmer, manchmal auch mit Verwandten (Großeltern, Onkeln, Tanten), oft auch Abtrennung der Hofstelle Trappstadt, Fladungen Schlafbereiche durch Bretterverschläge - Bei Ärmeren nur Bretterverschläge im Dachgeschoss; Schnee kam durch das Dach, Reif auf den Betten - Bei reicheren Bauern teilten sich die Kinder die Zimmer mit Mägden und Knechten - spärliche Einrichtung - hier untypisch: nur ein Kind Kinderzimmer Im Kabinettla (mittelfränk., von der Stube oft nur durch eine Bretterwand, manchmal durch eine Wand abgetrennter Raum) waren mir, die älteren Kinder. Zu zwei ham wir da immer drin g’schlafen in einem Bett. Da hat ma scho machmal g’rauft mit’nander und g’stritten. Da hab ich mit meim Bruder g’schlafen, dem Martin, und die Schwester war oben droben bei der Großmutter. Buben und Mädli habn getrennt g’schlafen; des war früher so. Der Hans, der is 14 geboren, der war bei die Eltern drinne. Des Haus war groß genug; da hat ma keine Platzsorgen g’habt. Aus: Ein Bauer in einem fränkischen Dorf erzählt..., Ausgewählte Abschnitte aus der Biografie des Paul Markert, geboren 1908 in Herrnberchtheim, Informationsblätter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, o.J. 8 Schlafen - Bett musste geteilt werden: Jüngere Kinder lagen bei den Eltern im Bett, ältere Kinder zu mehreren in einem Bett - Mädchen und Jungen schliefen getrennt - kein Lattenrost, keine Matratzen Häckerhaus, Bad Windsheim - Strohsack als Matratze, darüber Leintuch - Strohsack 1-2 mal pro Jahr ausgewechselt - Zudecke: Federbetten - Schlafkammern ungeheizt - Wärmesteine (Basalt oder Backstein im Ofen erwärmt) oder Wärmflaschen - Betten früher meist kürzer als heute: Man schlief vor allem wegen vieler Kissen, die das Liegen bequemer machen sollten, halb im Sitzen; so wurden auch die Lungen entlastet, die früher meist vom Feuer und der Kälte recht angegriffen waren Schlafen In den Betten waren Strohsäck’; die Betten waren wärmer wie die heutigen. Die waren viel wärmer, a Strohsack war wärmer, ehrlich g’sagt. Zugedeckt habn wir uns mit am Federbett. , aber keine Matratze war da net drinne. Da war die Bettstatt, und da waren so Leisten, so Bretter drüber neiglegt und da is der Strohsack nei kumma. Der hat die ganze Bettstatt ausg’füllt und is mit Stroh g’füllt worden. Der is von Zeit zu Zeit amol ausg’leert worden, des Stroh hat ma wieder verwenden können, sind ausg’schüttelt worden und ausg’klopft, na is frisch Stroh neig’stopft worden und na is er wieder nei’komma. Manchmal sind zwee Kopfkissen drinne g’legen, so dass ma höher g’legen is, und a Kopfkeil war a no drin. Meine Eltern hebe scho Matratzen drinne g’habt. Aus: Ein Bauer in einem fränkischen Dorf erzählt..., Ausgewählte Abschnitte aus der Biografie des Paul Markert, geboren 1908 in Herrnberchtheim, Informationsblätter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, o.J 9 Hygiene - Zwei Räume, die in unseren Räumen selbstverständlich sind, gab es früher überhaupt nicht: Bad und Toilette - Zähneputzen gab es kaum: stattdessen mit Schnaps gespült oder Apfel gegessen; deshalb waren die Zähne der Menschen früher schlechter und fielen eher aus - Toilette für die Nacht: Nachttopf - Toilette im Stall (so im Trappstadt-Hof wohl Hofstelle Trappstadt, Fladungen eingebaut) oder auf dem Misthaufen - später hölzernes Klohäuschen mit einem Sitz über einer Grube - Körperpflege/Waschen früher im Freien am Brunnen; 1920 dann meist schon mit Waschgeschirr (s. Schlafzimmer) - einmal die Woche – meist samstags – gründliches Bad im Holzzuber oder einer Badewanne, die in die Küche geschleppt wurdeÆaufwändiges Wasserholen am Brunnen und Erhitzen im Waschkessel! - Kinder nacheinander in der Wanne geschrubbt - Waschmittel damals Kernseife statt Shampoo und Badeschaum (Herstellung aus pflanzlichen oder tierischen Fetten unter Zugabe von Natronlauge) Hofstelle Trappstadt, Fladungen 10 Waschen (Bericht aus der Juragegend, südl. Frankenalb) „Sanitäre Anlagen gab es zu Beginn, teilweise bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts kaum. Kanalisation und Kläranlagen entstanden in den Dörfern meist erst ab 1950. Das „Klo“, auch „Scheißheisl“ genannt, mit seinem „Herzl“ in der Tür stand oft hinter der Scheune, nur ja weit genug entfernt vom Wohngebäude, wegen der Geruchsbelästigung und der Fliegenschwärme. Nachts verrichtete man sein „Geschäft“ im Stall, auch im Winter bei strengem Frost zog man den Stall dem „Heisl“ vor. Die Menschen waren dennoch sehr um Reinlichkeit bemüht. Am Morgen nach dem Füttern wusch man sich gleich im Stall in einem Eimer mit kaltem Wasser Arme und Gesicht. Dies wurde auch tagsüber bei Bedarf wiederholt und auch auf die Füße ausgedehnt. Die Frauen wuschen sich in der „Stubn“ in der „Höhl“, der Ecke zwischen der Stubentür und dem eisernen Ofen. In der Höhl stand auch eine hölzerne Bank, die Höhlbank mit einer Waschschüssel. Darin wuschen sich alle, die zum Essen gingen, die Hände. Auch ein Krug mit kaltem Wasser zum Trinken stand auf der Bank stets bereit. Ein im Ofen eingebauter Höhlhafen diente zur ständigen Warmwasserbereitung. Um diese Dinge musste sich das „Moidl“, die „kleine Magd“ kümmern. Samstags stellte man sich zur Körperreinigung in das große Schaff, ebenfalls im Stall, und wusch sich von Kopf bis Fuss; vor dem Zweiten Weltkrieg gab es kaum eine Badewanne. Kleine Menschen hatten den Vorteil, dass sie sich ins Schaff „neihocken“ konnten.“ Aus: Heinrich Bernreuther, Fränkischer Bauernalltag, Das Leben auf dem Land, wie es einmal war, Treuchtlingen 1997 11 III. Schule um 1920 Archiv Fränkisches Freilandmuseum Fladungen - Schule um 1920 - Schulpflicht bis 14 Jahre (danach „Stellung“ oder Lehre; Mädchen erlernten bis in die 60er Jahre keinen Beruf) - 7 Jahre Werktags- und Sonntagsschule (später Volksschule) - sehr streng (Prügel mit dem Rohrstock, Knien auf einem Holzscheit); Lehrer absolute Autoritätsperson - keine Klasseneinteilung - viele Schüler in einem Klassenzimmer - Winter- und Sommerschule mit unterschiedlichen Unterrichtszeiten - Schulzeug - Tafel mit Lappen und feuchtem Schwamm - Griffelkasten mit Griffel und Bleistift; Ältere auch Federhalter und Feder - Bücher - Hefte - Pausebrot 12 - Alles unter Arm geklemmt, manchmal in Stofftaschen; Lederranzen hatten nur Reichere - Schulweg wurde zu Fuß zurückgelegt - lange Sommerferien, da Kinder im Sommer auf dem Feld helfen mussten - Eltern war die Arbeitskraft der Kinder wichtiger als ihre schulischen Pflichten - Hausaufgaben nach den Arbeiten abends gemacht In der Schule Pünktlich hat ma sei müssen; da war der (Lehrer) allweil streng. Früh um 8 Uhr ging die Schul an im Winter; im Sommer um 7 Uhr. Von 8 bis 11, na ham wir a Stund Mittag g’habt und von 12 bis 2 nochamol 2 Stunden im Winter. Im Sommer ham mir bloß von 7 bis 11 g’habt. Da ham wir arbeiten müssen, da war net länger Unterricht. Im Sommer warn Ernteferien a, und Kartoffelferien war’n a wieder. Da ham wir natürlich die Erdäpfel zamklaubn müssen oder raushackn, wenn wir älter warn. Ernteferien warn 4 Wochen im August, und Kartoffelferien nochamol 14 Tage im September. Weihnachtsferien haben wir net so lang g’habt, und Ostern überhaupt net. Die Mutter hat uns scho los’trieben; der Vater war ja a immer net da. Da hat man net weiter g’wißt. Da hat’s g’heißen ‚Auf zur Schul’, umma dreiviertelacht hat’s g’läut – wenn wir älter warn ham wir scho läuten müssen in der Kirch, die Schulglocken war die Kirchnglocken. Da hat ma net weiter g’wißt, wenn’s amal g’läut hat, da muß ma renna. Mitkriegt ham wir a Stückl Schwarzbrot und Äpfel. (...) Bei die Aufgaben hat mir die Schwester, die war zwei Jahre älter, scho immer aweng g’holfen. Die Eltern weniger. Der Vater vielleicht beim Rechnen, wenn die Rechnungen amol aweng schwerer worden sind. Die Bruchrechnungen und des alles. Aber die haben früher a andere Bruchrechnungen g’habt 13 wie mir; na hat er’s ausg’rechnet und na hat er g’sagt, so viel kommt raus, wie’s ihr rechnet, des is mir gleich, hat er g’sagt. I bin net gern in die Schul ganga; des war mir lieber, da war ma doch freier, wen ma draußen auf’n Feld war. Man war halt immer aweng gebunden, haußen war ma halt freier, wenn ma aweng haußen in der Natur war, war halt freier. Da drin hat ma gehorchen müßn, hat ma stillsitzen müßn. Aus: Ein Bauer in einem fränkischen Dorf erzählt..., Ausgewählte Abschnitte aus der Biografie des Paul Markert, geboren 1908 in Herrnberchtheim, Informationsblätter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, o.J. Essen/Arbeiten/Schularbeit „Zu Hause sind wir nach dem langen Schulweg mit großem Hunger angekommen. Im Kachelofen stand unser Essen und das schmeckte immer. Schleckrig (wählerisch) waren wir nicht. Wir waren auch schon mit einem Butterstricher (Butterbrot) zufrieden. Ripple und Sauerkraut, Schlachtplatten und Schmalzbrot gab´s bei uns auch nicht alle Tage und dass das Frühstück des Schwarzwälders immer aus mildgeräuchertem Bauernspeck, Roggenbrot und einem Achtelglas Kirschwasser besteht, ist eine weitverbreitete Mär. Mutter räumte uns nicht allzu viel Zeit für die Schularbeiten ein, andere Arbeiten, die auf dem Hof verrichtet werden mussten, waren ihr wichtiger. ´Nichts kommt von selbst und nur wenig ist von Dauer´, pflegte sie uns zu ermahnen.“ Aus: Maria Harter, Schwarzwaldheimat: Erinnerungen der Maria von Hanselhof, o.O. 2004 14 IV. Kinderarbeit/-pflichten Archiv Fränkisches Freilandmuseum Fladungen - Stallarbeit (Füttern, ausmisten) - Tiere im Hof von Trappstadt im Stall: - Gänse, Hühner, Enten (Geflügelkiste) - 3 Kühe, 1-2 Kälber - 1 Ziege - Schweine im Verschlag auf der Gartenseite (Transporttrage) - Kühe zum Dorfbrunnen führen, „Kühe führen“ als Dressur - Tiere hüten am Nachmittag: Gänse, Ziegen, Kühe - auf jüngere Geschwister aufpassen - Mitarbeit in der Erntezeit (Kartoffel lesen, Heu machen, Hilfsarbeiten beim Dreschen) - Steine auflesen - Seile für die Garben drehen - Schuhe putzen - Hof kehren, „Mistbatschen“ - Brennholz in die Küche tragen - Beerensammeln im Wald (werden verkauft) - 1903 Kinderschutzgesetz: Kinder unter 12 Jahren dürfen nicht mehr arbeiten, ältere nur 3-4 Stunden pro Tag - Lernen der Tätigkeiten durch Zusehen und Nachahmung 15 Arbeiten „Mit zunehmendem Alter kamen kleine Verpflichtungen auf mich zu. Wegebesorgungen und Einkäufe für Vater und Mutter. Der Sonnabend ließ keine Zeit zu Spielen übrig. Es musste mit dem Reisigbesen der große Platz vor dem Haus und der ganze Hof gekehrt werden. Die Aufgaben wuchsen. Ich musste den Schweinen ausmisten, den Ziegen ausmisten, Ziegen und auch die Hühner füttern, Brennholz in die Küche bringen. Das Brennholz nahm im Frühjahr oft wochenlang meine Zeit in Anspruch. Es musste zerkleinert und dann in den Hof in den Holzstall transportiert werden und dann kam das Aufschichten noch dazu. (...) Bei meinem Freund Hermann Weißenseel durfte ich beim Runkelmahlen helfen. Den Häcksel schnitt sein Vater selbst, weil er das für uns zu gefährlich hielt. Beim Nachbar Becker durften wir beim Häckselschneiden helfen. Es war nur wenig Heu und fast ausschließlich Stroh, das geschnitten wurde. Darunter waren viel Unkräuter, vor allem Disteln, die beim Einlegen in die Finger stachen. Deswegen wollte jeder lieber die Häckselmaschine drehen, als einlegen." Aus: Hugo Schmitt, Geschichte der Familie Hugo Schmitt, Ostheim v. d. Rhön, 1983 Arbeiten „Der älteste war der Franz, noch nicht dreizehn Jahre, dem hat die Nachbarin das Melken gelernt, der zweitälteste war der Michl, elf Jahre, der musste den Stall misten. Eine andere Nachbarin kam, um mir das Kochen und Flicken zu lernen, und wie ich mit den kleinen Kindern umgehen muß. Ich war acht Jahre. Der drittälteste, der Hans, musste auch mithelfen. Zum Futtereinbringen fürs Vieh mussten wir größeren Kinder alle hinaus. Um fünf Uhr war Aufstehen, der Vater nahm die Sense, ein Bruder die Schubkarre, wir Jüngeren hatten Rechen dabei. In einer Stunde war das Futter mit dem Schubkarren eingebracht, die Kleinsten haben noch geschlafen. Franz hat die beiden Kühe gemolken, die leicht zu melken waren. Die Nachbarin die andren zwei, denn die waren zäh. Ich habe Feuer gemacht und die Milch gekocht, in die Schüssel gegeben, ein wenig Salz dazu und dann Brot eingebrockt. Dann standen wir alle um den 16 Tisch herum, beteten das Morgengebet, den Glaube-an-Gott und ein Vaterunser für die Mutter. Manchmal war auch eins von den kleinen Geschwistern schon aufgestanden, um das musste ich mich kümmern, so dass ich kaum zum Essen kam. Nach dem Essen beteten wir das Dankgebet und wieder ein Vaterunser für die Mutter. Die Buben hatten sich schon gewaschen und gekämmt, so konnten sie noch den Gottesdienst vor Schulbeginn erreichen. Ich dagegen musste erst die Kleinsten aus dem Bett holen, ihnen beim Bisseln helfen, sie anziehen und füttern. Manchmal haben sie geweint, weil sie mit mir wohl nicht zufrieden waren. Großvater blieb noch im Bett. Ich konnte mich erst für die Schule fertigmachen, wenn der Vater von der Stallarbeit hereinkam. Nun lief ich so schnell ich konnte, die vier Kilometer zur Schule.“ Aus: Anna Wimschneider, Herbstmilch, Lebenserinnerungen einer Bäuerin, München 1998 Arbeiten „Nach außen präsentierte sich die Bauernwirtschaft als eine Produktionsstätte, die vorwiegend von den eigenen Familienund Hausangehörigen betrieben wurde. Wie einst der feudale Herr für sein Gut, so wünschte sich jetzt der Bauernwirt für seinen Hof möglichst viel Kinder als zukünftige Arbeitskräfte. Eine gefühlsmäßige Familienbindung war nicht vorherrschend. [...] Jeder Hof war auf seine Weise autark organisiert. Man produzierte möglichst alles, was man brauchte, selbst und darüber hinaus so viel an verkaufsfähigen Produkten, dass man auch am Konsum so weit wie materiell notwendig und wie es dem Prestigedenken entsprach, teilnehmen konnte. Dieses System ordnete sich nicht nur rein äußerlich die bäuerliche Wirtschaftsführung unter, sondern auch die gesamte familiale Struktur, die auf ´das Haus´ konzentriert war. Sie umfasste die Arbeitsteilung, die Rollenzuordnung im patriarchal-autoritären Sinne, die Edukation der Kinder im traditionell-konventionellen Lebensverständnis – aber auch die Heiratsvorschriften und die materielle Versorgung der alten Familienmitglieder.“ Aus: Ingeborg Weber-Kellermann, Die deutsche Familie, Frankfurt 1996 17 Kinderarbeit Ma hat scho aweng Geng machen müssen, als Kind scho. Naja, und no is der Krieg losganga 1914, und na hab ich so immer aweng mitarbeiten müssn. Da war ich sechs. Da hat ma immer aweng springa müssn, is ma immer aweng rumtrieben worn. Manchmal hat ma nachrechen müssen, in den Stall hat man et neibraucht, höchstens Stroh neischleppn. Nachmittag hat ma arbeiten müssen. Um zwei sind wir von der Schul heim komma, und da war a Blatt Papier da g’glegn und da war drauf g’schrieben, dass ma da hinkomma müßn. Da waren mei Eltern schon drauß. I war lieber daheim, als dass i in die Schul ganga bin. I hab ja früher auf’s Feld g’müßt, im Frühjahr und Sommer, eher dass i in die Schul bin, hab ich scho mit auf’s Feld g’müßt. I war der älteste. Da hats nix anders geben. Mei Geschwister ham die Bücher mit in die Schul g’nomma. Vom Feld, wenn’s g’läutet hat, na bin i davo g’rennt und bin nei g’saust. Da hat’s nix anders geben. Des war net ich allein, mei Kameraden alle, die ham alle arbeiten müssen, wenn die mal in der fünften sechsten Klass’ warn, da hat ma nix anders kennt. Aus: Ein Bauer in einem fränkischen Dorf erzählt..., Ausgewählte Abschnitte aus der Biografie des Paul Markert, geboren 1908 in Herrnberchtheim, Informationsblätter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, o.J. 18 V. Spielen und Freizeit Archiv Fränkisches Freilandmuseum Fladungen (li.), Kinder auf der Kirmes, aus: Imke Tappe, Kinderleben in Lippe, Westfälisches Freilichtmuseum Detmold, Münster-Hiltrup 1989 - Erst nach Erledigung der häuslichen Pflichten - wegen räumlicher Enge wurde oft draußen gespielt, mit den vielen Nachbarskindern - Fangspiele - Pfeil und Bogen - Blinde Kuh - Versteckspielen - Spiele mit Ball und Murmeln - Fußball mit Plunze gespielt - „Wer hat Angst vor'm schwarzen Mann“ - im Winter: Karten- und Brettspiele (Schwarzer Peter, Mühle, Dame, Mensch-Ärgere-Dich-Nicht) - im Winter auch Spielecke in Ofennähe (dort auch Kleintiernachwuchs, Küken und kleine Ziegen) - Winterfreude: Schlittenfahren, Schlittschuhfahren; manchmal auch improvisiert z.B. gebogene Hölzer von einem Fass unter die Füße gebunden - Spielzeug war Luxus, wenn dann meist einfache, improvisierte oder selbstgefertigte Dinge - Spielzeug bei Stadtbewohnern - Schaukelpferd/Puppenwagen/Kaufladen immer Weihnachten rausgeholt, danach wieder verpackt - Weihnachtsgeschenk: z.B. Kleidungsstücke, die die Kinder brauchten, Puppenkleider 19 - Besondere Tage/Feste: Weihnachten, Ostern, „Heischegang“ zu Neujahr (man wünscht ein gutes neues Jahr und bekommt dafür spezielles Backwerk, später auch Geld), Fastnacht („Petersbuben“ zogen mit einem kleinen Pflug von Haus zu Haus, verkleidete Kinder, die „Fasennöchter“, zogen von Haus zu Haus und bekommen Krapfen und Pfennigbeträge), Schlachten, Kirchweih/“Kermes“ Spielen Ein Spielplatz war vor dem Haus. 5 Akazienbäume und ein großer Kastanienbaum spendeten Schatten und boten sich zum Klettern auf diese Bäume an. Während der warmen Jahreszeit vergnügten wir uns mit Stelzenlaufen, Reifen, „Hullern“ mit Kugeln um Knöpfe, Kreiseln, Ballschlagen und „Sücherles“. Aus: Hugo Schmitt, Geschichte der Familie Hugo Schmitt, Ostheim v. d. Rhön, 1983 Kartenspiele Als wir ungefähr 10 Jahre alt geworden waren, spielten wir Karten. Es waren Spiele ohne Einsatz. Sie nannten sich "Bettelmann", "66" und "Herz-Skat". Dies Kartenspiele waren den Wintermonaten vorbehalten und waren reihum von 7 bis 9 Uhr abends. Aus: Hugo Schmitt, Geschichte der Familie Hugo Schmitt, Ostheim v. d. Rhön, 1983 Spielzeug Das schönste und wertvollste Spielzeug von uns allen hatten die Brüder Disnosky. Dazu gehörte eine „Laterna magica“. Heute würde man sagen ein Bildwerfer für bunte Glasbilder. (...) Mein Bestand an Spielzeug war nicht groß. Ich besaß ein Holzpferd mit einem kleinen Wagen, ferner einen Viehstall mit 2 Pferden, 2 Kühen, einer Melkfrau und einigen Tauben auf dem Dach. Das hatte ich von meinem Urgroßvater Christoph Heuring, dem „Herrle“, als sein erster Urenkel bekommen. Ein Holzbaukasten und ein aufziehbarer laufender Schulbube mit einer Tafel in den Händen und einem Ranzen auf dem Rücken kamen später hinzu, ebenso eine kleine Zither. (...) Aus: Hugo Schmitt, Geschichte der Familie Hugo Schmitt, Ostheim v. d. Rhön, 1983 20 Spielen im Winter Außer den schon weiter vorn geschilderten Spielen in der warmen Jahreszeit kamen im Winter andere Betätigungen für uns Kinder. Damals brachte die Winterzeit ausgiebig Schnee, der monatelang liegen blieb und uns verschiedene Möglichkeiten zum Schlittenfahren brachte. (...) Einen Rodelschlitten, wie man ihn heute kennt, hatte keiner von uns. Meinen Holzschlitten hatte schon meine Mutter benutzt. Er war solid gebaut und kam infolge seines Eigengewichts schnell in Fahrt. Unser Warnruf bei der Abfahrt lautete: „Äusse Wä!“ oder nur „Wä!“. In Hochdeutsch würde es heißen „Aus dem Weg!“ Neben dem Schlittenfahren pflegten wir das Schlittschuhlaufen. Die Streu war jedes Jahr viele Wochen zugefroren und bot eine Eisbahn von der Engelsmühle bis zur Amtmannsmühle. Der Eisteich der Brauerei Streck war uns zu weit. Ich hatte in Paar alte Schlittschuhe, die meiner Pate gehörten und von ihr als Kind benutzt worden waren. Es gab damals schon bessere Ausführungen, aber meine Eltern hielten die alten für ausreichend. Aus: Hugo Schmitt, Geschichte der Familie Hugo Schmitt, Ostheim v. d. Rhön, 1983 Feierabend Im Sommer is a jeder auf sei Bett zuganga. Aber im Winter, da ham wir scho aweng g’spielt, in der Stube rum, Blinde-Kuh, oder wenn ma älter war hat ma a Mensch-Ärgere-Dich-Nicht g’spielt. Da sind die Spiele aufkommen. Der Vater hat, wie mir älter warn, amol aweng Karten g’spielt mit uns, erst den SchwarzenPeter, na ham wir Schafkopf a scho g’lernt aweng. Da hat uns der Vater immer a paar Tricks beigebracht, der hat’s ja kennt, der Vater. Die haben im Wirtshaus ja immer Kartenspiele gemacht am Sonntag. In der Woche sind sie a net fortganga. Sonntag sind die ins Wirtshaus, die Bauern alle miteinander. Bis umma zehne is ma scho aufbliebn. Die Weiber hebe da g’spunna und g’flickt. Irgend war haben die immer zu tun g’habt, die Weiber. Die haben nie g’ruht. Der Vater meistens hat mitg’spielt, die Mutter net. Die hat die Zeit net g’habt. Die hat abends Strümpf stopfen müssen, die hat die Wäsch’ immer 21 zamrichten müssen, da hat’s immer zu flicken geben. Mir Kinder hebe eher ins Bett g’müßt, aber der Vater, der war a immer noch aweng auf. Na hat ma an Knecht g’habt, die Schlafstube war net g’heizt, die waren halt a in der Stube immer g’hockt. Na sind se nei ins Bett, da wars warm. Im Sommer is ma beizeiten ins Bett. Da war man froh, wenn Feierabend war. Aus: Ein Bauer in einem fränkischen Dorf erzählt..., Ausgewählte Abschnitte aus der Biografie des Paul Markert, geboren 1908 in Herrnberchtheim, Informationsblätter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, o.J. Kindheit - nie allein „I war früher nie allein; da war immer alles voll Kinder. Da war mei Kuseng scho immer da, wo me in die Schul ganga sind, drunten der Weber, der is da rauf zu mir, der war immer da. Und da sind mir miteinander rum’stiegn, und wenn mir in die Schul ganga sind, da sin mir wieder mitnander rumtollt, da sind mir immer aufeinander zug’sprunga“ Aus: Ein Bauer in einem fränkischen Dorf erzählt..., Ausgewählte Abschnitte aus der Biografie des Paul Markert, geboren 1908 in Herrnberchtheim, hrsg. vom Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim Freizeit Im Winter ham wir Nachmittag frei g’habt. Da ham wir Schlitten g’fahren und alle Lumperei trieben. Schlittschuh am See drunten, Räuber und Schander g’spielt. Die ganzen Schulkameraden warn da dabei. Am Bahndamm sin mir immer oben g’west, da in die Böschung hinten runter g’gangen, da sind mir a mit die Schlittschuh runter g’fahren. Mitn Schlitten und a mit die Schlittschuh. Wenn ma älter war, wolt ma aweng a Schneid zeigen. Äpfel ham mir a manchmal g’klaut, besonders dem Pfarrer. Des war glei neben der Kerch und da hat ma läuten müßn, da is ma doch nei in Garten. Des war am sichersten – der Pfarrer war ja in der Kirch. Aus: Ein Bauer in einem fränkischen Dorf erzählt..., Ausgewählte Abschnitte aus der Biografie des Paul Markert, geboren 1908 in Herrnberchtheim, Informationsblätter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, o.J. 22 Taschengeld und Leckereien Ein regelrechtes Taschengeld, wie es heute üblich ist, hatte man damals nicht. Nur an den Markttagen bekam ich von meinen Eltern 10 Pfg. und von meinem Großvater weitere 5 Pfg. Da fühlte man sich reich und konnte sich in bescheidenem Rahmen von den feilgebotenen Leckereien etwas leisten. Für 10 Pfg. gab es eine Tüte mit 20 Zuckerstückchen, die aber sehr klebrig waren. Sie hatten wohl verschiedene Farben, waren aber im Aroma ziemlich gleich. Malzzucker (Bruststoe), Aniszucker, Lakrize (Gretchensaft), Johannesbrot, Waffelbruch, ein Riegel Schokolade einfacher Art und etwas sandig, das waren die Köstlichkeiten, unter denen wir die Auswahl hatten. Eingewickelte Bonbons gab es nicht. Mehr als diese 15 Pfg. durfte ich nicht vernaschen. Wenn ich an dem Markttag von Verwandten einmal weitere 10 Pfg. bekam, mussten diese in die Sparbüchse. So sparsam wurde ich erzogen. Aus: Hugo Schmitt, Geschichte der Familie Hugo Schmitt, Ostheim v. d. Rhön, 1983 Kirchweih – Kirmes Ein besonderes Ereignis war es jedes Jahr, wenn zu Pfingsten auf dem Tanzberg das zweistöckige Karussell von Ernst Steffen aus Themar aufgestellt wurde. Zu Himmelfahrt war der erste Spieltag. Eine Tour kostete 10 Pfg. Es war für mich damals ein herrliches Gefühl, auf einem der schönen weißen Pferde zu sitzen und rundum zu fahren und immer waren die Touren für mein Gefühl zu kurz. Im unteren Teil des Karussells befanden sich Pferde und Sitzbänke, im oberen Schaukeln und drehbare Rundsitze. Dieser Teil war der reiferen Jugend vorbehalten. Mit den vielen Lampen und der bunten Ausstattung mit kleinen Spiegeln war es, besonders abends, ein für Kinder sehr schönes und eindrucksvolles Bild. Von Himmelfahrt bis zum Sonntag nach Pfingsten gastierte das Unternehmen hier und lockte die Jugend der ganzen Umgebung an. (...) Neben dem Karussell gab es eine Schiffschaukel und auch manchmal eine Schießbude. Aus: Hugo Schmitt, Geschichte der Familie Hugo Schmitt, Ostheim v. d. Rhön, 1983 23 Freizeit – Ausflüge – Kirchweih – Jahrmarkt Zur Kirchweih sin ma sowieso ganga, als Kinder scho. Da is der Vater immer Montag mit uns nei. Des hat si der net nehmen lassen. Immer wenn Kirchweihmontag is, sind mir da nei g’ganga. Da is ma manchmal nei g’loffen und am Abend mit dem Zug heimg’fahren. Einmal hat ma laufen müssn! Naja, ma war des g’wöhnt. Nach Uffenheim hat ma a Stund zu laufen g’habt. Kee Autos sin ja da noch net g’fahren. Da hat ma auf der Strass rumlaufen können. Als ich älter war sind na schon die Fahrräder kumma, wo man von der Schul rauskumma is. Des heißt, ich hab in der Volksschul’ scho mei Fahrrad kriegt. Weil i immer viel arbeiten hab müssn. Da sin ma Sonntag immer aweng rum g’fahren, amol nach Uffenheim. Da war immer amol so a Jahrmarkt. Da is ma halt immer aweng nei. Da war der Billige Jakob drinne, da war ma halt neugierig und hat sich den sei G’schrei ang’hört. Des war a Sensation für uns. Da war a a Karussell immer no drinne. Aus: Ein Bauer in einem fränkischen Dorf erzählt..., Ausgewählte Abschnitte aus der Biografie des Paul Markert, geboren 1908 in Herrnberchtheim, Informationsblätter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, o.J. 24 Ohne Erwähnung bei der Führung I. Essen - Speziell Babynahrung: lange gestillt, „Brotschnuller“ (Brot in Lappen gebunden), Haferschleim - Sonst oft alle aus einer großen Schüssel - Typischer Speiseplan: siehe unten - viele Kartoffeln, Brot, Mehlspeisen; Fleisch/Wurst nur ab und zu in der Woche - getrunken wurde viel Milch - Kein Kühlschrank: Speisen wurden haltbar gemacht durch Pökeln, Einkochen, Räuchern, Dörren etc. - exotische Luxusgüter wie z.B. Bananen erst ab 1950er Jahren Nahrung Hauptnahrung besteht in Suppe, Kraut, Gemüse, Fleisch, Kartoffeln, Kaffee und Kuchen Ortsübliche Speisen: a) Kraut-, Rüben oder Hutzelkloß. Es wird ein Teig vorbereitet, ähnlich einem Napfkuchen, rund geformt. Statt ihn zu backen, setzt man ihn entweder auf kochendes Kraut, Rüben oder Hutzeln u. lässt ihn so gar werden. b) „Dätscher“. Der mürbe Dätscher ist ein dünn ausgerollter Kuchen aus feinem Blätterteig. Der Kartoffeldätscher wird aus gekochten und zerquetschten Kartoffeln, wenig Mehl gemacht, aus dünn ausgerollt. Manchmal kommen oben darauf sogenannte Griefen, die beim Schlachten gewonnen werden, manchmal auch fein zerschnittene Petersilie, Schnittlauch und Zwiebeln. c) „Pfüpferli“-Bisquit ähnliches Konfekt. Nahrung an verschiedenen Wochentagen: Sonntag in der Regel Suppe, Fleisch, Gemüse, wechselt ab mit den Klößen. Diese und auch der im Ofen gebackene Kuchen, der 25 „Riwwes“, werden zu Kraut und Fleisch verspeist. In der Woche gibt es gewöhnlich dreimal Kraut und Fleisch, Freitags „Dätscher“, abends in der Regel Kaffee und Kuchen. Aus: Volkskundliches aus der Gemeinde Hendungen, Verfasst von Fräulein Bock, Volksschullehrerin in Hendungen 1909 Ernährung – Selbstversorgung Zu Essen gab es bei uns reichlich und kräftig. Zwei Schweine wurden aufgezogen und für den Eigenbedarf geschlachtet, ein drittes wurde verkauft. Die Vorräte aus der Schlachtung reichten das ganze Jahr über. Rindfleisch wurde nur zur Suppe gekauft. Von dem geernteten Roggen und Weizen waren ausreichend Mehl zu Brot, Kuchen und Teigwaren vorhanden. Eier lieferten die Hühner und Milch die Ziegen. Kuhmilch wurde aber auch zugekauft. Überhaupt musste für die Nahrung nicht viel Geld aufgewendet werden. Dazu trug natürlich bei, dass wir kein großer Haushalt werden. Aus: Hugo Schmitt, Geschichte der Familie Hugo Schmitt, Ostheim v. d. Rhön, 1983 Essen im Tagesverlauf Zum Morgenkaffee gab es von Haus zu Haus Brot. Eine Ausnahme machte der Amtsrichter und die anderen Akademiker, die sogenannten „besseren Leute“. Sie bekamen die Frühstücksbrötchen ins Haus geliefert. Das besorgten die „Weckfrauen“, die den ganzen Vormittag Brötchen und Hefegebäck von Haus zu Haus anboten. Bei armen Leuten, die gewöhnlich noch kinderreich waren, fehlte vielfach das Brot. Dort gab es schon früh Pellkartoffeln. Bei uns war Kaffee, Brot, Marmelade, Schmalz oder Butter auf dem Tisch. Mischkaffee oder Getreidekaffee war in vielen Familien üblich. Meine Eltern tranken Bohnenkaffee unter Zusatz von Zichorie. Zum Frühstück gegen 9 Uhr aß mein Vater gern ein Schmalzbrot mit Schnittlauch oder auch ein Käsebrot. Als Käs war damals nur Limburger oder Handkäs bekannt, auch Kochkäse. Das Frühstücksbrot, das ich in die Schule für die Pause mitbekam, war ebenfalls mit Schmalz oder mit Butter beschmiert. 26 Zu Mittag kochte oder buk meine Mutter abwechselnd Erbsensuppe, Kartoffelsuppe, Sauerkraut mit Rauchfleisch oder Pökelfleisch, weiße Bohnen mit Rauchfleisch, rohe Klöse mit Braten, Stärkklöse, Mehlklöse, Hefeklöse, gesottene Klöse aus gekochten Kartoffeln, rohe Tiegelkuchen, Eiertiegelkuchen, Zwiebelkuchen mit Kaffee, „Taitscher“ mit den Richtungen „Bledertaitscher, Quätschketaitscher und einfacher Taitscher“, Wickelklos, Krautklos, „Riebeskuche“ mit Porreebrühe, gebackene Schinkenscheiben mit Rührei und Salat, Dämpfkraut, Krautsalat, Wirsing, Spinat, Feldsalat je nach Jahreszeit. Rühreier, Spiegeleier, zum Gemüse gab es Kartoffeln. Ausnahmsweise wurden auch breite Nudeln mit Kompott bereitet. Linsensuppe gab es ausnahmslos am Sonnabend. Gekauft wurden Nudeln nicht, die machte meine Mutter aus vorhandenen Eiern und Mehl. Außer dem Sonntag standen jeden Abend Pellkartoffeln auf dem Tisch. Dazu wurden gegessen Wurst, Schweineschmalz, gekauftes Leberkäsfett, eingemachte Hering oder einen geräucherten Hering zu dritt, im Herbst auch Zwetschgenmus zu den Kartoffeln. Gern gegessen wurde die „Zamete“. Sie bestand aus in Scheiben geschnittenen, geschälten Kartoffeln mit Speck und Zwiebeln. Sie wurde nicht mit der Gabel, sondern mit dem Löffel gegessen und zwar direkt aus dem in der Mitte des Tisches stehenden Tiegel. Am Sonntag-Abend bestand die Mahlzeit aus Wurst und Kartoffelsalat. Für den Sonntag wurde Kuchen gebacken. Es gab den nassen Kuchen (Ploatz) oder den Hefekuchen in der Backform oder auf dem runden Kuchenblech. An den Feiertagen wurde ein besserer Kuchen gebacken als an einem der übrigen Sonntage. Das Backen übernahm ausnahmslos der Bäcker. Kuchenbacken zuhause im Kochherde kam erst nach dem Ersten Weltkrieg auf. (...) Bei einem Geburtstag in der Familie wurde ein Brezel auf dem großen runden Blech gebacken. Bei meinem Geburtstag am 5. Februar und dem meines Vaters am 16. Februar gab es 27 Fettkröpflich (hochdt.: „Krapfen“). Anderes und besseres Gebäck zu den Geburtstagen kam erst später auf. Aus: Hugo Schmitt, Geschichte der Familie Hugo Schmitt, Ostheim v. d. Rhön, 1983 Essen in der Stube „Gegessen wurde in der Stube, wo alle um einen Tisch herumsaßen und aus einer Schüssel heraus die Suppe löffelten“ Aus: Heinrich Bernreuther, Fränkischer Bauernalltag, Das Leben auf dem Land, wie es einmal war, Treuchtlingen 1997 Essen: Früh, Mittag, Abend Um halber, dreiviertel achte is Frühstück g’macht worden; da waren alle miteinander am Tisch g’sessen. Bei uns hat’s immer Kartoffeln geben und wenn g’schlacht war die Grieben, des ausgelassene Fett. Und da hat ma an Löffel halb voll raus, da hat jeder rausfassen können. Und a paar Kartoffeln und nei in Teller und die Grieben drüber gossen, und des war net amol schlecht, des war sogar gut. Und an Kaffee hat’s dazu geben. Des war a Malzkaffee, wie man ihn früher selber g’macht hat. Vor dem Krieg, kann i mir nu denken, dass den Zigori geben hat. Zu Mittag gabs a Suppe, a kräftige Suppe. Fleisch hat’s zwee, dreimal geben, und dann noch Mehlspeisen. Die Tage waren immer genau eingeteilt: Montag war Mehlspeisentag, Dienstag, Donnerstag und Sonntag war immer Fleischtag. Und Freitag war immer Mehlspeis. Donnerstag hat’s immer Kraut und Fleisch geben, is a heut oft noch. Samstag hat’s oft bloß Kaffee geben und Äpfelkuchen, was zu backen. Abends is Brotzeit g’macht worden, wenn draußen die Arbeit fertig war. Da hat’s Brot geben und a Wurscht oder a Fleisch, oder Butter und Zwiebelkäs, des hat’s öfter geben. Im Winter hat ma öfter Kartoffeln und sauer g’stöckelte Milch gessen. Die Sauermilch ham mir immer g’habt, im Sommer sind die Hafen die Kellertreppe runter g’standen, da hat me kee Limo g’habt und kee Bier trunken, und an Most hat man net trinken können gegen den Durst, da hat ma halt die Milch trunken. 28 Die Weiber ham viel Arbeit g’habt. Mei Mutter hat sparsam sei müssn, aber zu essen ham wir scho g’nug kriegt, da is net g’spart worden. Bei manchen is aweng hungrig zuganga, des war bei uns net. In der Tischschublade, war der Laib Brot drinne. Als Kinder habn wir rauszogen und runter g’schnitten. Des haben wir machen können, a im Krieg ehrlich g’sagt. Da war immer so viel da. Aus: Ein Bauer in einem fränkischen Dorf erzählt..., Ausgewählte Abschnitte aus der Biografie des Paul Markert, geboren 1908 in Herrnberchtheim, hrsg. vom Fränkischen Freilandmuseum Bad Windsheim Mahlzeiten im Tagesablauf Am Morgen: Je nach Arbeitsbeginn, häufig schon in der Nacht, gab es morgens eine oder zwei Mahlzeiten. Die erste wurde zwischen 2 und 5 Uhr, die zweite zwischen 6 und 8 Uhr eingenommen. - Zum ersten Frühstück: Kaffee, Brotsuppe mit Milch oder Rahm, Schwarzbrot, Brennsuppe oder Kartoffeln mit oder ohne Kaffee - Zum zweiten Frühstück: Kaffee und Brot, bei Ärmeren: Kartoffeln und Branntwein Zu Mittag: Meist um 11 Uhr gab es ein warmes Mittagessen: Die Mittagspause dauerte eine Stunde. Am Nachmittag: Um 15 oder 16 Uhr gab es eine größere Vesperpause, die je nach verrichteter Arbeit vor Ort, also auf dem Feld eingenommen wurde. - Brot, Käse, Butter, Sauermilch und Kartoffeln, bei Reicheren auch Wurst oder geräuchertes Fleisch Am Abend: Abendessen gab es gegen 18 oder 20 Uhr. Gegessen wurde warm oder kalt. - Aufgewärmte Reste vom Mittagessen - Kartoffeln und Sauermilch - Brot, Käse, Butter, Gurken, Salate, Wurst Aus: Esse un Dränke wie domols, Lehrerhandreichung zur Museumserkundung für Schüler der 3./4. Grundschulklasse, Fladungen o.J. 29 Speiseplan für Unterfranken Sonntag: Reissuppe, gekochtes Salzfleisch, Gemüse, Kartoffeln Montag: Weiße Bohnen (als Gemüse), gekochte Kartoffeln Dienstag: Krautkloß (Mehlkloß auf Kraut) Mittwoch: Erbsensuppe mit Bandnudeln Donnerstag: Rauchfleisch, Erdkohlrabi, Kartoffeln Freitag: Linsenspatzen Samstag: Kartoffelsuppe mit Leberwurst Aus: Handreichung des Freilichtmuseums Bad Windsheim 30 Anhang I. Literaturverzeichnis Kinderleben allgemein - Ein Bauer in einem fränkischen Dorf erzählt..., Ausgewählte Abschnitte aus der Biografie des Paul Markert, geboren 1908 in Herrnberchtheim, Informationsblätter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, o.J. - Hemden-Hosen-Unterwäsche, Informationsblätter des Fränkischen Freilandmuseums Bad Windsheim, o.J. - Heinrich Bernreuther, Fränkischer Bauernalltag, Das Leben auf dem Land, wie es einmal war, Treuchtlingen 1997 - Hugo Schmitt, Geschichte der Familie Hugo Schmitt, Ostheim v. d. Rhön, 1983 - Maria Harter, Schwarzwaldheimat: Erinnerungen der Maria von Hanselhof, o.O. 2004 - Anna Wimschneider, Herbstmilch, Lebenserinnerungen einer Bäuerin, München 1998 - Ingeborg Weber-Kellermann, Die deutsche Familie, Frankfurt am Main 1996 - Susanne Mutschler, Ländliche Kindheit in Lebenserinnerungen, Tübingen 1985 - Imke Tappe, Kinderleben in Lippe, Westfälisches Freilichtmuseum Detmold, Münster-Hiltrup 1989 - Monika Dreykorn, Leben wie früher, Bad Windsheim 2007 - Cornelia Julius, Alltag 1900-1930, Kunstpädagogisches Zentrum (KPZ) im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, Nürnberg 1981 - Esse un Dränke wie domols, Lehrerhandreichung zur Museumserkundung für Schüler der 3./4. Grundschulklasse, Fladungen o.J. 31 - „Immer sauber; ganz und rein muss die Schiefertafel sein“, Ein Besuch in der Dorfschule Krausenbach im Fränkischen Freilandmuseum Fladungen, Lehrerhandreichung, Fladungen o.J. - Volkskundliches aus der Gemeinde Hendungen, Verfasst von Fräulein Bock, Volksschullehrerin in Hendungen 1909 Spiele - Helmut Blecher, Unsere Kinderspiele in den 50er und 60er Jahren. Damals spielten wir noch draußen, Gudensberg-Gleichen 2006 - Gisela Dürr, Martin Stiefenhofer, Schöne alte Kinderspiele. Ideen für Kinder aller Altersstufen, München 2002 - Roland Gööck, Das große Buch der Spiele. 1000 Spiele für Jung und Alt, Gütersloh 1964 - Brigitte Mohring, Kinderzeit - Spielezeit. Schriften der volkskundlichen Beratungs- und Dokumentationsstelle für Thüringen, Bd. 9, Erfurt, 1998 - Hella Langosch-Fabri, Alte Kinderspiele neu entdecken, Reinbek bei Hamburg 1993 Museumspädagogik s. http://www.museumspaedagogik.org/literatur.php4 32