Schriftliche Kleine Anfrage

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Schriftliche Kleine Anfrage
BÜRGERSCHAFT
DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG
Drucksache
20. Wahlperiode
20/3268
24.02.12
Schriftliche Kleine Anfrage
der Abgeordneten Heidrun Schmitt und Dr. Stefanie von Berg (GAL)
vom 16.02.12
und
Betr.:
Antwort des Senats
Kürzungen bei Café Sperrgebiet
Das Café Sperrgebiet ist seit 1985 Treffpunkt, Beratungsstelle und Schutzraum für Mädchen und junge Frauen bis zu 21 Jahren in St. Georg, die drogenabhängig sind und sich prostituieren. Dort gibt es die Möglichkeiten zu
essen, zu trinken, zu übernachten, zu duschen, Wäsche zu waschen, sich
medizinisch versorgen zu lassen, sich in sozialen Fragen beraten zu lassen
sowie Optionen zur Entgiftung und Therapie in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus können sie dort Unterstützung bei der Entwicklung einer neuen
Lebensperspektive finden.
Die Probleme dieser Mädchen und Frauen sind vielschichtig: Prostitution im
Sperrgebiet, Gebrauch illegaler Drogen und häufig Obdachlosigkeit, biografische wie auch andauernde alltägliche Gewalterfahrungen, wiederholte Beziehungsabbrüche und Flucht (aus Elternhaus, Jugendwohnung, Psychiatrie
oder vor der Polizei).
Für diese Mädchen stellt das Café Sperrgebiet einen willkommenen und
wichtigen Schutzraum dar.
Ich frage den Senat:
1.
Trifft es zu, dass die Einrichtung Sperrgebiet Hamburg neu ausgeschrieben wurde?
Wenn ja, mit welcher Begründung?
2.
Trifft es zu, dass im Rahmen dieser Ausschreibung die durch die Stadt
zur Verfügung gestellten Mittel für Sperrgebiet Hamburg gekürzt werden?
Wenn ja, in welcher Höhe und mit welcher Begründung wird diese Kürzung vorgenommen?
Nein.
3.
Welche Einschränkungen beim Angebot von Sperrgebiet Hamburg sind
geplant, um die infolge einer Kürzung der Mittel notwendigen Einsparungen zu erbringen?
Um dem veränderten Bedarf der Zielgruppe zu entsprechen (Anzahl der Klientinnen
und Problemlagen) soll die Maßnahme für Minderjährige und junge Frauen zukünftig
aus den folgenden drei Bausteinen bestehen: Prävention, Straßensozialarbeit und ein
Wohnangebot mit bildungs- beziehungsweise berufsorientierender Integration. Eine
allgemeine Anlaufstelle und eine Übernachtungsstelle für kurzfristige Übernachtungen
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entsprechen nicht mehr der Bedarfslage und werden nicht als ausreichend förderlich
für einen Ausstieg Minderjähriger und junger Frauen aus der Szene betrachtet. Die
Übernachtungsstelle ist in den letzten Jahren nur noch in geringem Maße in Anspruch
genommen worden. Stattdessen soll ein ausstiegsorientiertes Wohnprojekt eingerichtet werden (siehe Antwort zu 6.).
4.
Wurden vonseiten des Cafés Sperrgebiet Anträge auf Aufrechterhaltung
von Übernachtungsmöglichkeiten gestellt?
Wenn ja, hat der Senat diese bewilligt?
Falls er sie abgelehnt hat, mit welcher Begründung hat er sie abgelehnt?
Der Träger beantragte fristgerecht zum 30. Juni 2011 auch die Fortführung der Förderung der Übernachtungsstelle für das Jahr 2012. Dieser Antrag wurde abgelehnt, da
zwischenzeitlich die neue Ausrichtung Grundlage für die weiteren Verhandlungen war.
Im Übrigen siehe Antwort zu 3.
5.
Trifft es zu, dass dem Café Sperrgebiet Mittel für die Straßensozialarbeit
und die HIV/Aids-Beratung bis März 2012 bewilligt wurden?
Wenn ja, wo im Haushalt spiegelt sich das wider?
Ja. Die Mittel wurden aus dem Titel 4440.684.12 „Überregionale Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit“ bewilligt.
6.
Ist es richtig, dass eine neue Maßnahme existiert, die unter dem Titel
„Besondere Unterstützung für Mädchen und Frauen in neuen Lebenslagen“ geführt wird?
Wenn ja, wie ist diese finanziert? Wer ist bei der Umstrukturierung der
bisherigen Maßnahmen einbezogen? Welche Zielrichtung steht dahinter?
Nein. Das zukünftige Angebot wird unter dem Arbeitstitel „Modellprojekt für minderjährige Mädchen und junge Frauen in besonderen Lebenslagen“ geführt. Es soll aus dem
Titel 4440.684.12 „Kinder- und Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit“ mit bis zu 325.000
Euro gefördert werden. Außerdem sollen bei Stabilisierung im Wohnprojekt Transferleistungen berücksichtigt werden. Bei der Umstrukturierung wurde das Diakonische
Werk e.V. als Träger mit einbezogen.
Ziel der zukünftigen Maßnahme ist in Übereinstimmung mit den Ergebnissen des Runden Tisches Sexuelle Dienstleistungen vom 2. Juni 2010, Präventionsmaßnahmen für
Minderjährige einen größeren Raum zu geben und soziale Hilfen beziehungsweise
Ausstieghilfen durch das Wohnprojekt mit bildungs- beziehungsweise berufsorientierender Integration für die junge Zielgruppe zu verstärken. Ebenfalls soll die bewährte
Straßensozialarbeit leicht erweitert werden.
7.
Wird im Kontext der Umstrukturierung die Hilfe einzelfallbezogen sein?
Wenn nicht, wie soll in Zukunft die einzelfallbezogene Hilfestellung gewährleistet werden?
Die Straßensozialarbeit wird wie bisher auch einzelfallbezogen tätig werden. Im Rahmen der vorgesehenen Begleitung im Wohnprojekt ist eine individuelle Betreuung vorgesehen.
8.
Welche Hilfsangebote hält die Stadt außer dem Café Sperrgebiet für
minderjährige, sich prostituierende Mädchen und Frauen bereit?
Für die Zielgruppe stehen unterschiedliche Hilfsangebote zur Verfügung:
a)
Grundsätzlich haben Minderjährige und junge Volljährige einen Anspruch auf
Beratung beim Jugendamt – Allgemeine Soziale Dienste der Bezirke.
b)
Hilfsangebote für Minderjährige:
-
2
Projekt Kids (Träger basis & woge e.V.) für Kinder, Jugendliche und Jungerwachsene in problematischen Lebenslagen und gefährdenden Szenemilieus.
Das Projekt bietet eine allgemeine Anlaufstelle mit Offenem Bereich, tages-
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strukturierende Maßnahmen, Freizeitaktivitäten, Gesprächs- und Beratungsangebote, Krisenintervention, Straßensozialarbeit mit den dazugehörenden
Hilfeangeboten, unter anderem Vorhalten von Notschlafplätzen.
-
c)
d)
Projekt Sidewalx (Träger: basis & woge e.V.) für Jugendliche und junge Menschen bis zum 25. Lebensjahr in besonderen Lebenslagen. Das Projekt bietet Straßensozialarbeit mit Beratung einschließlich medizinischer Beratung,
Begleitung sowie Weitervermittlung in andere Hilfen.
Hilfsangebote für Frauen:
-
Projekt Sidewalx (siehe oben)
-
Beratungsstelle für Migrantinnen (Amnesty for Women e.V.) für Migrantinnen
aus speziellen Ländern. Darunter befinden sich unter anderem Frauen, die
ihren Lebensunterhalt durch Prostitution bestreiten. Das Projekt bietet Sozialberatung, Unterstützung bei der Bewältigung des Lebensalltags in einem anderen Kulturkreis, Integrationsvorbereitungskurse sowie Interessenkurse.
Darüber hinaus gibt es Beratungsstellen gegen sexuellen Missbrauch. Die Beratungsstellen richten sich nicht speziell an Mädchen und junge Frauen, die sich
prostituieren. Vor dem Hintergrund, dass Prostitution unter anderem vor dem Hintergrund erlebter, sexueller Gewalt stattfindet, können betroffene Mädchen und
junge Frauen auch dort beraten werden. Die Beratungsstellen sind:
-
Dolle Deerns e.V.: Beratungsstelle gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und
jungen Frauen
-
Zündfunke e.V.: Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Kindern und
Frauen
-
Allerleihrauh e.V.: Beratung bei sexueller Gewalt, Prävention und Fortbildung
-
Zornrot e.V.: Beratungsstelle für von sexualisierter Gewalt betroffene Mädchen und Jungen.
e)
Die Einrichtung Kaffeeklappe (Diakonisches Werk e.V.) als spezialisierte Beratungseinrichtung bietet psychosoziale Betreuung für aussteigewillige Prostituierte
an. Jahresdurchschnittlich können bis zu 18 erwerbsfähige Personen nach § 16a
Nummer 3 Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) psychosoziale Unterstützung erhalten.
f)
Das Centrum für AIDS und sexuell übertragbare Erkrankungen in Altona (CASA
blanca) der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz bietet gemäß § 19
Infektionsschutzgesetz auch minderjährigen sich prostituierenden Mädchen und
Frauen Beratung, Untersuchung und gegebenenfalls Behandlung bezüglich sexuell übertragbarer Krankheiten an. Ferner bietet das ergänzend aus Zuwendungsmitteln der Freien und Hansestadt Hamburg geförderte EU-Projekt INDOORS
(früher TAMPEP) migrierten Sexarbeiterinnen in der Appartementszene aufsuchende Beratung und Information zum Thema HIV und STI (sexually transmitted
infection) an.
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