winkelfunktion

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winkelfunktion
ZEITFAHR-SPEZIAL
Genau messen,
schnell fahren:
TOUR-Tester
Uwe Peschel
WINKELFUNKTION
Voluminöse Rohre, Hochprofilfelgen und Liegelenker machen noch keine Zeitfahrmaschine –
die Geometrie muss stimmen. Zusammen mit dem Zeitfahr-Spezialisten Uwe Peschel hat TOUR
fünf rare Schätzchen fürs rasende Solo getestet
Chrono-Boliden im Fahrtest durch Uwe Peschel Schwächen
offenbarte. Statt dessen liegt das Augenmerk auf der Geouf die Frage, was eine gute Zeitfahrmaschine aus- metrie der Rahmen: Sie und die Sitzposition sind die entmacht, antwortet Uwe Peschel: „Ich erkenne sie, und scheidenden Kriterien für die Qualität eines Zeitfahrrades.
sie sagt zu mir: Steig’ auf und fahr’ mich!“ Uwe
Die Längenverhältnisse, vor allem von Oberrohr zu RahPeschel, einer der besten deutschen Zeitfahrer, ausgezeich- menhöhe, dazu die Länge des Steuerrohrs und die passennet mit Olympiagold 1992 im Straßenvierer und der Silber- den Winkel, machen aus einem Rennrad ein Zeitfahrrad,
medaille bei der WM 2003 im Einzelzeitfahren, weiß, wovon auf dem der Fahrer in aerodynamisch optimaler Position
er spricht: Von den fünf Testrädern, zum Beispiel.
seine Kraft entfalten kann. Aerodynamisch optimal heißt:
Cervélos „P3 Carbon“, und das „Plasma LTD“ von Scott Rücken flach, Kopf runter, Arme lang. Erst ein im Verhältnis
sind die Arbeitsgeräte der Profiteams CSC und Saunier Du- zur Rahmenhöhe langes Oberrohr gibt dem Piloten Platz,
val. Looks „496 Tri“ ähnelt stark dem „TT“ von Crédit Ag- sich zu strecken. Um den Lenker weit unter Sattelniveau
ricole. Ein Kuota „Kalibur“ trug jüngst Normann Stadler montieren zu können, muss das Steuerrohr einige Zentimezum Sieg beim Ironman Hawaii. Alle vier Modelle basieren ter kürzer sein als beim Straßenrenner. Der Sitzwinkel wird
auf höchst aufwändig gefertigten Carbonrahmen, an denen bis zu fünf Grad steiler gewählt, damit das Becken nach vorsich viele sehenswerte Details versammeln. Als Komplettrad ne kippen kann, wodurch die effektive Rahmenlänge
kosten diese Renner kleine Vermögen, was den Kundenkreis schrumpft. Wegen der nach vorne gestreckten, teilweise sehr
einigermaßen exklusiv gestaltet.
kopflastigen Position sollte der Nachlauf, der die Fahrt staDen preiswerten Gegenentwurf stellt Cube mit dem „Ae- bilisiert, rund sechs Zentimeter betragen.
rium Team“. Die Rohre des Alu-Rahmens
Nach den Testfahrten bewertete Uwe
KURZ & KNAPP
sind mittels Wasserdruck gestaltet und
Peschel Position und Fahrverhalten von
Professionelle Zeitfahrräder
kaum weniger profiliert als die der CarCervélo, Kuota und Look am besten, die
bon-Kollegen. Die Testversion kostet 2.599
sind exklusiv und teuer. InterRäder ließen die für ihn gewohnte, sehr flaEuro, mit gleichem Rahmen und einfacheessenten müssen sich mit deche Position zu. Dem Look attestierte er
rer Ausstattung als „Aerium Pro“ sogar nur
ren Geometrie beschäftigen,
jedoch eine für ihn zu kopflastige Position,
1.600 Euro – ein interessantes Angebot für
um sicherzustellen, dass ihnen
im Wiegetritt stieß er mit den Knien an den
den Einstieg als Solist gegen die Uhr.
das Wunschrad passt. Das ist
Liegelenker. Cube und Scott bieten eine
Der Einsatzzweck der Räder legt nahe,
wichtiger als der noch so edle
eher gemäßigte Position für Fahrer, die
auf die Bewertung von Steifigkeit und
und dynamische Auftritt!
(noch) nicht über die stupende GelenkigGewicht zu verzichten – zumal keiner der
keit des Ex-Profis verfügen.
TEXT: MATTHIAS BORCHERS FOTOS: DANIEL SIMON
A
20
TOUR 1/ 2007
CERVÉLO P3 CARBON
Die Aufgabe des „P3“ ist klar: Rasen, was das Zeug hält. Kaum ein anderes Rad ist so bis ins Detail für den Einsatzzweck entwickelt.
Dem Ziel der kanadischen Konstrukteure Gérard Vroomen und Phil White, Pilot und Maschine zu einer aerodynamischen Einheit zu formen, folgt der Renner konsequent. Auffälligstes Merkmal dieser Bemühungen sind die Tragflächenprofile der Rahmenrohre, das Sitzrohr schmiegt sich aufregend eng ans Hinterrad. Sehr variabel ist die Geometrie des Cervélo: Die
voluminöse Sattelstütze mit zwei Aufnahmen für die Sattelklemmung ermöglicht zwei unterschiedlich
steile Sitzwinkel und damit zwei Sitzlängen bei gleicher Rahmengröße. Vorteil: Fahrer mit unterschiedlichsten Körperproportionen finden hierauf eine Position. Abgerundet wird das
Konzept durch Details wie die elegant
verlegten Schaltzüge im Unter- und den Bremszug im
Oberrohr. Die Ausfallenden sind nach hinten offen,
um die Position des Hinterrades möglichst eng
am Sitzrohr zu justieren; an der Sattelstütze lässt sich ein Flaschenhalter befestigen. Im Testrad überzeugten Zipps AeroLaufradsatz „999“ und der Aerolenker
„Vuka Aero“.
Uwe Peschel meint: „Das P3 ist
ein durchdachtes Rad, jedes Detail
stimmt. Die Rohrprofile sind konsequent aerodynamisch geformt. Weil
ich einen verhältnismäßig langen
Oberkörper habe, würde ich den Sattel
in der hinteren Position montieren.“
CUBE AERIUM TEAM
Cube ist im Triathlonsport seit vielen Jahren ein Begriff – und das „Aerium Team“ macht den Einstieg ins Metier für knapp 2.600 Euro
einigermaßen erschwinglich. Das Komplettrad basiert auf einem geslopten Alumimium-Rahmen. Unter- und Sattelrohr haben ihre
tropfenförmigen Querschnitte im Hydroforming-Verfahren bekommen, bei dem die Rahmenrohre mit hohem Wasserdruck in Form gepresst werden. Sattelstütze und Gabelscheiden fügen sich mit ähnlichen Rohrprofilen harmonisch ins Gesamtbild. Brems- und Schaltzüge sind in den Rahmenrohren verlegt, jedoch nicht ganz so elegant wie bei Cervélo oder Scott. Ein interessanter Laufradsatz ist Citecs „6000CCX Carbon“:
Das aerodynamisch günstige, hohe Felgenprofil
besteht aus Carbon, gebremst wird gut dosierbar und zuverlässig auf Alu-Felgenflanken.
Zusammen mit Schwalbes neuem „Ultremo“Drahtreifen ist das ein alltagstauglicher Laufradsatz
nicht nur für den Wettkampf. Sitz- und Lenkwinkel entsprechen gängiger Zeitfahr-Geometrie, allerdings
fällt bei unserer Testrahmen-Größe 52 das
Oberrohr verhältnismäßig kurz aus. Das
Steuerrohr ist zwölf und damit zwei Zentimeter länger als bei den Mitbewerbern, was die Sitzposition näher an die
des klassischen Straßenrenners rückt.
Uwe Peschel meint: „Die Geometrie des Cube ist nicht konsequent
aufs Zeitfahren ausgelegt. Beim Profile-Lenker sind mir die Armschalen
zu weich, ich kann keinen Druck aufbauen. Gefallen hat mir der Tri2-Sattel
von Fizik. Klasse Preis.“
TOUR 1/ 2007
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ZEITFAHR-SPEZIAL
KUOTA KALIBUR
Spätestens seit dem Sieg von Normann Stadler beim diesjährigen Ironman auf Hawaii ist die Marke Kuota hierzulande ein Begriff nicht
nur in der Tria-Szene. Der italienische Anbieter formt Unter- wie Sattelrohr aerodynamisch günstig mit tropfenförmigem Querschnitt,
bricht jedoch mit den harmonischen Linien insbesondere beim kantigen Oberrohr, das eine dicke Sicke ziert. Das Rahmen-Set ist ähnlich
leicht wie das von Scott und eine gute Basis für Berg-Zeitfahren. Die Geometrie erlaubt eine gestreckte
Zeitfahrposition. Das Oberrohr ist zwei Zentimeter länger als das Sitzrohr, der Sitzwinkel 75 Grad steil, das
Steuerrohr kurz genug, damit der Pilot sich strömungsgünstig strecken
und flach machen kann. Dass der Hersteller darauf verzichtet, die
Züge ins Rahmeninnere zu verlegen, erleichtert
Einstell- und Montagearbeiten, Puristen
mögen es als Bruch der aerodynamischen
Konsequenz monieren. Die Vorbau-Lenker-Kombi stieß
auf geteiltes Echo: Mit der Höhenverstellung des „ADJ“Vorbaus lässt sich eine optimale Position finden,
die getrennte Montage von Auslegern und Armschalen ist jedoch sehr fummelig. Gut gefallen konnte der Sattel „Aspide Triathlon Gel“
von Selle San Marco.
Uwe Peschel meint: „Ähnlich wie auf
dem Cervélo kann ich mich auf dem
Kuota schön flach machen. Ein kleiner
Bruch in der Aero-Optik sind für mich
das dicke Steuerrohr und das sehr breite
Oberrohr mit der Sicke sowie die nicht
innenverlegten Züge.“
LOOK 496 TRI
Looks Geschichte als Hersteller spezieller Zeitfahrmaschinen für Straße und Bahn ist lang und erfolgreich. Die Franzosen gehörten zu
den Ersten, die Carbon als Material für windschnittig geformte Rahmen einsetzten, das „496 Tri“ als vorläufiger Höhepunkt der Entwicklung ist eine faszinierende Synthese aus Funktion und Design. Extrem schlanke Tragflächenprofile prägen das Erscheinungsbild, die so
genannte Offset-Gabel fügt sich harmonisch in den flächigen Bereich zwischen Ober- und Unterrohr. Lediglich die runde Sattelstütze will
nicht so recht zur sonst so harmonischen Optik passen. Die optimale Sitzposition lässt sich auf dem Look
ähnlich flexibel einstellen wie beim Cervélo. Die Sattelklemmung auf
einem Schlitten ermöglicht Sitzwinkel zwischen 73,5 und 75 Grad,
und der verstellbare, hauseigene „Ergostem“-Vorbau lädt förmlich ein zum Experimentieren mit der Stellung
des Lenkers. Sehr eigene Ansichten hat
Look jedoch bezüglich der Rahmenlänge:
Der Abstand zwischen Tretlager und Vorderradnabe beträgt nur 53,5 Zentimeter, das sind etwa
sieben weniger als bei der Konkurrenz. In Kombination mit dem relativ kurzen Nachlauf fährt sich
der Renner kopflastiger und nervöser als die
Mitbewerber. Die Geometrie bevorzugt Fahrer
mit langen Beinen und kurzem Oberkörper.
Uwe Peschel meint: „Beim Look gefällt
mir die aggressive Optik. Flächige Rohrquerschnitte animieren mich, schnell zu
fahren. Dazu passen die großen Schriftzüge. Weniger gut finde ich den großen Abstand zwischen geschwungenem Sitzrohr
und Hinterrad.“
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TOUR 1/ 2007
SCOTT PLASMA LTD
Den Rahmen des „Plasma LTD“ fertigt Scott auf die gleiche Weise und mit der gleichen Faserqualität wie den des Straßen-Pendants
„CR1“. Als Zeitfahr-Bolide mit voluminösen Rohren erreicht der Plasma-Rahmen zwar nicht dessen niedriges Gewicht, liegt in dieser Konkurrenz jedoch klar vorne. Scott setzt die flügelartigen Rohrprofile konsequent ein bis hin zum verlängerten Sitzrohr. Auf diesem Sitzdom
thront eine 140 Gramm schwere Sattelklemme, die noch zwei Zentimeter Höhenverstellung zulässt. Eine Klemme mit vier Zentimetern
Verstellweg ist ebenfalls erhältlich. Die Technik der integrierten Sattelstütze hat jedoch ihre Tücken: Bei
unserem Testrad fluchtete das Profil nicht exakt mit
dem Rahmen. Die Folge: Die Sattelspitze zielte
über die Länge des Oberrohres 1,5 Zentimeter
rechts an der Mitte des Gabelschafts vorbei. Der
Schiefstand ließ sich auch mit anderen Klemmen
oder Sätteln nicht ausgleichen. Die Geometrie des Plasma ähnelt der des Cube, langer Radstand und Nachlauf
stabilisieren die Fahrt. Das Oberrohr ist im Verhältnis
zur Rahmenhöhe gar einen Zentimeter kürzer, das
Steuerrohr recht lang. Bedeutet: Piloten mit
langen Beinen und kurzem Oberkörper kommen am besten mit dieser Geometrie klar.
Uwe Peschel meint: „Das Scott hat
ein verhältnismäßig langes Steuerrohr.
Dadurch rückt der Profile-Lenker mit seinen hoch bauenden Armschalen nah ans
Sattelniveau. Gut für weniger gelenkige
Piloten. Der Abstand zwischen Vorderrad
und Unterrohr ist mir optisch zu groß.“
HERSTELLER
MODELL
Preis Rahmenset/Kompletrad
Bezug
Telefon
www.
GEOMETRIE
CERVÉLO
P3 CARBON
CUBE
AERIUM TEAM
KUOTA
KALIBUR
LOOK
496 TRI
SCOTT
PLASMA LTD
4.779/7.888 Euro
TRI-Dynamic
0 83 87/3 90 39-72
cervelo.com
699/2.599 Euro
Pending System
0 92 31/97 00-7 80
cube-bikes.de
2.149/6.000 Euro
CCM-Sport
0 22 26-90 65-0
ccm-sport.de
2.999/k. A. Euro
Grofa
0 64 34/20 08-2 00
lookcycle.com
2.600/6.100 Euro
Scott Sports AG
0 81 31/3 12 60
scottusa.com
78,5°/
74,5°
52,5/56,5
72,5° 15,0*
10,0
Rahmenhöhen
MESSWERTE
Gewicht Komplettrad o. Pedale
Gewicht Rahmen/Gabel**
Kraftübertragung
Fahrstabilität
Seitensteifigkeit Gabel
Schlagzähigkeit Lack
Finish
Garantie/Betriebsanleitung
AUSSTATTUNG
Gabel
Antriebsgruppe
Laufräder
Reifen
Vorbau/Lenker
Sattelstütze/Sattel
61,0
98,1
75°
55,0
72,5° 15,0*
10,0
39,8
6,5
60,0
99,1
40,0
6,6
60,5
99,2
53,5/55,0
74,5° 14,0*
10,0
76°
3,4
5,0
38,7
6,0
56,0
94,0
53,5
71,5°
12,0*
12,0
54,5
55,0
4,5
4,1 7,3
6,1
75°/
73,5°
53,0
53,5
4,0
37,9
12,0*
12,0
51,0
5,9
54,0
72°
75,5°
4,3
6,7
39,5
5,7
60,3
98,8
6,6
48, 51, 54, 56, 58, 61
49, 52, 55, 59
S, M, L, XL
XS, S, M
49, 52, 54, 56, 58
7,7 Kilo
1.417/586 Gramm
96 Nm/Grad
73 Nm/Grad
51 Nm/Grad
sehr gut
sehr gut
lebenslang/sehr gut
8,5 Kilo
1.723/483 Gramm
130 Nm/Grad
89 Nm/Grad
34 Nm/Grad
ausreichend
befriedigend
5 Jahre/gut
7,5 Kilo
1.394/405 Gramm
105 Nm/Grad
67 Nm/Grad
49 Nm/Grad
befriedigend
gut
3 Jahre/gut
8,1 Kilo
1.813/420 Gramm
95 Nm/Grad
bauartbedingt nicht messbar
bauartbedingt nicht messbar
sehr gut
sehr gut
5 Jahre/gut
7,2 Kilo
1.405/382 Gramm
106 Nm/Grad
94 Nm/Grad
50 Nm/Grad
sehr gut
ungenügend
5 Jahre/sehr gut
Cervélo Wolf Time Trial
Shimano Dura-Ace
Zipp 999
Zipp, 21 mm
Zipp Carbon/Zipp Vuka Aero
Cervélo/Selle Italia SLR XP
Dedacciai AKF
Shimano Ultegra/FSA-SLK Carbon
Citec 6000CX Carbon
Schwalbe Ultremo, 23 mm
Syntace F99/Profile Design T2 Wing
Cube/Fizik Arione Tri2
Kuota Kalibur
Shimano Dura-Ace
Fulcrum Racing Speed
Vittoria Evo-CX, 21mm
Deda ADJ/Deda Aeroblack Fastblack
Kuota/Selle San Marco Aspide
Look 496 Tri
Shimano Dura-Ace
Easton Tempest II
Vittoria Evo-CX, 21 mm
Look Ergostem/Prof. D. Cobra Wing
Fizik Arione/Look Ergopost Ti
Scott CR1
Shimano Dura-Ace
Zipp 606
Conti Competition 19 mm
Profile Design Lava OS/- Cobra Wing
Fizik Arione Tri2/ Scott integriert
* Sattel-Steuerrohr-Überhöhung bezogen auf Sitzhöhe 71 Zentimeter (Mitte Tretlager – Mitte Sattelklemmung);
** Rahmengewicht inkl. Lenkkopflager; Gabelgewicht inkl. Expander und Deckel
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